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OSTERR NATIONALBIBLIOTHEK
Atlas - - -
32 A307 - -
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Wanderung nach dem Orient
im Jahre 1838.
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- -
A wanderung
nach dem Orient
imIahre1838. -
unternommen und fkizzirt
von
dem gagna: Maximilian *in Bayern.
.—
Voyager, c’est multiplier, par l‘arrivée et
le (lex-ak', par le plaiair et lea adieux, lea
inpreuiona que les &Cue-.211. d‘une vie
sédentaire ne donnent qu' ‘a de rarea inter-
vallea; c'est éprouver cent foie dann l'an-
nec' un peu de ce qu‘on éprouve dans la
vie ordinaire, i connaître, k aimer et i
perdre du Stre- jetés sur notre route par
la providence.
(mm-km...
München,
Druck und Verlag ven Georg Franz.
1839.
'-
-
Abreife von München
und
Ankunft in Triest.
Schon längst nährte ich den sehnlichsten
Wunsch, den heiligen Boden jenes Landes zu
betreten, an welches sich die ersten Erinnerungen
der Kindheit knüpfen, das die Wiege unserer
Religion, das mit Einem Worte, wenn ich mich
so ausdrücken darf, das Vaterland unters Erlö-
fers war. Doch nicht. Dies allein war es, was
mich zu dieser Reise bewog. Es trieb mich ein
11
2
unwiderstehliches Gefühl, ein nicht zu besiegendes
Drängen aus der ewigen Einförmigkeit des bis
zur Unbequemlichkeit bequemen Alltaglebens, bei
welchem man nicht mehr lebt, sondern nur vege-
tirt; denn ein Daseyn ohne Schatten und Licht
gleicht einem schaalen Gemälde, das spurlos an
der Wand eines Zimmers verbleicht. Leider gibt
es Leute, die sich kaum einen Begriff davon ma-
chen können, wie man sich zu einer ähnlichen
Wanderschaft entschließen konnte. Ich bedauere
diese ruheliebenden Geschöpfe, diese Leibeigenen
ihrer Gewohnheiten, die in der Regel das Leben
und die Menschen und deren Sitten nur aus
todten Büchern oder durch die dritte Band ken
T T T T
- - - - - - -
nen zu lernen glauben.
- - - - - - -
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Schlüßlich muß ich noch bemerken und den
geneigten Leser bitten, dieses kleine Werkchen nur
als flüchtige Skizze zu betrachten und um Alles
in der Welt nicht als ein wissenschaftliches Produkt.
Das wäre die Eitelkeit von meiner Seite zu weit
getrieben, ja, das wäre mehr als eitel, das wäre
förmlicher Uebermuth. Ich wollte blos das was
ich gesehen, erlebt und empfunden, zu Papiere
bringen. Alles andere gehört den Gelehrten an,
und ihnen mich anreihen oder in’s Handwerk pfu-
fchen zu wollen, steht mir nicht zu und fiel mir
auch nicht ein. Dies sei nur im Vorbeigehen
gesagt, damit ich mich gleich im Voraus den schar-
fen Pfeilen der Kritiker entziehe, welche nur al-
zubereit sind, namentlich einen Mann meines
Standes, in den Schmutz herabzuziehen und von
der eigentlichen Sache aus böswilligen Gründen
auf die Person abzuspringen.
In meiner Begleitung befanden sich die bei-
den Barone von Busek, der Hauptmann des k.
1.
H
b. Leibregimentes Theodor Hügler, mein Hofka-
valier von Heusler, mein Arzt Doktor Baier,
mein Kabinetsmaler Heinrich von Mayr, der eine
Auswahl der auf der Reise gesammelten Zeich-
nungen gegenwärtig herausgibt und mein Kam-
mervirtuose Petzmaier, der mir durch sein gelun-
genes, seelenvolles Spiel die langen Stunden
der Quarantaine verkürzte. Wohl fiel mir der
Abschied vom Hause schwer, allein von glühen-
der Ungeduld überwältigt, konnte ich kaum den
Augenblick erwarten, der meinem begeisterten Auge
die Schönheiten und erhabenen Erinnerungen je-
ner Länder vorführen würde. Eine neue Welt
lächelte mir entgegen. Ich sollte etwas ganz
Neues kennen lernen. Wohl hatte ich schon frü-
her zweimal Frankreich, ferner England und
Belgien bereist, hatte dreimal die göttliche Schweiz,
Italien und Sicilien besucht und den größten
Theil meines deutschen Vaterlandes gesehen; doch
überall fand ich das zu Hause in weniger Ab-
änderung. Diesmal sollten mich Egyptens glü-
hende Winde anhauchen, sollte es mir vergönnt
werden, am Fuße der Pyramiden den Ueber-
muth der menschlichen Unternehmungskraft anzu-
staunen und am heiligen Grabe des Heilands die
göttliche Gnade des Schöpfers der Welten anzu-
beten. Ich sollte den alten klassischen Boden
Griechenlands betreten, an dessen moralischer
und politischer Wiedergeburt mein erhabener Kö-
nig und Schwager den thätigten Antheil nahm
und selbst den eigenen Sohn Otto dahin berief,
damit Er es fey, der die erhabene Aufgabe
löse, ein Jahrhunderte lang unglückliches - Volk
den Reihen freier Bürger wieder einzuverleiben.
Möge aber hingegen auch das Volk seines Kö-
niges edles Streben würdigen!
Bevor ich jedoch dem Publikum diese Skiz-
zen überreiche, drängt es mich, nochmals öffent-
lich meinem Könige für die gnädige Genehmigung
zu dieser Reise. Dank zu sagen. Bevor er mir
sie mündlich aussprach, zweifelte ich dem ungeach-
-
tet nicht an. Seiner Zustimmung; denn Er liebt
und ehrt es, Er, der selbst fo viel Sinn für
Erhabenes und Schönes besitzt, wenn auch An-
dere nach Belehrung und Erfahrungen trachten.
Der zwanzigste Januar war gekommen. Mor-
gens um 9 Uhr schied ich aus den Armen mei-
ner Familie, begleitet von den Segenswünschen
zahlreich versammelter Freunde. Wir hatten durch
einen glücklichen Zufall in München zwei österrei-
chische Eilwägen erhalten, die ohnehin nach ihrem
Bestimmungsorte Triest zurückgebracht hätten wer-
den müssen. Ich setzte mich in das Kabriolet
des Ersten, ungeachtet der strengen Kälte, welche
in diesem Winter ungewöhnlich heftig und anhal-
tend war; denn ich kenne für mich nichts. Lästige-
res als einen geschloffenen Wagen.
Schnee und Frost nahmen immer zu, je mehr
wir uns dem Gebirge näherten, doch war die
Straße hart gefroren, so daß wir rasch vom Flecke
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kamen. Es war schon ganz dunkel, als wir am
Fuße des steilen und langen Keffelberges nächst
dem Kochelsee anlangten. Im Dorfe Kochel hatten
wir Vorspann nehmen müffen; besonders erfor-
derte der schwer beladene bayerische Packwagen
eine große Anzahl von Pferden. Wir brauchten
eine geraume Zeit, bis wir die Spitze des Ber-
ges erreicht hatten. Es hatte etwas Schauerli-
ches, diese himmelhohen Felsenmaffen der Bene-
dikten-Wand, die sich in der spärlichen Schneehelle
dem Auge noch gigantischer darboten, diese dich-
ten, mit Schnee beladenen Tannen - Wälder, die
sich traurig über unseren Häuptern erhoben und
zwischen denen der eisige Nachtwind uns unheim-
lich und schneidend anblies. Es war, als befän-
den wir uns in einer weiten Felsengruft, dem
Begräbnißorte der todten Natur, die hier in ih-
rem weißen Leichentuche lag. Dazwischen heulte
der gefrorne Schnee unter dem Drucke unserer
Räder, ähnlich dem Gestöhne winselnder Men-
fchen. Ich war froh, als wir nach Mitternacht
Mittenwald erreichten, wofelbst uns die Post als
Nachtquartier erwartete. Am andern Morgen
fetzten wir die Reise, fort, nachdem wir das
Frühstück eingenommen, das in einem fogenann-
ken Kaffee bestand. Ich konnte es nicht über's
Herz bringen, diese Entwürdigung des göttlichen
Mokkasaftes zu schlürfen und stellte einen Versuch
mit der Chokolade an; aber ich gerieth vom Re-
gen in die Traufe. Im Uebrigen waren wir zu-
frieden und ich kann mit gutem Gewissen jeder-
mann dieses Gasthaus empfehlen, nur hüte man
sich vor Kaffee und Chokolade.
Die Kälte war ärger als am ersten Tage.
Der scharfe Schneewind blies schneidend durch
das Gebirgsthal, an dessen einer Seite die
Scharnitz liegt. Nach kurzem Aufenthalt am
österreichischen Grenzhause rollten wir rasch dahin
gegen Seefeld. Der Berg davor hielt uns wie-
der ein wenig zurück. Von Seefeld bis an
den Zirl-Berg ging es jedoch flüchtig weg, wie
denn überhaupt die tyroler Postillone schnell und
äußerst sicher fahren. Mittags langten wir in
Inspruck an und stiegen in dem mir wohlbekann-
ten, vortrefflichen Gasthaus zur Sonne ab. In-
deß wir zu Mittag speisten, wurde die Bagage
vom bayerischen auf einen österreichischen Packwa-
gen umgeladen, defen unsanfte Bewegung meh-
rere unserer Kleidungsstücke beschädigte, wie
wir später in Triest uns überzeugten. Der Wa-
gen ruhte nämlich rein auf der Achse. Von In-
spruck fuhren wir noch bis Sterzing, was schon
hinter dem Brenner liegt. Auch diesen ewig lan-
gen Berg passierten wir bei schon eingebrochener
Nacht. Ich erinnere mich lange nicht, dergestalt
gefroren zu haben wie in dieser Nacht. Im Gast-
hause zur Krone glaubten sie, wir würden nicht
mehr anlangen, es war daher. Alles zur Ruhe
gegangen. Mit vieler Mühe brachten wir die
Inwohner des Hauses zum Leben. Die halbe
Nacht verstrich, bis das Nachteffen bereitet war
und in den ungeheizten Zimmern glaubten wir
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erstarren zu müffen, obgleich wir in Pelzen und
Mänteln umherfliegen.
Am 22. in aller Frühe brachen wir auf
Vor Brixen passierten wir an einem Fort, das
Kläusel genannt, an welchem trotz der ungünstigen
Jahreszeit emfig gearbeitet wurde. Es sind meh-
rere Tausende von Soldaten beim Baue beschäftigt.
Die schon vollendeten Werke sind schön und zweck-
mäßig. Von Brixen führte uns der Weg über
Bozen nach Trient, wo wir Abends anlangten
und in der vortrefflichen goldnen Rose übernach-
teten. Ich fand zu meinem Leidwesen, daß Kälte
und Schnee eher zunahmen. Meine Hoffnung,
im Rücken des Brenners mildere Temperatur
zu treffen, war vereitelt worden.
Den 23. schieden wir von Trient, passierten
Roveredo, wo wir in eine höchst drollige, mas-
kirte Schlittenparthie geriethen und verfolgten die
Straße gegen Verona. Der enge Weg führt
11
größtentheils zwischen dem Gemäuer der Wein-
berge hindurch, was das Ausweichen, zumal im
Winter, sehr erschwert. Unser Wagen flog mehr-
mals gegen die Wände, so daß die Laternen ganz
zerquetscht wurden. Bisweilen fährt man eine gute
Strecke dicht an der Etsch vorüber. Gegen Abend
erreichten wir Verona und stiegen im Hotel du
grand Paris, das ich schon von früher her
kannte, ab. Die Bedienung war trefflich,
nur mit dem Kamine meines Zimmers hatte ich
einen harten Kampf zu bestehen, denn so oft
ich das Feuer nachschürte, trieb mich der Rauch
aus der Stube. Es ist dies eine Unannehmlich-
keit, die mich schon früher in Italien verfolgte.
Sie sind eben nicht für den strengen Winter, als
etwas Ungewöhnliches, eingerichtet und nament-
lich nicht gegen eine Kälte wie in diesem Jahre;
denn schon seit Langem erinnerte man sich keines
solchen Schnees. Auch reinigen sie ihre Kamine
felten oder bedienen sich grünen Holzes zum hei-
zen. Am 24. Morgens verließen wir Verona,
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paffierten Vicenza, mit feiner im Sommer herrli-
chen Umgebung, und langten Abends über Pa-
dua in Mestre an, wo abgeladen wurde und wir
auf dem Postschiffe noch nach Venedig hinüber
fuhren, wo wir, trotz der argen Dunkelheit, nach
kleinen zwei Stunden im Albergo reale, nächst
dem Hafen, neben der Piazetta, ausstiegen. Ich
freute mich, zum Zweitenmale diese einst so präch-
tige, mächtige Stadt betreten zu können, dies
Bild einstiger, jetzt leider verfallener Größe und
Pracht.
Meine Zimmer waren fehr geräumig und
hoch; die Decke zierte eine nicht üble Fresko-
Malerei und mehrere Wappen befanden sich in
den Ecken, so daß es mir ein ehemaliger Palast
gewesen zu feyn schien. Von meinem Fenster
übersah ich den größten Theil des Hafens mit
feinen vielen Masten und das rege Treiben am
Gestade, und bis in die späte Nacht ertönte das
Geschrei der Verkäufer, das Gefume der Dreh-
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orgeln und das Gekreische eines Marionettenspie-
lers, der sich gewöhnlich unter meine Fenster
postierte. Am Abende meiner Ankunft und den
Folgenden besuchte ich das neu erbaute Theater,
la Fenice genannt, ein prächtiges Gebäude.
Der Saal, von weißer Farbe mit geschmackvoller
Vergoldung, dazwischen zierliche gemalte Figür-
chen, hat fünf Reihen Logen. Ein schöner Lustre
erhellet den Saal, so daß man jede Person in
den Logen deutlich erkennen kann, ein Vorzug,
deffen sich unsere meisten deutschen Theater nicht
rühmen können. Ein Jahr zuvor war dies Thea-
ter ein Raub der Flammen geworden. Eine
Stunde nach der Vorstellung brach das Feuer an
allen vier Ecken zugleich aus, so daß man ver-
muthet, es sei absichtlich gelegt worden. Ich sah
zwei Opern, die Puritaner mit Bellinis göttli-
cher Musik und Rosmunda in Ravenna mit
Musik von Giuseppe Lillo, welche zwar einige
schöne Nummern zählt, mich im Ganzen jedoch
nicht so recht ansprechen wollte. In den Puri-
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tanern entzückte mich die Primadonna Eugenia
Tadolini. Ihre Stimme ist klangvoll, ihre
Methode ausgezeichnet und ihr Spiel feurig und
seelenvoll. Ausgezeichnet war der Tenor Napo-
leone Moriani. Seine Stimme ist himmlisch.
Der Bassist Domenico Raffaeli ließ nichts zu
wünschen übrig. Die Rosmunda sang die Ung-
her, eine geborne Deutsche, die ich früher schon
in Rom im Theater Valle und in Padua gehört.
Ihre Stimme hatte. Etwas nachgelaffen; sie war
zwar kurz vorher von einer schweren Krankheit ge-
nefen. Das Ballet war die Sylphide, geord-
net von Antonio Cortesi. Die unvergleichliche
Brugnoli-Samengo gab die Titelrolle. Obschon
in Jahren vorgerückt, entzückte sie durch die
Leichtigkeit ihres Tanzes und die Grazie ihrer
Bewegungen. Ihr zarter Fuß schien kaum den
Boden zu berühren und der glühende Blick des
Auges erhöhte das Interesse ihres bezaubernden
Spiels. Der erste Tänzer Mattis Domenico
tanzte ebenfalls sehr gut. Die Dekorationen
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waren prächtig, so wie auch die Kostüme. Das
Orchester war stark besetzt und feine Stimmung
von erstaunlicher Höhe. Es gehörten so kräftige
und klangvolle südliche Stimmen dazu, um ihr
gleich zu kommen und die Maffe von Instrumen-
ten zu übertönen. Das große Flugwerk am
Schluffe des Ballets gereichte dem Maschinisten
Ferrotti zur Ehre; denn in einem Augenblicke
schwebte das sämmtliche Tanz-Personal in den
Lüften, eine wirklich zauberisch-schöne Gruppe.
Das Theater endete nach Mitternacht. Auch die
Kunstreiter-Gesellschaft des Guerra besuchte ich,
welche ihre Vorstellungen im Theater Malibran
gab. Sie war gut und ich fand die eleganter als
früher ausgestattet. Brand, Bastien, Fillipuzzi
sind berühmte Namen darunter. Das Manöver
von acht Damen ausgeführt, überraschte mich be-
sonders. Leider konnte ich nicht lange verweilen,
weil ich mich um zehn Uhr Abends auf dem
Dampfboot nach Triest einschiffte. Von Merk-
würdigkeiten besah ich das Arsenal. Es ist ein
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treffliches Miniatur-Gemälde von Jenem in Ports-
mouth. Ich gestehe, daß die innere Einrichtung
meine Erwartungen bei Weitem übertraf. Die
Räume sind groß und es herrscht in Allem die
größte Ordnung und Zweckmäßigkeit. Es hat
diese Anstalt zudem das Gute, sehr viele Men-
fchen zu beschäftigen. Ich sah noch niemals so
viele Italiener auf Einmal in der Arbeit begrif-
fen. Man findet im obern Saale des Arsenals
noch sehr viele historische Ueberreste, als türki-
sche Fahnen, Feuergewehre 2c. Die Modelle
der Schiffe sind trefflich gearbeitet. Einen trau-
rigen Anblick gewährten mir die Galeeren-Scla-
wen. Es sollen ihrer mehrere Hunderte sein.
Viele sind zusammengekettet. In der Akademie
besichtigte ich das weltberühmte große Gemälde
Tizian's, die Himmelfahrt der Maria. Ich
konnte mich lange nicht von diesem göttlichen
Meisterwerke trennen. Die Sammlung ist nicht
sehr zahlreich, aber ausgezeichnet; nur schade,
daß mehrere Gemälde durch die Feuchtigkeit der
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Wände litten. In den Nebenräumen finden sich
die Statuen und Bronzen. Canovas Hand be-
findet sich in einer Urne, die in der Mauer an-
gebracht ist, darunter ein Griffel, mit welchem
er gearbeitet. Ein schönes Basrelief von Por-
phyr, den kleinen Johannes darstellend, fiel mir
A besonders auf. Auch die alten Handzeichnungen
interessierten mich sehr. Ich fand deren von Ra-
phael und Karrikaturen von der Hand Leonardo's
da Vinci, eben dieselben, weßwegen er in's Ge-
fängniß geworfen wurde.
Mir däuchte Venedig diesmal lebendiger als
früher, was daher kommen mochte, weil ich direkt
aus dem ruhigen Deutschland kam und keine an-
dere große Stadt Italiens berührt hatte. In
den engen Straßen um den Markus-Platz herum,
am Rialto und dem Hafen herrschte das regte
Treiben. Ich konnte mich bisweilen nur müh-
fam durchwinden und gelangte in Gäßchen, wo
man zu Zweien neben einander nicht hätte fort-
2
1)
kommen können. Dieses eigentliche Straßenleben
bietet für den Fremden, namentlich für den Deut-
schen, einen eigenen Anblick dar. Mich stimmt
es jedesmal heiter, indeß die Abgestorbenheit un-
ferer meisten deutschen Städte mich traurig oder
mißmuthig stimmt. Ich hatte die Ehre, den Gou-
verneur Grafen von Spauer bei mir zu sehen,
obgleich ich im strengsten Incognito mich befand,
d. h. befinden wollte, indem unsere Kleider ein-
gepackt blieben, da man von Stunde zu Stunde
der Abfahrt des Dampfbootes gewärtig sein muß-
te, so bald das ungünstige Wetter sich ändern
würde. Es ist ein äußerst verdienstvoller, ge-
müehlicher Mann; er ist im Umgang mehr als
blos artig, er ist herzlich und einnehmend. Man
wird mit Einem Worte bald heimisch in seiner
Rähe. Ueberhaupt findet man nicht leicht ein
zweites Land, wie Oesterreich, das sich durch die
Zuvorkommenheit sowohl seiner Civil- als Mili-
tär - Beamten, gleich rühmlich auszeichnet.
- Den 26. Januar. Abends 10 Uhr steuerten
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wir auf dem schönen Dampfboot, dem Erzherzoge
Franz Karl, aus dem Hafen von Venedig. Dich-
ter Nebel lag über dem ruhigen Meere. Die
erste Stunde wurde mit äußerster Vorsicht gefah-
ren. Ein kleines Boot mit einer Laterne versehen,
zeigte uns den Weg an, um zu verhüten, daß
wir auf Eine der vielen Sandbänke aufführen.
Diese im Rücken, ging die Fahrt rasch von dan-
nen. Eine Stunde weilte ich noch auf dem Ver-
deck, dann begab ich mich in die Kajüte und streckte
mich auf das Sopha in derselben. Am Morgen,
es war gegen 8 Uhr, weckte mich der Ruf, daß
wir Triest ganz nahe seien. Ich eilte auf's Ver-
deck und gewahrte mit Freuden den schönen An-
blick der freundlichen Stadt, die sich amphitheatra-
lisch an dem Berge hinaufschlängelt, von welchem
aus sie das Kastell beherrscht. Ich begab mich
in das Albergo grande auf dem Marktplatz,
nächst dem Hafen, das ich schon einmal bewohnt
hatte. Triest bietet im Ganzen wenig Merkwür-
diges dar. Es ist eine Stadt, die eigentlich noch
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20
im Entstehen ist, die in Zeit von vielleicht fünfzig
Jahren mit zu einer der Größten gezählt werden
dürfte. Dieses bunte Durcheinander am Hafen,
dieses rege Treiben der verschiedensten Nationen
und Trachten in den Straßen gewährt einen an-
genehmen Anblick. Der neuere Theil der Stadt
ist sehr regelmäßig; man findet schöne Gebäude,
der ältere, der sich mehr an den Berg anlehnt,
ist schmutzig und winkelicht. Mit jedem Jahre
erheben sich neue Gebäude. Man war eben mit
Vollendung des neuen Spitals beschäftigt, ein
ungeheures Gebäude, welches die Stadt auf ei-
gene Kosten erbauen läßt. Die schönste Aussicht
genießt man von der Spitze des Berges aus,
auf dem sich das Kastell erhebt. Bei heiterem
Wetter soll man mit freiem Auge die Alpen ent-
decken. Leider war es trübe und regnerisch, wie
alle Tage während meines sechstägigen Aufenthal-
tes. Von Gebäuden sind die Börse, das Thea-
ter und einige Kirchen bemerkenswerth. In der
griechischen Kirche, zunächst des Hafens, fand ich
21
hübsche Gemälde am Altare angebracht. Das In-
nere des Theaters ist sehr schön. Der Saal zählt
sechs Reihen Logen, ist jedoch spärlich erhellt.
Die Bühne ist nicht so groß wie jene von Fenige.
Die Truppe, den Buffo ausgenommen, war mit-
telmäßig. Das Orchester war besser als das in
Venedig, auch die Chöre wurden mit weit mehr
Präzision ausgeführt, was um so mehr zu be-
wundern ist, da die Meisten ehrliche Ankerschmiede
sind, die nur während des Karnevals der Kunst
obliegen. Auch eine Art von Maskenball wurde in
einem großen Nebensaale des Theaters gegeben,
dem ich eine Stunde lang beiwohnte. Die Ge-
fellschaft war etwas gemischt, übrigens höchst in
teressant für einen Naturfreund. Das weibliche
Geschlecht ist schöner als in Venedig, wo man
auffallend wenig hübsche Gesichter sieht. Nament-
lich im Bereich der dienenden Klaffe und unter
den Landmädchen findet man wahrhaft schöne Phy-
fiognomien, ein Gemisch von deutschem und ita-
lienischem Gepräge. Die Männer unter dem Land-
22
volk zeichnen sich mehr durch ihr originelles Ko-
stüme als durch Schönheit aus. Mit ihren meist
langen Haaren, weiten Beinkleidern und entsetz-
lich breiten Hüten erinnern sie an die siebenbür-
gischen Mausfallenhändler. Am eigenthümlichsten
sind die sogenannten Servolaner gekleidet. Am
Tage vor meiner Abreise besah ich das noch nicht
ganz vollendete Dampfschiff, den Stambul, wel-
ches die Gesellschaft der Donauschifffahrt erbauen
hat laffen. Ich habe nicht leicht etwas Elegante-
res in dieser Art gesehen. Luxus und Bequem-
lichkeit reichen sich hier die Hände. Man ver-
gißt, wenn man sich in den untern Räumen be-
findet, daß man auf einem Schiffe weilt. Es
ist eines der Größten, was bis jetzt erbaut
worden und die Maschine besitzt die Kraft von
mehr als 160 Pferden. Für die kleinste Kleinig-
keit ist Sorge getragen, ja selbst für einen kleinen
Harem, im Falle Türken sich am Bord befänden.
Außer der größern Küche befinden sich noch kleine
Kaffee-Küchen neben dem Verdecke, ja sogar für
23
ein eigenes Rauchkabinet, im Falle schlechten Wet-
ters, ist gesorgt. In vier Wochen sollte es seine
erste Fahrt nach der Levante unternehmen.
Ich machte unter andern dahier die inter-
effante Bekanntschaft des schwedischen Gelehrten
und Reisenden Hedenborg, der sich schon seit
zwölf Jahren im Orient aufhält, um naturhisto-
rische Forschungen anzustellen. Er wollte sich nach
Hause begeben, kam aber nur bis nach Wien,
wo ihn seine zerrüttete Gesundheit, Folge des
nicht mehr gewohnten kälteren Klimas, wieder
zurückkehren hieß. Er machte die Reise auf dem
nämlichen Dampfschiffe Kolowrat. Ich verdankte
seiner Güte manchen belehrenden Aufschluß, der
mir vom größten Nutzen war. Er war bis tief
in's Innere von Afrika gedrungen, bis nach dem
zehnten Grade, in das Land Sennar.
Vor meiner Abreise hatte ich noch die Eh-
re, den Gouverneur von Weingarten bei mir zu
24
fehen, ein sehr artiger und zuvorkommender Mann.
Auch der bayerische Consul, Herr Schnell-Griot
und der griechische von Hennigstein kamen mir
mit größter Aufmerksamkeit entgegen, so wie eben-
falls der Direktor der Dampfschifffahrt der Lloyd-
Gesellschaft, Herr von Bruck.
II.
Abfahrt von Trieft
und
Ankunft in Alexandrien.
Es war den 1. Februar um 5 Uhr Abends,
als wir bei dem unfreundlichsten Wetter und
ungünstigsten Winde auf dem Dampfschiffe Gra-
fen Kolowrat aus dem Hafen von Triest fegelten.
Mit einbrechender Nacht nahm auch der Wind
an Heftigkeit zu, so daß er die tobenden Wellen
bis auf das Verdeck peitschte und wir uns beim
Nachteffen am Tische festhalten mußten, um nicht
- 26
fammt dem Stuhle zu Boden geworfen zu wer-
den. Selbst in meinem Bette hatte ich Mühe
mich zu erhalten, doch enthob mich mein guter
Schlaf bald dem nicht mehr fernen Uebel-Befin-
den. Am frühen Morgen jedoch weckte mich
ein heftiger Schlag. Ich fah empor und be-
merkte, daß es die Lampe von der Decke herab-
geschleudert hatte, fo heftig war die Bewegung
des Schiffes. Das befürchtete Unwohlseyn stellte
sich leider bald ein. Auch meine Begleitung be-
fand sich in einer höchst kläglichen Stimmung
und lag bleich und jammernd neben mir in der
Kajüte. Der Regen währte noch immer fort,
der Wind war uns noch immer entgegen. Statt
in Ankoma, wie es hätte feyn sollen, am Mor-
gen anzulangen, liefen wir erst am Abend des
2. Februars um 4 Uhr im dortigen Hafen ein.
Ebenso wenig als in Triest, durfte die Mann-
fchaft unsers Schiffes, das Land betreten. "Ich
hatte Ankona im Angesicht, wenige hundert
Schritte vom Ufer entfernt und durfte es den-
27
noch nicht betreten. Das Schiff hatte nämlich
noch zwei Tage Quarantäne zu überstehen; erst
in Korfu sollten wir zum Erstenmale wieder die
feste Erde -betreten. Ankona hat eine hübsche
Lage. Die Stadt breitet sich amphitheatralisch
an einer Bergkette aus, und, trägt mit ihren
vielen Thürmen und Kuppeln ganz das Gepräge
einer füditalienischen Stadt. Oben auf dem
Berge, vom Meere aus rechts befindet sich die
Citadelle, worin sich die Franzosen aufhalten,
nachdem sie sich durch ihre glorreiche Eroberung
vor einigen Jahren fo rühmlich ausgezeichnet. Das
Gebirge ist etwas kahl, im Charakter der Apenni-
nen, jedoch für das Auge nicht unschön. Der
päbstliche Legat hatte die Aufmerksamkeit, mir
den Hafenkapitän an das Schiff zu senden, um
sich nach meinen Wünschen zu erkundigen. Ich
ließ ihm meinen Dank abstatten und hatte nur
einen Wunsch, nämlich fo bald als möglich wei-
ter zu kommen, was ich jedoch für mich behielt.
Der baldigen Erfüllung dieses meines Wunsches
23
war die langwierige Steinkohlen-Aufladung für
unsere Weiterreise hinderlich. Erst am 3. Mit-
tags verließen wir den Hafen von Ankona. Das
Wetter blieb noch immer gleich regnerisch und
neblich; die See ging hoch, doch befanden wir
uns insgesammt um Vieles wohler. Den 4.
gegen Abend fing die Witterung an, sich zu
beffern. Wir bemerkten in einiger Entfernung
Inseln, darunter Liffa, Pommo und St. Andrea,
welche noch zum österreichischen Gebiete gehören.
Später trat der Mond aus den Wolken und
blies ein frischer Wind. Am 5. als ich aufs
Verdeck trat, strahlte mir endlich Einmal wieder
die Sonne entgegen, sich glanzvoll aus dem
blaulichten Meere erhebend, über das ein ziem-
lich kühler Morgenwind hinwehte und seine
Wellen kräuselte. Es gibt nicht leicht etwas
Feierlicheres als einen Sonnen-Aufgang zur See.
Man fühlt sich unwillkührlich frömmer und er-
habener gestimmt, ja felbst auf den ganzen Kör-
per bringt es eine stärkende und erfrischende
29
Wirkung hervor. Am Abende fuhren wir ent-
lang der albanesischen Gebirge, die schon zur
Türkei gehören und von bedeutender Höhe sind.
Bei einbrechender Nacht befanden wir uns am
Eingange des sogenannten Kanals, wo selbst das
Meer, durch die Berge vom Winde geschützt,
völlig ruhig dahin gleitete, so daß ich ganz ver-
gaß, mich auf dem Meere zu befinden. Ich
dankte Gott, diesem peinlichen Schwanken für
einige Zeit enthoben zu seyn, welches den Ma-
gen und Kopf immer mehr oder weniger ein-
nimmt. Man befindet sich in einem Zustand
immerwährenden Mißbehagens und Schwindels.
Am 6. um 4 Uhr Morgens warfen wir im
Angesicht Korfu's Anker. Mit Ungeduld harrte
ich des Tages, um das Land betreten zu können.
Der Mond war untergegangen, die Laterne des
Leuchtthurms nur warf ihren Strahl in die
dunkle Nacht, dem irrenden Schiffer ein treues
Leitgestirn. Endlich tagte der 6. Februar und
im schönsten Morgenlicht winkte uns das freund-
30
liche, himmlische Korfu entgegen mit feinen eigen-
thümlichen Felsenspitzen und malerischen Um-
gebungen.
Es war 9 Uhr Morgens, als ich mich in
einer Barke an's Land schiffen ließ, im Herzen
froh, den festen Boden wieder zu betreten. Nicht
leicht hat eine Gegend einen solch' entzückenden
Eindruck auf mich hervorgebracht, als diese.
Korfu gegenüber liegt die kleine Insel Vido
mit ihrem gelblichten Boden, der einen Vorge-
schmack der orientalischen Erde gibt. Die darauf
befindlichen Befestigungen sind außerordentlich.
Auf der einen Seite die Kanonen Korfu's; auf
der andern Jene Vido's wäre es kein Leichtes,
den schmalen Meeres-Kanal zu passieren. Das
Innere der Stadt hat für den Reisenden etwas
Fremdartiges. Die Häuser sind meist klein und
nieder, ausgenommen das Palais des englischen
Gouverneurs und einige öffentliche Gebäude.
Man findet dort schon den ersten Bazar mit
II
feinen Buden aller Art und offnen Handwerks-
Stätten, worin sich die Menge in den buntesten
griechischen Trachten umher treibt. Die Straßen
find eng und nur mühsam drängt man sich durch
die Menge. Bei jedem Schritte stößt man auf
beladene Saumpferde oder Esel, mit Gemüsen
oder Citronen und Orangen beladen, die einen
höchst aromatischen Duft verbreiten, während
aus den Fenstern der Häuser der Dampf des
wohlriechenden griechischen Tabaks hervor qualmt.
Es war mein Erstes, das Grab des unvergeß-
lichen Kapo d’Istria aufzusuchen. Es befindet
sich in dem griechischen Kloster unweit der Stadt
und ist fehr einfach. Ich kann nicht läugnen,
daß mich beim Anblick dieser Stätte ein höchst
wehmüthiges, ja sogar ein bitteres Gefühl, ergriff
Dieser Mann, der für fein Vaterland alles ge-
opfert, der Tag und Nacht für das Wohl seiner
Mitbrüder bedacht gewesen, ihm ward dafür
ein solcher Lohn zu Theil! – Doch solches ist
in der Regel der Welt Lohn. Ich fand hier
32
im Großen was ich in meinem beschränkteren
Wirkungskreise schon unzählige male empfunden.
Doch immer beffer ist's Undank zu erdulden,
als selbst dieses größte der Laster zu begehen.
Von hier aus nach der Stadt zurück ge-
kehrt, wohnte ich der Wachtparade des englischen
Militärs bei, dessen Uniformierung mir theilweise
höchst mißfiel. Diese rothen Röcke mit unförm-
lich hohen hellgrünen Krägen und geschmacklosen
Tschakkos sehen abscheulich aus. Dazu ist ihr
Schnitt häßlich und altmodisch. Am besten klei-
den die dunkeln Uniformen der Scharfschützen.
Die Musikbande spielte fürchterlich. Ich erinnere
mich auffer den französischen Musiken nicht leicht
eine schlechtere gehört zu haben. Indeß die
Truppe aufgestellt blieb, mußte die unglückselige
Musik unaufhörlich auf- und abmarschieren. Die
Kaserne, welche ich in Begleitung einiger Offiziere
besuchte, ließ in Hinsicht der wahrhaft eleganten
Einrichtung und Reinlichkeit nichts zu wünschen
33
übrig. Die Kost der Soldaten ist mehr als blos
nahrhaft allein. Der Tisch der Unteroffiziere
war zierlich gedeckt und mit großen Wein-Karaf-
fen besetzt. Das Speisezimmer der Offiziere ist
geschmackvoll eingerichtet. Sie ließen Wein brin-
gen und ich mußte nach englischer Sitte mit
ihnen trinken. Ueberhaupt findet man unter
ihnen im Allgemeinen sehr artige, herzliche Leute,
ganz verschieden von ihren Landsleuten. Der
Ton unter den englischen Offizieren ist mehr
kameradschaftlich als unter den Personen vom
Civil; denn um bei diesen schnell Zutritt zu
erlangen, bedarf es stets eines ansehnlichen Ver-
mögens-Besitzes oder eines Empfehlungs-Schrei-
bens. Es war Ein Uhr als ich auf das Schiff
zurückkehrte und um 3 Uhr Nachmittags steuer-
ten wir von dannen. Ich blieb bis in die späte
Nacht auf dem Verdeck, welche das schönste
Mondlicht erhellte. Am 7. Februar näherten
wir uns allmälig Patras. Die Ansicht der
Gebirge wird von Stunde zu Stunde reizender
3
34
und mit jedem Schritte bieten die Gegenstände
mehr der historischen und poetischen Erinnerun-
gen alter und neuer Zeit. Unsere Fahrt führte
uns an den Inseln Ithaka, Kephalonia und
Zante vorüber. Auch wies man mir die beiden
Felsen-Inseln, Scroffa genannt. Rechts seit-
wärts entdeckte ich Morea. Zur Linken breitete
sich die Gebirgskette von Akarnanien aus, am
Fuße derselben, nächst am Meere, Miffolonghi.
Die Gipfel der Berge bedeckte Schnee, was
vom blauen Himmel eigenthümlich und grell
absticht, jedoch einen höchst malerischen Effekt
hervor bringt. Nachdem wir am Eingange des
korinthischen Meerbusens, an Lepanto und den
beiden sogenannten kleinen Dardanellen, zweien
festen Schlöffern, vorüber gesegelt, warfen wir
bald darauf bei Patras Anker, woselbst ich mich
um halb 1 Uhr Nachmittags an"s feste Land
begab und in der Lokanda zum goldnen Löwen
mein Absteigquartier nahm, die zunächst am
Hafen gelegen ist. Im Momente des Aus-
35
steigens aus der Barke kamen zufällig zwei
griechische Offiziere des Weges. Wir sprachen
sie an und ich lernte in ihnen den Major Hahn,
einen gebornen Schweizer aus Bern, früher
Philhellenen, und den Ingenieur-Oberlieutenant
Streiter aus Heubach am Main kennen, zwei
sehr artige Männer, welche so gütig waren,
mich überall zu begleiten. Ich bestieg die Berg-
Citadelle, von wo aus man die herrlichste Aus-
ficht auf das weite Meer, die Gebirge und die
am Abhange gelegene Stadt hat. Sie ist ganz
neu aufgebaut; denn in der letzten Revolution
war sie von den Türken zerstört worden. Von
hier aus sah ich auch die neue Kirche des heili-
e - - - -
gen Andreas, der nach der Legende dahier ge- - - - -
steinigt worden seyn soll. Auf dem Kirchhofe
daneben ruhen mehrere bayerische Offiziere, dar-
unter ein Bekannter von mir, Namens Schauer
aus Bamberg. Die Hauptkirche der Stadt ist
durch ihr Aeußeres bemerkenswerth. Sie war
nämlich früher eine Moschee. Auch wohnte ich
Z
-
.
36
dem Exercitium einer Abtheilung griechischer
Rekruten bei, welche in ihrer Landestracht, nur
gleich gekleidet unterm Gewehr standen - und
für die kurze Zeit nicht übel manövrirten.
Nach der Aussage der beiden Offiziere sollen sie
ziemlich viel Eifer für die Sache bezeugen. Auf
meinem Rückwege von der Citadelle kamen mir
einige alte Ex-Kapitänes vom ehemaligen Pha-
lanx entgegen, und bewillkommten mich. Sie
trugen ihre reich verzierte Landestracht und eine
kleine Krone auf der gewöhnlichen rothen Mütze.
Sie sprengten, alsdann auf schönen kleinen Pfer-
den, mit prächtigen rothen türkischen Sätteln
belegt, behende von dannen. Ich hatte mir
geschmeichelt, Seiner Majestät dem Könige Otto
schon dießmal meine Aufwartung machen zu
können, allein zu meinem Leidwesen las ich in
- einem Schreiben meines Freundes, Grafen Wald-
kirch, bayerischen Geschäftsträgers zu Athen,
welches wenige Stunden vor mir eingelaufen
war, daß der Hof seit drei Tagen sich nach
37
Nauplia begeben habe, um daselbst die Jahres
feier der Landung in Griechenland zu begehen.
Doch ich tröstete mich mit der angenehmen
Hoffnung, ihm bei meiner Rückreise meine Ehr-
furcht bezeugen zu können, wo ich im Sinne
hatte, mich länger in Griechenland aufzuhalten.
Ich werde mich überhaupt für Diesmal über
dieses schöne Land kürzer faffen, und erst im
Verlaufe meiner Skizzen mich in weitläufigere
Beschreibungen einlaffen. Um fünf Uhr Abends
fuhr ich auf der Barke nach dem Schiffe zurück.
Die Sonne senkte sich so eben ins ruhige Meer
und von ihren letzten Strahlen ergänzten die
beschneiten Gipfel des Parnaß und Helikon.
Gegen sechs Uhr fuhren wir ab. Den 8. Mor-
gens heller, fonnigter Tag. Wir steuern an
den Meffenischen Gebirgen entlang. Die Luft
ist bis gegen Mittag noch immer sehr kühl.
Wir hatten in der Nacht wenig Weg gemacht,
denn die Maschine war gebrochen gewesen. Auch
unter Tags mußte aus diesem Grunde zweimal
38
gehalten werden. Um 11 Uhr fegelten wir bei
dem durch seine Seeschlacht berühmten Navarin
vorüber. Am Eingange des Hafens tauchen
ganz eigenthümliche Felsenmaffen aus der Fluth,
in denen sich eine Art von Höhlen und große
durchsichtige Oeffnungen befinden. Eine halbe
Stunde später kamen wir an dem befestigten
Modon vorüber, das äußerst traurig daliegt.
Der Leuchtthurm präsentiert sich hübsch. Zur
Rechten gegenüber liegt die Insel Sapienza.
Die Vegetation fängt an, mitunter etwas grü-
ner zu werden als um Patras. Nachmittags
sahen wir Koron und die Berge der Maina.
Abends nach 7 Uhr umschifften wir das Kap
Matapan. Die Temperatur war diesen Abend
besonders kühl, so daß wir schnatternd vor
Kälte auf dem Verdecke umher liefen. Ueber-
haupt ist es in allen diesen Ländern sehr räth-
lich, sich foviel als möglich vor Verkältung zu
hüten. Am 9. Früh fuhren wir an den Inseln
Spezia und Hydra vorbei. Die Stadt der
FR)
Letztern hat eine höchst malerische Lage, nament-
lich zeigt sich der Hafen ganz schön. Hydra ist
der Geburtsort des wackern Miaulis, den ich
vor einigen Jahren zu München kennen lernte.
Er war Mitglied der Deputation, welche Grie-
chenland nach der Ernennung König Otto's
dahin absandte. Ich ließ mir im Vorübersegeln
das Haus, welches er bewohnt hatte, zeigen,
Leider ist auch dieser rechtliche Mann hinüber
geschieden. Die See war so glatt wie ein
Spiegel; Delphine tauchten scherzend empor.
Ich schoß nach Einem, verwundete ihn jedoch
nur leicht, da ich blos Schrot und keine Kugel
geladen hatte, denn ihre Haut foll äußerst hart
sein. Auch die Insel Poros entdeckte ich in
einiger Entfernung. Ihre Erde deckt einen
braven bayerischen Offizier und Philhellenen,
Namens Schilcher, der durch einen Schuß auf
der Jagd nach langem Leiden fein Ende nahm.
Bald darauf zeigte sich die Insel Aegina mit
den schönen Tempelsäulen auf. Einer der Berg-
40
spitzen. Das Meer blieb noch immer ruhig
und wir segelten rasch voran. Auf der Spitze
unseres Mastes wehte seit Hydra die bayerische
Flagge, und verkündigte von Weitem meine An-
kunft. Schon zeigte sich in der Ferne die hohe
Akropolis. Nachdem wir die Insel Salamis
passiert, liefen wir gegen drei Uhr Nachmittags in
den Pyräus ein, der eine schmale und gefährliche
Einfahrt hat. Nachdem wir durch eine Menge
russische, österreichische, englische und französische
Kriegsschiffe hindurch waren, wurde dicht am Ufer
Anker geworfen. Ich fühlte mich in eine wahr-
haft feierliche Stimmung versetzt, als ich den
Boden dieses einst so hochgefeierten, klassischen
Landes betrat, dem wir den größten Theil unse-
rer Bildung verdanken, das so tief fallen und so
lange in den Banden der Knechtschaft hatte schmach-
ten müffen, nunmehr jedoch feiner Tapferkeit und
der Hochherzigkeit der meisten Monarchen und vie-
ler treuen Streiter fast aller Nationen, feine je-
zige Wiedergeburt verdankt.
H
Mit innigster Freude des Wiedersehens um-
armte ich meinen Freund Waldkirch. Alsbald
näherte sich der Minister Paikos und der Gou-
verneur Axiotis, welche mich im Namen Sr. Ma-
jestät empfingen. Wir bestiegen die bereit stehen-
de königliche Equipage, um sogleich nach der Akro-
polis zu fahren. Der Pyräus zählte vor wenigen
Jahren kaum vier elende Hütten, nun erheben
sich eine Menge von niedlichen Häusern und Ma-
gazinen nach deutscher Bauart. Doch wie staunte
ich, als ich mich plötzlich auf einer prächtigen Land-
straße befand, welche vom Pyräus nach Athen
führt und eine Länge von zwei Poststunden be-
trägt. Eine Menge von Fiakern, theils mit
zweirädrigen Karren, theils ordentlichen Kutschen,
ja selbst vierspännigen Omnibus bewegten sich hin
und her, so daß ich mich bei uns in Deutschland
wähnte. Man glaubt es bei uns nicht, was in
einem so kurzen Zeitraume von wenigen Jahren
in diesem jungen Staate geschehen ist. Ich konnte
mein freudiges Erstaunen nicht unterdrücken und
H2
äußerte mich darüber bei dem Minister. unter-
wegs begegnete uns mein guter Bekannter, der
Kriegsminister Schmalz, der seit Anbeginn der
Regierung König Otto"s diesem hoffnungsvollen
jungen Monarchen unermüdet seine Kräfte weihte
und treulich bis zu dieser Stunde bei ihm aus-
hielt. Der Weg führt durch einen herrlichen Oli-
venwald und schon beginnen die Felder längs der
Straße bebaut zu werden. Ich hatte endlich den
Gipfel der Akropolis erstiegen und verweilte stau-
nenden Auges vor diesen erhabensten und edel-
sten Resten einer längst entschwundenen, großar-
tigen Zeit. Wohl hatte ich mir Großes und Voll-
endetes erwartet; der Anblick der Wirklichkeit
übertraf alle die Bilder meiner Einbildungskraft.
Diese großartigen Maffen mit den feinsten Ver-
zierungen geschmückt und im edelsten Style zusam-
mengefügt, erfüllen den freudetrunkenen Beschauer
mit höchster Bewunderung. Von hier aus über-
sieht man das weite Meer mit seinen vielen In-
feln und den Pyräus. Auf der innern Seite liegt
Z
die Stadt Athen zu den Füßen des steilen Ab-
hangs. Man sieht in jede Straße und fast in
jedes Haus. Von hier aus begab ich mich nach
dem neuen, dazumal noch unvollendeten Palast
des Königs vor der Stadt. Er ist nach einem
Plan des königl. Professors Gärtner in München
aufgebaut und von der geschmackvollsten Bauart.
Die Stukkatur-Arbeiten sind von römischen Arbei-
tern verfertigt und übertreffen an Feinheit der
Ausarbeitung beinahe die ältern Meisterwerke. In
dem Augenblicke als ich die hölzerne Bautreppe
hinanstieg, kam gerade der berüchtigte alte Kolo-
kotroni dieselbe herab und ließ sich mir vorstellen.
Sein verschmitztes Gesicht, der Falkenblick des
stechenden Auges verriethen den unruhigen Sinn
und die arge Schlauheit dieses ehemaligen Un-
ruhestifters. Nunmehr soll er ruhig geworden
fein. Er hat sich einiges Vermögen gesammelt
und wurde vor Kurzem zum Staatsrathe ernannt,
nachdem er noch nicht lange zuvor im Gefäng-
niß gelegen hatte. Vom neuen Palast aus setzte
44
ich mich wieder in den Wagen und machte noch
eine Tour in den Straßen der Stadt, in denen
reges Leben und Treiben herrschte. Alsdann speis-
ten wir bei meinem Freunde Waldkirch. Bei Ti-
sche waren unter andern eingeladen der Kriegs-
minister Schmalz und der Gouverneur von Athen
Ariotis. Bald nach Tische fuhr ich beim herrlich-
sten Mondenschein nach dem Pyräus zurück und
um neun Uhr steuerten wir Syra zu, woselbst
wir am 10. Februar Morgens, vom schönsten
Wetter begünstigt, anlangten. Diese Insel ist
ungeheuer felsigt. Die Stadt selbst, namentlich
der ältere katholische Theil, liegt am Abhange
eines steilen Berges und ist äußerst schwierig zu
besteigen. Dieser Theil der Stadt ist das eigent-
liche alte Syra. Die Einwohner hatten sich des-
halb so hoch oben angesiedelt, um vor den häu-
figen Ueberfällen der Piraten mehr gesichert zu
sein. Auf der höchsten Spitze befindet sich das
Seminär der Jesuiten, und zugleich die Wohnung
des greisen Erzbischofs, dem ich meinen Besuch
45 -
abstattete. Er trug einen langen, grauen Bart, einen
violetten Talar und ein kleines eckigtes, schwarzes
Barette auf dem Kopfe. Ich glaubte neben einem
ehrwürdigen Patriarchen der Vorzeit zu sitzen.
Die Aussicht von seinen Zimmern ist eine der
schönsten, die ich in meinem Leben genoffen und
entschädigt für die unendliche Mühe, deren es
bedurfte, um in der schon bedeutenden Sonnen- /
hitze diesen hohen Standpunkt zu erreichen, Die
sogenannten Straßen dieser obern Stadt sind das
Schmutzigste und Unförmlichste, was ich in meinem
ganzen Leben gesehen habe. Bei jedem Schritte
stolpert man in diesen engen Winkelgäßchen
über Felsenstücke, so daß man Hals und Bein zu
brechen Gefahr läuft, oder tappt in Kothpfützen,
oder ist genöthigt, vor jedem Hause ein großes
Schwein aus dem Wege zu stoßen, um den schma-
len Weg passieren zu können. Der untere Theil
der Stadt ist bei Weitem beffer, reinlicher und
lebhafter. - Die Straße des Bazars namentlich
und der freundliche Platz am Hafen bieten einen
H6
hübschen Anblick und geben einen Vorgeschmack
des nahen Orients. Am Hafen befindet sich das
neue Waarenmagazin, von einem Münchner Bau-
meister Namens Erlacher, auf das geschmackvoll-
fe und zweckmäßigte erbaut. Auch der neue
Leuchtthurm ist sein Werk.
-
- -
-
Der Handel Syra's ist bedeutend und wird
sich mit jedem Jahre mehr heben. Man kann
es das griechische Smyrna nennen. Ich lernte
dahier den Gouverneur Christides und den be-
rühmten Seehelden Kanaris kennen, der hier
eine Abtheilung der griechischeu Flotte komman-
dirte. Der erstere ist ein hübscher großer Mann,
dem seine Landestracht fehr wohl anstand. Sein
Benehmen ist geschliffen, sein Blick fein und schlau,
während der Ausdruck und das Benehmen des
Letzteren Biederkeit und Einfachheit verkünden. Ka-
naris war ein treuer Waffengefährte des edlen
Miaulis und sagte mir selbst, daß er an ihm
einen Vater verloren habe. Ein deutlicher Be-
47
weis seiner Redlichkeit ist noch dieser, daß er sich
während der letzten Revolution nicht bereichert
hat. Er blieb so arm wie zuvor, als er ge-
meiner Matrose war. Beide saßen bei dem Mit-
tagstische des freundlichen Banquiers Rali mir
zur Seite. Kanaris erzählte von mehreren fei-
ner Wagniffe, die er mit feinen Brandern un-
ternommen. Er erzählte unter Andern, wie er
einstmals an ein türkisches Kriegsschiff feinen
Brander angelegt und sich schnell wieder entfernen
wollen, habe sich das Boot in einen Strick unter-
halb des Waffers verwickelt und sie hätten unge-
achtet aller Mühe, das Schiff nicht mehr vom
Fleck gebracht. Endlich habe sich ein kühner Ma-
trofe ins Waffer gestürzt, sei untergetaucht und
habe noch zu rechter Zeit den Strick abgehauen;
denn wenige Minuten darauf sei das türkische Schiff
in die Luft geflogen. Er erzählte diese Anekdote
mit gemüthlicher Lebhaftigkeit. Man sah ihm an,
wie ihn die Erinnerung an diese Heldenzeit freu-
te, doch ferne von jeglicher Prahlerei, während so
48
viele seiner Landsleute sich bei jeder Gelegenheit
als Retter ihres Vaterlandes bezeichnen. Um
acht Uhr Abends begab ich mich auf den Ball,
der im Kaffino statt fand. Er war sehr zahlreich
besucht, daher auch die Hitze in dem beschränkten
Raum unerträglich, jedoch noch unerträglicher die
ohrenzerreißenden Straußischen Walzer einer Mal-
tesischen Musikbande, welche dem genügsamen Pub-
likum harmonie - und taktlos aufspielten. Der Ton
in dieser griechischen Gesellschaft hatte einen leisen
Anstrich europäischer Bildung. Die Damen, wo-
runter einige sehr hübsche, faßen gleich Wachs-
figuren im Saale umher, zwei ausgenommen, mit
denen ich mich recht gut unterhielt, waren gesprä-
chig und liebenswürdig; aus den Uebrigen ver-
mochte ich, trotz aller Mühe, keine Sylbe heraus
zu bringen. Vielleicht hätten sie sich in ihren
malerischen National-Kostümen weit hübscher aus-
genommen als in ihren schlecht gewählten, über-
ladenen französischen Toiletten, in welchen sie sich
linkisch und ungewohnt bewegten. Ihre Tänze
währen unendlich lang Jeder Walzer dauerte we-
nigstens eine gute halbe Stunde. Sie tanzen, Her-
ren wie Damen sowohl mit einer wahren Passion.
Die Erstern namentlich beschämen unsere deutschen
jungen Leute, die feit einigen Jahren den Freuden
des Tanzes fast gänzlich entsagen. Nachdem ich im
Schweißemeines Angesichts einen Walzer mit. Einer
der beiden Liebenswürdigen abgethan hatte, mußte
ich im Nebenzimmer in Mitte der Damen, trotz
alles meines Sträubens eine lange Pfeife Tabak
rauchen. Ganz allein mitten auf dem breiten So-
pha sitzend, im Halbkreise um mich herum die
Damen, faß ich gravitätischer da, als vielleicht
der ehrsame Sultan selbst. Es war Mitternacht,
als ich mich nach Hause begab, das heißt, nach
meinem Schiffe im Hafen. Zwei Matrosen leuch-
teten mir mit ungeheuern Laternen voran, zur
Seite ging mir der Hauptmann der Gendarmerie
und hintennach folgte mir ein Gemeiner dieses,
Korps mit geladenem Karabiner. Ich bin noch
keinmal so gut bewacht von einem Balle nach
4
Hause gegangen. Den eilften weckte mich die frohe
Kunde von der ersehnten Ankunft des Dampf-
schiffes Fürst Metternich, das ebenfalls der Lloyd-
Kompagnie gehört und mich nach Alexandrien brin-
gen folte, von woher es so eben angelangt war.
Herr von Rudhart aus Bayern und Graf Sa-
porta von eben daher befanden sich darauf. Da
das Schiff der Quarantäne unterlag, konnte ich
beide Herren blos von der Barke aus sprechen.
Es war gerade Sonntag. Das Volk trieb sich
in seinen bunten Trachten in den Straßen umher;
die Frauen weilten in ihren originellen Trachten
vor den Häusern. Der größte Theil der Einwoh-
nerschaft hatte sich nach der Schiffswerfte bege-
ben, um ein Schiff vom Stapel laufen zu sehen,
nachdem es vom Popen eingeweiht worden war.
Die Geistlichkeit steht bei den gebildeten Klaffen
in geringem Ansehen, was seinen Grund in der
Unwissenheit dieses Standes haben mag. Gegen
meine Erwartung reiste das Dampfschiff erst
Morgen ab. Ich hatte Langeweile und war froh,
- 51,
als Christides sich meiner erbarmte und mich Nach
mittags ein wenig herumführte. Noch muß ich er,
wähnen, daß mich der berüchtigte Griod am Bord
besuchte. Er kam in seiner prächtigen rothen plus
likarentracht, mit breiten Goldstickereien überfäet,
Sein männlich-schönes Gesicht verräth Heuchelei
und mühsam unterdrückte Verschmitztheit. Von
Gestalt ist er groß und stark gebaut. Seine
Haltung ist kriegerisch. Man beschuldigt ihn der
schändlichsten Grausamkeiten gegen seine eigenen
Landsleute. Er hat sich ein ziemlich bedeutendes
Vermögen zusammengescharrt. Damals , als ich
ihn in Syri kennen lernte, war es wegen sieben
holten aufrührerischen Umtrieben dahin verwiesen,
was ihn ungemein zu kränken schien, da er sich
als unschuldiges Opfer seiner Gegner betrachtete
Mitten unter friedlichen Handelsleuten, welche
fchere Ruhe dem Kriege vorziehen, fühlte er sich
um so mehr verlassen, da er auf keinen Anhang
rechten durfte, denn sein Name ist bei den in
sten Griechen verhaßt. Er daß er für
--
52
König Otto zu jeder Stunde sein Haupt nieder-
zulegen bereit sei, was ich, wie natürlich, aus dem
Munde dieses Mannes als bloße Redensart
hinnahm. Abends ging ich in das griechische Thea-
ter, das aufferordentlich klein ist. Man gab ein
patriotisches Drama, den Fall von Miffolunghi,
und, so viel ich zu urtheilen vermochte, nicht so
übel. Sie suchen in ihrer gedehnten, etwas über-
triebenen Declamation die Darstellungsweise und
den Vortrag der Alten nachzuahmen. Der Bei-
fall des Publikums war stürmisch, besonders als
Ibrahim in die Flucht gejagt wurde, nachdem er
sich einige Augenblicke zuvor gerühmt hatte, in
Kurzem werde ganz Europa den Muselmännern
gehorchen. Das Orchester bestand wieder aus den
obenerwähnten Maltesern, doch spielten sie dieß-
mal etwas weniger falsch. Sie sollen kürzlich ihre
Falschheit auch unter einander ausgeübt haben, in-
dem sie während eines Zwischenactes in Streit
geriethen und sich mit ihren Instrumenten vor den
Augen des Publikums herum prügelten. Der Ge
schmack für das Theater beschränkt sich bis jetzt
noch mehr auf Poffen. Die Frauenzimmer konn-
ten sich bis jetzt noch nicht entschließen, die Büh-
ne zu betreten, weßwegen junge Männer oder
Knaben ihre Rollen übernehmen, was einen läs
cherlichen Eindruck hervorbringt. Den 12. reisten
wir von Syra ab. Gegen Abend erhob sich ein
heftiger Wind, der sich Nachts zehn Uhr zum
fürchterlichsten Sturm gestaltete, der bis zum fol-
genden Mittag andauerte. Furchtbar heulte der
Wind; die empörten Wogen schlugen mit riesiger
Kraft an das schwankende Schiff, so daß es bald
pfeilschnell in die Höhe, bald blitzschnell in die
Tiefe schoß oder sich, an allen Enden krachend,
nach der Seite hin und her wiegte. Stühle und
Koffer stürzten auf dem Boden der Kajüten über
einander. An ein Aufrechterhalten war gar nicht
zu denken, ja ich mußte mich krampfhaft im Bette
mit Händen und Füßen anklammern, um nicht
weithin herausgeschleudert zu werden. Alle meine
Bücher und Hefte, Schreibzeug und Federn bei
54
deckten den Boden, dazwischen flogen Kleidungs-
stücke und Mantelsäcke durcheinander. Viele der
Päffagiere, die in den Seiten-Kajüten des Ver-
decks ficht aufhielten, mußten mitten in der Nacht
in Eine der unterm Kajütentflüchten, dergestalt
drang das Wasser der überschlagenden Wellen auf
den oberin Schiffstheil und von da in ihre Schlaf
stellen. Nach Mitternacht trat der Kapitän an
mein Bett und fragte mich, ob ich nicht vielleicht
wünschte, in den nicht allzufernen Hafen einer
benachbarten Insel einzulaufen. Ich stimmte fürs
Weiterfahren. Den Morgen des 13. währte der
heftige Sturm noch fort. „Ich versuchte, das Ver-
deck zu betreten, aber eine Welle deckte mich von
oben bis unten zu, so daß ich sogleich wieder hin
die Kajüte kroch. Erst gegen Mittag legte sich
der Wind. Der Kapitän versicherte mich später,
es fei ihm nicht wohl bei der Sache gewesen:
Schon bemerkten wir die beschneiten Gebirge Kan-
dias, vor Allem hervorragend den hohen Berg
Ida. Diese Insel steht iunter der Herrschaft Egyp-
tens. Nach fünf Uhr Abends passierten wir den
schmalen Hafeneingang und warfen Anker, Die
Stadt ist klein, aber freundlich. Die Bauart der
Häuser am Strande ist italienisch, was noch von
der Zeit der Venetianer herrührt. Die Festungswer-
ke am Hafen sind meist neu ausgebessert. Ein schö-
ner moderner Leuchtturm ziert den Hafen. Dahin
und nicht weiter ließ uns der Sanitäts-Inspektor
Caporal, ein geborner Franzose, der unter Napo-
leon in der französischen Marine gedient, gehen,
weil die Quarantäne den Besuch des Innern, der
Stadt strenge untersagt. Wirklich ist durch seine
Aufmerksamkeit die Pest schon seit mehreren Jahr
ren aus der Insel verbannt. Er schien mir ein auf
geweckterheller Kopf zu sein. Seine Tracht war halb
türkisch, halb europäisch. Unterm Schiffe gegen
über lag die Kaserne und seitwärts im Hafen
mehrere türkische Kriegsschiffe, welche einen Theil
der hiesigen Truppen demnächst zur Verstär-
kung Ibrahims nach Syrien überschiffen soll
ten. Die Soldaten trugen weiße Jacken mit
-
56
rother Schärpe, rothe Tarbusch und weiße, bis
an's Knie weite Beinkleider. Sie sahen sehr
-
reinlich aus.
Am 14. Morgens fegelten wir wieder ab.
Unter den neuen Passagieren, die sich an Bord
begaben, war auch ein türkisch-egyptischer Oberst
nebst Suite, der nach Kairo reiste, ein freundli-
cher, gemüthlicher Mann, der viel Intereffe für
europäische Sitten und Einrichtungen bezeugte.
Er schien mich bald lieb gewonnen zu haben; denn
er ließ mich anfangs, bevor ihn die Seekrank-
heit übermannte, nicht von seiner Seite. "Ich
ließ ihm durch meinen Dragoman Mühlenhof be-
deuten, wie sehr bei uns in Europa des Vice-
königs von Egypten Name hoch geachtet sei, was
ihn unendlich schmeichelte. Nachmittags hatte ich
auch Gelegenheit, der religiösen Waschung seines
Schreibers beizuwohnen, und es freute mich, zu
sehen, wie wenig er sich durch unsere Neugierde
in seinem frommen Treiben irre machen ließ.
57,
Unter den Christen giebt es, namentlich in un-
ferm jetzigen Zeitalter, manche, die sich schämen,
die Gebote der Religion vor den Augen. Anderer
auszuüben. Das mag hauptsächlich wohl darin
feinen Grund haben, weil es heut zu Tage fast
zum sogenannten guten Ton gehört, dergleichen
entweder als Heuchelei oder Beschränktheit aus-
zulegen. Denn man findet leider viele, welche sich
zu schämen scheinen, Religion zu besitzen, indeß bei
Völkern andern Glaubens vielmehr ein Jeder Ehre
und Pflicht darein fetzet, Gott auch öffentlich seine
Verehrung zu beweisen. Wir hatten am Morgen
eine eigentümliche Schwüle gehabt. Nachmittags
bedeckte ein schleierartiger Nebel die Berge der
Insel und kühlte sich die Atmosphäre um ein
Bedeutendes ab. Nachts bemerkten wir wieder-
holtes Wetterleuchten. Am Nachmittage fuhren
wir auch an der Stadt Kandia vorüber. Den
15. bot sich unserm Auge nichts als Himmel und
Meer dar. Die See war, wie fast täglich, sehr
unruhig, der Wind jedoch nicht ungünstig. Es
gibt nichts einförmigeres als diesen Anblick, wenn
das spähende Auge des ungeduldigen Wanderers
nicht. Einmal ein fernes Schiff oder eine Insel
gewahrt. Ich war der Seefahrt müde geworden.
Täglich wuchs mein Mißbehagen - und ich zählte
jede Stunde, die mich dem ersehnten Ziel näher
rückte. Meinen Schlummer unterbrach gewöhn-
lich das immerwährende Krachen des Gebälkes.
Auch fühlte ich mich durch das häufige Liegen auf
dem für mich zu kurzen Bette an allen Glie-
dern wie gerädert. Selbst bei Tische konnte man
nicht mit Ruhe ein bischen Effen genießen; denn
bald flogen Teller und Besteck von der Tafel
oder lief man selbst Gefahr, sammt dem Stuhle
zu Boden zu taumeln. Jede Strapaze zu Land
däucht, mir erträglicher als die kürzeste Seereise
Am 16. endlich, um halb drei Uhr Nachmittags,
entdeckten wir die Küste von Afrika und unter-
schieden bald darauf die höchsten Gebäude und
zahlreichen Minarets von Alexandrien. Mit
Hülfe eines Piloten gelang es nach beinahe zwei
Stunden unserm Kapitän, die äußerst gefährlichen
Klippen am Eingang des Hafens zu passieren
und um halb fünf Uhr Anker zu werfen. Die
Passage ist so schwierig, daß selbst der geübteste
und mit dem Gewäffer bekannteste Seemann
zur Nachtszeit oder ohne Beihülfe eines Piloten
unmöglich herein kommen könnte. Eine schwedi-
fche Fregatte salutierte mich und ihr Kommandant
ließ mich einladen, die Nacht am Bord bei ihm
zuzubringen, ich machte jedoch von seiner Artig-
keit keinen Gebrauch, da es wegen dem vielen
Gepäcke zu Umständlichkeiten geführt hätte, weß-
halb ich diese Nacht noch auf meinem Schiffe zu-
brachte. Der Anblick der vielen Schiffe, nament-
lich der imposanten egyptischen Flotte, durch
welche wir hindurch steuerten, übertraf Alles,
was ich bis jetzt in der Art noch gesehen. Die
Kriegsschiffe müffen aber ihre Kanonen stets ab-
laden, um die Klippen des Hafens passieren zU
können; auch soll ihre Bauart gerade nicht die
60
beste sein. Mit Ungeduld harrte ich des folgen-
den Morgens, an dem ich zum Erstenmale den
Boden eines für mich neuen Welttheils betreten
sollte.
61
III.
Ggypten.
–
Bevor ich das ersehnte Afrika betrat, stat-
tete ich zuvor noch dem Kommandanten der
schwedischen Fregatte meinen Besuch ab, der
mich auf das freundlichste und ehrenvollste em-
pfing. Das Schiff trug den Namen Josephine
und auf allen feinen Masten und Segelstangen
erblickte man die Matrosen in Parade aufgestellt.
Ich hatte die englischen Kriegsschiffe im Hafen
von Portsmouth gesehen, das schwedische stand
ihnen auch nicht im Kleinsten nach. Ein drei-
faches Hurrah der Matrosen von den Masten
und schallender Donner der Kanonen begrüßten
mich beim Abschiede. Nachdem ich auf dem
Dampfschiffe noch Toilette gemacht, begab ich
mich an"s Gestade. Ich kann das Gefühl nicht
mit Worten ausdrücken, das sich meiner bemei-
sterte, als ich zum Erstenmale den Boden
Afrikas betrat. Eine neue Welt mit den fremd-
artigsten Menschen von gemischter Gesichtsfarbe
und in die eigenthümlichsten und buntesten Trach-
ten gehüllt, stellte sich meinem staunenden Auge
dar. Ich hielt es noch immer für einen bloßen
Traum, mich in diesem herrlichen Lande zu be-
finden, dergestalt fühlte ich mich freudig über-
rascht. Vom griechischen Consul Toffizza be-
gleitet, fuhr ich in einem mit vier Schimmeln
bespannten Gallawagen des Viezekönigs, der
vom Hofe Karls des Zehnten istammte, nach
seiner Wohnung vor der Stadt, die er mir
freundlichst eingeräumt hätte. Die Pferde, welche
erst vom Grafe hereingeholt worden, wo sie
63
ich in dieser Jahreszeit befinden, waren nicht
ganz geneigt, sich der Leitung des Kutschers zu
fügen, der sie vom hohen Sitze aus dirigierte und
sich in seiner türkischen Tracht auf dem französischen
Kutscher-Bock höchst possierlich ausnahm. Endlich
gelang es ihm mit Hülfe der Sais oder Stall-
knechte, welche stets neben den Pferden laufen
und sie mit ihren Heizpeitschen antreiben, ihre
Widersetzlichkeit ZU besiegen, Am Hause ange-
langt, fand ich eine Ehrenwache von etlichen
zwanzig Mann die mich aufgestellt empfing, die
Trommel rührte, wozu ein kleiner Pfeifer eine
mir wohl bekannte Melodie blies. Ich Wall
nicht wenig überrascht, in dieser Melodie den
„ei du lieber Augustin,“ zu erkennen. Von
meinem Fenster übersah ich den größten Theil
der Stadt, genoß der herrlichen Aussicht auf
das Meer und gerade unter mir erhoben sich
die schlanken Stämme eines reizenden Palmen-
Wäldchens. Ich wurde auf die liebevollste Weise
im Kreise dieser Familie aufgenommen und auf
64
eine Art gepflegt, daß ich im eignen Haufe
nicht zufriedener hätte seyn können. Alexandrien
ist ein Gemisch von europäischer und orienta-
lischer Sitte, jedoch nähert es sich mehr der
Erstern. Die ganze Stadt ist im Werden be-
griffen; denn bei jedem Schritte stößt man auf
neue Gebäude. Der europäische Stadttheil na-
mentlich vergrößert sich mit jedem Jahre mehr
und zeichnet sich durch schöne und geschmackvoll
aufgeführte Gebäude aus. Das türkische Quar-
tier ist schmutzig und hat so enge Straßen, daß
man sich nur mit Mühe durch die Menge von
Menschen, Kameelen und Eseln hindurch wühlen
kann. Der Bazar ist ziemlich lang und man
findet eine hübsche Auswahl von orientalischen
und anderen gewöhnlichen Waaren. Ich be-
suchte auch den dortigen Sklavenmarkt, der je-
doch im Vergleich von Jenem zu Kairo höchst
unbedeutend ist, Ich glaubte, höchst unglückliche
Menschen daselbst zu treffen, statt dessen fand
ich zu meinem großen Befremden einige muth-
-
65
willige Negerknaben und Mädchen, die mir frech
ins Gesicht lachten, so daß mein Mitleid sich
alsbald in Abscheu verwandelte. Diese Geschöpfe
fühlen ihre erniedrigende Lage nicht. Sie stehen
auf einer so niedrigen Stufe, daß sie im Gegen-
theile froh sind, gekauft zu werden, um so bald
als möglich den Händen ihrer Verkäufer zu
entrinnen, welche ihnen gewöhnlich sehr schlechte
oder fast gar keine Kost darreichen. Beim Ein-
kaufe dieser Sklaven muß man sich vorher genau
erkundigen, ob sie nicht schon Einmal irgendwo
im Dienste gestanden und ihrer Widersetzlichkeit
halber wieder an die Sklavenhändler verhandelt
worden seyen. Es ist daher stets am räthlich-
sten, abzuwarten, bis eine Karawane anlangt,
die unmittelbar welche aus ihrer Heimath daher
bringt, und sie alsdann sogleich anzukaufen.
Die Stadt umgeben elende Hütten aus Erde,
in denen meistens Weiber der Soldaten wohnen.
Der Anblick dieser verhüllten, in blaue Hemden
gekleideten Gestalten gewährt keinen angenehmen
-
5
Eindruck. Ueberhaupt verräth sich im gemeinen
Volke großes Elend; doch muß ich bekennen,
daß ich in Neapel und namentlich in Sicilien
noch bei Weitem schaudererregendere Bettler-Ge-
stalten angetroffen habe als dahier. Das Militär
sieht im Ganzen gut aus. Die Haltung der
Soldaten ist sehr gut, auch sind die Meisten
große, schöne und kräftige Leute. Das Aeußere
der Officiere der Landtruppen steht jenem des
gemeinen Soldaten bei Weitem nach. Sie sind
wenig gebildet. Es gibt ihrer Viele, welche
noch vor wenigen Jahren weder lesen noch
schreiben konnten. Wie natürlich hemmen solche
schwache Anführer das Fortschreiten des Ganzen.
Die Offiziere der Marine stehen auf einer weit
höheren Stufe. Ich hatte Gelegenheit, mich
bei Besichtigung des großen Linienschiffes, das
der Belagerung von Akre beiwohnte und daher
feinen Namen trägt, davon zu überzeugen. Auch
exerzierten die Marine-Soldaten mit weit mehr
Präzision und zeichneten sich durch vorzügliche
67
Reinlichkeit vor allen Uebrigen aus. Dieses
Schiff ist. Eines der größten und reinlichsten;
ja man darf sagen, der elegantesten, das ich
jemals gesehen habe. Es zählt 108 Kanonen.
Man glaubte sich im Mittelpunkte einer schwim-
menden Stadt zu befinden, dergestalt überrascht
die Größe einer Räume. Auf dem Verdecke
spielte die Musik einige Stücke aus französischen
Opern, mit einer solchen Virtuosität, daß ich im
ersten Augenblicke zweifelte, ob sie aus lauter
Arabern zusammengesetzt fey. Ich las in den
meisten Gesichtszügen dieser Leute eine gewiffe Zu-
friedenheit und Fröhlichkeit, was wie mir versichert
wurde, auch wirklich der Fall feyn foll. Nur
im Anfang hegen die Furcht und Abscheu gegen
diesen Stand. Ja es ging so weit, daß sich
früher. Manche absichtlich ihre Glieder verstümmel-
ten oder das eine Auge mit Kalk ausbrannten,
um sich von der Konfeription frei zu machen.
Doch seitdem der Vicekönig Etliche auf die
Galeere gethan und sie jetzt auch ungeachtet des
5
68
geblendeten Auges in die Regimenter steckt, hat
dieser Unfug aufgehört. Auch überzeugen sie
sich bald, um wie Vieles sie sich besser fühlen,
als in ihren elenden Dörfern, in denen sie sich
nur mit äußerster Mühe fortbringen. Trägheit
ist jedoch ein Hauptzug im Charakter des Fellah.
Hat er sich den einen Tag ein bischen Geld
verdient, so ist es ein höchster Genuß, den
Folgenden am Boden zu kauern und stundenlang
aus seiner langen Pfeiffe zu dampfen. Eines
der merkwürdigsten Dinge in Alexandrien ist das,
herrliche Arsenal, in welchem täglich 6000 Arbei-
ter beschäftigt sind. Sein Erbauer und Gründer
ist der französische Ingenieur-Offizier von Cerisi.
Ich erstaunte über das, was ich hier fand. Ich
hatte. Viel davon sprechen gehört, was ich jedoch
mit eignen Augen gesehen, hatte meine Erwar-
tungen bei Weitem übertroffen. Jetzt erst lernte
ich vollends den Unternehmungsgeist Mehemed-
Alis bewundern. In der That hat dieser wahr-
haft große Mann in dem kurzen Zeitraume von
69
wenigen Jahren das Unglaubliche geleistet. Und
dabei ging er mit so vieler Umsicht zu Werke,
mit solch' seltener Klugheit und richtiger Auswahl
feiner Untergebenen, daß man nur staunen muß,
wie ein Mann, der doch in feiner Jugend gar keine
Bildung genoß, solch' großes, solch' thätiges Inte-
reffe für Belehrung seines Volkes und die Befesti-
gung und Civilisation feines Reiches an den Tag
legen konnte. Man muß sich augenscheinlich
davon überzeugt haben, um glauben zu können,
was feit Kurzem in diesem Lande geschehen ist.
Als ich die Urtheile des Marschalls Marmont
über die Fortschritte dieses Reiches gelesen, ging
es mir wie so vielen Andern, die glaubten, er
habe sich von seinem Enthusiasmus allzu fehr
hinreißen laffen. Ich habe mich vom Gegen-
theile überzeugt und kann das nur bestätigen,
was dieser kluge Mann mit vieler Erfahrenheit
und feltenem Scharfsinn niedergeschrieben. Me-
hemed-Ali"s Name wird einst mit Hochachtung
im Buche der Weltgeschichte gelesen werden.
70
Die Arbeiter im Arsenale werden dafelbst gespeist
und gekleidet. Es wurden mir Meisterstücke von
jungen Arabern gezeigt, die an Reinheit der Arbeit
und Feinheit der Politierung jedem europäischen
Handwerker zur Ehre gereichen würden. In
der ganzen Anstalt herrscht das regte Leben und
Treiben. Diese Araber freuen sich, den fremden
Europäern ihre Arbeiten vorzulegen. Man sieht
es ihnen an, wie sehr es sie schmeichelt und
ihnen wohlthuend ist, wenn sie im Gesicht des
überraschten Europäers. Zufriedenheit und freu-
diges Staunen lesen. Mit innigem Wohlgefallen
verließ ich dieses höchst interessante Institut.
Mit zu den vorzüglichen Merkwürdigkeiten
Alexandriens gehört unstreitig die herrliche Säule
des Pompejus, welche sich eine kurze Strecke
außerhalb der Stadt auf einem sandigen Hügel
erhebt, von wo aus man das Meer und den
breiten See Mareotis erblickt. Sie beträgt
im Durchmesser 9 Fuß, ist 85 Fuß hoch und
71
korinthischer Säulen-Ordnung. Sie soll zu Ehren
Alexanders des Großen, und nicht wie man
glaubte, zu Ehren des Pompejus, dessen Namen
sie nur fälschlich trägt, errichtet worden feyn.
Auch den schönen, mit Hieroglyphen verzierten
Obelisk, die Nadel der Kleopatra genannt, be-
sichtigte ich. Seine Form ist äußerst zierlich,
Ihm zur Seite liegt ein Zweiter auf der Erde,
den der Vicekönig dem Könige von England
geschenkt hatte, der ihn aber der allzugroßen
Transport-Kosten halber nicht abholen ließ. Er
hätte ein eigens dazu erbautes Schiff erfor-
dert. Auch die Katakomben muß man besucht
haben. Es gibt Stellen, wo man nur mühsam,
fo zu fagen auf allen Vieren, in diese unter-
irdischen Räume dringen kann, namentlich in die
ziemlich wohl erhaltene Rotunde. Wenige Schritte
von den Katakomben entfernt, vom Meere bis
spült, befinden sich die sogenannten Bäder der
Kleopatra, in die Felsen eingehauen.
72
Eine höchst interessante Bekanntschaft machte
ich an dem Minister Boghos-Bei, einem gebor-
nen Armenier, der mich Tags darauf nach mei-
ner Ankunft besuchte. Ich lernte in ihm einen
sehr klugen, feinen Mann kennen, der europäische
Artigkeit mit orientalischer Ruhe und Gemeffen-
heit zu vereinigen weiß. Er ist Mehmed-Ali's
treuester und verständigter Diener. Vor vielen
Jahren war es den Ränken einiger Höflinge ge-
lungen, ihn bei seinem Gebieter zu verschwärzen,
der in erster Aufwallung seinen Kopf verlangte.
Ein Freund am Hofe verbarg ihn geraume Zeit
in seinem Hause. Eines Tags berieth sich Me-
hemed-Ali mit feinen Räthen, worunter auch
Boghos Freund sich befand, über eine wichtige
Angelegenheit. Es wollte zu keinem Entschluße
gelangen. Da rief Mehemed Ali: „O hätte ich
jetzt meinen Boghos, er wüßte schon Rath zu
schaffen.“ „Und dürfte er's wirklich, und würde
ihm, dem Unschuldigen, als dann verziehen wer-
den?“ rief der treue Freund. Der Vicekönig
-
73
gab sein Wort und wenige Augenblicke darnach
führte er Boghos ins Gemach, der von nun an
das unbeschränkte Vertrauen feines Herrn genoß.
Er leistete mir viele Dienste in Betreff der An-
stalten zu meiner Weiterreise und der ehrenvollen
Aufnahme in Kairo.
- Die hiesige europäische Gesellschaft ist zahl-
reich und gesellig. Ich wohnte einem Balle bei,
den ein reicher, griechischer Kaufmann auf feinem
Landhause gab. Ein Zelt mit bunten Zeugen
und herrlich duftenden Blumen geschmückt, bildete
den Tanzsaal, den viele schöne Damen zierten.
Ein langer Tisch mit dreihundert Gedecken be-
fand sich in einem Nebengemach. Den Anfang
des Festes machte ein Feuerwerk. Der geräumige
Garten erglänzte im Schein Tausender von bun-
ten Lampen. Ich lernte bei dieser Gelegenheit
einen gelehrten schwedischen Ingenieur-Kapitän
Namens Cronstrand, kennen, der eben von The-
ben zurückkehrte, wo selbst er mit größtem Fleiße
74
die Ruinen der Tempel abgezeichnet hatte, mit
genauer Angabe aller Dimensionen. Noch muß
ich der letzten frohen Stunden erwähnen, die ich
in der Nähe des wackern Herrn Professors He-
denborg verlebte, der mir noch so manchen Auf-
schluß und einen Entwurf zu meiner Weiterreise
mittheilte. Die Erinnerung an seine Güte, an
fein einfaches, ungeheucheltes Wesen und an fei-
nen biedern, anspruchlosen Charakter wird nie-
mals aus meinem Herzen schwinden. Ich schied
von dem herrlichen Manne mit schwerem Herzen.
Auch in dem dänischen Konsul, Herrn Dumrei-
cher, einem Landsmann aus Kempten, lernte ich
einen höchst liebenswürdigen, heitern und gefälli-
gen Mann kennen. - - - - - -
- - - - - - - - - - - -
Am Abende vor meiner Abreife hatte ich
Gelegenheit, in einem Privathause arabische Mu-
fik und arabische Tänzerinnen kennen zu lernen.
Die Musik war betäubend, gleich wie der Gesang
unharmonisch und taktlos. Den Tanz näher zu
75
beschreiben, verbietet mir der Anstand. Ich kann
nur versichern, daß ich in meinem Leben nichts
schamloseres gesehen habe. Sonst durften sie
ungestört in allen Häusern ihr Unwesen treiben,
feit Kurzem ist ihnen ihr Handwerk untersagt.
Will ein Fremder dieses seltsame Schauspiel ge-
nießen, so muß er es mit Beihülfe einheimischer
Freunde in aller Stille zu bewerkstelligen suchen.
Ertappt man diese Anti-Vestalinnen, so harrt ih-
rer die Kettenstrafe. Ich sah deren fechte an
Einer Kette in einer Straße zu Kairo.
Den 19. Februar. Abends begab ich mich
nach der Nilbarke, die am Kanal meiner harrte.
Nach fünf Uhr fuhren wir ab. In der Nacht
erhob sich ein heftiger Wind, der ein ziemlich
starkes Gewitter herbeiführte, das jedoch nicht
lange währte. Diese Barken sind bequem einge-
richtet. Man liegt sehr behaglich darin, nur
Eins ist lästig, nämlich das Ungeziefer, dem man
ausgesetzt ist. Weiter hinauf am Nile quälen
76
Einen die Schnaken, welche schmerzhafte Stiche
zurücklaffen. Der Kanal ist höchst einförmig.
Rechts und Links sieht man Nichts, als aufge-
worfene Erdhügel. Besteigt man diese, so bietet
sich dem Auge eine weite Fläche dar, mitunter
von breiten Weihern unterbrochen, auf deren
Wafferfläche Tausende von Reihern und wilden
Enten und Gänsen umherschwimmen. Den 20.
Vormittags erreichten wir das Dorf Adve, wo-
selbst der Kanal in den breiten Nil mündet. Es
herrscht hier reges Leben. Eine Unzahl von
Barken und Waaren aller Art bedecken die Ufer.
Wir nahmen drei große Nilbarken mit Segeln
und hatten das seltne Glück, die ganze Fahrt in
37 Stunden zurückzulegen. Zweimal nur mußte
gezogen werden. Ich erstaunte nicht wenig über
die Ausdauer unserer Schiffleute, welche Tag
und Nacht bei der schweren Arbeit aushielten, ohne
im Geringsten zu ermüden; denn bisweilen waren
sie genöthigt, in's Waffer zu springen und das
Schiff mit Hülfe ihrer Schultern von den häu-
77
figen Sandbänken los zu bringen. - Die Fahrt
auf dem Nil gehört zu den angenehmsten, die
man sich denken kann. Die Ufer sind mit Dör-
fern und lieblichen Palmenwäldern befäet. Das
Land ist überall prächtig bebaut, namentlich das
fruchtbare Delta, das zu unserer Linken lag und
sich bis Kairo erstreckt. Weiter hinauf beginnt
zur Rechten die lybische Sandwüste. Ich stieg
zuweilen an's Land und durchstreifte einige Flu-
ren und Wäldchen, wobei ich mehrere eigen-
thümliche Vögel schoß. Wir bemerkten unter
andern auch ganze Züge von Störchen und Peli-
kanen, die sich am Ufer und auf den Sandbänken
des Flußes umthaten. Auch eine große Menge
von wilden Tauben fiel mir auf. Sie sind von
bräunlichter Farbe und etwas kleiner als unsere
Zahmen. Den 22. Morgens erblickte ich in der
Ferne, zur Rechten in der lybischen Wüste, die
großen Pyramiden, diese größten Wunderwerke
menschlicher Erfindungskraft. Bald darauf fuhr
das Schiff an Schubra vorüber, dem reizenden
73
Landsitze des Vicekönigs, dessen weitläufiger
Garten mit zu dem Prächtigsten gehört, was ich
Jemals gesehen habe. Bevor ich jedoch meiner
Ankunft in Kairo erwähne, muß ich noch eine
Scene schildern, deren herzzerreißender Anblick
mich im Innersten erschütterte. Ich war nämlich
Zeuge der Einschiffung der Konseribierten im
Dorfe Fuah. Diese armen Menschen wurden
unter unbarmherzigen Stockschlägen, je zwei und
zwei an Einander geknebelt, auf das bereit ste-
hende Schiff geschleppt, auf dem sie bis zu ihrer
Ankunft in Kairo, ohne Speise und Trank, ver-
blieben. Am Ufer drängten sich ihre Mütter,
Schwestern und Weiber wehe klagend und laut
heulend umher, rauften sich die Haare und schlu-
gen sich verzweifelt ins Angesicht, indeiß sie die
gefühllosen Kawaffen oder Aufseher gewaltsam
zurück drängten und mit ihren langen Stöcken
über Kopf und Rücken schlugen. Und selbst als
das Schiff schon weit hinweg gesegelt war, stan-
den diese unglücklichen Geschöpfe noch immer am
79
Ufer und winkten den Scheidenden unabläßig zu,
indeß die Luft von ihrem kreischenden Geheul er-
scholl. Nie wird der Anblick dieses Auftrittes
aus meinem Gedächtniß schwinden. Durch solch"
gräßliche Gewaltthätigkeit vermehrt die Regierung
nur den Abscheu vor dem Soldaten stande. Sie
würde durch sanftere Mittel viel leichter ihren
Zweck erreichen. Würde Mehemed-Ali nur Ein-
mal Zeuge dieses unmenschlichen Beginnens sein,
ich bin es von feinem so regen Streben in Be-
förderung der Civilisation fest überzeugt, er
würde dieser schändlichen Verfahrungsweise ein
Ziel setzen. – Nachdem ich am Städtchen Bou-
lak, dem Hafen von Kairo, mich kurze Zeit auf
gehalten, fuhr ich in Begleitung des österreichi-
fchen General-Konsuls von Laurin und Herrn
Bonford's, der mir vom Vicekönig beigegeben
worden, nach dem für mich eingeräumten Palais
Ibrahim-Paschas, Caffir-Ali genannt, der sich
damals gerade bei der Armee in Syrien befand,
und das mit seiner herrlichen, nach europäischer
Z0
Art entworfenen Garten-Anlagen, ein Werk Herrn
Bonford's, zunächst am Nile gelegen ist, der
Insel Rodda gegenüber. Herrliche Gemächer,
nach orientalischer Art eingerichtet, nahmen mich
auf. Die sorgfältigste Bedienung verlieh mir die
größte Bequemlichkeit während meines ganzen Auf-
enthaltes. -
-
Die Stadt Kairo trägt ganz und gar das
Gepräge des Orients. Die meisten Straßen
find zwar eng, jedoch im Ganzen reinlich. Die
einander gegenüber liegenden Häuser stoßen in
manchen Seitenstraßen beinahe zusammen. Die
Fenster sind gewöhnlich mit hölzernen Gittern
vermacht, der Frauen wegen, die niemals gesehen
werden dürfen. So wenig prächtig das Aeußere
der gewöhnlichen Wohngebäude ist, um desto
geschmackvoller ist die innere Ansicht in den Hof
und ihre Einrichtung. Die meisten und schön-
sten Gemächer bewohnen die Frauen, der Mann
begnügt sich mit zwei bis drei Zimmern. Bei
81
jedem Schritte stößt man auf eine Moschee
oder geschmackvoll verzierte Brunnenhäuser, welche
meist milde Stiftungen sind, indem das Waffer
hier zu Lande von großem Werthe ist. Den
großartigsten Ueberblick der Stadt genießt man
von der Citadelle aus. Es war gerade Sonnen-
Untergang, als ich sie bestiegen hatte. Zu meinen
Füßen lag die Stadt mit ihrer Unzahl von Häu-
fern, herrlichen Palästen und prächtigen Mo-
fcheen, deren schlanke zierliche Minarets im gol-
denen Abendschein der sinkenden Sonne erglänz-
ten. Man glaubt sich in die Sagen der Tau-
fend und Eine Nacht versetzt oder in eine magi-
fche Feenwelt, so überraschend neu, so fremdartig
und originell ist dieses majestätische Panorama.
Den im goldenen Feuermeere erglühenden Ho-
rizont begrenzten die ehrwürdigen Pyramiden,
und zu meiner Rechten blickten ernst und mah-
nend die Gräber der alten Kalifen herüber. Ne-
ben der Citadelle läßt der Vizekönig ein präch-
tiges Palais errichten. Thore und Verzierungen
6
sind von dem feinsten egyptischen Alabaster. Er
hat sich selbst sein Gemach ausgesucht, von wo
aus er die herrlichste Aussicht genießen wird. Da-
neben erbaut er auch eine grandiose Moschee, die
an Pracht und Schönheit mit den ältern der
Stadt wetteifern kann. Zunächst befindet sich der
fogenannte Josephs-Brunnen und die Menagerie
des Vizekönigs, worin sich nebst Andern mehrere
Löwen befinden. Die Grundmauern der Cita-
delle rühren noch aus den ältesten Zeiten der
Kalifen her. Der Vizekönig hatte den Befehl .
ertheilen laffen, mir einige Moscheen zu öffnen.
Jene des Sultan Haffan, auf dem großen Platze
am Fuße der Citadelle, ist die größte in der
Stadt. Man findet in dem Charakter der Ver-
zierungen ihrer Portale Anklänge, ja vielmehr die
Grundlage der gothischen Dome Deutschlands und
- Englands. Besonders mahnte es mich an die
Kirchen Palermos. Ferners besah ich noch von
den Interessantern die in hohem Ansehen stehen-
de Moschee Athar - el - Nebi, wohin sich Mehe-
83
med-Ali alljährig Einmal begiebt, um seine An-
dacht zu begehen. Sie ist vom Propheten gestif
tet und man zeigte mir in einem kleinen Seiten-
gemach den Stein, worin der Abdruck seiner Fü-
ße sich befindet, als er sie zum erstenmale betrat.
Ich spielte, wie natürlich, den frommen Gläubi-
gen; denn es ist mein fester Grundsatz, jede Re-
ligion und fei sie auch noch so sehr abergläubisch
oder widernatürlich, äußerlich wenigstens zu ehren.
Und ist denn unsere so edle, in ihren Grundzü-
gen so klare und einfache Religion nicht auch durch
manche Mißbräuche und durch geflissentliche Ver-
breitung des Aberglaubens geschändet worden?–
Sind es nicht gerade bisweilen Einige ihrer Ver-
treter, welche unter dem Volke diesen Aberglau-
ben nähren, um sich dessen unter dem Deckman-
tel der heiligen Religion zu bedienen? – Meh-
rere der Moscheen darf man nicht betreten. Es
war vom Vizekönig eine besondere Begünstigung,
daß mir der Eintritt in die Letztere gestattet wur-
de, denn sie ist im Grade der Heiligkeit die dritte
6
34
Die heiligste des Orients ist jene von Mekka,
dann jene des Omar zu Jerusalem und sodann
diese von Kairo. Den Boden der Moscheen be-
decken Strohmatten, die mit Schuhen oder Stie-
feln nicht betreten werden dürfen, daher ein Die-
ner jedesmal die Matte, über welche ich schreiten
mußte, umlegte, damit sie nicht entheiligt worden
wäre; denn um keinen Preis hätte sie jemals ein
Muselmann wieder berührt. Den Frauen ist
überhaupt der Eintritt versagt. Es sind nur ei-
nige Wenige, wohin sie sich zum Gebete begeben
dürfen. Eine Hauptzierde der Stadt bilden die
großen Bazars, in denen man die man nichfaltigste
Auswahl der zierlichsten und werthvollsten orien-
talischen Gegenstände findet. Die Lebhaftigkeit
in diesen Bazars, wie überhaupt in der gan-
zen Stadt, erinnerte mich vielfach an Paris, nur
bietet es durch die Fremdartigkeit des Ortes
und der verschiedenartigen Trachten bei Wei-
tem mehr Intereffe dar. Ich machte alle die-
fe Touren zu Pferde, und obgleich mehrere Ka-
35
waffen zu Efel mit ihren Stöcken die Menge aus
einander trieben, so hatte ich dennoch Mühe hin-
durch zu kommen. Sehr interessant ist die Kirche
der Kophten. Sie liegt ganz im Versteck, im
Alt-Kairo, dem eigentlichen Maffer, was sich
noch aus den Zeiten der Christenverfolgungen
herschreibt. Ebenso die griechische Kirche. Um zu
ihnen zu gelangen, kömmt man an den Grund-
mauern des alten Memphis vorüber. Die koph-
tische Kirche soll die älteste des Christenthums
fein. Die Mönche, fagte man mir, besäßen zwei
silberne Rauchfäßer aus den Zeiten der Kreuzzüge,
ein Geschenk eines bayerischen Herzogs, defen
Namen sich darauf befinden soll. Ungeachtet aller
Mühe konnte ich sie nicht zu Gesicht bekommen,
Der Prior hatte sich ohne Zweifel Herrn Bonfords
wegen, der egyptisch gekleidet ging, verläugnen
laffen, aus Furcht man möchte ihm später diese
Gegenstände abverlangen. Unter der Kirche befin-
det sich die Grotte eingemauert, in der die Jung-
frau Maria, während ihres Aufenthaltes in Egyp-
36 -
ten, mit dem göttlichen Kinde sich verborgen ha-
ben soll. Eine große Merkwürdigkeit ist der schöne
Aquädukt außerhalb der Stadt, dessen Grundge-
mäuer aus der Pharaonenzeit herrührt. Er versieht
die Citadelle mit Waffer. Auf der Insel Rodda
befindet sich der berühmte Nilmeffer oder Mi-
kias. Er steht in einer cisternartigen Vertiefung,
von vier Mauern, die oben geöffnet sind, um-
geben, an denen sich arabische Schriftzüge befin-
den. Mittelst zweier Oeffnungen steht der Bafin
mit dem Nil in Verbindung. Die Säule selbst
besteht vom Grund bis zum Kapitäl aus 16
Steinen, wovon jeder in 24 Karati geheilt ist
und 1%. Pick mißt. Der niedrigste Wafferstand
ist 7, der höchste 24 Pick. Als ich ihn sah, war
er bis zur Höhe von 9 Pick unter Waffer. Nicht
weit davon zeigt man den Platz, wo der kleine
Moses ausgesetzt gefunden worden. Den übri-
gen Theil der Insel, die eine halbe Stunde lang
ist, nimmt der prächtige Garten des Ibrahim-
Pascha ein, der sich unter der verständigen Lei-
87
tung des Herrn Bonford gestaltete. Er ist in
drei verschiedenartigen Abtheilungen. Man glaubt
sich nach Europa versetzt, wenn man in diesen
herrlichen Anlagen umherwandelt. Und doch war
Bonford, ein geborner Smyrniote, nie in Europa
gewesen, Großes Interesse gewährt der große
Sclavenmarkt. Er befindet sich ohnweit des einen
großen Bazars. Es ist ein mit halbverfallenem Ge-
mäuer umgebener Hof, in welchem mehrere Hun-
dert von Schwarzen aller Art auf der Erde umher
kauern. Einige befinden sich in kleinen Seiten-
gemächern. Im ersten Augenblicke glaubte ich
Affen vor mir zu sehen; denn mehrere von ih-
nen saßen zu oberst des Gemäuers und spielten
zusammen unter den drolligsten Gebärden. Sie
sind nicht sehr theuer. Die schönste Waare, die
Georgierinnen und Cirkaffierinnen, bekömmt man
nicht zu sehen. Diese werden den reichen Türken
vorbehalten. Es ist empörend, Menschen gleich
dem Vieh verkauft zu sehen. Sie müßen beim
Verkaufe ihre Zunge weisen; man untersucht die
Zähne, läßt sie nackt ausziehen und befühlt sie,
gleichwie es die Fleischer auf unsern Viehmärkten
zu thun pflegen. Bei den Zähnen muß man
genau acht haben, ob sie spitz oder stumpf ge-
formt sind. Die Erstern verrathen gewöhnlich ei-
nen schlimmen, die Letztern einen guten Charak-
ter. Ich kaufte mehrere dieser Schwarzen, um fie
mit nach Europa zu nehmen. Mehemed-Ali soll
gesonnen sein, diesem schmählichen Handel ein En-
de zu machen, doch sei es zu diesem Schritte noch
nicht an der Zeit, wie er sich ausdrückte. Es ist ein
Hauptzug seines Charakters, die Sitten und Ge-
bräuche seines Volkes nicht mit. Einemmale um-
zustoffen, so wie er auch die Gebote der Religion
und ihre Institute unangetastet läßt, während zu
Konstantinopel die Civilisation bisweilen zu vor-
eilig betrieben wird und daher vielleicht nicht von
Dauer sein dürfte. Ich machte ferner einen Aus-
flug nach dem eine starke Stunde entfernten He-
liopolis, wo ich den großen Obelisk bewunderte.
Auf dem Wege dahin besichtigte ich den breiten
Sikomoren-Baum, unter dem Maria auf der
Flucht nach Egypten geruht haben soll. Er be-
findet sich in einem herrlichen Citronen-Wald.
Ich erstaunte auf dem Wege dahin über die vor-
gerückte Kultur dieses fruchtbaren Bodens. Zu
meinem größten Staunen fand ich sogar Wein-
pflanzungen. Es ist kaum glaublich, wie Vieles
unter der Obhut Mehemed - Alis seit wenigen
Jahren geschehen ist. Ueberall erheben sich in
der nächsten Umgebung Kairos stattliche Fabrik-
Gebäude und Magazine. Im Städtchen Bou-
lak wähnt man sich in einer kleinen englischen
Fabrikstadt. Mehrere neugebaute Spitäler und
Erziehungs-Anstalten verkünden dem erstaunten
Europäer die Weisheit und das rege Streben
des Vizekönigs, sich unserer Stufe des Fort-
schreitens gleich zu stellen. Auf dem Rückwege
von Heliopolis besah ich die alten Kalifengräber,
die sich aus dem Sande der angrenzenden Wüste
erheben. Ihre Schätze wurden von den Franzo-
fen unter Bonaparte geplündert. Sehr freund-
lich ist das Palais von Schubra, in dessen Nähe
sich auch das berühmte Gestüt des Vizekönigs
befindet. Der Garten ist außerordentlich groß
und prachtvoll. Man fährt fort, ihn von Jahr
zu Jahr zu vergrößern und zu verschönern, doch
mangelt ihm die herrliche Aussicht jenes von
Rodda. Die Anlagen in der nächsten Umge-
bung der Stadt bestehen nur seit wenigen Jah-
ren. Sie sind in europäischem Geschmacke, mit-
unter unterbrochen von den lieblichsten Palmen.
Die schönste der Anlagen bleibt immer Jene,
welche das Palais Ibrahim-Paschas umgiebt und
sich bis zur Stadt hin erstreckt. Man nennt sie
Cassier - Doubara. Früher umgaben die Stadt
kahle Sandhügel, hinter denen sich Räuber versteck-
ten und die Vorübergehenden ausplünderten. Von
Allem dem ist jetzt keine Spur mehr. Ich hatte
auch das Vergnügen, zu wiederholten Malen dem
Vizekönig in Schubra meinen Besuch abzustat-
ten. Er empfing mich in einem geschmackvollen,
ganz nach orientalischer Art eingerichteten Salon.
91
Bei meinem Eintritt erhob er sich rasch von sei-
nem Kiffen, das auf dem Boden lag, grüßte mich
nach türkischer Weise und deutete mir an, mich
neben ihm auf dem Divan niederzulaffen. Der
erste Dragoman, Artim-Bei, verdolmetschte ge-
genseitig das Gespräch. Dazwischen wurde der
Kaffee und die Pfeife gereicht, welchen Dienst
junge Generale verrichteten. Mehemed-Ali ist
nicht groß und von untersetzter Gestalt. Sein
Auge ist lebhaft und verräth Klugheit und ju-
gendliche Lebhaftigkeit, ja bisweilen drückt sich in
seinem Blick. Ironie aus. Er zählt beinahe fie-
benzig Jahre. Ein langer weißer Bart ziert sein
geistreiches Antlitz, auf den er besondere Sorg-
falt zu verwenden scheint. Seine Hände sind so
klein und zart wie die eines Frauenzimmers. An-
fangs war er etwas zurückhaltend, später wurde
er jedoch so gesprächig, besonders als er mir von
seinen Jugendjahren erzählte, daß über der Visite
eine volle Stunde verstrich. Das Zweitemal währ-
te sie fast zwei Stunden. Mehemed-Ali ist außer-
92
ordentlich thätig. Er arbeitet den ganzen Tag
und kümmert sich um die kleinsten Angelegenheiten
feines Staates. Abends liebt er es, wenn ihn
feine Generäle und nähern Bekannten besuchen, um
mit ihnen zu plaudern. Zuweilen spielt er auch
eine Art langen Puff
Nachdem ich acht interessante Tage zu Kairo
verlebt, schickte ich mich zur Reise nach Ober-
Egypten an. Der Vicekönig hatte die Güte ge-
habt, mir drei seiner schönen Barken zu leihen.
Sämmtliche Schiffsmannschaft wurde auf seine Ko-
sten verpflegt. Ich hatte keine Zeit zu verlieren;
denn mit jedem Tage rückten wir der heißen Jah-
reszeit näher. Auch bedrohte uns der brennende
Kamsin, was so viel heißt, als ein Wind,
der fünfzig Tage hindurch währt. Sein Hauch
ist glühend und ermattend. Den 28. Februar
Abends, als am Aschermittwoche, fuhren wir in
drei Barken von Kairo ab, vom besten Wind be-
günstigt und beim herrlichsten Mondenschein. Ich
93
hatte mir vorgenommen, mich auf der Hinreise
gar nicht aufzuhalten, sondern erst im Rückwege
die Merkwürdigkeiten - der Vorzeit zu besichtigen.
Auch wurde der Wind nur zu bald veränderlich,
was die Fahrt sehr erschwerte. Mein Ziel war
bis zur zweiten Katarakte gesteckt.
Unser Heil mußte im guten Wind und in
unerschütterlicher Ausdauer bestehen; denn biswei-
len, zumal wenn gezogen werden mußte, mach-
ten wir des Tags nicht mehr als drei oder
höchstens sechs Stunden. Die Hitze nahm be-
deutend zu. Es hatte mitunter um zwei Uhr
Nachmittags 339 Rm. in der Sonne und 22° im
Schatten. Den 5. März hatte es um 11 Uhr
Mittags in der Sonne 35% ° Rm. und im Schat-
ten 24°. Die Nächte waren sehr kühl. Eine
halbe Stunde nach Sonnenuntergang, fieng es
immer an, bedeutend frisch zu werden. Gerade
dieser plötzliche Wechsel der Temperatur ist es,
der die größte Vorsicht erheischt; denn Ruhr und
Augenentzündungen find die gewöhnlichen Folgen
-
94
einer Verkältung in diesem Lande. Beobachtet
man dies und hütet sich vor dem Genuße vielen
und starken Weins, und hält man sich mehr an
leichtes Fleisch, Reis und gutes Gemüse, fo darf
man versichert sein, sich stets wohl zu befinden.
Unter Tags darf man sich noch so leicht kleiden,
man wird sich niemals erkälten. Die Gegend ist
im Allgemeinen öde, nur zunächst der Nil-Ufer
ist das Land meistens angebaut, mitunter erstreckt
sich jedoch die Wüste bis an den Fluß. Von
Zeit zu Zeit erheben sich liebliche Palmenwälder,
belebt von einer großen Menge wilder Tauben
und einer Unzahl ungeheuer großer Raubvögel.
Weiter hinauf, gegen die arabische Wüste, zieht
sich eine kahle Bergkette hin, deren gelbe Farbe
im brennenden Sonnenlichte blendend erglänzt.
Einer der höchsten Punkte ist der sogenannte
Vogelberg, auf dessen Gipfel, sich ein koptisches
Kloster befindet, dessen Mönche nackt an unsere
Barke geschwommen kamen und Almosen verlang-
ten, was sie gewöhnlich zu thun pflegen, so oft
95
sich Schiffe mit Reisenden nähern. Das Leben
auf dem Nil ist ein ächt orientalisches. Außer
der Lektüre in Champollions Briefen über Egyp-
ten und Nubien und musikalischen Unterhaltungen
am Abende, that ich den Tag über nichts, als aus
meiner langen türkischen Pfeife rauchen und Kaf-
fee trinken. Wurde mitunter bei ganz ungün-
stigem Winde gezogen, so durchstreifte ich biswei -
len die Fluren und Palmenwälder, um mir eini-
ge merkwürdige Exemplare von seltenen Vögeln
oder auch einen guten Biffen für unser Mittags-
mahl zu erbeuten. Eines Abends stießen ich und
Hauptmann Hügler auf einen Schakal, konnten
aber leider nicht zum Schuße kommen. Von
Minieh an, eine kleine Stadt am Nil, welche
einige hübsche Gebäude und eine Baumwollen-
Fabrik besitzt, muß man Nachts auf seiner Hut
fein; denn von hier an zeigen sich schon die
Diebe, welche oftmals unter dem Waffer an die
Barken heran schwimmen, um zu stehlen. Wir
stellten des Nachts immer einige Wachen aus,
96
um sicherer ruhen zu können. Der Diebstahl ist
ein Hauptfehler im Charakter des Arabers. Im
Allgemeinen sind sie gemüthliche und fröhliche
Menschen, die sorglos von einem Tag auf den
andern leben. Auch ist ihnen Religiosität keines-
wegs abzusprechen, nur hängen sie mehr an den
äußern Formen. Sie glauben, wenn sie sich des
Tags ein Paarmal zum Gebet auf die Erde wer-
fen, so sei die Hauptsache damit geschehen. Es
lebt dies arme Volk noch im Zustande rohester
Unwiffenheit, Folge des Mangels von Schulen.
Von Lesen und Schreiben ist keine Rede. Da-
von verstehen sogar die Meisten der höhern Klaf-
fen wenig oder nichts. Den 6. März feierten
unsere Schiffsleute die Himmelfahrt ihres Prophe-
ten. Sie bewillkommten mich, ihrer Sitte gemäß.
Es ist der Brauch, ihnen alsdann eine kleine Ga-
be in Geld zu spenden. Sie verzehren an diesem
Tage ein Lamm. Der Nil wurde an manchen
Stellen außerordentlich breit. Auf den Sandbän-
ken zeigen sich hinter Minieh schon Krokodile.
97
Unsere Schiffsleute behaupteten, Einige gesehen
zu haben, ich war bis jetzt noch nicht so glücklich
gewesen. Sie begeben sich in der Regel von
9 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nachmittags an's
Land. Den 8. März fuhren wir an dem Städt-
chen Manfalout vorüber. Abends legten wir in
der Nähe der Stadt Es-Siout an, die eine der
größten Oberegyptens und eine halbe Stunde
vom Ufer entfernt ist. Wir blieben die Nacht
über und den größten Theil des folgenden Tages
hier liegen, weil Proviant-Vorräthe zur Weiter-
reife eingekauft werden mußten. Am Gestade
befindet sich ein kleines Kaffee-Haus, in welches
Tänzerinnen kamen und uns ein kleines Ballet
zum Besten gaben, nachdem sie die Thüre der
Stube verschlossen hatten, um das Verbot nicht
allzu öffentlich zu verletzen. Ich kann nur sagen,
daß sie noch weit schamloser als Jene von
Alexandrien tanzten. Oft gesehen, gewährt die-
fes Schauspiel Ekel und Langeweile. Auch die
Tänze unserer Leute auf der Barke zeichneten
7
sich durch unzüchtige Bewegungen aus. Dazu
fingen sie und schlagen die Tarabuka, eine Art
länglichter Handtrommel von Thon, die mit
beiden Händen geschlagen wird. Den 9. um
halb 6 Uhr Abends setzten wir die Reise fort.
Den 10. hatte es um halb 12 Uhr Mittags im
Schatten 22% ° Rm. und in der Sonne 37°.
Die Herren von der zweiten Barke erblickten an
diesem Tage ein großes Krokodil. Einen sonder-
baren Anblick gewährte mir eine Anzahl von
ungeheuer großen Adlern, die sich auf dem
Sande zunächst des Flußes, die breiten Flügel
weit ausgebreitet, sonnten. Den 11. blies ein
heftiger Nordwind, der unsere Barke mit Blitzes-
schnelle dahin trug, so daß wir an diesem Tage,
die vielen Krümmungen abgerechnet, in gerader
Richtung 23 Stunden zurücklegten. Bei diesen
heftigen Windstößen, die häufig auf dem Nil
vorkommen, ist es durchaus nothwendig, daß
man die Leute von Zeit zu Zeit zur Vorsicht
ermahnt. Ich hatte befohlen, daß stets Einer
99
den Segeltrick in der Hand behalten sollte, was
auch immer der Fall war. Entsteht alsdann
mit Einemmal solch' ein heftiger Windstoß, so
läßt dieser den Strick nach und das Schiff
nimmt dann wieder mehr die gerade Richtung
an, denn es geschieht gar zu leicht, daß diese
Barken, welche in der Regel sehr schmal und
lang sind, umstürzen. Eine Unannehmlichkeit auf
dem Nil ist das häufige Auffahren auf den
Sandbänken, woran die Schiffer weniger Schuld
sind, als vielmehr, weil sich diese Sandbänke
alle Augenblicke an einer andern Stelle wieder
anhäufen, so daß man ihre Lage nie genau be-
stimmen kann. Gegen Mittag lag uns die
Stadt Ekhmim zur Linken. An den hohen
Bergen zeigten sich von Zeit zu Zeit Katakom-
ben. Auch bemerkte ich eine lange Karawane
von beladenen Kamelen, die über Einen dieser
Berge nach den Steppen Arabiens zog, welche
hinter dieser Bergkette liegen. Am Abende leg-
ten wir einige Stunden bei der Stadt Girgeh
7+
100
an, um Kohlen-Vorräthe und einiges Geflügel
einzukaufen. Die Stadt ist im Innern winkelicht,
wie die meisten dieser Orte. Der Bazar ist nicht
groß. Hier befindet sich eine Anstalt zum künft-
lichen Ausbrüten der Hühnereier. Ich schlenderte
später in der Dämmerung am Gestade umher,
gepeinigt von einem Troß zudringlicher Bettel-
kinder, in Lumpen gehüllt, als ich einen Euro-
päer bemerkte, der sich uns langsam näherte und
uns in deutscher Sprache anredete. Er trug
einen ziemlich langen grauen Ueberrock. Ein
langer, schneeweißer Bart hing ihm bis auf die
Brust herab. Auf dem Kopfe trug er eine
runde, schwarz-seidene Mütze, die Füße bekleide-
ten - hohe, röthlichte Juchtenstiefel und im
Munde steckte eine kurze hölzerne Pfeife. Es
war Baron von H –g, Gutsbesitzer in der
Nähe Münchens, eben auf dem Rückwege
von Theben nach Kairo begriffen. Ich hatte
ihn früher nicht gekannt und hätte niemals
geahnt, ihn so weit vom Vaterlande, in einem
101
Städtchen Oberegyptens, zu treffen und kennen
zu lernen. Er hatte keine Idee, wer ich fey.
Nachdem wir einige Zeit zusammen gesprochen,
fragte ich ihn, ob er mich kenne. Er blickte
mich ruhig an und fagte endlich: „Bekannt
fcheinen Sie mir, doch weiß ich nicht, wo ich
Sie hinplazieren soll.“ Jetzt erst nannte ich ihm
lächelnd meinen Namen. Da zog er seine
Mütze vom greisen Haupte, indeß ich eine Hand
ergriffen hatte und sie von ganzem Herzen schüt-
telte. Ich lud ihn zum einfachen Nachtmale auf
meiner Barke ein, wo wir lange vertraulich schwarz-
ten. Sein Benehmen gefiel mir, fo wie auch
feine Unterhaltung für mich sehr viel Intereffe
hatte, da er mit ruhiger Einsicht und biederer
Offenheit sprach. Ich liebe und ehre. Das.
Wie selten hören wir Fürsten diese Sprache! –
Dieser Mann, beinahe ein Siebenziger, reiste
ohne Diener und fast immer zu Pferde oder
zu Esel. Als ich ihm darüber mein Befremden
aussprach, erwiderte er gelaffen: „Was würde
102
mir ein Bedienter nützen? Wenn er krank würde,
hätte ich doch so viel wie Keinen und wäre
nur auf der Reise aufgehalten.“ Es wird über
diesen Mann bei uns viel gelacht und gewitzelt.
Das rührt hauptsächlich von feiner, bis auf's
Höchste getriebenen, einfachen Lebensweise her.
Auch mag das etwas Sonderbare feines Aeußern
viel dazu beitragen; denn in unserm lieben Deutsch-
land ist es leider heut zu Tage zur Sitte geworden,
die Menschen blos nach dem Schnitte ihres
Rockes zu beurtheilen; ebenso wie die politischen
Meinungen nach Zusammenstellung der Farben
und dem Schnitte der Bärte taxiert werden.
- - - - - - - -
- - - - - - - - - - - -
- Den 12. gegen Tagesanbruch ging die Reise
weiter. Der Wind blies wieder günstig. Ich
sah im Verlaufe von wenigen Stunden fünf
Krokodile, welche auf den Sandbänken sich sonn-
ten. Ich fchoß auf. Eines und fah, wie die
Kugel an seinen Schuppen abprellte. Man
mußfie unterhalb der Vorderfüße in die Weichen
163
zu treffen suchen; denn wenn sie schlafen, strecken
fie einen Fuß in die Höhe. Dahin muß man
zielen. Den 13. kamen wir nach der Stadt
Cheneh, berühmt durch ihren bedeutenden Kara-
vanen-Handel nach dem rothen Meere und durch
ihre vielen Töpferarbeiten. Die Stadt ist win-
kelicht und hat, außer einem Fabrikgebäude,
schlechte Häuser. Der Bazar ist ziemlich lang.
Man trifft auch Sklaven. Ich kaufte mir von
einem arabischen Kaufmann einen wunderschönen
kleinen Neger von neun Jahren, so hübsch, wie
ich in ganz Kairo keinen gesehen, Namens Mor-
gan. Er kostete nach unserm Gelde die geringe
Summe von 72 Gulden. Die Gegend um
Cheneh und auf dem Wege dahin ist sehr schön.
Einen malerischen Anblick gewähren die scharf-
bezeichneten Kontouren der Berge, deren Be-
leuchtung im Sonnenlicht und namentlich beim
Untergang einen wahrhaft magischen Eindruck
hervorbringt. Sie erscheinen alsdann in rosa
oder violette Schleier gehüllt. Von jetzt an
104
zeigen sich auch ganze Waldungen von Dom-
palmen, ein sehr lieblicher Baum mit dünnen
Aesten. Sie erinnern ein wenig an die schönen
Pinien Italiens. Wir hatten einige Mundvor-
räthe einzukaufen und mußten deshalb bis am
andern Morgen des 14. verweilen, wo wir die
Reise fortsetzten. Die Hitze war fehr arg. Es
zählte in der Sonne 34° Rm, im Schatten 23°.
Den 15. Vormittags 10 Uhr langten wir bei
Theben an. Eine Menge von Arabern drängte
sich um unsere Barken, theils kleine Gegenstände
von Alterthümern anbietend, von denen ich
Einige um höchst billigen Preis an mich brachte,
theils gesattelte Pferde und Esel an der Hand
führend, die man besteigt, um sich nach den
Ruinen zu begeben; doch ich beeilte mich, vor
Allem das Ziel der Reise zu verfolgen, das
noch immer ferne lag, obgleich ich nun, in gera-
der Richtung genommen, von Kairo aus bereits
160 Stunden zurück gelegt hatte. Bald darauf
fuhren wir an dem stattlichen Tempel und dem
herrlichen Obelisken von Luxor vorüber, welche
sich mitten im Dorf, das dicht am Ufer gelegen
ist, majestätisch erheben. Die Hitze war auch
heute drückend. In der Sonne hatte es 379 Rm.
und im Schatten 23% °.
Den 16. Abends gelangten wir nach Esneh,
nachdem wir mit großer Mühe kaum sechs Stun-
den zurück legten, Folge gänzlicher Windstille.
Wir übernachteten daselbst, weil Proviant einge-
nommen werden mußte, und verließen es erst
im Laufe des Vormittags des 17. März. Auch
ließen wir einen Schiffsmann der zweiten
Barke zurück, der schon seit einigen Tagen sehr
bedeutend erkrankt war, so daß Dr. Baier ein
Nervenfieber besorgte. Kaum hatte sich einen
Tag, sein Zustand gebessert, so reichten ihm seine
Kameraden heimlich eine rohe Gurke. Wenige
Stunden darauf verschlimmerte sich fein Zustand
neuerdings. Es ist bei dem gemeinen Araber
Sitte, jedem Kranken, das zu reichen, was er
106 -
begehrt, ja sie verbinden damit eine abergläubige
Furcht. Die Umgegend gleich. Jener von The-
ben, ist schön und fleißig bebaut. Schade nur,
daß der Fleiß des armen Bebauers so wenig
Nutzen aus feinen Arbeiten zieht; denn bis auf
einen ganz kleinen Theil gehört alles dem Vice-
könig, der ihm nur so viel überläßt, als er
zur Unterhaltung eines armseligen Hauswesens
bedarf. Ich lernte in dem Gouverneur von
Esneh einen artigen Mann kennen, der uns
zu unserer baldigen Weiterreise vielen Vorschub
leistete. Er besuchte mich auf meiner Barke,
gefolgt von seinem Pfeifenträger, einem bild-
schönen jungen Schwarzen. Er gab mir genü-
genden Aufschluß auf meine Fragen, die ich in
Betreff einiger Verhältniffe des Landes und
seiner Bewohner an ihn richtete. Am Nachmit-
tag hatte ich keinen kleinen Schrecken. Mein
Mulatte, Namens Wellington, setzte sich nämlich
auf den Rand des Schiffes. In Gedanken lehnte
er sich, in einer kleinen Bibel, die ihm auf dem
107
Wege von Patras nach Athen ein nordamerikan-
scher Missionär und Landsmann geschenkt hatte,
lesend, an die in einander gelegten Ruder. Sie
gaben nach und er stürzte rücklings ins Wasser,
so daß die Barke über ihn hinüberging. Ob-
gleich er gut zu schwimmen verstand, so hinder-
ten ihn doch seine Kleider und namentlich seine
Stiefel am Fortkommen und ich sah ihn mit
Schrecken, immer matter werdend, in die Fluth
sinken, bis ihn zwei Leute von der Barke, von
denen der Eine ein Brett nach sich zog, mit
fast unglaublicher Schnelligkeit erreichten und auf
das Schiff zurück brachten. Er hatte die Bibel
noch in der Hand. Die Nacht brachten wir wie
gewöhnlich, an einer steilen Uferstelle hin. Gegen
9 Uhr Abends hatte sich ein sehr heftiger Sturm-
wind erhoben, der die Wellen des Nils gewaltig
ans Ufer peitschte; so daß sich die Barke, gleich-
wie auf dem Meere, hin- und herschaukelte, was
mich an die peinlichen Tage der Seereisen mahnte.
Ich suchte mich dieser unangenehmen Erinnerung
108
durch die Lektüre im Werke des Trappisten Geramb
zu entheben, dessen Pilgerreise nach dem heiligen
Lande mich theilweise sehr angesprochen, doch eine
Unzahl von Fliegen ließ mir selbst am späten
Abend keine Ruhe. Die Fliegen des Nils find
die zudringlichsten, die mir jemals vorgekommen
sind. Man kann sich ihrer Frechheit kaum er-
wehren. Scheucht man sie hundertmal weg, fo
kommen sie tausendmal wieder. Beim Lesen
oder Schreiben zumal brachten mich diese lästigen
Thiere beinahe zur Verzweiflung. Ich möchte
wiffen, wozu diese Plagegeister geschaffen worden
find? Sie erinnern mich stets an die Zudring-
lichkeit mancher Menschen, die man ebenfalls
tausendmal hinweg jagt und die dennoch immer
mit erneuerter Frechheit wiederkehren. Den 18.
trug uns der noch immer heftige Wind mit
Blitze schnelle von dannen. Der Nil schäumte,
und vom Sturme aufgejagt, hüllte der Sand
der nahen Wüste die Gegend von Zeit zu Zeit
in gelblichte Schleier oder flogen uns feine feinen
Körner in’s brennende Auge. Ungeachtet der
bewegten Wogen ruderte ein Araber an unserer
Barke vorüber, auf einem Fahrzeug von beson-
derer Art sitzend. - Es war nämlich eine Art
von ganz kleinem Floß von Schilf, gerade so
breit, daß ein Mensch darauf sitzen kann, und
unten mit Kürbißen versehen, damit es sich über
dem Waffer erhalten konnte. Die armen Fischer
bedienen sich auch ähnlicher Fahrzeuge. An diesem
Tage fah ich auch einen Strich etlicher Tausend
von Störchen. Ich habe in meinem ganzen
Leben keine größere Anzahl von Vögeln auf
Einmal gesehen, wie es hier der Fall war. Bei
Sonnenuntergang fuhren wir an den Denkmälern
von Ombos vorüber. Wir erblickten die herr-
liche Tempel-Ruine, auf einem Hügel dicht am
Nil gelegen und auf das vortheilhafteste von
den letzten Strahlen der scheidenden Sonne er-
leuchtet. Mit eingebrochener Dunkelheit hielten
wir am Ufer an, wo wir nur noch sieben Stun-
den von Es-Souan und der ersten Katarakte
110
entfernt, übernachteten. Am Morgen des 19.
verriethen zahlreiche graulicht-schwärzlichte Felsen,
die sich zu beiden Seiten am Ufer und im Fluße
selbst über die Wafferfläche erheben, die Nähe
der ersten Katarakte. … Diese dunkeln Klippen
erinnerten mich in Etwas an die Felsenblöcke,
wie man sie in den reißenden Wildbächen der
Schweiz und Tirols wahrnehmen kann. Um eilf
Uhr Mittags hatten wir Es-Souan erreicht.
Der Anblick der Gegend ist, höchst eigenthümlich.
Ich kann sie nicht deutlicher und treffender schill-
dern, als wenn ich sage, fiel sieht aus, als wenn
fie der Schöpfer zu ordnen - vergeffen hätte.
Rechts und Links erheben sich gelb- und schwarz
gezeichnete Sandberge, dazwischen liebliche Pal-
men. Die Durchfahrt bis zum Landungs-Platze
ist sehr schmal und gefährlich. Unser Pilote ver-
wandte kein Auge. In mehreren Granitfelsen
find zierliche Hieroglyphen eingehauen. Ueberreste
von alten Gemäuern zeigen sich, hier und da
zwischen Felsen. Der Anblick des Ganzen ge-
111
währt einen höchst abentheuerlichen Eindruck. Ich
fühlte mich reichlich entschädigt für die vielen Stun-
den, die ich bis jetzt schon auf der Nil-Reise zuge-
bracht hatte. In Es-Souan wurde gelandet. Vor
mir lag die schön bewachsene Insel Elephantine.
Zur Rechten erhoben sich die Trümmer der alten
Stadt. Des Entzückens, der höchsten Bewunde-
rung voll, stieg ich an's Land. Hier müßen die
größern Barken mit Kleinern vertauscht werden,
um die Katarakte zu passieren, was nur Letztere
im Stande sind. Es wurden daher mit Hülfe
des sehr zuvorkommenden Gouverneurs - alle
nöthigen Vorkehrungen zur Weiterreise getroffen.
Unsere bisherigen Fahrzeuge sollten bis zu mei-
ner Zurückkunft dahier liegen bleiben. Das
Entbehrlichste sollte darauf zurückgelaffen werden,
Zur größern Sicherheit wurden, einige Diener
beordert, auf den Schiffen zu verbleiben, um
das hinterlaffene Gepäck zu hüten. – Es-Souan
selbst liegt am Abhang eines theils aus Sand,
theils aus Granit-Felsen zusammen gesetzten
112
Berges und im Schatten eines der malerischesten
Palmenhaine, die mir in Egypten vorgekommen
sind. Man glaubt sich in Mitte der zierlichsten
englischen Gartenanlage zu befinden, und doch ist
Alles nur ein reines Werk der in diesem Lande
verschwenderischen Natur. Wilde Tauben beleben
die Aete der Bäume und schwingen und schaukeln
sich auf ihnen, indeß das lustige Gezwitscher von
tausend kleiner Vögel die schattigen Räume des
Waldes durchschallt und die sich ängstlich ins
Dickicht der Palmenblätter verbergen, sobald sich
ein drohender Adler oder gieriger Geier in den
hohen Lüften zeigt. Ich fand daselbst auch eini-
ge Säulenreste eines alten Tempels, von dem sich
aufferdem keine Spur mehr zeigt. Ihre Form
ist schön. Als ich auf die Barke zurückkehrte, em-
pfiengen mich die Schiffsleute mit dem einstimmi-
gen Rufe: „Gott beschütze den Sultan auf seiner
fernern Reise!“ Dieser philantropische Wunsch
vereinigte jedoch einen kleinen Egoismus in sich,
den Wunsch nämlich, Geld zu erhalten, um sich
113
während meiner Abwesenheit Tabak kaufen zu
können, was dem Araber über Effen und Trin-
ken geht. Ich gewährte, wie natürlich, ihre
Bitte, wofür mir eine Art von Lebehoch zu Theil
wurde. Ich ließ sie jedoch ermahnen, meine zu-
rückgelassenen Diener in Betreff der Wachsamkeit
zu unterstützen. Der Araber thut nichts umsonst.
Für die kleinste Kleinigkeit streckt er die Hand
nach Geld aus; man muß ihnen daher auch nur
bedingnißweise Wohlthaten erweisen. Ich muß
eines komischen Ereignißes erwähnen, das an
diesem Tage vorfiel. Mein Arzt, Dr. Baier, hatte
dem Rais oder Schiffskapitän der zweiten Barke
ein Abführungsmittel verordnet. Kaum hatten
es die übrigen Schiffsleute erfahren, als sie von-
allen drei Barken zu ihm kamen, mit der Bitte,
er möge ihnen ein Gleiches thun. Ein Jeder
wollte durchaus purgirt feyn. Ich erwähne des-
fen nur, um einen Beweis von dem kindischen
Wesen dieses Volkes zu liefern. Indes bei uns
in Deutschland der Arzt auf dem Lande seine lie-
- 8
114
be Noth hat, bis er den kranken Landmann ZU
dem Gebrauche der unschuldigten Medizin nöthigt,
hatte Dr. Baier an der nubischen Grenze die größ-
te Noth, feine purgierlustigen Araber, denen auch
nicht das Mindeste fehlte, von der Unnöthigkeit
ihres Wunsches zu überzeugen. Die Homöopa-
thie würde in diesem Lande wenige Anhänger
finden, desto mehr ihre Gegner, denen ich, so
wie namentlich den Apothekern, hieher zu reisen
rathe. Am 20. Morgens verließ ich Es-Souan
und begab mich auf dem Landwege nach der Ka-
tarakte. Das Gepäck folgte auf Kamelen nach.
Der Weg führte zuerst durch die Ruinen der von
den Türken zerstörten alten arabischen Stadt und
durch die meist verfallenen Reste ihres Begräbniß-
Platzes. Kaum hatten wir sie passiert, so verloren
wir uns in einem chaotischen Labyrinthe dunkler
Granitfelsen, deren ungeheuere Maffen in den
abentheuerlichsten Formen übereinander gehäuft
sind. Die gereizte Phantasie verleiht diesen Stein-
blöcken mitunter das Aussehen riesenhafter Ge-
115
falten, ja, man glaubt bisweilen das koloffale
Antlitz eines Menschen zu erblicken. Nach Ver-
lauf einer Stunde befanden wir uns zunächst
der eigentlichen Katarakte. Es ist dieß nämlich
die felichte Stelle, wo sich der Nil an mehreren
Orten brausend über die Felsenklippen stürzt.
Seit dem Anblick des Kraters auf dem Vesuv
hat mich keine Gegend so sehr durch ihre Eigen-
thümlichkeit überrascht als diese. Gleich jener scheint
auch hier eine furchtbare Zerstörung obgewaltet
zu haben. Ich weilte auf einem Felsenblock nie-
dergelassen, geraume Zeit im Amtaunen dieses
höchst merkwürdigen und seltsamen Anblicks. In-
dessen zogen die Schiffsleute die Barken über die
Katarakte herauf, was nicht nur eine mühsame,
sondern auch eine gefährliche Arbeit ist; denn es
ereignet sich häufig, besonders wenn der Fluß
hoch ist, daß die Schiffe an diesen Klippen zer-
schellen. Ich hatte Gelegenheit, die Schwimm-
Fertigkeit mehrer junger Araber zu bewundern,
die mit außerordentlicher Kühnheit und Gewandt-
8 k
116
heit die Katarakte hinabschwammen. Sie schwim-
men auf eine ganz eigene Weise, indem sie mit
den Händen umherschlagen, den Kopf dabei hin-
und herwerfend. Einige setzten sich auf ein dickes
und langes, rundes Stück Holz, und ruderten
sich mit den Händen fort. Wieder andere legten
sich mit dem Bauche darauf. Diese Leute würden
in Europa ihr Glück machen, wollten sie sich für
Geld sehen laffen. Von hier aus begaben wir
uns nach einem, eine kleine halbe Stunde entfern-
ten Dörfchen, dem Landungsplatze hinter der Ka-
tarakte, wo unsere Barken uns aufnehmen soll-
ten, was jedoch noch mehrere Stunden währte.
Heute waren es gerade zwei Monate, daß ich
München verlaffen, und heute befand ich mich
schon in dem fernen Nubien. - - -
- Um die Zeit zu benützen, bis die Barken
angelangt sein würden, ließ ich mich nach der,
bloß eine Viertelstunde entfernten Insel Philä
hinüber rudern. So klein die Insel selbst, so
117
-
großartig hingegen ist der Anblick des majestäti-
fchen Tempels, der sie beherrscht, so zierlich jener
des Kleinern, der ihm zur Seite steht. Der
Eindruck, den fein Anblick in mir hervorbrachte,
läßt sich nicht beschreiben. Man staunt nur, wenn
man diese stolzen Ueberreste betritt. Selbst die
Farben haben sich noch an manchen Kapitälen
der Säulen und an den Figuren frisch erhalten.
Schade nur, daß an vielfachen Stellen der Van-
dalismus der Menschen die Zerstörungswuth, der
Zeit überboten hat. Mehrere der größern Figu-
ren an der Außenseite sind förmlich absichtlich
und mit Hülfe des Meißels heraus geschla-
gen. Ich verweilte lange Zeit in Mitte dieser
heiligen Räume, bis mich endlich die fürch-
terliche Hitze zwang, meine Zuflucht unter dem
Schatten einiger Palmen zu suchen. Doch schon
brannte mich die Haut meines Gesichtes, als
hätte ich sie mit dem schärfsten Meffer wund
geschunden. Auch die Augen glühten mir in den
Höhlen, was nicht eher nachließ, als bis ich sie
118
mit Waffer ausgewaschen hatte. Am Gestade
der Insel wurde übernachtet. -
- . . "
- Den 21. fetzten wir die Reise fort. Die
- Barken waren viel kleiner und das Innere so
nieder, daß man nicht aufrecht stehen konnte.
Auch bemerkte ich am Morgen einige hierogly-
phische Spuren an meinen Armen, deren Be-
deutung ich leider alsbald entziffert hatte. Kaum
hatten wir einige Stunden zurückgelegt, als
meine Barke schon an's Land stieß, indem das
Waffer durch mehrere Löcher eindrang, die der
Rais ganz übersehen hatte, der sonst, wie auch
feine Untergebenen, ein stiller und gutmüthiger
Mann war. Die Nubier sind viel verläßiger
und gesetzter als die Araber. Man hört nicht
das ewige Geschrei und Gezänke, wie es bei
den arabischen Schiffsleuten der Fall war. Ein
Hauptzug des nubischen Charakters ist, daß sie
sich des Diebstahls enthalten, fo daß wir des
Nachts unbesorgt ruhen konnten. Die Kleidung
1,19
des gemeinen Mannes besteht in einem weißen
Hemd, viele gehen auch ganz nackt. Als Waffe
tragen sie sehr häufig eine kleine, spießartige
Lanze und einen runden, mit einer Spitze ver-
sehenen Schild aus Giraffenhaut, mit dem sie
sehr geschickt jeden Steinwurf parieren. Am
Arme hängt ein dolchartiges Meffer. Die Wei-
aber unterscheiden sich wenig von den Araberin-
nen, blos, daß sie noch häufiger als Jene Ringe
in der Nase tragen. Des Rubiers Hautfarbe
ist beinahe ganz schwarz. Die Form ihrer Ge-
sichtszüge, namentlich ihre schwächlichere Bauart,
nähert sich schon dem Reger-Geschlecht. Der
Nil ist auf dieser Seite bedeutend schmaler.
Die Berge, meist aus dunklem Granit bestehend,
sind auch in ihrer Form ganz von den arabischen
verschieden und verleihen der Gegend einen
- höchst schwermüthigen Ausdruck. Dazwischen liegt
ein fast orangen-gelber, seiner Sand zwischen
den Schluchten aufgehäuft, gleichwie bei uns im
Hochgebirge der Schnee. Eine Menge kleinerer
120
und größerer Tempel zeigen sich von Zeit zu
Zeit am Ufer. Der Dörfer sind weniger als
in Egypten. Auch sind sie noch kleiner und
armseliger als die egyptischen. Ich besah das
Innere eines folchen Dorfes so wie auch das
eines sogenannten Hauses, das mehr einem
schmutzigen Backofen, als einer Wohnung glich.
Und in solch’ einem engen Raume liegt eine
ganze Familie auf Einander gehäuft. Bei unserm
Erscheinen näherten sie sich und begafften uns
mit großer Neugierde. Die Weiber bezeugten
anfangs Furcht; denn so oft Einer der Unfrigen
sich ihnen näherte, entfernten sie sich mit ängst-
licher Haft, bis ihnen die Männer Muth zu-
sprachen. Die Nacht dieses Tages brachten wir
in der Nähe des Tempels von Meroe zu, den
ich zu besichtigen, gerade noch Zeit hatte, da
eben die Sonne untergegangen war. Die Ueber-
reste sind nicht groß. Die Zeichnungen an den
Wänden noch ziemlich gut erhalten. Wir be-
fanden uns gerade am Wendekreise des Krebses,
121
Hier, sagt der Nubier, ey die halbe Welt. Die
Nacht, welche ich hier zubrachte, wird mir, das
Merkwürdige der Sache abgerechnet, gerade
unter dem Wendekreis sich zu befinden, ewig
unvergeßlich bleiben. Der geduldige Hiob kann
unmöglich mehr ausgestanden haben, als ich in
meiner engen, niedern Kajüte, die ganze Nacht
vor Hitze kein Auge zuthuend und dabei halb
aufgezehrt vom verschiedenartigsten Ungeziefer,
deffen es eine Menge gab. Selbst ein großer
Wurm fand sich in einer der Krawatten vor,
Zum größten Glück beschränkten sich die Ratten
auf meiner Barke nur auf den untern Raum,
was bei den beiden Andern nicht der Fall war.
Den 22. hatte ich Gelegenheit, eine Sonder-
bare Scene zu beobachten, die sich am Ufer
zutrug. Es lag nämlich daselbst ein armer
schwarzer Eifel angebunden, auf defen wundem
Rücken ein großer weißer Geier saß und ihm
unaufhörlich in das offene Fleisch pickte. Ob-
122
gleich der Esel den Kopf nach ihm drehte und
schüttelte, ließ sich dem ungeachtet der freche Vogel
nicht irre machen. Auch unsere Nähe schien ihn
nicht im Geringsten zu bekümmern, In der
Nacht erhob sich ein heftiger Sturmwind mit
einigen Tropfen Regen verbunden, was dahier
eine aufferordentliche - Seltenheit ist, sich aber
seit meiner Abreise von Kairo nun schon zum
Drittenmale ereignete. Den 23. und 24. fiel
nichts Bemerkenswerthes vor, auch blieb die
Gegend ihrem bisher geschilderten Charakter ziem-
lich getreu. Ich weiß von diesen beiden Tagen
nichts weiter zu sagen, als daß wir an. Jedem
kaum sechs Stunden machten, da unglücklicher-
weise in Folge einer starken langwierigen Krüm-
mung des Nils, gezogen werden mußte und da
unsere jetzigen Barken nicht dem Vizekönig ge-
hörten, daher auch mit wenigen Leuten bemannt
waren, so wetteiferten wir an Langsamkeit mit
der Schnecke, was meine ohnehin nur sehr ge-
ringe Dosis von Geduld in nicht, geringem
123
Maaße in Anspruch nahm, wozu noch kam, daß
ich mir alle Augenblicke den Kopf an Thüre
oder Decke der niedern Kajüte stieß, was mora-
lisch wie physisch zu den Haupt- Unannehmlich-
keiten des Lebens gehört, es mag nun an den
vergoldeten Wänden des Palastes oder an der
rusigen Holzwand einer armseligen Nilbarke der
Fall feyn. In diesen Tagen der Langeweile
lernte ich mehr als jemals den geistreichen Ex-
finder des Tabakrauchens schätzen, mit Hülfe
sdeffen Rauchs man die Furie, Langeweile ge-
nannt, zum Theil wenigstens, von sich abhalten
kann. Ich ziehe diese Art von Dampfmaschine
allen übrigen vor, welche, streng genommen, doch
nur das sichere Mittel sind, auf Kosten eines
einzigen Standes viele Menschen brodlos zu
machen. In Folge der übergroßen Anstrengung,
verbunden mit furchtbarer Hitze, unterlagen fast
am 25. unsere armen Schiffsleute. Der alte
Mustapha, der mir vom Vizekönig beigegebene
Kawas, begab sich sofort an's Land, um mehr
12
Leute zum Ziehen herbei zu holen, was ihm
nach langem fruchtlosem Streiten und Drohen
endlich vermöge der Schläge gelang, die er mit
einer Art von Grazie erheilte, wovon ich schon
mehrmals Zeuge war. Wenige Minuten darauf
hörten wir sie schon fingen. Die Prügel scheinen
hier entgegengesetzt zu wirken und die Geprügel-
ten willfährig und fröhlich zu stimmen. Wer
weiß, ob die Herren Aerzte aus diesem angege-
benen Mittel nicht eine neue Heilmethode gegen
die Hypochondrie in Anwendung bringen könn-
ten? – Besagter Mustapha war übrigens ein
guter alter Türke, voller Aufmerksamkeit im
Dienste, des Tags wenigstens eine fünfzehn
Taffen Kaffee schlürfend und keinen Augenblick
die geliebte Pfeife aus dem Munde laffend,
wobei er immer fehnsüchtig nach der Kochbarke
zurückblickte, die jeden Abend feinen Diensteifer
von Neuem stärkte und wobei er immer mit
höchstem Entzücken „Mangaria ! Mangaria!“
rief. Er begleitete Ibrahim - Pascha bei seinem
125
letzten Zuge nach Griechenland und erzählte uns
Mehreres von den Ereignißen bei der See-
schlacht von Navarin. Mehemed-Ali hatte ihn
feinem Sohne eigens beigegeben, damit er defen
Tollkühnheit im Zaume halten sollte. Ich habe
alle Ursache, seine Aufmerksamkeit und Treue
zu rühmen. Den 25. setzten wir die langwierige
Fahrt fort, wobei abermals wegen gänzlicher
Windstille gezogen werden mußte, was meine
Geduld auf die härteste Probe stellte. Nur das
mächtigere Gefühl von Wißbegierde siegte endlich.
Die Hitze wurde zudem mit jedem Tage heftiger,
auch stellte sie sich seit einigen Tagen frühzeitiger
ein, so daß ich mein Leben im wahren Sinne
des Worts im Schweiß meines Angesichts zu-
brachte. Am Nachmittag fuhren wir ganz dicht
an dem hohen Felsen von Ibrim vorüber, auf
dessen höchstem Gipfel die Ruinen des alten
Kastells gleichen Namens sich befinden. Unsere
Schiffleute mußten ziehend an den glatten Felsen
fortklimmen. Mehrere fielen ins Waffer herab,
126
ohne sich jedoch bedeutenden Schaden zuzufügen.
Unmittelbar darneben befinden sich in den Felsen
durchgehauene Eingänge, und wir konnten im Vor-
überfahren deutlich einige Malereien und bunte
Verzierungen an dem inneren Gemäuer entdecken.
Am Abende landeten wir in der Nähe eines Dorfes,
dem ansehnlichsten und reinlichsten, das ich bisher
gesehen. Es befand sich daselbst sogar ein kleiner
Minaret, weiß und roth gestreift, der sich zwischen
den herrlichsten Palmen und sonstigem üppigem"
Gesträuche, ganz freundlich ausnahm. Eine
Menge häßlicher Weiber mit ihren kurzen aber
mit Fett beschmierten dicken Haaren, die gleich
Jenen der Sklavinnen zu Kairo, wie Makaroni-
Nudeln herab fielen, saßen im Halbkreis unter
den Bäumen und spannen, indeß. Einige davon
zugleich ihre Kinder säugten, die mehr dem Affen-
als dem Menschengeschlecht anzugehören schienen.
Ich schoß dahier mehrere hellgrüne Vögel, Merops
(Bienenfreffer), deren langer dünner Schnabel dem
unserer Spechte ähnlich sieht. In dem Neste, das
",
127
mir auf Verlangen ein junger Nubier vom Baume
herabnahm, fand ich zwei ganz kleine grau-braune,
mit kleinen schwarzen Fleckchen besäete Eier.
Ich bedauerte mehr als jemals ein so schlechter
Naturforscher zu seyn; denn gewiß ist für den
Reisenden das Studium der Naturgeschichte Eins
der nützlichsten. Auch gelobte ich mir an diesem
Abende, sogleich nach meiner Rückkehr in die
Heimath die Güte des erfahrenen und gelehrten
Hofraths Schubert abermals in Anspruch zu
nehmen, der mir schon kurz vor meiner Abreise
so mannigfachen wohlmeinenden Rath und Auf
schluß ertheilt hatte, da er ebenfalls erst wenige
Monate früher von eben derselben Reise zurück-
gekehrt war, mit Ausnahme der Reise nach der
zweiten Katarakte. Die, wie gewöhnlich, über-
große Schwüle in meiner sogenannten Kajüte
ließ mich lange nicht zum Schlummer gelangen.
Auch die Lektüre im „Semilasso in Afrika“ die
ich, gegenwärtig selbst in Afrika, mit doppeltem
Interesse las, mußte sich des unerträglichen
123
Transpirierens halber beseitigen, und es blieb
mehrere Stunden lang nichts anderes übrig, als
ruhig auf dem Rücken liegend, dem Treiben
einer großen weiß-gelben Spinne zuzusehen, die
sich jeden Abend regelmäßig an der niedern
Decke meines Käfichs blicken ließ. Obgleich ich
gegen diese guten Thiere - einen absonderlichen
Abscheu hege, so huldigte ich doch beim Anblicke
meiner regelmäßigen Besucherin dem allgemein
verbreiteten Aberglauben, mir fchmeichelnd, darin
eine günstige Vorbedeutung für den glücklichen
Verlauf der Reise zu finden. Noch lange weilte
ich schlaflos, von den verschiedenartigsten Ge-
danken und Erinnerungen umschwirrt, auf mei-
nem Lager, das täglich härter zu werden begann,
bis ich endlich entschlief und mich der Gott der
Träume umfing.
- Als ich erwachte, strahlte der Morgenstern
in meine kleine Kammer, und schien mir traulich
entgegen zu winken, in einer Strahlen-Fülle
129
und Größe wie ich ihn in Europa noch niemals
leuchten gesehen. Es war um 4 Uhr Morgens
des 26. März. Mit Schrecken gewahrte ich,
daß abermals gezogen werden mußte; allein nach
Verlauf einer Stunde erhob sich plötzlich günstiger
Wind, so daß wir gegen 6 Uhr Abends die
beiden Felsentempel von Ibsambul erreichten,
welche sich wenige hundert Schritte vom Ufer
erheben, wo wir übernachteten. Niemals hat
mich ein Anblick mehr überrascht als diese beiden
Tempel, besonders der Größere mit feinen davor
sitzenden Riesengestalten. Lange verweilte ich in
stummer Betrachtung dieses großartigen Denk-
mals menschlicher Thatkraft und fühlte mich in
diesem heiligen Augenblicke zehnfach entschädigt
für so manche lange Stunde der Reise. Ibsam-
bul allein lohnt die Mühen der Fahrt. Nach-
dem ich die längste Zeit im Anschauen dieses
Riesenwerkes versunken dagestanden, betrat ich
die innern Räume, deren nähere Beschreibung
ich mir für den Rückweg aufspare; denn schon
9
130
brach die Nacht herein, ihren fernbesäeten dun-
keln Teppich über die Gegend breitend, und
hieß mich nach der nahen Barke zurückkehren.
Doch meine aufgeregte Phantasie war noch
immer mit dem Anblick des majestätischen Mo-
numentes beschäftigt, und ich fühlte jetzt erst
recht lebhaft, ich erkannte von heute an erst so
ganz, was der Mensch zu leisten und zu schaf-
fen vermag, wenn ihn Religion, Ruhmsucht und
eiserne Willenskraft beseelen. Natürlich müßen
ihm auch die dazu nöthigen Hülfsmittel zu Ge-
bote stehen, wie es dazumal der Fall war.
Des Nachts vernahmen unser alter Mustapha
und die Mehrzahl der Schiffsleute ein seltsames
Getöse im Innern des großen Tempels. Es
klang bisweilen, fagten fiel uns, als hätten sich
große Steine von der Decke losgeriffen. Der
Aberglaube dieser Leute schrieb es dem Teufel
zu. Sogar Mustapha stimmte dieser Behaup-
tung bei, er sagte auch am andern Morgen,
daß er seine Flinte in Bereitschaft gerichtet hätte
131
und fähien eben nicht sehr erfreut, als ich ihm
ankündigte, daß, sobald ich auf dem Rückweg
hier die Nacht wieder zubrächte, ich die Ursache
dieses gespenstigen Lärms genauer untersuchen
wollte. Und nun erzählten sie mir eine Menge
von Teufelsgeschichten, daß ich zuletzt vor Lachen
fast selbst des Teufels geworden wäre. "Daß
Mehemed-Ali den Aberglauben seines Volks nicht
theilt, beweist folgende Anekdote, die sich in den
ersten Jahren feiner Regierung zutrug. In
Egypten erregte dazumal ein junges Mädchen
großes Aufsehen. Sie war eine Art von Bauch-
rednerin, und gab vor, daß sie mit Gott und
dem Propheten sprechen könne. Wohlweislich
geschah dies stets nur in einem finstern Gemach.
Der Vizekönig vernahm dies, und theils besor-
gend, es könnten Unruhen oder Exzeffe daraus
entstehen, theils vielleicht auch von Neugierde ge-
trieben befahl er, sie zu ihm zu bringen. Und sie
an der Hand festhaltend, gebot er ihr, ihre über-
irdischen Gespräche und Prophezeihungen zu be-
9 k
132
ginnen. Doch das zitternde Mädchen war nicht
im Stande, auch nur eine Sylbe hervorzubringen.
Da zog er seinen Säbel, trennte ihr das Haupt
vom Rumpfe und sagte spöttisch zu den Um-
stehenden: „Da habt ihr eure Prophetin.“ –
Das Prophezeihen soll seitdem in Egypten aus
der Mode gekommen feyn. Vielleicht wäre er
mit. Einer unserer europäischen magnetisierten
Schläferinnen nicht so streng verfahren, um so
weniger, da es, in M. soll es wenigstens der
Fall gewesen seyn, meist blos junge hübsche
Personen sind, die sich zu dieser räthfelhaften
Operation eignen. Ebenso gefährlich als das
Wahrsagen fallen in diesem Lande bisweilen die
Liebes-Abenteuer aus. Hierzu diene folgendes
Beispiel, das für den Helden der Begebenheit
ohne Zweifel allzu romantisch ausfiel. Ein jun-
ger Grieche, vor Kurzem erst in Kairo ange-
langt, lustwandelte eines Tages in den schönen
Garten-Anlagen unterhalb der Fenster des Palla-
fes, den die Witwe des grausamen D–r be-
wohnte. Die als sehr begehrlich bekannte vor-
nehme Dame mußte ihn von ihrem vergitterten
Fenster aus beobachtet und fein vortheilhaftes
Aeußere ihr wohlgefallen haben, denn alsbald
näherte sich dem Spaziergänger ein Diener, der
ihn, unter dem Vorwande, ein vornehmer Herr
wolle ihn sprechen, zu folgen bat. Der forg-
lose Grieche that's und ist seitdem nicht mehr
gesehen worden. Ohne Zweifel wurde er später
bei Seite geschafft, was um so trauriger ist, da
diese hohe Dame eher häßlich als schön feyn
soll. Den 27. fuhren wir bei guter Zeit und
vom besten Wind begünstigt weiter, der sich
gegen Mittag zum kleinen Sturm gestaltete, so
daß die Barke, wie es auf dem Nil fehr häufig
geschieht, hin und her geworfen wurde und
manchmal dergestalt auf der Seite lag, daß das
Waffer bis an den Rand stieg und man sich kaum
mehr auf den Füßen erhalten konnte. So sehr ich
die Gesellschaft fchöner Frauenzimmer liebe, so
gestehe ich doch, sehr froh gewesen zu feyn, daß sich
13
Keines mit uns auf der Barke befand. Wir hätten
uns von ihren Schreckens- und Ohnmachtsscenen
nicht mehr zu retten gewußt. Ich schätze den
Muth einer Frau - weit mehr noch als beim
Manne, der ihn, ich möchte sagen, pflichtschuldigt
fchon von Geburt aus besitzen sollte, obgleich
mir leider schon mehrere Exemplare des Gegen-
theils vorgekommen sind. Nachmittags erreichten
wir Wady-Halfa, von wo aus noch 2 Stunden
bis zur zweiten Katarakte find. Leider mußten
wir den Rest des Tages unthätig verweilen,
da erst um Thiere geschickt werden mußte, die
uns am folgenden Morgen zu Lande nach der
Katarakte bringen sollten, da mit unsern Barken
nicht mehr hingerudert werden konnte. Ver-
drüßlich schlenderte ich im nahen Dorfe umher
und ließ mir durch meine Vernunft Geduld
predigen, eine schwere Aufgabe für einen Mann,
der noch nicht ganz dreißig zählt und der über-
dieß von Jugend an gewöhnt, oder beffer ver-
wöhnt ist, daß ihm auf den ersten Wink. Alles
135
zu Gebot steht. Bei meinem Erscheinen liefen
Weiber und Kinder mit lautem Zetergeschrei
davon, was meine Eitelkeit in unserm europäi-
schen Welttheil nicht wenig gekränkt hätte, wo
die Weiber, jedoch, Gott sei Dank, beim Ex-
scheinen eines Mannes gerade das Gegentheil zu
thun pflegen. Sie hatten sich aber bald beruhigt
und kehrten neugierig auf ihren frühern Platz
zurück. Der größte Beweis ihres Zutrauens
war mir, daß sie alsbald die Hände nach Geld
ausstreckten. Das Dorf wird von stattlichen
Palmen beschattet. Ich fah eine herrliche Gruppe
dieser Bäume. Sie bestand aus achtzehn schlan-
ken Stämmen, die Alle aus. Einer Wurzel
empor geschossen waren. Die Hauptmerkwürdig-
keit dieses Orts ist eine Art von Festung, die
aus Lehm aufgebaut ist. Sie ist für 1000 Mann
Infanterie groß genug. Die Baukosten betru-
gen die enorme Summe von 200 Thalern. Ich
bin fest überzeugt, unsere Deputierten würden
mit Freuden zu ähnlichen Festungsbauten ihre
136
Zustimmung ertheilen, ohne mit vielen Debatten
die kostbare Zeit zu vergeuden. Den 28. begab
ich mich bei guter Zeit zu Esel auf den Weg
nach der Katarakte; ich erreichte sie nach einem
Marsch von gerade zwei Stunden. Sie ist zwar
bei Weitem länger und breiter als die Erste;
doch muß ich offen bekennen, daß ich mir mehr
erwartet hatte. Es fehlt ihr ganz das Romantisch-
Pittoreske der Erstern, doch wird es mich nie
gereuen, auch noch diese wenigen Stunden eines
mühevollen Rittes (denn der hölzerne Sattel
meines erbärmlichen Thieres war um Vieles zu
kurz) beharrlich überstanden zu haben. Und
somit hatte ich das fernste Ziel meiner Reise
glücklich erreicht, und konnte nicht umhin, meinen
Namen in einen mächtigen Sandstein-Felsen ein-
zuschreiben, der sich oberhalb der Katarakte be-
findet und von dem aus man die beste Uebersicht
genießt. Ich schmeichle mir, meines Wissens
wenigstens, der erste europäische Prinz (näm-
lich als naher Verwandter eines königlichen Hau-
137
fes) zu feyn, der bis hieher gelangt und somit
das Land Dongola betreten hat.
Nachmittags trat ich die Rückreise an, deren
vorzüglichster Zweck die genauere Besichtigung der
Monumente feyn sollte.
- - - - -
Den 29, eine kurze Strecke ehe ich Ibsam-
bul erreicht hatte, besah ich, dicht am Nil in das
Innere eines Felsens gehauen, worein ein schma-
ler Eingang führt, den kleinen Tempel von
Abahuda oder das Grab der Märtyrer genannt,
den man, über nackte Felsen hin, mühsam erklet-
tern muß. Er besteht aus einem größern Ge-
mach von vier Säulen getragen, und drei kleinen
Seitenkammern. An der Decke des Größern
finden sich zwei christliche Figuren, Heilige dar-
stellend und noch ziemlich gut erhalten. An den
Wänden laffen sich noch die ältern egyptischen
Malereien erkennen, welche von den spätern
Christen in Bischöfe mit ihren Mützen ac. c.
133
umgewandelt worden sind. Bald darauf erreichte
ich das imposante Ibsambul. Ich hatte eine
wahre Sehnsucht empfunden, dieses Heiligthum
nochmals zu betreten. Die Fassade des großen
Tempels schmücken vier ungeheuere Koloffe, in
fitzender Stellung, die sich Einander ganz ähnlich
fehen und alle Vier Rhames den Großen dar-
stellen. Sie messen 61 Fuß in der Höhe. Tritt
man in den ersten und geräumigsten, der Säle,
fo erblickt man acht kolossale Caryatiden, welche
die Decke stützen. Jede dieser Statuen hat
30 Fuß Höhe und stellt abermals Rhames
den Großen vor. Im Ganzen stößt man auf
16 Gemächer. Eine Art von Sanktuarium macht
den Schluß, worin sich vier sehr schöne sitzende
Statuen über Lebensgröße vorfinden. Sie stel-
len Ammon-Rah, Phré, Phtah und Rhames
den Großen dar. Viele der einzelnen Figuren
fowohl als auch ganze Gruppierungen sind noch
gut erhalten, so daß an den meisten Stellen
-
189
sich sogar die Farben und goldnen Verzierungen
der Gewänder noch deutlich erkennen laffen.
Der kleinere Tempel, ebenfalls im Felsen und
nur wenige Schritte vom Großen entfernt, ist
in seiner Art gleich sehenswerth. Das erste und
umfangreichste Gemach wird von sechs nicht allzu
hohen aber breiten viereckigen Säulen getragen,
nach Außen mit zahlreichen Hieroglyphen, nach
den innern Seiten mit Figuren bedeckt. In
der Tiefe, dem Eingang gegenüber, sind noch
2 kleinere Gemächer. Das Mittlere derselben
hat zu beiden Seiten noch 2 kleine Seitenfam-
mern, in Allem 5 Gemächer. Beide Tempel
nebst den Fassaden und ihren riesenmäßigen
Statuen sind aus dem nämlichen Bestandtheit
wie der Bergrücken, in welchen sie gehauen sind,
nämlich aus Sandstein. Die etwas einförmige,
fandige Gegend mit ihren kahlen Bergen, die
sich in kleiner Entfernung längs des Nils hin-
ziehen, erhöht den ernsten und Ehrfurcht gebie-
tenden Eindruck, von dem man sich beim ersten
140
Anschauen dieses riesigen Denkmals einer an Ent-
würfen und in der Ausführung derselben unerreich-
baren Vorzeit durchdrungen fühlt. Nie wird die
heilige Erinnerung an Ibsambul meinem Geiste
entschwinden. Den 30. besah ich zwei der in den
Berg gehauenen Gemächer unterhalb Ibrim. Die
zwei höher liegenden schenkte ich mir; denn ich
hätte mich an einem Seil hinaufschwingen müßen.
Zudem war der letzte Stein, den ich hätte betre-
ten müßen, schon locker worden, auch verlor ich,
wie mich Dr. Baier, der sich hinaufgeschwungen
hatte, versicherte, nicht viel daran, wie überhaupt
das Ganze nicht viel Intereffe darbietet.
Den 31. in aller Frühe besichtigte ich den
Tempel von Derr. Er ist in einen Felsenhügel
gehauen und befindet sich dicht hinter der klei-
nen Stadt, zunächst ihres Friedhofes. Die äus-
fere Ansicht ist wenig überraschend; desto mehr
das Innere. Zuerst betritt man einen ziemlich
geräumigen Saal, in welchem sich sechs breite
141
viereckige, nach oben etwas dünner auslaufende
Säulen erheben. Diesem folgt in gerader Rich-
tung noch ein Kleinerer und zu beiden Seiten
deffelben noch zwei ganz kleine Kammern, in Al-
lem vier Gemächer. Hieroglyphen und Gruppi-
rungen sind größtentheils noch gut erhalten. Se-
fotris widmete diesen Tempel dem höchsten Gott
Ammon-Ra und dem Sonnengeist Rha-mses,
dem Schutzpatron des Siegers und seiner gesamm-
ten Linie. Derr ist oder soll vielmehr die Haupt-
stadt Nubiens sein. Das schönste an diesem arm-
feligen Flecken sind die herrlichen Palmen und
einige breitätige Sikkomoren, welche sich über die
baufälligen, meist aus Erde aufgehäuften Hütten,
erheben. Wenige Stunden hierauf erreichten wir
den Tempel von Amada, der auf der Höhe des
Ufers, wenige hundert Schritte vom Nil und
am Beginne der Wüste gelegen ist. Im ersten
Augenblicke, als ich feiner ansichtig wurde, erwar-
tete ich mir nicht den reichlichen Genuß, der mir
bei genauerer Betrachtung dieses erhabenen Mo-
112
numentes zu Theil wurde, was daher kommen
mochte, da dieser Tempel größtentheils im Sande
verschüttet ist. Im Innern der zahlreichen Ge-
mächer finden sich eine Menge von Hieroglyphen
und gut erhaltene und korrekte Zeichnungen, wel-
che, obgleich in kleinerm Maßstab, Jene von
Ibsambul übertreffen. Er ist von Thoutmosis III.,
erbaut und feine, in die beste Epoche der egypti-
schen Kunst fallende Skulptur, ist den Ueberre-
sten von Derr weit vorzuziehen. Der König
starb während des Baues, fein Nachfolger Ame-
nophis II. setzte jedoch das begonnene Werk fort.
Er ließ die vier Säle zur Rechten und Linken
des Sanktuariums, so wie einen Theil der vor
demselben befindlichen, ausbauen. Deffen Nach-
folger Thoutmosis IV. vollendete das Ganze.
Ich vermochte mich lange nicht zu trennen, fo
freudig überrascht hatte mich dieser herrliche Tem-
pel. Dazu gesellte sich nun noch der Anblick
der schönen Gegend, deren Horizont von schön
geformten Gebirgen umgrenzt ist - und die mich
143
an einige Punkte der Schweiz mahnte. Nur
mühsam trennte ich mich von diesem Platze, der
mir füße Erinnerungen an die Heimath erweckte,
die nur das Herz empfinden, die todte Feder
nicht zu schreiben vermag. -
-
Den 1. April. Morgens besah ich den Tem-
pel von Sebua, auch das Thal der Löwen ge-
nannt, von den Sphinxen, die sich theilweise da-
vor befinden. Auch einige aufrecht stehende Bild-
fäulen sieht man noch. Mehrere liegen, so wie
der hintere Theil des Tempels selbst, größten-
theils im Sande verschüttet. Die Steine des
Gemäuers find voller Riffe, man sieht, daß das
Gebäude ziemlich nachläßig gearbeitet worden, und
Eins der schlechteren Werke aus der Zeit Rham-
fes des Großen war. Es war dem Gott Phre
und Phta geweiht. Ich fand außer den Sphinxen
und Statuen nichts Interessantes daran. Gegen
Abend besah ich den Tempel von Meharrakah,
an welchem ich vierzehn schöne Säulen erblickte.
14
Er wurde später zu einer kophtischen Kirche be-
nützt, jetzt ist er theils verfallen, theils nahe da-
ran. Von Inschriften oder Zeichnungen fand ich
im Tempel selbst keine Spur. Nur an einem
etwas seitwärts darneben stehenden, einzelnen
Mauerstücke bemerkte ich eine weibliche Gestalt
und die eines Knaben davor. Der zierlich gear-
beiteten Umriffe zufolge hielt ich es für entwe-
der griechische oder römische Arbeit. Auch stieß
ich auf. Einen der verschütteten Blöcke, der eine
griechische Inschrift trug. Champollion erwähnt
dieses Tempels nur leicht hin, ja ich möchte
fagen, fast mit Geringschätzung, was daher kom-
men mag, weil er gänzlich der Hieroglyphen
ermangelt. Ich meines Theils kehrte zufrieden
nach meiner Barke zurück. Noch muß ich des
seltsamen Sonnenunterganges erwähnen, der am
heutigen wie auch am gestrigen Abend statt hat-
te. Die Sonne gieng nämlich, ihrer Strah-
len beraubt, ganz in Form des Mondes unter,
so daß ich, ohne davon geblendet zu werden,
145
lange in sie blicken konnte. Entweder war dies
Wirkung von Dünsten oder des Staubes der
nahen Wüste. Die Hitze war an diesem Ta-
gefurchtbar. Zudem hatte der glühende Kam-
fin einige Stunden geweht, der mich völlig er-
schlaffte und mir den Schweiß von der Stir-
ne tröpfeln machte. Den folgenden Morgen be-
fuchte ich den schönen und ziemlich großartigen
Tempel von Dakkeh, dessen Aeußeres sowohl als
die zierlichen Hieroglyphen im Innern mir aus-
nehmend gefielen. Sie sind mit besonderem Flei-
ße gearbeitet. Der heftige Nordwind zwang uns,
bis am folgenden Morgen unthätig liegen zu blei-
ben, was uns Alle der Verzweiflung nahe brachte,
denn bei Allen regte sich der Wunsch, sobald als
möglich wieder Kairo zu erreichen. Den 3. wur-
de gelandet, um den Tempel von Girsche-hussan
zu besuchen. Die Schiffsleute, unter dem Vor-
wande, sie könnten der Sandbänke wegen nicht
weiter voran rudern, hielten zu weit entfernt an,
so daß ich in der ärgsten Mittagshitze fast eine
- 10
146
Stunde im Sand hätte hinwaden müßen. Ich
sah ihn daher nur im Vorüberlegeln, was mich
sehr reute, als ich die Zeichnung von ihm fah,
welche mein Kabinetsmaler Herr von Maier, ent-
worfen hatte. Er ist theilweise in Felsen gehauen.
Am Abende besichtigte ich nochmals den Tempel
von Meroe. Den 4. April, nach hartnäckigem
Kampf gegen den noch immer heftig wehenden
Nordwind, landete ich zunächst des Tempels von
Kalabschi. Zuerst begab ich mich nach dem,
nur wenige Schritte von ihm entfernten, kleinen
Tempel von Bet-Oilally, der im Felsen gelegen
ist. Er zählt zwei niedere Gemächer, wovon
das erstere das größere ist und von zwei starken
nicht hohen Säulen getragen wird, den Form
schön ist. Außer den Gemälden fah ich zwei
Nischen in der Wand; in Jeder fand ich drei
kleine sitzende Figuren von Stein. Das zweite
Gemach ist noch viel kleiner. Im Hintergrund
befindet sich ebenfalls eine Nische, aber leer.
Auch hier sind Gemälde, jedoch ziemlich undeut-
147
lich. Ueberall herrscht wildeste Zerstörung. Von
hier begab ich mich nach den stattlichen Ruinen
von Kalabschi. Der Weg führte mich an dem
alten Steinbruch vorüber, aus dessen Maffen die-
fer herrliche Tempel einst erbaut wurde. Tritt
man durch das Thor in den ersten Raum, so
erblickt das freudig überraschte Auge sieben herr-
liche Säulen. Mit Mühe arbeitet man sich über
ungeheure Steinblöcke und Schutt nach den vier
anderen aber kleineren Gemächern, deren Wände
mit unzähligen Hieroglyphen und andern Zeich-
nungen befäet sind. Besonders die schönen Ge-
mälde der zwei Letztern zeichnen sich durch die
außerordentliche Lebhaftigkeit ihrer Farben aus.
Die vorherrschenden darin find ein herrliches
Blau und Violet. Es freute mich, Champollions
Aussage abermals bestätigt zu sehen. Zwischen
diesen großartigen Ueberresten glänzender Vorzeit
stößt man auf einige elende erdene Hütten der
Nubier, die ein trauriges Bild der Gegenwart
darbieten und noch weit entfernt sind zu ahnen, um
10
143
wie viel glorreicher der damalige Zustand ihrer
Vorältern gewesen als der jetzige, in dem fie,
ihre Nachkommen, sich befinden, welche größten-
theils nackt auf dem glühenden Sand umher lau-
fen und den Bettel der Thätigkeit vorziehen.
Im Herabsteigen vom Tempel fah ich einen
Augenblick dem Dreschen einiger Weiber zu, das
sie auf höchst einfache Art bewerkstelligten, indem
sie mit Palmenstöcken auf das eben erst geschnit-
tene Korn schlugen. In dieser Gegend wird auch
die Farbe, Heneh genannt, zubereitet, womit sich
die Morgenländer ihre Nägel an Händen und
Füßen röthlich-gelb färben. Kaum waren wir
einige Zeit gefahren, so erhob sich neuerdings
der widrige Nordwind, und zwar mit solcher
Gewalt, daß die plumpe Barke gezogen werden
mußte, was bei den steilen Klippen, die sich am
Ufer und im Fluße selbst erheben, sehr mühsam
war und das Schiff hätte beschädigen können.
Zuletzt, als wir uns ganz in Mitte steiler Gra-
mitfelsen befanden, konnte auch nicht mehr gez0-
* - -
19
gen werden und wir mußten abermals die läng-
ste Zeit auf günstigen Wind oder doch wenigstens
auf Windstille harren, was uns gerade nicht in
die heiterste Laune versetzte. Ueberdieß gingen
uns allmählig die Lebensmittel aus, und was
das Schlimmste war, das Brod, was in Nu-
bien, für uns Europäer wenigstens, kaum ge-
nießbar ist; denn es wird der ungesalzene Teig
blos auf eine dünne Platte von Eisenblech, die
über ein schwaches Feuer aus grünen Reitern
gestellt wird, gelegt und so lange darauf gelas-
fen, bis er braun zu werden anfängt. Vor-
her wird die Platte mit Oel bestrichen, damit
der Teig nicht zu sehr anklebe. Man kann sich
leicht vorstellen, daß diese einfache Art das Brod
zu backen, gerade nicht das schmackhafteste Ex-
zeugniß liefere. An diesem Abend, wo unsere
Geduld auf eine so harte Probe gestellt wurde,
erblickten einige der Herren ein Meteor, das sich
vom rechten nach dem linken Ufer des Nils 'her-
absenkte, gleichsam um uns für die fürchterlich
150
langen Stunden zu entschädigen. Leider fah ich's
nicht, da ich gerade an meinem Tagebuch fchrieb.
Nachdem sich um zwei Uhr Morgens der Wind
gelegt hatte, erreichten wir nach einigen Stunden
den Tempel von Deboud. Er ist größtentheils
zerfallen; doch stehen noch einige Mauern mit
schönen Säulen aufrecht, deren Form mich im
kleinern Maßstab an Jene von Kalabschi erin-
nerte. An der einen Seite entdeckte ich eine
noch ziemlich erhaltene Treppe; auch stieß ich
auf einen zertrümmerten Sarkophag aus-röthli-
chem Granit. Am Nachmittag erhob sich ein sehr
heftiger Sturm, der die Wellen dergestalt peitsch-
te, das ich mich auf einem kleinen Meere zu be-
finden glaubte. Obgleich sechzehn Menschen theils
zogen, theils ruderten, erreichten wir dennoch erst
nach Sonnen-Untergang und nur mit größter
Mühe die Insel Philae, deren herrlicher Anblick
mich neuerdings entzückte. Der lieblichste Mon-
denschein übergoß mit seinem Silberlicht die Gi-
pfel der Tempel und ihrer stattlichen Säulen,
151
über welche sich die dunkeln und zackigen Häup-
ter der nahen Berge phantastisch erhoben und
schwermüthig zu den zahllosen Sternen empor
blickten. Bevor wir uns zur Ruhe begaben,
verzehrten wir noch den letzten Ueberrest unserer
Lebensmittel, bestehend in einem zähen kalten
Huhn, das ohne Brod oder Zwieback verzehrt
werden mußte, da Beides längst ausgegangen
war. Ich überzeugte mich, daß man bei einem
spärlichen Mahl oft weit fröhlicher gestimmt fey,
als bei dem üppigsten, wo in der Regel Zwang
und Langeweile herrschen. -
Den 6. ritt ich zu Esel nach s
Unterwegs besichtigte ich einen Augenblick den
Granit-Steinbruch, aus welchem der Obelisk
von Luxor herrührt. Ich sah daselbst noch
Einen, halb verschüttet, der von ungeheurer
Länge und Breite, jedoch nur aus dem Rohen
gehauen ist. Den Hügel herabreitend, empfingen
mich die Schiffsleute der Barken des Vizekönigs
152
mit lautem Freudengeschrei; denn es waren fast
drei Wochen, daß sie hier in Es-Souan unthätig
hatten liegen müßen. Ich meines Theils freute
mich wieder der bequemen und reinlichen Barke,
die ich lange genug vermißt hatte. Mir däuchte
die freundliche Kajüte im Vergleich zu Jener,
die ich eben erst verlaffen hatte, ein Palast zu
feyn. Indeß die nöthigsten Lebensmittel einge-
kauft wurden, ließ ich mich nach der ganz nahen
Insel Elephantine hinüber rudern. Hier fand
ich nur noch zwei Thorpfeiler eines Tempels
aus röthlichem Granit, mit wenigen Hierogly-
phen beschrieben. Um diese wenigen Reste liegen
große Granitblöcke gestürzt; an Einigen be-
merkte ich noch die Einschnitte, worin sie einst
zusammengefügt waren. Unzählige Scherben de-
cken den Erdboden. Die Aussicht auf den Nil
und die zerfallenen Ueberreste der alten arabischen
Stadt Es-Souan ist höchst romantisch und
wurde erhöht durch den goldnen Schimmer, mit
welchem die funkelnde Abendsonne die Landschaft
153
überstrahlte. Auf dem Wege dahin bemerkte ich
eine sitzende Figur die Göttin Isis darstellend)
nicht sehr hoch und ebenfalls aus röthlichem
Granit. Auf der Rückseite zeigten sich einige
Hieroglyphen. Von hier kehrte ich wieder nach
Es-Souan zurück. Bevor ich von hier scheide,
muß ich noch meines verdienstvollen arabischen
Cicerone, Namens Machamed - Hassan, erwäh-
nen, der mich auf der Reise nach der zweiten
Katarakte hin und zurück begleitet hatte und ge-
naue Ortskenntniß besitzt. Auch spricht er das -
Italienische ziemlich gut. Ich kann ihn den hie-
her Reisenden nur auf das Beste empfehlen.
Da der Nordwind sich abermals gegen uns
verschworen hatte, so mußten wir noch einige Stun-
den ruhig liegen bleiben. Der herrlichste Mon-
denschein lud mich noch zu einem Spaziergang
in das nahe Palmenwäldchen ein, wo ich auf
einen kleinen Sklaven-Transport stieß, der sich
daselbst gelagert hatte. Nachdem ich von den
beiden Händlern einen Bund von Straußenfedern
154
gekauft hatte, ließ ich mich in ein Gespräch mit
ihnen ein, um nähere Aufschlüße über die Ver-
hältniße dieses, die Menschheit entwürdigenden
Beginnens zu erlangen. Sie selbst waren Araber,
die alljährlich mit unbedeutenden Handelsgegen-
ständen nach dem Senaar reisen, dort aber die
Schwarzen von denjenigen Leuten ankaufen, die
fie im Innern des Landes einfangen, Dies wird
durch eine Art von Parforge-Jagd bewerkstelligt.
Sie reiten nämlich hinaus und verbergen sich in
den Schluchten oder hinter Bäumen. Sobald
sich nun die sorglosen Neger von ihren Bergen
herab in die Ebene begeben, stürzen sie aus
ihrem Hinterhalt hervor und haben auf ihren
rascheren Pferden die Fliehenden bald erreicht
und gebunden. Diese Araber fagten mir auch,
daß sie dem Gouvernement eine Steuer zahlen
müßten, die ihnen ziemlich hoch kömmt. End-
lich legte sich gegen 10 Uhr der Wind und die
Barken stießen vom Lande. Mit einiger Vor-
ficht gelangten wir glücklich durch die letzten be-
155
deutenden Felsenriffe und ruderten beim fröhlichen
Gefange der Schiffsleute den Nil hinab, in des
den beruhigter Fluth sich der trauliche Mond im
schönsten Silberschimmer wiederspiegelte. Die
längste Zeit hielten unsere drei Barken ein förm-
liches Wettrennen und riefen sich einander spot- -
tend zu. Meine Barke flog, von ihren achtzehn
Ruderern unter wildem Jauchzen fortgezogen,
einem Pfeile gleich dahin und errang bei Weitem
den Sieg. Ich bin in meinem Leben niemals
so rasch in einem Schiffe gefahren. So find
diese Menschen. Anfangs kostete es viele Mühe,
sie zur Abfahrt zu bewegen. Sie wollten sich
immer des starken Windes halber entschuldigen,
obgleich er sich gelegt hatte, und kaum waren
wir eine Stunde unter Wegs, so begann schon
besagtes Wettrennen, das wirklich einzig in seiner
Art war. Den folgenden Vormittag widmete
ich der Bewunderung der Tempel von Ombos.
Der Kleinere, am Abhange des Ufers gelegen,
ist größtentheils zum Schutthaufen geworden,
156
dagegen bietet der Große einen majestätischen
Anblick dar, dessen gewaltiger Eindruck nie mei-
nem Gedächtniffe entschwinden wird. Die Säu-
len des Innern sind von ungeheurer Dicke,
bedeutender Höhe und auf das Mannichfaltigste
verziert. Jener Theil des Tempels, der sich
landeinwärts befindet, ist tief im Sande be-
graben. Im Innern sowohl wie zu oberst
des Aeußern laffen sich die Farben noch deutlich
erkennen. Auch viele der Hieroglyphen fand ich
bemalt. Die Ueberreste von Silsilis boten mir
weniger Interessantes dar. Sie bestehen in ei-
nem unterirdischen, mit Säulen gezierten Ge-
mach, einer Art von Portal aus dem Felsen
gehauen und in einer Menge kleiner Felsen-
Nischen, worin noch Spuren von Malerei und
kleine Figuren zu finden sind. Auch sah ich
in einigen der Felsen große hieroglyphische In-
schrifttafeln eingehauen. Rückwärts traf ich einen
großen Steinbruch. Bevor ich dahin gelangte,
gewahrte ich dicht am Ufer einen jungen Schakal,
157
der ganz vertraut, obgleich eine Weibsperson in
der Nähe arbeitete, auf dem Felde umher strich.
Wir fchoßen nach ihm, hatten aber das Unglück
ihn zu fehlen. Langsam schlich er auf den näch-
sten Berg, von wo aus er uns lange nachblickte.
Der prächtige und große Tempel von Edfu,
den ich Tags darauf fah, übertraf meine Er-
wartung. Nicht leicht findet man wahrhaft könig-
liche Pracht und Ehrfurcht gebietende Größe mit
anmuthigerer Schönheit und Gefälligkeit der
Formen vereinigt. Weit entfernt, dem fachver-
ständigen Urtheil eines Champollion zu nahe
treten zu wollen, der diesen Tempel als zu
überladen betrachtet, unterfange ich mich nur,
mein bescheidenes Urtheil dem günstigen Eindruck
gemäß auszusprechen, den dieses erhabene Kunst-
werk in mir, dem Laien in der Kunst und Wi-
senschaft, hervorbrachte. Eben diese großartige
Pracht nebst Vermeidung alles Ueberladenen ist
es, was den Beschauer in Bewunderung ver-
fetzt, und ich getraue mich zu, behaupten, daß
153
unsere heutigen Baumeister wohl fchwerlich im
Stande seyn würden, diesen Reichthum von
Schmuck mit dennoch so edler und würdiger
Einfachheit zugleich zu vereinigen, ohne sich des
Vorwurfs, ihr Werk im schlechten Geschmack
ausgeführt zu haben, schuldig zu machen. Schon
der Anblick seines Aeußern mit den beiden hohen
Pylonen, auf welchen sich eine Menge großer
Figuren gezeichnet befinden, ist überraschend und
läßt günstig auf die vollendete Schönheit des
Innern schließen, in welchem das Auge fünfzig
herrliche Säulen überblickt, wovon eine Jede
anders verziert ist. An Einigen bemerkte ich
noch Spuren von Farben. Beim Eintritt ge-
räth man zuerst in den weiten Vorhof, zu bei
den Seiten mit einer Reihe der schönsten Säu-
len. Als dann gelangt man in den innern: Raum,
deffen Decke von noch koloffallern und bei Wei-
tem prächtiger verzierten Säulen, als Jene des
Vorhofes getragen wird. Der hintere Theil, ist
ganz unter die Erde verborgen. Wie leicht und
lä9
ohne großen Kostenaufwand könnte die Regierung,
der ohnehin alle Mittel zu Gebot stehen, dieses
Heiligthum der alten Kunst der Erde entreißen;
allein für derlei wird in diesem Lande soviel wie
nichts gethan. Es ist als ein großes Glück zu
betrachten, daß Mehemed-Ali feit einigen Jahren
die Verschleppung von Alterthümern, durch ge-
winnsüchtige Europäer, beschränkt hat. Dieser
Bau muß einst von ungeheuerm Umfang gewe-
fen sein. Von noch jetzt vorhandenen Säulen
zählte ich allein Fünfzig. Ich bedauerte, keinen
jungen Architekten in meinem Gefolge gehabt
zu haben. Er hätte gewiß großen Nutzen aus
der Betrachtung dieses Meisterwerkes gezogen.
Er hätte abermals die bei uns so häufig ver-
schrieene Kunst des alten Egyptens schätzen und
bewundern lernen, die wohl, wie Alles in die-
fem Leben, leicht getadelt. aber nicht so leicht
erreicht werden kann. Unsere heutigen Baumei-
ster, zu stolz die gediegenen, die wahrhaft groß-
- - - - - - - -
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
artigen und edlen Gebilde des Alterthumes in
ihrer Reinheit wieder zu geben, ziehen es vor,
ihre Nachahmungen (denn felbst schaffen ist heut
zu Tage felten geworden» durch kleinliche und bis
zur Ueberladung angewandte Schnörkeleien zu
verunstalten, aus bloßer Eitelkeit, um als origi-
nell zu erscheinen, indeß manche viel beffer thä-
ten, sich streng an das Kopieren zu halten. Das
Gute oder Schöne nachzuahmen gereicht in kei-
ner Sache zur Schande.
Den 19. Morgens war es mein Erstes, den
im Innern noch gut erhaltenen, leider aber zu
einem Magazin verwendeten Tempel von Esmeh zu
besuchen. Ich fand eine große Anzahl der imposan-
testen Säulen, auf das Reichste und Verschiedenar-
tigste geziert, theilweise mit Spuren von Farben.
Schade, daß erst ganz kürzlich gezogene, elende
Mauern aus Erde, die zu Abtheilungen der ver-
schiedenen Niederlagen des Magazins dienen, die
Ansicht des prächtigen, mit unzähligen Hierogly-
161
phen geschmückten Saales, stören. Das Aeußere
bietet keinen erfreulichen Anblick dar; denn es liegt
ganz versteckt, umringt von elenden Häusern und
Ställen aus Erde. Ich näherte mich nunmehr mit
dem interessantesten Orte meiner Reise, dem Be-
zirke von Theben, diesem Allerheiligsten der egyp-
tischen und nubischen Heiligthümer. Bevor ich da-
hin gelange, muß ich noch des kleinen Felsentem-
pels von Elethya und feiner Katakomben erwäh-
nen, die ich Abends zuvor besehen hatte. Ich fand
ihn sehr zerstört. Durch die Unkenntniß unters
Führers irre geführt, streiften wir mehrere Stun-
den vergebens in den Bergen umher, deren Schoos
eine große Menge von Gräbern birgt. Einsam-
keit und tiefe Stille herrschten weit und breit,
nur ein aufgescheuchter Fuchs entschlich einem der
Gräber. Endlich langte ich in Luxor an und
eilte nach den nahegelegenen Ruinen, wo ich zu-
erst die Ueberreste einer imposanten Säulenreihe
bewunderte, die sich weniger durch Prachtaufwand
als vielmehr durch edle Einfachheit auszeichnet.
11
- 162
-
Sodann begab ich mich nach den, wenige Schritte
davon entfernten Pylonen, vor welchen sich drei
große, sitzende Figuren aus schwarzem Granit
und der ausgezeichnet schöne Obelisk befinden, der
aus röthlichem Granit verfertigt ist. Die eine
der Figuren ist dergestalt verschüttet, daß man
MUr mehr die Spitze ihrer Mütze bemerkt. Sie
zeichnen sich durch Reinheit und Fleiß der Ar-
beit aus. Die zahlreichen Hieroglyphen des Obe-
lisken find mit einer Deutlichkeit in den Stein
gehauen, wie ich es bis jetzt noch bei keinem der
Monumente getroffen hatte. Der Andere, welcher
sich neben ihm befand, ist nach Paris gebracht
worden. Man sieht noch die Grube, wo er gestan-
den. Die Gegend ist freundlich, nur schade, daß
fie vom furchtbaren Staube, den der heftige Kam-
fin unaufhörlich in die Höhe wehte, in undurch-
dringliche Schleier gehüllt wurde, der mich nach
der Barke zurück trieb, da er mir in Augen
und Mund drang und Erstere mich heftig zu
brennen anfingen, was auch das Zeichnen sehr er-
163
schwerte. Eine Menge zudringlicher Führer dräng-
ten sich auf meine Barke, wiesen mir ihre Zeug-
niffe, die sie von Europäern erhalten und boten
sich in höchst drolligem italienischen Kauderwelsch
an, mich für die nächsten Tage nach den Sehens-
würdigkeiten der Umgegend begleiten zu dürfen.
Aus ihrem raffinierten Benehmen läßt sich der
häufige Besuch dieser Orte von Europäern er-
kennen. Diese Bemerkung, die ich am Tage ge-
macht, bestätigte sich auch zur Nachtszeit, wo ich -
eine bedeutende Anzahl umherschleichender Gestal-
ten wahrnahm, deren Lockungen unsere gutherz-
gen Schiffsleute alsbald unterlagen. Den fol-
genden Tag mit dem Frühesten, ritt ich nach den,
nur dreiviertel Stunden von hier entfernten Tem-
peln von Karnak. In Mitte einer Reihe von
Sphinxen durchreitend, von deren Köpfen leider,
selbst am Boden nicht, eine Spur mehr vorhan-
den war, gelangte ich zu dem ersten und kleinern
der Tempel, dessen hohe Pylonen mir schon von
ferne entgegen gesehen hatten. Hatte schon die Be-
- - 11 k
164
sichtigung dieses imposanten und im Innern der
Gemächer mit den schönsten Zeichnungen versehe-
nen Gebäudes meine Bewunderung aufs Höchste
gesteigert, so versagt mir die Sprache ihre Dien-
ste, wenn ich jetzt den unauslöschlichen Eindruck
in bloße Worte übertragen sollte, den der mir
ewig unvergeßliche Augenblick, da ich die riesige
Säulenhalle des ungeheuern zweiten Tempels be-
trat, aus dessen Innerem mir ein Wald der ko-
lossalsten Steinmaßen, wenn ich mich so aus-
drücken darf, vor das staunende Auge trat. Ich
zweifelte einen Moment, ob ich ein Werk mensch-
licher oder göttlicher Kraft vor mir sähe. Wie ge-
sagt, ich würde umsonst nach Worten suchen, um
dem Leser nur einen schwachen Begriff von dem zu
geben, was ich zu erblicken so glücklich war, ja ich
fühlte in höherm Grade den Werth, Mensch zu
sein, ein und demselben Geschlecht anzugehören,
welches die große Idee, die fast übermenschliche
Kraft und unbegreifliche Ausdauer gehabt, ein Werk
zu beginnen und zu vollenden, das beinahe seine
-
165
Kräfte überstiegen hat, ein Werk, das eigentlich
nur ein Gott durch die Hände gewaltiger Riesen
hätte aufführen sollen. Ich hielt früher das, was
ich darüber in Büchern gelesen, für überspannt,
für bei Weitem übertrieben; nun begreife ich,
daß auch ihnen die Sprache den Dienst ver-
sagte, daß sie zu arm an Worten sei, folche
Empfindungen mitzutheilen. Vom Tempel streifte
ich über das weite Feld. Bei jedem Schritte bot
ten sich mir ehrwürdige, majestätische Ueberreste dar.
Bald erhoben sich mächtige Säulenstämme, bald
stieß ich auf halb zertrümmerte Obelisken, aus
dem schönsten Granit geformt; bald stieg ich wie
der in die Tiefe hinab, wo ich in die Gemächer
kriechen mußte, die Schutt, Erde und der Sand
der nahen Wüste in ihrem Schooße bergen, oder
ich staunte ob der theils fitzenden, theils stehen
den Koloffe, welche sich in Menge, mehrere aus
schwarzem Granit, mehrere aus weißem Marmor,
die meisten aber verstümmelt, mühsam aus der,
Erde erheben. Ueberall herrliche Zeichnungen von
Triumphzügen, von Figuren, denen man es an-
sieht, daß die Porträte fein mußten; ferners die
beiden noch aufrecht stehenden Obelisken, an wel-
chen sich Hieroglyphe an Hieroglyphe reiht; ein
Thor, ganz aus röthlichem Granit, Sphinxe mit
Widderköpfen und so noch Unzähliges größerer
wie kleinerer Gegenstände dieser weiten Ebene,
auf deren Oberfläche mir der verstümmelte Leich-
nam eines entseelten Riesen dahin gestreckt zu
liegen schien. Mehr geistig ermattet von der An-
strengung des Beschauens als von der steigen-
den Hitze des Tags, ritt ich nach Luxor zurück,
um mich auf meiner Barke von meinem ersten
Staunen zu erholen, zu schwelgen in der Erin-
nerung dessen, was mich so eben mit heiliger
Bewunderung und tiefer Ehrfurcht erfüllt hatte,
mit dem Vorsatze, mich am Abende nochmals da-
hin zu begeben, Vergleicht man die kolossale
Größe, den Ernst und Ehrfurcht gebietenden,
grandiosen Styl egyptischer Baukunst, so kann
man nicht umhin, selbst auf die Gefahr hin, von
167
der größern Gegenpartei als Barbar verschrieen
zu werden, einzugestehen, daß ihr, wenigstens
in Hinsicht des ersten frappanten Eindrucks und
des unglaublichen, fast übermenschlichen Kraftauf-
wandes, der ihre Werke zu Tage fördern half,
die Griechische nachstehe. An Lieblichkeit, an Zier-
lichkeit wurden sie allerdings von den Griechen
übertroffen, namentlich was die Skulptur und
richtige Zeichnung der Bildwerke betrifft, worin
die Egyptier nur geringe Kenntniß besaßen. Geht
man zurück, forscht man nach der Art und Weise
und nach den Beweggründen, welche die Werke
beider Nationen schufen, fo gewinnt jedenfalls
die Kunst der Griechen oder Römer, die, selbst
freie Männer, aus freiem Antrieb zur Ehre ihres
Vaterlandes oder um daffelbe verdienter Männer,
oder zur Anbetung der Götter ihre Tempel und
Triumphbögen erhoben, während bei den al-
ten Egyptiern mehr oder weniger die Eitelkeit
und der Despotismus ihrer Herrscher vorwaltete,
denen das Leben. Tausender so viel als Richts
163
galt, wenn nur dadurch ihre Eitelkeit befriedigt
wurde,
Nachdem es etwas kühler worden, ritt ich
nochmals nach den Tempeln. Lange weilte ich,
auf einem umgestürzten Steinblocke sitzend, in
Mitte der heiligen Stätte, über welche die schei-
dende Sonne ihren letzten Schimmer breitete,
und tiefe Wehmuth bemächtigte sich meiner, da
mein Blick über diesen großen Leichenacker mensch-
licher Größe schweifte. In diesen Räumen, die
vor Jahrtausenden vom feierlichen Gesang der
Priester und dem melodischen Klang ihrer Har-
fen ertönten, herrschte nun tiefe Grabesstille.
Der wehmüthige Ruf einiger Eulen allein drang
aus den öden Säulengängen zu mir herüber
und Tausende scheuer Fledermäuse umschwirrten
den Steinhügel, auf dem ich mich niedergelaffen
hatte. Mehr als Jemals lernte ich an jenem
Abende die Unbeständigkeit des Glückes, die
Hinfälligkeit menschlicher Größe erkennen. Und
169
auch diese ungeheure Schöpfung hatte der Wuth
der Menschen, der unerbittlichen Verheerung der
Zeit unterliegen müßen! So ist denn nichts von
Dauer auf diesem weiten Erdenrunde? – Und
diese gewaltigen Geister, deren Machtgebot alle
diese Riesentempel hervorrief, fie sind längst zu
Staube geworden, sie, die eine halbe Welt sich
zu Füßen geworfen. Also das ist des armen
Geschöpfes Loos, dieses oftmals so hochmüthigen,
mit seinen Plänen und Berechnungen so weit
aussehenden Menschen, daß er über kurz oder
lang zu einer Hand voll Erde werde? – Schau-
der durchrieselte mich. Leichtsinn also oder Hoff-
nung? – Ich raffte mich empor. Der Voll-
mond entwand sich eben einem dunkeln Gewölke,
als ich nach der Barke heimkehrte. Am andern
Morgen schiffte ich nach dem linken Ufer über,
und ritt in Mitte eines schmalen, steinigen
Thales nach den Königsgräbern, die sich im
Schoos der abenteuerlichst geformten Berge und
Schluchten befinden. Sie erregten in hohem
170
Grade meine Bewunderung; fie. Alle weit über-
treffend jedoch ist das prachtvolle Grab, welches
Belzoni entdeckt und ausgraben laffen. Diese
Pracht und Frische der Farben an den auf das
Schönste gezeichneten Figuren, diese Zierlichkeit
der Millionen von Hieroglyphen übersteigt selbst
die gespannteste Erwartung, und bildet in Hin-
sicht der fleißigen Ausführung und des darin
entwickelten guten Geschmackes in einer Art ein
würdiges Seitenstück zu den kolossalen Umriffen
des majestätischen Karnak. Der Glanz der Far-
ben ist noch so leuchtend, daß sie erst ganz kurz
aufgetragen zu sein scheinen. Einen hohen Berg
zu Fuß überschreitend, gelangte ich zu dem klei-
nen Isis - Tempel, dessen Zierlichkeit feinen
geringen Umfang ersetzt. Auf dem Wege dahin
erblickte ich eine Menge zerstreuter Stücke von
Mumien. Die Erde ist hier ganz von Gräbern
unterminiert. In dichten Staubnebel gehüllt,
Folge des aufs Heftigste wehenden Kamins,
erreichte ich den prachtvollen, Tempel von Me-
171
dinet-Abn , dessen ehrwürdiger Bau meine be-
sondere Aufmerksamkeit erregte. Nicht weit da-
von überthronen zwei Riesengestalten die weite
Ebene. Es sind die berühmten Memnonsäulen,
wovon die zur Rechten sitzende Töne von sich
gegeben haben soll, was mehrere altrömische und
eine griechische Inschrift, nebst Namens-Unter-
schriften, bezeugen. Eine Viertelstunde davon
entfernt erhebt sich das Memnonium mit seinen
umgestürzten Koloffen und würdevollen Säulen-
gängen. Endlich wanderte ich noch nach dem,
in edler Einfachheit erbauten Tempel von Kurnu,
und nachdem ich noch Einige der übrigen Grab-
stätten besucht, war ich mit den Schätzen des
alten Thebens zu Ende. Doch die Krone des
Ganzen bleiben unstreitig das riesige Karnak
am Rechten, das prachtvolle, von Belzoni aufge-
fundene Königs-Grab auf dem linken Nilufer.
Außer dem ehrwürdigen Ibsambul übertreffen
diese beiden Ueberreste bei Weitem die übrigen
Monumente.
---
172
Den 12. als am Gründonnerstage, verließ
ich das mir ewig unvergeßliche Theben und be-
suchte den Letzten der vorzüglichern Tempel,
jenen majestätischen von Denderah, eine Stunde
vom linken Nilufer entfernt. Er ist noch ganz
gut erhalten. Seine Säulen sind höchst imposant
und auf ganz eigenthümliche Weise verziert.
Obgleich aus einer Zeit stammend, der Römi-
fchen nämlich, wo der gute Geschmack im Abneh-
men begriffen war, wurde ich dennoch von seiner
hohen Pracht hingeriffen. Champollion tadelt
ihn. Etwas zu streng, wie fast alle Ueberreste,
welche nicht aus der Pharaonenzeit herstammen;
ich für meine Person fühlte mich von tiefer
Verehrung ergriffen, als ich diesen letzten Punkt
meiner Nilreife angestaunt hatte. Ich hatte nun
bis Kairo nichts mehr zu sehen. Die Gegend
war mir schon bekannt, es bemeisterte sich mei-
ner daher die Schrecklichste der Plagen, die
Langeweile, dadurch noch erhöht, daß meine
Existenz auf den kleinen Raum einer Barke be-
173
schränkt war. Ein Mann meines Standes kennt
zur Genüge diese Geisel, denn nur allzuoft sind
wir gezwungen, den Rücken ihren Streichen
preis zu geben; allein. Diesmal empfand ich
ihre Qualen auf's Höchste. Ich beneidete, wie
schon öfters, das glückliche Phlegma - mancher
Menschen, deren ruhiges Blut kein Sturm des
Lebens aus feinem gewöhnlichen Kreislaufe zu
bringen vermag, die sich in Freud und Leid
fast immer gleich bleiben, während mich angui-
mischen Menschen die Zudringlichkeit einer Fliege
in Harnisch bringt. Ich gedachte in diesen Ta-
gen, wo sich die Zeit einem Syropfaden gleich
in die Länge zog, eines berühmten Tonkünstlers,
deffen Bekanntschaft ich ein Jahr zuvor im Bade
zu K–n machte, und betete zu Gott, er möge
mir nur auf ein paar Tage wenigstens den be-
neidenswerthen Gleichmuth dieses Mannes ver-
leihen, den nicht. Einmal die Laune feiner
zänkischen Frau außer Faffung brachte und der
ihr, wollte sie mit dem Gezänke gar nicht
174
aufhören, ganz ruhig erwiderte: „Wenn du ge-
nug geschrien hast, wirst du schon aufhören.
Ich ärgere mich nicht.“ O dreimal glücklicher
Mann! Für dich wären diese peinlichen Stun-
den die füßesten Augenblicke deines Lebens ge-
wesen, indeß ich in halber Verzweiflung auf dem
Boden meiner Kajüte lag und mir von meinem
kleinen Neger die Mücken abwedeln ließ. Den
18. erbarmte sich unserer ein heftiger Kamsin, der
uns rasch von dannen trieb, so daß wir schon
in aller Frühe am Vogelberg vorüber segelten,
deffen kophtische Mönche uns abermals um ein
Almosen angingen. Am Nachmittage wurde der
Wind so arg und Alles um uns in solchen
Staub gehüllt, daß einige Stunden hindurch,
weder von Sonne noch Umgegend eine Spur
zu sehen war. Die ganze Atmosphäre schien
zu glühen und düstre, gelbe Dämmerung lag
über der Erde. Ich fühlte mich an allen Glie-
dern wie abgeschlagen. Den 20. April. Morgens
8 Uhr langte ich endlich in Kairo wieder an.
" - … 175
Ein großes Unternehmen war glücklich und be-
harrlich zurückgelegt. Obgleich es mit vielen
Mühseligkeiten verbunden gewesen, so reute mich
demungeachtet keine Einzige der vielen Stunden,
die ich auf dem Nil zugebracht hatte. Ich hatte
ja mit die größten und merkwürdigsten Gegen-
fände der Welt kennen gelernt.
Das erste Wort, das mir beim Aussteigen
aus der Barke zu Ohren kam, war, daß in
Alexandrien die , Pest ausgebrochen sei. Der
Leser kann sich wohl vorstellen, daß mich bei
dieser Nachricht ein ziemlich unheimliches Gefühl
ergriff; doch der mir wieder vergönnte wunder-
schöne Anblick der herrlichen Gartenanlagen und
im frischesten Grün prangenden Baumpflanzun-
gen, die meinen reizend gelegenen Wohnort um-
gaben, verbunden mit dem Anblick der nahen
Stadt mit ihren unzähligen, zierlich empor stre-
benden Minarets ließen mich bald die Hiobspost
vergeffen. Einem Vogel gleich, der seinem.
176 - -
Käficht entsprungen, sich zum Erstenmale wieder
der wonnigen Freiheit erfreut, durchwandelte ich
heitern Gemüthes die schattigen Gänge der Cy-
preffen, Platanen und Pappeln. Ich hatte fast
das Gehen verlernt. Durch das längere Tragen
türkischer Pantoffeln hatte sich der Fuß dermaßen
ausgedehnt, daß mir meine Stiefel in den ersten
Tagen ungeheuere Schmerzen verursachten.
Der Tag meiner Rückkunft fiel gerade auf
einen Freitag, den Sonntag der Muselmänner.
Ich begab mich daher am Nachmittage nach der
Moschee der Derwische, um Einer der seltsamsten
Ceremonien von der Welt beizuwohnen, die
jedoch statt eines lächerlichen einen höchst widri-
gen, ja ich möchte behaupten, einen unheimlichen
Eindruck in mir hervorbrachte. Ich glaubte mich
zuletzt in ein Tollhaus versetzt, dergestalt brüll-
ten, schrien und wirbelten sich diese bemitleidens-
werthen Menschen vor mir im Kreise herum.
Dazu wurde auf zwei große Tambourins geschla-
177
gen, und je schneller diese schlugen, desto heftiger
bewegten sich und brüllten die Gläubigen, bis
zuletzt - Mehrere in halber Ohnmacht, vom
Schweiße triefend, zur Erde sanken und durch
ein, von Zeit zu Zeit aus gepreßter Brust her-
vorgestoßenes Gestöhn den Uebrigen kund gaben,
daß sie des Anblicks des Paradieses theilhaftig
feyen. Einer der Aeltesten, ebenfalls in Ver-
zuckung gerathen, warf Geld, Rosenkranz, Uhr
u. f. w. von sich, was ein Jüngerer sogleich
aufhob und wohlweislich zu sich steckte. Kaum
hatte der Oberste der Derwische, ein dem An-
scheine nach feiner und kluger Mann, das Zeichen
zur Beendigung der Gebete gegeben, so wurden
Kaffee und Pfeifen gereicht, so daß in wenigen
Minuten sich die Scene in die eines gewöhn-
lichen Kaffeehauses umwandelte, was mir weit
vernünftiger däuchte. . . . .
- In diesen Tagen ließ ich mir auch die
geräumigen Stallungen, ste zeigen,
178
worin ich eine bedeutende Anzahl der edelsten
arabischen Pferde fand. Die Pferdezucht ist in
Egypten ganz herabgekommen. Was sie Edles
and - Schönes besitzen, beziehen sie aus Arabien
oder Syrien; denn ihre Pferde sind meist schwer-
fällig, und unschön. Die Behandlung derselben
geschieht im Stalle Ibrahims seit einigen Jahren
mehr auf unsere Weise, indes Jene des Vize-
königs noch immer an allen Vieren von rück-
wärts mit Stricken gefesselt, im Stalle stehen.
Die Stallungen Ibrahims faffen gegen 500 Pferde,
Was die Reiterei der Orientalen und die Dreßur
ihrer Pferde betrifft, so sah ich bis jetzt noch nicht
viel Rühmliches. Von einer geregelten Gangart
oder Stellung ist keine Rede. Sie lieben der
Bequemlichkeit halber die sogenannten Paßgänger.
Ihre Reitebe besteht in einem wilden Jagen
auf kurze Strecke, worauf sie ihre Pferde auf
der Stelle pariren und sie dann sich selbst über-
affen. Von regelmäßigen Hülfen haben sie nicht
die mindeste Kenntniß. Ihre Fütterung besteht
- -
179
in Gerste und Stroh. Letzteres läßt man sie
nach Belieben freffen. " -
Den 22. in der Frühe ritt ich nach den
weltberühmten Pyramiden von Gizeh, an deren
Fuß ich nach 2 Stunden anlangte. Im ersten
Augenblicke wurde ich von ihrer Größe nicht so
sehr überrascht, wie ich es vermuthet hatte: bei
näherer Untersuchung jedoch und nachdem ich die
Höchste derselben erstiegen hatte, überzeugte ich
mich zur Genüge von der erstaunenswerthen
Großartigkeit dieser Riesenwerke. Um bis zu
ihrer äußersten Spitze zu gelangen, brauchte ich
gerade 25 Minuten. Zwei arabische Führer,
Einer zur Rechten, der Andere zur Linken, er-
griffen mich an der Hand und so schwangen sie
mich von Stein zu Stein empor. Die oberste
Spitze besteht aus einem ziemlich breiten Quadrat,
von wo aus man das stattliche Kairo mit feinen
reizenden Umgebungen und das gesammte Nil-
thal überblickt. Hier endet sich die Wüste.
12 k
130
Gleich der Brandung des Meeres bricht sich ihr
Sand an den ersten Reihen bebauter Felder.
Nachdem wir am Fuße der höchsten Pyramide
das Frühstück eingenommen, krochen wir in's
Innere derselben, denn Gehen kann man dies
mühevolle Werk nicht nennen. Der Eingang zu
dem großen, aus Granit erbauten Gemach führt
durch einen steil hinanlaufenden Gang. Die
Führer leuchteten uns mit einer Kerze voran.
Von Hieroglyphen fand ich keine Spur. Von
hier aus besichtigte ich die, nur wenige Schritte
entlegene kolossale Sphynx, deren Anblick mich
in Staunen versetzte. Mehrere Ueberreste schöner
Sarkophage liegen zerstreut auf dem Sande um-
her. Mehrere Engländer bewunderten nebst mir
diese mit Recht so gepriesenen Wunder der Welt.
Fast täglich werden sie von den Reisenden heim-
gesucht, so daß es im Plane ist, daselbst ein
kleines Gasthaus auf europäische Art zu errich-
tem, was sich ohne Zweifel gut rentieren wird.
- - - -
“ - -
181 -
Am 24. fuhr ich auf einer Barke nach der
Kavallerie-Schule von Gizeh, dicht am ent-
gegengesetzten Ufer des Nils gelegen, deren
stattliches Aeußeres schon auf ihre innere Vor-
züge schließen läßt. Oberst Varin, ein geborner
Franzose und daselbst in Diensten gestanden,
empfing mich mit jener natürlichen Einfachheit
und Treuherzigkeit, die den Meisten der alten
Krieger aus Bonaparte"s ruhmerfüllten Zeiten
eigen ist. Er ist seit 8 Jahren in egyptischen
Diensten und Gründer und Vorstand einer An-
stalt, welche meine Erwartungen bei Weitem über-
traf. Nachdem ich die Stallungen der Schul-
pferde durchgegangen, führte mich der Oberst in
den großen Hof, wo eine Abtheilung der Zög-
linge mit europäischer Präzision vor mir exercirte.
Ich bewunderte ihre gute Haltung, ihre Rein-
lichkeit des Anzuges, ihre Ruhe und Schnellig-
keit der Bewegungen, ihre Fertigkeit in Führung
des Säbels und der Lanze. Das Innere der
Kaserne und die Einrichtung der einzelnen Zim-
182
mer läßt Nichts zu wünschen übrig. Ich glaubte,
mich in Europa zu befinden. Zunächst des
Hofes befinden sich zwei geräumige Reitschulen.
Die Eine ist im langen Viereck erbaut und
dient für den gewöhnlichen Reitunterricht und zu
der Produktion von Karruffelen, welche am
Ende des Schuljahres von den Zöglingen aus-
geführt werden und denen selbst der Vizekönig
nebst einem großen Theil des Publicums, beizu-
wohnen pflegt; die Andere ist rund und wird
zum Voltigieren benützt. Die Barriere ist von
Stein. Außerdem genießen die jungen Leute
vollständigen Unterricht im Lesen, Schreiben,
Rechnen und Zeichnen. Die Sattlung der Pferde
ist nach Art der Europäischen. Die Sättel selbst
find ganz wie die fogenannten ungarischen Böcke,
Das Reglement ist das neueste Französische.
Mehemed-Ali und Ibrahim-Pascha nehmen den
wärmsten Antheil an dem Gedeihen dieser so
nützlichen Anstalt, und unterstützen auf das Leb-
haftete einen Mann, der mit unermüdlicher
183
Thätigkeit seinem schwierigen Beruf obliegt.
Nur dem regen Streben des Obersten, der uner
bittlichsten Strenge allein konnte es gelingen,
dem Heere seines Gebieters die tüchtigsten und
gebildetsten, Krieger zu liefern. Ein gewöhnlicher
Eleve weiß hier mehr als die Mehrzahl der
ältern. Offiziere der Linie, wovon der größte
Theil kaum seinen Namen zu unterzeichnen, wer
mag. Ihre Uniformierung ist fast ganz auf
unsere Art, nur tragen sie zur Lancier-Uniforny .
den rothen-Tarbusch. Das Kollet, ist grün mit
rothen Aufschlägen und vergoldeten Knöpfen und
gelben Schnüren. Die Beinkleider sind, roth
mit weißen, bei den Offizieren mit goldenen
Streifen. Die sämmtliche Kavallerie uud reitende
Artillerie soll in Zukunft die engeren - langen
Beinkleider erhalten, was auch für den militäri-
fchen Reiter viel zweckmäßiger ist, der ungehin-
dert vom Pferde auf- und absteigen, muß, indeß-
er mit den ganz weiten sich überall verhängt,
-- - -
is
Der Oberst sprach mit Enthusiasmus von
den ruhmvollen Tagen, die er unter des ge-
waltigen Napoleons Zepter verlebt. Sein Auge
füllte sich mit Thränen, da ich ihm von Eugens,
des Vizekönigs von Italien, dieses edlen Fürsten
letzten Tagen erzählte, da ich ihm von seinem
allzu frühe entschlafenen Sohne August sprach,
deffen treues Herz im fernen Portugal zum
Letztenmale schlug, und den ich mit Stolz den
Liebsten meiner Freunde nannte. Mit innigem
Händedruck schied ich von dem Biedermann,
deffen altfranzösisches Wesen so sehr von der
heutigen Nonchalance vieler seiner Landsleute
von 1830 abstach. – – – “ –
– " - - - - - - –- - - - -
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-
Was die geselligen Verhältniffe Kairos be-
trifft, so bieten sie wenig Abwechselung dar. Die
europäischen Consuln leben höchst einfach und zu-
rückgezogen, und die Eingebornen gehenblos ihren
Geschäften nach, oder beschränken sich auf die.in-
nern Freuden des Harems. Ich fing an, mich nach
dem Umgange gebildeter Frauen zu fehnen, des
fen ich nun schon so lange entbehrte; denn außer
den dicht verhüllten weiblichen Gestalten, denen
ich auf der Straße begegnete, brachte ich meine
Stunden nur immer unter Männern zu. In
Gegenwart von Türken ist es nicht einmal Sitte,
den bloßen Namen „Frau,“ auszusprechen. Sich
nach dem Befinden derselben zu erkundigen, würde
136
A
als Neugierde oder Beleidigung angesehen wer-
den. Das Leben in diesen Harems ist höchst
einförmig. Die höchste Ergötzlichkeit gewährt ih-
nen gegenseitiger Putz und die wollüstigen Be-
wegungen der Tänzerinnen, deren es Eigne zu
diesem Zwecke gibt. Wohl ereignen sich zuweilen
geheime Liebes-Abenteuer an dritten Orten, wer-
den sie jedoch entdeckt, so büßt die Schuldige mit
dem Leben. Sie wird, in einen Sack genäht, in
den Nil geworfen. Die Zahl der Weiber richtet
sich nach den Vermögens- Umständen des Man-
nes. Trennung ist häufig und ohne große Schwie-
rigkeiten verbunden. Was die Europäer anbelangt,
so findet man hier von allen Nationen, Die Mehr-
zahl derselben kömmt in der Hoffnung hieher, sich
ein Vermögen zu erwerben; viele flüchteten aus
verschiedenen Beweggründen aus ihrer Heimath,
weßhalb ihre Gesellschaft nicht aus den empfeh-
lungswertheiten Individuen zusammen gesetzt ist.
Die Malteser namentlich, deren es hier eine Men-
ge gibt, stehen nicht im besten Rufe. Ich be-
137
merkte dahier auch einen großen Hang zu Schwä-
zereien, dem ähnlich, der in unsern kleinern deut-
schen Städten jede Art geselligen Vergnügens zu
verpesten bemüht ist, und bei uns mit jedem Jahre
zunimmt, so daß der unschuldigte Scherz zum
gröbsten Vergehen gestempelt wird, von Leuten
meistens, welche den Balken in ihrem eigenen Auge
nicht wahrnehmen. … – – - -
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- – 1 – - - " –- -
Einige meiner angenehmsten Stunden ver-
lebte ich im Kreise der liebenswürdigen Familie des
Herrn Bonford, dessen freundschaftliche Dienstfer-
tigkeit meinem Gedächtniffe niemals entschwinden
wird. Ibrahim-Pascha besitzt in ihm einen thätigen
Geschäftsmann, dessen alleinige Zerstreuung in em-
siger Verrichtung der ihm obliegenden Arbeit besteht.
In den letzten Tagen besah ich auch noch
die Küchen Ibrahim-Paschas, in der Nähe seines
Palastes gelegen. Sie sind sehr geräumig und
ganz verschieden von den Unfrigen eingerichtet.
Täglich werden achthundert Schüffeln in selben
gekocht. Die arabische und türkische Kost be-
steht meist aus süßen Speisen. Sie erinnerte
mich bisweilen an die n–e Kochmanier, nur
mit dem Unterschiede, daß man hier mit Plat-
ten überhäuft wird, indeß man sich dort kaum
fatt effen kann. Hätte mich da selbst nicht die
prahlerische Geschwätzigkeit zur Genüge gesättigt,
ich wäre wahrhaftig fast verhungert. Wie im
Effen sind sie auch im Trinken sehr mäßig,
denn als ich vor mehreren Jahren durch ei-
ne kleine n–e Stadt reiste, ließ ich mir eine
Flasche Champagner auf mein Zimmer bringen.
189
Mehrere Personen, die sich im Gastzimmer be-
fanden, hatten es bemerkt und äußerten sich ge-
genseitig, ich müßte ein sehr reicher Mann feyn,
da ich für mich allein eine ganze Flasche Champag-
ner bestellt hätte. Was das Trinken betrifft,
haben sich die heutigen Muselmänner unserm Ge-
brauche ganz und gar angeschloffen. Besonders
im Genuß des Rakich, einer Art äußerst star-
ken Brandweins, suchen sie ihres Gleichen. Es
giebt. Viele, selbst unter den Vornehmsten, wel-
che jeden Abend zwei große Flaschen davon
leeren. Auch die Frauen verschmähen dieses Ge-
tränk keineswegs, am allerwenigsten eine gewisse
kosmopolitische Art derselben, deren Fertigkeit in
diesem Punkte mich in Erstaunen setzte. Bevor
ich meine Skizzen über Egypten schließe, muß
ich noch der mehr als freundschaftlichen Auf-
nahme erwähnen, die mir von Seite. Mehemed-
Ali's zu Theil wurde, welches mir um so schmei-
chelhafter war, da ich sie von einem Manne ge-
noß, dessen gewaltiger Unternehmungsgeist Egyp-
190
ten um einige Jahrhunderte früher feiner Civili-
fation näher rückte. Was er zur Beförderung
des Fabrikwesens, des Handels, was er in mi-
litärischer und namentlich in polizeilicher Hinsicht
Gutes und Aufferordentliches geleistet, erfüllt den
aufmerksamen Reisenden mit Bewunderung für
einen Fürsten, dessen heller Geist binnen wenigen
Jahren ein so zu sagen wildes Volk auf eine
solch überraschende Stufe der Bildung zu schwin-
gen vermochte, in einem Lande, wo selbst die
Religion dem beßern Fortschreiten Hindernisse dar-
bot. Demungeachtet wußte er das einmal festge-
setzte Ziel zu erreichen, ohne zu grell gegen die
Gebote seines Glaubens zu verstoßen; denn er
vermeidet Alles, was in den Augen der Oeffent-
lichkeit verletzen könnte, wohl wissend, daß die
Menge nur durch religiöse Bande im Gehorsam
zu erhalten sei. Würde er seine unersättliche
Eroberungssucht bezähmen, vorzüglich genährt
durch seinen bis zur Tollkühnheit tapferen Sohn
Ibrahim-Pascha, so bliebe ihm alsdann mehr
191
Muße übrig, feine Sorge auch auf das persön
liche Wohl und die Bildung seines Volkes zu
verwenden. Besonders fühlbar ist der gänzliche
Mangel förmlicher Volksschulen, ohne welche an
keine wahrhafte Erziehung zu denken ist. Möge
der Himmel seine Bemühungen krönen, möge er
diesen wahrhaft großen Mann diesem Reiche noch
lange erhalten. ,
Schlüßlich drängt es mich, dem österreich-
schen Konsul, Herrn Champion, öffentlich meinen
Dank für seine freundliche Dienstwilligkeit darzu-
bringen, mit welcher er mir während meines hie-
figen Aufenthaltes entgegen kam. Stets werde
ich mich. Seiner dankbar erinnern. Es gibt viele
Leute seines Gleichen, die dem Reisenden schein-
bar dienen wollen, ihm aus freien Stücken Ver-
sprechungen machen, und sich zuletzt, aus was
irgend für einem Grunde, unvermerkt zurück-
ziehen, was ihn nur hinhält und unangenehmer
ist, als gar keine Dienstleistung. Bei Herrn
Champion war es, der entgegengesetzte Fall, …,
192
" Den 28. April verließ ich an der Spitze
einer Karawane von 115 Kameelen - und Drome-
daren die Stadt Kairo. Herr Bonford und Ali-
Bei, der Chef des Hauses Ibrahim-Pascha's,
begleiteten mich zu Pferde bis vor das Thor.
Ich selbst ritt einen syrischen Fuchs, ein tüchti-
ges Pferd, das ich mir eigens für diese Reise
gekauft hatte, da mir das Reiten auf dem Dro-
medare viel zu langweilig däuchte. Da ich erst
am Mittage aufgebrochen war, fo schlug ich die
Zelte schon im Dorfe Kangeh, eine Viertelstun-
de von Abuzabel und vier Stunden von Kairo
entfernt, auf. Es hatte sich mir Graf Welsers-
heim, österreichischer Generalkonsul zu Ankona,
der mit mir die Reise vom Pyräus nach Alexan-
drien auf dem Dampfboote gemacht hatte, ange-
schloffen, dessen artige Gesellschaft nur beitrug,
mir die Stunden der Landreise zu verschönern.
Des andern Tages hielt meine Karavane in dem
Städtchen Belbeis an, nachdem wir eine höchst
fruchtbare Ebene durchzogen hatten. Es trat ein
193
alter Derwisch in mein Zelt, nachdem ich eine
Stunde angelangt war, dessen Heuchelei näher
zu schildern ich nicht umhin kann. Nachdem er
sich neben mich auf mein Feldbett niedergelaffen,
begann er mit. Einemmale, die gewöhnlichen kon-
vulsivischen Bewegungen seiner Kollegen auszu-
führen, wobei er von Zeit zu Zeit den Namen
„Allah“ ausrief. Endlich begann er mich nach
meinen Familien-Verhältniffen auszufragen, er-
theilte mir einige gute Lehren, untersuchte die
Linien im Innern meiner Hand, erzählte mir
von der allbekannten Heiligkeit einer sogenannten
Schwester, die, wie er vorgab, schon hundert und
vierzig Jahre zählte und der er mich später vor-
stellen würde, und erklärte mir zuletzt, er wolle
mich zu feinem Sohne erwählen. Ich mußte
mich so fort, gleich ihm, mit gekreuzten Beinen
auf das Feldbett fetzen. Als dann nahm er eine
kleine Taffe, füllte sie mit Waffer, nahm daffelbe
in den Mund und spie es hierauf wieder hinein.
Der Leser kann sich leicht vorstellen, welcher Schau-
13
194
der mich durchrieselte, denn ich befürchtete Nichts
weniger als die von Neuem gefüllte Taffe aus-
trinken zu müffen, was ich zu thun, trotz der
Heiligkeit dieses gottgefälligen Mannes, um kei-
nen Preis von der Welt im Stande gewesen
wäre. Doch er trieb es gnädig. Statt dessen
bestrich er mir damit dreimal Gesicht, Hände und
Füffe, murmelte dabei allerlei Gebete und verfiel
abermals in Zuckungen. Am Abende führte mich
der Heilige zu seiner frommen Schwester. Auf
dem Wege dahin vollführte er ein Wunder. Er
scharrte nämlich mit den Händen einige Datteln
aus der Erde, die er wahrscheinlich vorher am
Fuße der Sikkomore eingegraben hatte. In sei-
nem Hause angelangt mußte ich ihm in eine dunkle,
grabähnliche Kammer folgen, in der sich ein gro-
ßer Vorhang befand. Er hob ihn ein. Weniges
empor und schon hoffte ich so glücklich zu sein,
die fromme Schwester von Angesicht zu sehen,
als mir statt defen nur der Anblick ihrer ziem-
lich derben Hand zu Theil wurde, über welcher
195
sich ein Flor befand, wie ich beim Küffen dersel-
ben bemerkte. Ich erhielt von ihr ein sorgfältig
zusammen gelegtes Papier, mit allerlei Unsinn
beschrieben, das ich in Zukunft im Tarbusch als
Talisman bei mir tragen sollte. Nicht von Ehr-
furcht, sondern von tiefster Verachtung ergriffen,
fchied ich von dem alten Heuchler, der sich durch
derlei frevelhaften Unsinn in den Augen der aber-
gläubigen Menge als einen Heiligen geltend ma-
chen wollte. -
Den 30. übernachteten wir im Dorfe Ko-
rain, einem Neste voller Diebsgesindel, weshalb
wir um unsere Zelten Wachen ausstellen ließen. -
Den 1. Mai setzte ich die Reise fort. Ge-
witter mit heftigem Regen verfolgten uns den
ganzen Tag über und begleiteten uns bis nach
dem letzten Dorfe Salhieh, von wo aus die gro-
ße arabische Wüste beginnt, welche uns am fol-
genden Morgen aufnahm, wo wir nichts mehr
als gelben Sand, dürres Gesträuche von blau-
13 k
196
-
grüner Farbe, öde Sandberge und zuletzt nicht
einmal mehr einzelne Palmenbäume erblickten.
Und dennoch hatte ich mir von ihr eine schreck-
lichere Vorstellung gemacht. Statt dessen fand
ich vielmehr eine Art von Wohlgefallen an die-
fer unermeßlichen Fläche, an diesen von Zeit zu
Zeit aufstrebenden Sandbergen, die wie Gold im
Strahle der heißen Sonne wiederglänzten und selt-
fam vom reinen Blau des Himmelszeltes abstachen.
Eine merkwürdige Erscheinung war mir ebenfalls
an manchen Stellen Spuren eines ehemaligen
Flußbettes wahrzunehmen, über deffen Fläche sich
ein salziger Ueberzug befand, so daß der Boden wie
gefroren aussah. Zu den unangenehmen Entdeckun-
gen gehörte ein Skorpion, welchen einer unserer
Mukers fing und deren es in der Wüste sehr Viele
geben soll. Auch eine bösartige Tarantel wurde
auf dem Sande gefangen, die sich förmlich zur
Wehre setzte. Am 3. begegnete ich zunächst dem
Posthaufe. Katieh einem Kavallerie-Regimente
mit den schönsten arabischen Pferden, das eben aus
197
Syrien zurückkehrte und das Lager aufgeschlagen
hatte. Wir stießen auf mehrere solche Posthäuser,
die sich durch die ganze Wüste bis nach Syrien er-
strecken. Dromedare versehen statt der Pferde diesen
Dienst. Am 4. legten wir trotz der heftigsten Hitze
eine Strecke von sechzehn Stunden zurück, büßten
aber leider zwei Pack-Kamele ein, welche vor Er-
mattung todt zu Boden fanken. Ueberhaupt stieß
ich bei jedem Schritte auf Gerippe verunglückter
Thiere dieser Art. Ich war nur froh, daß mein
getreuer Fuchs sich bis jetzt tapfer gehalten hatte,
obgleich ihm der tiefe Sand bisweilen über den
Knöchel herauf ging, was ihm das Fortkommen
sehr erschwerte. Was die übermäßige Anstren-
gung einer solchen Wüstenreise betrifft, so fand
ich sie, wie so Manches andere früher Ge-
hörte und Gelesene, bei Weitem übertrieben.
Wer nur einiger Maffen an Fatiguen gewöhnt
ist, wird sich mit Leichtigkeit in selbe fügen.
Das einzige Unangenehme ist das Waffer, wel-
ches, namentlich in neuen ledernen Schläuchen,
193
den Geschmack derselben annimmt; doch führ-
te ich auch Waffer aus dem Nil in großen er-
denen Krügen bei mir, das aber mit größter
Sparsamkeit - nur bei Tische verwendet wurde.
Es hielt sich ganz frisch. Wir erblickten an die-
fem Tage, von zwei Punkten aus, zu unserer
Linken das nicht allzuferne Meer. Der Anblick
der Umgegend zeigte sich am einförmigten, um-
somehr, da die wenigen Palmen der vorigen Tage
heute ganz verschwunden waren,
Den 5ten gegen Abend erreichten wir das
Meeresufer und ritten eine gute Stunde an fel-
bem entlang, so daß die rauschende Brandung die
Füße meines Pferdes benetzte. Ich gewahrte eine
Unzahl großer und kleinerer Seespinnen, wel-
che sich von den Fluthen hin und her spülen lie-
ßen. Unsere Zelte fehlugen wir für diese Nacht
dicht am Strande und unweit des Fleckens El-
Arich auf, dessen Gouverneur mich für den kom-
menden Morgen zu einem arabischen Frühstück
199
einlud, was ich mit Vergnügen annahm. Nach-
dem die Pfeife gereicht und der wohlschmeckende
Kaffee geschlürft worden, wobei ich mit unterge-
schlagenen Beinen auf einem Teppich kauerte, der
auf dem Boden ausgebreitet worden war, brach-
ten die Diener ein niederes, rundes Tischchen
herein. Einer derselben trug auf dem Kopfe das
Effen herbei, und nachdem mir eine kleine gestickte
Serviette um die Schultern gehangen worden,
begann ich, gleich den übrigen Gästen, mit den
Fingern zuzulangen, was noch ziemlich allgemeine
Sitte ist. Das Effen war vortrefflich; besonders
schmackhaft zubereitet war ein vortrefflich schmeckender
Seefisch, den die Burinannten. Der freundliche Wirth
bezeugte die herzlichste Freude, mich in feinem Hause
bewirthet zu haben und bat mich beim Abschiede
dringend, ich möchte ihn doch bei Ibrahima
fcha empfehlen, eine Bitte, die mir schon von vie-
len feines Gleichen gestellt worden war, was seine
Ursache in der Furcht hat, welche ihnen dieser
strenge Mann einflößt. Nach einigen Stunden
fetzte ich die Reise fort. Die Gegend, obgleich
noch immer Wüste, begann allmählig einen ganz
verschiedenen Charakter anzunehmen. Schon muß-
ten wir förmliche Berge übersteigen. Der An-
blick der Gegend war bei weitem nicht mehr so
kahl. Man erkannte deutlich, daß man sich einem
andern Welttheile näherte und daß die Wüste
ihrem Ende nahe sei. Am Abhange eines Hü-
gels, in dessen Stauden sich eine Menge von
Schildkröten aufhielten, schlugen wir zum Letzten-
male auf afrikanischem Boden unsere Zelte auf.
Wenige Stunden trennten uns noch von dem
gelobten Lande und von dem asiatischen Welttheil.
Die herrlichste Mondnacht übergoß die Gegend
mit ihrem Silberlichte. Tiefe Stille herrschte
weit und breit, nur ein Beduine zog mit seinem
Weibe und feiner Heerde an uns vorüber. Mit
inbrünstiger Sehnsucht fah ich dem kommenden
Tag entgegen, dessen Sonne mir aufgeweihter
Erde leuchten sollte.
201
IV.
Palästina
und
die syrische Küste.
-
Pen 7. Mai, Morgens gegen 7 Uhr, be-
trat ich den Boden Asiens und zugleich die ge-
weihte Erde des heiligen Landes. Zwei alte,
einzeln stehende Säulen von grauem Granit,
zwischen welchen sich ein niederer Baum erhebt,
bilden die Grenze beider Welttheile. Die Wüste
lag uns im Rücken. Die Gegend hatte einen
ganz verschiedenen Charakter angenommen. Statt
202
der fandigen Hügel, statt der unermeßlichen
Sandflächen überschritten wir mit grünem Ge-
fräuche bewachsene Berge, denen eine weite, mit
allem Fleiße bebaute Ebene folgte, auf deren
grünen Wiesenplätzen zahlreiche Heerden weideten
und die sich bis an die Hügelreihe von Gaza er-
streckte, wo selbst wir am untern Ende der Stadt
das Nachtlager aufschlugen. So unbedeutend das
Innere derselben ist, so lieblich ist die Umgebung.
Niemals, selbst in Sicilien nicht, sah ich in
solcher Fülle und Größe den Kaktus. Ganze
Wälder von Olivenbäumen umgeben die Stadt
und tragen zur Verschönerung des Anblicks bei,
was nach der Einförmigkeit der Wüste um so
wohlthuender ist. Durch den Gouverneur erfuhr
ich das Nähere über die Pest in Jaffa, in
Jerusalem jedoch, behauptete er, fey der Gesund-
heits-Zustand vollkommen beruhigend. Die Ex-
fahrung sollte mich jedoch in Kurzem vom Ge-
gentheil überzeugen, was mich vermuthen ließ,
er habe die Wahrheit absichtlich verschwiegen,
203
was bei den Türken gewöhnlich ist; denn ihre
Religion verbietet es ihnen, sich vor der Pest
zu fürchten, indem sie es als Beleidigung Gottes
ansehen. Daher kostete es der Einsicht des
Vizekönigs keine kleine Mühe, die so nützlichen
Vorsichtsmaßregeln der europäischen Quarantäne
in seinem Reiche einzuführen.
Am andern Morgen verließ ich Gaza. Die
Gegend wurde immer lieblicher, immer grüner.
Nachdem ich am Nachmittage mit der Karawane
einen Hügel erstiegen, zeigte sich in der Ferne
das Gebirge von Judäa. Der Anblick dieser
wahrhaft reizenden Landschaft erinnerte mich leb-
haft an die schöne Gegend um Regensburg.
Ich glaubte mich einen Augenblick im bayerischen
Vaterlande, so wie überhaupt der Charakter des
Ganzen mich an Gegenden Deutschlands mahnte.
Ueberall zeigten sich Olivenbäume und wilde
Feigen. Die Felder waren im besten Stande.
Auch bemerkte ich sehr häufig Tabaks-Pflanzun-
gen. Die Dörfer schienen mir reinlicher und
ihre Häuser hübscher und dauerhafter erbaut als
die Egyptischen. Die Tracht der Einwohner
gleicht. Jener der alten Israeliten, wie wir sie
noch heut zu Tage abgebildet sehen. Auch ihre
Physiognomien tragen das jüdische Gepräge. Ihre
Sitten sind reiner und einfacher als Jene der
Egyptier. Die Sicherheit des Landes ist, seit
Ibrahim-Pascha"s gefürchteter Arm das Schwert
der Gerechtigkeit leitet, einige wenige Ortschaft
ten des Gebirges ausgenommen, vollkommen
hergestellt.
Den 9. hatten wir das Gebirge erreicht,
deffen Gestaltung mich im kleinern Maßstabe an
unter Hochgebirge erinnerte, nur daß selbst auf
den Meisten der Gipfel liebliche Oelbäume sich
erheben. Der Weg wurde von jetzt an mit
jedem Schritte schmäler und steiniger, so daß
ich es nur der wirklich bewunderungswürdigen
Vorsicht meines guten Pferdes zu danken hatte,
205
daß ich nicht mehrere Male stürzte. Ich sah
mich genöthigt, um das arme Thier wieder zu
Athem kommen zu laffen, Einigemale längere
Zeit anzuhalten. Als dies zum Zweitenmale der
Fall war, ließ ich mich mit meinem Führer in
ein Gespräch ein. Unter Anderem ließ ich ihn
durch meinen Begleiter, den Sohn des öster-
reichischen Vizekonsuls zu Damiette, Namens
Konstantin Kahil, fragen, obwohl der berüchtigte
Räuber Abougosh, von dem ich in mehreren
Reisebeschreibungen gelesen hatte, noch immer
fein Unwesen in diesen Gegenden treibe. Doch
kaum hatte ihm Kahil dies verdolmescht, so
trat ein kleiner Mann herzu und fagte mit
einigem Befremden: „Ich bin sein Sohn. Ken-
nen ihn vielleicht die Reisenden?“ Der Leser
kann sich mein Erstaunen denken, welches dieses
unverhoffte Zusammentreffen mit dem Sohne
eines Mannes in mir hervorbrachte, dessen Ver-
wegenheit und Grausamkeit lange Zeit der
Schrecken der Pilger und seiner eigenen Lands-
206
leute war, welchen Letztern er häufig die Augen
ausstechen hatte laffen. Sein Sohn hatte fich
ebenfalls in seiner Bande befunden. Er erzählte
mir mit größter Unbefangenheit von feiner frü-
hern Lebensweise. Ibrahim-Pascha"s Regiment
hatte ihren Räubereien ein Ende gemacht. Zu-
dem ist Abougofh jetzt alt und kränklicht.
Einige Stunden vor Jerusalem traf ich
einige Reiter, die mir vom dortigen Gouverneur
entgegen gesandt waren. Nach den ersten Be-
grüßungen luden sie mich ein, auf einem Teppich,
der unter einem Baume ausgebreitet worden,
Platz zu nehmen. Kaum hatte ich mich niederge-
laffen, als sie mir die höchst betrübende Nachricht
mittheilten, daß in Jerusalem die Pest unter den
Griechen herrsche. Man kann sich wohl denken,
mit welcher Haft ich vom Teppiche aufsprang,
auf welchem einige Minuten vorher die Türken
geseffen waren. Ich konnte mich, trotz aller
Vernunftgründe dennoch nicht eines unheimlichen
207
Gefühles erwehren und beeilte mich, die Hände
mit Efig zu reinigen. Der Weg wurde immer
steiler und schwieriger. Jemehr wir uns der heiligen
Stadt näherten, desto kahler wurden die Berge.
Außer einigen Weinpflanzungen hörte alle Vegeta-
tion gänzlich auf. Glatte, spitze Steine erschwerten
meinem Pferde jeden Tritt, so daß ich es mit
genauer Noth vor dem Niederstürzen bewahrte.
Um halb 6 Uhr Abends lag die heilige
Stadt auf der Spitze einer breiten Anhöhe vor
meinem Blicke. Die Abend-Sonne beleuchtete
mit ihren goldenen Strahlen die Zinnen - der
Minarete und hohen Mauern. Tiefe Rührung
bemächtigte sich unserer Aller. Mit frommer Ehr-
furcht, mit einem heiligen, wohlthätigen Gefühle,
das ich lange, ja seit den längst verfloffenen
heitern Tagen meiner Kinderjahre nicht mehr
empfunden, näherte ich mich dem Thore jener
Stadt, aus deren Schooße unsere christliche Reli-
gion hervorging, jener heiligen Stadt, wo der
203
Heiland der Welt für der gesammten Mensch-
heit Seelenheil den Tod am Kreuze erduldete.
Von dem Gouverneur am Thore freundlichst
empfangen, wurde ich von ihm nach dem lateinischen
Kloster der Väter Franziskaner geleitet, wo selbst
ich im sogenannten neuen Haufe, einem Seitenge-
bäude des eigentlichen Klosters, abstieg. Sämmt-
liche Väter befanden sich in strengster Quarantäne.
Ich konnte den Padre Reverendiffimo nur an
einem sorgsam verwahrten Gitter sprechen, konnte
ihm jedesmal nur aus der Ferne mein Bedauern
ausdrücken, das ich in der That von Herzen
empfand, mich von so allgemein verehrten und
geliebten Männern getrennt zu sehen, von Män-
nern, die keine Gefahren, keine Mühen, kein
Opfer scheuen, dem Dienste unserer Religion
und dem Wohle der Armen obzuliegen. Ich
fage gewiß nicht zu viel, wenn ich fiel als das
Muster wahrer Frömmigkeit, als das Vorbild
für alle Geistlichen bezeichne. Der schönste und
209
sprechendste Beweis ist, daß sie mehrere Hunderte
von Armen beiderlei Geschlechtes in einem eigens
dafür bestimmten Hause ernähren und unterrich-
ten lassen; diese würdigen Leute, denen es selbst
am Nöthigsten mangelt, indeß die griechische
Geistlichkeit im Ueberfluße lebt und ihnen von
Jahr zu Jahr ein Heiligthum nach dem andern
entreißt. Nur der religiösen Gleichgültigkeit un-
ferer Zeit ist es zuzuschreiben, daß dieser schreien-
den Ungerechtigkeit von Seite der griechischen
Mönche nicht Einhalt gethan wird.
Im neuen Haufe angelangt, empfing mich
an der Pforte desselben der Kurator oder Pfar-
rer, der Einzige, welcher nebst den im heiligen
Grabe diensthuenden Mönchen sich außerhalb des
Klosters befand. Sein Name ist Pater Maria-
no Vilardel, fein Vaterland Spanien. Wir be-
fanden uns nunmehr in Quarantäne. Einige Be-
forgniß erregte uns das späte Abpacken der Ka-
mele in der sehr engen Straße, von welcher man
14
210
nur mit großer Mühe den Andrang der neugie-
rigen Menge abwehren konnte. Wie leicht hät-
ten nicht unsere Effekten betastet werden können,
hinreichend, die Seuche hereinzuschleppen. Am
andern Morgen war es mein Erstes, die streng-
sten Befehle in Hinsicht der sämmtlichen Reise-
gefährten und unserer Dienerschaft zu ertheilen.
Ich erklärte, daß Jeder, der ohne sichere Beglei-
tung den Wohnort verlaffe oder einen Fremden
berühre, in engen Gewahrsam gebracht würde.
Auf der Straße ließ ich zwei Kawaffen vor-
an, zwei Andere hinten nach schreiten, welche
Jedermann auf die Seite treten hießen. Wir
selbst mit der Dienerschaft gingen je Zwei und
Zwei, forgsam jeder Begegnung, jedem Thiere,
ja selbst jedem Stückchen Wolle oder Tuch, das
auf dem Pflaster lag, ausweichend. Jedesmal,
so wie ich nach Hause kam, ließ ich eine Räu-
cherung des Zimmers und der Kleider veran-
falten.
Den 10ten betrat ich zum Erstenmale die
211
Stätte des heiligen Grabes. Bei meinem Ein-
tritt ertönte der feierliche Klang der Orgel, deren
erhebenden Ton ich so lange schon vermißt. Doch
wie soll ich Worte finden, die tiefe Rührung,
die in solch' hohem Grade erhabene Empfindung
und geheiligte Stimmung zu beschreiben, die sich
meiner Seele bemächtigte, als ich den majestätischen
Tempel betrat, als ich am heiligen Grabe
selbst im stillen Gebete niedersank! – Die Gei-
ster meiner entschlafenen Eltern schienen mich lie-
bend zu umschweben. Es war mir, als hörte
ich deutlich den Ausruf ihrer Wonne, ihren Sohn
hier an der heiligsten Stelle des weiten Erden-
kreises zu erblicken und Thränen der Inbrunst
füllten mein Auge, das mit höchstem Entzücken
auf dem Grabe - des Heilandes ruhte. Ich
dankte meinem Schöpfer für die Gnade, mich
unversehrt an das Ziel meiner Wanderung ge-
leitet zu haben, ich pries Ihn für das lang ent-
behrte fromme Gefühl, das sich meiner bemächtig-
te, welches ich in den Zerstreuungen eines vergnü-
14 k
212
gungsreichen Lebens nicht so mächtig empfunden hat-
te, wie es bei einem Manne meines Standes um fo
eher der Fall feyn konnte, da ihm alle Mittel und jede
Gelegenheit zu denselben zu Gebote stehen. Doch nie-
mals wird die Erinnerung an diese erhabenste
Stunde meines Daseins aus meinem Gedächtniffe
schwinden. Am folgenden Tage wohnte ich der
Meffe bei, welche mir vom Kurator am heiligen
Grabe gelesen wurde. Ich ließ sie für das Wohl
Seiner Majestät des Königs von Bayern, mei-
nes gnädigsten Herren und Schwagers und der
gesammten Königlichen Familie abhalten. Nie in
meinem ganzen Leben habe ich dem heiligen Opfer
mit größerer Aufmerksamkeit beigewohnt.
Ohne mich in allzu weitläufige Details ein-
zulaffen, will ich nur im Allgemeinen der vorzüg-
lichsten Heiligthümer erwähnen, da sie schon von
mehreren Reisenden vor mir auf das Genaueste
beschrieben worden sind, wie zuletzt noch von dem
Vater Geramb, von defen getreuer Schilderung
213
ich mich an Ort und Stelle überzeugte, weßhalb
ich sie Jedermann auf das Beste empfehle.
Die Kirche des heiligen Grabes umfaßt zu-
gleich, nebst mehreren andern Stellen der Leidens-
plätze unters Herrn, den Kalvarienberg, defen
Kapelle auf der wirklichen alten Stelle sich be-
findet und wohin man auf einer steilen, steinernen
Treppe gelangt. Nachdem ich vom Fuße des
Oelberges aus den ganzen Schmerzensweg durch
die Stadt bis an das heilige Grab selbst verfolgt
hatte, überzeugte ich mich hinlänglich von der
Richtigkeit und Wahrheit der ganzen Eintheilung,
die mir früher, aufrichtig gesagt, immer etwas
unwahrscheinlich geschienen hatte. Der Leidens-
weg, wie schon bemerkt, beginnt im Garten Geth-
femane, wofelbst fich die acht Olivenbäume be-
finden, die noch aus der Zeit des Heilandes her-
rühren sollen, und von deren Früchten die Ro-
fenkränze verfertigt werden, welche im lateinischen
Kloster vertheilt werden. Wer von diesen Bäu-
214
-
men das Geringste abreißt, wird mit dem Kir-
chenbann belegt, was zur Erhaltung derselben
nothwendig ist. Unterhalb des Oelberges und
Gethsemane liegt das Thal Josaphat mit dem
Grabe Josaphats und Jenem Absolons. Hier be-
findet sich auch das Dorf Siloeh mit feinem, in
der Bibel berühmten Teiche, dessen Quelle nun-
mehr, wie auch der Bach Kedron, vertrocknet ist.
Oberhalb befindet sich das prächtige Grab der
Maria. Eine herrliche Stiege mit breiten Trep-
pen führt in dasselbe hinab. Darneben liegt die
schöne Grotte, wo der Heiland Blut schwitzte.
Sie ist ganz im natürlichen Felsen befindlich.
Auf dem Berge Sion besuchte ich die vormalige
christliche Kirche, nunmehr zu einer türkischen Mo-
fchee umgewandelt, woselbst das heilige Abend-
mal eingesetzt wurde, somit die Stätte, von wo
aus das Heil der christlichen Religion sich aus-
breitete. Ferners besuchte ich den Ort, wo der
heilige Stephan gesteinigt worden, unterhalb des
Thores gleichen Namens. Das Thal Josaphat
215
ist mit unzähligen Steinen besäet. Ein Jeder
von ihnen deckt den Leichnam eines Juden, wo-
von Viele noch im Greisenalter, selbst aus dem
fernen Europa hieher ziehen, um im Thale des
Friedens ruhen zu können. Die schönste Aus-
ficht genießt man vom Thurme der Moschee auf
der Spitze des Oelberges, von wo aus man den
Ueberblick über die ganze heilige Stadt, den Jor-
dan und das todte Meer hat. Im Hintergrunde
deffelben erhebt sich eine Reihe hoher Berge, die
die Grenze des steinigen Arabiens bilden. Zu-
nächst dieser Moschee, an die anstoßend, befindet
fich eine kleine Kapelle, den Armeniern gehörig,
worin sich ein Stein befindet, in welchem der Ab-
druck des Fußes Jesu Christi zu sehen ist, wel-
chen. Er in felbem zurückließ, als er gegen Hin-
mel fuhr. Von hier aus begab ich mich nach
den in Felsen gehauenen Gräbern der Könige,
welche jedoch wenig Intereffe darbieten. Der
Weg dahin ist der vielen Steine wegen beschwer-
lich, die Gegend jedoch ist hier mit Olivenbäu-
216
men, wilden Feigen, Mandelbäumen und Wein-
reben geschmückt. Einen höchst gefälligen Anblick
gewähren die Granatbäume mit ihren purpurro-
then Blüthen.
Die Stadt Jerusalem felbst ist im Innern
sehr unregelmäßig gebaut. Die Straßen sind
winkelicht und fchmutzig. Die Häuser haben fast
keine Fenster und statt der gewöhnlichen Dächer
haben sie steinerne Terraffen. Von Jener des
neuen Hauses, wo ich wohnte, bietet sich der
schönste Ueberblick über die Stadt, den Oelberg
und die Berge dar, welche gleich einem durchsich-
tigen Schleier, mit einem bläulichen Dufte über-
goffen sind. In den Straßen herrscht wenig Leben.
Man zählt zwanzigtausend Einwohner. Nebst den
Türken befinden sich neuntausend Juden dahier.
Die Gemeinde der katholischen Christen beläuft
sich auf tausend Seelen. Die Straßen der Stadt
sind gepflastert, aber so schlecht, daß ich Mehrere-
male beinahe niedergestürzt wäre. Zudem find fie
27
meist abhängig. Das Klima ist nicht am gesun-
desten. Am Tage ist es sehr heiß, gegen Abend
jedoch erhebt sich plötzlich eine kühle Luft. Auch
herrschen öfters bösartige Fieber. Eine Vor-
fichtsmaßregel ist es, sich in diesem Lande, wie
auch in Syrien vor dem Genuße des Obstes zu
hüten, was leicht Krankheiten verursacht.
Den 12. begab ich mich nach dem zwei starke
Stunden entfernten Bethlehem. Auf halbem Wege
dahin befindet sich das den Griechen angehörige
Kloster des Elias. An der Straffe befindet
sich ein Baum, darneben ein großer Stein, auf
dem der Prophet zu liegen pflegte. Der Ein-
druck in demselben soll der feines Körpers feyn.
Von hier aus erblickt man das Städtchen Beth-
lehem, dessen mit unzähligen Oliven- und Feigen-
bäumen bepflanzte Berge und Thäler einen
frappanten Kontrast im Vergleiche mit der trau-
rigeren Gegend von Jerusalem bilden. Von hier
aus erblickte ich den mit Oliven bewachsenen
218
Platz, wo selbst den Hirten die Geburt des Jesus-
kindes verkündet wurde. Etwas zur Linken
zeigte mir der mich begleitende Kurator den
spitzen Berg der Franzosen, dessen Benennung aus
den Zeiten der Kreuzzüge herrührt; denn hier
war es, wo sich die letzten französischen Kreuz-
fahrer am Längsten erhielten.
Im Kloster der Lateiner angelangt, begab
ich mich nach der heiligen Grotte, wo selbst unser
Erlöser das Licht der Welt erblickte. Dieser
Theil der Grotte gehört den Griechen. Unmit-
telbar darneben befindet sich in einer engen
Nische die Krippe und der Stein, auf welchem
Maria mit dem göttlichen Kinde faß, als die
Könige aus Morgenland kamen und es anbeteten.
Es ist Eigenthum der Lateiner, und hier war
es wo mir der wackere Kurator die heilige
Meffe für das Seelenheil meiner dahin geschie-
denen Eltern las. Das Kloster gleicht einer
Festung. Nur durch eine fehr niedere Thüre
219
gelangt man in das Innere. Das Städtchen
liegt an einem Berge, und hat während den
letzten Unruhen viel Schaden gelitten. Es ist
nur von Christen bewohnt. Kein Türke darf
es mehr bewohnen, fo wollte es Ibrahim-Pascha,
der damit die Aufrührer züchtigen wollte. Von
den freundlichen Franziskanern auf das Liebevollste
entlaffen, ritt ich auf einem höchst mühsamen
Wege über Berge und durch Thäler nach dem
schönen Kloster St. Johann, dessen geräumige
Kirche ganz nach europäischer Art erbaut und
eingerichtet ist. Steigt man zur Linken einige
Stufen hinab, so gelangt man an die Geburts-
stätte des heiligen Johannes des Täufers. Viele
Lampen erhellen, wie an allen diesen heiligen
Orten, die Grotte. Die Kirche gehört aus-
schließlich dem lateinischen Kloster. Einige Franzis-
kaner-Mönche desselben versehen abwechselnd den
Dienst daselbst. Das Innere des Gebäudes
ist sehr geräumig und reinlich. Das Refekto-
rium, wo ich auf das Freundlichste bewirthet
220
wurde, ist Eines der schönsten, das ich jemals
gesehen. Nicht weit vom Kloster befindet sich
das Haus des Zacharias und der Elisabeth.
Von hier aus wurde mir auch der Ort gewiesen,
wo David den Riesen Goliath erschlug. Den
Nachmittag brachte ich im Kreise der Mönche
zu, deren freundschaftliches und einnehmendes
Benehmen nie meinem Gedächtniffe entschwinden
wird. Am Abende wohnte ich der Vesper bei.
Einer der Väter spielte dazu mit Gewandtheit
die Orgel. In der Kirche knieten die Schul-
knaben, an ihrer Spitze der Lehrer. Der feier-
liche Klang der Orgel, der Gesang der Kinder,
fie erinnerten mich lebhaft an die Heimath. Ich
hatte Mühe, mich der Thränen zu erwehren.
Nach einem höchst beschwerlichen Ritte von zwei
Stunden langte ich wieder in Jerusalem an.
Es war am 13. Morgens, als ich mich in
das lateinische Kloster begab, um aus den
Händen des ehrwürdigen Padre Reverendiffimo
221
den Ritterschlag zu empfangen, der mich der
Würde eines Ritters vom heiligen Grabe theil-
haftig machte. Nachdem ich ihm gebeichtet, das
heilige Abendmal empfangen und dem feierlichen
Hochamte beigewohnt hatte, empfing ich aus
feinen Händen die Schuhe, das goldne Kreuz
Gottfrieds von Bouillon und umgürtete mich
mit dem alten Schwerte dieses frommen Helden,
wobei ich Jedesmal einige Formeln ablesen und
zuletzt den Schwur ewiger Treue für unsere
Religion und des Schutzes für das Grab des
Erlösers leisten mußte. Eine feierliche Hymne
der versammelten Mönche schloß diese erhebende
Ceremonie, welche mich lebhaft in die schönen
Zeiten der frommen Ritterzeit versetzte. Hierauf
geleitete mich der Reverendiffimo nach feinem
Wohnzimmer, wo er mir der Reihe nach feine
Geistlichen vorstellte. Obgleich er noch immer
in strengster Quarantäne lebte, so hatte er den-
noch aus Freundschaft für mich diesen Schritt
gewagt. Wie begreiflich wandte ich alle meine
222
Aufmerksamkeit an, Keinen der Väter zu be-
rühren, von welchen vor etwa 4 Jahren 19 an
der Seuche gestorben waren. Seit mehreren
hundert Jahren war ich der Erste vom Hause
Bayern, der das heilige Land betreten und zu
Jerusalem den Ritterschlag empfangen hatte.
Der französische Prinz, Herzog von Joinville,
der sich vor einigen Jahren dahier befand, erhielt
diese Würde nur durch Prokura, indem der
Reverendiffimo nicht anwesend war.
Interessant war es mir unter Anderm,
einer Hochzeit in der Kapelle des neuen Hauses
beizuwohnen, welche dem alten kirchlichen Ge-
brauche zufolge schon um 3 Uhr Morgens. Statt
fand. Nachdem die das Brautpaar begleitenden
Männer einige charakteristische Tänze, Einer nach
dem Andern, ausgeführt hatten, begab sich der
kleine Zug unter dem kreischenden Freudengeschrei
der in weiße Schleier gehüllten Mädchen in die
Kapelle, wo der Kurator ihrer harrte. Die Braut,
223
sie mochte höchstens 14 Jahre zählen, war dicht
in einen langen, rosenrothen Schleier verhüllt,
so daß man keine Spur des Gesichtes wahr-
nehmen konnte. Nach beendigter Ceremonie wurde
die heilige Messe gelesen, wobei das Evangelium
zuerst in lateinischer, als dann in arabischer Sprache
verkündigt wurde, ein Gebrauch der mir sehr
zweckmäßig scheint und der in den christlichen
orientalischen Kirchen allgemein ist. Nach vollen-
deter heiliger Handlung begab sich zuerst der
junge Mann hinweg, von einem Theil der hüb-
fchen Mädchen geführt. Sodann folgte ihm die
Neuvermählte in einiger Entfernung nach, von
den andern Mädchen begleitet, welche sich gegen-
feitig zuriefen. Das Haupt der Braut war mit
einem dichten Kranze geschmückt und zu beiden
Seiten hing nach syrischer Weise, eine Reihe
zusammen gefügter Geldstücke auf die Schultern
herab. Ihr Anzug war dermaßen unbequem,
der Schleier von einer solchen Länge und die
224
gelben Pantoffeln so weit, daß sie kaum zu
gehen vermochte.
Das männliche sowohl, als wie das weib-
liche Geschlecht ist hier zu Lande ausgezeichnet
schön. Die schönen Formen der weiblichen Ge-
fichter erinnern an die edlen Physiognomien der
Römerinnen. Was allenfalls getadelt werden
könnte, ist ihre allzu große Bläße. Ihre Tracht
ist sehr malerisch. Auch die Kleidung der Mäd-
chen in der Umgegend von Bethlehem gefiel mir
ungemein. Mit ihren weißen Schleiern um den
Kopf, ihren lichtblauen Kleidern und rothen
Ueberwurf darüber, glaubte ich bisweilen einer
Madonna-Gestalt zu begegnen.
Das Benehmen der Regierung gegen die
Christen ist in diesem Augenblicke sehr human.
Ibrahim-Pascha benützt jede Gelegenheit, ihnen
feinen Schutz angedeihen zu laffen, ja er liebt
sogar den Umgang der Väter des heiligen Lan-
225
des. Jedesmal, wenn er z. B. nach Bethlehem
kommt, pflegt er bei den dortigen Mönchen zu
peisen. Das hiesige Volk wie auch das syrische,
ist der Regierung nicht sehr gewogen. Nur
Ibrahim-Paschas gefürchteter Name vermag es
im Zaume zu erhalten. Aus Klugheit hat er
einige der angesehenern Araber zu Gouverneur
ren ernannt, obgleich sie früher mit zu den Rä-
delsführern gehörten. Er beabsichtigt damit, mit
ihrer Hülfe die Feinde der Ordnung zu beseitigen.
Hat er dies erreicht, dann kommt die Reihe an sie
selbst. Er befolgt darin den uralten Grundsatz, daß
man Spitzbuben mit Spitzbuben fangen müffe.
Am 14ten erhielt ich durch ein Schreiben
des Kurators zu Bethlehem die Nachricht, daß
in der Nähe des todten Meeres ein Aufstand
ausgebrochen sei, was mir den Ausflug dahin un-
möglich machte.
Den 15ten Mittags verließ ich Jerusalem.
Ich hatte durch den Gouverneur die Straße von
15
Kloster nach dem Thore absperren laffen, um vor
jeder möglichen Berührung gesichert zu sein. Auch
waren unsere Maulthiere, Pferde und Kamele,
die ich von hier aus auf eigne Rechnung genom-
men, aus der Umgegend und nicht aus der Stadt
zusammen gesucht worden. Demungeachtet erfor-
derte es die größte Strenge und die schärfsten
Drohungen, diese unwissenden und gleichgültigen
Menschen im Zaume zu erhalten, ihnen begreiflich
zu machen, daß sie sich unterwegs in kein Dorf
begeben dürften und Jedermann auf die Seite
gehen heißen sollten. Trotzdem schlichen sich zwei
von ihnen in Einen der verpesteten Orte. Ich ließ
ihnen, als sie sich der Karavane wieder anschließen
wollten, eine Pistole entgegen halten, worauf
fie sich ferne hielten, was um so nöthiger war,
da es ihnen in der That das Leben gekostet hätte.
Ich hatte überhaupt mit diesen Mukers, die mich
bis Nazareth geleiteten, einen schwierigen Stand.
Nicht genug, daß sie der nöthigen Stricke zum
Packen ermangelten, weßhalb bei jedem Schritte
22
die Koffer und Proviant-Kisten herabfielen und
mehrere Gegenstände in selben zu Grunde gingen,
bestahlen sie uns auch des Nachts. Von bösar-
tigem Charakter, waren sie zugleich träge und
unwillig, kannten keine Entfernung, keinen Weg,
obgleich sie ihn schon oftmals gemacht, und er-
schöpften endlich dermaßen meine Geduld, daß
ich ihnen durch die Kawaffen Prügel ertheilen ließ
und einigen mit dem Erschießen drohte. Ich
habe nicht leicht ein verdorbeneres, schlechteres,
habgierigeres Volk gefunden, als diese Men-
fchen und überhaupt die Eingebornen dieses Lan-
des. Versprechungen des Geldes und Stockstreiche
allein sind im Stande, dieses ehrlose, diebische
Gesindel im Zaume zu erhalten. Ich begreife,
welche Mühe und unerbittliche Strenge es Ibra-
him-Pascha kostete und noch kostet, dieses unruhige
Räubervolk zu bändigen. Milde gilt bei ihnen für
Dummheit, daher sie uns Europäer für geistes-
schwache Leute betrachten, die nur in Verfertigung
von Uhren u. dgl. geschickt seien. Ich für meine
15 k
Person schmeichle mir, ihnen diesen Wahn benom-
men zu haben; denn sie äußerten gleich den zwei-
ten Tag der Reise eine große Furcht, nachdem ich ei-
nigen mit meiner Reitgerte auf die Köpfe gehauen
hatte. Niemals werde ich die Langwierigkeit und
den Aerger auf dieser Tour vergeffen. Den ersten
halben Tag mußte ich wieder die nämliche Strecke
über das Gebirge zurücklegen. Als dann ging es
rechts ab durch fruchtbare, gut bebaute Ebenen,
zur Linken gegen Jaffa und das Meer ausmün-
dend, zur Rechten vom Gebirge begrenzt. Am
folgenden Morgen erblickte ich in der Entfernung
von einer starken Stunde Ramla. Auch dort
herrschte die Pest. Die Nacht des 16ten brachte
ich in der Nähe der verfallenen Festung Gala
Rasilaen zu. Mit Mühe erholte ich mich von
der aufferordentlichen Schwüle und von der Er-
mattung des Südwindes, der unserer Aller Glie-
der an diesem Tag gelähmt hatte. Doch lange
erhielt uns das wehmüthige, kinderartige Geschrei
der Schakale wach, die sich in Menge unseren
Zelten genähert hatten. Am folgenden Tag zo-
gen wir an der Festung und dem Flecken Kakum
vorüber, die, auf einem Hügel gelegen die weite
Ebene beherrscht. Nachdem wir am Morgen eine
mäßig hohe Bergkette paffiert, stiegen wir in
die herrliche reich bebaute-Ebene von Esdrelon
hinab. Vor uns lagen die Berge von Galiläa
und der kuppelförmig gewölbte Berg Tabor, der
sich isoliert zum Himmel erhebt. Der Anblick der
wahrhaft reizenden Landschaft erinnerte mich an
einige Partieen des Innthales im Tyrol. Zwei
Stunden vor Nazareth beginnen steile Bergrücken.
Hat man sie überstiegen, so erblickt man Nazareth
ganz im Keffel und am Abhange der Berge gele-
gen, wo selbst ich am Abend des 18. Mai anlangte
und auf einer Wiese, zunächst des Brunnens der
Maria, die Zelte aufschlagen ließ. - - -
Nazareth ist höchst unansehnlich. Außer der
Klosterkirche, welche die Grotte einschließt, in wel-
cher der Engel Marien den Willen Gottes ver-
kündigte, dem Hause Josephs, worin sich noch
ein kleines Stück der alten Mauer vorfindet, der
Synagoge, wo der zwölfjährige Jesus lehrte und
dem Steine, auf dem er öfters mit seinen Apo-
steln gesessen, bietet sich des Interessanten von
größerer Bedeutung nur Wenig dar. Auch ein
griechisches Kloster befindet sich hier.
Den 20sten machte ich den Ausflug nach dem
galiläischen Meere und dem Jordan. Die Ent-
fernung von Nazareth bis Tiberias beträgt sieben
Stunden. Der Weg ist, bis auf eine Strecke
wohlbebauter Ebene, größtentheils fehr bergig
und gefährlich zu überreiten. Zuerst gelangte ich
nach dem Dorf Kana, berühmt durch die Hochzeit,
die der Heiland durch seine Gegenwart und durch
das Wunder mit Verwandlung des Waffers in
Wein verherrlichte. Man zeigt noch die wenigen
Ueberreste des Hauses, wo sich dieß zugetragen.
Vor dem Orte befindet sich die Quelle, aus well-
cher das Waffer geschöpft wurde. Noch heut zu
23
Tage versieht es die Einwohner mit dem nöthi-
gen Waffer. Etwa eine Stunde weiter erblickte
ich zur Rechten den Berg Tabor. Bald darauf
lag mir zur Linken der Berg der Seligkeiten und
jener, wo Jesus die Brode und Fische vermehrte
worauf sich mir von der Höhe aus Tiberias und
das galiläische Meer mit feinen reizenden Ufern
und feinen malerisch geformten Gebirgen zeigte,
Im Hintergrunde, etwas zur Linken, ragte der
schneebedeckte hohe Hermon aus dem fernen Li-
banon empor. Auch ließ ich mir den Platz, dicht
am See gelegen, zeigen, wo Kaphernaum ge-
standen. Ich habe nicht leicht einen reizenderen
Anblick genoffen, als den Ueberblick dieser bezau-
bernden Landschaft. Sollte ich einen Vergleich
anstellen, fo wüßte ich keinen treffenderen zu fin-
den, als mit dem Genfer-See, nur verherrlichter
durch die magische Beleuchtung der Sonne Asiens.
Tiberias, eine kleine Stadt mit einer Veste
und uralten Mauern, bot einen traurigen Anblick
dar. … Die Mehrzahl der Häuser lag im Schutte,
eine Folge des fürchterlichen Erdbebens, des 1.
Januar 1837. … Ich fand eine bedeutende Anzahl
polnischer Juden, die hier ihr Leben zu beschließen
gedenken. Auffallend war mir die höchst originelle
Tracht der jüdischen Weiber. Sie sprechen eine
Art von Deutsch, die jedoch schwer verständlich
ist. Ich verweilte einige Stunden in dem Häus-
chen einer jüdischen Wittwe, die mich gastfreund-
lich empfing und mit Wein und Brod bediente.
Ich lernte in ihrem Hause den jungen Arzt der
Gemeinde kennen. Tiefe Melancholie sprach sich
in feinen Zügen aus. Das stiere Auge verrieth
leise Spuren nimmer fernen Wahnsinnes. Gleich-
gültigkeit, bitteres Spötteln, dumpfe Verzweiflung
begleiteten jede seiner Antworten. Und er hatte
gerechte Ursache, der Aermste, dem grausamen
Geschicke zu zürnen, denn bei dem Einsturze seines
Hauses hatte er fein junges Weib, seine beiden
Kinder und feine ganze Habe eingebüßt. Ihm
selbst war dabei das Bein zerschmettert worden;
dies. Alles das Werk einer flüchtigen Sekunde.
Möge ihm der Allmächtige die verlorne Ruhe
wieder schenken, deren fein wundes Gemüth fo
sehr bedarf, oder ihn sobald als möglich von dem
Schauplatze feiner Leiden erlösen.
Eine halbe Stunde von hier entfernt, liegt
das Badhaus Ibrahim-Pascha"s mit seiner warmen
Quelle. Ich begab mich dahin, nahm das Mittag-
mal daselbst ein, dessen Krone köstliche Fische aus
dem See waren, und ritt alsdann gegen Abend
nach dem, zwei kleine Stunden entlegenen Jordan,
der hier seinen Ausfluß aus dem See hat. Er
ist sehr schmal. Dichte Orleander-Gesträuche mit
ihren rosigen, weithin duftenden Blüthen und
spitziges Schilf bekränzen seine Ufer. Die stille
Feier des Abends erhöhte die fromme Stimmung,
die sich meiner Seele bemächtigte, als ich mich
zunächst dieses geheiligten Gewäffers befand, als
ich mit seinem dunklen Waffer einige Krüge füllte,
um sie nach meinem Vaterlande mitzunehmen.
Als ich nach dem Bade heimkehrte, wo selbst ich
die Nacht zuzubringen gedachte, breitete die unter-
gehende Sonne ihre purpurenen Streifen über
den weiten See und die ihn umgebenden Gebirge.
Es war einer der seligsten Abende meines Lebens.
Am folgenden Morgen kehrte ich nach Nazareth
zurück, wo selbst ich gegen Mittag wieder anlangte.
Doch welcher Schrecken bemächtigte sich meiner,
als ich meinen Arzt Dr. Baier, der sich bei mei-
nem Abgehen schon unwohl gefühlt, ernstlich er-
krankt fand, so daß er das Lager nicht mehr
verlaffen konnte. Er erklärte sein Uebel für ein
gastrisches Fieber, doch fein immerwährendes
Schlummern, seine außerordentliche Mattigkeit
und auffallende Abgestumpftheit erfüllte mich mit
Besorgnis. Ein Brechmittel, das er sich verord-
net, verfehlte seine Wirkung und verschlimmerte
eher feinen Zustand, indem es ihm das Blut nach
dem Kopfe drängte. Alle erhitzenden Mittel sind
in diesen heißen Ländern Gift. So soll nament-
lich der übermäßige Gebrauch der Ipekakuanha
235
häufig zu traurigen Resultaten geführt haben.
Und dieses Mittels hatte sich mein armer Arzt,
leider im Uebermaaße, bedient. Zudem waren
die Pulver etwas verlegen, so daß sie nicht mehr
Kraft genug hatten, das Brechen hervor zu brin-
gen, und somit als wahres Gift den Magen belä-
stigten. Diesem ersten Schrecken folgte alsbald
ein Zweiter. Seit einigen Stunden war nämlich
ein italienischer Handwerksbursche von Jerusalem
angelangt, der, nebst einigen Anderen, mit mir
im dortigen neuen Klosterhause gewohnt hatte.
Er war erkrankt und es zeigten sich die Spuren
der Pest. In aller Eile ließ ich nun die nöthigen
Anstalten zu meiner morgigen Abreise treffen, um
wo möglich vor dem Ausbruche der Seuche Na-
zareth im Rücken zu wissen. Dr. Baier hatte
sich freiwillig entschloffen, zurück zu bleiben, wohl
fühlend, daß ihm die Kraft zur Fortsetzung der
Reife mangle. Ich ließ ihm meinen Dragoman
Mühlenhof zurück und schied am andern Morgen
von Nazareth, nachdem ich den Kranken der Pflege
26
eines griechischen Geistlichen überlaffen hatte, der
ihn gastfreundlich in seine Wohnung aufnahm.
Obgleich sich, so viel wir wenigstens bemerkten,
keine Spuren der Pest an unserm kranken Freunde
gezeigt hatten, so eilte uns dennoch die Schre-
ckenskunde voran, und wurde, wie es immer zu
geschehen pflegt, mit den grellsten Farben aus-
gemalt, was später, wie es sich bald zeigen
wird, zu den größten Unannehmlichkeiten ge-
reichte. -
Der Weg führte mich Anfangs über steile,
Gebirge, so daß mein Pferd mehr als Einmal
inne hielt und ordentlich nachzusinnen schien,
wohin es den Fuß setzen sollte, um nicht nieder
zu stürzen. Der wackere Gouverneur von Na-
zareth begleitete mich nebst Gefolge eine Strecke
weit. Im Thale angelangt, ritt er mit feinen
Leuten den sogenannten Djerith, ein bei den
Bewohnern Palästinas und Syriens äußerst be-
liebtes Spiel, das in einem tollkühnen Nach-
237
rennen und Schwingen der Lanze und pfeilschnel-
len. Davonspringen besteht, wobei sie ihre flüchti-
gen Roffe mit einer Gewandtheit und Sicher-
heit zu wenden verstehen, daß man nur staunen
muß, daß sich nicht. Jedesmal. Eines der Thiere
im Buge beschädigt, um so mehr, da sie von
einer regelmäßigen Führung gar keine Idee haben.
Gegen Mittag, nachdem ich noch ein ganz
enges Thal durchritten, in welchem mich die
furchtbare Sonnenhitze zu verzehren drohte, lag
das Meer und das befestigte Akre in weiter
Ebene vor mir, berühmt durch die Kriegsereig-
niße älterer und neuerer Zeiten. Zur Linken er-
blickte ich das hohe Gebirge des Karmel, dessen
höchste Felsen in das Meer hinausragen, und
auf welchem sich das Kloster erhebt. Zu den
Füßen des Gebirges liegt Kaipha. -
In Akret angekommen, umringte man als-
bald unser Lager mit Soldaten, um jede Be-
rührung mit den Einwohnern sorgfältigst zu
vermeiden. Ich überzeugte mich von der Un-
wiffenheit und Sorglosigkeit dieser Soldaten, die
an unsere Leute anstreiften, ganz gutmüthig
den Kameelführern ihre Thiere hielten und sicher
auch unsere Effekten berührt hätten, hätte ich
nicht einer freundschaftlichen Warnung zufolge,
die Wache durch die Wachsamkeit meiner eigenen
Leute bewachen laffen.
Gleich nach meiner Ankunft ließ ich den
Garnisons-Arzt, einen geschwätzigen, leichtsinnigen
Franzosen, zu mir rufen, und bat ihn auf das
Inständigte, sobald als möglich meinem kranken
Arzte zu Hülfe zu eilen, was er mir auf das
Heiligste zu erfüllen gelobte und mit feinem Ehren-
worte bekräftigte, schändlich genug aber, wie ich
bald darauf erfuhr, nicht that.
Von Akre, das ich Tags darauf verließ,
führte mich der Weg durch ein langes, fleißig
bebautes Thal längs dem Meere hin. Ich be-
fand mich in dem schönen Syrien.
Nach mehreren Stunden der Wanderung
begannen steile, in's schäumende Meer weit
hervorspringende Bergrücken. Zur Rechten be-
gannen heute und den folgenden Tag die Berge
der Metualis sich zu erheben, einer eignen Sekte,
die ganz abgeschloffen für sich lebt, von Niemand
die Pfeife annimmt und nicht aus dem Kruge
eines Fremden trinkt. Ihre Hauptbeschäftigung
find Ackerbau und Viehzucht. Ich habe nie schö-
nere und reinlicher gehaltene Ziegen - Heerden
getroffen, als bei diesem Stamme. Sie gewäh-
ren mit ihren gefleckten Haaren und langen,
tief herabhängenden Ohren einen ganz eigen-
thümlichen Anblick. Doch bald gebot mir die
Vorsicht, nur allein auf die Gefahren des hals-
brechenden Weges. Acht zu haben, der von
Stunde zu Stunde felsiger und steiler wurde.
Mein Pferd mußte an manchen Stellen förmlich
20
hinabgleiten; an ein geregeltes Hinabschreiten
war nicht mehr zu denken. Zu meinen Füßen
links tobte das brausende Meer und schlugen
feine tosenden Wogen an die abenteuerlich ge-
formten Klippen und herabgerollten Felsenblöcke.
Dicht zu meiner Rechten erhoben sich die steini-
gen Wände der Berge und verengten immer mehr
den ohnehin so schmalen Pfad, so daß mich ein
einziger Fehltritt meines müden Thieres in das
Wellengrab niedergeschmettert hätte. Erst gegen
Abend erreichte ich die Ebene von Sour, dem
alten Tyrus, der einstigen Beherrscherin der
Meere und Hauptstadt Phöniziens. Die Stadt
ist wie Akre, nicht groß. Sie liegt auf einer
Landzunge. Da es schon ziemlich spät geworden,
so schlug ich die Zelte eine starke Stunde davon
entfernt auf. Ein Levantiner, der f-e Konsul,
den ich zu mir bitten laffen, um mir nähere
Aufschlüße über die Pest zu Beiruth mitzutheilen,
lud mich für den folgenden Morgen zu sich nach
der Stadt, was ich mit Freuden zusagte, da ich
241
den herzlichen Mann auf den ersten Augenblick
liebgewonnen hatte. Jedoch am Thore der Stadt
angelangt, ließ man mich der Quarantäne halber
nicht hinein. Der Konsul, nach dem ich schickte,
befand sich noch in der Kirche, und so ritt ich,
nachdem ich eine halbe Stunde vergebens ge-
wartet, getrost meiner Wege. Was ist Hoffnung?
dachte ich bei mir selbst; was sind Pläne? Ich
hatte mich schon im Voraus auf den Genuß
köstlicher Meerfische, labender Früchte, feurigen
Libanon-Weines gefreut, allein das feindselige
Geschick hatte ein anderes beschloffen. Statt zu
speisen wurde ich vor dem Thore abgespeist und
mußte mich mit einem Stücke alten Käses und
steinhart gewordenen Brodes begnügen, das schon
seit mehreren Tagen in meiner Satteltasche auf-
bewahrt lag.
Auch an diesem Tage, den 24. Mai, führte
mich mein Weg stets längs des Meeres hin,
durch fruchtbare Ländereien, an herrlichen Citro-
16 -
22
nen- und Aprikosenbaum-Gärten vorüber, deren
es in dem gesegneten Syrien in so großer Menge
gibt. Die Aprikosen bilden dahier förmlich hohe
Bäume. Sie sind äußerst schmackhaft, doch ist
der zu häufige Genuß Fieber erzeugend.
Gegen Abend erreichte ich Seida, das alte
Sidon. Seine Lage gleicht. Jener von Sour.
Auch hier wurde der Eintritt verweigert, bis
endlich der österreichische Dragoman, Herr Lapi,
begleitet von Einigen der hiesigen Behörden, uns
nach einem Platze hinter der Stadt geleitete, wo
wir, alsbald von einem „Piket umringt, uns der
Quarantäne unterziehen mußten."
Seida liegt dicht am Meere, zu den Füßen
des mächtigen Libanon, dessen majestätischer An-
blick mich in Bewunderung versetzt hatte und
deffen Wurzeln im Meere entspringen. Der
Platz, wohin man uns gebannt hatte, befand
sich dicht am Strande. Es führte der Weg
243
nach Bairuth vorüber, das nur acht Stunden
von hier entfernt ist. Auf der Spitze der nie-
dern Anhöhe, um welche die Zelte aufgeschlagen
worden, erhob sich das Grabmal vier alter Ve-
ziere, mit einer offenen Säulenhalle, die uns
später zur Reinigung und Lüftung unserer ver-
dächtigen Effekten trefflich zu Statten kam. Rück-
wärts befand sich ein Garten, voll der schönsten
Aprikosen- Mandel- und Citronenbäume, so daß
man sich in einem Wäldchen glaubte, der uns
aber erst nach Verlauf einiger Tage geöffnet
wurde, der einzige Ort, um vor den verengen-
den Sonnenstrahlen geschützt zu seyn, deren
Wirkung uns selbst aus den Zelten trieb. In
der Hoffnung baldiger Erlösung hatten wir uns
zur Ruhe begeben, nicht ahnend, welch schreck-
liche Kunde uns am folgenden Morgen werden
sollte. - - -
- Wie groß war meine Bestürzung, als sich
am andern Tage mein Dragoman Mühlen-
16%
244
hof melden, ließ, und mir mit den Worten „er
ist todt!“ das Hinscheiden meines Arztes be-
richtete, in dem ich mehr als einen treuen
Diener, in welchem ich einen wahrhaften Freund
von Geist und Charakter verloren hatte. Er
war den Tag nach unserer Abreise verschieden,
zuletzt ohne Bewußtseyn. Dieser unglückliche
Vorfall verschlimmerte unsere Lage. Die strengsten
Maßregeln wurden gegen uns verfügt; denn Nie-
mand zweifelte, und leider mit vollem Rechte, daß
die Ursache des schnellen Todes unseres armen Ge-
fährten die Pest gewesen fey. Man kann sich einen
Begriff von unserer schrecklichen Lage machen, ver-
mehrt durch die Scheu vor den eigenen Effekten, die
wir in aller Eile dem Luftzuge Preis gaben, um
wo möglich das verborgene Gift aus ihnen zu
entfernen; denn aus jedem Stückchen Leinwand,
aus dem kleinsten Papierchen selbst drohte uns
bei der leisesten Berührung der Tod. Dazu
kam noch, daß wir in den ersten Tagen, in
Folge des Mangels einer gut organisierten Qua-
- - - -
25
rantäne-Anstalt, sogar am Brode Mangel litten.
Das Unglück nähert sich dem Menschen niemals
allein. Schon am zweiten Tage erkrankte mein
Mulatte. Unsere Angst steigerte sich um so
mehr, da die Symptome einer Krankheit völlig
mit Jenen der Pest übereinstimmten, so daß der
herbeigerufene, arabische Arzt sich erst nach meh-
reren Tagen von dem eigentlichen Uebel über-
zeugen konnte, zu dem sich ein bösartiger Typhus
gesellte. So verlebten wir die ersten eilf Tage,
dem gewöhnlichen Termin der Gefahr, in tödt-
lichter Bangigkeit und Ungewißheit, gemieden
und geflohen, uns selbst überlaffen in einem
fremden Lande, dessen Klima uns überdies mit
Fiebern drohte und nur acht Stunden von Bai-
ruth entfernt, wo die Pest im Zunehmen be-
griffen war. Unsere Lage war in der That ver-
zweiflungsvoll. Da nahte sich uns die tröstende
Hand eines weiblichen Engels, der schon seit
vielen Jahren feine Heimath verlaffen, um ferne
vom Geräusche einer lieblosen Welt, nur in der
26
Erinnerung an die schönen Tage der goldenen
Jugendzeit zu leben, und Nächsten wie Fremd-
lingen. Gaben der Freundschaft und Liebe zu
spenden.
- Gleich in den ersten Tagen erhielt ich ein
freundliches Schreiben mit der einfachen, liebe-
vollen Aufschrift: „aux Allemands malades“
nebst einigen Körben mit Effenzen, Rum und
Broden. Und diese Trösterin in der Noth,
dieses theilnehmende zartfühlende Wesen war –
Lady Stanhope, die einsame Bewohnerin des
Fleckens Dgioun am Libanon, zwei eine halbe
Stunde von hier entlegen. Bevor sie noch mei-
nen Stand und Namen kannte, kaum daß ihr
das dunkle Gerücht von dem Unglücke der deut-
schen Fremdlinge zu Ohren gedrungen, breitete
sie ihre fegenbringende Hand über uns aus, er-
theilte sie uns schriftlich wohlmeinenden Rathschluß
und heilsame Vorschriften zur Erhaltung unseres
gefährdeten Daseyns. Diese unerwartete Theil-
247
nahme, noch dazu gespendet von Seite dieser
Frau, lockte mir Thränen des Dankes, der
Rührung hervor. Ich beeilte mich, Ihr in
einem Schreiben den innigsten Dank meines
Herzens auszusprechen, Ihr zu betheuern, daß
die Erinnerung an Ihre Güte nie aus meinem
Gedächtniffe schwinden würde; daß Ihre liebe-
vollen Gaben für mich um so größeren Werth
hätten, da sie mir zu Theil geworden wären,
bevor Sie noch mit meinen Verhältnißen bekannt
gewesen sei, ein Beweis mehr Ihres edlen
Charakters, der ohne Rücksichten des Ranges
oder Standes jedem Bedürftigen mitleidig bei-
stehe. Bald darauf erhielt ich ein höchst schmeichel-
haftes Schreiben von der Hand dieser edlen
Dame, den mir Ihr Arzt, ein bejahrter
Engländer, überreichte, und von nun an fand-
te Sie jeden Morgen reichliche Gaben von
verschiedenen Lebensmitteln, ja selbst mit frischem
Waffer versorgte uns Ihre beispiellose Güte, da
das unsere sehr schlecht und schädlich war. Doch
23
genug von der Engelsgüte dieser Frau. Sie
wird mir vielleicht zürnen, daß ich diese wenigen
Zeilen niederschrieb, doch mein dankbar-gerührtes
Herz drängte mich unwiderstehlich zu diesem
schwachen Beweis meiner Erkenntlichkeit. Mögen
fie dem geneigten Leser zur treffendsten Charak-
terschilderung dieser herrlichen Dame dienen.
Noch muß ich der unermüdlichen Thätigkeit
des Herrn Lapi erwähnen, der sich meiner mit
wahrhaft brüderlicher Sorge annahm. Möge
sich mir je eher je lieber Gelegenheit darbieten,
dem wackern jungen Mann, dessen Klugheit und
Eifer feinem Gouvernement schon so vielen Nu-
zen gewährt hat, seine Freundschaft zu lohnen.
Auch der liebevollen Theilnahme des griechisch-
katholischen Klosters Deir-El-Mauháelles, auf
dem Libanon gelegen, muß ich dankbar erwähnen,
deffen frundliche Mönche mich, so wie mehrere
Levantiner von Seida, mit ausgesuchten Lebensmit-
teln und köstlichem Weine vom Libanon versorgten.
219
Am 6. Juni endlich kündigte man uns die
ersehnte Freiheit an, jedoch war sie uns von
geringem Nutzen, da die Nähe der Pest die
größte Vorsicht erheischte und es unter folchen
Verhältnißen nichts Gefährlicheres gibt, als viel
im Lande herum zu wandern. Man thut immer
am Besten, sich so viel als möglich ruhig
auf einem bestimmten Platze zu verhalten und
sich mit den Bewohnern in keine nähere Be-
rührung zu setzen. Was mir dabei am schmerz-
lichsten fiel, war, daß ich das herrliche, ächt
alt - orientalische Damask mit seinen reizen-
den Gärten nicht besuchen konnte. Es war dies
ein großes Opfer, das ich der Vorsicht darbrachte;
denn nicht zum Zweitenmale wollte ich das
Glück auf die Probe stellen. Und somit hatte
ich den interessantesten Theil meiner Reise voll-
endet; hatte glücklich die Beschwerden der weiten
Landreise zurückgelegt, ohne mich, Gott fey es
gedankt, auch nur einen Augenblick unwohl oder
übermäßig müde befunden zu haben, was doch
%.
250
so leicht der Fall feyn hätte können, da ich
diesen langen Weg mit fast unglaublicher Schnell-
ligkeit zurückgelegt hatte. Zudem kam noch der
häufige Wechsel des schlechten Waffers. In der
Wüste zumal sahen wir uns genöthigt, mit ei-
nem Waffer vorlieb zu nehmen, das wir viele
Tage lang in ledernen Schläuchen mitschleppten,
Es kostete bisweilen große Ueberwindung, es zu
trinken, um so mehr, da es den Geschmack des
Leders angenommen und ganz trübe geworden
war. In Europa würde sich der ärmste Bettel-
junge für dieses Getränke bedankt haben, allein
der gänzliche Mangel und die Größe unseres
Durstes ließen uns keine Wahl übrig.
Ich benützte die letzten Tage zu einem
Ausfluge nach dem griechisch-katholischen Kloster
Deir-El-Mauháelles, im Libanon gelegen, wo-
hin mich die Gefühle der Dankbarkeit gehen
hießen, da ich, wie schon gesagt, von den freund-
lichen Mönchen dieses Klosters so rührende Be-
251
weise der Theilnahme in meinem Mißgeschick er-
halten hatte. - -
- Um vier Uhr Nachmittags machte ich mich
in Begleitung des Herrn Lapi und zweier türki-
fchen Behörden auf den Weg. Nachdem ich eine
kurze Strecke längs dem Meere im tiefen Sande
geritten, lenkte der Weg nach Rechts ab und be-
gann immer steiler und steiniger zu werden, denn
schon befand ich mich am Fuße des hohen Libanon-
gebirges. Mit jedem Schritte verschlimmerte sich
der Weg. Zweimal stürzte mein Pferd mit mir
zu Boden. Nachdem ich eine starkgewölbte Stein-
brücke paffiert, die über einen ziemlich reißenden
Bergfluß gesprengt ist, wurde der Pfad von nun
an dergestalt felsicht und schroff hinanführend,
daß ich mich mehreremale am Knopfe des Sattels
halten mußte, um nicht rücklings vom Pferde zu
gleiten. Zu meiner Rechten schlängelte sich ein mit
lieblichen Silberpappeln, Citronen- Orangen- und
Cypreffenbäumen bewachsenes, enges Thal, das
252
sich jedoch bald zwischen den Schluchten verlor.
Nachdem ich eine ziemlich bedeutende Höhe erreicht
hatte, bot sich mir der herrliche Ueberblick über
das Meer, die Stadt Seida mit ihren Aprikosen-
und Citronen-Gärten und den Vorgebirgen in
der Richtung gegen Sour dar, dieß Alles erleuchtet
vom Schimmer einer prachtvollen Abend-Sonne,
die sich allmählig in die glänzenden Fluthen zu
tauchen begann. Die Vegetation wurde jetzt eine
gute Strecke entlang ärmlicher. Die höchsten Gipfel
dieses Theiles des Libanons traten hervor, doch nur
ein kleiner Theil des Gebirges, mir zur Rechten,
war mit Bäumen bewachsen. Ich hatte mir eine
ganz andere, vortheilhaftere Vorstellung gemacht.
Und dennoch kann ich nicht sagen, daß, obgleich
der Anblick der Umgegend öde ist, er unangenehm
auf mich zurückwirkte. Mit ihren vielen, aben-
teuerlichen Schluchten zu meinen Füßen, fühlte
ich mich von einem ganz eignen, beinahe geheim-
mißvollen Gefühle bemeistert. Die stattliche, halb
kreisförmig im Hintergrunde sich erhebende Berg-
253
kette, mahnte mich an die Alpen der Schweiz.
Auf den höchsten Spitzen der - niederen Berge
zeigten sich eine Menge Dörfer, deren reinliche
Häuser den Wohlstand errathen ließen, der unter
den Bewohnern des Berges, meist Christen, vor-
herrschend ist. Nach zweien Stunden mühsamen
Kletterns, erblickte ich auf der Höhe eines steilen
Hügels den Wohnsitz meiner Wohlthäterin, das
einsame Dgioun und bald darauf, ebenfalls auf
einer felsichten Anhöhe gelegen, das freundliche
Kloster, dessen Bewohner sich mir als wahre Men-
fchenfreunde bewährt hatten. Es ist nur eine
starke halbe Stunde von Dgioun entfernt. Bei
meiner Annäherung vernahm ich nach langer Zeit
zum Erstenmale wieder den feierlichen Klang der
Glocke, deren Ton sich weithin verbreitete und
in mir eine sanfte Rührung hervorbrachte, gestei-
gert durch die lebhafte Erinnerung an die Hei-
math, deren traute Bilder mehr als jemals meinem
Geiste vorschwebten. Am Fuße des Hügels, auf
deffen Spitze das Kloster sich erhebt, angelangt,
254
wurde ich von dem Superior und der sämmtli-
chen Klostergemeinde auf das Feierlichste empfan-
gen und in Prozession nach der Kirche geleitet,
um daselbst am Fuße des Hochaltars das Gebet
zu verrichten. Das Kloster ist sehr geräumig und
reinlich. Die Mönche sind sämmtlich geborne
Araber. Ihr Hauptberuf ist der Unterricht und die
Bebauung der Felder und Weinberge. Ihre Klei-
dung ist ganz nach Art der griechischen Geistlichen.
Sie besteht aus einem kornblauen Talar mit schwar-
zem Ueberkleide. Auf dem Kopfe tragen sie eine
schwarze Mütze, Kallusse genannt. Diese Kopf-
bedeckung war Ursache langwierigen Streites mit
ihren Gegnern, den schismatischen Griechen, welche
sich allein für berechtigt glaubten, selbe zu tragen.
Seit Kurzem jedoch mußten sie ihnen das gleiche
Recht zugestehen. In Europa, wohin zuweilen
Einige von ihnen gesandt werden, bedienen sie
sich der Hüte, um nicht für Schismatiker gehalten
zu werden. Am folgenden Morgen wohnte ich
dem feierlichen Hochamte bei, das mit wahrer
255
Pracht und nach dem mir bisher fremden Ritus
der katholischen Griechen abgehalten wurde. Ge-
fang der jüngeren Mönche begleitete die feierliche
Handlung. Der Gottesdienst wird in arabischer
Sprache abgehalten, was mir sehr zweckdienlich
erscheint, indeß bei uns das Volk nicht das Ge-
ringste von dem versteht, was der Priester in
lateinischer Sprache abliest. Nach der Meffe er-
schien der Arzt meiner mütterlichen Wohlthäterin,
um mich von dem plötzlichen Unwohlsein seiner
Gebieterin in Kenntniß zu setzen. So wurde
mir also das Glück geraubt, ihr mündlich die
aufrichtigen Gefühle meines Dankes darzubringen.
Ich läugne nicht, daß ich meinem Mißgeschicke
auf das Heftigste zürnte, um so mehr, da mich
eine so kurze Strecke vom Aufenthalte dieses so
menschenfreundlichen Wesens trennte.
Die Bewirthung im Kloster war wirklich
eine fürstliche. Des Gesundheittrinkens war gar
kein Ende, und ich mußte alle meine Vernunft-
256
gründe in Anspruch nehmen, um dabei nicht die
Gesundheit selbst einzubüßen, denn der treffliche
Wein des Libanons begann schon mir allmählig
die Sinne zu betäuben. Nach jedem Toast wurde
von einigen Mönchen ein paffendes arabisches
Lied gesungen, was nicht wenig dazu beitrug,
mir den Kopf wirbelicht zu machen. Namentlich
einer derselben, der mir der Vorsänger zu sein
schien, ließ seiner ohnehin kräftigen Stimme solch
freien Lauf, daß es mir völlig meine, sonst nicht
sehr empfindlichen Nerven, angriff, und ich alle
meine schuldige Rücksicht aufbieten mußte, um
entweder nicht zu lachen oder mir die Ohren zu-
zuhalten. Meine arabischen Tischnachbarn schienen
höchst gerührt, und jemehr der sogenannte Sänger
schrie und seine gellenden und näselnden Rouladen
ausstieß, in desto größeres Entzücken geriethen die
guten Väter. Dabei lief mir der Schweiß von
der Stirne, denn die Hitze, die seither schon be-
deutend zugenommen, war an diesem Tage so
heftig, daß sich selbst die Eingebornen darüber
57
beschwerten und äußerten, sie hätten schon seit
Langem keine solche Wärme ausgestanden. Gegen
Abend schied ich von den wackern Mönchen und
erreichte mit Einbruch der Nacht unser Lager,
nach einem halsbrechenden Ritt von zwei und
einer halben Stunde, während defen sich wohl
mehr als ein Dutzendmal Gelegenheit zum Hals-
brechen dargeboten hatte. Noch muß ich der
Heuschrecken erwähnen, deren ich eine so große
Menge antraf, daß mein Pferd vor ihrem Ge-
fume scheu wurde und umkehren wollte. Sie sind
eine große Plage für diese Länder. Um sie zu
vertilgen, werden Gräben angelegt, in welche man
sie hineintreibt und begräbt. Es ist noch nicht
lange her, daß Ibrahim-Pascha ein ganzes Regi-
ment zur Vertilgung dieser Insekten aussandte.
Den 11. Junius schlug endlich die Stunde
der Erlösung. Es war um zehn Uhr Morgens, als
mich das englische Dampfboot Megera, von Bei-
ruth kommend, an Bord nahm. Obgleich seekrank,
17
258
war mir dennoch wohl zu Muthe, nach neunzehn-
tägigem, höchst traurigem Aufenthalt Seida den
Rücken zu kehren. Am Bord des Schiffes fand
ich, nebst mehreren anderen, sehr artigen Englän-
dern, den liebenswürdigen Lord Prudhok, dessen
Bekanntschaft ich während meines Aufenthaltes zu
Kairo gemacht hatte und feinen Begleiter, einen
englischen Obersten Ramens Devison, ebenfalls
ein sehr artiger Mann, der sich längere Zeit in
Deutschland aufgehalten hatte.
Am 13ten Morgens liefen wir im Hafen
von Alexandrien ein, durften jedoch das Land
nicht betreten, da das Schiff, als von Beiruth
kommend sich in Quarantäne-Zustand befand, was
mich nicht sehr schmerzte, indem in der Stadt und
in der Flotte die Pest, die Cholera und die Blat-
tern herrschten. Ein Mann soll in Zeit von zwölf
Minuten gesund und todt niedergestürzt sein, was
zu dem Gerücht Anlaß gab, als habe sich in ihm
der schwarze Tod gezeigt, welcher damals in Aue-
259
rika herrschte. Obgleich ich, wie gesagt, das
Schiff, welches die Post von Bombai erwartete,
nicht verlaffen durfte, so verstrich mir der Tag
dennoch höchst angenehm. Im Kreise der angeneh-
men Reisegefährten vergaß ich selbst der verhee-
renden Seuchen, ja selbst im Punkte der Mäßig-
keit ließ ich mich verführen, eine Sache die bei
traulichen englischen Mahlzeiten, verbunden mit
etwas wankelmüthigen Grundsätzen, beinahe un-
möglich ist. Ich gestehe, daß ich mir die ge-
pfefferte Kost und den feurigen Portwein ganz
trefflich schmecken ließ. -
Von Intereffe war es mir, zu erfahren,
der Vizekönig habe den Konsuln erklärt, er werde
sich in Kurzem als von der Pforte unabhängig
erklären. Unser Schiff war der Ueberbringer der
Depeschen an das englische Gouvernement, be-
züglich dieser Angelegenheit. Am 17ten um zwei
Uhr Nachmittags verließen wir den Hafen von
Alexandrien. Schon nach wenigen Stunden drehte
17
260
sich der Wind und blieb uns während der ganzen
Fahrt ungünstig.
Den 22ten erblickten wir die kahlen Berg-
spitzen der Insel Malta. Um fünf Uhr Abends
lag das malerisch gelegene Lavalette vor uns,
das sich, einem reizenden Panorama gleich, am-
phitheatralisch am Abhange eines Berges erhebt.
Wir steuerten am ersten Hafen vorüber und lie-
fen in jenem der Quarantäne ein. Kaum daselbst
angelangt, ließ ich sogleich einen Theil unserer
Effekten nebst zweien Dienern nach dem Fort
Manuel, der Quarantäne-Anstalt, hinüberschaffen,
damit der Tag der Ankunft noch gezählt werden
konnte; denn das Leben in einer Quarantäne ist so
eine langweilige Sache, daß man jede Stunde we-
niger nicht unbenützt vorüber gehen laffen sollte.
- Am folgenden Tage bezogen wir das Fort.
Es war erst seit fünf Monaten zu diesem Zwecke
eingerichtet worden und ist sehr groß und geräu-
-
261
mig. Ein weiter Hof mit der herrlichen Ansicht
von Lavalette und dem Meere diente uns zum
Spaziergange. Reinlichkeit, höchst aufmerksame
Bedienung und eine vortreffliche Küche mildern
das Unangenehme dieser einundzwanzigtägigen
Festungsstrafe. Man kann mit Wahrheit sagen,
daß man hier auf die höflichste und nobelste Art
gefangen gehalten wird. Während der ersten sieben
Tage sperrte man um neun Uhr Abends die
Thüre zu unserm Gange. Nach Verlauf derselben
gestattete man uns nach Belieben den Aufenthalt
im Hofe, was uns fehr zu Statten kam, da die
mehr als asiatische Hitze des Tages uns bis zum
Abende in den kühlern Zimmern zurückhielt.
Schneller als ich es gehofft, verstrichen mir
diese Tage der Gefangenschaft. Sie dienten mir
zur Erholung nach so vielen Monaten der Stra-
paze und des Schreckens der jüngst verlebten
Tage. Ich hatte Muße, das Gesehene und Ex-
lebte nochmals im Geiste, in der Erinnerung zu
wiederholen; denn ich hatte wahrhaftig während
eines, für so eine weite Reise, kurzen Zeitraumes,
des mir früher Unbekannten unendlich Vieles ken-
nen gelernt. Ich war so glücklich gewesen, den
Plan meiner Reise, in der Hauptsache wenig-
stems, zu vollenden, nur Damask mißgönnte mir
das feindliche Geschick, Folge unseres erzwunge-
nen Aufenthaltes in Seida. Erst auf dem Rück-
wege erfuhr ich, daß daselbst die Cholera heftig
wüthete, so wie auch, daß sich gerade auf unserm
Wege von Jerusalem nach Seida mehrere Räu-
berbanden gezeigt hätten, indeß wir sorglos einher
gezogen waren. Es ist eine der hauptsächlichsten
Unannehmlichkeiten in diesen Ländern, daß man
sich nicht einmal im kleinsten auf die Aussagen
der Bewohner verlaffen darf, welche theils die
Wahrheit nicht eingestehen wollen, oder größten-
theils nicht von ihr unterrichtet sind. So wußte
oder wollte z. B. der Gouverneur von Gaza
nicht wissen, ob in dem so nahe gelegenen Je-
rusalem, wo noch dazu fein Sohn den gleichen
263
Posten begleitete, die Pest vorhanden sei oder
nicht. Einer wahren Fügung Gottes verdankten
wir unsere Rettung aus den Gefahren letzter Zeit.
Am 12ten Juli schlug endlich die ersehnte
Stunde der Freiheit. Eine Barke brachte mich
an's jenseitige Gestade, wo selbst eine Abtheilung
englischer Truppen meiner am Ufer harrte. Als
ich das Land betrat, donnerten mir die Kanonen
vom Fort St. Elmo entgegen und ertönte die
feierliche Melodie des „God save the Queen.“
Ich begab mich sogleich zum Gouverneur, General
von Bouverir, der mich mit wahrer Herzlichkeit
empfing, so wie ich überhaupt während der we-
nigen Tage meines Aufenthaltes in Lavalette von
Seite der englischen Offiziere mit noch nirgends
getroffener Freundschaft und ächter Kamerad-
fchaft behandelt wurde. Nie wird die dankbare
Erinnerung an die frohen Stunden, die ich in
ihrer Mitte zubrachte, aus meinem Herzen schwin-
den. Gegen Abend war Parade auf der Floriana,
26
einem großen Platze außerhalb des Thores. Ich
habe in Betreff der Propretät nichts. Vollkomm-
neres der Art gesehen. Wahrhaft pittoresk nahm
sich das schottische Regiment in seiner originellen
Nationaltracht aus, Leider hatte beim Hinaus-
reiten einer meiner Begleiter, Hauptmann Hüg-
ler, das Unglück, mit seinem Pferde auf dem
Straßenpflaster zu überschlagen und sich das
rechte Schlüffelbein und einen Finger der rechten
Hand zu brechen. Am Abende war großes Di-
ner bei dem Gouverneur, Die Stadt Lavalette
hat hübsche, geräumige Straßen. Es verräth
sich auch in Hinsicht der Reinlichkeit die wohl-
thätige Einwirkung des englischen Gouvernements.
Das Palais des Gouverneurs ist sehr pracht-
voll und geräumig. In einem großen Saale
deffelben befindet sich die interessante Waffen-
Sammlung aus den Zeiten des Ritterordens.
Dicht neben dem Palais ist das herrliche Bi-
bliothekgebäude. Es enthält bei 40.000 Bände,
meist ältere Werke aus der Zeit des Ordens,
265
deffen Mitglieder ihre Privat-Sammlungen der
Anstalt vermachten.
Ich besuchte ferners die prachtvolle Kathe-
drale von S. Giovanni. Ich habe wenig Pracht-
volleres gesehen; der Fußboden zumal, ganz aus
Mosaik bestehend, übertrifft alle Erwartung
Die französische Plünderungssucht hat auch hier
ihre Spuren zurückgelaffen. Die Regierung un
terläßt es nicht, den prachtvollen Tempel auf
das Würdigste zu erhalten.
Die Festungswerke sind von einem Umfang
und einer Stärke, wie ich noch keine Aehnlichen
getroffen. Auch hat die Natur das Ihrige zur
Vertheidigung der Insel in reichem Maße bei-
getragen. Die Munitionsvorräthe sind auffer-
ordentlich bedeutend. Die Kasernen sind wahre
Paläste. Die Verpflegung der Soldaten läßt
nichts zu wünschen übrig. Der Tisch der Unter-
offiziere war so einladend, daß ich mich gar zu
gerne zu ihnen hingesetzt hätte.
- Unter den Bekanntschaften, die ich hier an-
knüpfte, war mir unter Andern jene des Cheva-
lier Granville-Temple von großem Intereffe.
Es ist derselbe, welcher in den Ruinen von
Karthago Nachgrabungen veranstaltet,
Am 14. Abends verließ ich mit dem nea-
politanischen Dampfboote „Winefried“ den Ha-
fen von Lavalette. Schon den folgenden Morgen
hatten wir Syrakus erreicht, wo selbst wir bis
zum kommenden Tage verweilten. In Katanea
wurde einige Stunden angehalten. Ich benützte
sie, um die prachtvolle Benediktiner-Abtei zu be-
sichtigen, die ich bei meiner frühern Anwesenheit
nicht gesehen hatte. Abends wurde die Reise
fortgesetzt. Die Nacht war herrlich. Der nahe
Aetna sprühte Flammen und hielt mich bis in
die späte Nacht auf dem Verdecke zurück. Mit
dem Frühesten liefen wir im Hafen von Messina
ein, wo selbst wir am dritten Tage Morgens
wieder abfuhren. Mit innigem Vergnügen er-
267
neuerte ich die Bekanntschaft unters Konsuls
Kilian, dessen freundschaftliche Güte mich schon
vor sechs Jahren mit Beweisen von Ergebenheit
überhäuft hatte, und dessen Rechtlichkeit und
Wohlthätigkeits-Sinn sich während der Cholera
neuerdings auf das Glänzendste bewährt hat.
- Die Scylla und Charybdis durchsteuernd,
bedrohten uns nicht die verführerischen Lockungen
der Syrenen, sondern der Umstand, daß die
Kette des Steuerruders abriß, so daß wir bei-
nahe gegen die Klippen des Ufers geschleudert
worden wären. In der Nacht passierten wir die
Insel Stromboli mit ihrem Vulkan, aus dessen
Krater die glühenden Funken hoch gegen Himmel
sprühten.
Den folgenden Tag, als am 20. Juli Mit-
tags, lief ich im Hafen von Neapel ein und
betrat endlich wieder den Boden des Festlandes
von Europa. Obgleich sechs Jahre verstrichen
263
waren, daß ich das prächtige Neapel nicht mehr
erblickt hatte, so fühlte ich mich dennoch schon in
den ersten Stunden wieder heimisch. Ich fand Vie-
les im Innern und in der Umgebung verschönert.
Die Lebhaftigkeit und das Geräusch waren um so
größer, da das Geburtsfest und die Tags darauf
erfolgte Niederkunft der Königin mit einem
Prinzen gefeiert wurden. Theater, Feuerwerke,
Musiken und Beleuchtungen währten mehrere
Tage hindurch fort. Selbst der ewig unruhige
Vesuv war so aufmerksam, die allgemeine Feier
durch eine heftige Eruption zu verherrlichen.
Ich für meine Person verzichtete darauf, ihn
diesmal wieder zu besteigen, eingedenk der fürchter-
lichen Fatique, die ich schon Einmal ausgestanden.
Ich hatte Gelegenheit, die für mich höchst
interessante Bekanntschaft des Herzogs von Sach-
fen-Weimar zu machen, eines Fürsten, gleich
ausgezeichnet durch vielseitige Kenntniße, so wie
auch als geschickter Militär. Es ist Ebenderelbe,
deffen Reise nach Amerika im Drucke erschienen
ist. Sein Umgang war für mich belehrend, so
wie feine persönliche Liebenswürdigkeit nie mei-
nem Gedächtniße entschwinden wird. Er besitzt
in vollem Maaße die herzgewinnende Gabe, den
Fürsten und den schlichten Privatmann auf die
gefälligste Weise in sich zu vereinigen.
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Den 15. August verließ ich Neapel und
langte den 17. in Rom an. So hatte ich denn
auf dieser weiten Fahrt die beiden heiligen Orte
der Christenheit betreten, die Grabstätte des
Herrn und den Tempel feines irdischen Statt-
halters. Die Hitze war so drückend, daß ich
während des Tages nur selten das Zimmer ver-
laffen konnte, daher ich Diesmal nur Wenige
der Alterthümer besuchte. Zwei Monate vor
meiner Ankunft wurde das Grabmal eines römi-
fchen Bäckers, wie es sich aus der Inschrift
und den schön gearbeiteten Basreliefs erweist,
zunächst der Porta Maggiore, ausgegraben. Auch
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fand man zugleich zwei mit Einander verbun-
dene Statuen, Mann und Frau darstellend und
von schöner Ausführung. In der Peterskirche
war mir das schöne Monument Leo des XII. "
neu, das ihm der jetzige Papst vor drei Jahren
hatte errichten laffen.
Ich fand die Stadt in diesem Augenblicke
äußerst stille. Die Mehrzahl der Vornehmen
war auf dem Lande; Fremde gab es nur sehr
Wenige. So schwül die Tage, so kühl waren
die Abende. Da gerade die Fieberzeit herrschte,
so konnte ich mich nicht genug vor Erkältung in
Acht nehmen. Der spanische Platz gilt für den
gesündesten Aufenthalt, ja selbst die böse Cholera
hatte seine Bewohner verschont, weßhalb ich
auch daselbst im Hötel de l'Europe abstieg.
Noch muß ich eines prachtvollen Feuerwerks
im Mausoleo erwähnen, den Untergang Pom-
pejis darstellend, das während eines heftigen
271
Platzregens abgebrannt wurde, dessen ungeachtet
aber zur allgemeinen Zufriedenheit ausfiel.
Von Rom setzte ich die Rückreise über
Florenz fort, woselbst ich mich einige Tage auf
hielt und sodann über Pisa, Lukka und Genua
den Weg über Turin einschlug, das ich noch
nicht kannte. Den Mont Cenis überschreitend,
gelangte ich nach Genf. Zum Erstenmale fühlten
wir uns nach so vielen Monaten immerwähren-
der Hitze von der empfindlichen Kälte unange-
nehm durchschauert. Nach kurzem Aufenthalte
verfolgte ich meine Rückreise und schlug den
Weg über Neuchatel und Basel, Freiburg im
Breisgau, Karlsruhe und Stuttgard ein. Am
17. September traf ich endlich, nach einer Ab-
wesenheit von acht Monaten, wohlbehalten in
München ein.
Somit wäre ich mit der flüchtigen Skizzi-
rung dieser Reise zu Ende. Nochmals ersuche
272
ich den geneigten Leser, in diesen wenigen Zeilen
nicht eine Gelehrsamkeit zu suchen, auf welche
ich niemals Anspruch machten konnte und mochte,
sondern das kleine Werk als das zu beurtheilen,
was es eigentlich ist, nämlich als einen gedräng-
ten Auszug aus meinem Tagebuche.
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- JPLOSITFTZGIFENSI - - - - - - - -
- - - - -
---DE-0- *
-
Malerische Ansichten ,
aus dem Oriente,
gesammelt . . . . . . . .
- - - - - - - - - - - - - - - - - -
-
auf der Reise. Seiner Hoheit, des Herrn Herzogs
- - - - - Klarimilian in Bayern, zu
nach … »
Nubien, Egypten, Palästina, Syrien -
. . . . . und, Malta n» - -
, im Jahre 1838, . . . . . . . . . .
herausgegeben - - is
-
-
-
- -
- VON loe
Heinrich von Mapr.
-
… Ader Zeichner und Herausgeber dieser Ansich-
ten hatte, in seiner Eigenschaft als Kabinetsmaler
Sr. Hoheit, dpa Herrn Herzogs Maximilian in
Bayern die Ehre, Höchstdemselben auf der erwähn-
ten Reise zu begleiten, und hiebei Gelegenheit,
die vorzüglichsten Punkte nach der Natur aufzu-
nehmen. Aufgemuntert von Sr. Hoheit, in Höchst-
dessen Händen sich die Originalzeichnungen befin-
den, und von Seite der Titl. Herren Reisegefähr-
ten, unternimmt es der Herausgeber eine Auswahl
aus seiner reich gefüllten Reisemappe dem Kunst-
und Naturliebenden Publikum vorzulegen und
bittet diese lithographischen Abbildungen nur
als flüchtige Skizzen zu betrachten, wie oft die
Umstände der Reise solche nur zu machen ge-
statteten. Uebrigens hielt der Unterzeichnete für
geeigneter, dieselben so wieder zu geben, wie
der mächtige Eindruck des Gesehenen die eilende
Hand unmittelbar leitete, als durch eine spätere
grössere Ausführung der Zeichnungen vielleicht
mehr Phantasie als Wahrheit hineinzubringen.
Zur grösseren veranschaulichung begleitet
jedes Heft ein kurzer erläuternder Text, der
aber ja nicht als schriftstellerische Arbeit gelten
soll.
. . . na di nie
Der ungemein niedrige Preis, gegen welchen
nur der Unterzeichnete ein solches Werk zu lie-
fern im Stande ist, so wie die gelungenen litho-
graphischen Abbildungen lassen hoffen, dass die-
ses Unternehmen von allen Seiten einer gütigen
Aufnahme sich erfreuen dürfe, " - " - " . .“
Um den Titl Herren Abnehmern die Anschaf-
fung dieses Werkes zu erleichtern, soll selbes in
8 Heften zu 6 Blätter von 16“ Höhe und 20
Breite in Zwischenräumen von 1–1/ Monat er-
scheinen. - -
Preis der Lieferung: Tondruck : 4 fl. Colo-
rirt: 8 fl. für Bayern. Für das Ausland: Ton-
druck: 5 fl. Colorirt : 10 fl.
-
Das Werk enthält 8 Lieferungen:
- -
I. Lieferung: ausser dem reich verzierten Titelblatte mit
dem Portrait Mehemed Ali's, Vicekönigs von Egyp-
ten, Ansichten von Tempelruinen aus Nubien und -
ein Costume-Blatt, ".
II. Lieferung: Nubien.
III. Lieferung : Nubien und Oberegypten.
IV. Lieferung: Mittelegypten. - -
V. Lieferung: Unteregypten.
WI. Lieferung : Palästina.
PII. Lieferung: Zug durch die Wüste.
VIII. Lieferung: Syrien und Malta.
Bis jetzt erschienen 3 Lieferungen.
Erste Lieferung enthält :
1) Die grossen, oder von Cairo an gezählt die zweiten
Katarakten des Nils. 2) Nubische Costüme. 3) Grosser
Tempel von Ibsambul (Abussambul). 4) Der kleine Tem-
pel von Ibsambul. 5) Tempel bci Derr. 6) Amada (Ama-
don), Tempelruine.
Zweite Lieferung enthält:
1) Seboua (Essabua). 2) Maharrakah (Offedinah).
3) Der Tempcl von Dakkeh. 4) Girsche - Hussan (Jerf-
Hussayn). 5) Meroë (Danduhr). 6) Kalabschi.
Dritte Lieferung enthält: . . . . . .
1) Tempelansicht von Deboud. 2) Ansicht der Insel
Philae. 3) Kostume-Blatt. 4) Erster Cataract. 5) Ruine
von Elephantine und Assuan. 6) Das Innere des Tem--
pels von Edfu, , , , , , , , -
Die vierte Lieferung wird enthalten:
1) Das Grab des Herrn, Portalansicht. 2) Das Inne-
re des Grabes des Herrn. 3) Das Grab der hl. Mariä,
Portalansicht. 4) Nazareth 5) Jerusalem. 6) Bethlehem.
- - - -
Die Zahlung für die einzelnen Hefte geschieht
- - - - - - - - -
.
bei Ablieferung derselben. "
Man unterzeichnet bei dem Unternehmer in
München; Paris bei Herrn Rittner & Goupil;
Leipzig bei R. Weigel. - - - - - - -
München im März 1889.
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. . .
-, … - - Heinrich v. Mayr,
Kasernstrasse Nr. 1/1.
- - - - - . . .
: -
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, -
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- - - - - - - - “, … - - - - - -
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.
- österreichische Nationalbibliothek
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