--- title: Z218881104 author: source: publication-date: layout: narrative --- ATON LEETÖTHE N VV EN Österreichische Nationalbibliothek +Z21888110 >– - - ----------- ------ -- ---- ----- ---- -------- -- #ilgerreiſe des Georg Fraunſchuh, Bauers in Wertheim, Pfarre Köſtendorf, Paläſtina über Aegypten, bei Gelegenheit der im Jahre 1870 von der öſter- reichiſchen Karavane dorthin unternommenen Pil- gerfahrt. Nach ſeinen eigenen Aufſchreibungen geordnet und mit Zuſätzen nach den neueſten Beſchreibungen erweitert VON Franz T. Mayr, prov. Benefiziat in Sighardſtein. –><><><>- Verlag des Pilgers. Salzburg 1870. Endl & Penker'ſche Buchdruckerei. 121734 - A Seiner Hochwürden dem Hochverehrteſten gnädigen Herrn Herrn jah. Fienhacher, Dechant und Pfarrer von Köſtendorf, f. e. geiſtl. Rath, Abgeordneter für den hohen ſalzb. Landtag, Mitglied des ſalzb. Landes-Ausſchuſſes und des k. k. Bezirks- Schulrathes, Doktor der Theologie und emerit. k. k. Profeſſor der Paſtoraltheologie ſeinem allgeliebten Dechante und Seelſorger widmet in Verehrung und Dankbarkeit dieſes Büchlein deſſen gehorſames Pfarrkind Gg. Fraunſchuh. Vorrede. Schon in meiner Jugend, wenn ich vom heil. Lande las oder hörte, hatte ich eine große Sehnſucht und den frommen Wunſch, doch ſo glücklich zu ſein, das heil. Land beſuchen und die heil. Orte ſehen zu können. Obwohl dieſes Verlangen in mir fortlebte, hielten mich doch meine Lebensverhältniſſe ſtets von der Ausfüh- rung dieſes Planes ab. Endlich aber, nachdem ich mich von meinem Bauerngute und Wirth- ſchaft zurückgezogen hatte, konnte ich dieſem Drange nicht länger mehr widerſtehen, und ſo unternahm ich im Monat März 1870 in Gottes Namen dieſe Reiſe. Mein feſter Vorſatz war, zu beten an den heil. Stätten für meine Ange- hörigen und Freunde, zu beten für die heilige Kirche, beſonders für deren bedrängtes Ober- haupt und alle Prieſter und Seelſorger, zu be- ten für unſer ſchwer geprüftes Kaiſerhaus und Vaterland Oeſterreich, zu beten endlich für die Bekehrung der Sünder, der Ungläubigen und Irrgläubigen. Obwohl ſelbſt in der letzten Stunde noch mich meine Verwandten und An- gehörigen mit Bitten, Vorſtellungen und Thrä- nen abwendig zu machen ſuchten, blieb ich doch ſtandhaft und meinem Vorhaben getreu. Gott- lob! ich habe auch nicht Urſache es zu bereuen, und jetzt, nachdem ich durch Gottes Schutz glücklich zurückgekehrt bin, freuen ſich Alle mit mir. Nun drangen Alle in mich, meine Reiſe- Erlebniſſe ihnen als Andenken in Druck her- auszugeben – und nach einigem Zögern will- fahrte ich dieſem Wunſche. Dieſes iſt ſomit der eigentliche Zweck dieſes Büchleins. Finden auch Andere Gefallen daran, ſo wird es mich um ſo mehr freuen, nur bitte ich, mit den zweifellos mehrfachen Mängeln, die ſich vorfinden, Nachſicht zu haben. Theils war ich als gewöhnlicher Landmann nicht im Stande, alles ſo niederzuſchreiben und zu ſchildern, wie es die Feder eines ſtudirten Herrn vermag; theils fehlte mir auch oft und oft die Zeit zu genau- eren Aufſchreibungen des Geſehenen, da ja die Tage meines Aufenthaltes im heil. Lande nur wenige zu nennen ſind. Alle aber, welche dieſes Büchlein leſen, bitte ich um ein Vater unſer für meine arme Seele! Gelobt ſei Jeſus Chriſtus! Wertheim, im Oktober 1870. Georg Fraunſchuh. Begleitet von meinen lieben Verwandten und geſtärkt durch viele Beweiſe großer Theilnahme an meinem Unternehmen trat ich am 13. März Abends meine Reiſe vom Bahnhofe Köſtendorf-Neumarkt an. Das Dampfroß brachte mich in der Nacht über Linz nach Wien, wo ich am 14. Morgens ein- traf, und bei meinen dortigen Verwandten verblieb. Die wenigen Tage meines Aufenthaltes benützte ich, um mich mit der Pilgerreiſe-Unternehmung über alles Nothwendige zu beſprechen, noch einige Ein- käufe zu machen und mir die große Haupt- und Reſidenzſtadt Oeſterreichs etwas zu beſehen. Endlich am 17. war der Tag der Abreiſe nach Trieſt. Allein ſchon von Wien aus begannen die Schwierigkei- ten und Hinderniſſe. Sowohl hier, als auch ſpäter in Trieſt wollte mich weder Eiſenbahn noch Dampf- ſchiff um ermäſſigten Preis aufnehmen. Endlich mit vieler Mühe glich ſich alles zu meinem Beſten aus. Die Reiſe nach Trieſt führte mich über den durch ſeine großartigen Eiſenbahnbauten berühmten Sem- 9 meringberg nach Graz, von dort nach ganz kurzem Aufenthalt am Bahnhofe nach Marburg, Cilly, Laibach, und endlich über das wüſten- artige Karſtgebirg nach dem wundervoll am Meere gelegenen Trieſt. Unſere Ankunft in dieſer Stadt erfolgte am 18. März, und bis zu unſerer Abfahrt blieb mir Zeit genug, dieſe Hafenſtadt ge- nauer anzuſehen. Ich erwähne nur die uralte Domkirche St. Juſtin, welche anf einem Hügel über der Stadt, nahe dem Kaſtell ſich befindet und von wo aus man eine prachtvolle Ausſicht über die Stadt und das Meer genießt. Der Thurm derſelben ſoll auf dem Grunde eines heidniſchen Jupitertempels ſtehen. Im Innern ſieht man alte Moſaikbilder (d. h. aus lauter kleinen, verſchiedenfärbigen Steinen zuſammen- geſetzte Bilder) und hübſche Malereien. Nicht weit davon iſt eine ganz neu erbaute, prachtvolle Kirche der PP. Franziskaner, welche im Innern noch nicht fertig iſt, aber ſchon 3 Altäre hat. Fer- ner ſah ich die griechiſche Kirche mit prachtvol- ler Einrichtung und zwei grüngedeckten Thürmen. Der Hafen, wo die Schiffe einlaufen, war be- deckt mit den verſchiedenſten und großartigſten Dampf- und Segelſchiffen. Am Fiſchmarkt be- 10 wunderte ich alle möglichen Gattungen von See- fiſchen, Krebſen, Meerſpinnen u. ſ. w. – Trieſt hat viele herrliche Gebäude, großartige Fabriken zum Schiffbau, und zählt 120,000 Einwohner von allen Nationen. Im Hintergrund der Stadt ziehen ſich grüne, mit Obſtbäumen, Weingärten und Land- häuſern bedeckte Hügel und Berge. Auch ſah ich von Auſſen das prachtvolle Schloß Miramar, einſt Eigenthum des Erzherzogs Ferdinand Maximilian, wo derſelbe auch die unglückſelige Kaiſerkrone von Mexiko angenommen hat. So kam der 19. März heran, an welchem wir um Mitternacht mit dem Dampfſchiffe „Veſta“ von Trieſt abfuhren. Dieſes Schiff war 291 Schuh lang und 44 Schuh breit. Das Meer war ſchon damals etwas unruhig, aber der eigentliche Sturm brach erſt am andern Tag aus, und die Folge da- von war, daß 15 von uns – darunter auch ich – von der Seekrankheit befallen wurden. Nachdem wir an den dalmatiniſchen Inſeln und Küſten vorüber gefahren waren, ſahen wir bald nichts mehr, als Himmel und Waſſer, in der Luft Seemöven, im Waſſer beſonders große Fiſche, Delphine ge- nannt. Der Sturm war ſo arg, daß die Wellen oft über das ganze Schiff ſtürzten, dasſelbe an allen 11 Enden krachte und die Schiffstaue ächzten und krächz- ten. Unſer Schiffsarzt, welcher bereits 19mal über das mittelländiſche Meer gefahren war, behauptete, er habe noch nie einen ſolchen Sturm mitgemacht. Jeden Tag Vormittag um 9 Uhr und Nachmittag um 4 Uhr war eine gemeinſame Andacht im Schiffe beſchloſſen geweſen, allein des Sturmes und unſerer Krankheit halber konnte es ſchon am erſten Tage unſerer Meeresfahrt nicht geſchehen. Wir fuhren dann längs den hohen Gebirgen Albaniens, wo es ſchneite, und kamen endlich am 21. Nachts nach der Inſel Korfu, wo das Schiff ſtille hielt und wir eine ruhige Nacht verlebten. Dieſe Inſel liegt nahe an der Küſte des türkiſchen Reiches, ſo zwar, daß an einer Stelle das Meer nur eine Vier- telſtunde breit iſt. Die Stadt gleichen Namens liegt herrlich anzuſchauen, hat eine gewaltige Feſtung, und zählt 80,000 Einwohner. Die Häuſer ſind in euro- päiſchem Styl erbaut. Hinter der Stadt erhebt ſich ein Berg mit Olivenbäumen beſetzt, auf deſſen Spitze wieder eine kleine Stadt ſichtbar iſt. Auf den umliegenden Bergen ſieht man fruchtbare Fel- der und Bäume, größere Ortſchaften, Landhäuſer und beſonders auch Windmühlen. Es war ziemlich kühl, denn der Schnee reichte an den Bergen weit 12 herab; die Seekrankheit jedoch hatte nun wieder von uns Abſchied genommen und alle waren geſund. Am folgenden Morgen ging die Fahrt wieder weiter; wir kamen nach den joniſchen Inſeln. Auch hier ſahen wir wieder auf den Gipfeln der Berge Windmühlen, aber wenige Häuſer. Nachdem wir auf dieſe Weiſe die Inſeln Cephalonia, Ittaka, Zante und Kreta (auch Candia ge- nannt) paſſirt hatten, hatten wir am 24. wieder nichts als Himmel und Waſſer vor Augen, jedoch endlich wieder einen freundlichen Tag. Beſonders ergötzte und erbaute uns alle der Geſang, welchen einige Geiſtliche am Schiff zur Anhörung brachten. Nun kam es zum Abſchiede von Europa, und ein zweiter Welttheil, Afrika, ward von uns am 25. März betreten. An dieſem Tage nämlich, um 8 Uhr früh, landete unſer Schiff in Alexan- drien. Bevor ich Einiges von der halb europäiſchen, halb afrikaniſchen, halb noblen, halb elenden Stadt Alexandrien und dem altberühmten Lande Aegypten beſchreibe, muß ich erwähmen, daß auch hier wie- der neue Schwierigkeiten in unſerer Reiſe ſich ein- ſtellten. In unſerem Reiſeprogramm hieß es näm- lich, daß am 2. April ein Schiff von Alexandrien 13 abgehen werde, mit welchem wir nach Jaffa in Pa- läſtina fahren könnten. Das war aber unrichtig, denn in Wirklichkeit war es ſo: entweder gleich dieſen nämlichen Tag (25. März), oder erſt nach 14 Tagen (8. April) gehe ein öſterreichiſches Dampf- ſchiff dahin ab. Bis zum 8. April zu warten, war nun Einigen zu lange, und mit anderen, fremden Schiffen zu fahren, unſicher, ob ſie dort landen wür- den. Und ſo entſchloſſen ſich einige von unſerer Ge- ſellſchaft, noch am nämlichen Tage unſerer Ankunft in Alexandrien wieder nach Jaffa weiter zu reiſen, während unſer Herr Präſident, ich und noch andere vorzogen, acht Tage in Aegypten zu verweilen und nach Ablauf dieſer Zeit gegen beſondere Bezahlung ein ruſſiſches Schiff zu benützen, welches von Port- Said nach Jaffa gehen ſollte. Und ſo ward unſere Geſellſchaft getrennt, bis wir uns erſt in Jeruſalem wieder vereinigten. Dieſe Zeit benützten wir zu Aus- flügen in Aegypten, deren kurze Schilderung bald folgt. Mich erinnerten dieſe Schwierigkeiten lebhaft an den heil. Vater in Rom, welchem die Freigeiſter und Revolutionäre ſo viele Schwierigkeiten bereiten, über die er aber mit Gottes Hilfe doch endlich den Sieg davon tragen wird. 14 Als wir in Alexandrien gelandet waren, . kamen eine Menge Araber auf das Schiff zu, jeder wollte uns ausſchiffen. Nachdem wir endlich glück- lich auf einer Barke nach der Stadt befördert waren, ging das Spektakel von neuem los: wir konnten wieder kaum fortkommen, indem ſie uns ihre Eſel an den Weg ſtellten, daß wir reiten ſollten. Es gibt dort unendlich viele ſolche Langohre und viele Kameele. Dabei herrſcht an allen Orten ein Lärm und ein Geſchrei von Türken, Arabern, Gaſſenbuben und Sklaven in den ſchmutzigen, engen Gaſſen, daß einem Hören und Sehen vergehen möchte; Leute von ſchwarzer, brauner und weißer Farbe, halb oder ganz bekleidet. Zur Ehrenrettung der Stadt muß ich aber auch ſagen, daß es auch ſchönere Stadttheile gibt, wo ſich das noblere Leben zeigt. Ich hebe von den Sehenswürdigkeiten, welche ich beſuchte und be- ſichtigte, und deren, nebenbei geſagt, Alexandrien nicht viele hat, beſonders hervor: Die ſchöne Fran- ziskaner Kirche und die prachtvolle griechiſche Kirche. In der Nähe befindet ſich der biſchöf- liche Palaſt und ein herrliches Krankenhaus. Ich ſah ferner die ſogenannte Nadel der Kleo- patra, eine Säule, welche 77 Schuh hoch iſt, 7 Schuh im Durchmeſſer hat und aus Einem Stein 15 beſteht. Ihr Alter ſchreibt ſich vom 17. Jahrhun- dert vor Chriſti Geburt her. Auf dem Platz wo ſie ſteht, ſoll die heil. Katharina dereinſt 52 Gelehrte überwunden haben; jetzt iſt es leider – ein ſchmutzi- ger Kaſernenhof. Als mir dieſes erzählt wurde, dachte ich unwillkürlich an das Konzil in Rom, mit dem Wunſche, daß auch dieſes die neuen Redner zu Schan- den machen möchte. – In Alexandrien lebten nebſt der heil. Katharina noch viele Heilige; ſo z. B. der heil. Markus, der hl. Clemens, der hl. Athanaſius U. M. Ul. Am 27. ging die Reiſe von Alexandrien mit- telſt Eiſenbahn nach der uralten Stadt Kairo. Die Gegend, die wir durchfuhren, iſt ſehr frucht- bar, denn alle Jahre wird die Frucht drei- bis vier- mal reif; damals war gerade die erſte Ernte. Ich ſah alle Gattungen Getreide, Klee, Baumwolle, Lin- ſen u. ſ. w. auf weit ausgedehnten, ebenen Feldern. Die Baumwollpflanzen haben Aehnlichkeit mit un- ſeren Diſteln; auf denſelben wachſen braune, eier- große Knöpfe, in welchen ſich die Baumwolle be- findet, welche dann durch Maſchinen ausgearbeitet wird. Das Getreide wird auf dem Felde mittelſt Ochſen ausgedroſchen. Die Bauernhäuſer ſind ſo gebaut, wie bei uns die Kinder die Schneehäuſer 16 bauen; ein Bauerndorf von Ferne ſieht aus, wie lauter große Maulwurfshügel. Alles wird von Ka- meelen und Eſeln getragen, daher auch die Bauern keine Wagen haben; ſogar Baumſtämme ſah ich von dieſen geduldigen Thieren tragen. Nebenbei be- merke ich noch, daß die Araber nicht den Sonntag, ſondern den Freitag heiligen, denn ſie haben den mohamedaniſchen (türkiſchen) Glauben. Die Stadt Kairo hat 4–600,000 Einwoh- ner, die Häuſer zeigen durchwegs die orientaliſche Bauart. So ſchön und fruchtbar die Umgebung iſt, ſo ſchmutzig und enge ſind die Gaſſen, ſo elend gebaut viele Häuſer. Wahrlich, dieſe erinnerten mich an nichts auderes, als an Schwalbenneſter; wenn es eine ganze Woche regnen würde, ich ſtehe nicht gut, ob nicht die halbe Stadt einfiele. So hat es z. B. voriges Jahr nur mehrere Stunden geregnet, und es ſtürzten mehrere Häuſer ein. Zum Glück regnet es jedoch in jener Gegend ſehr ſelten. Von den geſehenen Merkwürdigkeiten erwähne ich folgende: die Zitadelle, welche durch ihre weitläufigen Gebäude allein eine Stadt ausmacht und auf einer Anhöhe liegt, von der man eine groß- artige Anſicht genießt. In der Zitadelle zeigt man auch einen Brunnen, welchen, wie Manche behaup- 17 ten, der ägyptiſche Joſeph graben ließ, was aber Andere beſtreiten. Er iſt ſehr tief, und das Waſſer wird durch Ochſen heraufgezogen. Ferner iſt zu nen- nen der prachtvolle Palaſt des Vicekönigs von Aegypten, mit einem lieblichen Garten voll der verſchiedenſten Bäume. Die Moſchee, welche ſich auch bei der Zitadelle erhebt, ſoll die ſchönſte in ganz Aegypten ſein; ſie iſt von Marmor, hat 5 Kuppeln, die auf hohen Alabaſterſäulen ruhen, und 2 ſchmale, 22 Klafter hohe Thürme (Mina- rets genannt). Im Innern brennen 500 Lampen, der Boden iſt von Alabaſter und mit Teppichen be- legt; es iſt nicht erlaubt, mit Schuhen darauf zu gehen; auch iſt ſie reich mit Gold, Malereien und bunten Glasfenſtern verſehen. Von einer Andacht konnte ich jedoch nach meinem Geſchmack nichts wahr- nehmen. Außer dieſer beſitzt Kairo noch viele an- dere, meiſtens alte Moſcheen. Ich beſuchte auch das ägyptiſche Muſeum. Hier ſtaunte ich über die vielen Gegenſtände, die zu ſehen waren: Ausgra- bungen von Ninive, Arbeiten aus Gold und an- derm Metall, Steine, alte Werkzeuge, beſonders aber Mumien, d. h. ausgetrocknete Leichname. Ein Au- genzeuge erzählte, daß man vor 3 sº, einen 18 Sarg mit einer Mumie ausgegraben habe, welche noch bekleidet und ganz gut erhalten war. In Alt-Kairo iſt die Marien-Grotte, welche den Kopten gehört; die katholiſchen Prieſter können in derſelben ſelten und nur gegen hohe Be- zahlung die heil. Meſſe leſen. Dieſe Grotte iſt doppelt: eine über, die andere unter der Erde. In dieſe letztere führt eine finſtere Stiege von 13 Stufen, und beſteht ſelbe aus drei Theilen, welche nach den heil. Namen: Jeſus, Maria und Joſeph benannt ſind. Hier wohnte die heilige Familie, als ſie der Grauſamkeit des Herodes durch die Flucht nach Aegypten entging. Auch die Grie- chen ſollen eine ſolche Grotte aufweiſen, welche aber, wie man mir ſagte, nicht die rechte iſt. Bei der Grotte iſt ein Frauenkloſter und eine Erziehungs- Anſtalt für Knaben. Die Schweſtern des Kloſters ſagten mir, daß die Gräfin Dietrichſtein einen Platz gekauft habe, um dort eine Kirche und ein Kloſter zu bauen. Gott ſegne das fromme Vorhaben dieſer edlen Frau! Am 28. März gingen wir zu den weltberühm- ten Pyramiden. Der Weg dahin geht theilweiſe durch eine Wüſte. Dieſe Pyramiden ſind wohl gewiß die älteſten Baudenkmäler der ganzen Welt, denn 19 ſie wurden Jahrtauſende vor Chriſti Geburt erbaut. Ihr Zweck war nichts anderes, als ſtolze Grabdenk- mäler der Könige zu ſein. Die einen ſind von Steinquadern, die andern von Ziegeln erbaut. Sie ſtehen nicht alle beiſammen, ſondern in verſchiedenen Gruppen zerſtreut. Eine davon iſt beilich 500 Schuh hoch, alſo höher als der Stephansthurm in Wien oder die Peterskirche in Rom; man braucht eine Viertelſtunde, um dieſelbe zu umgehen. Im Innern ſind, wie ich bereits erwähnte, die Grabkammern der Könige. - Ich ſah ferner den wilden Feigenbaum, unter welchem die heil. Familie raſtete, und ganz nahe davon die Quelle, aus der ſie getrunken hat. Dieſer Baum ſteht in einem ſchönen Garten, welcher mit Weinreben, Limonie- und Pomeranzen-, Feigen- und Palmen - Bäumen beſetzt iſt, und hat 25 Schuh im Umfang und 7 Gipfel. Mitten im Felde ſteht eine Steinſäule, über 50 Schuh hoch über der Erde; aber ein Theil da- von, ſowie das Fundament ſind vom Sande ver- ſchüttet. Sicherlich iſt ſie ein Ueberbleibſel eines alten Tempels, und wie die Pyramiden, uralt. Am Rückweg hatten wir ſo ſtarken sº daß 20 wir uns das Geſicht mit den Händen verhalten mußen, damit nicht Augen und Mund voll Sand wurden. In Kairo haben die Deutſchen einen Verein mit eigenem Haus, wo nur Mitglieder Eintritt haben. Wir waren täglich dort. Die Herren gaben mir jeder die Hand und waren äußerſt freundlich. Ehe ich von dieſer merkwürdigen Stadt Abſchied nahm, muß ich noch erwähnen, daß wir bei Herrn Damian, Bruder der Frau Steinbichler in Neu- markt, unſer Quartier hatten. Wir wurden mit ſo unbeſchreiblicher Freude aufgenommen, daß er vor Freude lange weinte, und uns keine Antwort ge- ben konnte. Er iſt in Kairo Tiſchlermeiſter unter den günſtigſten Verhältniſſen. Gott möge ihn be- ſchützen und ihm ſeine Gaſtfreundſchaft belohnen! Dagegen aber wurden zwei meiner Reiſegefährten am Bahnhofe von Kairo beſtohlen; dem einen wur- den 40, dem andern 20 Franken entwendet. Ich, Gottlob! blieb von dieſer traurigen Erfahrung ver- ſchont. Von Kairo ging unſere Reiſe mittelſt Eiſen- bahn größtentheils durch Sandwüſten nach Is- mailia. 21 Dieſer Ort iſt erſt mit dem Suezkanal neu erbaut worden und gehört den Franzoſen. Die ganze Umgebung zeigt nichts als Sand und Waſſer; jedoch befinden ſich auf dem Sande theilweiſe be- reits recht hübſche Gartenanlagen. Die Stadt iſt klein und ſehr einfach; die meiſten Häuſer ſind von Holz und nur einen Stock hoch. So war z. B. das Hotel (Gaſthof), wo wir waren, von außen Holz, die inneren Wände waren mit Draht und mit Tappeten überzogen, ſo daß man bei heftigem Winde eine Bewegung merkt. Auch die kath. Kirche iſt ſehr einfach. Ich wohnte der heil. Meſſe bei, wo ein franzöſiſcher Herr miniſtrirte. Ich traf hier nur einen einzigen Deutſchen, mit welchem ich ſprechen konnte, aber auch nur ſehr ſchwer. Am 1. April Mittags 12 Uhr fuhr ich mit- telſt Dampfſchiff am Suezkanal von Ismailia nach Port-Said, wo wir um 8 Uhr Abends ankamen. Auf dieſer Fahrt begegneten uns ſechs große und mehrere kleine Schiffe. Einmal ſtand ein franzöſiſches Schiff mit einem Schleppſchiff da; wir mußten nun ſeitwärts ausweichen, hatten aber das Mißgeſchick, auſzufahren; nachdem wir uns los- gemacht hatten, mußten wir eine kurze Strecke zu- rückfahren, und erſt dann ging die Fahrt glücklich 22 fort. Den ganzen Kanal entlang ſieht man zu bei- den Seiten lauter Sand, nur in der Nähe von Port - Said bemerkte ich etliche Dörfer neu und ziemlich ſchön erbaut. Ferner ſah ich am Kanal viele mächtig große Maſchinen ſtehen, welche den Sand aus dem Waſſer herausſchöpfen, welchen der Wind fortwährend hineintreibt. Denn wie bei uns den Schnee, ſo weht es dort den feinen Sand. Dieſe Maſchinen nun ſchöpfen Sand und Erde aus dem Waſſer, ziehen es hoch empor und ſchütten es dann in eine Rinne, ſo daß es nicht mehr in den Kanal zurückkommt. Port - Said iſt ebenfalls eine ganz neue Stadt am mittelländiſchen Meere. Schöne Häuſer gibt es nur wenige; die meiſten erinnerten mich an die Dulthütten in Salzburg. Selbſt der größte Stadtplatz iſt mit ganzen Reihen ſolcher Hütten beſetzt, worin Kaufleute ihre Waaren feilbieten, Gaſt- und Kaffeeſchenken ſich befinden und Handwerks- leute ihr Geſchäft ausüben. Wahrſcheinlich werden die eigentlichen Häuſer erſt gebaut werden. Auch muß man in der ganzen Stadt in Sand watten, wie bei uns im Schnee; beinahe rings um die Stadt iſt Waſſer. Ich ſah hier eine Kloſterkirche, welche vielmehr einem Heuſtadel, als einem Gotteshauſe 23 ähnlich war, nämlich: gemauerte Wände und da- rauf der Dachſtuhl, ohne jedes Gewölbe oder irgend eine Decke. Auch eine große Fabrik befindet ſich hier, wo Schiffe gebaut werden. Unter anderen wohnte ich auch einer griechiſchen Meſſe bei. In Port-Said mußten wir beinahe vier Tage auf das ruſſiſche Schiff warten, da es durch Stürme auf ſeiner Fahrt aufgehalten wurde. Es iſt begreif- lich, daß mir die Zeit ſehr lange wurde, um ſo mehr, als es hier nicht blos ſehr ſchlecht, ſondern auch ſehr theuer zu leben iſt; jeder Tag kam auf 13 Franken zu ſtehen. Endlich kam die erſehnte Stunde und das er- wähnte Schiff nahm uns am 4. April Abends in ſeine Räume auf, um uns nach dem dritten Welt- theil, nach Aſien zu bringen und dem hl. Lande Paläſtina, dem Ziele unſerer Reiſe zuzuführen. Die Fahrt war keineswegs angenehm; denn wir hatten unſeren Platz am Verdeck, 3. Claſſe, welches ſo mit Menſchen angefüllt war, daß wir kaum ſtehen konn- ten; zudem ſchaukelte das Schiff ſehr ſtark, und was das Aergſte für mich war, das Schiffsvolk hatte ſehr viel Ungeziefer an ſich. Doch, ſowie ich mit Gottes Hilfe dem Meeresſturme glücklich entkom- 24 men bin, ſo blieb ich auch gänzlich von dieſer Plage kriechender und juckender Ungethümer verſchont. Am 5. April um 7 Uhr Morgens war für mich der glückliche Tag und die freudige Stunde, an welchem ich zuerſt den Boden des heil. Landes betrat – denn da erfolgte unſere Landung zu Jaffa. In der heil. Schrift heißt dieſe Stadt: Joppe. Hier hatte ſich der Prophet Jonas einge- ſchifft und wollte entfliehen, als der Herr ihm be- fahl in Ninive zu predigen; (ſiehe Buch Jonas 1. Kapitel); hier erweckte der heilige Petrus die Tabitha vom Tode (ſiehe Apoſtelgeſchichte 9. Ka- pitel); hier hatte derſelbe heilige Apoſtel die Er- ſcheinung des Tuches mit den verſchiedenen reinen und unreinen Thieren (Apoſtelgeſchichte 10. Kap.), hieher kamen die Boten des Cornelius, um den Petrus zu bitten, er möge nach Cäſarea kommen, und den Cornelius ſammt ſeinem Hauſe taufen (Apoſtelgeſchichte 11. Kap.). Das Ausſchiffen war ſehr gefährlich. Ganz am Ufer befindet ſich das Franziskanerkloſter, nach welchen wir allſo- gleich unſere Schritte lenkten. Unſere Prieſter laſen dort in der Kirche zum heil. Petrus die Meſſe, wir übrigen wohnten bei. Die Kirche iſt klein, aber reinlich. Die Stadt ſelbſt hat 10,000 Seelen, da- 25 runter 700 Katholiken, und iſt an einen mittel- mäſſig hohen Felſen ſtufenförmig hinangebaut, ſo daß die oberen Häuſer immer die oberen überragen. Die Gaſſen ſind eng und ſchmutzig, die Häuſer ſehr feſt und viele recht hübſch, alle mit flachen Dächern. Auch ſchöne duftende Gärten gibt es genug. Das Leben und Treiben der Leute iſt ähnlich, wie in Alexandrien. Noch am nämlichen Tage um 6 Uhr Abends verließen wir dieſe Stadt und zogen noch bis zu dem vier Stunden entfernten Städtchen Ramla (auch Ramleh, früher Arimathea genannt). Der Weg dahin führte durch die Ebene Saron. Von Jaffa weg wandert man eine Zeit lang zwi- ſchen den herrlichſten Gärten, voll von Oel-, Fei- gen-, Pomeranzen-, Eitronen-, Palmen-, Aepfel- und anderen Bäumen; dann aber wird die Gegend ſandig und baumlos, iſt jedoch wenigſtens im Früh- jahr mit Gras und Blumen bewachſen, während im Sommer die glühende Sonne alles ausbrennt. Die Häuſer ſind nichts als elende Lehmhütten. Im Hintergrunde dieſer Ebene ſieht man die Gebirge von Judäa. In Ramla angekommen, ſchlugen wir im dortigen Franziskaner-Kloſter unſer letz- tes Nachtquartier vor Jeruſalem auf. Der Ge- 26 danke, ſo nahe der heil. Stadt zu ſein, ließ mich kaum ſchlafen. Ramla hat über 3000 Einwohner und liegt ſehr lieblich zwiſchen Gärten und Olivenhainen, die ſich weit hinaus erſtrecken. Hier war die Heimath des Joſeph von Arimathea. Man ſieht auch große Ruinen und unterirdiſche Gewölbe, mit prachtvollen Pfeilern, offenbar von einer Kirche herſtammend. Dabei ſteht ein 120 Schuh hoher Thurm, der ſogenannte Thurm der 40 Martyrer. Ebenſo zeigt man einen Brunnen der heil. Helena. Daß aber hier die heil. 40 Martyrer den Tod erlitten, ſoll eben ſo unrichtig ſein als die Sage, daß die heil. Helena hier gewohnt habe. Am 6. April, d. i. am Mittwoch in der Schmer- “zenswoche, ging die Reiſe ſchon um 3 Uhr Mor- gens fort nach dem 8 Stunden entfernten Jeru- ſalem. Anfangs war der Weg eben und gut, ſpäter aber ſehr ſteil, bergauf und bergab, in gänzlich un- fruchtbarer Gegend. Auf dieſer Strecke ſind beſon- ders zwei Orte von Intereſſe: jener Ort, wo der rechte Schächer geboren worden ſein, und jener, wo die makkabäiſche Mutter mit ihren ſieben Söhnen den Martyrertod erlitten haben ſoll. (S. 2. Buch der Makka- 27 bäer, 7. Kap.) Endlich auf dem höchſten Berg, den wir zu beſteigen hatten, angelangt, kamen wir oben zu einem kleinen Schloß, und da erblickten wir auf einmal – – Jeruſalem und ſeine Um- gebung! O Jeruſalem! Du heiligſter Ort der gan- zen Welt, du Ziel meines jahrelangen Verlangens, du Freude meines Lebens, du Troſt meines Sterbe- bettes – ſei gegrüßt! Wir ließen nun unſere gemietheten Pferde zu- rück und gingen zu Fuß nach der heil. Stadt. Zwei geiſtliche Herren aus Baiern, ein ſiebenzigjähriger Pilger aus Maria Zell (welchem ich ſchon früher mein Pferd abgetreten hatte, da er zu ermüdet war), und endlich ich waren allein, da die übrige Geſell- ſchaft uns vorausgeeilt war und wir, als die älteren, nicht ſo vorwärts ſchreiten konnten. Keiner von uns konnte ein Wort reden, unſere Herzen waren in Thränen zerfloſſen, ein heiliger Schauer ergriff uns vor Freude über Freude, daß wir endlich die ſo erwünſchte Stunde nach ſo beſchwerlicher Reiſe er- lebt hatten. Hier war der Ort vor uns, wo unſer Erlöſer für mich und alle Menſchen ſo unendlich viel wirkte und litt und endlich ſtarb! Dafür ſei Ihm Lob, Preis und Dank in Ewigkeit! 28 Die Stadt Jeruſalem liegt auf einem Fel- ſenhügel, der von drei Seiten mit Thälern umge- ben iſt, während die vierte Seite mit den Bergen zuſammenhängt. In der Umgebung ſind ringsherum höhere Berge. Die Stadt hat jetzt eine ganz andere, weitere Ausdehnung, als zur Zeit Chriſti, und da- durch erklärt es ſich, daß der Calvarienberg und das heilige Grab jetzt innerhalb der Stadt ſich befinden. Hohe Mauern umſchließen ſie, Thürme, Kuppeln, Kirchen und Klöſter ragen über die andern Gebäude hervor, Palmen, Olivenbäume und grüne Wieſen bilden ihre hübſche Umgebung. Von Jaffa her, wo wir die Stadt das erſte Mal erblickten, ſieht man jedoch nur einen Theil der Stadt, und macht die- ſelbe mit den Felſengebirgen einen mehr traurigen Eindruck. Sie hat beiläufig 17000 Einwohner, mei- ſtens Mohamedaner und Juden, und nur beilich 1300 römiſch-katholiſche Chriſten ſind. Wir gingen durch das Jaffathor und zwiſchen zertrümmerten Stadttheilen nach dem öſterreichi- ſchen Pilgerhaus, wo wir von jenen Reiſe- Mitgliedern, von welchen wir uns in Alexandrien getrennt hatten, freudig empfangen wurden. Vor- ſteher dieſes öſterreichiſchen Pilgerhauſes iſt der hochw. Herr Fr. Hrovat, früher Pfarrer an der 29 St. Jakobskirche in Laibach. Nach den erſten Begrüſ- ſungen wurde dann in der Pilgerhauskapelle welche der heil. Familie geweiht iſt, ein feier- liches Te Deum mit Orgelbegleitung gehalten, wo- bei wir reichliche Freudenthränen vergoſſen. Der Hoch- würd. Hr. Vizerektor des Hauſes verrichtete dann ein längeres Gebet, deſſen Sinn folgender war: „Laſſet uns Gott danken, daß wir unſer Ziel nach einer ſo ſchweren Reiſe erreicht haben. O Gott! ſegne unſere Gebete für die ganze Chriſtenheit, ſegne unſer Va- terland, ſegne unſere Angehörigen, Freunde und Feinde und Alle, die ſich unſerem Gebete empfohlen haben. Gib, daß wir nicht wieder in die Sünde zurückfallen, ſondern bis ans Ende in deiner Gnade verbleiben.“ – Dann ward noch die lauretaniſche Litanei gebetet und der heil. Segen gegeben. Am nämlichen Abend beſuchten wir noch die hl. Grabes- Kirche (deren Beſchreibung ſpäter folgen wird), und verrichteten dort kniefällig und inbrünſtig unſere Andacht. Ungeachtet ich ſehr ermüdet war, erklärte ich mich doch gleich bereit, mit den meiſten Reiſege- fährten am nächſten Tage nach dem todten Meere zu gehen, und voll ſüſſer Freude begab ich mich zur Ruhe. Z0 Allein das Erwachen am 7. war nicht beſon- ders angenehm. Es war nicht blos empfindlich kalt, ſondern es ſchneite, hagelte, donnerte und blitzte ſchon Vormittag darauf los, als würde Jeruſalem nochmal zerſtört. Der Schnee lag fauſthoch, gewiß hier eine äußerſt ſeltene Erſcheinung. Allein das konnte mich in Nichts hindern. Wir gingen Vor- mittags durch das Stephansthor nach dem Oelberg, durch jenes Thor, durch welches der heil. Stephanus zur Steinigung ausgeführt wurde; die Stätte, wo er den Martyrertod erlitt, iſt unter- halb im Thale Joſaphat und durch einen Felsſtein be- zeichnet. Durch das Thal Joſaphat kamen wir über den ausgetrockneten Bach Cedron (Kidron) zum Fuße des Oelberges. In jenem Thal ſieht man un- endlich viele jüdiſche Gräber, worunter beſonders vier bemerkenswerth ſind: 1. das Grab des Joſaphat; 2. das Grab Abſolons; 3. das Grab Jakobs; 4. das Grab des Zacharias. Am Fuße des Oel- berges befindet ſich nun das Grab der ſelig- ſten Jungfrau Maria, die Grotte der To- desangſt Jeſu und der Garten Gethſeman ä. Das Grab der ſeligſten Jungfrau Ma- ria iſt eine unterirdiſche Felſengrotte; zur Hälfte der tiefen Stiege, welche in ihr Inneres führt, zeigt 31 man rechts das Grab Joachims und Anna's, der Eltern der heil. Jungfrau, links das Grab des heil. Joſeph. Noch tiefer unten iſt das einfache Grab der ſeligſten Jungfrau, natürlich ſeit ihrer Aufnahme in den Himmel leer, und mit einem Marmordeckel verſchloſſen. Ueber dieſer heil. Stätte iſt eine Kirche erbaut. Ganz nahe davon iſt die Blutſchwitzungs- Grotte, zu welcher acht Stufen hinabführen. In derſelben ſind drei Altäre, vor welchen Lam- pen brennen. Ein Altar iſt von Alabaſter, ſehr ſchön, im Jahre 1868 erbaut. Ueber dem mittleren Altar iſt in lateiniſcher Sprache folgende Aufſchrift: „Hier wurde ſein Schweiß wie Tropfen Blutes, das auf die Erde rann.“ Die Kapelle iſt ziemlich MUTI. - An dieſe Grotte ſchließt ſich der Garten Gethſemanä, welcher mit einer hohen Mauer umgeben iſt. Vor der Eingangsthür zeigen einige Steinplatten die Stelle, wo die Jünger ge- ſchlafen hatten, während ihr Meiſter Blut ſchwitzte; nicht weit davon iſt jener Platz, wo Ju- das ſeinen Herrn und Meiſter mit einem Kuße verrathen hat. Im Innern des Gartens ſtehen noch acht Oelbäume von jener Zeit; ſie Z2 haben einen Umfang von beiläufig 20 Schuh. Man ſagt, daß der einſtige Garten einen größern Um- fang hatte, wie jetzt; daher iſt es auch erklärlich, daß die Blutſchwitzungsgrotte außerhalb des Gar- tens liegt. Nachdem wir wieder nach Jeruſalem zurückge- kehrt waren, beſuchten wir am nämlichen Vormittag noch das Franziskaner Kloſter, welches ein ſehr ausgedehnter Bau iſt und eiue Kapelle mit meh- reren Altären beſitzt. Wir hatten ferner auch Gelegenheit, die Woh- nung des Hochwürdigſten Patriarchen von Jeruſalem, der beim Konzil in Rom ab- weſend war, zu beſehen. Es iſt ein ſehr ſchönes Gebäude mit einer neuen Kathedral-Kirche. Im Gebäude ſelbſt ſind 2 Salons, 28 Zimmer und eine Hauskapelle. Obwohl auch Nachmittags das Wetter ſehr ſchlecht war, blieben wir doch bei unſerem Plane, das todte Meer und den geheiligten Fluß Jor- dan zu beſuchen, und zogen deßhalb mehr als zwanzig von unſerer Geſellſchaft um 3 Uhr Nach- mittags beim Stephansthore hinaus. Für dieſen Tag war die Reiſe bis zum Kloſter St. Sabas beſchloſſen. Der Sturm war ſo heftig, daß wir 33 alle von unſeren Pferden abſteigen mußten, denn dieſelben wurden ganz wüthend, ſo daß ſie über die Felſenwände geſprungen wären, wenn wir ſie nicht feſt- gehalten hätten. Der Hochw. Herr Generalvikar von Amerika, auch ein Mitglied unſerer Karavane, war ſchon in größter Lebensgefahr, ebenſo ein Schneider- Meiſter aus Wien, welchen das Pferd auf ſteini- gem Boden ſtürzte. Ich war nahe daran den Verluſt meines Hutes beklagen zu müſſen, welchen ich jedoch bald in einer Steinhöhle wiederfand. Gott jedoch beſchützte uns Alle wunderbar auf dieſem gefahr- vollen Wege, und ſo kamen wir Abends 7 Uhr wohlbehalten in St. Sabas an. Das Kloſter St. Sabas wird von armen griechiſch-ſchismatiſchen (griechiſch-nichtunirten) Mön- chen bewohnt, und ſieht einer Feſtung ſehr viel ähn- lich. Es liegt in einer ſchauerlichen Felſenſchlucht an einer Felſenanhöhe, an welcher man viele Höhlen bemerkt, welche nicht von frommen Einſiedlern be- wohnt waren. Hier in dieſer gräulichen Wildniß lebte im vierten Jahrhundert der heil. Sabas als Einſiedler, dem ſich bald mehrere Genoſſen beigeſell- ten. Seine Grabkapelle ſteht mitten im Kloſterhofe. Auf der Oſtſeite befindet ſich die eigentliche Hauptkirche des heil. Sabas. Hier lebte F dex 34 heilige Johannes Damaszenus; ſeine Zelle, worin er auch begraben liegt, wurde in eine Kapelle um- gewandelt. Am folgenden Tag, den 8. gab es wieder ſtarken Regen. Durch die Regengüſſe des vorigen Tages waren wir alle durchnäßt geworden, und die Folge davon war, daß zwei Geiſtliche von unſerer Karavane krank wurden. Dieſe kehrten deßhalb um, und gin- gen in Begleitung von zwei anderen Prieſtern und eines Beduinen nach Jeruſalem zurück. Wir andern aber zogen um 10 Uhr Vormittags, nachdem es ſich aufgeheitert hatte, in ſchauerlicher Gegend fort nach dem 4/2 Stunden von Sabas entfernten todten Meere. Dort angelangt, machten wir an deſſen Ufern eine kurze Mittagsraſt. Wir mußten nämlich eilen, da die Zelte zu unſerem Nachtlager bereits bis zur Eliſäus-Quelle vorausgeſchickt waren, wo wir alſo heute noch eintreffen wußten. Was das todte Meer anbelangt, ſo möge folgende kleine Schilderung genügen: Dasſelbe iſt 20 Stunden lang und 3–4 Stunden breit. Das Waſſer iſt blaßgrün und grau, ſehr ſalzig und bit- ter; kein Fiſch lebt in demſelben. Die Gegend herum iſt kahler Felſen und öde, der Boden mit Erdpech-(Asphalt-)Steinen bedeckt. Kein Haus, keine Z5 Blume, kein Baum, kein Vogel belebt die Ufer; nur einiges Geſträuch ſah ich, das mit unſerem Se- genbaum Aehnlichkeit hat. Von dieſer Stelle des furchtbaren Strafgerichtes Gottes, von dieſem großen Waſſergrabe der über- müthigen Städte Sodoma und Gomorrha eilten wir */4 Stunden weit an den Fluß Jordan, wo Johannes taufte, und der ſich in dieſes Meer ergießt. Das Waſſer desſelben iſt von dem licht- braunen Sand, welchen er enthält, ſchmutzig gelb. Die Ufer ſind mit Blumen und Geſträuchern be- wachſen. Nachdem wir unſere Andacht an dieſem, durch die Taufe Jeſu geheiligten Fluße verrichtet hatten, ging die Reiſe raſch weiter nach dem 2 Stun- den entfernten Jericho. An der Stelle dieſer einſt ſo berühmten Stadt ſieht man nichts, als einen halb verfallenen Thurm und 19 elende Lehmhütten. Man zeigt auch die Mauern vom Hauſe des Zachäus. (Siehe Evangelium am Kirchweihfeſte.) Die Gegend iſt ſchön, allein die Felder ſchlecht bebaut und die Bäume nicht gepflegt, weil eben die Beduinen die Arbeit nicht lieben. Von Jericho war es nicht mehr weit zur Eli- ſäusquelle, ein Brunnen, der ſich in einen Bach ergießt und als jene Quelle verehrt wird gºs 36 der Prophet Eliſäus trinkbar gemacht hat. (Siehe 4. Buch der Könige, 2. Kapitel, 19.–22. Vers) Das Waſſer ſchmeckte ziemlich gut. Eine Viertel- ſtunde entfernt zeigt man den Berg, von deſſen Gipfel der Teufel dem Heilande alle Reiche der Welt verſprach, wenn er nieder- fiele und ihn anbete. An dieſer Quelle ſchlugen wir unter den bereit gehaltenen Zelten, von Beduinen bewacht, unſer Nachtquartier auf. Den 9. ging es durch die Wüſte Judäas, wo Jeſus 40 Tage und Nächte gefaſtet hatte, zu- nächſt nach dem Apoſtelbrunnen. Es wird näm- lich tief im Thale eine Quelle ſo genannt, weil Jeſus und ſeine Jünger dort ſich öfter erquicket haben ſollen. Wir ſahen dort viele Heuſchrecken von bedeutender Größe. Hier machten wir Mittag- Station. - Vom Apoſtelbrunnen kamen wir durch eine ein- ſame Gegend nach Bethania, wo ſich noch jene Gruft befindet, aus welcher der Heiland den Laza- rus vom Tode erweckte. (S. Johannes 11. Kap.) Man ſteigt über 26 Stufen hinab, und kommt zu- erſt in eine kleine Vorkammer, in welcher jährlich zweimal von einem Franziskaner Pater eine heil. Meſſe geleſen wird. Von dort führen noch ein paar Z7 Stufen abwärts zum eigentlichen Grabe, welches aber ſo klein iſt, daß eben ein Mann darin liegen kann. Das Dorf Bethania iſt arm und wird in beiläufig 20 elenden Hütten von Mohamedanern bewohnt. Ueber dem Grabe des Lazarus ſoll einſt eine Kirche und Kloſter geſtanden ſein; aber davon ſieht man nichts mehr, als Ueberreſte eines Thur- mes. (Man leſe das Evangelium am Feſte Maria Himmelfahrt, und bei Johannes das 11. und 12. Kapitel) - Wir gingen weiter und kamen nach jener Stelle, wo dereinſt Bethphage geſtanden ſein ſoll, jener Ort, wo ſich Jeſus auf das Füllen eines Eſels ſetzte und ſeinen feierlichen Einzug in Jeruſalem hielt. Von dieſem Orte iſt jedoch keine Spur mehr vorhanden; mir war jedoch der Beſuch dieſer Stelle um ſo werthvoller, als ſchon morgen der Palmſonn- tag gefeiert wurde. Von hier bis an die Spitze des Oelberges iſt blos eine Viertelſtunde; ich ſparrte mir jedoch den Beſuch desſelben auf ſpäter. Ermü- det hielten wir um 2 Uhr Nachmittags unſeren Einzug in Jeruſalem. So war nun mit Gottes Hilfe auch dieſe Reiſe nach dem todten Meere und vielen merkwürdigen Orten glücklich vorüber, und nun kam die heilige 38 Charwoche, welche ich zum größten Theil mit Beſuchung der Kirchen in und um Jeruſalem zu- brachte. Ehe ich in meinem Tagebuch weiterſchreite, will ich mich vorerſt bemühen, eine kurze Beſchrei- bung der heil. Grabeskirche zu geben. Die heil. Grabeskirche, auf dem Kalvarien- Berge erbaut, iſt ein großes, unregelmäſſiges Ge- bäude mit zwei Kuppeln. Der Zugang iſt dieſes heiligen Tempels wohl ſehr unwürdig, denn man kommt nur durch ſchmutzige Gaſſen dahin. Im Innern führen rechts 18 Stufen hinauf auf die Spitze des Berges, an jene heil. Stellen, wo Jeſus ſeiner Kleider beraubt, wo er an das Kreuz ge- nagelt und gekreuzigt worden iſt. Für jede dieſer Sta- tionen iſt eine eigene Kapelle und ein beſonderer Altar. In letzterer ſieht man noch die Grube, wo das heil. Kreuz darin geſtanden iſt; darüber iſt eine in der Mitte offene Silberplatte gelegt, auf welcher die Leidenswerkzeuge eingearbeitet ſind. Ober dieſer Grube iſt ein Altartiſch, der unten, wie ein ge- wöhnlicher Tiſch, offen iſt, ſo daß man zu jener Grube knieend gelangen kann. Rechts und links bezeichnen zwei ſchwarze Steine jene Stellen, wo die Kreuze der beiden Schächer ſtanden. Zwiſchen der Grube, wo das Kreuz Chriſti, und jener, wo Z9 das des linken Schächers ſtand, iſt wieder eine lange Silberplatte, die man abheben kann, und welche einen Felſenriß bedeckt, der durch das Erdbeben beim Tode Jeſu entſtanden war. An Bildern ſieht man nur das Kruzifix und Maria, Johannes und Mag- dalena in Lebensgröße. Nicht weit von dieſen Ka- pellen iſt ein Altar an jener Stelle, wo der heil. Leichnam Jeſu in den Schooß ſeiner Mutter ge- legt wurde. Eine andere Stiege führt von dieſem Gipfel des Kalvarienberges (der, wie bereits erwähnt, auch im Innern der heil. Grabeskirche ſich befindet) wie- der abwärts. Iſt man nun unten angelangt, ſo iſt links jener heil. Stein, wo der heil. Leichnam Jeſu einbalſamirt wurde; dieſer Stein iſt jedoch mit Marmor eingefaßt und es brennen mehrere Lichter dabei. - - Weiter vorwärts, unter der großen Kuppel, ſteht nun, gleichſam ein kleiner Tempel in dem großen, die heil. Grabkapelle, welche auch eine Kup- pel hat. Zum Eingang führen Marmorſtufen; auch von Außen iſt dieſe Kapelle mit Marmor bekleidet und mit Pfeilern geziert. Das Innere beſteht aus zwei Theilen. Der vordere Theil heißt: die Engels- Kapelle. Hier ſieht man einen Theil jenes Steines, 40 der vor das Grab gewälzt wurde und worauf am Oſtermorgen der Engel geſeſſen iſt. Von dieſer Ka- pelle führt eine kleine Thüre in das heil. Grab ſelbſt. Iſt man auf den Knieen inwendig angelangt, ſo ſieht man rechts jenes Felſengrab, worin der heil. Leichnam gelegen war; dasſelbe iſt an den Seiten mit Marmor bekleidet und auch über der Oeffnung iſt eine Marmorplatte, welche als Altar dient. An der Wand ſind drei Bilder, jedes ſtellt die Auferſtehung vor, da dieſe heiligſte Stätte ſo- wohl den Lateinern, als auch den Griechen und Armeniern gehört. Oberhalb brennen eine Menge von prachtvollen Lampen. Der Raum iſt ſo klein, daß höchſtens vier Perſonen neben einander knieen können. Nachdem man dieſe Kapelle wieder verlaſſen hat und ſich wieder im großen Dom befindet, hat man links jene heil. Stellen, wo Jeſus der Mag- dalena, und wenige Schritte weiter, wo Er Seiner Mutter erſchien. Man ſieht und verehrt ferner die Säule, an welche der Heiland gebunden und ge- geißelt wurde; ferner den Kerker Chriſti, den Ort der Kleidervertheilung, endlich auch die ſogenannte „Spottſäule“, auf welcher Jeſus bei der Dornen- krönung geſeſſen iſt. Ueberall befindet ſich eine Kapelle. 41 Alles, was ich hier beſchrieben habe, ſowie noch andere Heiligthümer ſind in demſelben großen Tem- pel untergebracht, daher man ſich nicht wundern darf, daß der ganze Bau groß, aber ſehr unregel- mäßig iſt. Meine Gefühle beim Beſuche dieſer Heilig- thümer kann ich nicht beſchreiben. Hier alſo iſt jene heilige Stätte, wo mein Erlöſer und Heiland für mich, für meine Kinder und für die ganze Welt geſtorben iſt, wo Er aber auch wieder glorreich vom Todten auferſtanden iſt, als ſicheres Unterpfand, daß auch wir dereinſt wieder auferſtehen werden. O wäre doch unſere Auferſtehung einſt auch eine glorreiche, damit wir dann Alle von Angeſicht zu Angeſicht auch Den ſehen können, der für uns ſo viel gelitten hat und geſtorben iſt! – Unterirdiſch iſt die Helenakapelle, eine Kirche mit zwei Altären, wo die heil. Helena betete, wäh- rend man das Kreuz ſuchte. Noch tiefer befindet ſich die Kreuz auffindungs-Kapelle. Man ſieht hier eine Statue der heil. Helena mit dem Kreuze in ihren Armen, ein Opfer des Erzherzogs Maxi- milian von Oeſterreich (des unglücklichen Kaiſers von Mexiko). 42 Den 10. April, Palmſonntag, brachten wir den ganzen Vormittag in der heil. Grabeskirche zu. Der Hochwürdigſte Herr Weihbiſchof von Jeruſalem las eine feierliche heilige Meſſe auf einem koſtbaren ſilbernen Altar, der auſſerhalb des heiligen Grabes aufgerichtet war. Während derſelben wurde die Paſ- ſion in ergreifender Weiſe geſungen. Die Palmweihe war um 7 Uhr, wo wir aus Hochdeſſen Händen Palmzweige erhielten. – Am Abend desſelben Ta- ges wohnte ich einer ſehr ſchönen Andacht in der neuen Ecce Homo-Kirche, nahe dem öſterr. Pil- gerhauſe bei, wobei die Erziehungsmädchen des neben- befindlichen Frauenkloſters geſungen haben. Am folgenden Tage, den 11., gingen wir in den Garten Gethſemanä, und wohnten in der Blut- ſchwitzungsgrotte einer heil. Meſſe bei. Von Geth- ſemanä gingen wir auf den Gipfel des Oel- berges, wo Jeſus in den Himmel aufgefahren iſt. Man hat von dort eine herrliche Ausſicht, und überſieht das ganze, 6 Stunden entfernte todte Meer. Es war einſt hier eine große Kirche geſtanden, welche aber zerſtört iſt, und wovon nur noch die Mauern ſtehen. In der Mitte dieſer Ruinen ſteht eine kleine, ärmliche Kapelle, welche den Türken gehört, daher man auch Eintrittsgeld zahlen muß. Im Innern ſieht 43 man noch den Felſen, in welchem die Spur des linken Fuſſes des Heilandes eingedrückt iſt. Auf dieſem Wege kamen wir auch zu jenen hl. Stellen, wo Chriſtus ſeinen Apoſteln das „Vater unſer“ lehrte, und wo Er über Je- ruſalem weinte. Ueberall ſtanden einſt Kirchen. Am erſteren Orte baut eben jetzt eine franzöſiſche Gräfin ein ſchönes Gebäude mit einer Hauskapelle. Nachmittags gingen ich und noch mehrere von unſerer Karavane nach Bethlehem, 2 Stunden von Jeruſalem entfernt. Auf dieſem Wege waren auch einſt die heil. drei Könige zur Geburtsſtätte des Heilandes gezogen. Man geht beim Jaffathor hinaus und gelangt in die Nähe jener Ruinen, welche von einem Landhaus des Hohenprie- ſters Kaiphas herſtammen ſollen, daher auch der Hügel, auf welchem ſie ſtehen, „der Berg des böſen Rathes“ genannt wird. Weiter ſieht man mitten in den fruchtbaren Feldern abermals Ruinen, u. zw. von dem Hauſe des frommen Simon. Noch weiter kommt man zu einem Brun- nen, welcher die „Ciſterne der heil. drei Kö- nige“ genannt wird, wo der Stern den Weiſen wieder erſchienen iſt und ihnen den Weg zur Krippe in Bethlehem zeigte. Endlich gelangt man auf einer 44 Anhöhe zum griechiſchen Elias kloſter, welches an jener Stelle erbaut iſt, wo dieſer Prophet einſt raſtete, als er vor Achab und Jezabel in die Wüſte entfloh. (Siehe 3. Buch der Könige, 19. Kapitel.) Auch dieſes Kloſter ſieht einer Feſtung viel ähnlich, beſitzt aber eine ſchöne Kirche. Von dieſer Höhe ſieht man hinter ſich noch Jeruſalem, vor ſich be- reits das lieblich gelegene Bethlehem. Jenſeits der Höhe iſt das ſogenannte Erbſenfeld, von den vielen kleinen, erbſenähnlichen Steinen, die ſich dort vorfinden, ſo benannt. Weiter das Grab der Rachel (ſiehe 1. Buch Moſes, 35. Kap, 19. V.), und die Ciſterne Davids (ſiehe 2. Samuel 23. K., 14.–16. V. und 1. Buch Chron. 12. K. 16.–19. Vers), und endlich Bethlehem, der Geburtsort unſeres Erlöſers Jeſu Chriſti, welches Städtchen 3000 Einwohner zählt, wovon -2000 Katholiken ſind. Es liegt in einer fruchtbaren Um- gebung an eine Anhöhe hinauf gebaut. Wir blie- ben bei den dortigen PP. Franziskanern über Nacht. Des andern Morgens, den 12., war unſer erſter Gang nach der heiligen Grotte, wo der Heiland geboren wurde. Eine große Kirche iſt darüber gebaut, wie man ſagt, von der heiligen 45 Helena. Achtundvierzig Säulen, jede aus Einem Stück Marmor, ſtehen in vier Reihen darin. Allein trotz dieſer Pracht ſieht man auch, daß viel ver- wüſtet worden iſt. Sie gehört den Griechen. Nahe beim Hochaltar führen 2 Marmorſtiegen, jede von beilich 15 Stufen hinab in die Grotte der Geburt. Die Wände und der Fußboden ſind mit Marmor bedeckt und mit ſchönen Seidenſtoffen behängt; viele prachtvolle Lampen brennen darin. Sie iſt 39 Schuh lang, 11 Schuh breit und 9 Schuh hoch. An dem einen Ende iſt eine etwas erhöhte Niſche. Dort ſteht ein kleiner Altartiſch, und unter dieſem iſt eine Marmorplatte mit einem ſilbernen Stern und der lateiniſchen Inſchrift: „Hier iſt Jeſus Chriſtus von Maria der Jungfrau geboren worden.“ Präch- tige Lampen erleuchten dieſe Niſche. Etwas ſeit- wärts über 3 Stufen iſt eine kleine Vertiefung, wo die Krippe einſt geſtanden hatte. Jetzt befindet ſich ſtatt derſelben dort ein Barren von Marmor, wel- cher der wirklichen Krippe, die ſich in Rom befin- det, nachgebildet iſt. Ein Bild mit der Vorſtellung der Geburt Chriſti befindet ſich darüber. Gegenüber dieſer heil. Stätte iſt die Stelle, wo die heil. drei Könige dem König Himmels und der Erde ihre Huldigung darbrachten, mit einem Altar und dem 46 Bilde, welches die Anbetung der drei Weiſen vor- ſtellt. Dieſer Altar gehört den Lateinern. Dieß alſo iſt die Geburtsſtätte un- ſeres Heils! O möchten doch, ſowie die heiligen drei Könige, auch die Großen der Erde kommen, und ſich vor Gott demüthigen, fürwahr! viele Kriege und anderes Unheil würden ausbleiben. O möchten auch durch das Conzil in Rom unſer Glaube und die guten Sitten neu geboren werden, wie einſt Jeſus in Bethlehem geboren wurde! Von der heil. Grotte führt ein ſchmaler Felſen- gang zu den übrigen heil. Stätten; unter dieſen iſt der Altar des heil. Joſeph, an jener Stelle, wo der Engel dem heil. Joſeph im Schlafe erſchien (ſiehe Math. II. Kap. 13. V.); ferner die Grotte der unſchuldigen Kinder. In dieſer Grotte nämlich befindet ſich unter einem Altar eine ver- gitterte Gruft, wohin die Gebeine der unſchuldigen Kinder gebracht wurden. Von dort gehen 2 Gänge auseinander; der eine führt zur Katharinenkirche des Franziskanerkloſters, der andere zu den Gräbern des heil. Euſebius und des heil. Hierony- mus, der hier in einer Grotte 38 Jahre gelebt hat. Sein heil. Leib befindet ſich jetzt in Rom. 47 Etwa 400 Schritte von dieſer Kirche der Ge- burt Chriſti befindet ſich die Milchgrotte, welche aus weißem Kalkgeſtein beſteht und einen Altar enthält. Sie gehört den Franziskanern. Hier ſoll ſich die heil. Familie verborgen haben, bis ſie nach Aegypten entfliehen konnte. Eine halbe Stunde von Bethlehem iſt das Hir- tenfeld. Es iſt dieſes ein kleiner Platz, mit Oel- bäumen beſetzt und mit einer niedern Mauer um- geben. Innerhalb dieſer Mauer ſteigt man über eine Stiege hinab in die Hirtengrotte, die zwar als Kirche hergeſtellt, aber ſehr ärmlich iſt. Sie beſitzt einen Altar, und gehört den Griechen. Ueber dieſer Grotte ſieht man die Trümmer einer ehemaligen Kirche. Auch ich betete hier mit den Engeln: „Ehre ſei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menſchen, die eines guten Willens ſind.“ Auch wurde uns am Wege dahin jener Ort gezeigt, wo einſt das Haus des heil. Joſeph, und ſpäter ein Kloſter geſtanden war. Auch das ſogenannte „Hirten dorf“ wird gezeigt, aus wel- chem die Hirten waren, denen zuerſt die Geburt des Erlöſers verkündiget wurde. Aufrichtig muß ich geſtehen, daß mich im gan- zen heil. Lande kein Ort ſo ſehr ergriffen hat, als 48 gerade Bethlehem. Als wir von dieſer Perle unſeres Heiles Abſchied nahmen, bat ich Gott nochmals, Er möge mein unwürdiges Gebet erhören, Er möge beiſtehen dem Oberhaupt der ganzen kath. Kirche, dem Konzil, allen Seelſorgern und Prieſtern, und unſerem allergnädigſten Kaiſer, der uns als Pilger kürzlich im heil. Lande vorangegangen iſt; Er möge uns brave Männer in die Landtage und in den Reichsrath ſchicken und meine Angehörigen zu Hauſe ſegnen und in Seiner Gnade erhalten und ſo unſer zeitliches und ewiges Wohl begründen. Mit Thränen und kaum im Stande laut zu ſprechen, nahmen wir Abſchied. Betend kehrten wir zurück nach Jeruſalem, um dort die heil. Charwoche zu feiern. Sehr leid war mir, daß wir auf unſerem Rück- weg nicht das nahe gelegene Kloſter St. Jo- hann, die Geburtsſtätte des heil. Johannes des Täufers, beſuchten. Aber da meine übrigen Beglei- ter es nicht wollten, wagte ich allein es auch nicht, da ich in Erfahrung gebracht hatte, daß erſt kürz- lich auf dieſem Wege zwei Pilger beraubt wurden, und ihnen nichts verblieb, als der Hut. Am Abende nach unſerer Rückkunft nach Jeru- ſalem beſuchte ich noch das heil. Grab. 49 Den 13. beſuchte ich wieder die Blutſchwitz- ungsgrotte am Oelberge und noch andere hl. Orte, und wohnte Nachmittags der Trauermette bei, welche von 3–6 Uhr gehalten wurde und ſehr ergreifend WaT. Den 14, Gründonnerstag, war feierliches Hochamt in der heil. Grabeskirche, wobei uns der hochwürdigſte Herr Weihbiſchof die heil. Kommunion reichte. Die ganze Feierlichkeit dauerte von 6–10 Uhr Vormittag. Dann beſichtigten wir, begleitet vom Hochw. Herrn Direktor des Pilgerhauſes und einem Polizeimann, der zugleich Hausknecht des Pilger- hauſes iſt, den Speiſeſaal, in welchem Jeſus das Oſterlamm gegeſſen und das aller- heiligſte Altarsſakrament eingeſetzt hat. Wir kamen durch das Sionsthor zuerſt an jene Stelle, wo einſt das Haus des Kaiphas ſtand, in deſſen Hofraum Petrus ſeinen Meiſter dreimal verläugnete. Jetzt iſt dort ein Kloſter der Armenier mit einer kleinen, ſchönen Kirche, in welcher man zum Gefängniß Chriſti hinabſteigt. Nicht weit davon iſt eine Felſenhöhle, in welcher Petrus bitterlich weinte. Einige Schritte vom ehemali- gen Hauſe des Kaiphas iſt ein ziemlich verfallenes Gebäude, welches einſt eine Kirche war. Nachdem 4 50 man ein Trinkgeld gegeben hat, ſteigt man über eine Stiege von 20 Stufen hinauf und kommt in den heil. Speiſeſaal, welcher zwei freiſtehende Säulen und 8 Wandſäulen enthält, und ſehr un- rein gehalten iſt. Er dient jetzt den Türken als Moſchee. Der Herr Direktor ſagte, es ſei wirklich noch der nämliche Saal, in welchem Jeſus das Abendmahl hielt und Seinen Jüngern die Füſſe wuſch, weil es die Bauart ſo nachweiſet. Wir bete- ten ziemlich lange an dieſer geheiligten Stätte, wo Jeſus in Seiner unendlichen Liebe das allerheiligſte Altars-Sakrament eingeſetzt hat, wo Er nach Seiner Auferſtehung wiederholt Seinen Jüngern erſchien, und der heil. Geiſt über ſie herabgekommen war, und von wo aus ſie ausgingen in die ganze Welt, um allen Völkern das Evangelium zu predigen und ſie zu taufen. O möchte auch jetzt der heil. Geiſt die Väter des Conzils erleuchten, damit ſie den Glauben vertheidigen und die Sitten verbeſſern, ebenſo aber auch alle geiſtlichen Vorſteher und Seel- ſorger und alle weltlichen Regenten und Miniſter. Ich bitte alle Jene, welche dieſes leſen, daß ſie ſich auf dieſe Meinung im Gebete mit mir ver- einigen. – Im nämlichen Gebäude befindet ſich, 3 Stiegen 51 abwärts, das Grab des Königs David, zu welchem aber der Zutritt nicht geſtattet iſt. Nachmittag um 2 Uhr wurde vom Hochwürdig- ſten Herrn Weihbiſchof vor der heil. Grabeskapelle die Fußwaſchung vorgenommen und zwar an 6 Bürgern der Stadt, 4 Franziskanern und 2 Prieſtern unſerer Karavane. Am 15., Charfreitag, wohnte ich Vormit- tags wieder den heil. Ceremonien in der hl. Gra- beskirche bei. Abends 6 Uhr war feierliche Prozeſ- ſion bei den vorzüglichſten Heiligthümern des Domes. Es wurden dabei in den verſchiedenen Kapellen 7 Predigten gehalten, jede in einer anderen Sprache; die deutſche war am Altare der Kreuzannaglung. Erwähnen muß ich noch, daß die Kreuztragung, Kreuzabnahme, Salbung und Grablegung wirklich . dargeſtellt wurden und zwar durch eine bewegliche Figur, welche den Heiland vorſtellt, und ein großes hölzernes Kreuz. Alle Begleiter der Prozeſſion tru- gen brennende Kerzen. Die Feierlichkeit dauerte bis 11 Uhr Nachts, alſo volle 5 Stunden. Am 16., Charſamstag, war wieder feier- liches Hochamt beim heil. Grabe. In der Stadt wimmelte es von griechiſchen, armeniſchen und kop- tiſchen Pilgern, welche auf Pferden, sei, sº 52 Kameelen herbeigekommen waren, um morgen ihre Palmweihe und darauf ihr Oſterfeſt in Jeruſalem zu feiern. Eine kathol. Auferſtehungsfeier, wie bei uns, findet an dieſem Tage nicht ſtatt; dieſelbe wird erſt am Oſtermorgen ſelbſt abgehalten. Erwähnen muß ich auch, daß wir den heil. Kreuzweg öffentlich in der Stadt, bei den wirklichen Stationen, vom Gerichtshauſe des Pilatus bis zum heil. Grabe, laut abgebetet haben, ohne nur im mindeſten geſtört zu werden. Wie traurig iſt es dagegen an manchen Orten Oeſter- reichs, wo man ſogar von Katholiken verhöhnt und verſpottet wird, wenn man ſich noch einigermaſſen als guter Chriſt zeigt und ſeinen Glauben öffent- lich bekennt. Manche Station des heil. Kreuzweges iſt nur durch einen Stein oder ein Säulenſtück kennbar, auch iſt der eigentliche Kreuzweg, den Jeſus gewandelt iſt, theilweiſe mit Häuſern verbaut. Die letzten fünf Stationen befinden ſich im Innern der heil. Grabeskirche. Am Charſamſtage iſt in Jeruſalem bei den Ka- tholiken große Stille. So brach denn der freudige Oſtermorgen an. Der Gottesdienſt in der heil. Grabeskirche be- gann um 5 Uhr früh. Nach dem Hochamte war * 53 Prozeſſion um die Grabkapelle herum. Alles zeigte Pracht und große Feierlichkeit. Nachmittags ging ich nach Bethanien, wo ich das Grab des Lazarus (welches ich ſchon oben beſchrieben habe) beſuchte. Für den 18., d. i. Oſtermontag, war die Ab- reiſe von Jeruſalem beſchloſſen. In der Blut- ſchwitzungsgrotte ließ ich durch Pater Peter noch meine Sachen weihen, welche ich als Andenken mit nach Hauſe nahm. Zum Abſchied baten wir insgeſammt noch den türkiſchen Konſul, daß uns mit ſeiner Er- laubniß die hl. Grabeskirche aufgeſperrt werde, wo wir * Gott unſere Dankſagung mit gerührtem Herzen dar- brachten. Und ſo ſei denn auch jetzt, ſowie an jenem Tage, Gott gelobt und geprieſen für die Gnade, daß ich jene hl. Orte, die Gedächtnißſtätten unſerer Erlöſung und die Geburtsſtätte unſeres Heiles beſu- chen konnte. Möge Er mir und meinen Kindern, mei- nen Angehörigen und Allen, die dieſes leſen, die Gnade ſchenken, daß wir dereinſt Alle im himmliſchen Jeru- ſalem vereinigt werden! Wunderbares hat Seine Barmherzigkeit auch an mir gethan, denn kurze Zeit vor meiner Abreiſe (aus der Hei- math) nach Jeruſalem hatte ich mir die rechte Achſel ſchwer beſchädigt, ſo zwar, das es ſehr in Frage 54 ſtand, ob ich die Reiſe unternehmen könne; allein vertrauend auf Gottes Hilfe wagte ich es, und erduldete während der Reiſe manche Beſchwerden; – aber wunderbar! in Jeruſalem angekommen, ſchwand jeder Schmerz und ich konnte die Hand wieder leicht bewegen. Ihm ſei Lob und Dank, der für mich ſo viel gelitten hat! Jeruſalem und Bethlehem, ihr heili- gen Orte, lebet wohl! Und nun in Gottes Namen nach – Nazareth. Nachmittags um 3 Uhr zogen wir ſtill und ſchweigend durch das Damaskusthor von Jeruſalem fort. Wir waren blos 19 Pilger der Karavane, da einige noch zu Jeruſalem zurückblieben, andere wieder über Jaffa nach Hauſe reisten, ohne Nazareth zu beſuchen. Unter Jenen, welche in Jeruſalem zurückblieben, war auch unſer Hochw. Herr Präſident, der mit noch Mehreren nach Damaskus und zurück über Konſtantinopel zu reiſen geſonnen war. Unter Thrä- nen nahmen wir von ihm Abſchied. Nachdem wir mehr als eine Stunde gerit- ten waren, kamen wir auf eine Berghöhe, von welcher aus man Jeruſalem das letztemal erblickt. Dort beteten wir gemeinſchaftlich noch ein Vater unſer und Ehre ſei Gott dem Vater, dann ging 55 es auf ſteinigen Wegen durch öde Felder weiter. Wir kamen am elenden Dorfe El-Bir vorüber, welches als jener Ort bezeichnet wird, wo Joſeph und Maria bei ihrer Rückkehr von Jeruſalem den zwölfjährigen Jeſus vermißten. Es war einſt dort eine ſchöne Kirche, von welcher jetzt nur mehr die Ruinen ſtehen. Weiters hatten wir rechts Bethel (jetzt Beitin genannt), jenen Ort, wo der Patriarch Jakob im Schlafe die Himmelsleiter ſah (ſiehe 1. Buch Moſes 28. Kap.), und kamen endlich zum nicht unanſehnlichen Dorfe Dſchifna oder Schis- na, welches in einer wohlbebauten Gegend liegt, und wo eine ganz neue katholiſche Kirche erbaut iſt. Dort ſchlugen wir außerhalb des Dorfes unter Zelten unſer Nachtquartier auf. Schon vor Mitter- nacht fing es zu regnen und zu ſtürmen an, und ſo geſchah es, daß plötzlich der Wind ein Zelt er- faßte und dasſelbe zuſammen ſtürzte, ſo daß unter demſelben die Bewohner desſelben begraben lagen; doch Gottlob! ging das Ganze ohne jede körperliche Beſchädigung ab. Aber an eine Ruhe war ſelbe Nacht nicht mehr zu denken. Am anderen Morgen, den 19. ging die Reiſe wieder weiter nach der Stadt Naplus, dem ein- ſtigen Sichem. Der Weg war abermals ſehr 56 ſchlecht, das Wetter ebenfalls nicht beſſer. Die Ge- gend war mehr kultivirt, beſonders ſah ich ſchöne Weitzenfelder und Feigengärten. Wir kamen zum Jakobsbrunnen, wo die Unterredung zwiſchen Jeſus und dem ſamaritiſchen Weibe ſtattfand. (S. Joh. 4. Kap.) Von einer ehemaligen Kirche ſind auch hier nur mehr die Ruinen ſichtbar. Nicht weit da- von entfernt iſt das Grabmal des ägyptiſchen Joſeph. (S. Buch Joſue, 24. Kap. 32. Vers) Bis auf die Haut durchnäßt, kamen wir Abends in Naplus an, wo wir bei einem Griechen gegen Bezahlung Aufnahme in ſeinem Hauſe fanden. Auch wurden ein paar Pfannen Kohlenfeuer gebracht, um unſere Kleider zu trocknen; aber neues Mißgeſchick! Einige von uns thaten bei dieſem Geſchäfte des Guten zu viel und verbrannten ſo theilweiſe ihre Kleidung. Aber auch da mußten wir Gott danken, daß wir doch Alle geſund verblieben und des andern Morgens größtentheils getrocknete Kleider hatten. Die Stadt Naplus hat beiläufig 8000 Seelen, darunter nur wenige Katholiken, und liegt am Fuße des Berges Garizim. Hier war einſt Gott dem Abraham erſchienen, und gab ihm die Verheißung, daß ſeine Nachkommen dieſes Land beſitzen werden, 57 (ſiehe 1. Buch Moſes, 12. Kap.); der Patriarch Jakob, der ägyptiſche Joſeph und Joſue waren hier (ſiehe 1. Buch Moſes 35. und 37. Kapitel, und Buch Joſue 24. Kapitel). Die Gegend iſt ſehr gut bewäſſert und daher äußerſt fruchtbar. Hier ſah ich endlich wieder einmal eine Mühle, die vom Waſſer getrieben wurde, während alle, die ich bisher in Pa- läſtina ſah, entweder vom Winde oder von Pferden bewegt wurden. Die Stadt hat mehrere Moſcheen, ſchöne Häuſer und iſt ſehr belebt. Der 20. April brachte uns wieder ſchönes Wet- ter und wir zogen wohlgemuth Vormittags fort nach Sebaſte, zwei ſtarke Stunden von Naplus ent- fernt. Der Weg dahin führt durch herrliche Ge- treidefelder und Olivenwälder. Man ſieht auch eine großartige Waſſerleitung in zwölf Bogen gemauert hoch über das Thal gebaut. Das arme, elende, aber in herrlicher Lage be- findliche Dorf Sebaſte von beilich 60 Häuſern und 500 Einwohnern, war einſt die berühmte Stadt Samaria, wie noch zahlreiche Trümmerhaufen be- zeugen. Darunter ſind auch die traurigen Ueberbleib- ſel jener Kirche, die über dem Grabe des heil. Johannes des Täufers geſtanden war. Sie 58 muß prachtvoll und groß geweſen ſein. Jetzt ſteht mitten in den Mauern eine kleine Moſchee, von wo aus man in das Grab hinabſteigt. Dasſelbe iſt jedoch leer, da der Kaiſer Julian der Abtrünnige die heiligen Gebeine verbrannt haben ſoll. Auch zeigt man die Gräber der Propheten Eli- ſäus und Abdias. Dieſe Stadt war einſt Haupt- ſtadt des Reiches Iſrael geweſen; (ſiehe 1. Buch der Könige 16. Kapitel 23. und 24. Vers) der König Achab baute hier einen Tempel des Götzen Baal (ſiehe 1. Buch der Könige 16. K. 31. Vers); Salmanaſſar zerſtörte dieſe Stadt (ſiehe 2. Buch der Könige, 28. Kap. 9. u. f. Verſe). Später ward dieſe Stadt wieder aufgebaut. Hieher kam dann der Diakon Philippus, predigte und tauſte, worauf Petrus und Johannes von Jeruſalem kamen und den Getauften das heil. Sakrament der Firmung ſpendeten (ſiehe Apoſtelgeſchichte 8. Kap. 20. Vers). Von Sebaſte ging es weiter über Berg und Thal nach Dſchebu, wo wir bei einem Brunnen Mittag machten, und von dort an einigen Räuber- dörfern vorüber nach dem kleinen Städtchen Dſche- nin (auch Ginea genannt). Am Wege dahin kamen wir auch zu jener Ziſterne, wo der ägyp- tiſche Joſeph von ſeinen Brüdern ver- 59 kauft wurde, (ſiehe 1. Buch Moſes, 37. Kap. 17. Vers). Nahe am Türkenfriedhofe wurden die Zelte zum Nachtquartier aufgeſchlagen. Auch zwei andere Karavanen hatten dort bereits ihr Lager. Dſchenin wird als der Ort bezeichnet, wo Jeſus die zehn Ausſätzigen heilte. (Siehe Lukas 17. Kap.) Dieſe Nacht verlief ruhig, und geſtärkt konnten wir am folgenden Tag unſere Reiſe fortſetzen. Von Dſchenin weg beginnt die Ebene Es- drelon, welche wir durchwandern mußten. (Siehe Buch der Richter 6. Kap. 33. Vers; 1. Buch der Könige 29. Kap.; 2. Buch der Könige 23. Kap. 29. Vers.) Hier kämpfte auch Napoleon I. mit den Türken um den Beſitz des heil. Landes und beſiegte ſie. Dieſe Ebene iſt 8 Stunden lang und 5 Stun- den breit, wäre ſehr fruchtbar, wird aber ſchlecht bebaut. Ringsum ſind hohe Berge: das Karmel- Gebirge, der Berg Gilboa, Hermon und Tabor. Auf dieſer Wanderung kamen wir auch zu dem elenden Orte Jezreel, jetzt Serin genannt, wo Achab und Jezabel den Naboth um ſeinen Wein- berg brachten (ſiehe 3. Buch der Könige, 21. K.), und Jezabel von den Hufen der Roſſe zertreten wurde. (Siehe 4. Buch der Könige, 9. Kap) Von dort kamen wir nach dem Städtchen Naim, wo 60 Jeſus den Jüngling vom Tode erweckte. (S. Luk. 7. Kap.) An dieſer Stelle nahmen wir unſer Mit- tagsmahl ein. Ich ſah auch mehrere Bienenſtöcke, wovon die Bienenhäuſer aus Erde am Boden auf- gebaut waren. Dann ging die Reiſe weiter bald hoch bergauf, auf elendem Wege, in vielen Win- dungen, ohne alle Ausſicht, zwiſchen Geſträuch, Gras und Felſenblöcken. Auf einmal hatten wir ein Thal vor uns und ziemlich hoch gelegen erblickten wir in dieſem Thale zum erſten Male: die Stadt Na- zareth ! - Wir alle entblößten das Haupt und verehrten dieſen heiligen Ort, in welchem unſer Heiland auf- gewachſen und ſeinen Eltern unterthänig und ge- horſam geweſen war, und wo er bis zum Antritt ſeines Lehramtes verblieb. Es war der 21. April, zeitlich Mittag, als wir unſern Einzug hielten und bei den PP. Franzis- kanern unſer Quartier aufſchlugen. Nazareth liegt gleichſam in einem Garten von Gemüſen, ſchönen Feldern, Feigen- und Oelbäumen. Die Stadt mit ihren 500 Häuſern iſt von Auſſen hübſch, im Innern aber enge und ſchmutzig. Die Ein- wohner, etwas über 3000 an der Zahl, unter denen ſich mehr als 1000 Katholiken befinden, ſind ſehr arbeitſam. 61 Noch am nämlichen Tage unſerer Ankunft be- ſuchten wir die Kirche, welche über jener Grotte erbaut iſt, in welcher der Erzengel Gabriel Maria die Bothſchaft brachte, daß ſie zur Mutter des Erlöſers auserkoren ſei. Dieſe Kirche, ganz nahe am Franziskanerkloſter, iſt ziemlich groß und reich mit Bildern und Marmor verziert. Der Hochaltar, zu Ehren des h. Erzengels Gabriel ge- weiht, ſteht gerade über der heil. Grotte, zu welcher eine Stiege von 15 Stufen hinabführt. Dieſe Grotte iſt in Felſen gehauen, aber mit Marmor überklei- det und beſteht aus drei Theilen: aus einem brei- teren, aber ſchmalen Vorplatz, wo einſt jenes Haus der heil. Maria geſtanden war, welches jetzt zu Loretto in Italien verehrt wird. Gegenwär- tig ſind dort rechts und links Seitenaltäre, der eine zu Ehren des heil. Joſeph, der andere zu Ehren der heil. Joachim und Anna; zwei Stufen tiefer iſt der Ort der Verkündigung. Es ſteht dort ein einfacher Marmoraltar mit dem Bilde der Ver- kündigung; unterhalb iſt der Altar offen wie ein Tiſch und befindet ſich daſelbſt eine Steinplatte mit der lateiniſchen Inſchrift: „Hier iſt das Wort Fleiſch geworden!“ In dieſer Altarniſche brennen fort- während ſilberne Lampen. Dem Altar gegenüber 62 ſtehen zwei Säulen, welche an der Stelle ſich be- finden, wo der Erzengel Gabriel die Begrüßung ſprach. Der bereits erwähnte Altar iſt doppelt, ſo zwar, daß auch auf der Rückſeite Meſſe geleſen werden kann. Zu dieſer Rückſeite gelangt man rechts durch eine kleine Thür und man kommt dann end- lich in die innerſte Felſenkammer, von der es nicht beſtimmt ausgemacht iſt, welchen Zweck ſie einſt hatte. Die Einen ſagen: es war das Schlaf- kämmerlein, die Andern behaupten: es war die Küche der ſeligſten Jungfrau. Das Altarbild ſtellt die Flucht nach Aegypten vor. Man darf ſich nicht wundern, daß ſowohl hier, als in Jeruſalem und Bethlehem die heil. Orte ſo tief unter der Erde ſich befinden. Das war einſt nicht ſo. Erſt durch die vielen Jahrhun- derte ſammelte ſich dermaſſen Schutt und Erde an, daß dieſe heiligen Orte tief verſchüttet wurden und ſtets wieder vom Schutt befreit werden mußten. – Auch darf es nicht befremden, daß die ſeligſte Jungfrau in einer Felſenhöhle ſich be- fand, denn man findet es jetzt noch häufig in jenen Ländern, daß arme Leute ihre Hütte vor eine natürliche Höhle hinbauen, oder ſich ſelbſt eine Grotte beim Hauſe in den Felſen graben. Derlei 63 Grotten ſind zwar dunkel, aber trocken und kühl. Daß an dieſer Grotte das Häuschen der ſeligſten Jungfrau ſich befand, welches durch Engel nach Loretto getragen wurde, habe ich bereits erwähnt. Dieſes Heiligthum iſt ausſchließlich Eigenthum der Katholiken. Noch nie in meinem Leben habe ich den engliſchen Gruß mit ſolcher Rührung und In- nigkeit gebetet, als an dieſer heiligen Stelle. O möch- ten doch alle, denen es beim Gebetläuten nicht der Mühe werth iſt, zu beten oder den Hut zu rücken, an dieſe heil. Stätte kommen, fürwahr! ſie würden die Gnade und Erbarmung unſeres Erlöſers, der uns zu Liebe Menſch geworden iſt, um für uns zu leiden und zu ſterben, ſie würden, ſage ich, dieſe Gnade und Erbarmung beſſer zu ſchätzen wiſſen. Hier iſt ja die heil. Stelle, wo der Engel Maria die Botſchaft brachte, daß ſie die Mutter des Er- löſers werden ſollte; hier war es, wo auf ihre demuthsvollen Worte: „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geſchehe nach deinem Worte“ – allſogleich durch die Allmacht des heil. Geiſtes die zweite göttliche Perſon in ihrem heil. Leibe anfing, Menſchengeſtalt anzunehmen, bis zu jenem glück- ſeligen Augenblick, wo Jeſus Chriſtus in Bethlehem von Seiner heil. Mutter geboren ward. Hier iſt 64 der Urſprung unſeres Heiles, ſowie der Kal- varienberg in Jeruſalem die Vollendung des- ſelben iſt. – Gelobt ſei Jeſus Chriſtus! Gegrüßt ſeiſt Du, Maria! – Wir beſuchten ferner das Haus, oder wie man es gewöhnlich nennt, die Werkſtätte des heil. Joſeph, welche auch nahe beim Kloſter liegt. Es war einſt eine ſchöne, große Kirche, jetzt iſt es nur mehr eine ärmliche Kapelle, welche aus zwei Räu- men beſteht, deren einer als die Werkſtätte, der andere aber als Wohnzimmer des heil. Joſeph be- zeichnet wird. Der darin befindliche Altar, mit einem lieblichen Bilde, welches die arbeitende heil. Familie vorſtellt, trägt die lateiniſche Inſchrift: „Hier war Er ihnen unterthan!“ Eine andere Kapelle in Nazareth enthält den ſogenannten Tiſch Chriſti. Es iſt dieß ein großer Naturfelſen von 9 Schuh Länge, 6 Schuh Breite und 3 Schuh Höhe. Darauf ſoll Jeſus öſter, wenn Er nach Nazareth kam, mit Seinen Jüngern Sein einfaches Mahl genommen haben. Wir beſahen uns auch den Marienbrunnen, 10 Minuten vor der Stadt. Es iſt dieſes eine Quelle, die unter einem Gewölbe in einen mar- mornen Behälter fließt, und aus welchem die heil. 65 Maria das Waſſer genommen haben ſoll. Es iſt auch gegenwärtig der einzige öffentliche Brunnen der Stadt Nazareth. Noch muß ich erwähnen, daß unſer hochw. Füh- rer, Pater Lukas, ein junger Franziskaner aus Tirol war. Wir hatten gegenſeitig eine große Freude, uns gleichſam als Landsleute hier zu begrüßen. Der folgende Tag, der 22. April, war zu einem Ausflug auf den Berg Tabor beſtimmt. Der Tabor iſt ein ſchöner Berg, der in ſeinem obern Theil ſehr viel Aehnlichkeit mit dem Gais- berg bei Salzburg hat, nur mit dem Unterſchiede, daß erſterer vom Fuße bis zum Gipfel üppig be- wachſen iſt. Von Nazareth bis zum Fuß des Ber- ges ſind 2, von dort bis zum Gipfel eine Stunde. Oben genießt man eine herrliche Ausſicht. Unter anderen merkwürdigen Punkten ſah ich auch das galiläiſche Meer. Hier an dieſer Stelle ward Jeſus vor Seinen Apoſteln: Petrus, Jakobus und Jo- hannes verklärt (ſiehe Matthäus 17. Kap); und wirklich! einen ſchöneren Platz hätte Er nicht wäh- len können. - Der Gipfel beſteht aus einer Ebene von beilich einer halben Stunde Umfang. Viele Mauertrümmer von zerſtörten Kirchen und Gebäu- den befinden ſich daſelbſt. Gegenwärtig ſteht ze 66 ein neugebautes griechiſches Kloſter ſammt Kirche. Wir hatten von Nazareth einen Tragaltar mitge- nommen; dieſer wurde in einer elenden, überwölb- ten Höhle aufgeſtellt und dann von zwei Prieſtern unſerer Karavane die heil. Meſſe geleſen. Nachdem wir mitten unter Ruinen unſere kleine Mahlzeit eingenommen hatten, kehrten wir auf dem- ſelben Wege wieder nach Nazareth zurück, wo wir Abends noch bei der Verkündigungsgrotte unſere Andacht verrichteten. Am folgenden Tag feierten ich und ein Geiſt- licher aus Steyrmark unſeren Namenstag – St. Georg, 23. April – gewiß der freudigſte meines ganzen Lebens. Dieſe ſtille Freude ward leider etwas getrübt durch den Abſchied von Nazareth, der für dieſen Morgen feſtgeſetzt war. Wir ritten 6 Stun- den weit bis Kaifa, welches mitten unter Palm- gärten am mittelländiſchen Meere liegt, und der Geburtsort des hohen Prieſters Kaiphas war. Gegenwärtig zählt die Stadt 3000 Einwoh- ner, darunter 200 Katholiken. Es war beſtimmt, daß nächſten Montag, den 25. unſer Schiff ankommen ſollte, und ſo begaben wir uns eine Stunde weit nach dem Kloſter am Berge Karmel, um dieſe Nacht und den fol- 67 genden Tag (Sonntag) dort zuzubringen. Wir fan- den bei den P. P. Karmelitern die herzlichſte Auf- nahme. Dieſes Kloſter iſt das ſchönſte in ganz Paläſtina, und wurde ſammt der ſchönen Kirche erſt im Jahre 1832 ausgebaut, nachdem das frü- here Kloſter ein türkiſcher Paſcha niederreißen ließ. Von da aus genießt man eine unbeſchreiblich herr- liche Ausſicht. Unter dem Hochaltar der Kirche be- findet ſich die Grotte des Elias, mit einem ihm geweihten Altar. Dieſe Grotte iſt 15 Schuh lang, 12 Schuh breit und 7 Schuh hoch, und war der Aufenthalt des Elias, als er ſich vor der Je- zabel verbarg. Am weſtlichen Fuße des Berges iſt eine 40 Schuh lange, 24 Schuh breite und 18 Schuh hohe Felſengrotte, welche als die einſtige Propheten- ſchule bezeichnet wird; auch ſieht man am Abhange des Berges mehrere Höhlen der alten Einſiedler. Anderthalb Stunden vom Kloſter entfernt iſt der Eliasbrunnen, wo ein altes verfallenes Kloſtergebäude ſich befindet. Der Berg Karmel, auf welchem das be- rühmte Kloſter, der Hauptſitz der Skapulier-Bru- derſchaft ſich befindet, iſt ein 8–10 Stunden lan- ger Gebirgszug, der gut bewachſen iſt. Auf m - 68 Berge hat Elias die Götzenprieſter des Baal zu Schanden gemacht (ſiehe 1. Buch der Könige, 18. Kapitel 17. Vers). Auch Eliſäus wohnte daſelbſt. (Siehe 2. Buch der Könige, 4. K. 25. V.) Am Abend des 24. war vor dem Bilde Mariä vom Berge Karmel am Hochaltare lauretaniſche Litanei, Te Deum und Segen, woran ſowohl wir Pilger, als auch die P. P. Karmeliter Theil nah- men, zur ſchuldigen Dankſagung für die vollendete Pilgerreiſe im heil. Lande. Nach Beendigung dieſer rührenden Andacht nah- men wir Abſchied und begaben uns den Berg hinab nach Kaifa, um dort das für morgen früh angeſagte Schiff zu erwarten. Wir brachten die Nacht hindurch in einer elenden jüdiſchen Kaffeehütte zu, der Eine auf einer Bank, der Andere am Tiſch, wieder ein Anderer am Boden – an eine Ruhe war alſo nicht zu denken, um ſo mehr, da es ſehr geräuſch- voll herging. Als nun der Morgen des 25. anbrach, warteten wir voll Sehnſucht auf das Schiff – jedoch um- ſonſt! Es kam nicht, und man gab uns noch dazu den ſchlechten Troſt, daß dasſelbe auch vor dem folgenden Abend nicht kommen werde. Es blieb alſo nichts anderes übrig, als wieder nach dem Klo- 69 ſter Karmel zurückzukehren, wo uns die Patres mit größter Freundlichkeit und Theilnahme wieder auf- nahmen. Abends gingen wir wieder hinab nach Kaifa, übernachteten wieder in jener jüdiſchen Spelunke und erwarteten von einem Augenblick zum andern das Schiff. Allerdings kam dasſelbe um Mitter- nacht – allein, o Entſetzen! es fuhr ſchnurgerade und pfeilſchnell vorüber! (Wir erfuhren ſpäter in Smyrna, daß dasſelbe deßwegen in Kaifa nicht angehalten habe, weil es ohnehin bereits mit Paſſa- gieren überfüllt war.) Man kann ſich nicht vor- ſtellen, wie uns jetzt zu Muthe war. Troſtlos zogen wir zum drittenmal in's Kloſter Karmel hinauf. Endlich am 28. Nachmittags kam uns die Nach- richt zu, daß am folgenden Morgen ein Schiff in Kaifa ankommen werde, mit welchem wir bis Alexan- drien fahren könnten. Mißtrauiſch begaben wir uns ſomit am 29. früh Morgens wieder nach dem Lan- dungsplatz in Kaifa und warteten. Gottlob, wer be- ſchreibt unſere Freude, um 7 Uhr kam wirklich das Dampfſchiff „Diana“ und nahm uns auf. Doch ſollte mir noch eine Prüfung beſchieden ſein. Ich war nämlich vorher in eine Kirche gegangen und hatte einen meiner Kameraden gebeten, er möge 70 einſtweilen meine Reiſetaſche bewachen. Indeſſen kam es zum Einſteigen – aber meine Taſche blieb zurück. Doch auch da half Gott. Ein Pater ſchickte mir ſelbe, da man den Verluſt alsbald bemerkte, durch eine Barke mit 3 Mann nach. Das Schiff, welches ſchon in Gang war, hielt ſtill, und ich kam wieder in vollſtändigen Beſitz meiner theuren Sachen. Noch am nämlichen Tage landeten wir in Jaffa, wo wir auf unſerer Hinreiſe den Boden des heil. Landes zuerſt betreten hatten. Den 30. mußten wir in Jaffa verbleiben, da der ganze Tag mit Aus- und Einladen von Waaren und mit Aufnahme von vielen neuen Paſſagieren auf's Schiff zugebracht wurde. Am 1. Mai kamen wir bei herrlichem Wetter nach Port-Said, wo wieder 36 Stunden Auf- enthalt war, während welcher eine Menge von Kühen ausgeladen, und Baumwolle und Gewürze eingela- den wurden. Am 2. Mai Nachmittag verließen wir Port-Said und landeten am 3. Morgens 7 Uhr glücklich in Alexandrien. Dort beſtiegen wir um 4 Uhr Nachmittags ein anderes Schiff, Namens „Venus“, um die Reiſe nach Smyrna fortzuſetzen. Als Merkwürdigkeit mnß ich erwähnen, daß 71 wir in Alexandrien in einem deutſchen Gaſthaus echtes Wiener Bier getrunken haben, wo die Halbe blos einen Franken, d. i. 40, ſage vierzig Kreu- zer öſtr. Whrg. Silber koſtete! Bei ſchönſtem, windſtillem Wetter fuhren wir nun auf dem Meere weiter und ſahen mehr als 24 Stunden nichts als Himmel und Waſſer. End- lich zeigte ſich die Inſel Rhodus und mehrere andere griechiſche Inſeln; die ganze Fahrt ſchien mir aber etwas gefährlich, da rechts und links aus dem Meere große Felſen emporragten. An der ſchön bebauten Inſel Kos vorüber, kamen wir nach der Inſel Pathmos. Auf einer Berghöhe liegt die Stadt, welche jedoch theilweiſe aus Ruinen beſteht. In einiger Höhe vom Meere befindet ſich die Höhle, wo der hl. Johannes die geheime Offenbarung geſchrieben hat. Aufgefallen iſt mir auch mitten im Meere ein großer, viereckiger Stein, welcher 30 Klafter in der Länge, Höhe und Breite haben ſoll. Zwiſchen einer Menge von In- ſeln fuhren wir fort nach der Inſel Chios (auch Skio genannt), welche außerordentlich fruchtbar iſt. Hier wächſt ſehr häufig der Maſtixbaum. In der Gegend ſind 66 Dörfer, und am Meere liegt die Stadt, wo unſer Schiff landete, um Waaren einzu- 72 laden. Doch dauerte dießmal der Aufenthalt nur ein paar Stunden. Am 6. Morgens landete unſer Schiff vor der Stadt Smyrna. Dieſe Stadt zählt 150000 Ein- wohner, worunter 25,000 Katholiken. Die Lage der Stadt iſt ſehr ſchön zwiſchen Bergen, prachtvollen Gärten und Zypreſſenhainen nebſt vielen Land- häuſern. Die Stadt zieht ſich vom Meere den Berg hinauf, oben iſt eine zerfallene Feſtung. Man ſieht viele und ſchöne Auslagen; auch wird hier großer Handel getrieben. So wurde mir erzählt, daß jähr- lich über 200,000 Ztr. Feigen ausgeführt und voriges Jahr 200 Schiffe damit beladen wurden. Auch Getreide wird viel verſendet. In Smyrna erlitt der heil. Polykarp den Martyrertod und iſt ihm zu Ehren eine Kirche nebſt einem Franzis- kanerkloſter erbaut. Am Hochaltar befindet ſich eine wunderthätige Statue dieſes Heiligen. Smyrna ſteht auch durch eine Eiſenbahn in Verbindung mit Ephe- ſus, wo der heil. Evangeliſt Johannes Biſchof war und die ſeligſte Jungfrau Maria längere Zeit ge- wohnt haben ſoll. Jetzt ſind nur mehr Ruinen die- ſer Stadt vorhanden. In Smyrna ſchieden wieder Einige von unſerer Reiſegeſellſchaft, welche auf unſerem bisherigen Schiffe 73 nach Konſtantinopel weiter reisten, während wir am 7. Nachmittags mit dem Dampfſchiff „Pilade“ nach der Inſel Syra weiter fuhren. Wir kamen vorerſt an der Inſel Tinos vorüber, welche auch ſehr fruchtbar und mit vielen Ortſchaften beſetzt iſt. Auch Weingärten und Getreidefelder ſah ich; das Getreide war damals bereits reif. Ganz oben auf einem Berge iſt eine kleine Stadt mit einem kath. Nonnenkloſter. Die Griechen haben dort einen be- deutenden Wallfahrtsort, nebſt großem Kloſter, St. Maria genannt. Den 8. Mai um 10 Uhr Vormittag fuhren wir an der Inſel Syra und gleichnamigen Haupt- ſtadt in den mit vielen Schiffen beſetzten Hafen ein, und betraten nun zum erſten Male wieder euro- päiſchen Boden. Die Stadt beſteht aus zwei Thei- len, wovon der eine Syra, der andere Hermopolis heißt. Syra iſt größtentheils von Katholiken bewohnt, welche auch eine Domkirche haben; Hermopolis da- gegen iſt mehr im Beſitze der Griechen, und hat am Berge eine alte Feſtung. Die Stadt erſtreckt ſich vom Meere einen Berg hinan, ſo daß man in den Gaſſen auf lauter Stufen aufwärts ſteigt; oben ſind jedoch elende Hütten. Während wir nun dieſe Stadt beſichtigten, war 74 inzwiſchen das Dampfſchiff „Trebiſonde“ von Kon- .ſtantinopel angekommen, mit welchem wir gegen 6 Uhr Abends unſere Reiſe fortſetzten. Am 9. früh zeigten ſich uns von Ferne gegen Weſten große Gebirge und am Meere viele Segel- ſchiffe. Um 8 Uhr hatten wir rechts das Vorge- birge Matapan in Griechenland; es iſt dieſes die äußerſte Südſpitze des Feſtlandes von Europa. Die Gegend iſt fruchtbar an Bäumen, Getreide und Wein. – Mittags hatten wir rechts die Stadt Modin oder Modon und kamen Abends an der Inſel Zante vorüber, auf deren höchſten Bergen wir neugefallenen Schnee bemerkten. Weiter folgt die Inſel Zephalonia. Am 10. Morgens 6 Uhr ankerte unſer Schiff an der Inſel Korfu, wo wir 5 Stunden ver- weilten. Ich war etwas krank. Wir ſahen ſchon reife Früchte. Auch hier verließen uns wieder zwei Prieſter unſerer Reiſegeſellſchaft, welche von hier aus die Reiſe nach Rom machten. Und nun kamen wir nahe der Küſte des tür- kiſchen Reiches vorüber endlich wieder auf öſterr. Gebiet, an die Küſte von Dalmatien. Am 11. Mittags fuhren wir an der Inſel Liſſa vorüber, wo im Jahre 1866 der öſterr. 75 Vize-Admiral Tegetthof die große Seeſchlacht über die Italiener gewonnen hat. Man ſieht Feſtungs- werke und die Stadt; in der Umgebung Weingär- ten und Olivenwälder. Als wir an dieſer Inſel vorüberfuhren, wurden auf unſerem Schiffe 4 Fah- nen von verſchiedener Farbe aufgezogen, und ebenſo auch dann auf der Feſtung. Abends war das Meer etwas unruhig. Endlich am 12. Mai Morgens liefen wir im Hafen von Trieſt ein. Die ganze Pilgerkaravane, welche Anfangs 30 Mann zählte, beſtand jetzt nur mehr aus 7 Mann, weil, wie ich bereits erwähnte, an ver- ſchiedenen Orten uns mehrere verlaſſen hatten. Die Seefahrt war nun beendet. Auf den Knieen dankte ich Gott für meine Reiſe, daß er mich durch meinen heil. Schutzengel, wie einſt den Tobias, glücklich hin und zurückgeführt hat. Denſelben Abend noch fuhr ich mit der Bahn fort nach Wien, wo ich den folgenden Nachmittag wohlbehalten bei meinen lieben Verwandten ankam und freudig empfangen wurde. Noch freudenvoller aber war, beſonders für mich ſelbſt, die Ankunft in Neumarkt den 16. Mai Abends, wo ich von Verwandten und Bekannten, die zu meiner Ueberraſchung ſelbſt weiter her gekom- 76 men waren, völlig zerriſſen wurde und in einem Athem alle meine zweimonatlichen Erlebniſſe hätte erzählen ſollen. Auch der Hochwürdige Herr Pfarrer Rußegger von Neumarkt fand ſich zu meiner Freude ein und bewies mir die herzlichſte Theilnahme. Wie bei meiner Abreiſe um Gottes Schutz, ſo wurde auch bei meiner Rückkunft zur ſchuldigſten Dankſagung vom Hochw. Herrn Benefiziat Mayr von Sieghardſtein in der Pfarrkirche zu Neumarkt jedesmal ein heil. Amt gehalten, welchem ich und die meiſten meiner Verwandten beiwohnten. 77 Ehe ich meine Reiſeſchilderungen beſchließe, kann ich nicht unterlaſſen meinen innigen Dank ab- zuſtatten dem Hochwürdigen Herrn Dechante von Köſtendorf, meinem Seelſorger, Dr. Math. Lien- bacher und dem Hochwürdigen Herrn Dr. Andr. Gaßner, k.k, Theologie-Profeſſor in Salzburg, für alle Hilfe, welche dieſe beiden Herren mir mit Rath und That angedeihen ließen und ſo mein Unternehmen weſentlich erleichterten und beförderten. Möge dieſen hochwürdigen Gönnern die Verſiche- rung genügen, daß ich bei dem Beſuche der heil. Stätten dankbar ihrer im Gebete gedachte und noch jetzt täglich Gott bitte, Er möge Erſteren zum Wohle unſerer Pfarrgemeinde, Letzteren aber zum Heile vieler junger Prieſter, und dadurch mittelbar vieler Seelen, erhalten, ſegnen und beſchützen. Und nun, meine lieben Kinder, Verwandte und Freunde ! übergebe ich - dieſes Büchlein als Andenken in euere Hände. Bewahret es als ein Zeichen meiner Liebe, als ſchwachen Ausdruck mei- ner Geſinnung, als ein Denkmal der väterlichen 78 Sorgfalt Gottes, der mich glücklich hin- und zurück- geführt hat. Präget die Lehren, welche ich hie und da abſichtlich eingeflochten habe, tief in eure Herzen ein, und verpflanzt ſie weiter in die Herzen eurer Kinder, damit die Früchte meiner Pilgerreiſe auch euch und euren Kindern zu Gute kommen, wenn ich auch ſchon längſt in die Ewigkeit hinüber gegan- gen bin. Lebet ſo, daß wir dereinſt Alle im himm- liſchen Jeruſalem vereinigt werden, wozu mir und euch Allen ſeine Gnade gebe der barmherzige drei- einige Gott Vater, der Sohn und der heil. Geiſt. Amen! Gelobt ſei Jeſus Chriſtus! Georg Fraunſchuh. FrWollnsteiner kle Hof Buchbinder s==u « -.-T-T> Sw R E N-S=- -, Y-“ >---^ - Alxervorstadt am Glacis,