ATON LEETÖTHE
N VV EN
Österreichische Nationalbibliothek
+Z21888110
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#ilgerreiſe
des
Georg Fraunſchuh,
Bauers in Wertheim, Pfarre Köſtendorf,
Paläſtina über Aegypten,
bei Gelegenheit der im Jahre 1870 von der öſter-
reichiſchen Karavane dorthin unternommenen Pil-
gerfahrt.
Nach ſeinen eigenen Aufſchreibungen geordnet und mit
Zuſätzen nach den neueſten Beſchreibungen erweitert
VON
Franz T. Mayr,
prov. Benefiziat in Sighardſtein.
–><><><>-
Verlag des Pilgers.
Salzburg 1870.
Endl & Penker'ſche Buchdruckerei.
121734 - A
Seiner Hochwürden
dem Hochverehrteſten gnädigen Herrn Herrn
jah. Fienhacher,
Dechant und Pfarrer von Köſtendorf, f. e. geiſtl. Rath,
Abgeordneter für den hohen ſalzb. Landtag, Mitglied
des ſalzb. Landes-Ausſchuſſes und des k. k. Bezirks-
Schulrathes, Doktor der Theologie und emerit. k. k.
Profeſſor der Paſtoraltheologie
ſeinem allgeliebten Dechante und Seelſorger widmet
in Verehrung und Dankbarkeit dieſes Büchlein
deſſen
gehorſames Pfarrkind
Gg. Fraunſchuh.
Vorrede.
Schon in meiner Jugend, wenn ich vom
heil. Lande las oder hörte, hatte ich eine große
Sehnſucht und den frommen Wunſch, doch ſo
glücklich zu ſein, das heil. Land beſuchen und
die heil. Orte ſehen zu können. Obwohl dieſes
Verlangen in mir fortlebte, hielten mich doch
meine Lebensverhältniſſe ſtets von der Ausfüh-
rung dieſes Planes ab. Endlich aber, nachdem
ich mich von meinem Bauerngute und Wirth-
ſchaft zurückgezogen hatte, konnte ich dieſem
Drange nicht länger mehr widerſtehen, und ſo
unternahm ich im Monat März 1870 in Gottes
Namen dieſe Reiſe. Mein feſter Vorſatz war,
zu beten an den heil. Stätten für meine Ange-
hörigen und Freunde, zu beten für die heilige
Kirche, beſonders für deren bedrängtes Ober-
haupt und alle Prieſter und Seelſorger, zu be-
ten für unſer ſchwer geprüftes Kaiſerhaus und
Vaterland Oeſterreich, zu beten endlich für die
Bekehrung der Sünder, der Ungläubigen und
Irrgläubigen. Obwohl ſelbſt in der letzten
Stunde noch mich meine Verwandten und An-
gehörigen mit Bitten, Vorſtellungen und Thrä-
nen abwendig zu machen ſuchten, blieb ich doch
ſtandhaft und meinem Vorhaben getreu. Gott-
lob! ich habe auch nicht Urſache es zu bereuen,
und jetzt, nachdem ich durch Gottes Schutz
glücklich zurückgekehrt bin, freuen ſich Alle mit
mir. Nun drangen Alle in mich, meine Reiſe-
Erlebniſſe ihnen als Andenken in Druck her-
auszugeben – und nach einigem Zögern will-
fahrte ich dieſem Wunſche. Dieſes iſt ſomit
der eigentliche Zweck dieſes Büchleins.
Finden auch Andere Gefallen daran, ſo wird
es mich um ſo mehr freuen, nur bitte ich, mit
den zweifellos mehrfachen Mängeln, die ſich
vorfinden, Nachſicht zu haben. Theils war ich als
gewöhnlicher Landmann nicht im Stande, alles
ſo niederzuſchreiben und zu ſchildern, wie es
die Feder eines ſtudirten Herrn vermag; theils
fehlte mir auch oft und oft die Zeit zu genau-
eren Aufſchreibungen des Geſehenen, da ja
die Tage meines Aufenthaltes im heil. Lande
nur wenige zu nennen ſind.
Alle aber, welche dieſes Büchlein leſen, bitte
ich um ein Vater unſer für meine arme Seele!
Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!
Wertheim, im Oktober 1870.
Georg Fraunſchuh.
Begleitet von meinen lieben Verwandten und
geſtärkt durch viele Beweiſe großer Theilnahme an
meinem Unternehmen trat ich am 13. März Abends
meine Reiſe vom Bahnhofe Köſtendorf-Neumarkt
an. Das Dampfroß brachte mich in der Nacht über
Linz nach Wien, wo ich am 14. Morgens ein-
traf, und bei meinen dortigen Verwandten verblieb.
Die wenigen Tage meines Aufenthaltes benützte ich,
um mich mit der Pilgerreiſe-Unternehmung über
alles Nothwendige zu beſprechen, noch einige Ein-
käufe zu machen und mir die große Haupt- und
Reſidenzſtadt Oeſterreichs etwas zu beſehen. Endlich
am 17. war der Tag der Abreiſe nach Trieſt.
Allein ſchon von Wien aus begannen die Schwierigkei-
ten und Hinderniſſe. Sowohl hier, als auch ſpäter
in Trieſt wollte mich weder Eiſenbahn noch Dampf-
ſchiff um ermäſſigten Preis aufnehmen. Endlich mit
vieler Mühe glich ſich alles zu meinem Beſten aus.
Die Reiſe nach Trieſt führte mich über den durch
ſeine großartigen Eiſenbahnbauten berühmten Sem-
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meringberg nach Graz, von dort nach ganz
kurzem Aufenthalt am Bahnhofe nach Marburg,
Cilly, Laibach, und endlich über das wüſten-
artige Karſtgebirg nach dem wundervoll am
Meere gelegenen Trieſt. Unſere Ankunft in dieſer
Stadt erfolgte am 18. März, und bis zu unſerer
Abfahrt blieb mir Zeit genug, dieſe Hafenſtadt ge-
nauer anzuſehen.
Ich erwähne nur die uralte Domkirche St.
Juſtin, welche anf einem Hügel über der Stadt,
nahe dem Kaſtell ſich befindet und von wo aus
man eine prachtvolle Ausſicht über die Stadt und
das Meer genießt. Der Thurm derſelben ſoll auf
dem Grunde eines heidniſchen Jupitertempels ſtehen.
Im Innern ſieht man alte Moſaikbilder (d. h. aus
lauter kleinen, verſchiedenfärbigen Steinen zuſammen-
geſetzte Bilder) und hübſche Malereien. Nicht weit
davon iſt eine ganz neu erbaute, prachtvolle Kirche
der PP. Franziskaner, welche im Innern
noch nicht fertig iſt, aber ſchon 3 Altäre hat. Fer-
ner ſah ich die griechiſche Kirche mit prachtvol-
ler Einrichtung und zwei grüngedeckten Thürmen.
Der Hafen, wo die Schiffe einlaufen, war be-
deckt mit den verſchiedenſten und großartigſten
Dampf- und Segelſchiffen. Am Fiſchmarkt be-
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wunderte ich alle möglichen Gattungen von See-
fiſchen, Krebſen, Meerſpinnen u. ſ. w. – Trieſt
hat viele herrliche Gebäude, großartige Fabriken
zum Schiffbau, und zählt 120,000 Einwohner von
allen Nationen. Im Hintergrund der Stadt ziehen
ſich grüne, mit Obſtbäumen, Weingärten und Land-
häuſern bedeckte Hügel und Berge. Auch ſah ich von
Auſſen das prachtvolle Schloß Miramar, einſt
Eigenthum des Erzherzogs Ferdinand Maximilian,
wo derſelbe auch die unglückſelige Kaiſerkrone von
Mexiko angenommen hat.
So kam der 19. März heran, an welchem wir
um Mitternacht mit dem Dampfſchiffe „Veſta“ von
Trieſt abfuhren. Dieſes Schiff war 291 Schuh
lang und 44 Schuh breit. Das Meer war ſchon
damals etwas unruhig, aber der eigentliche Sturm
brach erſt am andern Tag aus, und die Folge da-
von war, daß 15 von uns – darunter auch ich –
von der Seekrankheit befallen wurden. Nachdem wir
an den dalmatiniſchen Inſeln und Küſten
vorüber gefahren waren, ſahen wir bald nichts mehr,
als Himmel und Waſſer, in der Luft Seemöven,
im Waſſer beſonders große Fiſche, Delphine ge-
nannt. Der Sturm war ſo arg, daß die Wellen oft
über das ganze Schiff ſtürzten, dasſelbe an allen
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Enden krachte und die Schiffstaue ächzten und krächz-
ten. Unſer Schiffsarzt, welcher bereits 19mal über
das mittelländiſche Meer gefahren war, behauptete,
er habe noch nie einen ſolchen Sturm mitgemacht.
Jeden Tag Vormittag um 9 Uhr und Nachmittag
um 4 Uhr war eine gemeinſame Andacht im Schiffe
beſchloſſen geweſen, allein des Sturmes und unſerer
Krankheit halber konnte es ſchon am erſten Tage
unſerer Meeresfahrt nicht geſchehen. Wir fuhren
dann längs den hohen Gebirgen Albaniens,
wo es ſchneite, und kamen endlich am 21. Nachts
nach der Inſel Korfu, wo das Schiff ſtille hielt
und wir eine ruhige Nacht verlebten. Dieſe Inſel
liegt nahe an der Küſte des türkiſchen Reiches, ſo
zwar, daß an einer Stelle das Meer nur eine Vier-
telſtunde breit iſt. Die Stadt gleichen Namens liegt
herrlich anzuſchauen, hat eine gewaltige Feſtung, und
zählt 80,000 Einwohner. Die Häuſer ſind in euro-
päiſchem Styl erbaut. Hinter der Stadt erhebt ſich
ein Berg mit Olivenbäumen beſetzt, auf deſſen
Spitze wieder eine kleine Stadt ſichtbar iſt. Auf
den umliegenden Bergen ſieht man fruchtbare Fel-
der und Bäume, größere Ortſchaften, Landhäuſer
und beſonders auch Windmühlen. Es war ziemlich
kühl, denn der Schnee reichte an den Bergen weit
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herab; die Seekrankheit jedoch hatte nun wieder von
uns Abſchied genommen und alle waren geſund.
Am folgenden Morgen ging die Fahrt wieder
weiter; wir kamen nach den joniſchen Inſeln.
Auch hier ſahen wir wieder auf den Gipfeln der
Berge Windmühlen, aber wenige Häuſer. Nachdem
wir auf dieſe Weiſe die Inſeln Cephalonia,
Ittaka, Zante und Kreta (auch Candia ge-
nannt) paſſirt hatten, hatten wir am 24. wieder
nichts als Himmel und Waſſer vor Augen, jedoch
endlich wieder einen freundlichen Tag. Beſonders
ergötzte und erbaute uns alle der Geſang, welchen
einige Geiſtliche am Schiff zur Anhörung brachten.
Nun kam es zum Abſchiede von Europa, und
ein zweiter Welttheil, Afrika, ward von uns
am 25. März betreten. An dieſem Tage nämlich,
um 8 Uhr früh, landete unſer Schiff in Alexan-
drien.
Bevor ich Einiges von der halb europäiſchen,
halb afrikaniſchen, halb noblen, halb elenden Stadt
Alexandrien und dem altberühmten Lande Aegypten
beſchreibe, muß ich erwähmen, daß auch hier wie-
der neue Schwierigkeiten in unſerer Reiſe ſich ein-
ſtellten. In unſerem Reiſeprogramm hieß es näm-
lich, daß am 2. April ein Schiff von Alexandrien
13
abgehen werde, mit welchem wir nach Jaffa in Pa-
läſtina fahren könnten. Das war aber unrichtig,
denn in Wirklichkeit war es ſo: entweder gleich
dieſen nämlichen Tag (25. März), oder erſt nach
14 Tagen (8. April) gehe ein öſterreichiſches Dampf-
ſchiff dahin ab. Bis zum 8. April zu warten, war
nun Einigen zu lange, und mit anderen, fremden
Schiffen zu fahren, unſicher, ob ſie dort landen wür-
den. Und ſo entſchloſſen ſich einige von unſerer Ge-
ſellſchaft, noch am nämlichen Tage unſerer Ankunft
in Alexandrien wieder nach Jaffa weiter zu reiſen,
während unſer Herr Präſident, ich und noch andere
vorzogen, acht Tage in Aegypten zu verweilen und
nach Ablauf dieſer Zeit gegen beſondere Bezahlung
ein ruſſiſches Schiff zu benützen, welches von Port-
Said nach Jaffa gehen ſollte. Und ſo ward unſere
Geſellſchaft getrennt, bis wir uns erſt in Jeruſalem
wieder vereinigten. Dieſe Zeit benützten wir zu Aus-
flügen in Aegypten, deren kurze Schilderung bald
folgt.
Mich erinnerten dieſe Schwierigkeiten lebhaft an
den heil. Vater in Rom, welchem die Freigeiſter
und Revolutionäre ſo viele Schwierigkeiten bereiten,
über die er aber mit Gottes Hilfe doch endlich den
Sieg davon tragen wird.
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Als wir in Alexandrien gelandet waren, .
kamen eine Menge Araber auf das Schiff zu, jeder
wollte uns ausſchiffen. Nachdem wir endlich glück-
lich auf einer Barke nach der Stadt befördert waren,
ging das Spektakel von neuem los: wir konnten
wieder kaum fortkommen, indem ſie uns ihre Eſel
an den Weg ſtellten, daß wir reiten ſollten.
Es gibt dort unendlich viele ſolche Langohre und
viele Kameele. Dabei herrſcht an allen Orten ein Lärm
und ein Geſchrei von Türken, Arabern, Gaſſenbuben
und Sklaven in den ſchmutzigen, engen Gaſſen, daß
einem Hören und Sehen vergehen möchte; Leute
von ſchwarzer, brauner und weißer Farbe, halb oder
ganz bekleidet. Zur Ehrenrettung der Stadt muß ich
aber auch ſagen, daß es auch ſchönere Stadttheile
gibt, wo ſich das noblere Leben zeigt. Ich hebe von
den Sehenswürdigkeiten, welche ich beſuchte und be-
ſichtigte, und deren, nebenbei geſagt, Alexandrien
nicht viele hat, beſonders hervor: Die ſchöne Fran-
ziskaner Kirche und die prachtvolle griechiſche
Kirche. In der Nähe befindet ſich der biſchöf-
liche Palaſt und ein herrliches Krankenhaus.
Ich ſah ferner die ſogenannte Nadel der Kleo-
patra, eine Säule, welche 77 Schuh hoch iſt, 7
Schuh im Durchmeſſer hat und aus Einem Stein
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beſteht. Ihr Alter ſchreibt ſich vom 17. Jahrhun-
dert vor Chriſti Geburt her. Auf dem Platz wo ſie
ſteht, ſoll die heil. Katharina dereinſt 52 Gelehrte
überwunden haben; jetzt iſt es leider – ein ſchmutzi-
ger Kaſernenhof. Als mir dieſes erzählt wurde, dachte
ich unwillkürlich an das Konzil in Rom, mit dem
Wunſche, daß auch dieſes die neuen Redner zu Schan-
den machen möchte. – In Alexandrien lebten nebſt
der heil. Katharina noch viele Heilige; ſo z. B. der
heil. Markus, der hl. Clemens, der hl. Athanaſius
U. M. Ul.
Am 27. ging die Reiſe von Alexandrien mit-
telſt Eiſenbahn nach der uralten Stadt Kairo.
Die Gegend, die wir durchfuhren, iſt ſehr frucht-
bar, denn alle Jahre wird die Frucht drei- bis vier-
mal reif; damals war gerade die erſte Ernte. Ich
ſah alle Gattungen Getreide, Klee, Baumwolle, Lin-
ſen u. ſ. w. auf weit ausgedehnten, ebenen Feldern.
Die Baumwollpflanzen haben Aehnlichkeit mit un-
ſeren Diſteln; auf denſelben wachſen braune, eier-
große Knöpfe, in welchen ſich die Baumwolle be-
findet, welche dann durch Maſchinen ausgearbeitet
wird. Das Getreide wird auf dem Felde mittelſt
Ochſen ausgedroſchen. Die Bauernhäuſer ſind ſo
gebaut, wie bei uns die Kinder die Schneehäuſer
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bauen; ein Bauerndorf von Ferne ſieht aus, wie
lauter große Maulwurfshügel. Alles wird von Ka-
meelen und Eſeln getragen, daher auch die Bauern
keine Wagen haben; ſogar Baumſtämme ſah ich
von dieſen geduldigen Thieren tragen. Nebenbei be-
merke ich noch, daß die Araber nicht den Sonntag,
ſondern den Freitag heiligen, denn ſie haben den
mohamedaniſchen (türkiſchen) Glauben.
Die Stadt Kairo hat 4–600,000 Einwoh-
ner, die Häuſer zeigen durchwegs die orientaliſche
Bauart. So ſchön und fruchtbar die Umgebung
iſt, ſo ſchmutzig und enge ſind die Gaſſen, ſo elend
gebaut viele Häuſer. Wahrlich, dieſe erinnerten mich
an nichts auderes, als an Schwalbenneſter; wenn
es eine ganze Woche regnen würde, ich ſtehe nicht
gut, ob nicht die halbe Stadt einfiele. So hat es
z. B. voriges Jahr nur mehrere Stunden geregnet,
und es ſtürzten mehrere Häuſer ein. Zum Glück
regnet es jedoch in jener Gegend ſehr ſelten.
Von den geſehenen Merkwürdigkeiten erwähne
ich folgende: die Zitadelle, welche durch ihre
weitläufigen Gebäude allein eine Stadt ausmacht
und auf einer Anhöhe liegt, von der man eine groß-
artige Anſicht genießt. In der Zitadelle zeigt man
auch einen Brunnen, welchen, wie Manche behaup-
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ten, der ägyptiſche Joſeph graben ließ, was aber
Andere beſtreiten. Er iſt ſehr tief, und das Waſſer
wird durch Ochſen heraufgezogen. Ferner iſt zu nen-
nen der prachtvolle Palaſt des Vicekönigs
von Aegypten, mit einem lieblichen Garten voll
der verſchiedenſten Bäume. Die Moſchee, welche
ſich auch bei der Zitadelle erhebt, ſoll die ſchönſte
in ganz Aegypten ſein; ſie iſt von Marmor, hat
5 Kuppeln, die auf hohen Alabaſterſäulen ruhen,
und 2 ſchmale, 22 Klafter hohe Thürme (Mina-
rets genannt). Im Innern brennen 500 Lampen,
der Boden iſt von Alabaſter und mit Teppichen be-
legt; es iſt nicht erlaubt, mit Schuhen darauf zu
gehen; auch iſt ſie reich mit Gold, Malereien und
bunten Glasfenſtern verſehen. Von einer Andacht
konnte ich jedoch nach meinem Geſchmack nichts wahr-
nehmen.
Außer dieſer beſitzt Kairo noch viele an-
dere, meiſtens alte Moſcheen. Ich beſuchte auch das
ägyptiſche Muſeum. Hier ſtaunte ich über die
vielen Gegenſtände, die zu ſehen waren: Ausgra-
bungen von Ninive, Arbeiten aus Gold und an-
derm Metall, Steine, alte Werkzeuge, beſonders aber
Mumien, d. h. ausgetrocknete Leichname. Ein Au-
genzeuge erzählte, daß man vor 3 sº, einen
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Sarg mit einer Mumie ausgegraben habe, welche
noch bekleidet und ganz gut erhalten war.
In Alt-Kairo iſt die Marien-Grotte,
welche den Kopten gehört; die katholiſchen Prieſter
können in derſelben ſelten und nur gegen hohe Be-
zahlung die heil. Meſſe leſen.
Dieſe Grotte iſt doppelt: eine über, die andere
unter der Erde. In dieſe letztere führt eine finſtere
Stiege von 13 Stufen, und beſteht ſelbe aus drei
Theilen, welche nach den heil. Namen: Jeſus, Maria
und Joſeph benannt ſind. Hier wohnte die heilige
Familie, als ſie der Grauſamkeit des Herodes durch
die Flucht nach Aegypten entging. Auch die Grie-
chen ſollen eine ſolche Grotte aufweiſen, welche aber,
wie man mir ſagte, nicht die rechte iſt. Bei der
Grotte iſt ein Frauenkloſter und eine Erziehungs-
Anſtalt für Knaben. Die Schweſtern des Kloſters
ſagten mir, daß die Gräfin Dietrichſtein einen Platz
gekauft habe, um dort eine Kirche und ein Kloſter
zu bauen. Gott ſegne das fromme Vorhaben dieſer
edlen Frau!
Am 28. März gingen wir zu den weltberühm-
ten Pyramiden. Der Weg dahin geht theilweiſe
durch eine Wüſte. Dieſe Pyramiden ſind wohl gewiß
die älteſten Baudenkmäler der ganzen Welt, denn
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ſie wurden Jahrtauſende vor Chriſti Geburt erbaut.
Ihr Zweck war nichts anderes, als ſtolze Grabdenk-
mäler der Könige zu ſein. Die einen ſind von
Steinquadern, die andern von Ziegeln erbaut. Sie
ſtehen nicht alle beiſammen, ſondern in verſchiedenen
Gruppen zerſtreut. Eine davon iſt beilich 500 Schuh
hoch, alſo höher als der Stephansthurm in Wien
oder die Peterskirche in Rom; man braucht eine
Viertelſtunde, um dieſelbe zu umgehen. Im Innern
ſind, wie ich bereits erwähnte, die Grabkammern
der Könige. -
Ich ſah ferner den wilden Feigenbaum,
unter welchem die heil. Familie raſtete,
und ganz nahe davon die Quelle, aus der ſie
getrunken hat. Dieſer Baum ſteht in einem
ſchönen Garten, welcher mit Weinreben, Limonie-
und Pomeranzen-, Feigen- und Palmen - Bäumen
beſetzt iſt, und hat 25 Schuh im Umfang und 7
Gipfel.
Mitten im Felde ſteht eine Steinſäule, über
50 Schuh hoch über der Erde; aber ein Theil da-
von, ſowie das Fundament ſind vom Sande ver-
ſchüttet. Sicherlich iſt ſie ein Ueberbleibſel eines
alten Tempels, und wie die Pyramiden, uralt.
Am Rückweg hatten wir ſo ſtarken sº daß
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wir uns das Geſicht mit den Händen verhalten
mußen, damit nicht Augen und Mund voll Sand
wurden.
In Kairo haben die Deutſchen einen Verein
mit eigenem Haus, wo nur Mitglieder Eintritt
haben. Wir waren täglich dort. Die Herren gaben
mir jeder die Hand und waren äußerſt freundlich.
Ehe ich von dieſer merkwürdigen Stadt Abſchied
nahm, muß ich noch erwähnen, daß wir bei Herrn
Damian, Bruder der Frau Steinbichler in Neu-
markt, unſer Quartier hatten. Wir wurden mit ſo
unbeſchreiblicher Freude aufgenommen, daß er vor
Freude lange weinte, und uns keine Antwort ge-
ben konnte. Er iſt in Kairo Tiſchlermeiſter unter
den günſtigſten Verhältniſſen. Gott möge ihn be-
ſchützen und ihm ſeine Gaſtfreundſchaft belohnen!
Dagegen aber wurden zwei meiner Reiſegefährten
am Bahnhofe von Kairo beſtohlen; dem einen wur-
den 40, dem andern 20 Franken entwendet. Ich,
Gottlob! blieb von dieſer traurigen Erfahrung ver-
ſchont.
Von Kairo ging unſere Reiſe mittelſt Eiſen-
bahn größtentheils durch Sandwüſten nach Is-
mailia.
21
Dieſer Ort iſt erſt mit dem Suezkanal neu
erbaut worden und gehört den Franzoſen. Die ganze
Umgebung zeigt nichts als Sand und Waſſer;
jedoch befinden ſich auf dem Sande theilweiſe be-
reits recht hübſche Gartenanlagen. Die Stadt iſt
klein und ſehr einfach; die meiſten Häuſer ſind von
Holz und nur einen Stock hoch. So war z. B.
das Hotel (Gaſthof), wo wir waren, von außen
Holz, die inneren Wände waren mit Draht und mit
Tappeten überzogen, ſo daß man bei heftigem Winde
eine Bewegung merkt. Auch die kath. Kirche iſt
ſehr einfach. Ich wohnte der heil. Meſſe bei, wo
ein franzöſiſcher Herr miniſtrirte. Ich traf hier nur
einen einzigen Deutſchen, mit welchem ich ſprechen
konnte, aber auch nur ſehr ſchwer.
Am 1. April Mittags 12 Uhr fuhr ich mit-
telſt Dampfſchiff am Suezkanal von Ismailia
nach Port-Said, wo wir um 8 Uhr Abends
ankamen. Auf dieſer Fahrt begegneten uns ſechs
große und mehrere kleine Schiffe. Einmal ſtand ein
franzöſiſches Schiff mit einem Schleppſchiff da;
wir mußten nun ſeitwärts ausweichen, hatten aber
das Mißgeſchick, auſzufahren; nachdem wir uns los-
gemacht hatten, mußten wir eine kurze Strecke zu-
rückfahren, und erſt dann ging die Fahrt glücklich
22
fort. Den ganzen Kanal entlang ſieht man zu bei-
den Seiten lauter Sand, nur in der Nähe von
Port - Said bemerkte ich etliche Dörfer neu und
ziemlich ſchön erbaut. Ferner ſah ich am Kanal viele
mächtig große Maſchinen ſtehen, welche den Sand
aus dem Waſſer herausſchöpfen, welchen der Wind
fortwährend hineintreibt. Denn wie bei uns den
Schnee, ſo weht es dort den feinen Sand. Dieſe
Maſchinen nun ſchöpfen Sand und Erde aus dem
Waſſer, ziehen es hoch empor und ſchütten es dann
in eine Rinne, ſo daß es nicht mehr in den Kanal
zurückkommt.
Port - Said iſt ebenfalls eine ganz neue
Stadt am mittelländiſchen Meere. Schöne Häuſer
gibt es nur wenige; die meiſten erinnerten mich an
die Dulthütten in Salzburg. Selbſt der größte
Stadtplatz iſt mit ganzen Reihen ſolcher Hütten
beſetzt, worin Kaufleute ihre Waaren feilbieten, Gaſt-
und Kaffeeſchenken ſich befinden und Handwerks-
leute ihr Geſchäft ausüben. Wahrſcheinlich werden
die eigentlichen Häuſer erſt gebaut werden. Auch
muß man in der ganzen Stadt in Sand watten,
wie bei uns im Schnee; beinahe rings um die Stadt
iſt Waſſer. Ich ſah hier eine Kloſterkirche, welche
vielmehr einem Heuſtadel, als einem Gotteshauſe
23
ähnlich war, nämlich: gemauerte Wände und da-
rauf der Dachſtuhl, ohne jedes Gewölbe oder irgend
eine Decke. Auch eine große Fabrik befindet ſich
hier, wo Schiffe gebaut werden. Unter anderen
wohnte ich auch einer griechiſchen Meſſe bei.
In Port-Said mußten wir beinahe vier Tage
auf das ruſſiſche Schiff warten, da es durch Stürme
auf ſeiner Fahrt aufgehalten wurde. Es iſt begreif-
lich, daß mir die Zeit ſehr lange wurde, um ſo
mehr, als es hier nicht blos ſehr ſchlecht, ſondern
auch ſehr theuer zu leben iſt; jeder Tag kam auf
13 Franken zu ſtehen.
Endlich kam die erſehnte Stunde und das er-
wähnte Schiff nahm uns am 4. April Abends in
ſeine Räume auf, um uns nach dem dritten Welt-
theil, nach Aſien zu bringen und dem hl. Lande
Paläſtina, dem Ziele unſerer Reiſe zuzuführen. Die
Fahrt war keineswegs angenehm; denn wir hatten
unſeren Platz am Verdeck, 3. Claſſe, welches ſo mit
Menſchen angefüllt war, daß wir kaum ſtehen konn-
ten; zudem ſchaukelte das Schiff ſehr ſtark, und
was das Aergſte für mich war, das Schiffsvolk hatte
ſehr viel Ungeziefer an ſich. Doch, ſowie ich mit
Gottes Hilfe dem Meeresſturme glücklich entkom-
24
men bin, ſo blieb ich auch gänzlich von dieſer Plage
kriechender und juckender Ungethümer verſchont.
Am 5. April um 7 Uhr Morgens war für
mich der glückliche Tag und die freudige Stunde,
an welchem ich zuerſt den Boden des heil. Landes
betrat – denn da erfolgte unſere Landung zu
Jaffa. In der heil. Schrift heißt dieſe Stadt:
Joppe. Hier hatte ſich der Prophet Jonas einge-
ſchifft und wollte entfliehen, als der Herr ihm be-
fahl in Ninive zu predigen; (ſiehe Buch Jonas
1. Kapitel); hier erweckte der heilige Petrus die
Tabitha vom Tode (ſiehe Apoſtelgeſchichte 9. Ka-
pitel); hier hatte derſelbe heilige Apoſtel die Er-
ſcheinung des Tuches mit den verſchiedenen reinen
und unreinen Thieren (Apoſtelgeſchichte 10. Kap.),
hieher kamen die Boten des Cornelius, um den
Petrus zu bitten, er möge nach Cäſarea kommen,
und den Cornelius ſammt ſeinem Hauſe taufen
(Apoſtelgeſchichte 11. Kap.). Das Ausſchiffen war
ſehr gefährlich. Ganz am Ufer befindet ſich das
Franziskanerkloſter, nach welchen wir allſo-
gleich unſere Schritte lenkten. Unſere Prieſter laſen
dort in der Kirche zum heil. Petrus die Meſſe,
wir übrigen wohnten bei. Die Kirche iſt klein, aber
reinlich. Die Stadt ſelbſt hat 10,000 Seelen, da-
25
runter 700 Katholiken, und iſt an einen mittel-
mäſſig hohen Felſen ſtufenförmig hinangebaut, ſo
daß die oberen Häuſer immer die oberen überragen.
Die Gaſſen ſind eng und ſchmutzig, die Häuſer
ſehr feſt und viele recht hübſch, alle mit flachen
Dächern. Auch ſchöne duftende Gärten gibt es genug.
Das Leben und Treiben der Leute iſt ähnlich, wie
in Alexandrien.
Noch am nämlichen Tage um 6 Uhr Abends
verließen wir dieſe Stadt und zogen noch bis zu
dem vier Stunden entfernten Städtchen Ramla
(auch Ramleh, früher Arimathea genannt).
Der Weg dahin führte durch die Ebene Saron.
Von Jaffa weg wandert man eine Zeit lang zwi-
ſchen den herrlichſten Gärten, voll von Oel-, Fei-
gen-, Pomeranzen-, Eitronen-, Palmen-, Aepfel-
und anderen Bäumen; dann aber wird die Gegend
ſandig und baumlos, iſt jedoch wenigſtens im Früh-
jahr mit Gras und Blumen bewachſen, während
im Sommer die glühende Sonne alles ausbrennt.
Die Häuſer ſind nichts als elende Lehmhütten. Im
Hintergrunde dieſer Ebene ſieht man die Gebirge
von Judäa. In Ramla angekommen, ſchlugen wir
im dortigen Franziskaner-Kloſter unſer letz-
tes Nachtquartier vor Jeruſalem auf. Der Ge-
26
danke, ſo nahe der heil. Stadt zu ſein, ließ mich
kaum ſchlafen.
Ramla hat über 3000 Einwohner und liegt
ſehr lieblich zwiſchen Gärten und Olivenhainen, die
ſich weit hinaus erſtrecken. Hier war die Heimath
des Joſeph von Arimathea. Man ſieht auch große
Ruinen und unterirdiſche Gewölbe, mit prachtvollen
Pfeilern, offenbar von einer Kirche herſtammend.
Dabei ſteht ein 120 Schuh hoher Thurm, der
ſogenannte Thurm der 40 Martyrer. Ebenſo
zeigt man einen Brunnen der heil. Helena.
Daß aber hier die heil. 40 Martyrer den Tod
erlitten, ſoll eben ſo unrichtig ſein als die Sage,
daß die heil. Helena hier gewohnt habe.
Am 6. April, d. i. am Mittwoch in der Schmer-
“zenswoche, ging die Reiſe ſchon um 3 Uhr Mor-
gens fort nach dem 8 Stunden entfernten Jeru-
ſalem. Anfangs war der Weg eben und gut, ſpäter
aber ſehr ſteil, bergauf und bergab, in gänzlich un-
fruchtbarer Gegend. Auf dieſer Strecke ſind beſon-
ders zwei Orte von Intereſſe: jener Ort, wo
der rechte Schächer geboren worden ſein,
und jener, wo die makkabäiſche Mutter mit
ihren ſieben Söhnen den Martyrertod
erlitten haben ſoll. (S. 2. Buch der Makka-
27
bäer, 7. Kap.) Endlich auf dem höchſten Berg, den
wir zu beſteigen hatten, angelangt, kamen wir oben
zu einem kleinen Schloß, und da erblickten wir auf
einmal – – Jeruſalem und ſeine Um-
gebung!
O Jeruſalem! Du heiligſter Ort der gan-
zen Welt, du Ziel meines jahrelangen Verlangens,
du Freude meines Lebens, du Troſt meines Sterbe-
bettes – ſei gegrüßt!
Wir ließen nun unſere gemietheten Pferde zu-
rück und gingen zu Fuß nach der heil. Stadt. Zwei
geiſtliche Herren aus Baiern, ein ſiebenzigjähriger
Pilger aus Maria Zell (welchem ich ſchon früher
mein Pferd abgetreten hatte, da er zu ermüdet war),
und endlich ich waren allein, da die übrige Geſell-
ſchaft uns vorausgeeilt war und wir, als die älteren,
nicht ſo vorwärts ſchreiten konnten. Keiner von uns
konnte ein Wort reden, unſere Herzen waren in
Thränen zerfloſſen, ein heiliger Schauer ergriff uns
vor Freude über Freude, daß wir endlich die ſo
erwünſchte Stunde nach ſo beſchwerlicher Reiſe er-
lebt hatten. Hier war der Ort vor uns, wo unſer
Erlöſer für mich und alle Menſchen ſo unendlich
viel wirkte und litt und endlich ſtarb! Dafür ſei
Ihm Lob, Preis und Dank in Ewigkeit!
28
Die Stadt Jeruſalem liegt auf einem Fel-
ſenhügel, der von drei Seiten mit Thälern umge-
ben iſt, während die vierte Seite mit den Bergen
zuſammenhängt. In der Umgebung ſind ringsherum
höhere Berge. Die Stadt hat jetzt eine ganz andere,
weitere Ausdehnung, als zur Zeit Chriſti, und da-
durch erklärt es ſich, daß der Calvarienberg und das
heilige Grab jetzt innerhalb der Stadt ſich befinden.
Hohe Mauern umſchließen ſie, Thürme, Kuppeln,
Kirchen und Klöſter ragen über die andern Gebäude
hervor, Palmen, Olivenbäume und grüne Wieſen
bilden ihre hübſche Umgebung. Von Jaffa her, wo
wir die Stadt das erſte Mal erblickten, ſieht man
jedoch nur einen Theil der Stadt, und macht die-
ſelbe mit den Felſengebirgen einen mehr traurigen
Eindruck. Sie hat beiläufig 17000 Einwohner, mei-
ſtens Mohamedaner und Juden, und nur beilich
1300 römiſch-katholiſche Chriſten ſind.
Wir gingen durch das Jaffathor und zwiſchen
zertrümmerten Stadttheilen nach dem öſterreichi-
ſchen Pilgerhaus, wo wir von jenen Reiſe-
Mitgliedern, von welchen wir uns in Alexandrien
getrennt hatten, freudig empfangen wurden. Vor-
ſteher dieſes öſterreichiſchen Pilgerhauſes iſt der
hochw. Herr Fr. Hrovat, früher Pfarrer an der
29
St. Jakobskirche in Laibach. Nach den erſten Begrüſ-
ſungen wurde dann in der Pilgerhauskapelle
welche der heil. Familie geweiht iſt, ein feier-
liches Te Deum mit Orgelbegleitung gehalten, wo-
bei wir reichliche Freudenthränen vergoſſen. Der Hoch-
würd. Hr. Vizerektor des Hauſes verrichtete dann ein
längeres Gebet, deſſen Sinn folgender war: „Laſſet
uns Gott danken, daß wir unſer Ziel nach einer ſo
ſchweren Reiſe erreicht haben. O Gott! ſegne unſere
Gebete für die ganze Chriſtenheit, ſegne unſer Va-
terland, ſegne unſere Angehörigen, Freunde und
Feinde und Alle, die ſich unſerem Gebete empfohlen
haben. Gib, daß wir nicht wieder in die Sünde
zurückfallen, ſondern bis ans Ende in deiner Gnade
verbleiben.“ – Dann ward noch die lauretaniſche
Litanei gebetet und der heil. Segen gegeben. Am
nämlichen Abend beſuchten wir noch die hl. Grabes-
Kirche (deren Beſchreibung ſpäter folgen wird), und
verrichteten dort kniefällig und inbrünſtig unſere
Andacht.
Ungeachtet ich ſehr ermüdet war, erklärte ich
mich doch gleich bereit, mit den meiſten Reiſege-
fährten am nächſten Tage nach dem todten Meere
zu gehen, und voll ſüſſer Freude begab ich mich
zur Ruhe.
Z0
Allein das Erwachen am 7. war nicht beſon-
ders angenehm. Es war nicht blos empfindlich kalt,
ſondern es ſchneite, hagelte, donnerte und blitzte
ſchon Vormittag darauf los, als würde Jeruſalem
nochmal zerſtört. Der Schnee lag fauſthoch, gewiß
hier eine äußerſt ſeltene Erſcheinung. Allein das
konnte mich in Nichts hindern. Wir gingen Vor-
mittags durch das Stephansthor nach dem
Oelberg, durch jenes Thor, durch welches der
heil. Stephanus zur Steinigung ausgeführt wurde;
die Stätte, wo er den Martyrertod erlitt, iſt unter-
halb im Thale Joſaphat und durch einen Felsſtein be-
zeichnet. Durch das Thal Joſaphat kamen wir
über den ausgetrockneten Bach Cedron (Kidron) zum
Fuße des Oelberges. In jenem Thal ſieht man un-
endlich viele jüdiſche Gräber, worunter beſonders vier
bemerkenswerth ſind: 1. das Grab des Joſaphat;
2. das Grab Abſolons; 3. das Grab Jakobs;
4. das Grab des Zacharias. Am Fuße des Oel-
berges befindet ſich nun das Grab der ſelig-
ſten Jungfrau Maria, die Grotte der To-
desangſt Jeſu und der Garten Gethſeman ä.
Das Grab der ſeligſten Jungfrau Ma-
ria iſt eine unterirdiſche Felſengrotte; zur Hälfte
der tiefen Stiege, welche in ihr Inneres führt, zeigt
31
man rechts das Grab Joachims und Anna's,
der Eltern der heil. Jungfrau, links das Grab
des heil. Joſeph. Noch tiefer unten iſt das
einfache Grab der ſeligſten Jungfrau, natürlich ſeit
ihrer Aufnahme in den Himmel leer, und mit einem
Marmordeckel verſchloſſen. Ueber dieſer heil. Stätte
iſt eine Kirche erbaut.
Ganz nahe davon iſt die Blutſchwitzungs-
Grotte, zu welcher acht Stufen hinabführen.
In derſelben ſind drei Altäre, vor welchen Lam-
pen brennen. Ein Altar iſt von Alabaſter, ſehr
ſchön, im Jahre 1868 erbaut. Ueber dem mittleren
Altar iſt in lateiniſcher Sprache folgende Aufſchrift:
„Hier wurde ſein Schweiß wie Tropfen Blutes,
das auf die Erde rann.“ Die Kapelle iſt ziemlich
MUTI. -
An dieſe Grotte ſchließt ſich der Garten
Gethſemanä, welcher mit einer hohen Mauer
umgeben iſt. Vor der Eingangsthür zeigen einige
Steinplatten die Stelle, wo die Jünger ge-
ſchlafen hatten, während ihr Meiſter Blut
ſchwitzte; nicht weit davon iſt jener Platz, wo Ju-
das ſeinen Herrn und Meiſter mit einem
Kuße verrathen hat. Im Innern des Gartens
ſtehen noch acht Oelbäume von jener Zeit; ſie
Z2
haben einen Umfang von beiläufig 20 Schuh. Man
ſagt, daß der einſtige Garten einen größern Um-
fang hatte, wie jetzt; daher iſt es auch erklärlich,
daß die Blutſchwitzungsgrotte außerhalb des Gar-
tens liegt.
Nachdem wir wieder nach Jeruſalem zurückge-
kehrt waren, beſuchten wir am nämlichen Vormittag
noch das Franziskaner Kloſter, welches ein
ſehr ausgedehnter Bau iſt und eiue Kapelle mit meh-
reren Altären beſitzt.
Wir hatten ferner auch Gelegenheit, die Woh-
nung des Hochwürdigſten Patriarchen
von Jeruſalem, der beim Konzil in Rom ab-
weſend war, zu beſehen. Es iſt ein ſehr ſchönes
Gebäude mit einer neuen Kathedral-Kirche.
Im Gebäude ſelbſt ſind 2 Salons, 28 Zimmer
und eine Hauskapelle.
Obwohl auch Nachmittags das Wetter ſehr
ſchlecht war, blieben wir doch bei unſerem Plane,
das todte Meer und den geheiligten Fluß Jor-
dan zu beſuchen, und zogen deßhalb mehr als
zwanzig von unſerer Geſellſchaft um 3 Uhr Nach-
mittags beim Stephansthore hinaus. Für dieſen
Tag war die Reiſe bis zum Kloſter St. Sabas
beſchloſſen. Der Sturm war ſo heftig, daß wir
33
alle von unſeren Pferden abſteigen mußten, denn
dieſelben wurden ganz wüthend, ſo daß ſie über die
Felſenwände geſprungen wären, wenn wir ſie nicht feſt-
gehalten hätten. Der Hochw. Herr Generalvikar von
Amerika, auch ein Mitglied unſerer Karavane, war
ſchon in größter Lebensgefahr, ebenſo ein Schneider-
Meiſter aus Wien, welchen das Pferd auf ſteini-
gem Boden ſtürzte. Ich war nahe daran den Verluſt
meines Hutes beklagen zu müſſen, welchen ich jedoch
bald in einer Steinhöhle wiederfand. Gott jedoch
beſchützte uns Alle wunderbar auf dieſem gefahr-
vollen Wege, und ſo kamen wir Abends 7 Uhr
wohlbehalten in St. Sabas an.
Das Kloſter St. Sabas wird von armen
griechiſch-ſchismatiſchen (griechiſch-nichtunirten) Mön-
chen bewohnt, und ſieht einer Feſtung ſehr viel ähn-
lich. Es liegt in einer ſchauerlichen Felſenſchlucht an
einer Felſenanhöhe, an welcher man viele Höhlen
bemerkt, welche nicht von frommen Einſiedlern be-
wohnt waren. Hier in dieſer gräulichen Wildniß
lebte im vierten Jahrhundert der heil. Sabas als
Einſiedler, dem ſich bald mehrere Genoſſen beigeſell-
ten. Seine Grabkapelle ſteht mitten im Kloſterhofe.
Auf der Oſtſeite befindet ſich die eigentliche
Hauptkirche des heil. Sabas. Hier lebte F dex
34
heilige Johannes Damaszenus; ſeine Zelle, worin
er auch begraben liegt, wurde in eine Kapelle um-
gewandelt.
Am folgenden Tag, den 8. gab es wieder ſtarken
Regen. Durch die Regengüſſe des vorigen Tages waren
wir alle durchnäßt geworden, und die Folge davon
war, daß zwei Geiſtliche von unſerer Karavane
krank wurden. Dieſe kehrten deßhalb um, und gin-
gen in Begleitung von zwei anderen Prieſtern und
eines Beduinen nach Jeruſalem zurück. Wir andern
aber zogen um 10 Uhr Vormittags, nachdem es ſich
aufgeheitert hatte, in ſchauerlicher Gegend fort nach
dem 4/2 Stunden von Sabas entfernten todten
Meere. Dort angelangt, machten wir an deſſen
Ufern eine kurze Mittagsraſt. Wir mußten nämlich
eilen, da die Zelte zu unſerem Nachtlager bereits bis
zur Eliſäus-Quelle vorausgeſchickt waren, wo wir
alſo heute noch eintreffen wußten.
Was das todte Meer anbelangt, ſo möge
folgende kleine Schilderung genügen: Dasſelbe iſt
20 Stunden lang und 3–4 Stunden breit. Das
Waſſer iſt blaßgrün und grau, ſehr ſalzig und bit-
ter; kein Fiſch lebt in demſelben. Die Gegend
herum iſt kahler Felſen und öde, der Boden mit
Erdpech-(Asphalt-)Steinen bedeckt. Kein Haus, keine
Z5
Blume, kein Baum, kein Vogel belebt die Ufer;
nur einiges Geſträuch ſah ich, das mit unſerem Se-
genbaum Aehnlichkeit hat.
Von dieſer Stelle des furchtbaren Strafgerichtes
Gottes, von dieſem großen Waſſergrabe der über-
müthigen Städte Sodoma und Gomorrha eilten
wir */4 Stunden weit an den Fluß Jordan,
wo Johannes taufte, und der ſich in dieſes Meer
ergießt. Das Waſſer desſelben iſt von dem licht-
braunen Sand, welchen er enthält, ſchmutzig gelb.
Die Ufer ſind mit Blumen und Geſträuchern be-
wachſen. Nachdem wir unſere Andacht an dieſem,
durch die Taufe Jeſu geheiligten Fluße verrichtet
hatten, ging die Reiſe raſch weiter nach dem 2 Stun-
den entfernten Jericho. An der Stelle dieſer einſt
ſo berühmten Stadt ſieht man nichts, als einen halb
verfallenen Thurm und 19 elende Lehmhütten. Man
zeigt auch die Mauern vom Hauſe des Zachäus.
(Siehe Evangelium am Kirchweihfeſte.) Die Gegend
iſt ſchön, allein die Felder ſchlecht bebaut und die
Bäume nicht gepflegt, weil eben die Beduinen die
Arbeit nicht lieben.
Von Jericho war es nicht mehr weit zur Eli-
ſäusquelle, ein Brunnen, der ſich in einen Bach
ergießt und als jene Quelle verehrt wird gºs
36
der Prophet Eliſäus trinkbar gemacht hat. (Siehe
4. Buch der Könige, 2. Kapitel, 19.–22. Vers)
Das Waſſer ſchmeckte ziemlich gut. Eine Viertel-
ſtunde entfernt zeigt man den Berg, von deſſen
Gipfel der Teufel dem Heilande alle
Reiche der Welt verſprach, wenn er nieder-
fiele und ihn anbete. An dieſer Quelle ſchlugen wir
unter den bereit gehaltenen Zelten, von Beduinen
bewacht, unſer Nachtquartier auf.
Den 9. ging es durch die Wüſte Judäas,
wo Jeſus 40 Tage und Nächte gefaſtet hatte, zu-
nächſt nach dem Apoſtelbrunnen. Es wird näm-
lich tief im Thale eine Quelle ſo genannt, weil
Jeſus und ſeine Jünger dort ſich öfter erquicket
haben ſollen. Wir ſahen dort viele Heuſchrecken
von bedeutender Größe. Hier machten wir Mittag-
Station. -
Vom Apoſtelbrunnen kamen wir durch eine ein-
ſame Gegend nach Bethania, wo ſich noch jene
Gruft befindet, aus welcher der Heiland den Laza-
rus vom Tode erweckte. (S. Johannes 11. Kap.)
Man ſteigt über 26 Stufen hinab, und kommt zu-
erſt in eine kleine Vorkammer, in welcher jährlich
zweimal von einem Franziskaner Pater eine heil.
Meſſe geleſen wird. Von dort führen noch ein paar
Z7
Stufen abwärts zum eigentlichen Grabe, welches
aber ſo klein iſt, daß eben ein Mann darin liegen
kann. Das Dorf Bethania iſt arm und wird in
beiläufig 20 elenden Hütten von Mohamedanern
bewohnt. Ueber dem Grabe des Lazarus ſoll einſt
eine Kirche und Kloſter geſtanden ſein; aber davon
ſieht man nichts mehr, als Ueberreſte eines Thur-
mes. (Man leſe das Evangelium am Feſte Maria
Himmelfahrt, und bei Johannes das 11. und 12.
Kapitel) -
Wir gingen weiter und kamen nach jener Stelle,
wo dereinſt Bethphage geſtanden ſein ſoll, jener
Ort, wo ſich Jeſus auf das Füllen eines Eſels
ſetzte und ſeinen feierlichen Einzug in Jeruſalem
hielt. Von dieſem Orte iſt jedoch keine Spur mehr
vorhanden; mir war jedoch der Beſuch dieſer Stelle
um ſo werthvoller, als ſchon morgen der Palmſonn-
tag gefeiert wurde. Von hier bis an die Spitze des
Oelberges iſt blos eine Viertelſtunde; ich ſparrte
mir jedoch den Beſuch desſelben auf ſpäter. Ermü-
det hielten wir um 2 Uhr Nachmittags unſeren
Einzug in Jeruſalem.
So war nun mit Gottes Hilfe auch dieſe Reiſe
nach dem todten Meere und vielen merkwürdigen
Orten glücklich vorüber, und nun kam die heilige
38
Charwoche, welche ich zum größten Theil mit
Beſuchung der Kirchen in und um Jeruſalem zu-
brachte. Ehe ich in meinem Tagebuch weiterſchreite,
will ich mich vorerſt bemühen, eine kurze Beſchrei-
bung der heil. Grabeskirche zu geben.
Die heil. Grabeskirche, auf dem Kalvarien-
Berge erbaut, iſt ein großes, unregelmäſſiges Ge-
bäude mit zwei Kuppeln. Der Zugang iſt dieſes
heiligen Tempels wohl ſehr unwürdig, denn man
kommt nur durch ſchmutzige Gaſſen dahin. Im
Innern führen rechts 18 Stufen hinauf auf die
Spitze des Berges, an jene heil. Stellen, wo
Jeſus ſeiner Kleider beraubt, wo er an das Kreuz ge-
nagelt und gekreuzigt worden iſt. Für jede dieſer Sta-
tionen iſt eine eigene Kapelle und ein beſonderer Altar.
In letzterer ſieht man noch die Grube, wo das heil.
Kreuz darin geſtanden iſt; darüber iſt eine in der
Mitte offene Silberplatte gelegt, auf welcher die
Leidenswerkzeuge eingearbeitet ſind. Ober dieſer
Grube iſt ein Altartiſch, der unten, wie ein ge-
wöhnlicher Tiſch, offen iſt, ſo daß man zu jener
Grube knieend gelangen kann. Rechts und links
bezeichnen zwei ſchwarze Steine jene Stellen, wo
die Kreuze der beiden Schächer ſtanden. Zwiſchen
der Grube, wo das Kreuz Chriſti, und jener, wo
Z9
das des linken Schächers ſtand, iſt wieder eine lange
Silberplatte, die man abheben kann, und welche
einen Felſenriß bedeckt, der durch das Erdbeben beim
Tode Jeſu entſtanden war. An Bildern ſieht man
nur das Kruzifix und Maria, Johannes und Mag-
dalena in Lebensgröße. Nicht weit von dieſen Ka-
pellen iſt ein Altar an jener Stelle, wo der heil.
Leichnam Jeſu in den Schooß ſeiner Mutter ge-
legt wurde.
Eine andere Stiege führt von dieſem Gipfel
des Kalvarienberges (der, wie bereits erwähnt, auch
im Innern der heil. Grabeskirche ſich befindet) wie-
der abwärts. Iſt man nun unten angelangt, ſo iſt
links jener heil. Stein, wo der heil. Leichnam Jeſu
einbalſamirt wurde; dieſer Stein iſt jedoch mit
Marmor eingefaßt und es brennen mehrere Lichter
dabei. - -
Weiter vorwärts, unter der großen Kuppel, ſteht
nun, gleichſam ein kleiner Tempel in dem großen,
die heil. Grabkapelle, welche auch eine Kup-
pel hat. Zum Eingang führen Marmorſtufen; auch
von Außen iſt dieſe Kapelle mit Marmor bekleidet
und mit Pfeilern geziert. Das Innere beſteht aus
zwei Theilen. Der vordere Theil heißt: die Engels-
Kapelle. Hier ſieht man einen Theil jenes Steines,
40
der vor das Grab gewälzt wurde und worauf am
Oſtermorgen der Engel geſeſſen iſt. Von dieſer Ka-
pelle führt eine kleine Thüre in das heil. Grab
ſelbſt. Iſt man auf den Knieen inwendig angelangt,
ſo ſieht man rechts jenes Felſengrab, worin der
heil. Leichnam gelegen war; dasſelbe iſt an den
Seiten mit Marmor bekleidet und auch über der
Oeffnung iſt eine Marmorplatte, welche als Altar
dient. An der Wand ſind drei Bilder, jedes ſtellt
die Auferſtehung vor, da dieſe heiligſte Stätte ſo-
wohl den Lateinern, als auch den Griechen und
Armeniern gehört. Oberhalb brennen eine Menge
von prachtvollen Lampen. Der Raum iſt ſo klein,
daß höchſtens vier Perſonen neben einander knieen
können.
Nachdem man dieſe Kapelle wieder verlaſſen
hat und ſich wieder im großen Dom befindet, hat
man links jene heil. Stellen, wo Jeſus der Mag-
dalena, und wenige Schritte weiter, wo Er Seiner
Mutter erſchien. Man ſieht und verehrt ferner die
Säule, an welche der Heiland gebunden und ge-
geißelt wurde; ferner den Kerker Chriſti, den Ort
der Kleidervertheilung, endlich auch die ſogenannte
„Spottſäule“, auf welcher Jeſus bei der Dornen-
krönung geſeſſen iſt. Ueberall befindet ſich eine Kapelle.
41
Alles, was ich hier beſchrieben habe, ſowie noch
andere Heiligthümer ſind in demſelben großen Tem-
pel untergebracht, daher man ſich nicht wundern
darf, daß der ganze Bau groß, aber ſehr unregel-
mäßig iſt.
Meine Gefühle beim Beſuche dieſer Heilig-
thümer kann ich nicht beſchreiben. Hier alſo iſt jene
heilige Stätte, wo mein Erlöſer und Heiland für
mich, für meine Kinder und für die ganze Welt
geſtorben iſt, wo Er aber auch wieder glorreich vom
Todten auferſtanden iſt, als ſicheres Unterpfand,
daß auch wir dereinſt wieder auferſtehen werden.
O wäre doch unſere Auferſtehung einſt auch eine
glorreiche, damit wir dann Alle von Angeſicht zu
Angeſicht auch Den ſehen können, der für uns ſo
viel gelitten hat und geſtorben iſt! –
Unterirdiſch iſt die Helenakapelle, eine Kirche
mit zwei Altären, wo die heil. Helena betete, wäh-
rend man das Kreuz ſuchte. Noch tiefer befindet ſich
die Kreuz auffindungs-Kapelle. Man ſieht
hier eine Statue der heil. Helena mit dem Kreuze
in ihren Armen, ein Opfer des Erzherzogs Maxi-
milian von Oeſterreich (des unglücklichen Kaiſers
von Mexiko).
42
Den 10. April, Palmſonntag, brachten wir
den ganzen Vormittag in der heil. Grabeskirche zu.
Der Hochwürdigſte Herr Weihbiſchof von Jeruſalem
las eine feierliche heilige Meſſe auf einem koſtbaren
ſilbernen Altar, der auſſerhalb des heiligen Grabes
aufgerichtet war. Während derſelben wurde die Paſ-
ſion in ergreifender Weiſe geſungen. Die Palmweihe
war um 7 Uhr, wo wir aus Hochdeſſen Händen
Palmzweige erhielten. – Am Abend desſelben Ta-
ges wohnte ich einer ſehr ſchönen Andacht in der
neuen Ecce Homo-Kirche, nahe dem öſterr. Pil-
gerhauſe bei, wobei die Erziehungsmädchen des neben-
befindlichen Frauenkloſters geſungen haben.
Am folgenden Tage, den 11., gingen wir in
den Garten Gethſemanä, und wohnten in der Blut-
ſchwitzungsgrotte einer heil. Meſſe bei. Von Geth-
ſemanä gingen wir auf den Gipfel des Oel-
berges, wo Jeſus in den Himmel aufgefahren
iſt. Man hat von dort eine herrliche Ausſicht, und
überſieht das ganze, 6 Stunden entfernte todte Meer.
Es war einſt hier eine große Kirche geſtanden, welche
aber zerſtört iſt, und wovon nur noch die Mauern
ſtehen. In der Mitte dieſer Ruinen ſteht eine kleine,
ärmliche Kapelle, welche den Türken gehört, daher
man auch Eintrittsgeld zahlen muß. Im Innern ſieht
43
man noch den Felſen, in welchem die Spur des
linken Fuſſes des Heilandes eingedrückt iſt.
Auf dieſem Wege kamen wir auch zu jenen hl.
Stellen, wo Chriſtus ſeinen Apoſteln das
„Vater unſer“ lehrte, und wo Er über Je-
ruſalem weinte. Ueberall ſtanden einſt Kirchen.
Am erſteren Orte baut eben jetzt eine franzöſiſche
Gräfin ein ſchönes Gebäude mit einer Hauskapelle.
Nachmittags gingen ich und noch mehrere von
unſerer Karavane nach Bethlehem, 2 Stunden
von Jeruſalem entfernt. Auf dieſem Wege waren
auch einſt die heil. drei Könige zur Geburtsſtätte
des Heilandes gezogen. Man geht beim Jaffathor
hinaus und gelangt in die Nähe jener Ruinen,
welche von einem Landhaus des Hohenprie-
ſters Kaiphas herſtammen ſollen, daher auch
der Hügel, auf welchem ſie ſtehen, „der Berg
des böſen Rathes“ genannt wird. Weiter ſieht
man mitten in den fruchtbaren Feldern abermals
Ruinen, u. zw. von dem Hauſe des frommen
Simon. Noch weiter kommt man zu einem Brun-
nen, welcher die „Ciſterne der heil. drei Kö-
nige“ genannt wird, wo der Stern den Weiſen
wieder erſchienen iſt und ihnen den Weg zur Krippe
in Bethlehem zeigte. Endlich gelangt man auf einer
44
Anhöhe zum griechiſchen Elias kloſter, welches
an jener Stelle erbaut iſt, wo dieſer Prophet einſt
raſtete, als er vor Achab und Jezabel in die Wüſte
entfloh. (Siehe 3. Buch der Könige, 19. Kapitel.)
Auch dieſes Kloſter ſieht einer Feſtung viel ähnlich,
beſitzt aber eine ſchöne Kirche. Von dieſer Höhe
ſieht man hinter ſich noch Jeruſalem, vor ſich be-
reits das lieblich gelegene Bethlehem. Jenſeits der
Höhe iſt das ſogenannte Erbſenfeld, von den
vielen kleinen, erbſenähnlichen Steinen, die ſich dort
vorfinden, ſo benannt. Weiter das Grab der
Rachel (ſiehe 1. Buch Moſes, 35. Kap, 19. V.),
und die Ciſterne Davids (ſiehe 2. Samuel
23. K., 14.–16. V. und 1. Buch Chron. 12. K.
16.–19. Vers), und endlich Bethlehem, der
Geburtsort unſeres Erlöſers Jeſu Chriſti, welches
Städtchen 3000 Einwohner zählt, wovon -2000
Katholiken ſind. Es liegt in einer fruchtbaren Um-
gebung an eine Anhöhe hinauf gebaut. Wir blie-
ben bei den dortigen PP. Franziskanern über
Nacht.
Des andern Morgens, den 12., war unſer
erſter Gang nach der heiligen Grotte, wo der
Heiland geboren wurde. Eine große Kirche
iſt darüber gebaut, wie man ſagt, von der heiligen
45
Helena. Achtundvierzig Säulen, jede aus Einem
Stück Marmor, ſtehen in vier Reihen darin. Allein
trotz dieſer Pracht ſieht man auch, daß viel ver-
wüſtet worden iſt. Sie gehört den Griechen. Nahe
beim Hochaltar führen 2 Marmorſtiegen, jede von
beilich 15 Stufen hinab in die Grotte der Geburt.
Die Wände und der Fußboden ſind mit Marmor
bedeckt und mit ſchönen Seidenſtoffen behängt; viele
prachtvolle Lampen brennen darin. Sie iſt 39 Schuh
lang, 11 Schuh breit und 9 Schuh hoch. An dem
einen Ende iſt eine etwas erhöhte Niſche. Dort
ſteht ein kleiner Altartiſch, und unter dieſem iſt
eine Marmorplatte mit einem ſilbernen Stern und
der lateiniſchen Inſchrift: „Hier iſt Jeſus Chriſtus
von Maria der Jungfrau geboren worden.“ Präch-
tige Lampen erleuchten dieſe Niſche. Etwas ſeit-
wärts über 3 Stufen iſt eine kleine Vertiefung, wo
die Krippe einſt geſtanden hatte. Jetzt befindet ſich
ſtatt derſelben dort ein Barren von Marmor, wel-
cher der wirklichen Krippe, die ſich in Rom befin-
det, nachgebildet iſt. Ein Bild mit der Vorſtellung
der Geburt Chriſti befindet ſich darüber. Gegenüber
dieſer heil. Stätte iſt die Stelle, wo die heil. drei
Könige dem König Himmels und der Erde ihre
Huldigung darbrachten, mit einem Altar und dem
46
Bilde, welches die Anbetung der drei Weiſen vor-
ſtellt. Dieſer Altar gehört den Lateinern.
Dieß alſo iſt die Geburtsſtätte un-
ſeres Heils! O möchten doch, ſowie die heiligen
drei Könige, auch die Großen der Erde kommen,
und ſich vor Gott demüthigen, fürwahr! viele Kriege
und anderes Unheil würden ausbleiben. O möchten
auch durch das Conzil in Rom unſer Glaube und
die guten Sitten neu geboren werden, wie einſt
Jeſus in Bethlehem geboren wurde!
Von der heil. Grotte führt ein ſchmaler Felſen-
gang zu den übrigen heil. Stätten; unter dieſen iſt
der Altar des heil. Joſeph, an jener Stelle,
wo der Engel dem heil. Joſeph im Schlafe erſchien
(ſiehe Math. II. Kap. 13. V.); ferner die Grotte
der unſchuldigen Kinder. In dieſer Grotte
nämlich befindet ſich unter einem Altar eine ver-
gitterte Gruft, wohin die Gebeine der unſchuldigen
Kinder gebracht wurden. Von dort gehen 2 Gänge
auseinander; der eine führt zur Katharinenkirche des
Franziskanerkloſters, der andere zu den Gräbern
des heil. Euſebius und des heil. Hierony-
mus, der hier in einer Grotte 38 Jahre gelebt
hat. Sein heil. Leib befindet ſich jetzt in Rom.
47
Etwa 400 Schritte von dieſer Kirche der Ge-
burt Chriſti befindet ſich die Milchgrotte, welche
aus weißem Kalkgeſtein beſteht und einen Altar
enthält. Sie gehört den Franziskanern. Hier ſoll
ſich die heil. Familie verborgen haben, bis ſie nach
Aegypten entfliehen konnte.
Eine halbe Stunde von Bethlehem iſt das Hir-
tenfeld. Es iſt dieſes ein kleiner Platz, mit Oel-
bäumen beſetzt und mit einer niedern Mauer um-
geben. Innerhalb dieſer Mauer ſteigt man über eine
Stiege hinab in die Hirtengrotte, die zwar als
Kirche hergeſtellt, aber ſehr ärmlich iſt. Sie beſitzt
einen Altar, und gehört den Griechen. Ueber dieſer
Grotte ſieht man die Trümmer einer ehemaligen
Kirche. Auch ich betete hier mit den Engeln: „Ehre
ſei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den
Menſchen, die eines guten Willens ſind.“
Auch wurde uns am Wege dahin jener Ort
gezeigt, wo einſt das Haus des heil. Joſeph,
und ſpäter ein Kloſter geſtanden war. Auch das
ſogenannte „Hirten dorf“ wird gezeigt, aus wel-
chem die Hirten waren, denen zuerſt die Geburt
des Erlöſers verkündiget wurde.
Aufrichtig muß ich geſtehen, daß mich im gan-
zen heil. Lande kein Ort ſo ſehr ergriffen hat, als
48
gerade Bethlehem. Als wir von dieſer Perle unſeres
Heiles Abſchied nahmen, bat ich Gott nochmals,
Er möge mein unwürdiges Gebet erhören, Er möge
beiſtehen dem Oberhaupt der ganzen kath. Kirche,
dem Konzil, allen Seelſorgern und Prieſtern, und
unſerem allergnädigſten Kaiſer, der uns als Pilger
kürzlich im heil. Lande vorangegangen iſt; Er möge
uns brave Männer in die Landtage und in den
Reichsrath ſchicken und meine Angehörigen zu Hauſe
ſegnen und in Seiner Gnade erhalten und ſo unſer
zeitliches und ewiges Wohl begründen. Mit Thränen
und kaum im Stande laut zu ſprechen, nahmen wir
Abſchied. Betend kehrten wir zurück nach Jeruſalem,
um dort die heil. Charwoche zu feiern.
Sehr leid war mir, daß wir auf unſerem Rück-
weg nicht das nahe gelegene Kloſter St. Jo-
hann, die Geburtsſtätte des heil. Johannes des
Täufers, beſuchten. Aber da meine übrigen Beglei-
ter es nicht wollten, wagte ich allein es auch nicht,
da ich in Erfahrung gebracht hatte, daß erſt kürz-
lich auf dieſem Wege zwei Pilger beraubt wurden,
und ihnen nichts verblieb, als der Hut.
Am Abende nach unſerer Rückkunft nach Jeru-
ſalem beſuchte ich noch das heil. Grab.
49
Den 13. beſuchte ich wieder die Blutſchwitz-
ungsgrotte am Oelberge und noch andere hl. Orte,
und wohnte Nachmittags der Trauermette bei, welche
von 3–6 Uhr gehalten wurde und ſehr ergreifend
WaT.
Den 14, Gründonnerstag, war feierliches
Hochamt in der heil. Grabeskirche, wobei uns der
hochwürdigſte Herr Weihbiſchof die heil. Kommunion
reichte. Die ganze Feierlichkeit dauerte von 6–10
Uhr Vormittag. Dann beſichtigten wir, begleitet vom
Hochw. Herrn Direktor des Pilgerhauſes und einem
Polizeimann, der zugleich Hausknecht des Pilger-
hauſes iſt, den Speiſeſaal, in welchem Jeſus
das Oſterlamm gegeſſen und das aller-
heiligſte Altarsſakrament eingeſetzt hat.
Wir kamen durch das Sionsthor zuerſt an jene
Stelle, wo einſt das Haus des Kaiphas ſtand,
in deſſen Hofraum Petrus ſeinen Meiſter dreimal
verläugnete. Jetzt iſt dort ein Kloſter der Armenier
mit einer kleinen, ſchönen Kirche, in welcher man
zum Gefängniß Chriſti hinabſteigt. Nicht weit
davon iſt eine Felſenhöhle, in welcher Petrus
bitterlich weinte. Einige Schritte vom ehemali-
gen Hauſe des Kaiphas iſt ein ziemlich verfallenes
Gebäude, welches einſt eine Kirche war. Nachdem
4
50
man ein Trinkgeld gegeben hat, ſteigt man über
eine Stiege von 20 Stufen hinauf und kommt in
den heil. Speiſeſaal, welcher zwei freiſtehende
Säulen und 8 Wandſäulen enthält, und ſehr un-
rein gehalten iſt. Er dient jetzt den Türken als
Moſchee. Der Herr Direktor ſagte, es ſei wirklich
noch der nämliche Saal, in welchem Jeſus das
Abendmahl hielt und Seinen Jüngern die Füſſe
wuſch, weil es die Bauart ſo nachweiſet. Wir bete-
ten ziemlich lange an dieſer geheiligten Stätte, wo
Jeſus in Seiner unendlichen Liebe das allerheiligſte
Altars-Sakrament eingeſetzt hat, wo Er nach Seiner
Auferſtehung wiederholt Seinen Jüngern erſchien,
und der heil. Geiſt über ſie herabgekommen war,
und von wo aus ſie ausgingen in die ganze Welt,
um allen Völkern das Evangelium zu predigen und
ſie zu taufen. O möchte auch jetzt der heil. Geiſt
die Väter des Conzils erleuchten, damit ſie den
Glauben vertheidigen und die Sitten verbeſſern,
ebenſo aber auch alle geiſtlichen Vorſteher und Seel-
ſorger und alle weltlichen Regenten und Miniſter.
Ich bitte alle Jene, welche dieſes leſen, daß ſie
ſich auf dieſe Meinung im Gebete mit mir ver-
einigen. –
Im nämlichen Gebäude befindet ſich, 3 Stiegen
51
abwärts, das Grab des Königs David, zu
welchem aber der Zutritt nicht geſtattet iſt.
Nachmittag um 2 Uhr wurde vom Hochwürdig-
ſten Herrn Weihbiſchof vor der heil. Grabeskapelle
die Fußwaſchung vorgenommen und zwar an
6 Bürgern der Stadt, 4 Franziskanern und 2
Prieſtern unſerer Karavane.
Am 15., Charfreitag, wohnte ich Vormit-
tags wieder den heil. Ceremonien in der hl. Gra-
beskirche bei. Abends 6 Uhr war feierliche Prozeſ-
ſion bei den vorzüglichſten Heiligthümern des Domes.
Es wurden dabei in den verſchiedenen Kapellen 7
Predigten gehalten, jede in einer anderen Sprache;
die deutſche war am Altare der Kreuzannaglung.
Erwähnen muß ich noch, daß die Kreuztragung,
Kreuzabnahme, Salbung und Grablegung wirklich .
dargeſtellt wurden und zwar durch eine bewegliche
Figur, welche den Heiland vorſtellt, und ein großes
hölzernes Kreuz. Alle Begleiter der Prozeſſion tru-
gen brennende Kerzen. Die Feierlichkeit dauerte bis
11 Uhr Nachts, alſo volle 5 Stunden.
Am 16., Charſamstag, war wieder feier-
liches Hochamt beim heil. Grabe. In der Stadt
wimmelte es von griechiſchen, armeniſchen und kop-
tiſchen Pilgern, welche auf Pferden, sei, sº
52
Kameelen herbeigekommen waren, um morgen ihre
Palmweihe und darauf ihr Oſterfeſt in Jeruſalem
zu feiern. Eine kathol. Auferſtehungsfeier, wie bei
uns, findet an dieſem Tage nicht ſtatt; dieſelbe
wird erſt am Oſtermorgen ſelbſt abgehalten.
Erwähnen muß ich auch, daß wir den heil.
Kreuzweg öffentlich in der Stadt, bei den
wirklichen Stationen, vom Gerichtshauſe des
Pilatus bis zum heil. Grabe, laut abgebetet haben,
ohne nur im mindeſten geſtört zu werden. Wie
traurig iſt es dagegen an manchen Orten Oeſter-
reichs, wo man ſogar von Katholiken verhöhnt und
verſpottet wird, wenn man ſich noch einigermaſſen
als guter Chriſt zeigt und ſeinen Glauben öffent-
lich bekennt. Manche Station des heil. Kreuzweges
iſt nur durch einen Stein oder ein Säulenſtück
kennbar, auch iſt der eigentliche Kreuzweg, den Jeſus
gewandelt iſt, theilweiſe mit Häuſern verbaut. Die
letzten fünf Stationen befinden ſich im Innern der
heil. Grabeskirche.
Am Charſamſtage iſt in Jeruſalem bei den Ka-
tholiken große Stille.
So brach denn der freudige Oſtermorgen
an. Der Gottesdienſt in der heil. Grabeskirche be-
gann um 5 Uhr früh. Nach dem Hochamte war
*
53
Prozeſſion um die Grabkapelle herum. Alles zeigte
Pracht und große Feierlichkeit.
Nachmittags ging ich nach Bethanien, wo
ich das Grab des Lazarus (welches ich ſchon oben
beſchrieben habe) beſuchte.
Für den 18., d. i. Oſtermontag, war die Ab-
reiſe von Jeruſalem beſchloſſen. In der Blut-
ſchwitzungsgrotte ließ ich durch Pater Peter noch meine
Sachen weihen, welche ich als Andenken mit nach
Hauſe nahm. Zum Abſchied baten wir insgeſammt
noch den türkiſchen Konſul, daß uns mit ſeiner Er-
laubniß die hl. Grabeskirche aufgeſperrt werde, wo wir
* Gott unſere Dankſagung mit gerührtem Herzen dar-
brachten. Und ſo ſei denn auch jetzt, ſowie an jenem
Tage, Gott gelobt und geprieſen für die Gnade,
daß ich jene hl. Orte, die Gedächtnißſtätten unſerer
Erlöſung und die Geburtsſtätte unſeres Heiles beſu-
chen konnte. Möge Er mir und meinen Kindern, mei-
nen Angehörigen und Allen, die dieſes leſen, die Gnade
ſchenken, daß wir dereinſt Alle im himmliſchen Jeru-
ſalem vereinigt werden! Wunderbares hat
Seine Barmherzigkeit auch an mir gethan,
denn kurze Zeit vor meiner Abreiſe (aus der Hei-
math) nach Jeruſalem hatte ich mir die rechte Achſel
ſchwer beſchädigt, ſo zwar, das es ſehr in Frage
54
ſtand, ob ich die Reiſe unternehmen könne; allein
vertrauend auf Gottes Hilfe wagte ich es, und
erduldete während der Reiſe manche Beſchwerden;
– aber wunderbar! in Jeruſalem angekommen,
ſchwand jeder Schmerz und ich konnte die Hand
wieder leicht bewegen. Ihm ſei Lob und Dank, der
für mich ſo viel gelitten hat!
Jeruſalem und Bethlehem, ihr heili-
gen Orte, lebet wohl! Und nun in Gottes
Namen nach – Nazareth. Nachmittags um
3 Uhr zogen wir ſtill und ſchweigend durch das
Damaskusthor von Jeruſalem fort. Wir waren
blos 19 Pilger der Karavane, da einige noch zu
Jeruſalem zurückblieben, andere wieder über Jaffa
nach Hauſe reisten, ohne Nazareth zu beſuchen.
Unter Jenen, welche in Jeruſalem zurückblieben,
war auch unſer Hochw. Herr Präſident, der mit
noch Mehreren nach Damaskus und zurück über
Konſtantinopel zu reiſen geſonnen war. Unter Thrä-
nen nahmen wir von ihm Abſchied.
Nachdem wir mehr als eine Stunde gerit-
ten waren, kamen wir auf eine Berghöhe, von
welcher aus man Jeruſalem das letztemal erblickt.
Dort beteten wir gemeinſchaftlich noch ein Vater
unſer und Ehre ſei Gott dem Vater, dann ging
55
es auf ſteinigen Wegen durch öde Felder weiter.
Wir kamen am elenden Dorfe El-Bir vorüber,
welches als jener Ort bezeichnet wird, wo Joſeph
und Maria bei ihrer Rückkehr von Jeruſalem den
zwölfjährigen Jeſus vermißten. Es war einſt dort
eine ſchöne Kirche, von welcher jetzt nur mehr die
Ruinen ſtehen. Weiters hatten wir rechts Bethel
(jetzt Beitin genannt), jenen Ort, wo der Patriarch
Jakob im Schlafe die Himmelsleiter ſah (ſiehe 1.
Buch Moſes 28. Kap.), und kamen endlich zum
nicht unanſehnlichen Dorfe Dſchifna oder Schis-
na, welches in einer wohlbebauten Gegend liegt,
und wo eine ganz neue katholiſche Kirche erbaut
iſt. Dort ſchlugen wir außerhalb des Dorfes unter
Zelten unſer Nachtquartier auf. Schon vor Mitter-
nacht fing es zu regnen und zu ſtürmen an, und
ſo geſchah es, daß plötzlich der Wind ein Zelt er-
faßte und dasſelbe zuſammen ſtürzte, ſo daß unter
demſelben die Bewohner desſelben begraben lagen;
doch Gottlob! ging das Ganze ohne jede körperliche
Beſchädigung ab. Aber an eine Ruhe war ſelbe
Nacht nicht mehr zu denken.
Am anderen Morgen, den 19. ging die Reiſe
wieder weiter nach der Stadt Naplus, dem ein-
ſtigen Sichem. Der Weg war abermals ſehr
56
ſchlecht, das Wetter ebenfalls nicht beſſer. Die Ge-
gend war mehr kultivirt, beſonders ſah ich ſchöne
Weitzenfelder und Feigengärten. Wir kamen zum
Jakobsbrunnen, wo die Unterredung zwiſchen
Jeſus und dem ſamaritiſchen Weibe ſtattfand. (S.
Joh. 4. Kap.) Von einer ehemaligen Kirche ſind auch
hier nur mehr die Ruinen ſichtbar. Nicht weit da-
von entfernt iſt das Grabmal des ägyptiſchen
Joſeph. (S. Buch Joſue, 24. Kap. 32. Vers)
Bis auf die Haut durchnäßt, kamen wir Abends
in Naplus an, wo wir bei einem Griechen gegen
Bezahlung Aufnahme in ſeinem Hauſe fanden. Auch
wurden ein paar Pfannen Kohlenfeuer gebracht, um
unſere Kleider zu trocknen; aber neues Mißgeſchick!
Einige von uns thaten bei dieſem Geſchäfte des
Guten zu viel und verbrannten ſo theilweiſe ihre
Kleidung. Aber auch da mußten wir Gott danken,
daß wir doch Alle geſund verblieben und des andern
Morgens größtentheils getrocknete Kleider hatten.
Die Stadt Naplus hat beiläufig 8000 Seelen,
darunter nur wenige Katholiken, und liegt am Fuße
des Berges Garizim. Hier war einſt Gott dem
Abraham erſchienen, und gab ihm die Verheißung,
daß ſeine Nachkommen dieſes Land beſitzen werden,
57
(ſiehe 1. Buch Moſes, 12. Kap.); der Patriarch
Jakob, der ägyptiſche Joſeph und Joſue waren hier
(ſiehe 1. Buch Moſes 35. und 37. Kapitel, und
Buch Joſue 24. Kapitel). Die Gegend iſt ſehr
gut bewäſſert und daher äußerſt fruchtbar. Hier ſah
ich endlich wieder einmal eine Mühle, die vom Waſſer
getrieben wurde, während alle, die ich bisher in Pa-
läſtina ſah, entweder vom Winde oder von Pferden
bewegt wurden. Die Stadt hat mehrere Moſcheen,
ſchöne Häuſer und iſt ſehr belebt.
Der 20. April brachte uns wieder ſchönes Wet-
ter und wir zogen wohlgemuth Vormittags fort nach
Sebaſte, zwei ſtarke Stunden von Naplus ent-
fernt. Der Weg dahin führt durch herrliche Ge-
treidefelder und Olivenwälder. Man ſieht auch eine
großartige Waſſerleitung in zwölf Bogen gemauert
hoch über das Thal gebaut.
Das arme, elende, aber in herrlicher Lage be-
findliche Dorf Sebaſte von beilich 60 Häuſern
und 500 Einwohnern, war einſt die berühmte Stadt
Samaria, wie noch zahlreiche Trümmerhaufen be-
zeugen. Darunter ſind auch die traurigen Ueberbleib-
ſel jener Kirche, die über dem Grabe des heil.
Johannes des Täufers geſtanden war. Sie
58
muß prachtvoll und groß geweſen ſein. Jetzt ſteht
mitten in den Mauern eine kleine Moſchee, von
wo aus man in das Grab hinabſteigt. Dasſelbe
iſt jedoch leer, da der Kaiſer Julian der Abtrünnige
die heiligen Gebeine verbrannt haben ſoll. Auch
zeigt man die Gräber der Propheten Eli-
ſäus und Abdias. Dieſe Stadt war einſt Haupt-
ſtadt des Reiches Iſrael geweſen; (ſiehe 1. Buch
der Könige 16. Kapitel 23. und 24. Vers) der
König Achab baute hier einen Tempel des Götzen
Baal (ſiehe 1. Buch der Könige 16. K. 31. Vers);
Salmanaſſar zerſtörte dieſe Stadt (ſiehe 2. Buch
der Könige, 28. Kap. 9. u. f. Verſe). Später ward
dieſe Stadt wieder aufgebaut. Hieher kam dann der
Diakon Philippus, predigte und tauſte, worauf
Petrus und Johannes von Jeruſalem kamen und
den Getauften das heil. Sakrament der Firmung
ſpendeten (ſiehe Apoſtelgeſchichte 8. Kap. 20. Vers).
Von Sebaſte ging es weiter über Berg und
Thal nach Dſchebu, wo wir bei einem Brunnen
Mittag machten, und von dort an einigen Räuber-
dörfern vorüber nach dem kleinen Städtchen Dſche-
nin (auch Ginea genannt). Am Wege dahin kamen
wir auch zu jener Ziſterne, wo der ägyp-
tiſche Joſeph von ſeinen Brüdern ver-
59
kauft wurde, (ſiehe 1. Buch Moſes, 37. Kap.
17. Vers). Nahe am Türkenfriedhofe wurden die
Zelte zum Nachtquartier aufgeſchlagen. Auch zwei
andere Karavanen hatten dort bereits ihr Lager.
Dſchenin wird als der Ort bezeichnet, wo Jeſus
die zehn Ausſätzigen heilte. (Siehe Lukas 17. Kap.)
Dieſe Nacht verlief ruhig, und geſtärkt konnten wir
am folgenden Tag unſere Reiſe fortſetzen.
Von Dſchenin weg beginnt die Ebene Es-
drelon, welche wir durchwandern mußten. (Siehe
Buch der Richter 6. Kap. 33. Vers; 1. Buch der
Könige 29. Kap.; 2. Buch der Könige 23. Kap.
29. Vers.) Hier kämpfte auch Napoleon I. mit den
Türken um den Beſitz des heil. Landes und beſiegte
ſie. Dieſe Ebene iſt 8 Stunden lang und 5 Stun-
den breit, wäre ſehr fruchtbar, wird aber ſchlecht
bebaut. Ringsum ſind hohe Berge: das Karmel-
Gebirge, der Berg Gilboa, Hermon und Tabor.
Auf dieſer Wanderung kamen wir auch zu dem
elenden Orte Jezreel, jetzt Serin genannt, wo
Achab und Jezabel den Naboth um ſeinen Wein-
berg brachten (ſiehe 3. Buch der Könige, 21. K.),
und Jezabel von den Hufen der Roſſe zertreten
wurde. (Siehe 4. Buch der Könige, 9. Kap) Von
dort kamen wir nach dem Städtchen Naim, wo
60
Jeſus den Jüngling vom Tode erweckte. (S. Luk.
7. Kap.) An dieſer Stelle nahmen wir unſer Mit-
tagsmahl ein. Ich ſah auch mehrere Bienenſtöcke,
wovon die Bienenhäuſer aus Erde am Boden auf-
gebaut waren. Dann ging die Reiſe weiter bald
hoch bergauf, auf elendem Wege, in vielen Win-
dungen, ohne alle Ausſicht, zwiſchen Geſträuch, Gras
und Felſenblöcken. Auf einmal hatten wir ein Thal
vor uns und ziemlich hoch gelegen erblickten wir in
dieſem Thale zum erſten Male: die Stadt Na-
zareth ! -
Wir alle entblößten das Haupt und verehrten
dieſen heiligen Ort, in welchem unſer Heiland auf-
gewachſen und ſeinen Eltern unterthänig und ge-
horſam geweſen war, und wo er bis zum Antritt
ſeines Lehramtes verblieb.
Es war der 21. April, zeitlich Mittag, als wir
unſern Einzug hielten und bei den PP. Franzis-
kanern unſer Quartier aufſchlugen.
Nazareth liegt gleichſam in einem Garten von
Gemüſen, ſchönen Feldern, Feigen- und Oelbäumen.
Die Stadt mit ihren 500 Häuſern iſt von Auſſen
hübſch, im Innern aber enge und ſchmutzig. Die Ein-
wohner, etwas über 3000 an der Zahl, unter denen ſich
mehr als 1000 Katholiken befinden, ſind ſehr arbeitſam.
61
Noch am nämlichen Tage unſerer Ankunft be-
ſuchten wir die Kirche, welche über jener Grotte
erbaut iſt, in welcher der Erzengel Gabriel
Maria die Bothſchaft brachte, daß ſie zur
Mutter des Erlöſers auserkoren ſei. Dieſe Kirche,
ganz nahe am Franziskanerkloſter, iſt ziemlich groß
und reich mit Bildern und Marmor verziert. Der
Hochaltar, zu Ehren des h. Erzengels Gabriel ge-
weiht, ſteht gerade über der heil. Grotte, zu welcher
eine Stiege von 15 Stufen hinabführt. Dieſe Grotte
iſt in Felſen gehauen, aber mit Marmor überklei-
det und beſteht aus drei Theilen: aus einem brei-
teren, aber ſchmalen Vorplatz, wo einſt jenes
Haus der heil. Maria geſtanden war, welches
jetzt zu Loretto in Italien verehrt wird. Gegenwär-
tig ſind dort rechts und links Seitenaltäre, der eine
zu Ehren des heil. Joſeph, der andere zu Ehren
der heil. Joachim und Anna; zwei Stufen tiefer
iſt der Ort der Verkündigung. Es ſteht dort
ein einfacher Marmoraltar mit dem Bilde der Ver-
kündigung; unterhalb iſt der Altar offen wie ein
Tiſch und befindet ſich daſelbſt eine Steinplatte mit
der lateiniſchen Inſchrift: „Hier iſt das Wort Fleiſch
geworden!“ In dieſer Altarniſche brennen fort-
während ſilberne Lampen. Dem Altar gegenüber
62
ſtehen zwei Säulen, welche an der Stelle ſich be-
finden, wo der Erzengel Gabriel die Begrüßung
ſprach. Der bereits erwähnte Altar iſt doppelt, ſo
zwar, daß auch auf der Rückſeite Meſſe geleſen
werden kann. Zu dieſer Rückſeite gelangt man rechts
durch eine kleine Thür und man kommt dann end-
lich in die innerſte Felſenkammer, von der
es nicht beſtimmt ausgemacht iſt, welchen Zweck ſie
einſt hatte. Die Einen ſagen: es war das Schlaf-
kämmerlein, die Andern behaupten: es war die
Küche der ſeligſten Jungfrau. Das Altarbild ſtellt
die Flucht nach Aegypten vor.
Man darf ſich nicht wundern, daß ſowohl hier,
als in Jeruſalem und Bethlehem die heil. Orte
ſo tief unter der Erde ſich befinden. Das
war einſt nicht ſo. Erſt durch die vielen Jahrhun-
derte ſammelte ſich dermaſſen Schutt und Erde an,
daß dieſe heiligen Orte tief verſchüttet wurden und
ſtets wieder vom Schutt befreit werden mußten. –
Auch darf es nicht befremden, daß die ſeligſte
Jungfrau in einer Felſenhöhle ſich be-
fand, denn man findet es jetzt noch häufig in
jenen Ländern, daß arme Leute ihre Hütte vor eine
natürliche Höhle hinbauen, oder ſich ſelbſt eine
Grotte beim Hauſe in den Felſen graben. Derlei
63
Grotten ſind zwar dunkel, aber trocken und kühl.
Daß an dieſer Grotte das Häuschen der ſeligſten
Jungfrau ſich befand, welches durch Engel nach
Loretto getragen wurde, habe ich bereits erwähnt.
Dieſes Heiligthum iſt ausſchließlich Eigenthum
der Katholiken. Noch nie in meinem Leben habe ich
den engliſchen Gruß mit ſolcher Rührung und In-
nigkeit gebetet, als an dieſer heiligen Stelle. O möch-
ten doch alle, denen es beim Gebetläuten nicht der
Mühe werth iſt, zu beten oder den Hut zu rücken,
an dieſe heil. Stätte kommen, fürwahr! ſie würden
die Gnade und Erbarmung unſeres Erlöſers, der
uns zu Liebe Menſch geworden iſt, um für uns zu
leiden und zu ſterben, ſie würden, ſage ich, dieſe
Gnade und Erbarmung beſſer zu ſchätzen wiſſen.
Hier iſt ja die heil. Stelle, wo der Engel Maria
die Botſchaft brachte, daß ſie die Mutter des Er-
löſers werden ſollte; hier war es, wo auf ihre
demuthsvollen Worte: „Siehe, ich bin eine Magd
des Herrn, mir geſchehe nach deinem Worte“ –
allſogleich durch die Allmacht des heil. Geiſtes die
zweite göttliche Perſon in ihrem heil. Leibe anfing,
Menſchengeſtalt anzunehmen, bis zu jenem glück-
ſeligen Augenblick, wo Jeſus Chriſtus in Bethlehem
von Seiner heil. Mutter geboren ward. Hier iſt
64
der Urſprung unſeres Heiles, ſowie der Kal-
varienberg in Jeruſalem die Vollendung des-
ſelben iſt. – Gelobt ſei Jeſus Chriſtus! Gegrüßt
ſeiſt Du, Maria! –
Wir beſuchten ferner das Haus, oder wie man
es gewöhnlich nennt, die Werkſtätte des heil.
Joſeph, welche auch nahe beim Kloſter liegt. Es
war einſt eine ſchöne, große Kirche, jetzt iſt es nur
mehr eine ärmliche Kapelle, welche aus zwei Räu-
men beſteht, deren einer als die Werkſtätte, der
andere aber als Wohnzimmer des heil. Joſeph be-
zeichnet wird. Der darin befindliche Altar, mit einem
lieblichen Bilde, welches die arbeitende heil. Familie
vorſtellt, trägt die lateiniſche Inſchrift: „Hier war
Er ihnen unterthan!“
Eine andere Kapelle in Nazareth enthält den
ſogenannten Tiſch Chriſti. Es iſt dieß ein großer
Naturfelſen von 9 Schuh Länge, 6 Schuh Breite
und 3 Schuh Höhe. Darauf ſoll Jeſus öſter, wenn
Er nach Nazareth kam, mit Seinen Jüngern Sein
einfaches Mahl genommen haben.
Wir beſahen uns auch den Marienbrunnen,
10 Minuten vor der Stadt. Es iſt dieſes eine
Quelle, die unter einem Gewölbe in einen mar-
mornen Behälter fließt, und aus welchem die heil.
65
Maria das Waſſer genommen haben ſoll. Es iſt
auch gegenwärtig der einzige öffentliche Brunnen der
Stadt Nazareth.
Noch muß ich erwähnen, daß unſer hochw. Füh-
rer, Pater Lukas, ein junger Franziskaner aus Tirol
war. Wir hatten gegenſeitig eine große Freude, uns
gleichſam als Landsleute hier zu begrüßen.
Der folgende Tag, der 22. April, war zu einem
Ausflug auf den Berg Tabor beſtimmt.
Der Tabor iſt ein ſchöner Berg, der in ſeinem
obern Theil ſehr viel Aehnlichkeit mit dem Gais-
berg bei Salzburg hat, nur mit dem Unterſchiede,
daß erſterer vom Fuße bis zum Gipfel üppig be-
wachſen iſt. Von Nazareth bis zum Fuß des Ber-
ges ſind 2, von dort bis zum Gipfel eine Stunde.
Oben genießt man eine herrliche Ausſicht. Unter
anderen merkwürdigen Punkten ſah ich auch das
galiläiſche Meer. Hier an dieſer Stelle ward Jeſus
vor Seinen Apoſteln: Petrus, Jakobus und Jo-
hannes verklärt (ſiehe Matthäus 17. Kap); und
wirklich! einen ſchöneren Platz hätte Er nicht wäh-
len können. - Der Gipfel beſteht aus einer Ebene
von beilich einer halben Stunde Umfang. Viele
Mauertrümmer von zerſtörten Kirchen und Gebäu-
den befinden ſich daſelbſt. Gegenwärtig ſteht ze
66
ein neugebautes griechiſches Kloſter ſammt Kirche.
Wir hatten von Nazareth einen Tragaltar mitge-
nommen; dieſer wurde in einer elenden, überwölb-
ten Höhle aufgeſtellt und dann von zwei Prieſtern
unſerer Karavane die heil. Meſſe geleſen.
Nachdem wir mitten unter Ruinen unſere kleine
Mahlzeit eingenommen hatten, kehrten wir auf dem-
ſelben Wege wieder nach Nazareth zurück, wo wir
Abends noch bei der Verkündigungsgrotte unſere
Andacht verrichteten.
Am folgenden Tag feierten ich und ein Geiſt-
licher aus Steyrmark unſeren Namenstag – St.
Georg, 23. April – gewiß der freudigſte meines
ganzen Lebens. Dieſe ſtille Freude ward leider etwas
getrübt durch den Abſchied von Nazareth, der für
dieſen Morgen feſtgeſetzt war. Wir ritten 6 Stun-
den weit bis Kaifa, welches mitten unter Palm-
gärten am mittelländiſchen Meere liegt, und der
Geburtsort des hohen Prieſters Kaiphas
war. Gegenwärtig zählt die Stadt 3000 Einwoh-
ner, darunter 200 Katholiken.
Es war beſtimmt, daß nächſten Montag, den
25. unſer Schiff ankommen ſollte, und ſo begaben
wir uns eine Stunde weit nach dem Kloſter am
Berge Karmel, um dieſe Nacht und den fol-
67
genden Tag (Sonntag) dort zuzubringen. Wir fan-
den bei den P. P. Karmelitern die herzlichſte Auf-
nahme. Dieſes Kloſter iſt das ſchönſte in ganz
Paläſtina, und wurde ſammt der ſchönen Kirche
erſt im Jahre 1832 ausgebaut, nachdem das frü-
here Kloſter ein türkiſcher Paſcha niederreißen ließ.
Von da aus genießt man eine unbeſchreiblich herr-
liche Ausſicht. Unter dem Hochaltar der Kirche be-
findet ſich die Grotte des Elias, mit einem
ihm geweihten Altar. Dieſe Grotte iſt 15 Schuh
lang, 12 Schuh breit und 7 Schuh hoch, und war
der Aufenthalt des Elias, als er ſich vor der Je-
zabel verbarg.
Am weſtlichen Fuße des Berges iſt eine 40
Schuh lange, 24 Schuh breite und 18 Schuh hohe
Felſengrotte, welche als die einſtige Propheten-
ſchule bezeichnet wird; auch ſieht man am Abhange
des Berges mehrere Höhlen der alten Einſiedler.
Anderthalb Stunden vom Kloſter entfernt iſt
der Eliasbrunnen, wo ein altes verfallenes
Kloſtergebäude ſich befindet.
Der Berg Karmel, auf welchem das be-
rühmte Kloſter, der Hauptſitz der Skapulier-Bru-
derſchaft ſich befindet, iſt ein 8–10 Stunden lan-
ger Gebirgszug, der gut bewachſen iſt. Auf m
-
68
Berge hat Elias die Götzenprieſter des Baal zu
Schanden gemacht (ſiehe 1. Buch der Könige, 18.
Kapitel 17. Vers). Auch Eliſäus wohnte daſelbſt.
(Siehe 2. Buch der Könige, 4. K. 25. V.)
Am Abend des 24. war vor dem Bilde Mariä
vom Berge Karmel am Hochaltare lauretaniſche
Litanei, Te Deum und Segen, woran ſowohl wir
Pilger, als auch die P. P. Karmeliter Theil nah-
men, zur ſchuldigen Dankſagung für die vollendete
Pilgerreiſe im heil. Lande.
Nach Beendigung dieſer rührenden Andacht nah-
men wir Abſchied und begaben uns den Berg hinab
nach Kaifa, um dort das für morgen früh angeſagte
Schiff zu erwarten. Wir brachten die Nacht hindurch
in einer elenden jüdiſchen Kaffeehütte zu, der Eine
auf einer Bank, der Andere am Tiſch, wieder ein
Anderer am Boden – an eine Ruhe war alſo
nicht zu denken, um ſo mehr, da es ſehr geräuſch-
voll herging.
Als nun der Morgen des 25. anbrach, warteten
wir voll Sehnſucht auf das Schiff – jedoch um-
ſonſt! Es kam nicht, und man gab uns noch dazu
den ſchlechten Troſt, daß dasſelbe auch vor dem
folgenden Abend nicht kommen werde. Es blieb
alſo nichts anderes übrig, als wieder nach dem Klo-
69
ſter Karmel zurückzukehren, wo uns die Patres mit
größter Freundlichkeit und Theilnahme wieder auf-
nahmen.
Abends gingen wir wieder hinab nach Kaifa,
übernachteten wieder in jener jüdiſchen Spelunke
und erwarteten von einem Augenblick zum andern
das Schiff. Allerdings kam dasſelbe um Mitter-
nacht – allein, o Entſetzen! es fuhr ſchnurgerade
und pfeilſchnell vorüber! (Wir erfuhren ſpäter in
Smyrna, daß dasſelbe deßwegen in Kaifa nicht
angehalten habe, weil es ohnehin bereits mit Paſſa-
gieren überfüllt war.) Man kann ſich nicht vor-
ſtellen, wie uns jetzt zu Muthe war. Troſtlos zogen
wir zum drittenmal in's Kloſter Karmel hinauf.
Endlich am 28. Nachmittags kam uns die Nach-
richt zu, daß am folgenden Morgen ein Schiff in
Kaifa ankommen werde, mit welchem wir bis Alexan-
drien fahren könnten. Mißtrauiſch begaben wir uns
ſomit am 29. früh Morgens wieder nach dem Lan-
dungsplatz in Kaifa und warteten. Gottlob, wer be-
ſchreibt unſere Freude, um 7 Uhr kam wirklich das
Dampfſchiff „Diana“ und nahm uns auf. Doch
ſollte mir noch eine Prüfung beſchieden ſein. Ich
war nämlich vorher in eine Kirche gegangen und
hatte einen meiner Kameraden gebeten, er möge
70
einſtweilen meine Reiſetaſche bewachen. Indeſſen
kam es zum Einſteigen – aber meine Taſche blieb
zurück. Doch auch da half Gott. Ein Pater ſchickte
mir ſelbe, da man den Verluſt alsbald bemerkte,
durch eine Barke mit 3 Mann nach. Das Schiff,
welches ſchon in Gang war, hielt ſtill, und ich kam
wieder in vollſtändigen Beſitz meiner theuren Sachen.
Noch am nämlichen Tage landeten wir in Jaffa,
wo wir auf unſerer Hinreiſe den Boden des heil.
Landes zuerſt betreten hatten.
Den 30. mußten wir in Jaffa verbleiben, da
der ganze Tag mit Aus- und Einladen von Waaren
und mit Aufnahme von vielen neuen Paſſagieren
auf's Schiff zugebracht wurde.
Am 1. Mai kamen wir bei herrlichem Wetter
nach Port-Said, wo wieder 36 Stunden Auf-
enthalt war, während welcher eine Menge von Kühen
ausgeladen, und Baumwolle und Gewürze eingela-
den wurden. Am 2. Mai Nachmittag verließen wir
Port-Said und landeten am 3. Morgens 7 Uhr
glücklich in Alexandrien.
Dort beſtiegen wir um 4 Uhr Nachmittags ein
anderes Schiff, Namens „Venus“, um die Reiſe
nach Smyrna fortzuſetzen.
Als Merkwürdigkeit mnß ich erwähnen, daß
71
wir in Alexandrien in einem deutſchen Gaſthaus
echtes Wiener Bier getrunken haben, wo die Halbe
blos einen Franken, d. i. 40, ſage vierzig Kreu-
zer öſtr. Whrg. Silber koſtete!
Bei ſchönſtem, windſtillem Wetter fuhren wir
nun auf dem Meere weiter und ſahen mehr als
24 Stunden nichts als Himmel und Waſſer. End-
lich zeigte ſich die Inſel Rhodus und mehrere
andere griechiſche Inſeln; die ganze Fahrt ſchien mir
aber etwas gefährlich, da rechts und links aus
dem Meere große Felſen emporragten. An der ſchön
bebauten Inſel Kos vorüber, kamen wir nach der
Inſel Pathmos. Auf einer Berghöhe liegt die
Stadt, welche jedoch theilweiſe aus Ruinen beſteht.
In einiger Höhe vom Meere befindet ſich die
Höhle, wo der hl. Johannes die geheime
Offenbarung geſchrieben hat. Aufgefallen iſt
mir auch mitten im Meere ein großer, viereckiger
Stein, welcher 30 Klafter in der Länge, Höhe und
Breite haben ſoll. Zwiſchen einer Menge von In-
ſeln fuhren wir fort nach der Inſel Chios (auch
Skio genannt), welche außerordentlich fruchtbar iſt.
Hier wächſt ſehr häufig der Maſtixbaum. In der
Gegend ſind 66 Dörfer, und am Meere liegt die
Stadt, wo unſer Schiff landete, um Waaren einzu-
72
laden. Doch dauerte dießmal der Aufenthalt nur
ein paar Stunden.
Am 6. Morgens landete unſer Schiff vor der
Stadt Smyrna. Dieſe Stadt zählt 150000 Ein-
wohner, worunter 25,000 Katholiken. Die Lage der
Stadt iſt ſehr ſchön zwiſchen Bergen, prachtvollen
Gärten und Zypreſſenhainen nebſt vielen Land-
häuſern. Die Stadt zieht ſich vom Meere den Berg
hinauf, oben iſt eine zerfallene Feſtung. Man ſieht
viele und ſchöne Auslagen; auch wird hier großer
Handel getrieben. So wurde mir erzählt, daß jähr-
lich über 200,000 Ztr. Feigen ausgeführt und
voriges Jahr 200 Schiffe damit beladen wurden.
Auch Getreide wird viel verſendet. In Smyrna
erlitt der heil. Polykarp den Martyrertod und iſt
ihm zu Ehren eine Kirche nebſt einem Franzis-
kanerkloſter erbaut. Am Hochaltar befindet ſich eine
wunderthätige Statue dieſes Heiligen. Smyrna ſteht
auch durch eine Eiſenbahn in Verbindung mit Ephe-
ſus, wo der heil. Evangeliſt Johannes Biſchof war
und die ſeligſte Jungfrau Maria längere Zeit ge-
wohnt haben ſoll. Jetzt ſind nur mehr Ruinen die-
ſer Stadt vorhanden.
In Smyrna ſchieden wieder Einige von unſerer
Reiſegeſellſchaft, welche auf unſerem bisherigen Schiffe
73
nach Konſtantinopel weiter reisten, während wir am
7. Nachmittags mit dem Dampfſchiff „Pilade“ nach
der Inſel Syra weiter fuhren. Wir kamen vorerſt
an der Inſel Tinos vorüber, welche auch ſehr
fruchtbar und mit vielen Ortſchaften beſetzt iſt.
Auch Weingärten und Getreidefelder ſah ich; das
Getreide war damals bereits reif. Ganz oben auf
einem Berge iſt eine kleine Stadt mit einem kath.
Nonnenkloſter. Die Griechen haben dort einen be-
deutenden Wallfahrtsort, nebſt großem Kloſter, St.
Maria genannt.
Den 8. Mai um 10 Uhr Vormittag fuhren
wir an der Inſel Syra und gleichnamigen Haupt-
ſtadt in den mit vielen Schiffen beſetzten Hafen ein,
und betraten nun zum erſten Male wieder euro-
päiſchen Boden. Die Stadt beſteht aus zwei Thei-
len, wovon der eine Syra, der andere Hermopolis
heißt. Syra iſt größtentheils von Katholiken bewohnt,
welche auch eine Domkirche haben; Hermopolis da-
gegen iſt mehr im Beſitze der Griechen, und hat
am Berge eine alte Feſtung. Die Stadt erſtreckt
ſich vom Meere einen Berg hinan, ſo daß man in
den Gaſſen auf lauter Stufen aufwärts ſteigt; oben
ſind jedoch elende Hütten.
Während wir nun dieſe Stadt beſichtigten, war
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inzwiſchen das Dampfſchiff „Trebiſonde“ von Kon-
.ſtantinopel angekommen, mit welchem wir gegen
6 Uhr Abends unſere Reiſe fortſetzten.
Am 9. früh zeigten ſich uns von Ferne gegen
Weſten große Gebirge und am Meere viele Segel-
ſchiffe. Um 8 Uhr hatten wir rechts das Vorge-
birge Matapan in Griechenland; es iſt dieſes
die äußerſte Südſpitze des Feſtlandes von Europa.
Die Gegend iſt fruchtbar an Bäumen, Getreide und
Wein. – Mittags hatten wir rechts die Stadt
Modin oder Modon und kamen Abends an der
Inſel Zante vorüber, auf deren höchſten Bergen
wir neugefallenen Schnee bemerkten. Weiter folgt
die Inſel Zephalonia.
Am 10. Morgens 6 Uhr ankerte unſer Schiff
an der Inſel Korfu, wo wir 5 Stunden ver-
weilten. Ich war etwas krank. Wir ſahen ſchon
reife Früchte. Auch hier verließen uns wieder zwei
Prieſter unſerer Reiſegeſellſchaft, welche von hier
aus die Reiſe nach Rom machten.
Und nun kamen wir nahe der Küſte des tür-
kiſchen Reiches vorüber endlich wieder auf öſterr.
Gebiet, an die Küſte von Dalmatien.
Am 11. Mittags fuhren wir an der Inſel
Liſſa vorüber, wo im Jahre 1866 der öſterr.
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Vize-Admiral Tegetthof die große Seeſchlacht über
die Italiener gewonnen hat. Man ſieht Feſtungs-
werke und die Stadt; in der Umgebung Weingär-
ten und Olivenwälder. Als wir an dieſer Inſel
vorüberfuhren, wurden auf unſerem Schiffe 4 Fah-
nen von verſchiedener Farbe aufgezogen, und ebenſo
auch dann auf der Feſtung. Abends war das Meer
etwas unruhig.
Endlich am 12. Mai Morgens liefen wir im
Hafen von Trieſt ein. Die ganze Pilgerkaravane,
welche Anfangs 30 Mann zählte, beſtand jetzt nur mehr
aus 7 Mann, weil, wie ich bereits erwähnte, an ver-
ſchiedenen Orten uns mehrere verlaſſen hatten. Die
Seefahrt war nun beendet. Auf den Knieen dankte
ich Gott für meine Reiſe, daß er mich durch meinen
heil. Schutzengel, wie einſt den Tobias, glücklich
hin und zurückgeführt hat.
Denſelben Abend noch fuhr ich mit der Bahn
fort nach Wien, wo ich den folgenden Nachmittag
wohlbehalten bei meinen lieben Verwandten ankam
und freudig empfangen wurde.
Noch freudenvoller aber war, beſonders für mich
ſelbſt, die Ankunft in Neumarkt den 16. Mai
Abends, wo ich von Verwandten und Bekannten,
die zu meiner Ueberraſchung ſelbſt weiter her gekom-
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men waren, völlig zerriſſen wurde und in einem
Athem alle meine zweimonatlichen Erlebniſſe hätte
erzählen ſollen. Auch der Hochwürdige Herr Pfarrer
Rußegger von Neumarkt fand ſich zu meiner Freude
ein und bewies mir die herzlichſte Theilnahme.
Wie bei meiner Abreiſe um Gottes Schutz, ſo
wurde auch bei meiner Rückkunft zur ſchuldigſten
Dankſagung vom Hochw. Herrn Benefiziat Mayr
von Sieghardſtein in der Pfarrkirche zu Neumarkt
jedesmal ein heil. Amt gehalten, welchem ich und
die meiſten meiner Verwandten beiwohnten.
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Ehe ich meine Reiſeſchilderungen beſchließe, kann
ich nicht unterlaſſen meinen innigen Dank ab-
zuſtatten dem Hochwürdigen Herrn Dechante von
Köſtendorf, meinem Seelſorger, Dr. Math. Lien-
bacher und dem Hochwürdigen Herrn Dr. Andr.
Gaßner, k.k, Theologie-Profeſſor in Salzburg,
für alle Hilfe, welche dieſe beiden Herren mir mit
Rath und That angedeihen ließen und ſo mein
Unternehmen weſentlich erleichterten und beförderten.
Möge dieſen hochwürdigen Gönnern die Verſiche-
rung genügen, daß ich bei dem Beſuche der heil.
Stätten dankbar ihrer im Gebete gedachte und noch
jetzt täglich Gott bitte, Er möge Erſteren zum
Wohle unſerer Pfarrgemeinde, Letzteren aber zum
Heile vieler junger Prieſter, und dadurch mittelbar
vieler Seelen, erhalten, ſegnen und beſchützen.
Und nun, meine lieben Kinder, Verwandte
und Freunde ! übergebe ich - dieſes Büchlein als
Andenken in euere Hände. Bewahret es als ein
Zeichen meiner Liebe, als ſchwachen Ausdruck mei-
ner Geſinnung, als ein Denkmal der väterlichen
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Sorgfalt Gottes, der mich glücklich hin- und zurück-
geführt hat. Präget die Lehren, welche ich hie und
da abſichtlich eingeflochten habe, tief in eure Herzen
ein, und verpflanzt ſie weiter in die Herzen eurer
Kinder, damit die Früchte meiner Pilgerreiſe auch
euch und euren Kindern zu Gute kommen, wenn
ich auch ſchon längſt in die Ewigkeit hinüber gegan-
gen bin. Lebet ſo, daß wir dereinſt Alle im himm-
liſchen Jeruſalem vereinigt werden, wozu mir und
euch Allen ſeine Gnade gebe der barmherzige drei-
einige Gott Vater, der Sohn und der heil. Geiſt.
Amen!
Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!
Georg Fraunſchuh.
FrWollnsteiner
kle Hof Buchbinder
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Alxervorstadt am Glacis,