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Von Prokeschs -
E r in n e r ungen
a U $
Aegypten und Kleinasien.
Erster Band.
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222259.-A.
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Erinnerungen
N U 5
Aegypten.
***----------
- - - - --------
============
I.
Ankunft zu Alexandria.
(1 826)
Am 29. September früh hatten wir nirgends
Land zu Gesichte. Doch mit Sonnenuntergang, da
die Nebel am Horizonte völlig aufgelöet waren,
wies sich, in mächtiger Verbreitung im West bei
Nord, das Haupt des kretischen Ida. Wir waren in
diesem Augenblicke 200 Seemeilen von der Insel
Candia entfernt. Abends fiel Windstille ein und
währte bis zum folgenden Abende, wo mehrere Blitze
aus Nordwest frischen Wind verkündigten. Bald kam
er, aus Südost, und ging in Sturm über. Wir
hielten die Bramsegel zweimal gerefft während der
Nacht und am nächsten Tage. Ein einziges Schiff
hatten wir, seit unserer Abfahrt von Smyrna, be-
gegnet, so sehr war der Handel durch die Seeräu-
ber eingeschränkt. Dieß Eine war ein österreichischer
Kauffahrer. Es liegt etwas Erhebendes darin, sich,
zwei schwimmende Puncte auf der unendlichen Fläche
des Meeres, zu treffen und zu begrüßen. Hoch von
Bord zu Bord ruft sich der Seemann die »glückliche
Prokefch: Ägypten I. 1
2
Fahrt!« zu. Er fragt nur wenig; »welche Breite
habet Ihr?« »welche Länge?« – und scheidet wie-
der. Das Reich der Namen ist zu Ende; nur die
Zahlen gelten noch.
Fünfzig Meilen von der Küste entfernt, sahen
wir schon ein paar Falken uns entgegenkommen,
wovon wir einen fingen. Viel früher hatten wir
kleineres Gevögel, Schwalben, Stelzen u. f. w.
begegnet. Die armen Thierchen fetzten sich ganz er-
müdet auf das Thauwerk, und die Matrosen erhasch-
ten sie mit den Händen. Am 4. October mit Tages-
anbruch gewahrten wir einige Barken aus dem Nil,
Schebecken zu drei Masten und bald darauf kamen
wir in den Bereich der Ausströmung, die sich durch
die Trübe des Meeres ankündiget. Endlich, um Mit-
tag, zeigte sich Land, in zitternder, abgebrochener,
gelber Linie zwischen Wellen und Himmel. Ein
Thurm stieg nach und nach empor – ein Fort,– eine
Reihe von Dattelpalmen – ein anderer runder gleich
hoher Sandhügel: es war die Küste von Abukir.
Wir legten rechts um. Schon zeigte sich die Säule
des Pompejus,– schon verkündigte ein Wald von
Masten Alexandria; aber die Sonne ging unter, wir
waren zu nahe der Küste und doch zu ferne, um
den Hafen zu erreichen und mußten ins Weite.
Am 5. Oktober, kaum daß der Tag angebrochen
war, kam uns mit vollen Segeln ein ägyptisches
Z
Geschwader zu 16 Kriegsschiffen entgegen. Wir er-
kannten die Flagge Moharem - Bey's, des Gouver-
neurs von Alexandria und Schwiegers des Viceköni-
ges, und wechselten die üblichen Grüße. Es hielt
die Richtung nach Cypern. – Mehr und mehr hob
sich Alexandria aus der See mit breiten hohen Ge-
bäuden aus Stein, festen Schlöffern an mehreren
Puncten, dem Hügel mit Fort Cafarelli im Hinter-
grunde, Häfen zu beiden Seiten von Schiffen ge-
füllt, – Dattelpalmen zu Wäldchen vereiniget,
welche die einfärbige Haltung der Landschaft wohl-
thätig unterbrechen; dieß Alles endlich durch die
Pompejusäule überragt. Die Fahrt in den alten
Hafen (den größeren und besseren) ist sehr gefähr-
lich. Während er dem Auge im Westen völlig ge-
öffnet erscheint, verengen Untiefen und Klippen,
die wenige Fuß unter dem Wafferspiegel liegen, die
Einfahrt dermaßen und geben ihr so verschiedene
Richtungen, daß ohne die Hafenlotsen zu erwarten,
kein größeres Schiff in dieselbe sich wagt. Der Lotse
begibt sich, zu jeder Stunde von Sonnenaufgang
bis Sonnenuntergang, sobald er ein Schiff dem
Hafen sich nähern sieht, in einem Boote bis vor
die Untiefen und weitet dann, eine Fahne schwin-
gend, in leichtverständlichen Zeichen den Weg. Die
Beschaffenheit der Einfahrt gewährt dem Hafen eine
gute Wertheidigung, und von einem Feinde, der
11 k
4
feinen Angriff auf Überraschung bauet, ist wenig zu
befürchten.
Man läßt den Palast des Vicekönigs auf der
Spitze einer Halbinsel zur Linken – kahle Dünen
zur Rechten, wendet links und fährt in den wei-
ten Hafen ein, der seit Jahrtausenden die wichtigste
Landungsstelle Ägyptens am Mittelmeere ist. Zwi-
fchen den Masten der Schiffe blicken große Vorrath-
gebäude und hohe mit Mauern gesonderte Bauten
durch, die hart ans Ufer sich drängen. Da bewegt
sich eine bunte Menge in Geschäften des Handels
zu Fuß, zu Roß, auf Maulthieren und Kamehlen;
da liegen Waaren gehäuft und große Holzlager;
da ist ein unablässiges Anlanden und Abstoßen von
hundert und hundert Booten. Ein dumpfes Gewirre
dringt ans Ohr und übertönt das Rauschen der
See. Man ist in Alexandria.
II.
Alexandria.
Weißer Sand zu Dünen gehäuft, als Vor- und
Hintergrund, als Unterlage der ganzen Landschaft;
hinausgeflüchtet auf eine schmaler Zunge, von der
Wüste gedrängt, von der See bedroht und gegen
beide mit Mauern sich wehrend, in engen, schmu-
zigen, doch meist geraden Gaffen und an geräumi-
gen Plätzen weißangekalkte hohe Gebäude aus Stein,
in fränkischem bald und bald im maurischen Style,
mit zwei bis drei fensterbreiten Vorsprüngen (Moh-
grabihs) ausgeschnitztem Holze und Gitterwerk mit
Terraffen gedeckt, auf welchen die ganze Hauswirth-
fchaft ausgelegt ist und über die ein Gestelle sich
hebt, das man »die schöne Aussicht« zu nennen
pflegt; – unansehnliche Moscheen mit niederen, ge-
neigten und bucklichen Minarets; – Holzhütten
und Zelte als Bazar; – hie und da eine Granit-
fäule, eine Ilfisstatur, eine Hieroglyphentafel, ein
Mithraskopf; – hie und da eine Palme mit schwe-
rem Dattelegen: dieß Alles, umfangen mit doppel-
ten Mauern, plumpen Thürmen, französischen Forts
––
auf hochragendem Sandschutt, ummauerten Dat-
telgärten, und eingeklammert zwischen der unend-
lichen See, dem schiffebesäeten Hafen, dem Canal
Machmudieh und dem bleichen Spiegel des Sees
Mareotis: das ist Alexandria.
In diesem Raume treibt sich, im ununterbroche-
nen Gewühl, Gesindel herum der lumpigsten Art,
neben welchem der Pöbel zu Smyrna und Constan-
tinopel zu einer Gesellschaft guten Tones wird; der
Neger, bald stark und groß, bald klein und schwäch-
lich, in Lumpen dürftig gehüllt; der Soldat, in ro-
them festanliegenden Dienstkleide und mit verroste-
ten Waffen; der Araber, dunkelbraun, in häßlicher
Vertrocknung, eine nackte, wandelnde Mumie; der
Beduine mit schwarzem, glühenden Auge, edlen For-
men und sicherem Schritte, das gehobene Haupt in ein
Stück Sackleinwand malerisch gehüllt, alle seine Habe
mit sich und überall zu Hause; der Türke in hellfarbi-
gem Kleide, weniger reich und prangend als in Asien
und Europa, aber, wie dort auch hier, kräftig, stolz,
unverrückbar aus der Ruhe des Anstandes; der Grieche,
im Anzuge reicher, in den Formen vertraulicher, glatt
und stets bei der Hand; der Barbareske, mit trotzi-
gen Zügen und starkem Körper, rauh, gewaltsam
wie die Thiere der Wüste, aber stattlichen Ansehens
in einem weißen Schiffermantel; der Mann des
Pascha im rothen Kleide, mit prächtigen Waffen und
7
breitem Turbane; der Franke in Mamelukentracht,
übersehen oder geduldet im Volke, ausgezeichnet vom
Pascha, wenn in dessen Dienste; der Europäer end-
lich, in unbeschränkter Freiheit in Bezug auf Sit-
ten, Kleidung, Lebensweise und Geschäften.
Hiezu kommen die Frauen der Araber und Ne-
ger, meistens häßliche Gestalten, vertrocknet in den
Jahren, wo bei uns das Mädchen Jungfrau wird;
schon in der Jugend alt. Diese Weiber sind mit wei-
ßem oder blauen Hemde angethan, das nach vornen
bis unter die Brust geöffnet ist; den Kopf mit gleich-
färbigem Tuche umwunden, von welchem ein schma-
ler Streifen von der Stirne bis unter die Nase
reicht, der bei Wohlhabenden mit einigen Gold-
münzen besetzt ist; daran hängt ein Zwickel aus
fchwarzer Seide oder Leinenstoffe, der fast bis an
die Füße reicht, aber nichts verdeckt. Was Kind ist,
läuft nackt herum. Frauen der Türken, Griechen
oder Europäer zeigen sich selten zu Fuße, sondern
reitend auf Saumthieren und Pferden; hinter sich
ein Gefolge von Dienern und Sclavinnen.
Vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ist
Gedränge in allen Straßen. Dann eilt, wer ein
Dach hat, nach Hause, denn er fürchtet die Feuch-
tigkeit des Abends und der Nacht. Der Beduine und
der Bewohner der Dörfer verläßt die Stadt und
legt sich in den Sand; die Thore werden geschlos-
8
fen; vieles arme Volk fucht sich in den Straßen
und auf den Plätzen, irgend eine trockene Stelle
aus, um zu ruhen.
Was das Gedränge des Tages vermehrt, ist die
große Zahl von Trag- und Saumthieren, die un-
abläffig ab - und zukommen. An allen Thoren,
auf allen Plätzen stehen die Eseltreiber mit gesattel-
ten Thieren zum Gebrauche Jedermanns; um ein
Geringes reitet man von einem Ende der Stadt
zum anderen, während der Treiber neben dem Esel
einherläuft; der Fremde zeigt sich kaum außer fei-
nem Haufe, so wird er von einigen Zwanzig solcher
Kerle angefallen, die ihm ihren Esel aufdringen
wollen; dabei kommt es häufig zu Schlägen unter
den Treibern, der Lärm ist ungeheuer, legt sich aber
in dem Augenblicke, als der Fremde sich in den
Sattel schwingt. Wer nicht zu Esel oder zu Pferde
sitzt, wird verachtet.
In langen Zügen, mit großen Schläuchen an
der Seite, ziehen die Kamehle durch die Stadt. Sie
bringen Trinkwaffer vom Nil, denn es gibt keine
brauchbaren Brunnen in Alexandria. Hinter diesen
Karavanen jagen die Sperlinge und das andere Ge-
vögel einher, hängen sich an die Schläuche und fan-
gen die Tropfen im Falle, die aus den Fugen drin-
gen. Alles Trinkwaffer wird gekauft, durch Steine
oder sonst gesichtert und in Krügen aus thebaischer
9
Erde aufgesetzt, welche es durchlaffen und zu einer
angenehmen Frische bringen. -
Ein wolkenloser, matter Himmel wölkt sich über
Alexandria. Grau in Grau ist die Landschaft gear-
beitet. Nicht so viel Grün, als man mit der Fläche
einer Hand bedecken könnte, schmückt den Boden;
die Sodagewächse und wenigen Gesträuche tragen von
Natur dieselbe Farbe; die Dattelpalmen hat der
Staub der Wüste der allgemeinen Farbe unterwor-
fen. Einige Europäer drangen dem Sande Gärten
auf, die, von Mauren vertheidigt, die Einförmig-
keit nicht brechen.
Von der Höhe der Terraffen ergetzt sich das Auge
am Getriebe der Stadt und des Hafens – und an
den beiden Meeren, der See und der Wüste, auf
denen Wind und Licht fortwährend Bewegung und
Scherze erzeugen.
1.
Die Pompejus-Säule.
Es ist mit der Säule des Pompejus, wie mit dem
Rufe so mancher Menschen. Durch Stellung und
erborgten Namen ausgezeichnet, wirken sie aus der
Ferne schlagend auf unsere Einbildung; in der Nähe
gesehen, find sie eine ungereimte Zusammenfügung
-
1)
verschiedenartiger Theile, die zu keiner übereinstim-
mung unter sich zu bringen sind.
Norry (siehe Denon) setzt die Höhe des Knau-
fes dieser Säule, in Pariser Maß, auf 9/10/6//
den Schaft . . . . . . . . 68. 1. 3.
den oberen Theil des Piedestals . . 5. 6. 3.
den mittleren » » Y) . . 10. – –
den unteren » Y Y) . . 4. 5. –
Ganze Höhe der Säule 98/10“
Der Schaft hat unten 8/4/4“, oben 7/2/8/
Durchmesser. Nach Paul Lucas, dessen Maßangabe
fo ziemlich mit derjenigen des französischen Reifen-
den übereinstimmt, beträgt der körperliche Inhalt
des Schaftes 3347 Kubik-Fuß, derjenige aber der
Säule überhaupt 5663.
Die in Florenz erschienene Bearbeitung Denons,
die in allen ihren Theilen höchst feicht und flüchtig
ist, behauptet, der Knauf der Pompejusäule fey
korinthisch. Er gehört keiner der griechischen Ord-
nungen an; die Blätter nähern sich der korinthi-
fchen, sind aber nicht Acanthus; die Ausbüge zu
oberst nähern sich der jonischen Ordnung. Die Aus-
führung des Knaufes ist barbarisch und fällt in die
Zeit der späteren römischen Kaiser.
Der Schaft ist ein Erbstück aus Pharaonen-Zeit.
Er besteht aus einem einzigen Stücke rothen Gra-
II
mits, wie er in dem Gebirge an den unteren Ka-
tarakten gebrochen wird.
Das Piedestal ist Zusammenfügung aus der
Epoche des Knaufes.
Die Lage dieser Säule, auf dem Hügelrücken
zwischen dem Meere und dem See Mareotis, auf
wenige hundert Schritte außer den Mauern der
Stadt, ist sehr vortheilhaft für die Aufstellung ei-
nes Denkmals. Die wahrscheinlichste unter den Muth-
maßungen über die Bestimmung dieser Säule ist
diejenige, daß sie zu Ehren Diocletians oder irgend
eines römischen Imperators errichtet worden fey,
und dessen Standbild getragen habe. Die Inschrift,
welche an der Westseite des Piedestals sich befindet,
ist dermalen durch eine englische, mit weißer Farbe
auf fchwarzem Grunde aufgemalte, verklebt, und
unleserlich. Einige fehen in der Säule des Pompe-
jus den Rest eines Palastes. Die Lage und Be-
schaffenheit des Bodens widerstreben dieser Voraus-
fetzung.
Warum die Säule des Pompejus, da man
fie mit größerer Wahrscheinlichkeit nach Severus
oder Diocletian benennen sollte? Eben darum,
weßhalb man den Sarg am Gestade des Piräus das
Grab des Themistokles und den Tumulus auf Sa-
lamine denjenigen des Äakus nennt.
Die Säule des Pompejus ist häufig des Ziel
12
für die Abendspaziergänge der Alexandriner. So
unbedeutend an sich der Hügel, foweitherrschend doch
die Aussicht über Meer, Hafen, Stadt, Canal Mach-
mudieh, Wüste und über den bleichen Spiegel des
Mareotis, der für das Auge kaum etwas Anderes als
ein ebener Theil der Wüste ist. Im März 1827 be-
stiegen wir die Säule und verzehrten, in acht Per-
fonen, zu oberst auf dem Knaufe ein Mal. Die
Unterhaltung ist etwas halsbrecherisch – doch ha-
benfelbst Frauen dieselbe gewagt. Ich erinnere mich
einiger geistvollen Zeilen einer englischen Dame,
» zu oberst auf der Säule des Pompejus« geschrieben
an einen ihrer Freunde, der eben in Kairo war und
ihr »zu unterst im Brunnen Josephs« antwortete.
2. -
Die Nadel in der Kleopatra.
Unter dieser Bezeichnung versteht man zwei Obe-
lisken, aus rothem Granit der Katarakten von
Syenä, die fast an der Ostspitze des neuen Hafens,
im Raume zwischen den beiden Ummauerungen der
heutigen Stadt, sich befinden. Der eine dieser Obe-
lisken steht aufgerichtet, der andere liegt am Bo-
den. Nach Denon sind beide von gleichen Maßen
und zwar:
13
Höhe des Piedestals . . . . . . . 5“ 2/
» » Würfels . . . . . . . 6. 6.
» » Obelisken bis zum Dreieck . . 53. –
Y X) Dreiecks . . . . . . . 6. 2.
Zusammen Paris. Fuß . 70/ 10/
der Würfel hat 7/10“ Breite, der Obelisk 6/ 9/
untere und 4/ 10“ obere Breite.
Die Ost und Südseite des aufrecht stehenden
Obelisken sind von der Luft oder vom Winde sehr
angegriffen, die übrigen beiden Seiten sind rein
und unversehrt. Alle vier Seiten beider Obelis-
ken sind mit Hieroglyphen bedeckt, unter denen
die königlichen Namen Thothm ofes III. und
Ramefes Mi-Amun erscheinen, welche eben die
Herrscher sind, denen Ägypten und Nubien die
größten Bauwerke verdanken. Hierüber an einem
anderen Orte. Nur will ich noch beifügen, daß au-
ßerhalb den Leisten, in welchen die Hieroglyphen
eingegraben sind, ganz an den Kanten sich auf bei-
den Obelisken Ringe späterer Pharaonen in kaum
leserlichen Zeichen finden.
Wahrscheinlich sind diese Obelisken mehrmals
versetzt und aus Memphis oder Heliopolis, in der
Zeit der Ptolemäer oder Römer, nach Alexandria
gebracht worden. Plinius erwähnt derselben und
14
sagt sie feyen vom Könge Mephres (welches der
griechische Name für Thothmosis III., oder ein Bei-
name desselben zu feyn scheint), und stehen vor dem
Tempel des Cäsar. -
Daß sie am Eingange eines Tempels standen,
ist kaum zu bezweifeln; denn dort war ihre Stelle.
Der Schutt ringsum deckt heut zu Tage jede ent-
sprechende Spur. Der Tempel fah nach dem neuen
Hafen und muß, selbst wenn er nicht mehr im ägyp-
tischen Style gebaut war, eine majestätische Zierde
* des Ufers gewesen seyn.
Der Vicekönig hat den liegenden Obelisken vor
mehreren Jahren dem Könige von England zum
Geschenke gemacht und sich, wie ich höre, sogar dazu
verstanden, die Last bis an den Ort der Einschiffung
zu fördern, wozu die Kosten auf etwa 20.000 Tha-
ler berechnet wurden. England sandte einen Sachver-
ständigen, die Mittel der Überführung zu berathen,
aber es scheint, daß dieser an der Möglichkeit ver-
zweifelte, das Geschenk fortzubringen.
15
3.
Der Pharus. Das alte Alexandria.
Das Schloß des Leuchtthurms.
Die Schilderungen der Alten (Plinius, Arrian,
Curtius, Strabo, Diodor u. a. m.), verglichen mit
demjenigen, was heut zu Tage sich zeigt, beweisen
daß die Ufer des Meeres bei Alexandria seit dem
Bestehen dieser Stadt einige, jedoch nicht bedeutende,
Veränderungen erlitten haben. Wenn Skylar (p. 44.
in Geogr. gr. min. I) die Insel Phäos in nicht
fernen Abstand vom See Mareotis, wo der Schif-
fer trinkbares Waffer findet, fetzt, so versteht er
am wahrscheinlichsten darunter die heutige Halbin-
fel, welche dem alten Hafen gegen Norden liegt
und die mit dem Festlande durch eine niedere An-
fchwemmung verbunden ist. Das Dörfchen Rako-
tis, von den Pharaonen als ein Vorposten gegen
die griechischen Seeräuber ausgesetzt, war wohl nur
unbedeutend und wenn späterhin ein Theil Alexan-
dria's diesen Namen trug, so mag dieß eine Huldi-
gung der Vorzeit gewesen seyn.
Mit der Ostspitze der heutigen Halbinsel durch
einen Damm verbunden, auf abgesonderter Klippe,
steht das Schloß des Leuchtthurms. Ich vermuthe,
I6
daß an derselben Stelle der berühmte Leuchtthurm
des Sofastros von Knidos stand. -
Mannert (Geogr. der Griech. und Römer X.
3. 19) meint die Ausleger zu berichtigen, wenn er
mit dem Namen der Insel Pharos die Klippe be-
legt, die jetzt die Nordostspitze des neuen Hafens
ausmacht und den kleinen Leuchtthurm trägt. Aber
die Stelle Strabo's, die er anführt, widerlegt seine
Behauptung. Strabo fagt: »Segelt man in den
großen Hafen, so hat man rechts die Insel Pharos,
links die Klippen und die Landspitze Lochias, auf
welcher sich das königl. Schloßbefindet.«...(XVII)
Diese Bezeichnung läßt keinen Zweifel, denn die
Einfahrt in den Hafen, welcher zu Zeiten Strabo's
der besuchte war, nämlich in den östlichen, kann zu
keiner Zeit eine andere als die heut zu Tage beste-
hende gewesen sein. Die Landspitze östlich an der
heutigen Einfahrt in den neuen Hafen, springt weit
vor und hat, in ihrer Verlängerung, eine Reihe
Klippen, kaum an ein paar Stellen, und da nicht
über einen Fuß hoch, mit Waffer überronnen, vor
fich. Auf einer dieser Klippen steht der kleine Leucht-
thurm. Zwischen diesem und der Landspitze kann
niemals eine Durchfahrt bestanden haben. Die
Klippe des kleinen Leuchtthurms ist überdieß kaum
einige Klafter breit, während doch die Insel des
alten Pharos viele Gebäude getragen haben soll.
17 -
Strabo sagt auch: »Die Küste hat eine Ein-
bucht mit zwei in das Meer vorgreifenden Landspitzen.
»Zwischen beiden ist das Inselchen Pharos, welches
den Busen schließet, denn es liegt vor in einer Länge.
Die Ostspitze neigt sich gegen das feste Land und die
Landspitze Lochias.«. . . Auch diese Bezeichnung, so
wie diejenige, daß dieß Inselchen (verlov) 7 Stadien
vom Festlande ablag, paßt nur auf diejenige Klippe,
auf welcher noch heut zu Tage der große Leuchtthurm
stehet.
Einen anderen Beweis für die Einerleiheit der
Stelle des heutigen mit dem alten Pharos, der nach
Edrisi (Geogr. Nub. Aima III. 3.) im zwölften
Jahrhunderte noch bestand, möchte ich aus dem Cha-
rakter der Sarazenen schöpfen, die überall, wo sie
öffentliche Bauten vorfanden und ähnliche zu errich-
ten für nothwendig hielten, diese auf die Stelle
jener fetzten. Wie wenig würde übrigens auch ein
Leuchtthurm auf den Klippen vor Cap Lochias ge-
nügen.
Der kleine Leuchtthurm ist jetzt eine Ruine. Die
schmalen Klippen bis zum Cap Lochias sind mit
Trümmern von Gebäuden aus neuer Zeit, die auf
sehr alten Unterlagen ruhen, bedeckt. Bei Cap Lo-
chias beginnt der Schauplatz der Verwüstung des
alten Alexandria. Trümmer, nur in ihren kleinsten
Theilen noch sichtbar,– Haufen an Haufen, wie
2.
18
Grabhügel, noch weithin gegen Osten sich dehnend,
bezeichnen die Stelle, wo Alexandria's prächtigstes
Viertel stand. Von einem dieser Schutthügel, fast
an der Spitze des Vorgebirges, an der Stelle viel-
leicht, wo einst der königliche Pallast Alexanders
fand, übersah ich das Feld. Hie und da liegt wohl
noch ein Stück Säule, oder ein angefreffener Knauf;
hie und da sieht eine Wand aus dem Schutte; im
Durchschnitt ist die alte Alexandria durch das dünnste
Sieb der Zeiten geworfen.
Am meisten noch find die Spuren verschütteter
Bauten an den Wänden des Canals sichtbar, der
vor dem Thore von Rosette vorüber, vom Mareo-
tis nach dem neuen Hafen zieht. Dieser Canal ist
gleichsam in Trümmer gehauen, durch Ziegelwände,
gewölbte Wafferzüge u. f. w. Die alte Alexandria
griff daher weit mehr gegen Osten, als die Um-
fangsmauern der heutigen nach dieser Richtung,
obwohl diese Mauern selbst wieder ein viel zu wei-
ter Rock für die dermalige Stadt sind. Auf dieser
Seite war das Stadtviertel Bruchion und längs
dem Hafen hin zogen, wie Strabo sagt, die königl.
Gebäude mit Hainen und Lustgärten. Dort lag auch
der geschloffene kleine Hafen der Könige, mit der
Klippe Antirrhodos, wahrscheinlich ein zum Theile
künstliches Becken in der südlichsten Einbucht des
neuen Hafens, und heut zu Tage verschwemmt. Wei-
19
terhin aber war das Arsenal. Das Museum, der
Sitz der alexandrinischen Schule, – die berühmte
Bibliothek, – die Soma, mit Alexanders und Pto-
lemäus Todtenmalen, – das Theater, das Cäsarn
zur Festung geworden war,– den Tempel Neptuns
und mehrere andere öffentliche Gebäude nennen die
Alten in diesem Stadtviertel.
Strabo sagt, daß Alexandria von O nach W
durch eine gerade Straße, 30 Stadien lang, durch-
schnitten war, die vom Canopeichen Thore nach
dem der Nekropolis führt, und eben so durch eine
zehn Stadien lange von S nach N von dem Thore
der Sonne zu dem des Mondes. Andere Schrift-
steller schildern die Pracht dieser breiten, mit Säu-
lengängen gezierten, Straßen. Geht man nach dem
Thore von Rosette, so sieht man sich eine lange
Strecke hindurch wie im Bette eines Canals, der in
ganz gerader Linie von W nach Ovon der SOSpitze
des alten Hafens nach dem genannten Thore und
außerhalb demselben noch weithin in gerader Ver-
längerung läuft. An dieser Straße stehen die drei
mächtigen Granitsäulen, deren Denon erwähnt,–
dann viele Reste aus Backsteinen, – Brunnen in
Menge, und zwar an Einer Stelle bis fünfzehn ganz
nahe aneinander, – weiter ein Paar den früheren
ähnliche Granitsäulen und am Thore von Rosette
abermals deren. Die Linie dieser Einsenkung zwi-
2 je
20
fchen Trümmern, wie Dünen gehäuft, ist so scharf,
daß sich kaum die Spur der dreißig Stadien langen
Straße darin verlieren läßt.
Die andere Straße blickt weniger durch den
Schleier. übrigens ist der sehr ausgedehnte Raum
zwischen beiden Ummauerungen mit Schutt bedeckt,
auf welchen wie Inseln in der See einige Landhäu-
fer und Gärten, Klöster, Kirchen und Forts ste-
hen. Aus diesem Schutte zieht seit Jahrhunderten
Alexandria die Steine, die es zu feinen Bauten
bedarf. Die Menge von unterirdischen Gewölben,
Wafferzügen, Brunnen u. f. w. ist groß, und wer
unter diesen Trümmern wandelt, prüfe forgsam den
Boden, worauf er den Fuß setzt. Sodagewächse sind
die einzigen, welche den Schutt hie und da verklei-
den; eine große Zahl von Ratten, Kaninchen und
Känguru's treibet, da ihr Wesen.
Die heutige Stadt ist ganz auf die Landenge
der beiden Häfen und auf die Halbinsel vor dersel-
ben hinausgedrängt. Die innere Mauer hat zwei
Thore nach der Landseite, die äußere deren vier. Beide
Mauern haben Gräben vorliegen, darin wird das
ärmste Handwerk der Welt getrieben; arabische Wei-
ber und Kinder knetten nämlich den Mist der Thiere
in Scheiben und dörren diese an der Sonne, um sie
dann als Brennstoff zu verkaufen. Durch das öst-
liche der beiden Landthore der inneren Mauer ge-
21 -
treten, kommt man auf einen großen Platz und
in das Viertel der Franken, das längs dem neuen
Hafen sich hinzieht. Dieser Hafen wird nicht benützt,
denn die Einfahrt ist gefährlich, der Grund bedeu-
tend verschwemmt und die Winde üben "große Ge-
walt in demselben. Der alte hat seine Rechte wie-
der genommen, und wenn man heut zu Tage von
dem Hafen von Alexandria spricht, so ist jederzeit
der alte oder westliche darunter verstanden.
Das Frankenviertel hat zur Linken die Bazare
und weiter die Viertel der Griechen, Juden und
Türken. Die Wohnungen der Letzten füllen auch den
Raum der Niederung bis an und auf die Halbinsel.
Die Halbinsel ist an der Nordostseite, etwa 500
Schritte tief, eingebucht. Die westliche der beiden
Spitzen wird durch das Lager von etwa 1000 Mann
neuer Truppen, durch den Telegraphenthurm und ei-
nen Theil der Pallastgebäude des Vicekönigs ge-
krönt; die östliche hat eine kleine Sandinsel ganz
nahe vor sich und mündet sich dann nach Süden
ein. Von diesem Puncte geht der Damm nach dem
Schloffe des Leuchtthurms. Dieser Damm
ist nicht in gerader Linie gezogen, sondern er schlän-
gelt sich. Die Breite desselben beträgt an 6 Klafter,
die Länge an 900 Schritte. Er ruht auf dem Fel-
fenriffe, welcher einige Fuß unter dem Wafferspie-
gel, die Klippe des Schloffes an die Halbinsel bin-
22
det. Mauern 3 Fuß dick und etwa 15 Fuß hoch,
mit Zinnen gekrönt, faffen diesen Damm in seiner
ganzen Länge zu beiden Seiten ein, so daß man
darin wie eingesackt geht und nur hie und da durch
eine Schießscharte Ausblick hat. Der Eingang in
diesen gesicherten Gang von der Landseite aus, ge-
schieht durch ein Thor, dem nach hundert Schritten
ein zweites folgt. An diesem fondert sich der Weg
von der Halbinsel ab und betritt den Damm. Auf
dem Damme selbst ist nach 400 Schritten abermals
ein Thor; andere Thore laufen zur Rechten und
Linken am Ende des Dammes aus und erlauben
zwischen Schloß und See die flache Klippe zu betre-
ten, worauf jenes ruht. Der Raum zwischen Beiden
ist jedoch nur einige Fuß breit. -
Das Schloß des Leuchtthurms besteht zu innert,
aus einem viereckigen, hohen Bau, aus defen Mitte
sich der Leuchtthurm erhebt. Dieses Viereck ist von
einem anderen umschrieben, wovon jede Seite 12
Kanonen trägt und 3 blinde Thüren hat. Jede Ecke
dieses Vierecks hat wieder einen Vorsprung, der nach
der Hafen- und Seeseite 8, nach dem Damme aber
3 Kanonen zeigt. Die Seite des äußeren Vierecks,
den Vorsprung eingerechnet, ist zu 170 Schritten.
Eine Zugbrücke sondert das Schloß vom Damme.
Das Schloß ruht auf altem Unterbau, der ge-
rundet in den Hafen vorgreift. Viele Werkstücke
23
korinthischer Knäufe und andere Reste antiker Bau-
ten decken den Meeresgrund ringsum.–Felsenriffe
ziehen nach Norden aus und bilden eine Wehre fast
längs der ganzen Strecke des Dammes und selbst
der Halbinsel.
Der Damm hat 15 Durchläffe. Er ist aus
mächtigen Werkstücken und durchaus antiker Bau.
Die Länge, die Cäsar dem Damme des Pharus
gibt, ist gerade die von mir gefundene. Dieser Damm
selbst war also das Heptastadium, dem die Häfen
Eunotos und Kibotos zur Seite lagen.
14.
Die Nekropolis.
Vorbei an der Redoute Caffarelli – über den
Canal Machmudieh, – vorbei an den großen Korn-
und Wollmagazinen des Vicekönigs und über die
ausgebreiteten Holzstätten, kommt man zur Nekro-
polis der alten Alexandria. Das Meer hat der
ohnedieß schmalen Zunge zwischen sich und dem See
Mareotis Boden abgewonnen, denn man sieht, un-
ter der Redoute und Strandbatterie, die, um zur
Vertheidigung des alten Hafens, mit den Batterien
auf der Weltspitze der Halbinsel zu kreuzen, eben
gebaut wird, die Katakomben zu Tage gelegt und
24
von den Wellen ausgespült. Folgt man dem Strande,
fo kommt man, nach einer kleinen Viertelstunde, an
mehrere Gemächer in Felsen gehauen, die man, ich
weiß nicht warum, die Bäder der Kleopatra
nennt, und die weiter nichts Merkwürdiges zeigen.
Das Meer dringt heut zu Tage in dieselben; viel-
leicht waren es wirklich Bäder, vielleicht Gemächer,
in denen man die Leichname wusch. – Hinter die-
fen Bädern ist einer der vielen Eingänge in die sehr
ausgebreiteten Katakomben. Man tritt, hat man
nur erst den mit Sand verschütteten Eingang durch-
krochen, in einen Saal von Pfeilern getragen,
der nach den vier Seiten eben so viele Gänge wei-
fet. Durch den Eingang zur Linken, der mit einem
Tympanon geziert ist, tritt man in eine runde Halle,
deffen Decke kupelförmig und mit Mörtel verkleidet
ist. Aus dieser Weihehalle kömmt man in verschie-
dene Grabgemächer, deren immer eines an das an-
dere sich kettet, so daß die Verzweigung sich nach
allen Seiten ausbreitet.
Ich bemerkte nirgend Hieroglyphen, wohl aber
Farbenstreifen an den Wänden. Die Todten fanden
ihre Ruhestätte bald in eigenen Grabgemächern,
bald in wagrechten Löchern, welche durch die Wände
in den Felsen gehauen sind. Diese zweite Art ist die
gewöhnliche und so häufig, daß die Wände der unter-
irdischen Hallen wie Bücherschränke mit wag- und
25
fenkrechten Eintheilungen aussehen. – Es ist schwer,
den Zusammenhang der Katakomben aufzufinden,
da die meisten hochauf verschüttet sind. Hie und da
find Schachte abgetäuft, welche entweder Stiegen
enthielten, oder des Lichtes und der Luft willen an-
gelegt waren, oder endlich ebenfalls Leichen auf-
nahmen. -
Ich kroch an zehn oder zwölf verschiedenen Or-
ten, die alle in den Umkreis einer halben Stunde
Weges fallen, in die Katakomben. Die Luft ist er-
fickend. Die Fackeln machen eine unerträgliche Hitze.
Man findet viele Thiergebeine; denn diese Schlum-
merstätten lang versunkener Geschlechter sind nun die
Behausung der Schakals und Hyänen.
Prok efch: Ägypten I. 3
III.
T a g e b u ch
Reife von Alexandria nach Kairo.
29. November 1826. Canal Machmu-
dieh. – Die Nacht war herrlich; der Canopus
ging, gerade vor uns, etwas nach Mitternacht auf.
Wir machten wenig Weg, da, die Morgenstunden -
ausgenommen in denen der Wind uns günstig war,
die Kandfähia vom Ufer aus gezogen werden mußte.
Heute gingen wir lange Strecken hindurch zu Fuße.
Das Land ist weithin eben, bereits vom Nil ver-
laffen und angebaut. Kein Baum ziert dasselbe. Wo
find die Gärten hin, von denen Abulfeda spricht, .
und die Dufard - el - Hadad in folgenden Versen
befingt:
»Welche Reize umwohnen dich , Canal von
Alexandria ! Ihr Anblick gießt Wonne in die
Brust. Die Wäldchen, die dich beschatten, wöl-
ben Baldachine von Grün über den Schiffer der *
dich befährt. Die Hand des Nords furcht mit
süßem Spiel die Fläche der Wellen und spendet
27
Frische aus. Die herrliche Palme, ihr biegsames
Haüpt weich hingesenkt wie ein schlummerndes
Mädchen , prangt mit ihrer Krone hängender
Trauben« . . . . .
Man wird selten eine Stelle finden, von wel-
cher aus nicht fünfzehn bis zwanzig Ortschaften im
Gesichtskreise liegen. Die Hütten sind durchaus von
Erde, kegelförmig und oben wie Stachelgewächse
mit Spitzen besetzt. Diese Spitzen sind Aufsätze aus
ungebrannten Ziegeln, für Tauben eingerichtet. Wo
ein Telegraphenthurm steht, da hat sich auch eine
Ortschaft angesiedelt. Wir kamen nach und nach an
Bardeleh, Kariuhn, Kaffrotaudih und Kaffr - el-
Hakim vorüber. Dieses ist ein Dörfchen von dem er-
sten Arzt des Vicekönigs, dem Armenier Bozzafi,
angelegt, weßhalb es auch »das Dorf des Arztes«
heißt; das vorletzte ist die Pflanzung eines Grie-
chen, Jokfiza, der bei dem Vicekönig als Handels-
mann in Ansehen steht.
Bis gegen die Mittagsstunden war der Gesichts-
kreis voll seltsamer Luftbilder. Dunkle Inseln schie-
nen auf einer See voll lebendiger Farben zu schwim-
men, – zeigten Bäume, Gebäude, Wälle, –
wechselten und zerfielen auf abenteuerliche Weise;
neben diesen Bildern stiegen aus dem scheinbaren
Wafferspiegel andere aus blafferen Farben und un-
sicheren Umriffen auf, wie Erinnerungen hinter der
- 3 *
28
Wirklichkeit. Diese Nachbilder überraschten mich mehr
als die anderen. Übrigens war stetes Regen und Wech-
feln – steter Glanz und stetes Spiel in allen die-
fen Bildern, die nicht selten zu Maffen von 20 und
30 Graden Breite sich häuften. - - -
Der nächste Ort, an dem wir vorüber kamen,
war Birket - ghadahs. Freudenmädchen sprangen
uns da entgegen, die an Frechheit. jenen des
Palais-royal nicht nachstanden. Die Unglücklichen
zahlen Steuer und haben eine Erlaubnißkarte. –
Weiter ließen wir Oraühn hinter uns und legten
Abends bei Sanüt-Rakahl an, wo uns Trommeln
und Pfeifen, Jauchzen und Singen entgegenklan-
gen. Wir waren kaum ans Land gestiegen, so wur-
den wir von einem Schwarm arabischer Mädchen
umrungen, die uns mit sich in ein niederes, langes
Gebäude riffen. Da faßen und hockerten Männer
und Weiber auf Erdbänken längs den Wänden in
großer Zahl, andere standen gedrängt an der Seite
der Pforte; die Mitte war frei und da tanzten meh-
rere Mädchen mit krampfhaften Sprüngen und Be-
wegungen. Die unseren warfen ihr blaues Ober-
hemde ab, banden sich ein Tuch um die Hüften,
nahmen an den Daumen und Mittelfinger jeder Hand
eine kleine Schelle und mischten sich in den Tanz.
Sie drehten und wandten sich, Zwei gegen Zwei, auf
einer und derselben Stelle, krochen auf dem Boden
29
im Kreise, sprangen wieder auf, immer die Hände,
mit den Schellen spielend, emporgehoben. Man
nennt diese Mädchen Ghasiees. Ihr Tanz war lei-
denschaftlich im höchsten Grade, aber ohne Anmuth.
Auf Tamburinen und kleinen Geigen, die eine ein-
zige Saite, aus Fischbein, haben, spielten Greife
verschiedene Weisen, und begleiteten den Gesang
mehrerer Weiber. Trommel und Pfeife lärmten nach
Möglichkeit und die Schellen antworteten. Der An-
zug war der gewöhnliche der Türkinnen, aber auf-
geschürzt. Die Haare hingen aufgelöstet über den Na-
cken; der Busen entblößt, im Gesichte fast rasende
Wollust. Eine einzige Lampe erhellte spärlich das
lange, durch die Menge der Menschen und durch
den Tabaksdampf mit abscheulichem Qualm gefüllte,
Gemach. Wir hielten es nicht lange darin aus, war-
fen einige Geldstücke hin und verließen es, – aber
der Strom der Ghasieen wogte uns nach, und nö-
thigte uns wie im Triumphzuge in ihre Zelte. Die
Mädchen mochten alle in einem Alter zwischen vier-
zehn und sieben zehn seyn; Eine, fast die Eifrigste aus
Allen, zählte noch nicht zwölf. Ihre Augen waren
lebendig, ihre Arme voll und gerundet, ihre Füße
zierlich. Die Gesichtszüge spielten in großer Beweg-
lichkeit. Ihre Farbe war gelbbraun. Sie hatten
Mund, Nase und Augendeckel mit blauen Linien
bemalt und die Kleine trug einen großen Silber-
-
30
ring im rechten Nasenflügel. In ihrem Benehmen
herrschte ein seltsames Gemisch von Vertraulichkeit
und Strenge. Sie hingen sich uns in die Arme,
herzten und küßten uns, und sprachen unaufhör-
lich. Wir bemerkten jedoch, daß kein Mann sie be-
rührte, dem sie nicht selbst entgegen kamen und sich
Alles auf Liebkosungen beschränkte, die, nach ihren
Sitten, nichts Ungeziemendes enthalten. Auch nah-
men. Diejenigen, welche vom Tanze abtraten, sorg-
fam das blaue, verhüllende überkleid und warfen es
erst dann wieder ab, sobald sie von neuem zu tan-
zen anfingen. Wir waren schon wieder in unserer
Barke, als sie noch lange beim Lampenscheine am
Ufer vor uns tanzten, und wir wußten uns nicht
anders aus dieser Gesellschaft zu retten, als indem
wir abstießen und weiter fuhren.
30. November, Auf dem Nil.
Eine Stunde unter Sanüt - Rakahl, fanden
wir den Canal so feicht, daß wir nur mit Mühe
vorwärts kamen. Beladene Barken vertheilten da
ihre Waaren in kleinere. Wir ließen die Orte Sa-
ruhn, Atfue und Sanabedizur Seite. An der Mün-
dung des Canals in dem Nil, stehen ein Kaufhaus
und mehrere Vorrathgebäude. Viele Fahrzeuge la-
gen davor und es herrschte viele Thätigkeit. Ka-
mehle zogen längs dem Ufer auf und nieder. Die
31
Waaren“ lagen zum Theile unter freiem Himmel
geschichtet.
Mit Tagesanbruch fuhren wir in den berühm-
ten Strom, den die alte Welt nur mit Verehrung
nannte, dem der Ägypter unter den Pharaonen und
Ptolemäern als einer Gottheit huldigte und den er,
noch heut zu Tage, als den Vater des Landes und
die Quelle alles Segens betrachtet. Er überraschte
mich nicht, denn die Breite des Armes schien mir
nicht viel über 600 Schritte; aber die Strömung
war stark und seine Waffer sind tief. Die Ufer sind,
im Vergleiche zu denen des Canals, paradiesisch. Man
fühlt, daß nun die libysche Wüste im Rücken und
Ägypten vor den Augen liegt. Dattelbäume und
Sykomoren steigen dicht gedrängt über Gesträuch
und Schilf empor; Grün schmückt die weit gebreite-
ten niederen Fluren. Stattlich zeigt sich Fuah,
durch Ausdehnung und Handel eine der bedeutenden
Städte des Delta, welche seit der Grabung des Mach-
mudieh ihre alten Rechte über Rosette zum Theile
wieder erworben hat. Spinn- und Darbuchfabriken
und ausgedehnte Waarengebäude, alle von dem Vice-
könig gebaut, steigen längs dem Ufer empor, Pal-
menkronen neigen sich darüber, und dreifach gegür-
tete Minarete heben sich zur Seite und im Hinter-
grunde. Die Bauart ist von der in Alexandria üb-
lichen verschieden. Die Häuser sind im farazenischen
32
Style voll Winkel und Spitzen, aber nicht ohne
würdigen Ausdruck. Der Umstand, daß die Außen-
wände nicht überkalkt sind, sondern die schwarzge-
brannten Ziegel zu Tage liegen, erhöht das Ernste
der Ansicht. Wie die meisten Städte des Orients ist
auch Fuah ein Gemenge in einander geschobener en-
ger, gedrängter Gaffen und Bazare, in welchen der
Fremde die Brust wie in Katakomben beengt sich
fühlt, und das Licht fegnet, sobald er wieder ins
Freie gelangt. Das Gedränge von Thieren und Men-
fchen und die Schichten von Gestank und Wohlge-
rüchen morgenländischer Marktplätze sind von der
Art, um den Europäer zu betäuben.
Fuah gegenüber liegt eine angenehme Insel und
eine Stunde nilaufwärts zeigt sich auf dem rechten
Ufer der ausgedehnte Ort Salamunieh (Es-Sala-
niee), von schönen Pappelgruppen umgeben. Wir
fuhren mit ziemlich frischem Winde den Nil hinauf.
Die Ufer sind, abwechselnd bald zur Rechten, bald
zur Linken, sanft oder teil. Die vielen Krümmun-
gen geben der Strömung diesen Wechsel. Nirgends
waren die Ufer über fünf Fuß hoch. Von Stelle
zu Stelle gewahrt man gemauerte Schleußen und
Wafferwerke, welche den Segen des belebenden Flus-
fes über das Land verbreiten. Die Ortschaften find
weit besser gebaut und größer als am Machmudieh,
und die Landschaft wird durch das reiche Grün, durch
_83
die Menge der Orte, durch das Leben an den Ufern
und auf dem Strome, durch die herrlichen Baum-
gruppen angenehm; sie würde schön zu nennenfeyn,
wäre die Linie des Gesichtkreises weniger einförmig,
flach und nieder.
Das Waffer des Nil war trübe und schwer;
nach vollbrachtem Durchschlag aber leicht und ange-
nehm; der Hygrometer wies auf Null.
Bis Sonnenuntergang waren wir feit Fuah
an folgenden Orten vorbeigekommen, die ich nach
den Mitteln, welche die deutsche Aussprache und
ihre Zeichen an die Hand geben, der arabischen Aus-
sprache möglichst nahe kommend schreiben will:
O r t e.
Reicht es Ufer. Linkes U fer.
Allah -uhn. - Säherumbe.
Schurafa. - Ilkuni.
Salamunieh. Kaffr - Schech - Haffan.
Mohaledd-Malek. Sumhorad.
Diffuh. ---
Kaffr-Ibrahim. -
Dimiknum. -
- Rachmanieh.
- Mar-Aß.
Mohaled - Abu-Ali. Miniet - Selamme.
Dimendschi. Hordi.
Kaffr- Megehr. Kaffr - Osman,
Saffieh. " -
34
Mohaledieh. Sibrehit.
Minigehna. -
- Maestra.
Kaffr-Dovahr. Sibiries.
Genatt. Kaffr - Sangali.
1. Dezember. Auf dem Nil.
Wir fuhren noch bis Mitternacht und hielten
dann einige Stunden am Dorfe Abigg an. Des
Morgens lag großer Nebel über dem Nil, der bis
gegen 8 Uhr die Ufer verhüllte. Wir stiegen aus und
jagten bis an das schöngelegene Dorf Munufar,
wo der Strom eine starke Krümmung nach Osten
macht. Die Gärten und Pappelwäldchen dieses Or-
tes waren von einer unzähligen Menge Turteltau-
ben, und anderen Gevögels belebt. überall grüßten
uns die Bewohner freundlich, brachten Milch und
Butter, und begnügten sich mit Wenigem. Die Fel-
der prangten ; die Baumwollenstaude zeigte eine
Fülle geöffneter Knollen; der Mais lag geerntet
auf den Feldern. So weit das Auge im Delta rei-
chen konnte, sah es keine unbebaute Stelle. Da wir
auch mit Einbruch der Nacht keinen Wind hatten,
und unsere Leute durch das Ziehen der Barke sehr
ermüdet waren, so warteten wir am Ufer den An-
bruch des nächsten Tages ab.
35
O r t e.
R echt es Ufer.
Link es Ufer.
Salhadschar. Kaffr - Hadehr.
Kotabbe. Nikel.
Jerahstak. Misleh.
Mohallet-el-Läbben. Dahrygieh
Abigg. Kaffr-Dahrygieh.
Kufur Bilfee. Annieeh.
Kaffr - Osaar. Kaffr - Laihs.
Kaffr-Schech Ali. Schabuhr.
Munufar. Selam unn.
Kaffr-Sayjad. Kaffr-Harimm.
Galgamun.
Kufur Haffaß.
Kaffr - Jacubb.
Kaffr - Bagieh.
Kafft - Djeddid.
Kaffr-Misleh.
Misleh.
2. December. Auf dem Nil.
Wir badeten uns im Strome, nicht ferne unter
dem Grabe zweier Bothenläufer, die uralt wurden
und unter dem Volke für Heilige galten. Dieß Grab
ist auf dem Damme eines Canals angelegt; eine -
weit sichtbare Capelle wölbt sich darüber. Solche
Heiligengräber sind häufig im Orient. Das Volk
verlobt sich dahin bei der oder jener Krankheit, hängt
Fetzchen von Kleidern oder sonst etwas so den kran-
36
ken Körper berührte, an die Bäume und das Strauch-
werk, die gewöhnlich um diese Stellen gepflanzt
sind. Die Capellen sind jederzeit forgsam geweißet
und werden, da sie auch meist auf ragenden Orten
angelegt sind, dem Reisenden zu brauchbaren Richt-
puncten.
Das Waffer des Stromes fanden wir angenehm
warm, dessen Farbe röthlich-braun.
Vor Machnin geht ein breiter Canal ins Land,
welcher den Nil mit dem See Mareotis verbindet.
Er macht die Gränze der Wüste, die, von jenem
Grabe aus gesehen, auf eine Stunde Entfernung
längs den Horizonte wie eine blaßgelbe Lehne hin-
zieht. Die Ufer werden nun ärmer an Bäumen, die
Orte stehen gedehnter der eine vom andern und im
Delta auf höherem Erdschutt. Bei Daridschi greift
die Wüste bis an den Nil. Drei Palmen im Sü-
den dieses Ortes stehen wie Marken am Rande der-
selben. Der schwarze, bebaute Grund und die Dün-
nen, feinen, gelben, trockenen Sandes, womit,
glänzend hell, die Wüste beginnt, sind ohne Über-
gang hart aneinander gereiht. Ich trat auf eine die-
fer Sandwellen. Welch ein Ausblick! Mehr als 90%
des Gesichtkreises zeichnet eine ungebrochene, sanft-
geschwungene gelbe Linie ab, welche die einförmige
Lehne begränzt; kein Baum, kein Strauch auf die-
fer; das Auge fucht einen Anhaltpunct, aber der
Blick eilt unbefriedigt über die zeichenlose Bahn.
Z7
Abends erhob sich ein leichter Wind. Wir machten
dennoch wenig Weg, denn wir saßen zu verschiede-
nen Malen auf. Die Bänke im Nil sind sehr wan-
delbar und die besten Schiffer kommen damit nicht
ins Reine. Übrigens läuft man keine Gefahr; mit
einiger Anstrengung ist man bald wieder flott und
die Araber haben Willen, Kraft und Verstand für
das Handwerk.
Der Araber macht keine Bewegung am Tau-
werk, keinen Ruderschlag ohne zu fingen. Dieser
Gesang ist nicht ohne Wohlklang; der Tact wird
stark bezeichnet, denn die Schiffer arbeiten darnach;
die Worte find aus dem Stegreife und meistens Ge-
bete. Der Reis, d. i. der Führer der Mannschaft,
der an der höchsten Stelle des Bords, am Steuer
fizt, beginnt denselben z. B. mit den Worten:
»Gott ist groß!« und das Volk antwortet: »Er ist
unser Hort.« Dann ruft bei jedem Ruderschlage oder
Tauzuge der Älteste aus den Matrosen einen Namen
Gottes nach dem anderen, und die übrigen antwor-
ten mit dem Lobe des Propheten oder mit was ih-
nen font, in Anwendung auf ihre Lage, einfällt.
Die Idee ist schön, aber das hindert nicht, daß die
Ausführung dem Reisenden nicht manchmal, beson-
ders zur Nachtzeit, unbequem werde.
überhaupt sind die Araber ein schreiendes Volk.
Sie kaufen kein Stück Brot einen Pfennig Wer-
ZZ
thes, ohne dabei Lärm zu schlagen, als ob es sich
um Haus und Hof handle. Die Dörfer künden sich
schon aus der Ferne durch eine ansehnliche Maße
von Geschrei an.
O r t e.
Recht es Ufer. - L in Le 8 Ufer.
Sahyahra. Nigileh.
Tunupp. Sauüd-el-Bachr.
El-Chamfin. Sawaff.
Amruß. Machminn.
Sanüt-el-Bagli. Kom-Scherik.
Dana-fur. - Daridschi.
Kaffr-Hedschafi. Abu-harvi.
Gefiret-el-Hagar. (El-Kamm.
Nadir. Dimichle.
3. December. Auf dem Nil.
Wir waren nicht so glücklich wie Savary, dem
die Mädchen der nächsten Orte bis in die Mitte
des Stromes nach schwammen. Auch malt er sie schö-
ner (Brief 5), als ich sie fand. Die gefälligste Ein-
bildung, denke ich, hat Mühe, das Lumpige ihres
Anzuges und den Mangel an Reinlichkeit, von dem
ihr Körper zeugt, zu überwinden. Ihre Bewegun-
gen sind jedoch nicht ohne Anmuth und sehr gelen-
kig. Ihre Augen sind voll eines dunklen Feuers.
Wirklich malerisch sind sie aus der Ferne gesehen,
wo die langen Falten ihrer dunkelblauen Bekleidung
39
an Härte verlieren und an Einheit gewinnen. Fast
alle Reisenden sprechen von dem Bilde des Ab- und
Zuwandelns der Frauen und Mädchen, die Waffer
aus dem Nil holen. Es ist auch wirklich anziehend,
und kann als Zeichnung den Eindruck nicht verfeh-
len. Einen großen, unten gerändeter Krug auf dem
Haupte – einen kleineren auf der linken Achsel,
beide von einfacher, antiker Form und durch die
entblößten Arme und zierlich gebeugten Hände ge-
halten; hierzu eine lange Bekleidung, die sich vor-
theilhaft faltet; leichter Gang und schnelle Wen-
dungen, machen ein edles Ganzes. Diesen Anblick
hat übrigens der Reisende jeden Tag zu Hundert-
malen, denn die Ufer sind nie von Weibern und
Kindern leer. Diese sind ganz nackt, und jene nicht
felten kaum bedeckt. -
-
O r t e.
Recht es Ufer. - Linke s Ufer.
Schabihir. Burakiatt.
Damaleh. Kaffr - Dahud.
Ghisahi. Teranneh.
Sanfaff. El - Achmas.
Kom- muß. Abu - Nefchaabe.
Sanüt- Rafieh.
Sagieh.
Tachwyeh.
El-Hamum.
4)
4. December. Auf dem Nil.
Wir hatten während der Nacht am Dorfe Mnu-
fieh angelegt. Als es Tag wurde, und ich das Jagdge-
wehr auf der Schulter, die Uferhöhe bestieg; was
fah ich über dem Horizont der Wüste ragen? –
Die Pyramiden von Dschieh. Ich glaubte meinen
Augen kaum – aber sie täuschten nicht. Nur zwei
der Pyramiden waren sichtbar, die eine als reines
Dreyeck, die andere mit scheinbar etwas eingekrümm-
ten Seiten. Die Sonne fiel darauf und sie brann-
ten in Licht. Je länger ich sie betrachtete, desto hö-
her schienen sie emporzusteigen. Die einzigen Gegen-
stände, in der weitgestreckten halben Zone, worin
Himmel und Wüste sich vermählten, und zwar mit
scharfen Kanten und schwerer Maffe sich ausschnei-
dend. Aus dem lichten Hintergrunde konnte das
Auge keinen haltbaren Maßstab der Vergleichung
an sie legen.
Wir hatten Land um uns, so reich an Bäumen
wie die Umgebung von Fuah; besonders Wardan
liegt in einem reizenden dichten Walde von Dattel-
palmen. Oberhalb diesem Orte greift die Wüste wie-
der bis an den Nil. Da eben Südwest sich erhob,
fo wurden wir von Sandwolken überdeckt und muß-
ten uns in das Innerste der Kandchia flüchten. Die
Ufer, flach und lang gestreckt, zeigen an dem Bruche
41
die Schichten von Sand und Nilschlamm , wie
Bäume die Jahrringe.
Die Menge der Turteltauben längs dem Nil,
ist erstaunlich. Wir schoffen jeden Morgen, in kur-
zer Zeit, so viele, als wir für unseren Tisch brauch-
ten. Übrigens fanden wir in jedem Orte Fische, But-
ter, Eier, Orangen, Granatäpfel und Brot, das
letzte platt und schlecht. --
Niebuhr führt, in seiner Liste der Ortschaften,
nach Dschuresch, Liudschib auf. Dieser Ort liegt
aber tiefer im Delta und wird vom Nil aus nicht
gesehen. Sidi-Ibrahim ist ein Heiligengrab, von
einigen Sykomoren beschattet, die weithin sichtbar
sind. Hinter el-Katta tritt die Wüste auf mehrere
hundert Schritte zurück und läßt diese Strecke dem
Dorfe; dann aber greift sie wieder mit hohen Dü-
nen bis an den Strom. Das rechte Ufer war in die-
fer Strecke wenig bebaut und verlaffen; Reste von
Canälen und Bewässerungsmaschinen zeigten, daß
dieß nicht immer der Fall war.
O r t e. -
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Mnufieh. El- Hatatbeh.
El- Manfieh. - Miniet- Selahme.
Dschuresch. Awlatt-Feradschi.
Abu - Awuali. At - riß.
Sidi - Ibrahim. Wardan.
42 -
Schimunn. Abu-Ghalibb.
Tahlie. (El - Katta,
Gavadi. Gizaijeh.
Baranieeh. Nikl.
Gonamieh Burraß.
Mimet-el-Arusch. Kahauweh.
Kaffr- Manfur.
Sachfah.
Satanoff
5. December. Auf dem Nil.
In der Nacht hatten wir die Spitze des Delta
erreicht und hielten dort an. Flach streicht sie in den
Nil, eine Sandzunge weit vor sich streckend; flach
dehnen sich auch die Ufer des nun vereinigten Nil
hin, der an Breite den Auge kaum gewonnen zu
haben scheint. Das Dorf Schalakan steht am rech-
ten Ufer des Armes von Damiatte, Darawueh,
eben demselben zugewandt, an der Spitze des Dell-
ta's,– El-Achsaß auf dem linken Ufer des Ar-
mes von Rosette. Nebel lag mit Tagesanbruch über
Land und Strom. Viele Fahrzeuge segelten aus dem
Arme von Damiatte herauf, die spitzen Segel
gekreuzt.
Zwischen Ruffimm und Sihi, halbwegs, zieht
ein Canal in die trefflich bebaute, mit Dörfern be-
fäete Ebene des linken Ufers, die bis an die Wüste
und bis an die Pyramiden sich ausdehnt. Einige
43
hundert Schritte ober der Mündung des Canals
steht, unter Sykomoren, das Grab eines Heiligen,
Abdarahmon. Von der schön n Bogenbrücke, die
Muhnud-Ali, nahe an dieser Stelle, über den
Canal baute , unterschieden wir zuerst die dritte
Pyramide von Dschijeh. Die beiden großen, bra-
chen als dunkle, gewaltige Maßen durch den Nebel
und, obwohl mehrere Stunden entlegen, schienen
sehr nahe vor das Auge gerückt. Von derselben Stelle
erkannten wir auch die Höhe hinter Kairo, den
Mokattam, die zweifach gestuft, nach der Nilseite
abstürzt. Die Pyramiden nahmen wir nun zur Rech-
ten. Um Mittag kamen wir an Schubra vorüber.
Das hohe Ufer mit Menschen gefüllt; die Menge
von Roffen, Kamehlen und Eseln; das Landhaus
des Vicekönigs, das heiter und prächtig aus dem
Strome emporsteigt; die gewölbten Mündungen der
Canäle, die Bewäfferungsmaschinen und das Ge-
triebe daran; die Gärten, die Bäume, die Glas-
häuser, Köschk und Maiergebäude : diese Gegen-
stände auf dem Hintergrunde des nackten, grauen
arabischen Gebirges gelegt, erschienen uns wie Bill-
der einer Knabenoptik. Nun sahen wir auch Mafr
oder El-Cahira »die Siegreiche, die hohe Pforte
der Gläubigen, «wie sie der Araber nennet, Kairo,
bei den Franken und bei einem Theile der oriental-
fchen Christen. Mit vielen Minarets und hohen
4 Ak
44 -
Gebäuden breitete sie sich vom Nil bis an den Mo-
kattan hin, der nun fünf Stufen wies, auf deren
unteren das Schloß der Herrscher des Landes prangt.
Die Pyramiden waren vom Ufer verdeckt; wir fa-
hen sie erst wieder, einer Bergmaße mit zwei Spi-
zen gleich, da wir Bulak erreichten.
Bulak ist der Hafen Kairo's für Unterägypten.
Es kündigt sich als die Lände einer großen Stadt
durch geräumige Waarengebäude, Fabriken, aus-
gedehnte Schiffwerften und durch das Leben auf dem
Strome und an den Ufern an. Bald nach 1 Uhr
verließen wir unsere Kandschia und ritten, quer
durch Bulack, nach Kairo hinauf.
O r t e.
Recht es Ufer. Linke s Ufer.
Darawueh. Om-dinahr.
Schalakan. Dikelkom.
Charakanieh. El-Achsaß.
Abu-el-Gheid. Dschaladnieh.
Aliubb. Haffan - inn.
Bfuß. Oratinieh.
Mid -halfeh. Ruffimm.
Damanhur. Sihi.
Schubra. Janas.
Miniet - el - Sirik, Gefiret-Mohammed,
Gefiret - Batran. Waraa.
Bulak, - Embabeh.
IV.
K. a. i r o.
D„ Ursprung dieser Stadt, die eine der merk-
würdigsten, der dermalen bestehenden, in irgend ei-
nem Lande der Welt ist, wird von den Eingebor-
nen bis auf die ältesten Zeiten zurückgeführt, und
zwar bis auf Misram, Sohn Chams, der sich in
Ägypten niedergelaffen und dem ganzen Lande fo
wie der Hauptstadt den Namen Masr gegeben ha-
ben soll. Die Hauptstadt war aber Memphis. Zu
jener Zeit also soll Kairo gegründet worden seyn.
Die arabischen Geschichtsschreiber geben den Zeit-
punct der Gründung Kairo's genau an. Elmacin
in seiner Geschichte der Araber sagt: »Im Jahre
358 der Heg. kam Janhar, Feldherr des Moaz,
aus dem Geschlechte der Fürsten von Kiruan, an
der Spitze einer furchtbaren Macht nach Ägypten
und entriß es den Abaffiden. Von jenem Zeitpuncte
an wurde das Gebet im Namen der Fatimiten ge-
macht. Der Sieger, der eines Ortes bedurfte, um
feine Soldaten unterzubringen, legte den Grund
zu El-Cahira, baute dort einen Palast für den
46
Kaiser, und befahl den Herren und Kriegsleuten,
die neue Stadt zu bewohnen. Vier Jahre darauf
verließ Moaz seine Staaten in der Barbarei und
kam feiner Eroberung zu genießen. In diesem Jahre
wurde Cahira ausgebaut und das Reich der Fati-
miten befestiget.«
Moaz, in einem Sendschreiben an seinen Sohn,
sagt folgende Worte: »der Augenblick der Gründung
dieser Stadt fiel mit demjenigen des Aufganges des
Mars zusammen, des Bändigers der Welt. Um die
fer Geburtsstunde wegen, habe ich ihr den Namen
El-Cahira geben laffen.«
El-Cahir ist der Name des Planeten, um wel-
chen es sich handelt, und bedeutet auch: der Sieg-
reiche.
Abulfeda in seiner Beschreibung von Ägypten,
drückt sich folgender Maßen aus: »Im Norden von
Fostat, ist die Stadt El-Cahira, welche von den
fatimitischen Chalifen gegründet wurde. Diese Für-
sten, welche sich ein Reich an der Küste der Bar-
barei gebildet hatten, machten sich zum Meister
Ägyptens. Der Erste, welcher dieß Land eroberte und
darin herrschte, war Moaz, der Sohn El-Man-
fois . . . . Er legte den Grund zu El-Cahira, in
Jahre der Hegira 359.«
Kairo schöpfte seine Vergrößerung aus dem Un-
tergange Fostats (des heutigen Alt-Kairo). Im
47
Jahre 564 der Hegira, steckte Sultan Schahuar
Fostat in Brand, weil er diese wichtige und reiche
Stadt nicht gegen die Kreuzritter unter Lusignan
vertheidigen zu können glaubte. Die Bewohner von
Fostat zogen nach Kairo, das von diesem Zeitpuncte
den Beinamen Mafr, der nur der Hauptstadt ge-
bührt, annahm. Salah - Eddin, der Besieger der
Kreuzfahrer, erst Statthalter, dann Sultan von
Ägypten (567 d. H.) schlug in Kairo den Sitz auf.
Er baute im Jahre 572 das Schloß und die Mauern
der Stadt, die 29,300 Armlängen Entwickelung ha-
ben und zum Theile noch bestehen. Er baute auch,
im Viertel Karafeh, die Akademie und das Grab
Schaffey's. Jene wurde durch die Akademie des
Dschami und Aschar (Blumen-Moschee) ersetzt, die
bis zur Eroberung Ägyptens durch die Osmanen
blühte. Diese Eroberung und die Entdeckung des
Vorgebirges der guten Hoffnung, machten aus Kairo
das, was es heut zu Tage ist, eine königliche Ruine
von Hütten verstellt ein herrliches, obwohl zum
Theile verwüstetes und besudeltes Denkmal der Kraft,
Kühnheit und Anmuth, des romantischen Schwun-
ges und des bewunderungswürdigen Fleißes der
Sarazenen.
Kairo ist diejenige Stadt, in welcher die fara-
zenische Baukunst ihre höchste Entwickelung erlangt
hat und ihre größten Werke aufstellte. Kairo trägt
48
auch in allen Theilen den einen und selben Ausdruck;
denn was feit dreihundert Jahren verfallen und da-
für eingeklebt worden ist, beeinträchtigt den Ge-
fammteindruck kaum , so groß, so einförmig, so
zahlreich find die Meisterwerke und überhaupt die
Bauten aus der Zeit der farazenischen Blüthe. Con-
stantinopel ist Dorf und Gemisch alter und neuer
Barbarei, auf den schönsten Hügeln der Welt, wie
zum Scherze hingebreitet, Bau, von Dienern dem
gleichgültigen Herrn vorgezeichnet und ausgeführt,
Tändelei im Großen und Prächtigen, keinem Volke,
keiner Zeit, keinem Style ausschließend angehörig;
Kairo ist Kaiserstadt und Fürstensitz, zwischen Wüste
und Wüste geklemmt, ganz aus sich herausgewach-
fen, ohne irgend eine Beimischung an Stoff, Zeich-
nung oder Farbe, welche der Einheit des Bildes
fchade; Kairo ist weder Europa, noch Asien, noch
gelungene oder mißlungene Nachbildung griechischer,
römischer oder fränkischer Muster; Kairo ist Sara-
zenenwerk, und nichts als das, wie das Münster
gothischer Bau in allen feinen Theilen ist.
Kairo mag von Ost nach West eine Stunde, von
Nord nach Süd eine und eine halbe Stunde Aus-
dehnung haben. Ein großer Theil des Raumes ist
von Plätzen und Gärten bedeckt. Die Häuser sind
meist drei Stockwerke hoch, häufig mit geschnitztem
und bemalten Holze vertäfelt, haben hohe Fenster,
49
Spitzbogen und Zierath, sind sehr geräumig und
zum Theile prächtig im Inneren. Jedes Stadtvier-
tel hat seine besonderen Thore, die Nachts geschlos-
fen werden, und macht eine Stadt in der Stadt.
Die Straßen sind enge, finster und nach dem Schloffe
zu aufsteigend; die Bazars reich, ausgedehnt und
bedeckt ; die Bäder zahlreich, die Armenanstalten
reich und stattlich; die Moscheen von vollendeter
maurischer Pracht, voll kühn und klar geordneter,
gewaltiger Maffen, voll sorgsamer, reicher und zier-
licher Ausführung bei großer Einfachheit im Plane,
voll edler Feinheit im Geschmacke. Man zählt an
300 Moscheen in Kairo.
Etwa zwanzig Tausend Esel sind fortwährend in
Bewegung, denn nur der Bettler und der Sclave
gehen zu Fuße. Dromedaire, Pferde, Esel und Ka-
mehle, dienen für das tägliche Getriebe.
Der Vicekönig bewohnt das Schloß, das auf
dem letzten Abfalle des Mokattam angelegt ist und
die Stadt großentheils beherrscht. Hohe Mauern
und steiler Aufgang trennen es von derselben, so
wie von dem Reste des Mokattam. Auf der nächsten
Stufe dieses Gebirges, auf derselben Stelle, von
welcher Mechmed-Ali den Vicekönig Kosroef-Pa-
fcha in feinem Palaste im Schloffe mit Kanonen-
kugeln aufjagte, hat er ein geschloffenes Werk anle-
gen laffen, dieses ruht auf einer Felswand, die,
Prok elf ch: Ägypten. I. 5
5(!)
auf eine weite Strecke, über hundert Fuß hoch,
senkrecht abgehauen ist; ein breiter, steiler Weg,
260 Schritte lang, und ganz aus dem Thale auf-
gemauert, führt zu dem Werke, von welchem aus
das Schloß wie ein aufgeschlagenes Buch zu den
Füßen des Schauenden liegt. Schubra steht diesem
Werke in Nord, die große Pyramide in West.
Das Thal zwischen dem Werke und dem Schloffe
liegt wüst, und gleicht einem Schauplatze von Zer-
störung. Man kann die Anstrengungen ermeffen,
welche seit der Anlage des Schloffes, zur Sicher-
stellung desselben, nach dieser Seite gemacht wor-
den sind. Die Mauern des Schloffes, welches die
Gestalt zweier unter sich verbundener, unregelmä-
ßiger Vierecke hat, riefig in Anlage und Ausfüh-
rung, mit vielen Thürmen verstärkt, ruhen auf
Felswänden, die bis auf dreißig Fuß senkrecht, ab-
gemeifelt sind. Der Thaleinschnitt ist vertieft, und
Haufen leichten Schuttes decken die Annäherung
an die Felswände. Es liegen auch mehrere Felsblöcke
im Thale, die abgebrochen, aber zu groß sind, als
daß dieß durch Menschenhand oder Werkzeuge ge-
fchehen seyn könne. Der Boden ertönt unter dem
Hufschlage der Pferde an vielen Stellen dieses Tha-
les, als wenn er hohl wäre, besonders an der Ost-
feite des Schloffes und an derjenigen gegen Nord,
wo der Weg nach den Friedhöfen hinabführt.
51
- Der Reisende, der das Schloß besteigt, befieht
gerne den ausgedehnten und königlichen Palast
Mechmed-Ali's, an welchem er dermalen noch baut;
die großen Artilleriewerkstätten und Zeughäuser;
den sogenannten Brunnen Josephs, der 280 Fuß
tief, und mit 42 Fuß Umfang in dem Felsen ge-
hauen ist, und in welchem eine gleichfalls aus dem
Felsen gehauene Treppe bis in die Tiefe führt; die
Stelle zwischen den Mauern, wo die Mameluken
überfallen und niedergemetzelt wurden, und von wo
Einer zu Pferde über die Wand setzte und entkam;
den Palast Selah-Eddins endlich, der vor weni-
gen Jahren durch den Aufflug eines nahen Pulver-
magazins zum großen Theile in Trümmer fiel, noch
aber eine majestätische und prachtvolle Runnebildet,
in welchem 34 mächtige Granitsäulen stehen. Der
antike Schaft, 45 Fuß lang, ist mit Blei und Holz
auf die fremde Unterlage befestiget, und trägt ei-
nen fremden Knauf, jeder von den übrigen verschie-
den. Rings um die innere Wand des Gesimses, läuft
ein Spruch des Koran, in sechs Fuß hohen Lettern,
die bemalt oder vergoldet gewesen feyn dürften, und
eine reiche Zierde bilden. -
Außer der schlagenden Zusammenstellung alter
und neuer Pracht, von Palästen in Trümmern und
Palästen im Werden, gibt dem Reisenden die Aus-
ficht über die ungeheure Stadt und ihre Todtenäcker,
- 5 s
52
über das Nilthal vom arabischen bis zum libyschen
Gebirge, von Wüste dießseits bis zur Wüste jen-
seits, und der Anblick jener unvergleichbaren, urä-
testen Denkmale, der Pyramiden von Sakaara und
Dschijeh, reichen Stoff zum Nachdenken über Welt
und Geschichte, über Wandel und Vergänglichkeit.
Auf dem Platze an dem Eingange aus der Stadt
in das Schloß steht die Moschee Sultan Haffans,
die ob ihrer Größe, Pracht, Kühnheit und Voll-
endung nur mit den vorzüglichsten Bauten der go-
thischen Schule verglichen werden kann. Von dem
Giebel und den Minarets dieser Moschee, befchoffen
die Aufrührer mehrmals mit Kanonen das Schloß,
wenn sie die Statthalter des Sultans nach ihren
Wünschen zu beugen gesonnen waren. Ich habe diese
Moschee, so wie manche andere, nie ohne Bewun-
derung und Erhebung betrachten können. Ihr An-
blick sprach mich wie die Romanze vom Cid, wie
ein Bild aus schönster Ritterzeit an. Ihre mächti-
gen Maffen erfüllen die Seele mit Sicherheit, der
hohe Schwung in ihrer Anlage und Zeichnung regt
dichterische Wärme an, die vollendete Ausführung
gibt wohlthätige Klarheit. Niemand hat fleißigere,
genauere und reinere Zeichnungen von den farazeni-
fchen Denkmalen Kairo's genommen, als Herr Coste,
aus Marseille, ein sehr fähiger Mann, der als Vor-
steher aller Canal- und Brückenbauten im Dienste
53
des Vicekönigs sich befindet. Als ich im März 1827
ein zweites Mal nach Kairo kam, vernahm ich, daß er
feine Sammlung von Zeichnungen dieser Art an ei-
nen Engländer verkauft habe. Es wäre Schade, wenn
fie in irgend einem Museum vergraben blieben.
Die Minister des Vicekönigs wohnen in heite-
ren Palästen der Stadt, und zwar der entlegeneren
Theile derselben, z. B. der Defterdar-Bey auf dem
Platze Esbekieh, der einen Theil des Jahres unter
Waffer steht, und in einem andern als Feld benützt
wird. Eine große Strecke hindurch sind die Gebäude
dieses merkwürdigen Platzes zerstört und verfallen;
was noch steht ist entweder maurischen Styles und
trägt dann den Ausdruck alter Pracht, oder fränki-
fchen und neu-türkischen, und nimmt dann ein hei-
teres Ansehen. Der Palast des Defterdar - Bey ist
eben derjenige, worin sich zur Zeit der Überrennung
des Landes durch die Franzosen, das Hauptquartier
Bonapartes und Klebers befand. Ein französischer
Mameluke wies uns die Stelle im Garten, wo die-
fer General ermordet worden ist.» Der Mörder hat
sich rechts gewendet,« das waren die letzten Worte
Klebers zu den herbeigeeilten Seinen. Das Anden-
ken dieses Mannes ist jetzt noch bei vielen Ara-
bern verehrt. Vor dem Palaste, auf dem Platze
Esbekieh, steht eine alte, hohe Sykomore, unter
54
welcher Kleber manchmal zu sitzen pflegte; sie heißt
heut zu Tage nach feinem Namen.
Es ist mehr Leben in den Straßen von Kairo,
als in denen von Constantinopel, weil die Frauen
dort mehr sichtbar sind. Sie reiten auf hohen Maul-
thieren, Eseln oder verschnittenen Pferden (Rachu-
ane), in schwarze Seidenstoffe, wie Mumien ver-
hüllt, von vielem Gefolge begleitet. Der tägliche
Strom der Geschäftleute nach dem Schloffe und
von demselben, belebt gleichfalls die Straßen. End-
lich ist das Völkergemenge und Getriebe auf den
Marktplätzen groß, und legt die seltsamsten Bilder
aus. Alle Theile der alten Welt und alle Religionen
derselben kreuzen und berühren sich in der Umfrie-
dung dieser Stadt. Thibet und die Barbarei, Abys-
finien und Europa, Persien und Indien machen
da ruhig ihre Geschäfte; der Muselmann, der We-
habite, der Jude, die hundert Secten der Christen,
der Fetischanbeter wohnen neben einander und ge-
nießen Achtung und Schutz.
59
fen, da sie hartnäckig sich weigerte, es zu verkau-
fen; da habe er es durch die acht Säulen von dem
übrigen Hofe gesondert. – Der Vicekönig mit allen
Großen des Reiches und allen Officieren und Be-
amten besucht jedes Jahr, am letzten Freitag des
Ramazans, diese Moschee.
Auf dem Abfalle des Mokattam, oberhalb Fo-
tat, steht ein alter, viereckiger oder beffer unförm-
licher Bau, den Manche für ägyptisch halten und
die Kornkammern Josephs heißen, Andere für per-
sich, und wieder Andere für römisch. Abulfeda er-
wähnt desselben unter dem Namen des Feuerschlos-
fes, weil die Perser darin ein ewiges Feuer unter-
halten haben sollen. – Savary hält es für Ba-
bylon. – Peter Sicard, welcher Flav. Josephus
nach spricht, hält eben deshalb, weil Kambyfes eine
Zahl Babylonier in dieser Gegend zurückgelaffen
habe, Alt-Kairo selbst für Babylon. Strabo sagt:
» Nilaufwärts, oberhalb Heliopolis, steht das Schloß
Babylon, durch Kunst und Natur befestiget. Es wurde
von einigen Babyloniern angelegt, die sich, mit
Erlaubniß des Königs, dahin zurückzogen. Die Rö-
mer hielten darin eine der drei Legionen, welche die
Besatzung von Ägypten ausmachen. Von dieser Feste
an senkt sich das Gebirge fanft bis an den Nil. Hun-
dertfünfzig Sclavenarbeiten unablässig, um mit Hilfe
_ 60_
von Rädern und einer Leitung das Waffer nach dem
Schloffe zu bringen.« -
Die Trümmer der Wafferleitung sind noch zu
finden, und es ist demnach kaum zu zweifeln, daß
dieser Bau aus der Zeit der persischen Herrschaft
und derjenige fey, den der Geograph in der angeführ-
ten Stelle bezeichnet.
Fostat gegenüber, im Nil, liegt die reizende In-
fel Ruda, die mit Gärten und Landhäusern bedeckt
ist und unter Andern auch die Pulvermühlen und
den bekannten Nilometer trägt. Dieser steht in einem
Becken maurischen Styles und ist selbst eine mau-
rische, achteckige Säule, nicht mit einem korinthi-
schen Knauf (wie ich irgendwo gelesen habe), fon-
dern mit einem einfachen Viereck über flachen kaum
ein paar Zoll hohen Blätterzierath gekrönt. Die
Säule reichte 4 Armlängen und 4Palmen über den
Wafferspiegel, die Maaße darauf waren roh aber doch
klar angegeben und ich fand die Verwirrung nicht,
von der einige Reisende sprechen. In einem Garten
der Insel Ruda steht der heilige Baum der
Fatim e. Er ist von der Gattung, die im Arabi-
fchen Nebb genannt wird, und so alt, daß sein Haupt-
stamm fast ganz verwitterte. Aber die großen zur
Erde gebrochenen Äste treiben nach allen Seiten und
zeigen eine Lebenskraft, die Erstaunen erregt. Die
türkischen Frauen, welche Nachkommenschaft wün-
-
6
fchen, kommen an diesen Baum, verrichten Gebete,
schlagen dann einen Nagel ein und hängen ein Fetz-
chen daran, weßhalb der Baum auch mit Nägeln
befäet ist. Man sagt, daß diese Wallfahrt mehr als
Einer geholfen habe.
VI.
S ch u b r a.
Außerhalb der Stadt, dort wo der Weg nach
Bulak von demjenigen nach Schubra sich trennt, und
auf einer Schutthöhe eine von Bonaparte angelegte
und nun in einen Telegraphenthurm, umwandelte
Windmühle steht, beginnt eine Allee von Syko-
moren und Acacien, breit und ansehnlich, die auf
eine Stunde Weges den Zugang nach dem genann-
ten Luftorte des Vicekönigs bildet. – Schubra,
als kaum geborne Schöpfung betrachtet, ist gewiß
einer der schönsten Gärten des Orients. Er ist mit
Wegen in geraden Linien, die sich unter verschiede-
nen Winkeln schneiden, durchzogen; bald sind es
Cypreffen, bald Acacien, bald Frucht- und Gummi-
bäume, bald Pappeln und Palmen, welche die Al-
leen, die Runden und sonstigen Ruheplätze bilden.
Der Boden dieser letztern ist mit farbigen Steinchen,
in Nachahmung von Teppichen, eingelegt, und rings-
um find Blumen aller Gattungen angebracht. Die
Balsaminen, die Jonquillen, die Goldblumen, die
Immer schön, die bengalischen Rosen standen in
/ 63
Blüthe, der Oleander war in der Fülle seiner Far-
benpracht und schmiegte sich an die Cypreffen und
stand selbst zum Baume aufgezogen. (December.)
Die ersten Abtheilungen des Gartens, zunächst
am Eingange, enthalten fast nur Orangenbeeten,
die weiteren eine Menge Fruchtbäume, welche Ägyp-
ten nicht kennt oder wieder vergeffen hat. Diese um-
geben einen Pavillon aus weißem Marmor, der
Schönbrunn und Versailles zieren würde. Ein Mar-
morbecken, achtzig Schritte ins Gevierte, ist von ei-
nem dreißig Schritte breiten, Säulen tragenden, be-
deckten Gange, gleichfalls aus Marmor und der
feinsten Ausführung, umgeben. Aus jeder der vier
Ecken des Ganges tritt man in einen prächtigen
Saal mit zwei Seitengemächern, nach orientalischem
Geschmacke reich eingerichtet und gezieret; aus der
Mitte jeder der vier Seiten aber durch ein schönes
Thor in den Garten. Dem Eingang in die Säle
entspricht, im Winkel des Beckens, ein runder Vor-
fprung, worauf ein Löwe ruht und Waffer speiet;
rings um den Vorsprung laufen Löwenköpfe, die
dasselbe thun. Eben so entsprechen den vier Aus-
gängen vier kleine Pavillons, die in das Becken ver-
greifen. Die Linie des Vierecks wird durch diese acht
Ausbeugungen angenehm unterbrochen und fo das
Eintönige vermieden. Längs dem ganzen Becken, an
der inneren Seite des Ganges, stehen hohe und
64
reich gearbeitete Blumen-Vasen aus Marmor, und
mit dem Boden in gleicher Höhe läuft eine doppelte,
breite, in basrelief reich gezierte Rinne aus Marmor
herum, damit das Waffer ringsherum geführt wer-
den könne, ohne deshalb das Becken zu füllen. Mit-
ten im Becken steht ein anderes, das 25 Fuß ins
Gevierte haben mag. Deffen Ecken sind eingekrümmt;
es ist überaus reich an Arbeit in Stein und von
sehr geschmackvoller Ausführung.
Wenn alle Waffer spielen, so steigt aus der
Mitte des inneren Beckens ein hoher Strahl auf;
vier und zwanzig Krokodile speien aus den Ecken
desselben, und von dem Rande des großen Beckens
werfen Löwen und Schlangenköpfe ihnen das Waffer
entgegen. Die Ausdehnung des Baues, der Glanz
des Marmors, die Meiselarbeiten in Guirlanden
und anderem Schmuck, der von Greiffen und Lö-
wen gehalten wird, die Lage endlich des Ganzen,
zwischen Bäumen aller Welttheile, mit dem Ausblick
auf Pyramiden und Nil, machen die Stelle zu ei-
ner erheiternden, und ich möchte sagen, berauschenden.
Ganz am Nil ist das Harem des Vicekönigs.
Es wurde eben für den Frühling vorbereitet; wir
durften also das Innere besuchen. Unsere Frauen-
gemächer bieten gewiß nichts dar, was diesen an
Pracht sich vergleichen könne. Die Mitte des Ge-
bäudes wird durch einen Saal eingenommen, den
65
vier andere Säle umgeben; jeder derselben hat wie-
der zwei Cabinette zur Seite. Der Mittelsaal ist
während des Tages, derjenige der Vereinigung, und
während der Nacht, der Aufenthalt der schwarzen
Dienerinnen. Der eine Seitensaal ist der des Vice-
königs; der zweite dient als Badesaal; die beiden
übrigen werden von den Frauen bewohnt, die Ca-
binette aber von Dienerinnen höheren Ranges. –
Die Pracht und Feinheit der Wandverzierungen,
des Divans, der Teppiche, der Einrichtung geben
dem reichsten persischen Dichter Stoff und wären der
schönsten Frau auf Erden würdig, die zu nennen,
ich mich übrigens nicht unterfangen will.
VII. -
Das Lager bei Abusabel. Heliopolis.
Ein und eine halbe Stunde NO von Kairo, mit-
ten in einem Walde von Dattelpalmen, liegt das
Dorf Birket-el-Hadschih, wo sich die heilige Kara-
vane sammelt, die jährlich, im Frühjahre oder zu
Anfang Sommers, nach Mekka zieht. Die Pilger
finden Raum in einem Viereck, welches mit einem
Erdwall umschloffen und an den Ecken durch Thürme
vertheidigt ist. Folgt man diesem Dattelwalde bis
zur Grenze der Wüste, und geht längs dieser noch
anderthalb Stunden weiter, fo kömmt man in das
Dorf Khanka, von welchem eine halbe Stunde rechts,
auf einer Strecke der Wüste, die Saara heißt, das
Lager der geregelten Truppen des Vicekönigs auf
gestellt ist. Dort find große Vorrathsgebäude, Spi-
täler und Wohnungen für den Stab und die hö-
heren Officiere. Die Regimenter lagern unter Zel-
ten. Es herrscht eine rühmliche Ordnung und ein
verständiger Fleiß. Mehrere junge Mameluken, die
uns entgegen kamen, sprachen uns in französischer
Sprache an. Wir besuchten die Schulen und die fon-
67
stigen Anstalten, wohnten den Übungen des 2, 10,
11. und 12. Infanterie-Regiments bei, und wur-
den von dem Chef des Generalstabs, Selim-Bey, auf
das Freundlichste bewirthet.
Auf dem Rückwege ritten wir über Heliopolis.
Ein Erdwall zu 800 Schritte ins Viereck und ein
Obelisk aus rothem Granit, sind die einzigen Reste
dieser berühmten Stadt, wohin die Weisen der al-
ten Welt zogen, um Weisheit zu lernen. Der Obelisk
steht innerhalb des Erdwalls, der vielleicht den Um-
fang des Sonnentempels bezeichnet. Er schien mir
mit denen von Alexandria von gleicher Höhe. Seine
Richtung ist von SSW nach NNO. Auf jeder der
vier Seiten sind dieselben Hieroglyphen. Diese nen-
nen als Errichter den ältesten Pharaonen, den wir
bis jetzt, auf den Tempeln und Malen Ägyptens und
Nubiens gefunden haben: Osortasen, den achtzehn-
ten Vorfahrer des großen Remeles, zufolge der im
Abydos und Berikanan gefundenen genealogischen
Tafeln – das Zeitalter des großen Remefes,
oder Sesostris, ist selbst so ungewiß, daß ich mir
nicht die Mühe geben will, dasjenige Osortasens
zu bestimmen. Die Welt ist alt, aber die Geschichte
ist jung. Die Bibel spricht von diesen Obelisken in
Jeremias (Cap. 43. V. 13) Weiffagung vom Un-
tergange Ägyptens durch Nebukadnezar: »Und er wird
- 6 %
68
fie niederwerfen die Säulen, die da aufgerichtet ste-
hen vor dem Tempel der Sonne im Lande Ägypten.«
Nahe bei Heliopolis steht eine Sykomore, unter
welcher, nach der Sage des Volkes, die h. Jungfrau
geruht haben soll. Die Türken tragen eine große Ver-
ehrung für diesen uralten Baum, von dem nur ein
Stück Rinde noch besteht, das auf 16 Spannen
Breite nur 4 Spannen Dicke mißt, dabei aber ju-
gendlich treibt und weithin den Schatten verbreitet.
Pyramiden von Dschijeh.
December 1826.
Fas vier Stunden brauchten wir, um von Fostat
aus, die Pyramiden von Dschifeh zu erreichen. Wir
kamen dabei denen von Sakaara ziemlich nahe, und
folgten einem hohen Damme, der mehrere Durch-
laßbrücken aus Stein, Werke der Araber, von fe-
stem und mächtigem Baue zeigt. Die schönste dieser
Brücken steht am Dorfe Schobrament. Sie hat eine
geschichtliche Bedeutung und ist im Munde des Vol-
kes, das jede Vergangenheit, selbst die schlimmste,
beklagt. – An dieser Brücke schlug sich Elfy - Bey
zum letzten Male gegen Mohammed-Ali. Seine Ma-
meluken erlagen. Er wußte, daß ihr Verhängniß
gekommen, fein und ihr Reich zu Ende fey. Auf
dieser Brücke soll er angehalten, sich gewandt, noch
einmal Kairo betrachtet und dabei ausgerufen ha-
ben: »O Stadt! sieh deine Kinder! – sie irrenzer-
freut und beraubt umher, während du felbst unter
dem Säbelfremder Horden schmachtet, während deine
7)
Paläste sinken, deine Gebäude einstürzen, während
deine Frauen entehrt werden und dein rühmlicher
Glanz verblaßt!« . . . . .
An dieser Brücke verließen wir den Damm und
ritten gerade auf die Pyramiden los. Ein Gehöfe,
Kaffr-el-Khran, liegt denselben auf eine Viertel-
stunde zur Seite. Dort beginnt die Wüste. Ich konnte
nicht klar werden über den Eindruck, den diese größ-
ten aller Denkmale auf mich machten; ich kann es
noch nicht. Nur so viel weiß ich, daß sie mir höher
und mächtiger erschienen aus der Ferne von Wardan,
denn aus der Nähe von wenigen hundert Schritten,
und daß jener erste Eindruck plötzlich mich überfiel,
und zwar mit verstärkter Gewalt, sobald ich am Fuße
der großen Pyramide stand und den Versuch machte,
nach der Spitze derselben empor zu blicken. Auge
und Seele fühlten das Gewicht der ungeheuren Maffe
auf sich, und die Zeit und die Geschichte legten das
Ihrige dazu.» Vierzig Jahrhunderte betrachten dich!«
dachte auch ich, aber mir kam unsere Weltgeschichte
wie eine Erzählung von gestern vor.
Zuerst besah ich den Sphinx. Die Form des Kör-
pers schwillt aus dem Sande empor, aber nur das
Haupt und der Hals find entblößt heut zu Tage.
Beide erscheinen in allen Theilen und Zügen klar,
wenn aus gewisser Ferne betrachtet; Beide verstüm-
melt, wenn aus der Nähe. Der Sphinx sieht nach
71
-
Osten. Kein Symbol aller Religionen und Zeiten,
drückt glücklicher, als dieses ägyptische, unüber-
windliche Ruhe und Gedankenernt aus.
Deutlich sieht man die rothe Farbe, womit auch
dieser Koloß bemalt war. Der Hals ist dünne zu-
gehauen, als habe man das Haupt vom Rumpfe
sondern wollen und den Versuch aufgegeben. Vor
der Brust hat der englische Generalconsul und ver-
dienstliche Alterthumforscher, Herr Salt, vor eini-
gen Jahren Grabungen vornehmen laffen, deren
Ergebniß er mir nach meiner Rückkehr aus Nubien
mittheilte. Ihm zu Folge ruht auf der Brust des
Sphinx eine große Granittafel, worauf der Ring
Thothmosis III. eingegraben steht; zwischen den Vor-
dertatzen hält der Sphinx einen kleinen Tempel,
vor dessen Eingang ein Löwe liegt. Weiter ist ein
Niedergang von 32 Stufen, der zu einem Altar
führt, worauf eine griechische Inschrift aus Ptole-
mäerzeit zu lesen ist. Zu jeder Seite des Altars
ruht ein Sphinx aus Kalkstein. Von der Grundfeste
des Tempels bis zur Stirne des großen Sphinx
sind 65 Fuß Höhe. Die Tatzen sind 57 Fuß lang
von der Brust bis an die Krallen, die 8 Fuß Höhe
haben. 45 Fuß vom erwähnten Altar stand ein zwei-
ter mit einer Inschrift, die Septimius Severus
nennt, und nahe daran fand sich eine andere grie-
chische Inschrift , die auf Antoninus Bezug hat.
72
Noch zur Zeit der Römerherrschaft war also der
Sphinx unverschüttet und eine geweihte Stelle.
Wir verzehrten in der Nische, oberhalb dem
Eingange in die große Pyramide, ein kleines Mahl
und stiegen dann den ungeheuren Bau bis zur
Spitze hinauf. Araber begleiteten und halfen uns.
Der Aufgang ist eben nicht schwierig, für Jeman-
den, der dem Schwindel nicht unterworfen ist;
wohl aber so ermüdend, daß einige unserer Gefähr-
ten halbwegs anhielten und den Muth verloren wei-
ter zu gehen. Zu oberst ist ein geräumiger Platz.
Welch ein Ausblick! Zweihundert Grade des Hori-
zonts, von SSO bis N, und allen Raum der Kreis-
fläche bis an die Sehne zwischen diesen Punkten,
nimmt die libysche Wüste ein, unendlich, einfach,
einfärbig. Den Rest des Gesichtkreises begrenzt das
Nilthal und das arabische Gebirge; den Rest der
Kreisfläche aber deckt bebauter Boden, im frischesten
Grün. Mit freiem Auge zählte ich 73 Ortschaften.
Dattelwäldchen heben sich, Canäle durchwinden die
Ebene, der Nil weitet seinen herrlichen Spiegel,
bis wo er im Nord und Südost sich verliert. Kairo
prangt, im ONO , mit feinen hundert Moscheen,
mit feinen Mauern , Schlöffern, Palästen und
Häfen. Die Pyramiden von Sakaara und Dachuhr
steigen hoch über die Linie des Horizontes empor,
auf 20 Grade ausgedehnt, von SO bis S 10° O.
73
Wie Würmchen aber am Stamme der Cypreffe,
so erschienen uns Menschen und Thiere am Fuße
der Pyramide.
Ich begreife nicht, wie man jemals zweifeln
konnte, daß die Pyramiden Grabdenkmale waren,
auch bevor man noch das Innere derselben kannte.
Sie stehen mitten in dem ungeheuren Friedhofe von
Memphis. Der ganze östliche Abfall des libyschen
Gebirges ist eine Todtentätte. Wo man gräbt, stößt
man auf Gräber und Katakomben. Die Gipfel, die
Abfälle dieser Hügelkette weisen, trotz dem Schleier,
den die Wüste darüber gelegt hat, die regelnde Men-
schenhand. Abgesehen davon, was erblickt man zu-
nächst um die große Pyramide? An der Ostseite ste-
hen, auf kaum 50 Schritte entfernt, die Reste
dreier kleiner Pyramiden und unmittelbar vor ihnen
reihen sich Gräber in mehreren Linien bis zum un-
tersten Abfall der Höhe. An der Südseite liegt gleich-
falls eine Reihe Gräber auf dieselbe Entfernung
vor, in gerader Linie eines neben dem andern mit
gleichen Abständen geordnet. An der Westseite,
abermals in derselben Entfernung, ziehen zehn
Reihen Gräber hin, wovon mehrere mit präch-
tigem Überbau geziert waren, wie die Reste be-
weifen. Da ist insbesondere die Ummauerung gegen
Süd und Ost noch sichtbar, welche im großen Fried-
hofe diesen kleineren aussonderte. Mir war , als
Prokefch: Ägypten I. 7
74
fäße ich auf dem Grabe eines Königs und fähe um -
mich diejenigen seiner Angehörigen, feines Hauses.
Jede der drei Hauptpyramiden hatte einen brei-
ten, prächtigen Aufgang; jede einen mauerumfan-
genen Hof. An der Nordseite der großen Pyramide,
zeigen sich deutlich die Reste dieses Hofes, und in
der Richtung ihrer Nordostecke, längs dem Abfalle,
die Seitenmauer des Aufganges. Noch deutlicher
weitet sich der eine und der andere an der zweiten
großen Pyramide, welche der ersten gegen SW und
zwar so nahe liegt, daß zwischen ihr und dem west-
lichen Friedhofe nur für eine einstige Straße Raum
bleibt. Diese zweite Pyramide hat einen eingelenk-
ten, in dem Felsen des Gebirges gehauenen Hof,
an der Nord- und Westseite. An der Ostseite ist ihr
Aufgang, mächtig gehoben. Am Beginn desselben
sitzt eben der riesige Sphinx, und vielleicht faß ein
zweiter ihm zur Seite, wie die Koloffe an den Tem-
pelthoren zu Theben sitzen. Die dritte der drei Haupt-
pyramiden weitet an der Ostseite deutlich den Hof mit
Mauern, die noch mehrere Klafter hoch sind. Diese
Pyramide steht abermals SW der mittleren und hat,
weiter nach S, ganz nahe, wieder drei kleine Pyra-
miden, wovon zwei über die westliche Linie vorrei-
chen, so daß überhaupt diese neun Monumente zu-
sammen in der Richtung von NO nach SW gescho-
ben stehen. -
75
So zeigen sich die nächsten Umgebungen der gro-
ßen Pyramide von oben. Das Dunkel des Ursprungs,
die Erinnerung von Jahrtausenden , die Stille,
Ausdehnung und Öde der Wüste, das blühende Land
mit feinem heiligen Strome, die Vergänglichkeit
und die Dauer so hart aneinander gerückt, verfeh-
len den großartigen und wehmüthigen Eindruck
wohl auf Keinen, der auf diesen Marken jenseits
der Grenze der bekannten Zeit sitzt.
Das Niedersteigen scheint gefährlicher als es,
Windstille vorausgesetzt, ist. Die Stufen werden,
je tiefer man kömmt desto höher, aber sie sind breit
und die Araber helfen. Wir stiegen am NO-Winkel
herab. Ich zählte hundert Schichten, die oberste ein-
gerechnet, bis zu einer ausgebrochenen Stelle in
diesem Winkel, die zum Ruheplatze dient, und dann
bis zu unterst abermals 103, also im Ganzen 203.
Unten angekommen, krochen wir alsogleich in
das Innere des Heiligthums. Der hundert Fuß
lange, 3 Fuß 3 Zoll ins Gevierte haltende, schief-
gesenkte Gang, in welchem man, an deren Nord-
feite, 100 Fuß oberhalb der Grundlage der Pyra-
mide, tritt, ist wenig unbequem, denn von Schritt
zu Schritt findet der Fuß Halt in leichten Einschnit-
ten der Sohle. Die Wände sind glänzend abgeglät-
tet. Kurz vor dem Ende dieses von N nach S ge-
führten Ganges hat man, nach W schief absteigend,
-
_76
einen anderen an Höhe und Breite dem früheren
gleichen Gang, welcher bis zur Grundlage selbst
führt, und außerdem einen dritten, der fast senk-
recht wie ein Schacht abgetäuft ist. Am Ende selbst
verlängert sich der erste Gang wagrecht und führt
fo zum Gemache, dem man den Namen des Saales
der Königin gab, schief aufsteigend aber durch eine
majestätische Galerie zum Saale des Königs.
Um diese Gallerie zu erreichen, muß man klet-
tern, den Fuß nämlich in die Löcher setzen, wo die
Quersteine ruhten. Die Galerie ist steil, acht Schich-
ten hoch, von feinster Aneinanderfügung, und hat
zu beiden Seiten einen vorspringenden breiten Rand,
in welchem sich in gleichen Abständen, längliche,
gleichmaßige Löcher befinden. Am Ende der Galle-
rie angelangt, tritt man durch einen Thorraum,
der mittelsteines Fallsteines geschloffen gewesen seyn
dürfte, in ein kleines Vorgemach und dann in den
Saal des Königes, der, wie die Pyramide selbst,
genau nach den Weltgegenden gerichtet und viereckig
ist. Der Eingang befindet sich in der Nordostecke.
An der Westseite, etwas von der Wand entfernt,
steht der Sarg aus Granit. Aus Granit auch ist
die Verkleidung des ganzen Gemaches bis zum Thor-
raum an der Gallerie, während die Pyramide selbst
aus Blöcken Kalkgesteins, des Kernes des libyschen
Gebirges besteht. Neben dem Eingange in der Nord-
77
seite ist ein Loch, nicht über 1 Fuß im Durchmes-
fer, unbekannt zu welchem Zweck und wie tief in
den Körper der Pyramide gehauen; diesem gegen-
über an der Südseite ein ähnliches, anfänglich et-
was größeres, aber bald sich zu demselben Maße
verengendes, wie ich erfuhr, da ich darin stecken
blieb. In der NW-Ecke ist ein Loch im Boden,
durch eine Nachgrabung veranlaßt, die in unseren
Tagen. Statt hatte, und wodurch man eine senkrechte
Verbindung mit dem Saale der Königin auffinden
wollte.
Die Granitblöcke haben sehr feinen Kitt zur Ver-
bindung unter sich. Die Blöcke der übrigen Theile
der Pyramide sind im Innern häufig ohne Mör-
telfügung, wie thyrinthische Mauern, – meist aber
ist Mörtel aus Kalk und Sand, der viele Granit-
körner und Muscheln enthält, angewendet.
Der Saal der Königin ist mit weißem Mar-
mor verkleidet, die obere Decke steigt unter einem
Winkel empor, während diejenige des Saales des
Königes flach ist. Auch im Saale der Königin ist der
Eingang in der Nordseite, an der NO-Ecke. In der
Mitte der Ostseite zeigt sich ein Thorraum, mit ge-
zacktem Aufsatz fünf übereinander stehender, und
gleichmäßig abnehmender, Vierecke geziert. Ein wag-
rechter Gang führt, etwa 50 Fuß tief, in den Kör-
per und endet im Rohen der Pyramide. Wahrschein-
78
lich stand hierin ein Sarg, und es wurden Nach-
grabungen von denen gemacht, welche die Pyramide
plünderten.
Noch hatte ich die beiden übrigen Gänge, welche
in die Tiefe führen, den senkrechten und den schie-
fen, zu untersuchen. Ich wählte den Ersteren. Mein
Araber kletterte voraus. Niemand folgte. Wir stei-
gen tief – tief, die Hände und die Füße in die
Vorsprünge der Blöcke oder in eingehauene Löcher
fetzend, wie in einem Felsenschachte. Es war ein
halsbrecherischer Versuch und mehrmals stand ich
daran umzukehren. Die Einschnitte sind feicht, glatt
und geneigt; überdieß war ich nicht bereitet für die-
den Weg und rathe Jedem, der ihn machen will,
die leichteste Fußbedeckung zu wählen, welche das
Anklammern nicht hindert. Wenn Hand oder Fuß
glitschen, so geht es tief genug, um sich die Ex-
zählung zu ersparen. Nachdem der Schacht drei
oder vier Mal unter sehr stumpfen Winkeln sich ge-
brochen hatte, kamen wir in die Tiefe. Dort führt
ein wagrechter Gang in den oben erwähnten schief-
abgesenkten, durch den ich wieder in den Haupt-
gang hinaufkam. Der schiefgesenkte geht zwar noch
tiefer abwärts, aber wir fanden ihn mit Steinen
ausgefüllt. Der Boden hallte dumpf wieder unter
unserem Fußtritt. Ich hatte damals weder Belzoni
gelesen, noch Capitain Caviglia, oder meinen Freund
79
Salt über das Innere der Pyramiden gesprochen.
Jetzt (December 1827) sehe ich im Werke des Ersten
(Narrative of the Operations and recent disco-
veries etc. in Egypt and Nubia etc. London, 1822
Vol. I) die Schilderung dieser Gänge, wie Cavi-
glia sie dem italienischen Reisenden mittheilte. Die
ganze Tiefe des Schachtes oder Brunnens, wie
man ihn zu nennen pflegt, ist 286 Fuß. In diese
Tiefe gekommen, fand Caviglia die Verbindung mit
dem gesenkten Gange, was also dieselbe Stelle ist,
bis zu welcher ich niederstieg. Er drang tiefer und
fand unter der Mitte der Pyramide einen in dem
Felsen des Gebirges gehauenen Saal.
Außer Fledermäusen fand ich kein Thier in die-
fen Hallen der Vorzeit.
Vom Schweiße triefend, vom Staube fast er-
blindet – von Mangel an Luft gepreßt, erreichte ich
den Tag und warf mich ermattet neben meine Rei-
fegefährten hin.
Die französ. Gelehrten, zur Zeit des Einfalles
Bonapartes in Ägypten, fanden für die große Pyra-
mide folgende Maße, die Verkleidung mit einge-
rechnet: Höhe . . 456/ 3“ 2“ Wiener Maß
Kante . . 689/ 6“ 6/// » Y)
Apothem . 584/ 8“ 8“ » Y)
Basis . . 719/ 1/ 7“ » Y
8(!)
Winkel der Kante mit der Bafis: . 57° 59/ 404/
» » beiden Kanten an der
Spitze . . . . 64' 0/ 40/
Y) » Apotheme . . . . 77° 21/ 504/
» des Apothems mit der Grundfläche 51° 19/ 4“
» der beiden gegenüberstehenden
Kanten . . . . . . 97° 6“ 0/
Der Flächeninhalt der Basis der Pyramide ist
9 Feddan Landes, d. i. 57804“ 8“ 3“ Wiener
Quadrat-Maß. -
Die zweite Pyramide ist, für das Auge,
so hoch als die erste. Sie war mit Marmor verklei-
det, wie einige Reste dieser Decke an der Spitze noch
zeigen. Der Hof derselben ist höchst merkwürdig. An
manchen Stellen zeigt sich noch der geglättete Fels,
auf welchen wahrscheinlich Marmorpflaster gelegt
gewesen war. Die glatte Felswand des Hofes wei-
fet eine Menge Löcher in solcher Ordnung, woraus
sich entnimmt, daß Bauten daran gelehnt waren.
An der Nordseite sind mehrere Hieroglyphen in diese
Wand gehauen, unter welchen der Ring des großen
Ramefes, an der Westseite sind mehrere Grabge-
mächer, worunter zwei ein zweites Gemach haben.
Über dem Eingange in das eine steht eine Aufschrift
in kleinen Hieroglyphen, und die Decke darin be-
steht aus abgeründeten Steinsäulen, wie rohe Baum-
81
stämme gearbeitet. Auf der östlichen Wand sind
gleichfalls Grabgemächer und abermals eine Auf-
schrift in Hieroglyphen. -
Belzoni öffnete diese Pyramide. Er fand den
Eingang an der Nordseite, einen Gang, unter 26°
geneigt und gerade nach der Mitte führend, der
Gang hatte 4 Fuß Höhe, 3 Fuß 6 Zoll Breite,
104 Fuß 5 Zoll Länge bis an die Stelle, wo er
durch einen Hebestein geschloffen war. Diese Thor-
stelle hat 6 Fuß 11 Zoll Länge, der Rest des Gan-
ges aber 22 Fuß 7 Zoll, und ist in den Felsen ge-
hauen. Dann kommt man in einen senkrechten Schacht
zu 15 Fuß ins Gevierte, neben welchen rechts und
links blinde Gänge in den Felsen eingehen und zwar
steigt der zur Rechten 30 Fuß auf. Vor sich hat
man die Verlängerung des Hauptganges in wag-
rechter Haltung, 46“ 3“ lang, 16/3“ breit, 23/6“
hoch, der zur Grabhalle führt. Belzoni überzeugte
sich bald, daß die Pyramide vor ihm geöffnet und
geplündert worden war.
Der Sarg, an der Westseite der Halle, war in
den Boden gesenkt. Er ist 8“ lang, 3/ 6“ breit und
2“ 3“ innen tief. Der Stein ist Granit. Granit-
blöcke umgeben denselben, um ihn festzuhalten. Die
Halle aus dem Felsen gehauen, hat eine pyrami-
dalartige, gehobene Decke aus Steinblöcken. Es sind
82
keine Hieroglyphen auf dem Sarge. Auf der west-
lichen Wand steht eine arabische Aufschrift, welche
sagt, die Pyramide fey unter dem Herrscher Ali-
Mohammed geöffnet und aufs Neue geschloffen wor-
den. Diese Angabe verträgt sich gut mit dem rau-
hen Versuche der Araber von der Nordseite, einen
Gang in die Pyramide zu hauen, der über 100“
tief fortgeführt, dann aber aufgegeben wurde.
Folgt man jedoch nicht der Verlängerung des
Hauptganges, sondern steigt in den Schacht, so fin-
det man zu unterst von dessen Sohle einen Gang
48/ 6“ nordwärts streichen, unter 26° geneigt,
denn abermals 55“ in derselben Richtung wagrecht
fortziehen. Halbwegs, zur Rechten, ist eine Ein-
senkung 11“ lang und 6“ tief, zur Linken aber ein
unter 26° geneigter Gang, der 22/West läuft, und
dann in ein Gemach führt 42/ lang, 9/9/ breit
und 8“ 6“ hoch. Am Ende des wagrechten Ganges
war ein Fallstein. Von dieser Stelle hebt er sich
wieder, gleichlaufend mit dem Hauptgange, und
ist nach 47“ 6“ Länge mit einem schweren Steine
geschloffen. Dieser Gang fcheint ein anderer Eingang
gewesen zu feyn, und zwar an der Grundlage der
Pyramide. Die zweite Pyramide hat nach Belzoni:
Basis 684“
Apothem 586“
Senkrechte 456“.
- 83
Die sogenannte kleine Pyramide scheint
die prächtigste aus den Dreien gewesen zu seyn. Ei-
nige Granitschichten, die noch bestehen, – Reste von
folchen Schichten auf größerer Höhe – Granit-
blöcke ringsum im Hofe beweisen, daß sie mit die-
fem herrlichen Steine ganz oder größten Theilsver-
kleidet war; größten Theils, weil an der Südseite
auch so viele Blöcke weißen Marmors liegen, daß
man voraus setzen muß, ein Theil dieser Seite,
vielleicht ein Theil jeder der drei übrigen, habe in
der Verkleidung eine Einlage dieses glänzenden
Marmors gehabt. Herodot II. 134. fagt die Hälfte
derselben fey aus äthiopischem Stein (so nennt er
den Granit, die Richtung andeutend, aus der er
kam). An der Westseite findet man, noch in seiner
Schichte, – an der Südseite nahe an derselben,
Granitblöcke, denen an Maffe kein Block der gro-
ßen Pyramide an die Seite gesetzt werden kann."
Diese riesigen Blöcke sind gerade in der Mitte der
Schichte angebracht worden. Von den übrigen Gra-
nitblöcken zeigen mehrere als Zierath einen Hohl-
streifen 1“ 6“ tief und breit.
An dieser Pyramide weitet jede Seite, daß der
Versuch gemacht wurde, sie zu öffnen. Da aber die
Verkleidung aus Granit fast erhalten ist, mit wel-
cher die Eingänge oder der Eingang, nach dem
Sinne der Stifter, wohl für alle Geschlechter und
84
Zeiten, geschloffen werden sollte, so läßt sich ver-
muthen, daß sie noch nicht geöffnet worden war.
Wenn man die kleine Pyramide besteigt, wird
sie ein Riese. Sie ist nur klein, weil sie neben der
großen steht.
Vor der Ostseite derselben ist ein viereckiger Hof
angebracht. Die Blöcke, die defen Umfangmauer
bilden, find, mit Ausnahme des Thorsteines, im
Schatzgewölbe des Atreus zu Mycenä und einiger
Steine in den cyclopischen Mauern von Tyrinth,
die größten, die ich irgendwo in Bauten verwendet
gesehen habe. Die meisten haben, auf 8 Fuß Höhe
und eben so viele Breite, an 14 Fuß Länge. Deut-
lich zeigen sich die Reste des majestätischen Aufgan-
ges, der, gleichfalls aus Osten kommend, in diesen
Hof und zur Pyramide führte. -
Die kleinen Pyramiden im Süden sind aus
Kalksteinen, wie die übrigen. Ihr Material war den
Geschlechtern jüngerer Zeiten handbarer als das
der großen. Sie haben daher mehr als diese gelit-
ten und find, zum Theile, fast abgetragen.
Von den kleinen Pyramiden stiegen wir in eine
Schlucht zwischen den Sandhügeln nieder, an de-
ren Auslaufe in die Ebene vier Dattelpalmen, eng
im Kreise um einen Brunnen, und vier Sykomo-
ren zur Seite, stehen. Diese Bäume, schon in der
Wüste und so nahe den größten aller Denkmale,
85
laden den Betrachter zur Ruhe unter ihren kargen
Schatten ein. Mir schien die Schlucht, von der ich
eben sprach, wie eine große Straße ins Reich des
Todes. Südlich stürzt der libysche Fels rund wie
eine Burg, oder wie ein Tempelwall, nach der Ebene
und Schlucht ab.– Menschenhand scheint denselben
behauen und er selbst irgend einen mächtigen Bau
getragen zu haben. Östlich von demselben zieht der
Abhang wie ein Mauerdamm hinab, breit und hoch
wie die Aufgänge zu den Pyramiden felbst. Von
den Sykomoren nördlich, fast zwischen ihnen und
dem Sphinx, deuten andere Mauerreste einen ande-
ren mächtigen Bau an, dem obigen gerade gegen-
über, vielleicht eine vierte große Pyramide, nun bis
auf die Grundfesten zerstört.
Wie viel mag nicht, rings um diese ungeheuren
und urältesten Male, der Sand der Wüste verhüll-
len! Ja, die Wüste wird die Bewahrerin für künf-
tige Geschlechter, und das ist vielleicht kein kleiner
Dienst. – Granit-, Basalt- und Marmortrüm-
mer weisen auf Kunstwerke, die hier bestanden ha-
ben, hier in Stücke geschlagen worden sind. Glau-
benswuth und Goldgier, das sind die Zerstörungs-
teufel, hinter denen Barbarei und Unwissenheit nur
als unvermögende Kinder Nachlesen halten.
Warum sind die Pyramiden ohne Hieroglyphen,
da doch die größten ägyptischen Monumente, die
-
_86_
nicht weniger als die Pyramiden unter die Welt-
wunder gezählt zu werden verdienen, damit bedeckt
find? – Sind sie Werke einer Zeit, die noch keine
Hieroglyphen kannte, oder eines Volkes, das sich
derselben nicht bediente? Ich denke, das Erstere. Die
Hieroglyphen in den Gemächern an der mittleren
Pyramide, die, um derselben Raum und Material
zu geben, und vielleicht auch zu heiligen Zwecken
ausgehauen wurden, sind natürlich später als die
Gemächer selbst, also sind diese älter als der große
Rameses; – der große Sphinx ist älter auch als
Thothmoses III.; die Pyramiden von Dschijeh fal-
len daher vor die 18. Dynastie der Pharaonen.
Der Vater der Geschichte, Herodot, in feiner
Einfachheit, die mehr werth ist als die Überklugheit
fo vieler der neueren Geschichtsschreiber, erzählt von
den Pyramiden gar Manches, nennt auch ihre Er-
bauer, da aber feine Nachrichten felbst sehr be-
schränkt waren, die Zeitrechnung keinen sicheren
Anhaltpunct hat und, nach griechischer Gewohnheit,
die Namen entstellt sind, so bringt uns eine Er-
zählung dießmal eben nicht viel weiter. Nach ihm
ist Cheops Erbauer der großen Pyramide. Die Steine
wurden aus dem arabischen Gebirge geholt, und
bei hohem Nil auf das libysche Ufer gebracht. Die
vorbereitenden Arbeiten beschäftigten zehn Jahre
hindurch 100 000 Menschen durch drei Monate jähr-
87
lich; an der Pyramide selbst wurde durch 20 Jahre
gearbeitet. Der Aufgang zu derselben, feines Be-
dünkens, kein geringeres Stück Arbeit als die Pyra-
mide selbst, hatte fünf Stadien, d. i. 3000 Fuß ,
Länge, war von geglättetem Stein und –fonder-
bar genug! – mit Hieroglyphen geziert. Herodot
sagt aber nicht, ob diese gleichzeitig mit dem Bau
der Pyramide oder durch spätere Könige eingegra-
ben worden feyen. Ich vermuthe dieß, denn ich
kann nicht glauben, daß die Herrscher der 18. Dyna-
stie, welche Ägypten und Nubien mit fo ungeheu-
ren Werken bedeckten und deren Hand wir an die
Umgebung der Pyramiden rühren fahen, diese Male,
die so sehr in ihrem Geschmacke seyn mußten, ohne
des Ihrigen beizufügen gelaffen haben, – Vielleicht
aber verboten heilige Gebräuche die Anwendung der
Hieroglyphen auf Pyramiden? – Nein. Denn He-
rodot spricht von einer Inschrift, die in die große
gegraben war; und ich habe zu unterst in der ge-
stuften Pyramide von Sakaara Hieroglyphen ein-
gehauen gefunden. -
Herodot besuchte die Pyramiden vor dritthalb
tausend Jahren als Reisender, wie wir sie heute
besuchen. Damals waren sie noch wenig oder gar
nicht vom Sande der Wüste verschüttet, und tru-
gen noch ihre Verkleidung. Er maß fie, wie wir sie
messen, und seine Angaben, flüchtig genommen,
88
weichen wenig von den unseren ab. Er hatte einen
Führer aus dem Volke zur Seite, wie wir – und
wiederholte die Fabeln, welche ihm das Volk er-
zählte, und in denen sich der Geist und Charakter
desselben oft getreuer als in den geschichtlichen Ereig-
niffen malt. Das nun freilich thun wir nicht, denn
wir sind zu klug dazu. – Unter jene Fabeln ge-
hört die, daß eine Tochter des Cheops durch das
Geld ihrer Liebhaber die große Pyramide vollenden
half und sich die mittlere der drei kleinen baute,
die östlich vor der großen stehen, deren ich oben er-
wähnte. Die Fabel fündigt wenigstens von Seite der
Wahrscheinlichkeit nicht.
Nach Manetho, dem Priester, der zu Phila-
delphus Zeiten lebte, und seine Geschichte von
Ägypten aus den Tempeln nahm, wo er Schreiber
war, hat die große Pyramide Pharao Suphis er-
baut. Diesen König setzt er in die zweite memphi-
tische Dynastie, welche zu Folge der Chronologie der
fastes universels acht und vierzig Jahrhunderte vor
Christi herrschte. Eusebius nennt diesen Suphis ei-
nen Gottesverächter. Soll er mit Cheops ein und
derselbe feyn? – Andere Chronologen fetzen Su-
phis in das Jahrhundert Abrahams, weil Jofe-
phus erzählt, daß dieser Patriarch zur Zeit des
Pharao-Suthis nach Ägypten kam und dort die
Sternkunde verbreitete. (Hieher die Stelle des Be-
89)
rofus: »im 10. Menschenalter nach der Fluth war
unter den Chaldäern ein Mann gerecht und mäch-
tig und erfahren in der Kunde des Himmels«).
Einige arabische Schriftsteller nennen den Pharao
des Abraham Tuthis.
Die zweite Pyramide läßt Herodot durch Cheops
Bruder und Nachfolger Chefren gebaut werden, die
dritte durch Mykerinos, einem Sohne Cheops.
Diodor gibt die eine für ein Werk des Amafis aus,
richtiger Amosis, und wirklich finden sich die Ringe
dieses Gründers der 18. Dynastie in den Steinbrü-
chen von Torra. übrigens läßt das Mangelhafte in
der Zeitrechnung der älteren Pharaonen bis jetzt noch
zu keiner Befriedigung gelangen. – Herodot zählt
von Mykerinos bis Sethos drei Könige; gegen die-
fen aber zog Sanacherib, den auch die Schrift nennt.
IX.
Reise auf dem Nil von Kairo bis
Melani,
20. December. Wir nahmen noch ein Ab-
schiedmahl bei dem kai. öster. Consul, Herrn Cham-
pion, zu Alt-Kairo und bestiegen endlich unser Masch,
ein zweimaßiges Fahrzeug der größten Art, die der
Nil trägt. Unser Begleiter Juffuf-Kascheff, der
Hauptmann der noch übrig gebliebenen französischen
Mameluken, hatte es zu 900 Piaster für den Mo-
nat gemiethet. Er war uns vom Vicekönig mitge-
geben worden, um uns zu leiten, zu schützen und
bei den verschiedenen Statthaltern und Obrigkeiten
einzuführen.
Bald nach Sonnenaufgang erhob sich leichter
Wind aus Norden. Eine Stunde Weges oberhalb
Atter-Ennabi, hart am Nil, steht das Kloster Tör.
Der Mokattam tritt da nach Osten zurück und bil-
det, mit dem arabischen Gebirge, ein breites Thal,
wodurch der Karawanenweg nach Suez zieht. Dieß
Thal heißt, in feiner Verlängerung, El-Waadi-
Tieh, das Thal der Verirrung. Es geht auch ein
91
kürzerer Weg von Kairo nach Suez, der den Mo-
kattam rechts lößt.
Das arabische Gebirge tritt oberhalb Tör bis
nahe an den Strom. Die Wüste behauptet das Thal
und das Ufer. Große Kasernen stehen da, vom Vice-
könig gebaut, denn diese Stelle ist der Sammel-
platz der Truppen, welche zu Unternehmungen ins
Innere von Afrika bestimmt sind. Hinter denselben,
im Gebirge, sieht man sehr ausgedehnte Stein-
brüche; Thore, wie solche, die zu Katakomben füh-
ren, zeigen sich in abgestochenen Felswänden. Hier
mögen die Bausteine für Memphis und die Pyra-
miden geholt worden seyn. In diesen Steinbrüchen
fand Salt Hieroglyphen in den Felsen gehauen,
darunter den Ring der Pharaonen Okyris und
Amofis. Auf der höchsten Spitze des Gebirges steht
die Feste Torra, ein rundes Werk, das von einem
ähnlichen und dieses wieder von einem dritten, ei-
nem Vielecke, umgeben ist. Ismael-Bey baute dieß
Schloß, derselbe, welcher Ali-Bey verrieth und nach
Abu-Dahab"s Tode zum Schech El-belled ernannt
worden war.
Noch weisen sich die Minarets von Kairo hinter
dem Uferrande, der, wie das Orchester vor der
Scene, gehoben hinzieht. Noch glänzt die Burg
dieser Hauptstadt von der farblosen Höhe. – Auf
dem linken Ufer ist das Land flach. Wäldchen von
-
8 k
92
Dattelpalmen schmücken es von Stelle zu Stelle.
Auch da steht ein Kloster Tör, welches die allgemeine
Benennung für jede koptische, oder überhaupt christ-
liche Kirche ist. – Die Pyramiden von Dschieh
und jene von Sakaara schauen weit und hoch her-
über.
Wir hatten bis Abend wenig Weg gemacht, und
dabei folgende Orte und benannte Stellen, an den
Ufern, hinter uns gelaffen:
O r t e.
Rechtes Ufer. Infel. Linkes Ufer.
Fostat. - Dschijeh.
Atter-Ennabi. El-Dachab. -
Törretin (Kloster). - Saghiet-Mekke.
Beffatin. - Hauwann dihe.
Tör - el-Adauwieh. e- Guneffe.
El-Gaßr (Kaserne). - Manial.
Torra. - Tör (Kloster).
Maffara. - Damenoh.
- - - Sechet - man.
21. December. Von welcher Seite man die
Berge von Torra ansehe, man kann sich des Gedan-
kens nicht erwehren, daß Jahrtausende dort gewühlt
haben und gehauen: fo unter einander geworfen und
voll seltsamer Formen zeigt sich das Gestein. Auch
Gräber sind dort, jetzt großen Theils zerstört; denn
B 3
mit dem Tag kam der Raub und die Entweihung,
und hinter diesen die Verwüstung und die Ode.
Eine Stunde höher wird die Ebene am östlichen
Ufer wieder breit, aber der Anbau bleibt schmal.
Neun Zehntheile derselben deckt Sand. Nicht so das
westliche Ufer, wo Ort an Ort sich reiht und die
Dattelwälder wie Festons sich durch und um diesel-
ben winden. Ein Leichenzug ging an diesem Ufer –
das Geheul der Klageweiber tönte heiser und schnei-
dend in unsere Ohren. Auf dieser Stelle stand Mem-
phis, mit Thebae, die älteste und größte aller Städte
der Welt. – Die Pyramiden von Sakaara stehen
auf den Hügeln der Wüste hinter ihr, die fünf-
fach gestufte in der Mitte, – eine auf allen Seiten
mißhandelte zunächst, – eine zu einem Tumulus
über und über geworfene; dann höher hinauf zwei
andere; – im Süden die beiden großen von Da-
schur, im Norden die drei von Dschijeh. Andere
birgt der Wald und sie schauen nur von Zeit zu Zeit
durch dessen Lichtstriche herein. - --
Der Nil strömt mitten durch eine herrliche Land-
fchaft. Das Schloß von Kairo steigt über den mäch-
tigen Gebäuden von El-Gaßr empor, mit denen
es ein Ganzes zu machen scheint. Die Stadt ist ver-
funken, aber unzählige Minarets ragen aus der
Tiefe, wie schimmernde Male.
94
O r t e.
Recht es Ufer. . Linkes Ufer.
Halowan. Bedreschenn.
El- Tabinn. Dorfajeh.
Abu - Rahuwann.
Schuback.
Masguhne.
22. December. Am dritten Tage fahen wir
das arabische Gebirge immer weiter im Bogen zu-
rück getreten. Der Anbau auf dem rechten Ufer ge-
wann an Ausdehnung. Wir sahen da häufig Indigo-
Pflanzungen. Eine Stunde stromaufwärts von Ga-
mazeh bemerkten wir einen freistehenden, abgesto-
chenen Hügel, der oben abgeplattet ist und auf des
fen Südspitze ein runder Sandkegel wie ein Tumu-
lus sich hebt. Vielleicht stand hier die Aphroditopo-
lis, wo eine weiße Kuh als Sinnbild der Isis ver-
ehrt wurde. Die Wüste, welche bis nahe an den
Nil reicht, von welchem jener Hügel etwa eine halbe
Stunde Weges entfernt liegt, kann die Reste ver-
fehlungen haben. D'Anville und Jomard glauben,
daß Altfyeh die Stelle von Aphroditopolis eingenom-
men habe, aber das Itinerarium Antonini gibt de-
ren Entfernung von Babylon nur auf 32 Millia-
rien, was die Entfernung der von mir bemerkten
Stelle ist.
95
O r t e.
Recht es Ufer. Link es ufer. 1
Minieh. Kaffr - Refaych.
Ach-faß. Billehde.
Gamazeh - el-Kebir. El-Altf.
– el- Sogaër. Bechebech.
El-Hay. Maffandi.
Mifihjeh, Kaffr-Lajatt.
Lekwahs,
Itell,
Fachmin.
Kasleh-el-Sagra.
Affaff,
23. December. Hinter den Orten Matanieh
und Magatfieh sind noch ein paar Pyramiden sicht-
bar, die aber heut zu Tage nur mehr Schutthaufen
sind. Bald darauf werden wir die Pyramide von
Meidunn ansichtig, die aus einem Hügel von Sand
empor und hoch über das flache Ufer steigt. Die
Dorfschaften werden kleiner, die Dattelwälder ge-
ringer, der Anbau ist seltener.
O r t e.
Recht es Ufer. In fel. Linkes Ufer.
Luskor. - Matanieh.
El- Wuadi. - Magatfieh.
Godajeh. El Mara. Minieh - Arabb.
Righa Sogaér. - Nasleh-el-Minieh.
- el-Kebir, - Illibenny.
Dolabbit - el - half - Kaffr - Barbut.
Altfyeh. - Kuffur - Rafall mit
mehreren Gehöfen.
El- Katuri.
Kaffr-Dschirdscheh.
Dschirdscheh - el-hauwa.
Righa - el-Kebir.
Du wu abb.
Meidunn.
24. December. Das rechte Ufer war mit Volk
bedeckt, welches seine Erzeugniffe nach Altfyeh, dem
Hauptorte der Nazirschaft, zu Markte trug. Das
arabische Gebirge nimmt nun wieder einigen Aus-
druck in seinen Umriffen an und kömmt unter dem
großen, reichbeschatteten Dorfe Sohl bis an den Nil,
während auf dem linken die Wüste gleichfalls bis an
den Strom greift. Die Pyramide von Meidunn ist
anderen Baues als die übrigen; sie besteht aus drei
in einander gesteckten Pyramidal-Bruchstücken ver-
fähiedener Grundlinie. Das oberste Stück ist bis
auf geringe Höhe zerstört.
Ober Caramat folgt Wüste zu Dünen geformt.
Dagegen sind am linken Ufer die Dörfer mit dichte-
ren Dattelwäldern, als die des gestrigen Tages um-
geben. Benech der hat den Ruf eines Diebsortes.
Die Einwohner sollen geschickte Taucher feyn und
mit Fertigkeit die Barken bestehlen. Es sind da
mehrere flache Inseln im Nil. Der Wind verließ
uns und wir hielten an einer derselben.
97
O r t e.
Recht es Ufer. In fel. Linkes Ufer.
Sohl-el-Burumbil. El-Oar. El-Wuasta.
Nasleh-el-Burumbil. - Sanüt - el-Maslub.
El - Hurmann. - Ghemenn.
Caramat. - Kom - Ghiride.
Benech der.
25. December. Benech der fast gegenüber, auf
dem rechten Ufer, steht ein einsames koptisches Klo-
ster zum h. Antonius, Tör-el-Meinumm, mit ei-
nigen zwanzig Dattelbäumen und einem schmalen
Striche bebauten Landes, der Wüste abgerungen.
Diese begleitet fortwährend nahe der Nil mit Dü-
nenland, das zu abgestochenen Hügeln aufsteigt.
Außer Nasleh-Schech-Ibrahim, wo sich eine Wan-
derhorde ansiedelte, sahen wir heute kein Dorf auf
diesem Ufer. Doch sind noch einige Felder dort und
Steinbrüche. Auf einem abgerundeten, niederen
Felsvorsprung steht, wie auf einem Fußgestelle, das
Grab eines Heiligen. Die Dörfer auf dem linken
Ufer ziehen fich tiefer ins Land zurück, das weit-
hinein nach dem Fayum sich öffnet. Wir fanden
viele Tabakpflanzungen am Ufer.
Vom Dorfe auf der Insel Abu-Saleh sahen
wir eine Pyramide westlich tief im Lande, die keine
andere als die von Ellahun feyn kann.
Proke fch: Ägypten I. 9
98
O r t e.
Recht es Ufer. Infel. Linkes ufer.
Nasleh-Schech-Ibrahim. – El- Meinumm.
El-Kaffr.
Schimant.
- Abu-Saleh. -
Beni - Ali,
Zeitun.
El-Busch.
El-Schenauieh.
Mangaries.
26. December. Beniuef ist ein elender Ort,
der im Vertilgungskriege gegen die Mameluken völl-
lig zu Grunde ging. Der Vicekönig ließ die Wohn-
häuser derselben dort niederreißen und der Erde
gleich machen. Am unteren Ende erbaute er, vor
vier Jahren, eine große Kaserne, unter Halyb-Bey,
welche einem Theil der Arnauten eingeräumt wurde,
die nun in Candia und in der Morea stehen. Die-
fer Bau gibt der Stadt ein stattliches Ansehen. Jetzt
wohnt der Nazir, d. i. Statthalter, mit seiner
Wache darin, die nicht über 50 Mann zählt. Ein paar
Kanonen stehen davor und am Nil liegt, zur Auf-
rechthaltung der Polizei auf dem Strome, ein mit
9 Kanonen bewaffnetes Fahrzeug.
Die Stadt hat eine Wollenspinnerei und aus-
gedehnte Zuckerrohr-Pflanzungen. Im Nil liegt
die fruchtbare Insel Bajadieh, welche die Dörfer
99
Gabronudi, Bajadieh, El-Ganattle und Nau-
waba trägt. Andere Inseln folgen, wovon die größte
Gefiret - el-Gajada heißt und oberhalb dem Orte
El-Baranka liegt. – Gefiret ist der allgemeine
Name für alle Inseln. Diese sind mit Zuckerrohr,
Tabak und Baumwolle bepflanzt. Das linke Ufer
ist reich an Bäumen und Anbau, das rechte arm
an beiden. . . . . . . . . . .
- O r t e.
Rechtes Ufer. Imfel. Linkes Ufer.
Affarah. Bajadieh. Benifuef.
Manatieh.
Halebieh. . . .
El-Baranka.
27. December. Wir hatten die Nacht an der
Infel Gajada zugebracht, auf welcher wir des Mor-
gens jagten. Es sind ein paar flüchtige Ansiedlun-
gen darauf, für die Zeit erbaut, da die Insel nicht
überschwemmt ist.
Der Südwind warf uns an das rechte Ufer und
hielt uns da den ganzen Tag hindurch fest. Ich be-
stieg, hinter Rejadeh-Charkieh, die eine halbe
Stunde vom Ufer entlegenen, kegelförmigen Hügel
der Wüste. Sie sind mit braunem Kiefel, Glasspath
und ganz artigen länglichen Krystallen bedeckt. Viele
dieser letzteren sind milchfarbig und zerreibbar, wäh-
rend die erhärteten den schönsten Glasglanz haben.
9 *
100
Die ersten bieten übrigens dieselben Formen. Nach
Osten thut sich weithinein die Ode auf, Flachland,
das mit den großen Ebenen von Bakara und Sin-
nur, wodurch der Weg nach den Klöstern des h.
Anton und Paul führt, in Verbindung steht.
Auch auf dem rechten Ufer sind Zuckerrohr-Pflan-
zungen. Das Zuckerrohr schien uns sehr schmackhaft
und saftig. Das Volk verzehrt defen viel, und bie-
tet solches auf allen Marktplätzen feil. Der Rest
kommt in die Preffe. -
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Kaffr - Schech - Hamed. Benemade.
Nahgiet-Hahgar. Gajada.
Rejadeh - Charkieh. Benegahfem.
Tacha.
Tarfchub.
Nasleh-Dscheddid-Bidabe-
beh-Bebeh.
28. December. Nachdem wir die Nacht hin-
durch, mitten im Nil vor Anker gelegen hatten,
gewannen wir am heutigen Morgen das linke Ufer.
„Der Raum zwischen Tacha und Bebeh ist, auf eine
Stunde tief, mit Hutweiden ausgefüllt. Da fan-
den wir Beduinen eines Hirtenstammes, die eben
ihre Zelte aufschlugen und Hürden für ihre zahlrei-
chen Kamehle, Büffel und Rinder aussteckten.
Der Südwest blies heftig. Es war empfindlich
1()1
frisch. Wir lagen über Plänen, unsere Reise zu be-
schleunigen, und entschloffen uns, das Match auf-
zugeben und uns in eine Karavane zu umwandeln.
Das meinten wir in Bebeh bewerkstelligen zu kön-
nen, gingen also dahin und fanden eben vieles Volk,
das auf dem Markte zusammenströmte. Man bot
Vieh, Hülsenfrüchte, Zuckerrohr, Gemüse, Brot
und andere Dinge aus. Der Kaimakan des Ortes,
ein Arnaute, empfing uns trotzig; ein Beduine aber
versprach uns bis morgen die nöthigen Kamehle.
Nachmittags wurde der Wind etwas günstiger. Wir
ließen uns verlocken, unter Segel zu gehen und ka-
men nur mit Gefahr, gegenüber der Insel Bebeh,
ans rechte Ufer. Dieses ist auf eine halbe Stunde
Weges mit Klippen gerändert. Das untere Ende
springt als Vorgebirge in den Strom vor, worauf
das Grab eines Scheik Ibrahim errichtet steht; das
obere verliert sich in eine schmale, mit Dattelbäu-
men besetzte Wiese, welche den Nil von der Wüste
fcheidet. Wir hatten gehofft, das obere Ende zu er-
reichen, aber die Strömung trieb uns gegen die
Klippenwand. Der Reis (Steuermann) und das
Schiffvolk riefen den Propheten und Scheik: Ibra-
him an, der, wie sie sagten, ein kräftiger Nilfahrer
gewesen war. Wir glaubten das Schiff verloren und
machten uns bereit, uns durch Schwimmen zu ret-
ten, als unter dem Cap eine kleine Bucht sich zeigte,
102
nicht größer als zweimal unser Fahrzeug. Diese er-
reichten wir glücklich – und da uns der Südwind
darin festhielt, so hatten wir Zeit, die Wandelbar-
keit in unseren Entschlüffen zu bedauern.
Das Ufer versprach wenig Stoff zur Ausheite-
rung. Wir besuchten es dennoch und fanden einige
Ansiedlungen arabischer Hirten, Hütten - aus ge-
trocknetem Nilschlamm, die für keine längere Dauer
bestimmt zu seyn schienen, als diese Gäste an einem
und demselben Orte zu bleiben pflegen. Wir wohn-
ten einem Begräbniß bei. Die Leiche, in weiße, dann
in graue Leinwand gehüllt, wurde auf einer Bahre
aus Palmenzweigen langsam zu Grabe getragen. Kla-
geweiber und Männer begleiteten dieselbe. Die Grab-
stelle war in der Wüste selbst,– die Grube etwa
14 Fuß tief und nicht breiter. Sobald die Leiche
hineingelegt war, was unter dem verstärkten Ge-
heul der Weiber geschah, machten die Männer aus
breiten Palmenzweigen eine Brücke darüber und
fchütteten den Sand zum Hügel auf.
29. December. Der Südwind ließ dennoch
etwas nach, so daß wir nach dem linken Ufer lavi-
wen konnten. Die Orte Miniet-Hegihr, Fogai und,
tiefer im Lande, Sitz, blieben uns zur Rechten.
Zwischen den beiden letztgenannten fanden wir Zel-
ten und Kamehlherden des Beduinenstammes Fo-
gaijeh, der über die ganze Nazirschaft von Beni-
103
fuef ausgebreitet ist. Wir wurden von einer Familie
auf das Herzlichste empfangen und bewirthet, und
hatten Gelegenheit über ihre Denkweise, Sitten
und Gebräuche Manches zu lernen. Das aber will
ich an einem anderen Orte erzählen.
Fogai gegenüber liegt eine Insel im Nil, die
ein Dörfchen Nasleh-el-Fogai trägt. Die meisten
Inseln zeichnen sich durch forgsamen Anbau aus.
Weiter blieben uns die Dörfer Arabfaat und Sa-
rachme zur Rechten. Höher hinauf, Feschn gegen-
über, hebt sich am rechten Ufer eine steile Wand,
die fast eine Stunde lang ist und Spuren von
Steinbrüchen zeigt. Auch das libysche Gebirge bricht
gerade dort mit einer Felswand, aber diese ist wohl
an vier Stunden Weges vom Nil entfernt. Sie be-
grenzt hoch den Gesichtskreis im Westen.
30. December. Nachdem wir die Nacht wie-
der vor Anker zugebracht hatten, rangen wir uns
während des Tages kaum eine Meile höher hinauf.
Auf dem linken Ufer hatten wir die armen Dörfer
El-Kotabi und El-Fent. Das Land um dieselben war
Hutweide. Auf dem rechten bemerkten wir fünf Hei-
ligengräber in einer Schlucht der Wand, die den
allgemeinen Namen Dschebel (Berg) trägt und etwas
höher das Dorf El-Mandihl. -
31. December. Heftiger Südwind und da-
her fast keinen Weg. Auf dem linken Ufer hatten wir
104
Nasleh-Ghedidd, auf dem rechten El-Hebe und Sa-
nüt-el-Tschudameh. Der Canopus ging kurz vor 9
Uhr auf.
1. Jänner 1827. Weißer Nebel lag über
Strom und Flur, da die Sonne am ersten Tage des
Jahres sich hob. Die Dattelwäldchen schwammen
wie Inseln auf dieser See, und selbst die Wüste
prangte mit Farben des Lebens. Wir gewannen
mühsam die Stelle, wo der Dschebel mit gewaltigem
Felsbruche in den Nil abstürzt und endet. Das
Dorf Schech-Embareh erscheint wie hinaufgerettet
vor dem Drängen der Fluthen, auf dem letzten Ab-
falle der Höhe, von Gebirgstrümmern umgeben. Der
Nil bildet eine ansehnliche Insel. Pelikane umkrei-
feten uns in großer Zahl.
O r t e.
R echtes Ufer. Link es Ufer.
Nasleh- el - Tschudameh. Malatieh.
Schuh-Embareh. Majameh.
2. Jänner. Die Insel sowohl als die Höhe
von Schech-Embareh gaben uns viel zu schaffen. Der
Nil macht da eine Krümmung nach West und die
Strömung ist stark. Die Barke wurde mehrmals um
und umgedreht und in fünf Minuten verloren wir,
was wir in zwei Stunden gewonnen hatten. So ka-
105
---
men wir endlich an das Dörfchen Sachfiat am linken
Ufer, wo der Nil aus der Richtung SSW strömt.
Wir hatten Mühe, den Reis zu bewegen, die Segel
zu öffnen; endlich geschah es, und bald erreichten
wir Scheraune. Südlich von diesem Orte, auf eine
halbe Stunde Entfernung, hebt sich ein runder,
nackter Hügel. Dieser trug vor Kurzem noch die
Reste eines Tempels, die seither eingeriffen und ver-
wendet wurden. Dort stand, nach der Meinung
Mehrerer, Cynopolis, nach Pokok aber (II. 1. 3)
Musae. Jetzt hat die Wüste schon weit über diese
Stelle vorgegriffen und was von Resten etwa noch
besteht, bedeckt.
Drei Stunden nach Sonnenuntergang erreich-
- ten wir die obere Spitze der Insel von Abu-Dschird-
fche, und legten am rechten Ufer an, wo eine Reihe
Dattelbäume den Saum der Wüste bildet und in
einem kleinen Dome Scheik Ibrahim ruht.
Die Nacht war mild und schön. Um 3 Uhr 24
Minuten nach Sonnenuntergang stieg der Canopus
etwas östlich von Süd auf. Wir hatten in diesem
Augenblicke D im Fuhrmann im Zenith. über den
Horizont stiegen der Regulus und der mittlere
Schwanzstern des großen Bären. Der Drache war
ganz sichtbar. Die letzten Sterne des Herkules tauch-
ten unter. Die Leyer war noch über dem Horizonte.
Dieser durchschnitt weiter den Fuchs, den Delphin,
106
das kleine Pferd und den Waffermann; (3 im süd-
lichen Fisch war kaum noch sichtbar; Fomahaud
glänzte herrlich darüber. Dann zog der Horizont
durch die südlichen Gestirne bis an den Canopus
und von diesem durch die Argo noch der Waffer-
fchlange, wo Alphard eben emporgestiegen war. Er
fand sodann die beiden Löwen wieder.
3. Jänner. Abu-Dschirdsche liegt eine Stunde
vom Gestade ab, mitten in einer schönen und reichen
Ebene. Dattelwäldchen, ohne Dorf zur Seite, be-
zeichnen wenigstens die Stelle, wo sich vormals ein
solches befunden hatte.
Unter Beni-Mohammed ist abermals eine In-
fel. Die Fahrzeuge halten sich gewöhnlich an der
Westseite derselben. Aber auch der östliche Arm war
um diese Zeit noch fahrbar, wie wir uns überzeug-
ten. Das Dörfchen Schech-Haffan steht da am rech-
ten Ufer. Die Wüste dringt bis an den Nil und
hat sich hoch um die herrlichen Dattelbäume gehäuft.
Hier sah ich zum ersten Male den eigentlichen Pal-
menbaum, den die Araber Domm nennen. Es ist
ein mächtiger, höchst malerischer Baum. Die Blät-
ter gleichen denen der Dattelpalme, sind aber wie
Fächertheile in einander geschoben. Ich zählte 42
Blätter in Einem Fächer. Der Stiel des Fächers ist
mit kurzen gekrümmten Dornen besetzt, die sehr fest
sind. Jeder Zweig trägt mehrere Fächer, die er stolz
107
ausbreitet, so wie der Baum nicht eine einzige Krone,
sondern mehrere. Der Stamm zeigt Schuppen und
Gewebe wie der Dattelbaum. - -
Von dieser Stelle fahen wir den Minaret von
Samalut hoch über Nil und Bäume mit seinen bei-
den Kränzen sich heben. Die Höhen hinter Schech-
Haffan sind voll ausgedehnter Steinbrüche. Die
Blöcke sind in großen Maßen herausgerollt, so daß
die Räume Gemächern gleichen. Ein paar Spitzen
der Wüste sind mit Felsstücken gekrönt, die Ruinen
nachbilden und das Auge des Vorüberlegelnden
feffeln.
Wir hielten am Nasleh (Gehöfe) von Schech-
Haffan, wo das Ufer mit Selgam bepflanzt war,
der in voller Blüthe stand.
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Schech - Haffan Nasleh-Abu-Asis.
Nasleh-el-Scheich-Haffan. Beni-Mohammed.
Mataieh
- Nasleh-Mataieh.
4. Jänner. Wir arbeiteten uns mit Tages-
anbruch auf das linke Ufer, fhoffen uns am Dorfe
Kolchan unser Mittagmahl und fuhren dann rasch
an Samalet vorüber nach dem Dschebel-el-Teir (Vo-
_ 108
gelberg), einem senkrechten Felsen voll alter Stein-
brüche, der, fast zwei Stunden lang, die rechte
Uferwand bildet und ein koptisches Kloster zur heil.
Jungfrau trägt, – dann eben so lange ganz nahe
am Ufer, nur mit einem ebenen Streif von einigen
hundert Schritten Breite vorfich, hinzieht,–Miniet
gegenüber als Vorgebirge ausspringt und fodann
bis auf eine halbe Stunde Abstand von Ufer zu-
rückblickt. Es war dunkel, als wir Miniet, den
Hauptort vormals einer Provinz und jetzt einer
Nazirschaft, erreichten. Da der Wind günstig war,
fuhren wir weiter. Die Araber, welche im Durch-
schnitt viele Kenntniß von den Gestirnen haben,
und denen der nächtliche Himmel ein Feld für Mähr-
chen ist, erzählten mir heute, da die Nacht so klar
und die Luft so lau war, gar Manches über die Na-
men der Gestirne, und über die Veranlaffung zu
diesen Namen.
Unter Anderen kamen sie auch auf den Canopus
zu sprechen, der eben wunderschön am Horizonte
glänzte. Sie nannten denselben Caravanbattan,
den Karawanenverführer, nach der Sage, daß einst *
eine sehr reiche Karavane, welche diesen Stern mit
der Venus verwechselte, sich in der Wüste auf in-
nner verlor.
109
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Sirarieh Nasleh-Koloschann.
El-Awafe. Kolofchann.
Tör - Marian (Kloster) Naffara.
Arabit - Teir. Samalut.
Tachne. El-Auwafi.
El-Hawarte. Sareine.
Dahodieh. El- Bejahu.
Saowada. Effa - -
Tör - bitn - Saowada. Nasleh - Selamm.
Nasleh - el - Saowi. Schuchra.
Saowi. El - Birkenn.
Mataharrah. Lechfaß.
Woladinuer. Damariß.
Miniet,
Maguffe.
Ben - Achmed.
El-Mehaghar.
Sachalleh.
5. Jänner. Des Morgens brachten uns ara-
bische Fischer einen Bejadd, der 27 Pfunde wog.
Wir bezahlten dafür 7 Piaster, d.i. einen Gulden.
Dieser Fisch hat einen platten Kopf und einen Ra-
chen, der so breit als der Kopf selbst ist. Statt mit
Zähnen sind die Kinnladen mit unzähligen kleinen
Spitzen, wie eine Hechel, besetzt. Er lebt von klei-
neren Fischen, wovon wir mehrere fast unversehrt
in seinem Magen fanden. Von dem Obermunde ge-
hen zwei lange Fühlfäden aus, von dem Unter-
munde vier kürzere. Die Augen sind hervorstehend,
grau, und von der Größe der Lammaugen. Die
Farbe des Rückens ist graubraun, der Unterleib
weiß. Der Kopf bewegte sich noch lange, nachdem
er schon abgeschnitten war.
Die Höhen am rechten Ufer treten unter Beni-
haffan wieder an den Nil, und begleiten denselben
mit steilen Abstürzen. Die Lagerungen sind durchaus
wagrecht. In diesen Abstürzen zeigen sich uralte
Gräber, zu denen nur eingestürzte und kaum erkenn-
bare Aufgänge führten. Ich werde später Gelegen-
heit haben, über diese Male zu sprechen. Hier will
ich bloß sagen, daß der Vorbeisegelnde auf der hal-
ben Höhe der Wand, etwa 36 Gemächer sieht, wo-
von der Eingang zu mehreren mit Säulen, aus
dem Felsen gehauen, geziert ist.
Das Dorf Benihaffan ist, nebst einigen anderen
nahegelegenen, auf Befehl des Viceköniges zerstört
worden, da die Bewohner dieser unwirthlichen Küste
sich vieler Gewaltthaten schuldig machten, die Fahrt
auf dem Nil gefährdeten und die Dörfer auf dem
linken Ufer bekriegten. Der Raum um Benihaffan
und um die anderen vier oder fünf Dörfer bis ans
Ufer ist bereits von der Wüste in Besitz genommen.
III
Die Dattelwälder auf dem linken Ufer werden
dichter und ausgedehnter, so wie man den Nil hö-
her hinauf kommt. Besonders reich daran ist der Ort
Sagiet - muffa, wo beträchtliche Vorrathgebäude
aus ungebrannten Ziegeln stehen. Dort liegt auch
eine fruchtreiche Insel, und selbst auf dem rechten
Ufer breiten sich Dattel-Pflanzungen über ansehn-
liche Strecken aus.
Mondenschein lag über den Ruinen von Antinoe.
Der Glanz stieg nach den Bergen der Wüste auf,
die eine dunkle Zone zwischen ihr und dem gestirn-
ten Himmel bildeten. Stille lag über dem Waffer,
Stille über Inseln, Ufer und Hainen. Bilder der
Vorzeit kamen zu uns.
O r t e.
Recht es Ufer. Linke s Ufer.
Benihaffan - el-Arrab. Dlüden.
) el - Omar. MZeni - Ahett,
Schech-Timaji. Mataharra.
Schech - Abade. Sararra.
El-Karna Abu - Omar.
El- Menfihe - Dabef.
Delidim.
Safaj.
Sagiet- muffa.
Garadum.
- Roda.
I 12
6. Jänner. Der Wind hatte uns plötzlich
verlaffen. Wir ankerten mitten im Strome zwischen
Antinoe und Hermopolis. Nebel lag über der Land-
schaft an diesem Morgen. Der Nil dampfte. Die
Sonne war ohne Strahlen.
Fünf Stunden brauchten wir, um eine Stunde
Weges zurückzulegen. An Rodamun hielten wir an.
Da steht eine Zuckerfabrik, vor 14 Jahren von ei-
nem Engländer mit einem Aufwande von 600 Bör-
fen für Rechnung des Vicekönigs erbaut.
Sie beschäftigt an 100 Menschen. Zu Roda und
Sagiet-muffa sind gleichfalls vicekönigliche Zucker-
fabriken. Hierüber an einem andern Orte.
Von Rodamun nach Melani ist nur eine Vier-
telstunde Weges. Dort wußten wir Abdyn-Kascheff,
der früher Statthalter in Ober-Ägypten und Nu-
bien, und nun Nazir des Bezirkes von Monfalut
war, und an welchen wir Empfehlungsbriefe des
Vicekönigs und des Kriegsministers hatten. Wir
ließen uns durch Juffuf-Kascheff bei im ansagen. Er
fandte uns alsogleich Pferde, und wir ritten über
Nasleh-el-Rodamun nach der Stelle, wo wir ihn
mit feinem Gefolge unter Zelten gelagert fanden,
dem Bau einer Wollenspinnerei vorstehend, an dem
500 Menschen arbeiteten.
So artig, freundlich, aufmerksam und verstän-
dig Abdyn-Kascheff uns von allen Europäern zu
UIZ
Alexandria und Kairo, die ihn kannten, geschildert
worden war: so fanden wir in ihm diese Eigenschaf-
ten in höherem Grade, als wir erwartet hatten. Er
war einer der schönsten Männer, die ich jemals ge-
fehen habe, voll Kraft, Ruhe und Milde im Aus-
druck. Der reiche Turban und stattliche Anzug be-
kamen ihm gut. Nachdem wir mit Erfrischungen be-
wirthet worden waren, schlug er uns einen Spa-
ziergang vor. Wir besahen den Bau, der 360 Fuß
ins Gevierte einnahm, und wozu die Steine aus
dem arabischen Gebirge herbeigeschafft wurden. Die
Äußerungen Abdyn-Kascheffs über die Mittel und
Bedürfniffe Ägyptens, über die Völkerstämme, die
es bewohnen, über die Pläne und Hoffnungen des
Vicekönigs waren eben so belehrend, als defen Wün-
fche für das Gedeihen derselben warm und anziehend.
Er trug uns feine Kandfähia zur Fortsetzung
der Reise an, denn unser Marsch schien ihm zu schwer.
Wir lehnten das Anerbieten anfänglich ab. Er drang
in uns auf eine Weise, die uns erlaubte, es anzu-
nehmen. Alsogleich sandte er einen Reitenden nach
Monfalut, um das Fahrzeug herab zu holen, und
es wurde entschieden, daß wir morgen Hermopolis
besehen und dann zu ihm zu Gaste kommen würden.
10
H ermopolis.
Abdyn-Kafchef fandte uns Pferde und Begleiter.
Wir ritten eine starke Stunde über die wohlbebaute
Ebene, fast Nord, auf Hügel und Trümmer los, die
ein längliches Viereck von Nord nach Süd bildeten.
Diese Hügel von Staub , gebrannten und unge-
brannten Ziegeln, Werkstücken und Vasentrümmern
bezeichnen die Stelle von Hermopolis, einer der äl-
testen Städte Ägyptens, welche Plinius als Op-
pidum Mercuri noch unter die merkwürdigern des
Landes zählt und Ptolemäus die große nennt, um
fie von einer gleichnamigen Stadt in der Gegend
Alexandriens zu unterscheiden. Sie war Hauptstadt
eines Nomus zu Zeiten der Römer und wurde, mit
dem gegenüberliegenden Nomus, von Antinoe zur
unteren Thebais gerechnet.
Das Dorf Aschmunim behauptet den füdlichen
Abhang und die füdlichen Schluchten dieser Schutt-
haufen. Der Boden tönte unter dem Hufschlag der
Pferde und wir sahen eine Menge Löcher in die Hau-
fen, wie Stollen, geschlagen, denn seit Jahrhun-
115
derten nehmen die Städte und Orte der Nachbar-
schaft ihre Bausteine an dieser Stelle, was hin-
länglich erklärt, wie eine Stadt, die zur Zeit der
Einführung des Christenthums noch wichtig genug
war, um zum Bischoffize gewählt zu werden, bis
auf Staub und Asche verschwinden konnte.
Mannert irrt, wenn er im Umfange dieser Hü-
gel zwei Städte finden will, Theodoliopolis und
Hermopolis. Die Schutthaufen bilden ein nirgends
unterbrochenes Ganzes, das wie ein geschloffener
Wall in der weiten Ebene sitzt. Jomard hat ihre
Ausdehnung angegeben. Nach ihm ist die Länge des
Rechtecks von N nach S 6960 Wiener Fuß, die
Breite 5220, der Umfang 19930.
Das Erste was, in Betreff der inneren Anord-
nung der Stadt, aus dem Anblicke der Schuttla-
gen hervorgeht, ist, daß sie in Form eines Kreuzes
von zwei großen Straßen durchschnitten war. Eine
Vertiefung, höher als die Ebene, also nicht das
Bett eines Canals, von 40 bis 60 Fuß. Breite,
bezeichnet die Straße von Süd nach Nord. An dem
füdlichen Ende ragt noch ein Thorpfeiler aus mäch-
tigen Blöcken, etwa 8 Fuß über den Schutt, und
hat vor sich, wo jetzt einige Dattel- und Suntbäume
ein freundliches Gebüsch bilden, mehrere Granit-
fäulen liegen; eine derselben steht auch noch aufge-
richtet. Es scheint, daß vor diesem Thore ein Säu-
10 *
116
lengang bestanden habe. Folgt man von S nach N .
der Vertiefung, so findet man zur Linken bald wie-
der einige Säulen aus Muschelkalk, zu Stumpfen
verstümmelt; dabei mächtige Grundfesten; zur Rech-
ten, wo die beiden Straßen sich schneiden, vier Gra-
nitsäulen zu 7“ 4“ Umfang und abermals Grund-
festen aus gebrannten Ziegeln und Stein. Diese
Reste sind römische. Weiter zur Linken, stößt man
auf ein paar eingesunkene Wandstücke aus riesigen
Blöcken, daran liegen Säulen, beide aus Muschel-
kalk. Kein Knauf war zu finden. Ich stieg unter die
Wandstücke in den ausgedehnten Unterbau. In jene
und in diesen waren Minen gearbeitet, um sie durch
Pulver zu sprengen. Die ehrwürdigen Reste sind
nichts als eine unförmliche Steingrube mehr. Die
Blöcke waren dicht mit Salniter belegt.
Diese Reste dürften Theile des Baues gewesen
feyn, zu welchem der Portikus gehörte, der ein
paar hundert Schritte nördlich stand und von dem
alle Reisenden sprechen. Jomard gibt die Maße
dieser majestätischen Ruine. Denon bereite den Le-
fer auf dasjenige, was ich ihm zu sagen habe: »En
approchant de l'émminence sur laquelle est bati
le portique je le vis se dessiner sur l'horizon et
déployer des formes gigantesques: nous traversa-
mes le Canal d'Abonasst et bientôt après, à tra-
vers de montagnes de débris, nous atteignimes à
117
ce beau monument, reste de la plus haute anti
quite'.«
»Je soupirois de bonheur: c'etoit, pour sinsi
dire, le premier produit de toutes les avances que
j'avais faites; cetoit le premier Fruit de mes tra-
vaux; en exceptant les pyramides, c'etait le pre-
mier monument qui fut pur moi un type de l’an-
tique architecture egyptienne, les première pier-
res qui eussent conservé leur première destination,
qui, sans mélange et altération, m'attendissent là
depuis 4000 ans pour me donner une idéeimmense
des arts et de leur perfection dans cette contrée.
Un paysan qu'on sortiroit des chaumières de son
hameau et que l'on mettroit tout d’abord devant '
un pareil édifice, croirait qu'il y a un grand in-
tervalle entre lui et les e’tresqui l’on construit;
sans avoir acune idée de l'architecture, il diroit:-
ceci est la maison d'un dieu, un homme n’oserait
l’habitanx
»Sont-ce. les Egyptiens qui ont inventé et
perfectioné un si grand et si bel art? C'est sur
quoi il est difficile de prononcer; mais ce dont je
n’ai pas douté dès le premier instant que j'ap-
pe‘rcus cet édifice, cest que le Grecs n’avaient
rien inventé et rien fait d'un plus grand carac-
t‘ere. ac , . .
118
Dieser Portikus ist seither durch Pulver ge-
sprengt, niedergeriffen und zum Bau einer Salni-
terei verwendet worden. Eine Stunde westlich zieht
das libysche Gebirge hin, das Stein für eine Welt
gäbe; aber es ist wahr, man hätte das Doppelte an
Arbeit gehabt.
Der Portikus bestand aus 12 Säulen zu 41“
6“ Höhe und 27“ 10“ Umfang, in zwei Reihen
geordnet, mit einer Säulendicke Abstand zwischen
den äußeren und 12“ zwischen den beiden mittleren,
so daß die Fronte 120“ betrug. Die ganze Höhe
war 60“. Der Architrav und das Fries bestanden,
der Eine und das Andere, aus fünf Blöcken, jeder
22“ lang. Der Stein der Chornische, welcher noch
vorhanden war, maß 34“. Die Säulenfusten stell-
ten Bündel vor am Obertheile; am unteren aber
die Lotuspflanze. Die Knäufe waren die einzigen
in ihrer Art; ernster als die dorischen, aber zugleich
reicher. Hieroglyphen und Bilder, dann ein Mäan-
der mit gelbrothen Sternen auf blauem Grunde,
zierten die überlage.
Jetzt bestehen nur die Fußgestelle der 12. Säu-
len. Auch diese sind bereits angebohrt, ja zum Theile
schon gesprengt. Sie haben die Form eines umge-
stürzten Kelches. Die obere Leiste daran war mit
einer Reihe Hieroglyphen geziert. Dieselbe Zierde
hatten die Seiten des Fußgestelles.
119)
Denon irrte, wenn er diesen Bau aus der älte-
sten Zeit glaubte. Die Ringe, die ich unter den
Hieroglyphen fand, weisen auf die Herrschaft der
Ptolemäer. Aber er hatte Recht, wenn er hier den
Typus der ägyptischen Baukunst fah, und dem Ur-
theile, womit er feine Schilderung schließt, thut
der Umstand, daß dieser Bau in die genannte Epoche
fällt, keinen Eintrag, denn die griechischen Herr-
scher in Ägypten bewahrten in ihren Bauten den
Styl aus der Zeit der Pharaonen. Eben deshalb
find die Worte Denon's eine würdige und tref-
fende Einführung für den Reisenden, der den Schau-
platz der wunderbarsten Monumente, die Thebais,
zu besuchen geht.
Der Bau, dem dieser Portikus angehörte, nahm
die Nordwestecke der Stadt ein. Die Schutthaufen
enden auf etwa hundert Schritte Welt, und auf
kaum das doppelte Nord. Dort kann das Auge noch
weit hinaus in die Ebene die Verlängerung der gro-
ßen Straße verfolgen. -
Die Überschwemmung reicht vom Nil bis an
Hermopolis, und vom Joseph.canal ebenfalls bis
dahin, so daß diese Schutthaufen bei hohem Nil
eine Insel bilden. Jenseits des Joseph.canales,
im libyschen Gebirge, sind zahlreiche Gräber, un-
ter denen man solche ganz voll mit irdenen Vafen
findet, in denen Ibise einbalsamiert liegen.
120
Der Schech von Aschmunim bewirthete uns mit
einem Frühstücke; mehrere Fellahs brachten uns ku-
fische, arabische und römische Münzen, die wir kauf-
ten. Dann befahen wir noch die unglückselige Sal-
miterfabrik, die seit vier Jahren besteht, worin aber
erst seit dem vergangenen Jahre, nach dem Beispiele
einer zu Bedreschen angelegten, die Verdünstung
durch Hülfe der Sonnenhitze bewirkt wird. So geht
Hermopolis, so Memphis durch den Prozeß der
Verdünstung.
Abdyn-Kascheff gab uns ein Mal, wobei alle
Aufrichtigkeit und Heiterkeit alter Gastfreundschaft
herrschte. Ein gebratenes Lamm machte das Haupt-
stück; außerdem kamen mancherlei Geflügel, füße
Speisen und Beigerichte. Uns fetzte er Bordeaux
vor, trank aber selbst nur Waffer. Er erzählte uns
feine Feldzüge gegen die Schwarzen, und gegen die
Bedunien der Oasen, voll ansprechender Bemerkun-
gen über Länder, Sitten und Eigenthümlichkeiten
der Völker. Dann ritten wir durch Melani, einer
Stadt, die in geschloffene Viertel getheilt ist, einen
Bazar und etwa 6000 Einwohner, meist Kopten,
hat, besahen noch die Fabrik zu Rosamun und be-
fuchten zuletzt einige Fellahs in ihren Häusern.
Der Tag war sehr heiß gewesen; die Nacht war
mild und angenehm.
XI.
A n t i n O e.
Nach unserem ursprünglichen Reiseplane, wollten
wir erst auf der Rückfahrt die Monumente und
Ruinen besuchen, aber alle Entschlüffe leiden Aus-
nahmen; gut, wenn die Beweggründe dafür nicht
schlechter sind, als dießmal die unseren es waren.
Abdyn-Kascheff hatte uns eine eigene Barke
gesendet. Das Volk begleitete mit Chorgesängen den
Ruderschlag. Die Melodie war ernst und leiden-
schaftlich, die Dichtung wenigstens das Letztere. So
fuhren wir den Nil hinab bis Schech-Abadeh, dem
Dorfe, das über den Ruinen der Stadt sich befin-
det, welche Hadrian zur Erinnerung an feinen
Liebling über denen der alten Besa hatte erbauen
laffen. An den ersten Dattelbäumen, oberhalb des
Dorfes, stiegen wir aus, und siehe, wir standen
an den Mauern der Stadt und an dem Theater.
Auch hier hat der neuere Bedarf viele Reste, die
noch zur Zeit des Einfalles der Franzosen bestan-
den, über den Haufen geworfen. Schutthaufen be-
zeichnen den Gang der Ummauerung; Schutthau-
Prokefch: Ägypten I. 1 1
122
fen füllen den umschloffenen Raum. Der Nil hat
einen Theil des Bodens der einstigen Stadt mit sich
fortgeriffen; die Wüste hat von dem Reste fast al-
leinigen Besitz genommen; das Dorf mit seinen
Dattelbäumen und Zuckerrohrpflanzungen, ist zwi-
fchen Nil und Wüste eingeklemmt und behauptet
nur einen schmalen Strich Landes.
Antinoe lag rein-östlich von Hermopolis und
NNO vom heutigen Melaui, im Abstand einer gu-
ten deutschen Meile von Beiden. Jomard gibt den
Plan der Stadt als ein Rechteck, irrt sich aber. Ich
nahm an Ort und Stelle folgende Maße und Rich-
tungen: südlich von dem Theater (das gleichsam an
die Stadtmauer angelehnt betrachtet werden kann)
zieht die Ummauerung, fenkrecht auf den Nil, in
gerader Linie SW bei S nach NO bei N 1600 Wie-
ner Fuß fort, wendet dann in die Richtung SSO
nach NNW 2016, springt fast rechtwinkelicht 120“
aus, bricht unter sehr stumpfem Winkel 2016“ und
folgt der früheren Richtung NNW abermals 2328“.
Hierauf beugt sie nach WSW ein 2496“, macht ei-
nen beinahe rechtwinkelichen Aussprung auf 120,
läuft abermals WSW 624, macht zwei rechte Win-
kel, jeden zu 168“ Entwickelung, und einen dritten
zu 480“, und nachdem sie wieder rechtwinkelich sich
einwärts gewendet hat, ist sie wegen des Dorfes
und Stromes nicht weiter sichtbar.
123
Hieraus ergibt sich folgende Entwickelung im
Ganzen:
Südostseite . . . . . . . 1600 W. F.
Ostseite . . . . . . . . . 4780 » »
Nordseite . . . . . . . . 3230 » »
Westseite (beiläufig) . . . 5832 » »
Zusammen . 15,442 W. F.
Die Ummauerung hatte eine äußere und innere
Verkleidung aus Werkstücken mit Mörtel gefügt,
etwa 3“ dick. Der Zwischenraum, zu 8“, war mit
Erde und streckenweise mit ungebrannten Ziegeln
ausgefüllt. Nur an sehr wenigen Stellen ist die
Verkleidung erhalten.
In der Südostseite 276“ von der Stelle, wo
die Ummauerung in den Nil abstürzt, ist ein Thor-
raum, 60/ breit. Man kann außerhalb der Stadt
eine Straße auf einige hundert Schritte mit dem
Auge verfolgen, freilich nur durch den Schleier des
Sandes. Sie hat Trümmer einer Vorstadt, oder
eines später angebauten Dorfes zu beiden Seiten,
und steigt den sanften Abfall hinab, wo dann die
Wüfte jede weitere Spur verhüllt. Diese Straße
führte nach Antäopolis.
Als ihre Verlängerung zog durch die ganze Stadt,
von OSO nach WNW, eine breite Hauptgaffe,
mit Säulen verziert. Sie führte hart am Theater
11 *
12
vorbei und einige der vorzüglichsten Gebäude standen
an derselben, wie die Trümmer zeigen. Noch stehen,
vom Theater aus gesehen, einige dreißig Säulen,
bis auf 3“ verschüttet, welche die Richtung dieser
Hauptgaffe zeigen. Stellenweise findet man deren
andere und so bis an die nördliche Stadtmauer in
einer und derselben Linie. Alle diese Säulen sind
aus Muschelkalk, glatt, und haben nur 1“ 6“ Durch-
meffer.
Von der Ostspitze der Südostseite zieht füdwärts
ein Aufwurf in die Wüste hinaus, der Theil einer
Umwallung der Vorstadt scheint. Die Reste der Vor-
stadt find denen der Stadt gleich, umwühlte Hau-
fen von Werkstücken und anderen Bautrümmern,
gebrannten und ungebrannten Ziegeln, Scherben
u. f. w. -
Die Höhe, worauf die Südostseite steht, ver-
läuft sich füdöstlich und scheint nach der Ebene zu
abgestochen. Die Ebene, ein Sandsee, aus dem
sich wüste Klippen heben, ist nicht über eine Vier-
telstunde breit; dann aber vom arabischen Gebirge
begrenzt.
Die Ostseite steigt in die Ebene hinab. Nach
1272“ Entwickelung ist sie, durch das Bett eines
Gießbaches durchbrochen, 240“ breit, der aus einer
Schlucht des Gebirges im Osten kommt, und die
Stadt nach West durchschneidet, und zwar in schnur-
125
gerader Richtung. Am Durchbruche sind die Reste
eines Thores. Eine Straße scheint gerade durch die
tiefe Ebene nach der Schlucht geführt zu haben.
Man sieht deren Spur und kann diese, jenseits der
Schlucht, auf 3 Stunden Weges, immer ostwärts
gehend, in der Wüste verfolgen. Die Araber behaup-
teten, sie fey bis ans rothe Meer gegangen. Wahr-
scheinlich führte sie nach Alabatra und fällt in die-
jenige, deren Spur die französischen Gelehrten im
Thale von Tarfeh auffanden.
In der Ostseite, 480“ von der stumpfwinkelichen
Ausbeugung entfernt, trifft man auf einen anderen
Thorweg und nach weiteren 912“ auf einen dritten.
Von Beiden ziehen wieder Straßen durch die Breite
der Stadt und stehen senkrecht auf die Hauptgaffe,
welche dieselbe der Länge nach durchschneidet. Be-
sonders die erstere dieser beiden Quergaffen, ist voll
Ruinen, auf die ich später zu sprechen kommen werde.
Die zweite scheint von dem Marktplatze außerhalb
der Stadt geführt zu haben. Wenigstens ist, auf
960“ an der nördlichen und östlichen Seite inner-
halb der Mauer ein völlig ebener und mit wenigem
Schutt bedeckter Platz.
Die Nordseite ist so zerstört, daß man nicht mit
Zuversicht darin einen Thorweg nachweisen kann,
selbst nicht an der Stelle, wo die lange Gaffe an
dieser Seite der Umwallung endet. Der Boden au-
126
fierhalb dieser Stelle war mit Zuckerrohr bepflanzt,
also keine Spur sichtbar, die vielleicht in einiger
Entfernung sich nachweisen ließe, denn nach dieser
Richtung lief die Straße nach Aphroditopolis. An
dieser Seite lag abermals eine Vorstadt, die eine
besondere, aus ungebrannten Ziegeln aufgeführte
Umwallung hatte. Die Trümmer eines koptischen
Dorfes liegen auf diesen älteren Trümmern.
Die West- oder Stromseite zeigt nur die schon
oben erwähnten Vorsprünge. Dann folgen Pflan-
zungen und Dattelwald, endlich das Dorf Abadeh,
mitten zwischen römischen Trümmern gebaut. Der
Bruch des Ufers geht durch Trümmer und Scher-
ben. Der Nil hat zum wenigsten ein Drittheil des Bo-
dens, den vormals die Stadt bedeckte, verschlungen.
Über das Innere der Stadt ist wenig zu fagen.
Wer findet sich in diesem Wuste entadelter Trüm-
mer? Säulen aus Granit oder Marmor, Fußge-
stelle, korinthische Knäufe, Mauerreste fieht man
in Menge. Nichts ist vorzüglich, wenn ich die schö-
nen Granitfusten ausnehme, die wahrscheinlich aus
ägyptischen Bauten in die hadrianische Stadt ge-
schleppt wurden. Kein einziger Knauf aus Granit
war zu sehen; es lagen aber die Marmorknäufe den
Granitfuten so nahe, daß ich dachte, die Römer
hätten diese auf jene gesetzt.
127
Die prächtigsten Straßen scheinen die lange
und die mittlere aus den Dreien gewesen zu feyn,
welche die Stadt der Breite nach durchschnitten.
Vom Thorwege an der Ostseite in diese letztere, auf
einige zwanzig Schritte, stößt man schon auf mäch-
tige Granitblöcke und Säulen, alle so untereinan-
der geworfen, daß, ohne Nachgrabung, der Plan des
Gebäudes nicht zu finden ist. 150 Schritte weiter
trifft man Trümmer eines Portikus und Triumph-
bogens, der quer über die Straße stand. Der Gra-
mit der Säulen ist feinkörnig, glänzend, und
dunkle Farben spielend. Einige Knäufe aus Kalk-
stein, die zur Seite liegen, zeigen, daß der Bau
corinthisch war. Das Fußgestell war Granit, der
Unterbau wieder Kalkstein. Auch dieses Denkmal
(wahrscheinlich der von mehreren Reisenden er-
wähnte Portikus) ist vor ein paar Jahren erst
abgetragen worden, um die Steine zu irgend ei-
nem Vorrathgebäude zu verwenden. Andere hun-
dert Schritte weiter stößt man auf Grundfesten
eines Palastes. Die Granitsäulen zur Seite ha-
ben 5“ 4“ Durchmesser; einige Pfeilerknäufe co-
rinthischer Ordnung 7 / 2“ untere Breite. Die
Mauerreste sind aus Werkstücken. Noch findet man
mancherlei Ruinen auf diesem Wege und gelangt
endlich an die lange Straße. Da hat man die Reste
eines großen Tempels vor sich, von dem noch 13
128
Säulen aufrecht stehen, auf die Hälfte ihrer Höhe
verschüttet. Viele andere liegen herum. Deren Ver-
theilung zeigt, daß der Tempel mit einem viersäuli-
gen Portikus umgeben, und eine feiner schmäleren
Seiten, wahrscheinlich die vordere, auf die große
Straße, der Querstraße gegenüber, wies. Dieser
Tempel stand im Mittelpuncte der Stadt. Jetzt klebt
sich das Dorf daran und birgt vielleicht einige Säu-
len und die Spuren der Cella. Ich fand deren keine.
Wo die Triumphsäule des Severus hingekom-
men, auf der Jomard eine Inschrift fand, wußte
mir Niemand zu sagen. Nicht ferne dem Tempel,
an der langen Straße, stehen ein paar hohlgestreifte
Marmorfusten, die einzigen dieser Art, die ich in
Antinoe sah. Sie scheinen einem schönen Bau an-
gehört zu haben, insoferne die Trümmer zur Seite
schließen laffen.
Daß sich das Theater im südöstlichen Viertel
der Stadt befunden habe, ist oben gesagt worden.
Die Cavea, nach der langen Straße geöffnet, ist
Theil eines Kreises, aber größer als der Halbkreis.
Die Sitze sind verschwunden; der Unterbau besteht
noch. Die Entwickelung der Cavea ist 576 Fuß; die
Tiefe des Orchesters, von der Mitte des Pulpitums
nach der Mitte des Bogens, ist 120“. So lange ist
auch die Sehne des Orchesters von einem Ende der
Cavea zum andern. Im Pulpitum stehen noch 6
129
Marmorpfeiler, nicht über 3“ hoch, je Zwei und
Zwei; sie halten zwischen sich die Weite eines Thor-
raumes. Vom ersten zum sechsten dieser Pfeiler (die
beiden mittleren stehen in der Achse des Orchesters)
ist 84“ Abstand; von dort bis an die Außenseite der
Cavea in gerader Verlängerung 96“. An der Nil-
feite ist das Vomitorium in der Cavea fichtbar, wel-
ches nach der langen Straße ging. Vor dem Thea-
ter fcheint ein Platz bestanden zu haben. Auf der
höchsten Stelle der Stadt gelegen, hatte das auf
den Stufen versammelte Volk die ganze Landschaft
im Gesichte. - -
Das Hippodrom steht außerhalb der Stadt,
an der Ostseite, 60 Schritte von der Mauer ent-
fernt und zwar von der Stelle, wo diese einen kur-
zen stumpfwinkelichen Bruch macht. Es hat die Rich-
tung von O nach W. Deffen Cavea war aufgemau-
ert und mit Werkstücken verkleidet. An der Südseite
ist eine ziemliche Strecke derselben noch unbedeckt vom
Sande, dagegen sind die Nordseite und das Innere
fast ganz verschüttet. In der Südseite sind drei
Thorwege sichtbar; ein vierter steht in der Verlän-
gerung der Spina, im Ost. Längs der Spina
fchauen Werkstücke zu Haufen aus dem feinen gel-
ben Sande der Wüste, Granit- und Marmorblöcke
und fast am östlichen Ende der verstümmelte Rumpf
eines koloffalen Löwen oder Sphinx aus Granit.
130
Die innere Breite des Hippodroms ist 216“; die in-
nere Länge 844/; die letztere vom Thore in Ost bis
zum westlichen Ende der Cavea gerechnet. Von die-
fem Ende bis zur Runde, womit die Spina be-
ginnt, sind 122“. -
Die Ebene im Osten und Norden der Stadt
wird von Kopten und Arabern als Grabstätte be-
nützt. Beide tragen ihre Todten gerne auf das rechte
Ufer, und lieben Ruinen und Wüste zur letzten
Stätte für sie. Als wir, vor einigen Tagen, an
Bajadieh, einem koptischen Orte, vorüberfuhren,
hatten wir eine solche Leichen-Überschiffung gesehen.
Klageweiber begleiteten ein gestorbenes Kind bis
ans Ufer, wo eine Barke wartete. Da fetzten fie
sich an den Abhang und heulten: »o mein Kind!
o meine Rose! Was wieg' ich nun in meinen Ar-
men! O mein Schmuck! was leg ich nun an meine
Brust!« u. f. w. Einstweilen trug ein Weib das
Kind in die Barke, wo sie es auf ihren Schooß
nahm. Das Geheul dauerte fort bis die Barke das
jenseitige Ufer erreicht hatte. Dann verstummten
die Weiber plötzlich und gingen nach Hause.
Antinoe ist zum Theile auf diese Gräber gewan-
delt; denn ist die Leiche verscharrt, so pflegt man
einen Stein darauf zu legen. Klumpen, wie sie
vom Gebirge fielen, waren gleichfalls dazu verwen-
det. Es glich dieser Stein dem falschen Granit des
131
Sipylus und Ida. Ganz nahe am Gebirge, da ich
unter diesen Gräbern herumschlenderte, fand ich
mehrere Klötze versteinerten Holzes, und zwar Baum-
stämme, mannsdick, mit Ästen. Die Versteinerung
war durch und durch bewirkt. Deutlich schied sich
Rinde und Holz, und auf den ersten Anblick hielt
ich sie für gewöhnliche Stämme von Sykomoren.
Sie klangen wie Metall, da wir mit Steinen dar-
aufschlugen, und waren von unüberwindlicher Härte.
Auf ein paar Gräbern saßen Frauen und Män-
ner, und bevölkerten so die Öde. Sie regten sich
stundenlange nicht. Ich glaubte, sie schliefen; aber
fie sahen mich mit klaren Augen an, da ich aus
Neugierde an ihnen vorüber ging. Es waren An-
gehörige der Verstorbenen. Das Besuchen der Grä-
ber gehört unter die frommen Pflichten der heuti-
gen Ägypter, in denen ein Theil jener übergroßen
Sorgfalt für die Todten sich erhalten zu haben
scheint, welche den Bewohnern dieses Landes in
verfloffenen Jahrtausenden eigen war.
Im Norden der Stadt, östlich an den Wall
der Vorstadt gelehnt, stehen die Trümmer eines al-
ten koptischen Ortes, das mit einem Walle umge-
ben war. In der Mitte desselben sieht man noch die
Reste einer Kirche. Mehrere Säulen liegen dort.
Ich lief auf die nächsten Höhen des arabischen
Gebirges. Nackt und schroff begrenzt es im N und
- -
132
O die Landschaft von Antinoe, und weitet lange
Reihen von Steinbrüchen und Gräbern. Seine Farbe
ist gelb. Es trägt keinen Halm. Im Norden springt
es, auf eine halbe Stunde von der Stadt, bis an
den Strom vor. Da stehen die Ruinen eines Klo-
sters und einiger älterer, undeutbarer Bauten. Dann
krümmt es sich nach NO ein, wo ein Wetterriß in
die Ebene niedersteigt und zur Schlucht sich erwei-
tert. Darüber stehen abermals Ruinen eines Klo-
sters, an große Steinbrüche gelehnt. Von dieser
Stelle geht das Gebirge bis an die große Schlucht
in Ost, die durch senkrechte Felswände gebildet wird.
Der Sand brannte unter unseren Füßen, da
wir auf diesem wüsten Gebirge herumkletterten. Es
besteht aus Kalkstein und ist mit Klumpen jenes
falschen Granites, mit Wüstenkiefel und sehr rei-
nen Krystallen, die in Rhomben brechen, übersäet.
Wir krochen in viele Höhlen. Einige waren Grä-
ber; andere Steinbrüche, in denen wir häufig halb-
fertige Arbeit fahen, als wären die Jahrhunderte
Tage.
Das zuletzt erwähnte Kloster hatte einen Aus-
druck von Einsamkeit, wie ich mich keines ähnlichen
entsinne. Eine Reihe alter Gräber war in Zellen
umwandelt. Jede Zelle hatte eine Thür gehabt,
wie aus den Riegellöchern zu schließen ist; jede ein
Fensterloch; Eine überdieß zwei Nischen. In der
-
- ---
IZZ
Mitte dieser Zellen war ein großer Steinbruch zur
Versammlungshalle umwandelt, denn Bänke und
Fenster waren ausgehauen, Decke und Boden ge-
ebnet. Vor diesen unterirdischen Wohnungen, im
Freien, stand eine Kirche mit Mauern und Zinnen
umfangen, schroffer Absturz nach drei Seiten. Der
Boden ringsum ist nackter Fels. Das Waffer mußte
aus dem Nil geholt werden, d. i. auf eine Stunde
beschwerlichen Weges. Wann diese Klöster verlaffen
wurden ? Wahrscheinlich vor mehreren Jahrhun-
derten.
Wir waren von Müdigkeit und Hitze gelähmt,
da wir Antinoe wieder erreichten. Die Zunge klebte
am Gaumen. Der Hals war mit Sand ausgefüt-
tert. Wer die Wüste nicht kennt, kennt auch den
Durst nicht. Wir fielen in ein Zuckerrohrfeld und
erfrischten uns an dem herrlichen Safte. Der Fel-
lah kauet dieses Rohr während des ganzen Tages
und trinkt den ausgepreßten Saft, bevor dieser ge-
kocht wird.
Hart am Ufer des Nil, unter dem Schatten
einer Sykomore, deren Stamm, 3“ über dem Bo-
den, 24“ Umfang hat, tischte uns der Schech des
Dorfes einen gebratenen Hammel, nach Landessitte,
auf. Wir luden den Wirth zum Male. Die ganze
Dorfjugend war um uns. -
XII.
Reise von Melaui bis Affuan.
10. Jänner. Abdyn-Kascheff, mit einem zahlrei-
chen Gefolge von Mameluken, alle in der Blüthe der
Jugend, reich gekleidet, trefflich bewaffnet, mit Dro-
medairen beritten, hatte uns gestern Abends einen
Besuch gemacht. Als sie den Abhang zum Ufer herun-
ter ritten, erblickten wir die Kommenden; ich habe
kein schöneres morgenländisches Bild gesehen, als diese
Jünglinge, die ihre leichtfüßigen Thiere hinter dem
geliebten Herrnbändigten! ... Teppiche wurden am
Ufer ausgebreitet, goldverbrämte Sammtkiffen dar-
auf gelegt; da, in der freien Natur den Strom vor
uns, und hinter uns die blühende Flur, schwätzten
wir, bei Kaffeh und Pfeife bis tief in die Nacht.
Die Kandschia war gekommen. Schnell überfie-
delten wir in dieß leichte Fahrzeug. Der Wind be-
"gte uns, wir hatten 18 Ruderleute an Bord:
"as ging uns ab 2 –
u“ Gastfreundschaft Abdyn-Kaschefs hatte
'ne andere Uberraschung bereitet. Ohne
135
mit einer Sylbe es merken zu laffen, und mit dem
Auftrage an den Reis, erst wenn wir abgesegelt seyn
würden, uns davon in Kenntniß zu setzen, hatte
er die Kandschia mit Vorräthen für uns versehen
laffen. Wir fanden 10 Hämmel, fammt Futter für die-
selben, 24 Hüte Zucker, 2 Kuffen Brot, 2 Dschia-
ren Butter, 1 Dschiare Honig, 60 Hühner, 100
Tauben, 200 Eier; hierzu 2 Säcke Kohlen. Diese
Schätze, und was wir felbst mitgebracht hatten, ficher-
ten uns den Unterhalt für länger als einen Mo-
nat. Das Schiffvolk war gleichfalls verpflegt, und
hatte außerdem Anweisung auf die vorzüglichsten
Städte Ober-Ägyptens, wo Magazine liegen.
Der erste Vorsprung des arabischen Gebirges,
oberhalb Antinoe, ist wieder voll Gräber und Stein-
brüche, die in späteren Jahrhunderten in Wohnun-
gen umwandelt worden sind, und die man jetzt zum
Theile zerstört, um Steine für die Fabrik von Me-
laui daraus zu holen. Oberhalb dem Vorgebirge liegt
das Dorf El-Amarne. Ich fuchte mit dem Fernglase
die Ruinen einer großen Stadt auf, welche die Karte
der französischen Commission auf dieser Stelle angibt,
fand aber nichts als Felsengräber, wie überall, und
Mauerstücke aus ungebrannten Ziegeln hinter dem
Dorfe Hamam.
Während der Nacht hielten wir an der Mün-
dung des Joseph-Canals, bei Darut. Der Canal
136
hatte Waffer, aber die Mündung war bereits ver-
schlemmt. Bei hohem Nil befahren die schwersten
Masch diesen Canal. Das linke Ufer ist flach, das
rechte aber felsig und hoch.
- O r t e.
Rechtes Ufer. Linke s Ufer.
El - Till. Machfara.
Hadschi-Gantill. Muhele.
El - Amarne. Saraht.
El-Hauwada. Beni - Amram.
El-Gherf
Darut.
Benahieh.
El - Mandara.
11. Jänner. Das arabische Gebirge hält sich
hart am Strome; etwas über eine halbe Stunde
Weges, tritt dann im Bogen zurück, Raum laffend
für das Dörfchen Teir-el-Koffer und dessen Pal-
men-, Dattel- und Zuckerrohrpflanzungen, und fin-
det mit schroffem Vorsprung und langer Landlehne
den Nil wieder. Zwischen dieser und dem nächsten
Vorgebirge liegt El-Koffer, worauf abermals eine
Wand, eine breite Schlucht, und ein drittes Vor-
gebirge, wie das Fußgestell eines Denkmales abge-
stuft, und eine andere Wand folgen. Dieses Ge-
birge trägt den Namen Abulfeda.
Am linken Ufer, auf eine halbe Stunde vom
Strome, zeigt sich recht stattlich Kusieh, das Cusä
1Z7
der Römer, wo die zweite thebaische Legion in Be-
fatzung lag und Venus-Urania verehrt wurde. Dann
tritt auch hier die Wüste bis an den Nil, so daß
man sich auf eine Strecke zwischen dem arabischen
und libyschen Sande eingeklemmt befindet. Dann
trifft man auf dem linken Ufer die Orte Benesgehr
und Damanhur; auf dem rechten aber zieht sich die,
mit Gräbern ausgehöhlte, Bergwand hart am Ufer
bis auf die Breite von Monfalut hin. Wir hatten
frischen Wind aus der libyschen Wüste, der seine
gefährlichen Stöße jederzeit frühe genug durch Wol-
ken Sandes ankündigte.
Monfalut, der Hauptort einer Nazirschaft, ist ein
Städtchen hart am Nil, das 4Moscheen, eine Okell
für Kaufleute, mehrere Magazine und einen ansehn-
lichen Bazar hat. Es wird von Arabern, Türken
und Kopten bewohnt. Ohne eigens ummauert zu
feyn, ist es dennoch geschloffen, indem die Mauern
der Höfe und Häuser ein zusammenhängendes Gan-
zes bilden, in welches, außer den eigentlichen Stadt-
thoren, nur hie und da ein Hofthor führt, das ge-
fchloffen werden kann.
Die Ebene bis zur libyschen Wüste, etwa drei
Stunden breit, ist trefflich bebaut. Die große Oafis
liegt von hier nur fünf Tagreifen entfernt, und
zwischen ihr und Monfalut ist häufiger Wechsel.
12
138
Es liegt eine Kanonierschaluppe an dieser Stadt,
die einen Zwölfpfünder am Vordertheile führt. Der
Vordermast hat ein großes Maschsegel, der Hinter-
mast zwei Quer- und eine Brigsegel. – Unser Schiff
volk nahm einige Lebensmittel und den Vordermast
unserer Kandchia ein, dann setzten wir noch heute
die Reise fort.
Monfalut ist vom Strome sehr bedroht, der aus
Osten auf das hohe Ufer anfällt. Die Stadt steht
am Absturz. Jenseits dagegen ist niederes Land, auf
eine Viertelstunde Breite angespült, das zwei Dör-
fer trägt: El-Manabde und Sigilgil.
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Teir - el - Koffer. Miffarra.
El-Koffer. Feffarra.
El-Nauwaje Nasleh-Abu-Sinubi.
Braß. Sanabo.
Tör (griech. Kloster zum Kufieh.
heil. Johann). Omu - Kuffur.
El - Manabde, Kom - Seid.
Sigilgil. Damanhur.
Benesgehr.
Nasleh - el - Buja.
Nasleh- el-Hennenne.
Monfalut.
12. Jänner. Wo das angeschwemmte Land
endiget, tritt das arabische Gebirge an den Strom-
139
dieser, der erst W. floß, hält die Richtung N bis
oberhalb Beni-Mohammed, wo er NW, dann W
und weiter oben NO fließt. Das rechte Ufer macht
hier eine Ausnahme von der Regel, für eine Strecke
wenigstens, es wird nämlich hoch und gut bebaut,
während das linke niedrig und fandig ist. So wie
der Nil wieder nach W strömt, zeigt sich Schiut
in bedeutender Ausdehnung, als eine große Stadt,
am Fuße des libyschen Gebirges. Aber die Krüm-
mungen des Stromes machen noch einige Stunden
Zeit verwenden. Wir erreichten die Lände mit Ein-
bruch der Nacht und gingen im Mondenscheine nach
der Stadt, die eine kleine halbe Stunde entfernt liegt.
O r t e.
Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
Arrab. Gemriß.
Beni-Mohammed. Manndara.
Iffauwali. El-Hanwatka.
Beni - Ibrahim. El-Ghauli.
Tör - Minieh. Sogara.
Böhitt. El-Naja.
Benubb. Beni-Achsen - el - Giffer.
Itauhabieh. El- Ohdar.
Benifett. Selamm.
El-Agrat. El-Hauwatka
El-Hamam. Mangabatt.
Bab - Umur. Schiut.
12
140
13. Jänner. Schiut ist die größte Stadt Ober-
Ägyptens. Zwölf Minarets steigen aus dem Ge-
dränge hoher Gebäude hervor, die aus Stein, schwarz-
gebrannten oder an der Sonne gedörrten Ziegeln
erbaut, durchaus ein finsteres Ansehen haben. Desto
schärfer sticht eine von dem Defterdar-Bey wäh-
rend seiner Statthalterschaft von Ober-Ägypten, nach
dem Muster derer zu Constantinopel, erbaute Mo-
fchee ab, die weithin sichtbar ist, und dem Reifen-
den einen ungewohnten, angenehmen Anblick ge-
währt. Achmed - Bascha, der als Gouverneur der
Provinz dem Defterdar-Bey folgte, ließ eine Fa-
brik zur Reinigung des Indigo, eine Wollspinne-
rei und für sich Palast und Garten bauen. Die
Okells (Kaufhäuser) sind geräumig und hoch, – eine
Menge anderer stattlicher Gebäude, aus der Zeit der
Mamelukenherrschaft, gibt der Stadt ein alterthüm-
liches und gewichtiges Ansehen; am merkwürdigsten
darin aber find die Bazare, welche die ganze Stadt
durchziehen, und wo die Erzeugniffe aus den Oasen,
aus den Ländern der Schwarzen und aus Arabien,
neben denen Ägyptens und einigen europäischen Waa-
ren, ausgelegt sind.
Das Innere der Stadt ist finster und mahnt an
den Ausdruck der alt-ägyptischen Monumente. Es
gehören 140 Dörfer zum Bezirke von Schiut, in
welchem über 100,000 koptische Familien wohnen.
141
Die Mehrzahl der Bevölkerung besteht jedoch aus
Arabern. In der Stadt wohnen auch viele Griechen
und einige katholische Familien. Es gibt keine Juden
dort. Achmed-Aga, der Seliktar des Vicekönigs, be-
fehligt darin. Er hat eine Compagnie Schwarzer
zur Wache, welche ein spanischer Flüchtling, aus
Karthagena, Don Bernardo Lescura, nach euro-
päischer Weise abrichtete. Außerdem hat die Stadt
etwa 40 Artilleristen, 8 Kanonen und eine bewaff
nete Schaluppe.
Ich kenne kein Volk, das tiefern Ernst in den
Gesichtszügen ausspräche, als die Kopten, diese Reste
der alten Ägypter. Dieser Ernst ist abstoßend, fin-
ster. Auch bilden sie ein Volk im Volke, unter fich
auf das Engste verbunden, und fremd gegen alle Ubri-
gen. Sie machen die Geschäfte des Landes, sind die
Bemeffer des Bodens, die Schreiber und Zahl-
meister der Regierung, die Händler und Krämer
von Dorf zu Dorf; aber außer den Berührungen
in Geschäften vermeiden sie mit Türken, Arabern,
Griechen, Europäern u. f. w.jede andere. Ihre Sit-
ten sind strenge; ihr Umgang mit Fremden ist kalt,
wortarm, gleichgültig, ganz im Gegensatze mit dem
Benehmen des Arabers. Ich habe nie einen Kopten
lachen gesehen und niemals lud. Einer uns ein, in
fein Haus zu treten.
142
Wir hatten an zwei koptische Kaufleute Cre-
ditbriefe. Auf unserem Rückwege aus Ober-Ägypten
des Willens, hierauf eine Summe Geldes zu neh-
men, ging ich freilich etwas spät, denn es war
etwa 9 Uhr Abends, nach der Stadt, um den Ei-
nen dieser Herrn aufzusuchen, der Andere war,
soviel wir wußten, Schulden halber ins Gefängniß
geworfen worden. Ich werde mich lange an diesen
Gang erinnern, der mir sauer geworden ist. Da
er mitunter Land und Leute malt, fo will ich den-
selben erzählen. Ich fand das Stadtthor offen, ging
an den umgitterten Gräbern der beiden Söhne Ibra-
hims-Pascha"s und der drei Kinder Achmed-Pascha's,
die da in goldverzierten Särgen an der Straße
ruhen, nach dem Bazar hinauf und fand, nach
einiger Mühe, das Okell meines Mannes. Ich pochte
– pochte, und hatte ein langes, aber vergebliches
Zweigespräch durch das verschloffene Thor mit dem
Wächter, der mir zu keinem Preise öffnen, noch mich
in das Wohnhaus des Kopten führen wollte. Ich
glaubte die Lage dieses Hauses zu wissen, entschloß
mich also kurz, es zu suchen, irrte lange in den
menschenleeren, finstern, krummen Straßen und
fand es nicht. Da stieß ich auf eine Schildwache.
Diese nahm keinen Anstand, ihren Posten zu ver-
laffen und versprach mich zu führen; ich aber fühlte
keinen Beruf, ihr die europäische Wachordnung, kraft
143
welcher sie stand, auszulegen, und nahm das Aner-
bieten gerne an. Wir gingen abermals Straßen auf
Straßen ab, keine Seele begegnete uns,– der Neger
gestand, er wisse nicht aus. Wir waren am ande-
ren Ende der Stadt, und Mitternacht war vorüber.
In dieser Noth fand uns ein Türke vom Hause
des Seliktars, der eben die Runde machte. Er gab
mir einen feiner Leute und mit Hülfe desselben, ge-
langte ich endlich an das ersehnte Haus, im Geiste
die Münzsorten überschlagend, die am schnellsten
die zu erhebende Summe geben würden. Aber ich
hatte die Rechnung ohne Wirthgemacht. Keine Über-
redung, keine Versicherung, kein Versprechen bewog
die koptische Familie, das Thor zu öffnen. Aus dem
Hintergrunde eines Zimmers rief uns eine weibliche
Stimme zu, der Herr vom Hause schlafe – und
als wir sagten, daß man ihn wecke, – er sei gar
nicht zu Hause. Wir hofften, er würde wenigstens
von der Straße zum Fenster mit sich reden laffen.
Auch dazu verstand er sich nicht. So groß ist das
Mißtrauen unter diesem Volke! Der Türke fand
nichts Unbilliges in meinem Begehren, das sich dar-
auf fußte, daß, da wir am nächsten Morgen abrei-
fen wollten, nichts erlaubter wäre, als den Kop-
ten, der schon an uns gewonnen hatte und wieder
gewinnen sollte, eine Viertelstunde im Schlafe zu
stören; er gab aber auch dem Kopten Recht, denn
er meinte, der Tag hätte feine Geschäfte und die
Nacht die ihrigen. Ich ging also unverrichteter Dinge,
aber bevor ich aus dem Labyrinth der Stadt mich
wickelte, mußte ich wohl dreißig Thore der verschie-
denen Viertel öffnen laffen. Fast an allen diesen
Thoren waren die Wächter blinde Greife.
Die Verbindung zwischen Schiut und den
Oasen ist häufig. Schiut ist auch der Ort, bis wo-
hin die großen Karawanen aus Darfur und Senaar,
die Tausende von Sclaven bringen, niedersteigen.
Es wimmelt von Negern in dieser Stadt. Ich fah
dort mehrere Tschellab (Sclavenführer) die eben aus
Kordufan gekommen waren und kaufte von ihnen
Waffen und andere Dinge, darunter ein silbernes
Achselgehänge, in Darfur gearbeitet, das die Für-
sten der Stämme als unterscheidendes Zeichen zu
führen pflegen. Es gehörte. Einem aus dem unglück-
lichen Geschlechte der Herrscher in Kordufan, das
vor sieben Jahren, von dem Defterdar-Bey, dem
zu Schändy verbrannten Sohne des Vicekönigs,
Ismael, zum Sühnopfer, bis auf einen Einzigen
nach Abyssinien entkommenen Sprößling vertilgt
wurde. - -
Zunächst an der Stadt find Gärten und über-
haupt die Umgegend ist sehr sorgsam bebaut. Die
Canäle, Schleußen, Brücken und Dämme sind gut
angelegt und schienen mir sorgfältiger erhalten als
145
in irgend einem Theile Ägyptens. Am Gebirge hin-
ter der Stadt beginnt auch die Wüste. Dieß Ge-
birge ist voll von Katakomben und Gräbern, in de-
nen sich eine Menge einbalsamierter Ibiffe, Katzen
und Hunde finden. Man glaubt, daß an der Stelle
von Schiut Lycopolis gestanden habe.
Der Aufenthalt in dieser Stadt ist ungemein
wohlfeil. Die Lebensmittel lagen überall in großer
Menge zum Kaufe. Ein Neapolitaner, Dr. Maffara,
der von dem Vicekönig mit Einführung der Blat-
ternimpfung zu Schiut beauftragt ist und uns in ei-
nem kleinen, aber bequemen Hause empfing, ver-
sicherte uns, daß er dafür monatlich nur 10 Piaster,
d. i. 1 fl. 22 kr. C. M. Miethe bezahle.
Die Kopten und Türken ausgenommen, schien
der Rest des Volkes so arm, als in den Dörfern.
Das liegt auch an dem Anzuge des Arabers, der
im Durchschnitt aus wenig mehr als aus einem ge-
gürteten Hemde besteht. An einer Kaffehstube fahen
wir einige zwanzig Freudenmädchen, die in Seide
gekleidet und mit Goldstücken behängt, sich seltsam
neben dem nackten Gesindel ausnahmen. Die mei-
fen waren von sehr weißer Gesichtsfarbe. Den Preis
der Schönheit schien jedoch eine Abyffinierin davon
zu tragen, deren Züge, Körperformen und Haltung
wirklich reizend waren.
Prokefch: Ägypten I. 13
146
14. Jänner. Ober Schiut kömmt der Nil aus
Ost, und weiter aus Süd. Die Ufer sind strecken-
weise mit Suntbäumen bedeckt, das linke mehr als
das rechte, das, wie gewöhnlich, Wüste ist. Am
Dorf. Katieh fhoffen wir einen Vogel, der aus
dem Geschlechte der Droffeln scheint, und dessen
Gefieder von wunderbarem Farbenspiele war. Der
Grund davon machte ein glänzendes Schwarz. Dieß
wechselte mit Blau, Grün und Gold. Jedes Feder-
chen endete mit einer weißen Spitze. Flügel und
Schweif waren weiß gerändert. Schnabel, Füße
und Größe die einer Droffel. – Auch mehrere der
kleinen Vögel, die der Araber Asfur - Gennet, d. i.
Paradiesvögel nennt, und deren wir schon zu Melaui
gefunden hatten, schoffen wir heute. Ihr Gefieder
ist goldgrün; der Schnabel schwarz, fehr spitz und
fast einen Zoll lang; das Auge rothgerändert und
groß; der Kopf, im Verhältniß zum Körper, der
nicht größer als der eines Zeisigs ist, stark; die
Füßchen sind schwarz; im Schwanz endlich, defen
Länge zwischen 3 und 3 % Zoll beträgt, befinden sich
zwei schön geschwungene Federn von 8 bis 12 Zoll
Länge, die schmal und äußerst zierlich find. Der
Flug dieses Vogels ist schnell und hoch. Kein Land
und kein Strom aus allen denen, die ich bis jetzt
in drei Welttheilen fah, sind reicher an Gevögel
als Ägypten und der Nil. Wir schoffen an jedem
117_
Morgen, was wir eben während des Tages für un-
feren Tisch brauchten, und hätten im Nothfalle be-
quem davon leben können. In Scharen ziehen Gänse,
Enten, große und kleine Reiher, darunter eine Gat-
tung ganz weißgefiederter, mit gelbem Schnabel und
fchwarzen Beinen. Ich fah dieselben oft mitten un-
ter den Ackersleuten und Hirten, ohne Scheu her-
umlaufen. Pekikanen begegnet man häufig, meist
zu Zweien; Regenpfeifern, gewöhnlichen Seeschwal-
ben, Nileltern. Diese Letztern sind von der Größe
einer gemeinen Elster. Der obere Theil des Kopfes,
die Brust, der untere Theil des Schweifes und die
langen Federn der Flügel sind glänzend schwarz;
außerdem läuft von der Brust ein schwarzer Strei-
fen bis nach dem schwarzen, nicht viel über einen
Zoll langen, geraden Schnabel. Der Rest des Hal-
fes, der Unterleib, die Seiten und die innere Wand
der Flügel sind rein weiß; der Rücken endlich und
die Oberdecke der Flügel licht-graubraun und en-
den in Weiß. Die spannen langen Füße sind sehr
fein; ihre Farbe ist schwarz. Die schwarzen Federn
auf dem Rücken bilden ein Schöpfchen, den der
Vogel nach Willen hebt oder senkt. Was denselben
besonders auszeichnet, ist eine Waffe am Bug der
Flügel, nämlich ein 1/4 Zoll langer starker Dorn,
womit er Fische und Kröten stößt. Er fliegt schnell
und feine Stimme ist kreischend. Der Araber nennt
13 *
118
ihn Ot-at. – Es gibt auch einen kleinen, jedesmal
einsamen Vogel, Ghodöß genannt, der äußerst
schnell und hart am Wafferspiegel fliegt. Er ist ganz
braun, bis auf eine grauweiße Stelle am Bauche,
sehr gestreckt, von der Größe einer Lerche. Schna-
bel und Beine sind schwarz, dessen Fleisch ist sehr
schmackhaft. – Ein anderer schöner Vogel ist der
Zigzag, der immer paarweise angetroffen wird. Er
hat die Größe einer Turteltaube, lichtgraue Ober-
flügel, weiße mit schwarzen Querstreifen gezierte
Unterflügel, weiß- und grünfärbigen Leib, weißen
Hals, einen dunkelgrünen Kranz um die Brust,
eben solchen Oberkopf, von dem ein gleichfärbiger
Streifen über den Rücken läuft. Um das Auge sind
weiße Ringe, die sich mit einem gleichfalls weißen
Schöpfchen am Hinterkopfe verbinden. Die Füße
find grau; der Schnabel schwarz und 1/3 Zoll lang.
Dieser Vogel pfeift sehr laut und kreischend.
Abutig ist ein großer Ort, der zwei Minarets
und mehrere Heiligengräber hat, neben denen sich
ein Friedhof ansiedelte, in den die Leichen aus allen
umliegenden Orten zusammengetragen werden. Er
ist ummauert und es steht auch eine Moschee darin.
Der bebaute Grund auf dem linken Ufer ist um ein
Bedeutendes schmäler als unterhalb Schiut, weil
die Bewäfferung fehlt. Das rechte trägt hier meh-
rere ansehnliche Orte und der Wüste ist viel Boden
149
abgewonnen auf dieser Seite. Es liegen auch meh-
rere Inseln im Nil zwischen Schiut und Abutig.
Dem Itinerarium Antonini zu Folge, fiele auf die
Stelle dieses letzteren Ortes Klein-Apollonos.
Bei Ennehel fanden wir den Seliktar mit zahl-
reichem Gefolge. Er kam von einer Bereifung fei-
ner Nazirschaft, und schlug unter freiem Himmel
sein Lager auf. So reisen alle Großen in Ägypten,
wenn sie zu Lande gehen, so der Vicekönig selbst.
Ja, häufig verlaffen sie ihre Paläste und wohnen
Monate lang unter Zelten am Ufer des Stromes,
wie wir aus der Stadt in ein Landhaus zu ziehen
pflegen.
Sadfeh, auf eine kleine Viertelstunde vom Nil,
zeigt einige stattliche Gebäude. Nicht ferne davon,
am Grabe Schech-Moyses, stießen wir, mit dem
Jagdgewehr die Ebene durchstreifend, auf Beduinen
des Hirtenstammes Abd-el-Athi und fanden freund-
liche Aufnahme. Jung und Alt lief nach den Zelten
und es galt, wer uns zuerst Käse und gewärmtes
Durabrot bringen würde. Die Weiber trugen uns
ihre Kinder entgegen, und nöthigten uns, am Herde
Platz zu nehmen. Wir thaten was an uns lag, um
die gute Gesinnung dieser Leute für die Franken
aufrecht zu halten.
Wo die arabische Kette, unterhalb Kau, ein
weites Thal öffnet, saßen wir plötzlich an einer
150
Bank auf und brachen überdieß das Steuer. Mit
unsäglicher Mühe arbeiteten wir uns bis Mitter-
nacht los – aber noch da wir jubelten, faßen wir
auf einer zweiten.
O r t e.
Recht es Ufer. Linke s Ufer.
El-Machjara. El-Uedieh.
El-Uafta. El-Hamra.
El-Afrak. - Schiut - el - Hamra.
El-Hauwanna. Sachaba. -
Sargisli. Katieh.
Affadni. Bagur.
Bedahri. El-Oga.
Rahaine. Abutig.
Ennechel.
El - Dwehr.
Migris.
Sadfeh.
--- Wolatiliaß.
Kartusch.
El - Barut,
15. Jänner. Wir wandten den Rest der Nacht
und einen Theil des Morgens daran, um uns von
der Bank loszumachen und das Fahrzeug in Stand
zu setzen. Dann fuhren wir nach Kau, das über
Ruinen, wahrscheinlich über denen "von Antäopo-
lis, liegt. Die Stelle von Kau ist wirklich eine von ,
I51
den wenigen auf dem rechten Ufer, wo man auf
den Einfall gerathen konnte, eine Stadt anzule-
gen. Heut zu Tage sind nur unbedeutende Spuren
von jenen Resten vorhanden, welche die französischen
Gelehrten beschrieben. Der Nil hat einen Theil der
Uferstelle weggeriffen, worauf der Tempel stand, und
die Menschen haben der Zerstörung nachgeholfen.
Zu Haufen liegt das Gestein am Uferabhang und
bis in den Strom, ein Monolythtempel, wovon
ein Stück ausgesprengt wurde, zu oberst. Daneben
sind fünf Kalköfen im Gange, was beweiset, daß
die Bewohner von Kau dieß Tempelgestein zu nü-
zen wissen. -
Während wir bey Kau anhielten, erhub sich
heftiger Nordwind, der erste seit 22. November. Er
kündigte sich durch den Staub der Wüste an, der
wie Gewitterwolken am Himmel aufstieg, und in
einem Augenblicke unser Fahrzeug zollhoch überdeckte.
Die Wand des arabischen Gebirges, die andert-
halb Stunden oberhalb Kau wieder an den Nil
tritt, heißt nach dem Schech-el-Haride, oder auch
der Teufelsberg, denn der böse Feind soll dort eine
Wohnung haben. Es ist wahr, an alten Gräbern
und Steinbrüchen fehlt es ihm da nicht. Am Fuße
dieses Berges liegt das Dorf Rahaine, und ober-
halb desselben, das Grab Schech - Haffans, neben
welchem ein Felsblock sich befindet, der, vom Nil
152
aus gesehen, das Haupt des Sphinx von Dschieh
nachäfft. Dem Teufelsberg gegenüber, auf dem lin-
ken Ufer, ist die Lände von Tachta. Das Städtchen
selbst, das wahrscheinlich die Stelle von Aphrodito-
polis einnimmt, zeigt sich in Entfernung einer
Stunde vom Strome.
Höher, da wo der Teufelsberg mit einer abge-
rundeten Felswand vom Ufer zurücktritt, liegt eine
große, aber wenig bebaute Insel, Gesiret-el-Schan-
dauel, mit dem Orte gleiches Namens, einem Ge-
höfe und einigen zerstreuten Hütten. Das arabische
Gebirge läßt einer breiten Ebene Raum; das liby-
sche verhüllte der Sand unsern Blicken.
O r t e.
Recht es Ufer, Linkes U fer.
Schech - Gabor. El - Waadle.
Kau. Selamun.
Nasleh-el-Kau. Timeh.
Nasleh - el-Rahaine. El-Sauwaka.
Rahaine. Miste.
Haride. Nasleh - el - Miste.
Gelauwieh. Sawaika.
Ketkuta. Satura.
Sagulte. Bankeh.
Tachta.
Sachil.
Sauwamah.
153
El-Helleh.
El-Maraga.
Giffaß.
El-Najagie.
- El-Tauuh.
16. Jänner. Sauwatsch ist ein kleines Städt-
chen, das einen unbedeutenden Markt, ein paar
Okelle und drei Minarete hat. Am oberen Ende des-
selben steht eine Kaserne, die den Flächenraum von
369,664 Quadrat - Fuß einnimmt und jetzt mit
400 Reitern belegt ist. Nahe daran baute der Vice-
könig kürzlich eine Schleuße, die eine der schönsten
des Landes ist, und an 300 Schritte Breite hat.
Der Canal, an dem sie angebracht ist, wendet sich
nach dem Gebirge, wo das rothe und das weiße
Kloster stehen, und bewäffert das Land bis unter-
halb Abutig, wo er mit dem Hauptarm nach dem
Nil, mit einem anderen aber bis Schiut zieht.
In der Moschee El-Harif, der nächsten am Nil,
zeigt man das Grab des bekannten Murad-Bey.
Er starb zu Sauwatsch an der Pest. Der ganz ein-
fache Mauerfarg ruht in einem dunklen Seitenge-
wölbe neben der Kanzel. Im Hauptdome liegt der
Schech, nach welchem die Moschee heißt. Diese ist
gut unterhalten, trägt einen Minaret mit zwei
Kränzen und hat eine Schule für 100 Zöglinge.
Zwischen Sauwatsch und Akmim liegt eine gut
bebaute Insel. Akmim ist der Hauptort eines Be-
15
zirkes, worin Haffan-Bey befehligt, nahe am Nil,
mit einer schönen Ebene hinter sich. Das Städtchen
zählt nur zwei Minarets, es sind aber mehrere Mo-
fcheen darin; auch wohnen dort an 400 koptische
und 30 katholische Familien. Pokock setzt an diese
Stelle Panopolis, die vielleicht über der Chenmis
des Herodot erbaut war, des Danaos und Linkeus
Geburtsstadt. (II. 91) Die wenigen Reste, welche
die französischen Gelehrten beschrieben, sind seither
verschwunden.
Zwischen Akmim und Harfeh erreicht das ara-
bische Gebirge eine größere Höhe als bis dahin.
Wie gewöhnlich, sieht man auch da Gemächer dar-
ein gehauen. Es endet mehrere Füße nach dem Nile,
alle wüst, so daß für den Anbau nur schmale Stre-
cken bleiben. Ganz einsam steht dort das koptische
Kloster Tör-Embabag, über dessen Mauer ein ein-
ziger Nabackbaum blickt. Gegenüber, auf dem lin-
ken Ufer, nur wenig vom Strom entfernt, arm
an Bäumen, liegt das Städtchen El-Menschihe,
das einen Minaret hat. D'Anville, den Angaben
Pater Siccard's folgend, und Pokock setzen Pto-
lemais an diese Stelle. Wirklich findet man ausge-
dehnte Unterbauten und sonst einige Spuren, die
schließen laffen, daß Menschihe über den Resten ei-
ner alten Stadt stehe.
155
Oberhalb Harfeh, an der Insel El-Asratsch,
fah ich zuerst Krokodille. Es war deren ein Dutzend.
Sie lagen im flachen Uferlande an der Sonne, und
krochen langsam in das Waffer, so wie unsere Barke
sich näherte. Nur Einer, und zwar der größte, blieb
noch; er schien zu schlafen; wir schoffen darnach und
fiehe, er stürzte sich in einem Hui den Übrigen nach.
Die Krokodille lieben vorzugsweise das Gebiet zwi-
fchen Dschirdsche und Kom-Ombos. Es ist jedoch
nichts Seltenes, deren in der Gegend von Monfa-
lut zu sehen, und ich erinnere mich, daß ich auf
der Rückreise, zwei auf einer Bank bei Feschn
fand.
Ist man abermals an einem koptischen Kloster
vorüber gekommen, so sieht man die arabische Wand
nach Osten zurückgebeugt, auf dem linken Ufer vor
sich aber Dschirdische, eine Stadt zu 4000 Ein-
wohnern, meist Kopten, darunter aber auch 300
Katholiken. Sie war Hauptstadt einer Provinz,
und ist nun die einer Nazirschaft. Es stehen 400
Mann Fußvolk dort, zu Akmim aber 400 Reiter.
Auch Menschihe und Tachta gehören zu ihrem Bezirke.
Die Stadt liegt hart am Nil und hat 8 Mi-
narets. Wir fuchten Pater Ladislaus, von der Pro-
paganda zu Rom auf, der seit zwanzig Jahren hier
als Miffionär sich befindet und ein Rathgeber und
Helfer aller Reisenden ist. Die Straßen der Stadt
156
sind, wo möglich, noch finsterer als die der übri-
gen ägyptischen Städte. Die Häuser sind aber auch
höher, durchaus von schwarzgebrannten Ziegeln, mit
Einlagen von Palmenlatten, und nirgend überkalkt.
Jedes Viertel, und in jedem Viertel jedes Haus,
gleichen innen und außen den alten farazenischen
Burgen, wo man sich bis auf den letzten Mann
vertheidigen will und kann. Thore kaum drei Fuß
hoch, damit man nur langsam und gebeugt hinein-
trete, die Stiegen nicht felten vom Hause gefon-
dert und nur durch eine Zugbrücke zeitweise verbun-
den, die Fenster zwanzig Fuß vom Boden entfernt,
Zimmer, Schießlöcher, Thürme, dicke Mauern u. f. w.
In einer dieser Festungen fanden wir Pater
Ladislaus. Wie groß war unser Erstaunen, da der
Pförtner uns vor einem Saale, längs defen Wän-
den eine Zahl Türken und Araber hockerte, mit
den Worten stehen ließ: da ist Pater Ladislaus!
Wir traten ein, und siehe ein Mann im arabischen
Kleide, das Haupt mit rothem Turban umwunden,
bewillkommte uns in italienischer Sprache. Das
war Pater Ladislaus. Arabische Schriftgelehrte,
türkische Officiere, koptische Priester saßen friedlich
mit ihm zusammen. Wir erriethen mit. Einem Blicke,
was wir später von so Vielen bestätigt hörten, daß
dieser Miffionär der Freund Aller, der erste Arzt
der Thebais, ein Weiler unter den Ältesten, ein
157
Helfer dem Volke gegen Bedrückungen, ein Rath-
geber der Großen ist. Niemand ist wohl über den
Zustand des Landes beffer unterrichtet, als eben Er.
Wir brachten einen lehrreichen Abend mit ihm zu
und gingen nicht von ihm, ohne den Wunsch aus-
zusprechen, daß alle Miffionäre so wirksam als Er
das Wort des Friedens verbreiten, und so richtig
die Würde ihrer Sendung begreifen möchten! –
Pater Ladislaus ist der Vorsteher der Mission in
diesem Theile Afrikas. Gegenwärtig sind nur sechs
Priester der Propaganda in Ägypten, einer zu Kairo,
die übrigen zu Tachta, Akmim, Dschiedliche, Na-
gada und zu Farschiut. Vormals gingen deren von
Ägypten nach Abyffinien und Arabien. Jetzt aber
mangeln die Mittel dazu.
Auch zu Dschiedliche wird eine Wollenspinnerei
eingerichtet. Die Stadt liegt zum großen Theile in
Trümmern und ist sehr verarmt. Es wimmelte von
Bettelvolk in den engen, krummen, unheimlichen
Straßen. Der Bazar ist klein. Als wir durch den-
selben gingen, bat uns ein türkischer Kaufmann
mit vieler Art, nicht an seinem Gewölbe vorüber
zu gehn, ohne eine Taffe Kaffeh zu nehmen. Wir
traten ein, er legte uns Kiffen zurecht, und war
höchst vergnügt über die Ehre, die wir ihm erwie-
fen. Er erzählte uns Manches aus seinem Vater-
lande, Armenien, und über den Handel Ägyptens.
15S
Seine Knaben brachten uns Kaffeh und Pfeife,
in die er einige Körner arabischer Wohlgerüche warf.
Er dankte uns, als wir gingen. So ist der Mor-
genländer.
O r t e.
Recht es Ufer.
El-Affeb.
AEmim.
Nasleh - el-Arrab.
El-Affaugihe - el- Sogaer.
El- Taik.
Tör.
Lachaywa - el - Sogaer.
Harfeh - el - Sogaer.
Tör.
Link es Ufer.
Sauwatsch.
Nasleh-el-Scheich-Moham-
med.
Beni-Asbura.
El-Affaugihe - el-kebir-
El- Menschihe.
Ennaghia.
El - Hauwafat.
Lachaywa-el-kebir.
Harfeh-et-kebir.
Wollet - Ghaze.
Naga-el-Schech-Achmed.
Tör.
Duch.
Sarak.
Wollet-Dschubara.
Bendar - it - Ebn - At.
Bendar - Adeff.
Asbet-el-Gehmiffe.
Schech - Juffuf.
Dschiedliche.
17. Jänner. Fast alle ägyptischen Städte ha-
ben, im Verhältniß ihrer Bevölkerung, eine grö-
ßere oder kleinere Vorstadt, die nur von Buhlerin-
nen, Tänzerinnen, und was sonst zum Handwerk
gehört, bewohnt wird. Diese Vorstädte oder Lager
(denn meistens find es nur solche aus Baraken und
Zelten) haben ihre Rechte und Ordnungen, über
deren Aufrechthaltung das Volk strenge wacht. Die
Regierung besorgt die Polizei, oder läßt dieselbe
vielmehr, was das Innere betrifft, in den Händen
der Gesellschaft selbst, die aus ihrer Mitte sich die
Vorgesetzten erwählt. Im Dorfe der Buhlerinnen
bei Kauro, Metäria, das außerhalb der Sieges-
pforte an der Straße nach Heliopolis - liegt, war
eine Königin, welche das Heft in Händen hatte
und strenge Zucht hielt. Zu Dschiedliche fand ein
folches Lager hart an der Lände auf dem steilen
und hohen Uferabhang. Das Singen, Tanzen und
Trommeln, nahm die ganze Nacht hindurch kein
Ende. – Ein türkischer Soldat erlaubte sich etwas
Ungesetzliches. Alsogleich sahen wir das ganze Lager
in Aufruhr gegen ihn. Das Volk aus der Stadt
lief herbei – alle Araber nahmen die Partei der
Mädchen. Man würde den Türken in Stücke ge-
hauen haben, wenn ihm nicht gelungen wäre, im
Dunkel der Nacht zu entwischen.
160
Diese Gebräuche sind uralten Ursprungs im
Morgenlande. Herodot, die Bibel, überhaupt die
ältesten Geschichtwerke sprechen hiervon. Das Hand-
werk war immer ein verachtetes, aber es wurde als
ein Nothwendiges geregelt und ausgebildet.
Erst gegen Mittag verließen wir Dschiedliche.
Man kömmt an mehreren Inseln vorüber. Pokock
nennt die größte aus denselben Dom, nach den
Palmen, womit sie bepflanzt feyn foll. Sarasy, der
ihn abschrieb, sagt dasselbe. Ich fah aber auf kei-
ner Palmen, auch wußte Niemand jenen Namen.
Man nennt jene Insel: Gesiret-el-Bardiff.
Bei Abu-Dschufa, wo nur sehr wenige Häu-
fer um das Grab eines Schech's sich reihen, macht
der Nil eine starke Krümmung. Er kommt aus NNO.
Bei Nordwinden ist diese Strecke gefährlich. Sie
ist die erste der »drei bösen Stellen bis Theben, «
wovon die arabischen Schiffer viel zu erzählen wil-
fen. Zur Rechten bleibt die Insel Naknak, worauf
man Kohlen aus Siffabaenholz brennt. Auf dem
rechten Ufer wird die Ebene breit und bebaut, wie
fie es seit Altfieh nicht war. -
Viele Krokodile lagen auf den Bänken im Nil.
Zum Theile waren sie ganz außer dem Waffer; zum
Theile hielten sie den Schwanz darin und streckten
den Kopf uferaufwärts. Andere schwammen mit au-
ßer dem Waffer gehobenem Kopfe. Von denen, die
161
im Schlamme sich sonnten, lagen. Viele auf dem
Rücken, das schmutzige Gelb des Bauches uns zuge-
wandt; sie hielten auch den geöffneten Rachen em-
por und schnappten, wie nach Luft. Die Araber
sagten uns, daß die Fliegen zu Tausenden fangen.
Wir machten Jagd auf sie. Unsere Kugeln drangen
nicht durch den Panzer. Der größte mochte einige
zwanzig Fuß Länge haben. Für die Gestalt dieser
Thiere ist das richtige Wort: scheußlich.
Farschiut gegenüber, tritt das arabische Gebirge
nahe an den Nil. Es bildet da große Maßen,
mit Flächen zu oberst. Am Ufer bei Hou waren
viele Feuer angezündet. Da die Araber an keinem
Fahrzeuge und an keiner Versammlung von Men- -
fchen vorüber fahren, ohne sich, so weit nur die
Stimme reichen kann, Grüße zuzurufen und Fra-
gen zu stellen, so erfuhren wir bald, daß Ibrahim
Karcheff, Gouverneur von Kiene, dort ein Lager
aufgeschlagen habe.
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Schech-Ghammeh. El - Gora an.
El-Garf. El-Maffara.
Album ena. s Bardiff.
Wollet - Haneff. El - Beljenne.
Scherg - el - Hejam. Nasleh-Beljenne.
14
162
Beni - Achije. Sammata.
Limbirr. Abn - Dschufa.
Nasleh - Schech-Omar. Samhut.
El- Sieh. Schech-Mohammed-
Hamram.
Ahn - Sabad.
Nasleh - Sabad.
Farschiut.
Sach-el-Bachgire.
El-Affarra.
18. Jänner. Mit leichtem West legten wir
die zweite der bösen Strecken, diejenige von Hou
bis Kaffer-Sajad, hart am arabischen Gebirge,
ohne Aufenthalt zurück. Die Dörfer sind in dieser
Gegend beträchtlich kleiner, der Boden ist ärmer.
Wir hielten eine Weile an Refieh, das sparsam von
Palmen, Dattel-Naback und Atlebäumen umge-
ben ist. Der Naback hat Blätter, die denen des
Apfelbaumes gleichen, festes Holz und kleine, rothe
Früchte. Er wird auch Nebb genannt. – Der Ätle
gleicht unserer Föhre, nur verbreitet er mehr eine
Äste. Er hat ein lichtes Grün und kurze Fäden statt
der Blätter.
Ober El-Machgar tritt die libysche Wüste an
den Strom und begleitet denselben bis Dendera,
in dessen Nähe die alte Tentyra stand. Einzelne
Palmen stehen hie und da am Ufer. Bei Samata,
auf dem rechten Ufer, hat der Vicekönig sehr schöne
163
Wafferzüge bauen laffen, zum Behufe der Indigo-
pflanzungen. Dendera ist fast nur von Palmen um-
geben. Man sieht überhaupt wenige Dattelbäume.
Jährlich kommen Leute aus Jerusalem nach Käne
und kaufen die Palmenfrüchte, aus deren Kern sie
Rosenkränze machen.
O) r t e.
Rechtes Ufer. Linkes Ufer.
El-Gaffer. Hou.
Kaffer - Sajad. Nasleh - el-Hou.
Nasleh-Schech-Mohammed. Refieh-
Nagia - el-Kau. El-Gaffarme.
Nagia-el-Belabiff. Affisieh.
El-Belabiff. El-Machgar.
Fau. Dendera-
Disne. El - Darabfe.
Nasleh-el-Disne.
El-Dahaubieh.
Samata.
Wollet - Ambar.
Nasleh-el-Käne.
Käne.
19. Jänner. Käne, nach dem Namen zu
schließen, die Neapolis des Herodot (II. 91) ist ein
anmuthig gelegenes Städtchen, der Hauptort einer
Nazirschaft und der Mittelpunkt des Handels der
Thebais mit El-Hedschias, dem Küstenlande von
- - 14 *
164
Mekka und Medinah. Koffer, vier Tagreifen von
Käne, ist deffen Hafen am rothen Meere. Jedes
Jahr wandern Tausende von Pilgern durch Käne,
und 160 bis 200000 Ardebb Getreides werden
von da, auf Rechnung des Vicekönigs, nach den
heiligen Städten geschafft, um dort an die Mo-
scheen und Truppen vertheilt oder verkauft zu wer-
den. Deßhalb liefert das Gebiet von Käne auch kein
Getreide nach Kairo, und zieht in schlechten Jah-
ren, dasjenige aus den Nazirschaften Dschiedliche
und Schiut an sich. -
Auf unserer Rückfahrt verweilten wir in Käne,
um uns zu erholen. Wir fanden eine Baumwollen-
spinnerei und Zeugfabrik im Gange, und eine
zweite im Bau. Aber fast alles Volk, was nicht
mit dem arabischen Handel beschäftigt ist, nimmt
Theil an der Erzeugung der Bardaken, welche in
ganz Ägypten von uraltem und unentbehrlichen Ge-
brauche zur Läuterung und Frischung des Trink-
waffers sind. Der ärmste Bettler in Ägypten besitzt
wenigstens eine solche Bardacke, und sie fehlt auf
keiner Tafel vom Sclaven bis zum Vicekönig. Eine
Bardacke zu / Maß kostete zwei Para, wovon
40 auf die Piaster gehen; fünfzehn Piaster aber
gehen gegenwärtig auf einen spanischen Säulentha-
ler. Die Großen und Reichen wechseln die Bardacken
mit jedem Tage; der Arme bedient sich der feinigen,
165
bis sie bricht. Dem Reisenden auf dem Nil sind sie
unerläßlich, und ich rathe. Jedem sich mit einer
guten Zahl davon zu versehen. -
In den Magazinen der Kaufleute, die den Han-
del mit Arabien in Händen haben, fanden wir Ka-
fhemire und indische Stoffe, Kaffeh aus dem Pemen
und eine Menge Wohlgerüche, wie sie schon zu den
Zeiten der Urväter aus diesem Lande kamen. Auch
Balsam und allerlei Waaren aus Aloeholze, was
vielleicht eben das wohlriechende Holz Sittim ist,
das im zweiten Buche Moyses so oft genannt wird.
Die Weise, wie uns der Statthalter Ibrahim
Aga empfing, liefert einen Beweis mehr, daß bei
diesem Volke, die neue Sitte die alte Tugend nicht
verbannt. Sein Boot, eine Pferde, eine Diener-
fchaft waren zu unserem Gebote auf den Ausflügen,
die wir in die Umgegend machten. Daran waren wir
gewohnt. Was uns aber mehr überraschte, war eine
ganz europäische Küche- und Tafeleinrichtung zu fin-
den. Wir wollten unseren Augen nicht trauen, als
wir eines Abends aus den Zelten (denn er wohnte
mit seinem ganzen Hausstaate unter Zelten auf
einer Wiese) nach einem Wohnhause geführt und
von ihm an der Thüre eines Saales empfangen
wurden, wo wir einen Tisch, ganz auf europäische
Weise, mit Tuch, Servietten, Tellern, Blumen-
aufsätzen,"Gläsern und Flaschen u. f. w. gedeckt
166
fanden, ihn aber mit mehreren feiner Officiere auf
den Seffeln Platz und an einem trefflichen Male
Theil nehmen fahen. Französische Weine standen
in Kühlbecken neben uns; es fehlte an Bordeaux
und Champagner nicht. Ibrahim und seine Türken
thaten uns mäßig Bescheid. Seine Diener waren
mit der Art des Auf- und Abtragens, so wie des
Zerlegens der Gerichte bekannt. Überhaupt es man-
gelte nichts, und wir hätten uns ganz gut einbil-
den können, wir wären eine Gesellschaft Freunde,
die in irgend einer Stadt Europas, eben vom Mas-
kenball kämen. Ibrahim Aga erklärte uns zum Theile
das Räthel, indem er uns den Helden des Tages,
feinen Koch, vorstellte. Dieser war ein Italiener.
Die Scene, fo heiter sie war, artete nicht im ge-
ringsten aus. Wir nahmen fiel um fo mehr für eine
uns erzeigte Aufmerksamkeit, als Ibrahim selbst
gestand, daß er manche europäische Gebräuche kenne
und achte, diejenigen seines Landes aber vorziehe.
Nach Tische zogen wir wieder nach den Zelten.
Der Weg dahin war mit Fackeln erleuchtet. Das
Sitzen auf dem Stuhle hatte unseren braven Wirth
ermüdet, der sich nun auf einem Divan wohlge-
fchehen ließ. Wir nahmen Platz ihm gegenüber. Das
Zelt war mit dunkelrothem Sammt aus palliert, an
dem lange Goldfransen hingen. Von demselben
Stoffe waren die Divans. Den Boden deckte ein
167
Teppich aus Smyrna. Silberne Armleuchter mit
Spiegeln waren an den Wänden; andere standen
auf niederen, runden Tischen in den Ecken.
Während wir plauderten, Kaffeh nahmen und
schmauchten, erhob sich Musik und bald erschienen
einige Tänzerinnen, die sich erst tief verneigten,
dann bis an den Eingang des Zeltes zurückgingen,
und dort niederhockerten. Sie fangen, abwechselnd
mit einem blinden Manne, mehrere Lieder, meist
in Molltönen, klagend, weich. Es waren Lieder der
Liebe, des Abschiedes, des Lobes auf Blumen, Dich-
tungen, zart wie Frühlingsblüthen, wie der Hauch
auf Früchten. Dann warfen sie ihre Oberkleider ab,
und tanzten mit mehr Anstand, es ist wahr, als
sie vor dem Volke zu tanzen pflegen, und nicht ohne
Leichtigkeit und Anmuth in den Bewegungen, aber
doch denselben Tanz voll leidenschaftlicher, gewalt-
famer Verzerrungen, den die Sinnlichkeit allein
erfunden zu haben scheint, so wie sie allein ihn zu
würdigen weiß. Diese Tänze und Lieder, im Grunde
fo widersprechend die einen den anderen, wechsel-
ten bis tief in die Nacht.
Das linke Ufer ist hoch und da die alten Canäle
verstopft sind, so steigt der Nil selten bis über das
Feld von Dendera. Das libysche Gebirge tritt, ober
diesem Orte, bis auf eine halbe Stunde Entfer-
nung an den Nil, zum ersten Male in solche Nähe
I68
auf der ganzen Strecke von Kairo bis dahin. Es
ist hoch und zeigt kräftige Umriffe. Auch das ara-
bische gewinnt hinter Käne an Ausdruck. Es läßt
vor sich eine schöne, mit Orten besäete Ebene. An
Käne ist eine Insel, welche den Ort El-Hamatat
trägt. Bei Abnud sind zwei andere bebaute Inseln.
Von dort aus erblickt man die Berge von Theben.
Die alte Koptos, jetzt Keft, bleibt eine Vier-
telstunde östlich vom Dorfe El-Barut. Man sieht
die Schlucht im arabischen Gebirge, durch welche
die Straße von Koffer niedersteigt. Durch dieselbe
Ebene , über dieselbe Einfattlung lief die große
Handelstraße von Koptos nach Berenike, welche
Ptolemäus Philadelphus anlegte, und die sich von
jener nach Koffer beim Brunnen El-Kittah fähied.
Kuß, einst die kleine Stadt des Apollo, steht vom
Nil nicht weiter als Koptos ab. Ein einziger Mi-
naret hebt sich darin. Nach diesem Orte zieht ein
breiter Canal und bewäffert die schöne Ebene.
Wo der Nil sich nach NON wendet, ist die letzte
der drei bösen Stellen. Die Menge von Untiefen ma-
chen die Fahrt langsam, und bei manchem Winde
gefährlich.
Es dunkelte schon, als wir uns dem Gebiete
der hundertthorigen Theba näherten. Schweigen der
Wüste, des Todes, lag darüber, Schweigen und
Nacht. Wir selbst wurden stille, als beträten wir
169
heiligen Boden. In solchen Augenblicken ist der
Wandel des Lebens und der Zeit näher an das Au-
ge gerückt. Die Geschichte selbst wird enge, wo man
ihre Grenzen sieht. Der Abgrund, in den die Ver-
gangenheit, im Verhältniß als die Zeit vorrückt,
versinkt, ist gleichsam aufgethan und man steht
an defen Pforte. Schon zu den Zeiten Herodot"s
wußte man mit den Gründern von Thebä und mit
ihren König geschlechtern nichts mehr zu machen,
als sie unter die Götter zu versetzen, denn alle Ge-
schichte endet in Mythe. Wir würden Thebä selbst
eine Fabel nennen, sprächen die Monumente nicht.
Welch Kommen und Gehen von Völkern und Ge-
schlechtern, welche Verbreitung und Verzweigung
von Ereigniffen war nicht nothwendig seit Jahrtau-
fenden, damit am heutigen Tage, Söhne des wü-
ten Arabiens drei Neugierige aus Paris, vom Rhein
und von den Alpen der Steiermark, in derselben
Barke vereint, in dein Gebiet, hundertthorige Thebä,
einführen konnten! -
O r t e.
Recht es Ufer. Linke s Ufer.
El-Harb. För,
El-Affatieh. Balaff. -
El-Sorrafa. Nasleh- el-Balaff.
Abnud, Thuu.
Prok efch: Ägypten I. 15
I7)
(El - (Genenne, Schech - Ali.
El-Bafut. - Hattara.
Keft. - Kom-el-Schech - Ali.
Mohammedie. Kom - Ibd.
Nasleh- el-Mohammedie. Nagada.
Kuff. Menfieh.
El-Helle. El-Harafat.
Karagös. El-Affa sieh.
El-Affiff. Karmula.
20. Jänner. Wir erneuerten am Abende unsere
Abrede, durch Nichts uns abhalten zu laffen, die
Reise bis an die Katarakten fortzusetzen, und erst
auf dem Rückwege die Monumente zu besuchen. So
gewaffnet, traten wir am Morgen ans linke Ufer,
da eben der Wind die Barke nur langsam vorwärts
bewegte. Sobald wir einen Vorsprung des libyschen
Gebirges, der fast bis an den Nil vorgreift, erreicht
hatten, und nun der Strom aus SW fließt, ent-
deckten wir zwei Obelisken aus einem Palmenwalde
sich heben, hohe Mauern, dann hohe Pforten und
Pilonen; es war Karnak. Bald darauf zeigten sich
auch die Obelisken und Ruinen von Luxor.
Wir hatten die Wüste zur Rechten, ganz nahe;
der Boden, worüber wir schritten, war unbebautes,
mit Dornengebüsch bewachsenes Land. So wie wir
die Wüste selbst erreichten, bemerkten wir Katakom-
ben. Wir krochen in mehrere derselben. Alle waren
vor Kurzem bewohnt gewesen, oder noch bewohnt,
17 I _
und zu unserem gegenseitigen Erstaunen fanden wir
Leute darin. Diese Troglodyten gehörten einem
Stamme arabischer Hirten an, der sich vor ein paar
Jahren gegen den Vicekönig aufgelehnt und alle
Schrecken der Gewalt erfahren hatte. Das ganze
Gebirge war mit Katakomben durchzogen. Wir stan-
den auf der Nekropolis von Theben, und hatten
zur Rechten das Felsenthal Bab-el-Melek, die Grä-
ber der Könige. - -
Auf die Hügel dieser untersten Katakomben tre-
tend, entdeckten wir plötzlich, mitten in weit aus-
gedehnter Ebene am linken Ufer, die beiden fitzen-
den Koloffe. Wir riefen laut auf vor Überra-
schung! – Dann ritten wir auf ein Palmenwäld-
chen los, woraus ein Tempel emporstieg, Kurnu.
Wir konnten uns nicht satt sehen an diesem mäch-
tigen, klaren Bau, – an dem Reichthum der Aus-
führung und der erstaunenswerthen Gleichheit in
Bearbeitung der Hieroglyphen und Figuren. Wir
riffen uns nur mit Mühe los und folgten einigen
Arabern, die wir im Tempel grabend gefunden hat-
ten, nach der Behausung eines Griechen, der, in
Auftrag des englischen Generalconsuls Salt, nach
Theben gesendet war, um Nachgrabungen vorneh-
men zu laffen. Wir hatten Briefe an ihn und er
sollte uns als Glied der Kette dienen, durch die
wir mit Kairo in Verbindung bleiben wollten. Er
15 *
-172
wohnte oberhalb dem Memnonium in einem Hause,
aus alten Blöcken und Ziegeln in der Eile zusam-
mengeklebt; bemalte Deckel von Mumiensärgen
dienten zu Thüren, der Hof schien ein Schlachtfeld,
denn er war mit Gebeinen von Mumien bedeckt,
alle Theile des Hauses waren voll der Ausbeute fei-
nes Handwerks, das mich durch die Art, wie ich es
getrieben fah, unangenehm berührte. Der Grieche,
Athanasio, empfing uns freundlich, und ging in
unsere Wünsche ein. Er wies uns seine Schätze, eine
Menge Idole, – Scarabäen, – alabasterne Va-
sen, – Halschnüre aus filbernen Muscheln, in
Gold gefügt, – andere aus Kugeln, wovon wir
die Materie nicht kannten, – einige Papyrus, –
Waffen, und zwar Wurfpfeile 6 Fuß lang aus sehr
festem Holze, – Beile, darunter eines , defen
Handgriff, 2. Fuß lang, aus Silber, die Schneide,
10 Zoll breit, aus Erz, halbmondförmig gearbei-
tet war, – ein wunderschönes Stück! – einen
Dolch, gleichfalls aus Erz, 5 Zoll lang und oben
einen Zoll breit, mit breitem Handgriff aus Sil-
ber, u. f. w.; auch mehrere Stücke Leinwand, viele
Ellen lang und am Ende gefranzt. Alle diese Dinge
hatte er in Gräbern gefunden.
Am Gestade von Kurnu, wo unsere Barke war-
tete, sahen wir Gesellschaft. Eine zweite Barke war
da angebunden, ein Zelt aufgeschlagen, einige Eu-
173
-
ropäer mit Strohhüten, traten uns daraus ent-
gegen. Es waren englische Reisende, die aus In-
dien kamen. Sie hatten Bombey vor 33 Tagen ver-
laffen.
Wir eilten uns einzuschiffen. Noch schoß ich ein
paar kleine Vögel, die ich zum ersten Male hier, höher
hinauf aber häufig, gesehen habe. Ein Dritter, der
ganz gelb wie ein Kanarienvogel, aber größer, war,
entkam mir. Von den beiden Anderen war der Eine
fchwarz und weiß, schwarz nämlich die Flügel, der
Rücken, der Hals, der Untertheil des Kopfes bis
zu den Augen, der Schnabel, der obere Theil der
Brust, die Füße; weiß der obere Theil des Kopfes,
der untere der Brust, der Leib, der Schwanz. Die
Araber nannten diesen Vogel, der die Größe eines
Sperlings hatte, Asfur-Dschebel, den Berg- oder
Wüstenvogel. – Der Andere hatte dieselbe Größe.
Rücken, Obertheil des Kopfes und Brust waren
lichtbraun, das am Schwanz und Leib ins Weiße
überging. Der Schwanz und die Enden der Flügel
spielten schwarzbraun. Der untere Theil des Kopfes
hatte schwarze Federchen, die an den Spitzen in Licht-
braun endeten. Die Araber nannten ihn Emier.
Man brachte uns auch ein junges Krokodil, nicht
über 4 Fuß lang, und bot es uns zu ein paar Pia-
ster an. Der Preis war billig, aber der Gegenstand
lockte uns wenig. -
174
Wir fuhren vorüber an den Ruinen von Luxor,
denen an malerischer Wirkung vielleicht keine auf
Erden gleichen. Sie schienen mir Königspaläste in
Trümmern, auf denen sich Bettler angesiedelt haben.
Die mächtigen Pilonen, die schlanken Obelisken,
die Säulengänge glänzten im Strahle der Nachmit-
tagssonne und schnitten sich mit wunderbarer Rein-
heit am klaren Himmel aus. Hütten von Schlamm
find zu unterst daran geklebt, – Taubenschläge ste-
hen hie und da auf dem Gebälke des Tempels. Wir
fuhren vorüber, rasch wie die Zeit, wie Geschlechter
und Völker, und sahen sie unverrückt stehen im
Glanze des Abends.
Wir legten bei Hermontis an, das heut zu Tage
Erment genannt wird.
O r t e.
R echtes Ufer. Infe l. Linkes Ufer.
------- - - - -
Saida. - Kurnu.
El- Senieh. -a- -m-
Karnak. – -
Luxor. - -
Abul - Hagjad. El - Agalte. Baarad.
Bejadieh. - Nasleh-el-Erment.
- - Erment.
21. Jänner. Hermontis gegenüber liegt eine
angenehme Insel; eine größere, zwei Stunden auf
I75
wärts, welche den Namen Reigat trägt. Das rechte
Ufer ist seit Theben bebauter als das linke. Die
Dorfchaften haben ein besseres Ansehen, als in der
Gegend von Käne. Halbwegs von Hermontis nach
Esne, kommt man an die beiden Berge Dschebelin,
wo der Nil so eingeklemmt wird, als habe die Na-
tur hier die Südgrenze der Thebais angeben wollen.
Zur Linken ist es das arabische Gebirge, das hart
an den Strom tritt; zur Rechten ein freistehender
Hügelzug, der mit einer Felswand das linke Ufer
begleitet. Auf diesen Hügeln sowohl als auf der un-
teren Felsenmaße sind Reste schwerer Mauern aus
ungebrannten Ziegeln, die durch Feuer zerstört schei-
nen. Zwischen den Klüften sind einige Hütten; auch
die Höhlen und Gräber dieser Hügel sind bewohnt.
Auf der Spitze aber steht das Grab eines Heiligen.
Die französischen Gelehrten suchen an dieser Stelle
Krokodilopolis. Vielleicht stand Asphynis hier, wo-
hin die Notitia Imperii eine Reiterschar zur Be-
fatzung legt. D'Anville glaubt diesen Ort im heutigen
Dorfe Asfun gefunden zu haben. Die Namenähn-
lichkeit spricht für seine Meinung. Es sind aber keine
Ruinen dort.
Da uns der Wind begünstigte, so kamen wir
bald nach Mittag in die Nähe von Esne. Da er-
blickten wir einen Greis im Waffer, von der Strö-
mung ergriffen und weggeführt. Wir warfen ihm
176
ein Seil zu, das zu erfaffen er aber nicht mehr im
Stande war. Vergeblich schrieen wir unseren Schiff-
leuten zu, die Barke zu wenden, – vergeblich ver-
sprachen wir Geld; Bann schien auf unseren Leu-
ten zu liegen und Keiner regte sich. Einstweilen
war der Unglückliche schon einige hundert Schritte
weiter hinabgetragen. Was soll dieß unbegreifliche
Starren, wo es sich um das Leben eines Menschen
gilt, riefen wir, und riffen selbst die Barke herum,
warfen auch ein Bret ins Waffer – da befahl der
Reis, mit ruhiger Stimme, zweien feiner Leute,
um uns zu beruhigen, dem Spuk zu folgen. Die
Leute sprangen ins Waffer, und, kecke Schwimmer
wie sie Alle sind, sahen wir sie bald den Greis er-
reichen, der von Zeit zu Zeit den Kopf oder eine
Hand emporstreckte. Einstweilen kam eine Barke den
Nil herauf – aber fie, kaum gesehen um was es
sich handelte, wich sie aus und versagte jede Bei-
hülfe. Lange bemühten sich unsere beiden Schwim-
mer, so daß wir schon Angst um sie fühlten – aber
der Greis zeigte sich nicht mehr, und sie kamen end-
lich unverrichteter Dinge zurück. Diesen Augenblick
nahm der Reis, ein Muster von Ruhe, Milde und
Redlichkeit, und defen Benehmen uns eben deshalb
so unbegreiflich schien, um uns zu sagen: »Unser
guter Wille fey in der Irre, was wir für einen
Menschen hielten, fey der leidige Teufel. Er und
p77
jeder Schiffer auf dem Nil wife, daß dieser zu Zei-
ten gerade in der Gestalt sich zeige, wie wir ihn
heute gesehen.» Er ließ sodann die beiden Schwim-
mer vortreten und diese, wie vom Schauder gefaßt,
erzählten: sie hätten es klar gesehen, dieser Greis
liefe in einen langen Schwanz aus; er wäre jedes-
mal ausgewichen, so oft sie ihn anfaffen wollten –
und als sie ihn doch einmal am Arme erwischten,
fo hätte er geheult und wäre in die Tiefe gefah-
ren.« – So wurde Aberglauben ein Hinderniß,
ein Menschenleben zu retten! –
Die Leute der anderen Barke hatten Mitleid
mit unserer Unwiffenheit und gaben uns eine an-
dere Erklärung. Sie behaupteten, es wohne nicht
ferne von Esne ein Zauberer, zu dem häufig die
Weiber, welche mit ihren Männern unzufrieden sind,
Zuflucht nähmen. Der Zauberer verwandle auf be-
liebige Zeit den Mann in ein Flußwesen, halb
Mensch, halb Fisch, und zwinge es, sich von Fi-
fchen zu nähren, wie andere Fische thun. Glaubt
das Weib ihren Mann bestraft genug, so kauft sie
den Gegenzauber, und alsogleich wird das Flußwe-
fen wieder, was es vordem war.
Diese Zauber bestehen in beschriebenen Zettel-
chen, welche in Amuleten getragen werden. Es gibt
wenige Araber, die sich nicht irgend eines angeschafft
haben. »-
178
So wie man die Sandzunge am linken Ufer
vor Esne umfährt, erblickt man auf dem rechten
die Trümmer des Tempels von Contra-Latopolis.
Esne selbst steht hart am Nil, hat nur einen Mi-
naret, aber mehrere Moscheen, ist ziemlich ausge-
dehnt, der Hauptort der südlichsten Nazirschaft von
Ägypten , und die Niederlage für alle Lieferungen
der nubischen Provinzen. Dort steht eine der schön-
ften Ruinen, im ägyptischen Style, wenn auch nicht
aus Pharaonenzeit, wie die französischen Gelehrten
und die ihnen nachsprachen, meinten. Davon ein
andermal.
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
Salamieh. Sifahr.
El-Sagab. Isbehr.
Schech - Ismail. Schech - Achut. -
Tör. Nasleh - el- Dschebelin.
El - Helle, Matanne.
Nasleh - el - Genann.
Nasleh-el-Daphnis.
Nasleh - el- Asfun.
Asfun.
Nasleh - el-Scheich-Mohammed.
Nasleh-el-Kaffer - Hetta-Esne.
22. Jänner. Als es tagte, fanden wir uns der
Pyramide gegenüber, der füdlichsten in Ägypten,
179
welche am linken Ufer zwischen den Dörfern Maleh
und Psaliha, am Rande der Wüste, auf eine halbe
Stunde Entfernung vom Nil steht. Diese Pyramide
aus Werkstücken mit Mörtelfügung, auf etwas er-
höhtem Grunde der Wüste angelegt, scheint Stufen
wie diejenige von Meidun gehabt zu haben, ist aber
fehr verstümmelt. Nur zwei dieser Stufen sind er-
kenntlich. Die Parallele der Grundlinie, 3“ hoch
über dem Sandgrunde, maß 56/6“; das Apothem
46/ 6“. Nahe an der Pyramide lagen Wüstenkiesel
von 40 bis 50 Zoll Durchmeffer und von äußerst
schönen Scherzen und Farbenspielen.
Durch die Dörfer Psaliha, Bardak, Zaudiee,
Bajad und Grebiee eilten wir unserer Barke nach,
die den Ruinen von Eilethyia gegenüber angelegt
hatte. – Das arabische Gebirge tritt im weiten Bo-
gen zurück und läßt eine Sandebene vor sich, die
eine Stunde Länge und eben so viele Breite haben
mag. Das Ufer zieht wie eine Sehne durch diesen
Bogen. In der Mitte der Sehne erhebt sich ein Hü-
gel. Da ist Eilethyia, oder vielmehr, da war sie.
Im Hintergrunde der Ebene liegt das arme Dorf
El-Lal, das kaum ein Dutzend Palmenbäume und
am Ufer einen Streifen bebauten Bodens, kaum
einige Schritte breit, hat.
Wir kamen an den Inseln Fowafieh und Do-
mariee, so wie am Gebirge El-Sarat, am rechten
180
Ufer, und nach zwei Stunden Fahrt an Edfa vor-
über, einem Städtchen, aus dem sich riesig die Pi-
lonen, das Thor und die Mauern eines der größten
Tempel Ägyptens erheben. Da stand die Stadt des
Horus, Apollinopolis magna. – Die Ebene an
linken Ufer ist breit und trefflich bebaut; die am
rechten Wüste. -
O r t e.
Recht es Ufer. " Linkes Ufer.
Nasleh-el- Dschelabieh. " El-Nemmefe.
Scharone. Kamen.
El- Lal. Tora.
Kil - Niffar. Basalie.
El - Behehre. El - Mawasat.
Fowafieh. El- Saiide. -
El-Affauwieh. Gilha - dschebel.
Gadjuth. Edfu.
El - Dom. Nachleh.
Ramadieh.
Nasleh- el - Ramadieh.
23. Jänner. Auch Ramadieh hat eine gut be-
baute Insel, die nach diesem Dorfe benannt wird;
ebenfo Hajangiee. So wie man sich dem Dschebel-
Selfeleh nähert, werden die Ufer schmäler. Die Hü-
gel am linken Ufer, niedrig und aus durchwühltem,
in viele und große Maffen gebrochenen Sandstein,
begleiten den Nil, da noch diejenigen des rechten sich
181
auf eine Viertelstunde Entfernung halten. Kommt
man an eine Klippe im Nil, dann hat man auch diese
nahe am Ufer und ist an der oben benannten Stelle.
Die Ortschaften am rechten Ufergebirge gleichen ge-
thürmten Burgen. Ringsum ist Öde und kaum eine
Spur von Anbau. Die Farbe der Landschaft ist
nicht die lichte der Wüste, sondern ein bräunliches
Grau.
Seit Dschiedliche haben wir jeden Tag Krokodile
gesehen. Die schienen uns größer, je höher wir den
Nil hinauf kamen. An der Klippe unter Dschebel-
Selfeleh – und auf einer flachen Sandspitze ober-
halb diesem Paffe, lagen sie in großer Menge und
in abenteuerlichen Stellungen des Leibes. Sie hat
ten wenige Scheu vor uns. Sie gingen zwar, aber
langsam, hielten die Köpfe über dem Waffer und
krochen alsogleich wieder in den Schlamm, sobald
wir vorüber waren.
Der Paß von Dschebel-Seleleh ist eine Strecke
von der Länge einer Viertelstunde, in welcher der
Nil auf etwa 300 Schritte Breite zusammengedrängt
erschien. Die Strömung war heftig, so daß wir
ihrer nur mit gutem Winde Meister werden konn-
ten. Die alte Sage, daß hier der Nil mit Ketten ge-
sperrt worden sey, ist noch im Munde der Fahr-
leute.
182
In den Felswänden an beiden Ufern sind viele
Gräber und Steinbrüche aus ältester Zeit. Auf dem
linken Ufer insbesondere sind einige Male, die ich
für geschichtliche halte, und die mir, als solche,
unter die merkwürdigsten zu gehören scheinen, welche
Ägypten aufweiset. Ich werde später darauf zurück-
kommen. Hart am Ufer steht auch ein senkrechter
Felsblock etwa 30“ hoch, mit einem natürlichen
Dache versehen, auf diesen Block aber das Grab ei-
nes arabischen Heiligen. Der Mann muß das Selt-
fame geliebt haben. Auf dem rechten Ufer bemerkte
ich den Rumpf eines Sphinx.
Ist man durch den Paß, fo fieht man die Ge-
birge zu beiden Seiten sich öffnen. Man hat bebau-
tes, von niederen Hügeln eingefangenes Land vor
sich, und der Gesichtkreis nimmt wieder die Farbe
der Wüste, die von Zeit zu Zeit bis an den Nil
herabsteigt und diesem ihr Gelb aufdringt. So ist
das Land bis Kom-Ombos, dessen herrlicher Tem-
pel, weitherrschend auf der Höhe des rechten Ufers,
schon aus weiter Ferne unsere Blicke auf sich zog.
Schöner gelegen als diese Ruine ist keine längs dem
ganzen Laufe des Nil, aber der Strom scheint fie
zu fuchen, um sie zu zerstören. Richtig bemerkt die
französische Karte ober der Insel Mansurieh eine
kleinere Insel, aber die Hauptmaffe des Was-
fers drängt sich jetzt nicht mehr im Osten, sondern
183
im Westen dieser Insel vorbei, hat einen Theilder-
selben weggenommen, und fällt, ohne Wehre, ge-
rade auf den Hügel von Ombos.
Dieser Hügel ist von der Spitze bis tief unter
den Wafferspiegel mit eingestürzten Trümmern be-
deckt, voll der herrlichsten Bilder und lebendigsten
Farben. Zwei Drittheile eines Tempels der Isis
liegen so in gelösten Maffen da, das dritte hängt
über dem Abgrunde und wird in wenigen Jahren
nicht mehr feyn.
Ober Kom-Ombos liegt der große Ort Deraui
von herrlichem Grün umgeben, wie eine Oase,
denn ringsum ist Wüste. Es zieht ein Canal von
Ombos dahin, und es werden auch ein paar Brun-
nen zur Bewäfferung benützt. Deraui ist die Ein-
bruch- und Zollstation für die Karawanen aus den
Ländern der Schwarzen, die nicht tiefer unten bei
Esne oder Schiut aus der Wüste brechen. Seit
Dschebel-Selfeleh, ja seit Esne fahen wir wenig an-
deres Volk, als Nubier, die sowohl an Farbe, als
Zeichnung, vom arabischen Bewohner Ägyptens un-
terschieden sind. Längs dem Ufer fanden wir jetzt
häufig Schilfbündel aufgerichtet, welche die landes-
übliche Fähre ausmachen, um von einem Ufer auf's
andere zu setzen. Jeder Bündel besteht aus drei
Würsten, 8 Fuß lang und unten - Fuß dick, so daß
die ganze Breite desselben zwischen 3 und 4 Fuß
134
ausmacht. Diesen Bündel nimmt der Landmann
zwischen die Beine; zum Ruder dienen ihm Stäbe
oder wohl auch seine Hände, und so reitet er über
den Strom. Weiber und Kinder fürchten dabei nicht
wenig die Krokodille.
Auch die Fahrzeuge sind verschieden von denen
unterhalb Esne, und zwar bedienen sich die Leute
hier der Nachen aus einfachen Bretern von Syko-
moren und Suntbäumen.
Die Insel Munsurieh, oberhalb Ombos, zeich-
net sich durch Anbau und Reichthum an Palmen
aus. Eine andere schöne Insel liegt etwas höher;
fie gehört zu Deraui. Wir sahen mehrere Neger
darauf, deren eine bedeutende Zahl zu Deraui an-
fäßig ist.
O r t e.
Recht es Ufer Lines ufer.
Hajangiee. Hamamm.
Siloa. Phariff.
Esbekieh. El - Rasras.
Fareff. Bin ban.
Fatire. El- Sabhait.
Dschilitt. El - Ragaba.
El-Ädue.
Kom - Ombos.
Sad - el - Kom Ombos.
Deraui. -
Schech Ibrahim.
El-Duwefe.
- 185
24. Jänner. Schon ragen hie und da Klip-
pen aus dem Nil, und machen die Fahrt gefähr-
lich. Das Land ist schmal, die Dörfer sind arm.
Wohl sieht man noch Dattelwäldchen und Pal-
men, aber in geringer Ausdehnung und Zahl. Wo
irgend ein Thal sich öffnet, stehen Bewäfferungs-
maschinen am hohen Ufer, Räder mit Töpfen am
Stricke, durch Ochsen getrieben. Auf der Deichsel
sitzt gewöhnlich ein Kind und muntert die Thiere
auf. Die Sache sieht malerisch aus, um so mehr
als, nach der Flußseite, um den Thieren den Ab-
grund zu verbergen, Bäume (meist Sunt) zu stehen
pflegen. Auf den Hügeln sind hie und da Steine
in die Runde gelegt, was einen Herd anzeigt, auch
Steinaufwürfe, hinter denen die Neger die Felder
hüten. Die Ufer waren mit Ricino bedeckt.
Kubanieh ist ein weitläufiger Ort; d. h. Häu-
fergruppen, über eine lange Strecke vertheilt, tra-
gen diesen gemeinschaftlichen Namen. Affuan zeigt
sich bald darauf, und von dieser Stelle wird das
Land wieder schöner. Das arabische Gebirge läßt
dem Ufer eine Viertelstunde Breite, und schließt mit
einer schwarzen Wand den Gesichtkreis im Süden,
Palmen, Datteln und Sunt ziehen am Abhange
hin, und bilden freundliche Gruppen in der ab-
wechselnd mit Sand und mit Grün bedeckten Ebene.
Das libysche Gebirge streckt sich mit sanften Hügeln
16
186
bis in den Nil; deren Farbe ist hohes Rothgelb,
In wagrechten Schichten bricht der schwarze Sand-
stein durch diese warme, makellose Färbung. Auf
dem obersten dieser Hügel ist eine Warte errichtet,
Kobbet-el-Hauwa, Affuan gegenüber, und wie
dieses selbst, voll malerischer Wirkung im Bilde.
Die Landschaft erhält durch die Inseln Schech-
Amram und Schedia, welche die baumbepflanzten
Ufer verbinden, und den Strom, für das Auge,
in einen See umwandeln, vielen Reiz. Das An-
ziehende dieser einfachen Bilder, im breiten Rah-
men der Wüste, – bei dieser klaren durchschimmern-
den Luft, bei diesem Himmel, bei dieser Stille, bei
dieser Ferne von Freunden und Vaterland, wirkt
mächtig und, wenn nicht erheiternd, doch angenehm
auf die Seele. -
Schedia ist mit einem Luftgebäude des Kriegs-
ministers, Mohammed-Laz, geziert, wozu leider
Elephantine die Bausteine gab. Diese berühmte
Insel hat man vor sich, sobald man Schedia zur
Linken läßt. Sie kündigt sich als ein Wald von
Dattelpalmen an, aus defen Schatten ein breites,
neues Gebäude hervorschaut. Granitklippen schlie-
ßen scheinbar den Nil zu beiden Seiten derselben.
Die Hügel der Wüste schauen darüber herein. Rechts
ragt Kobbet-el-Hauwa empor, mit Trümmern ei-
nes arabischen Schloffes auf defen Felswänden;
187
links baut sich Affuan längs einer sanften Höhe
hinauf. Den nahen Hintergrund bildet das dunkle
Gebirge, welches Ägypten von Nubien fondert,
das Gebirge der Katarakten.
Wir waren am Ziele (so dachten wir damals),
und betraten mit Freude das Ufer von Affuan.
O r t e.
Recht es Ufer. Linkes Ufer.
El- Hellahiff. El - Rehefieh.
El-Hanak. Kubauieh.
El-Agaba. Befiunn.
Nasleh - el-Agaba. Dschedidd.
Wodhafim. Garb- Affuan.
Hatara. -
Schedia.
Kakarok.
Affuan,
16 *
D. heutige Syene ist ein Städtchen, zur
Nazirschaft von Esne gehörig, und der Sitz eines
Kascheffs, dem das Land bis Wuadi-Halfo, d. i.
bis zu den großen Katarakten unterworfen ist. Es
gewinnt an Leben und Bedeutung, durch eine Lage
an den unteren Katarakten, welche es für die Trans-
porte auf dem Nil zur Aus- und Einladungstation
macht. Seit die Truppen des Vicekönigs ins In-
nere von Afrika drangen, und dort ein Theil der-
selben zur Besatzung liegt, sind diese Transporte
häufiger, und dieß veranlaßt mehr Leben am Ge-
fade von Affuan, als in vielen größern Städten
am Nil. Wir fanden einige dreißig Fahrzeuge, welche
aus - oder einluden, und mehrere Karawanen zwi-
fchen Affuan und Meffid, was der Hafen oberhalb
den Katarakten ist, fortwährend im Gange.
Der Kascheff Jacub war ein einfacher, etwas
finsterer Mann, ein gemeiner Türke. Er schien
arm, aber ohne Wünsche. Uns ließ er schalten und
walten, wie wir eben wollten, bat uns jedoch auf
189
einen Abend zu sich, um uns mit Kaffeh und
Pfeife, Musik und Tänzerinnen zu beehren.
- Im Südwest der damaligen Stadt stehen die
ausgedehnten, und aus der Ferne sehr maleri-
fchen Ruinen der arabifchen Sylene (Alt-A-
fuan, oder Suan). Zwei Hügel und das Thal
zwischen Beiden sind mit diesen Ruinen bedeckt. Der
erste trug das Schloß, defen Mauern noch stehen.
Mehrere Moscheen sind noch fast ganz erhalten,
aber verlaffen, und Menschen und Thieren Preis
gegeben. Die Verbreitung dieser Ruinen, und die-
jenige der Gräber im Osten derselben, beweisen,
daß Affuan unter den Arabern eine stark bevölkerte
Stadt war. Dieß erklärt die Verwüstungen, die
fie über ganz Nubien brachten, indem sie aus
Affuan, wie aus ihrem befestigten Lager, dieß Land
überrannten. Alt-Affuan ist nicht nach und nach zer-
stört oder verlaffen, sondern wahrscheinlich, bei der
Eroberung des Landes durch die Türken, mit dem
Säbel in der Hand erobert und zu Grunde ge-
richtet worden. Spuren von Gewalt und Feuer
find an den meisten Gebäuden, selbst an den Mo-
fcheen sichtbar, nur die Gräber blieben verschont,
und zeugen noch mit ihren Domen und zierlichen
Aufschriften für die Herrschaft der Sarazenen.
Auf dem zweiten Hügel hinter Alt-Affuan, der
den ersten, so wie dieser die heutige Stadt über-
190
ragt, stehen ein paar Moscheen und eine schönge-
baute Warte, aus neuester Zeit, rund, auf ein
Viereck gestellt und kegelförmig zulaufend. Sie ist
38 Stufen hoch, die Stufe zu 10 Zoll. Von ih-
rer Höhe überblickt man die Granit gebirge weithin
nach Osten, sieht den Lauf des Nil durch die Klip-
pen von Elephantine bis Hadschar-Abdog, eine
Stelle am Ende der Katarakten, die Spuren der
römischen Straße von Syene nach Philä, bis wo
sie unter einem Winkel bricht, auf dem linken Ufer
das seit Jahrhunderten verlaffene Cenobiten-Klo-
ster, wovon Denon und Pokock sprachen, hoch über
einer Schlucht der Wüste. Viele Bergspitzen rings-
um sind mit Warten gekrönt. Diese Stelle ist die
geeignete, um mit. Einem Blicke in der Landschaft
sich auszufinden.
In der Sandebene im Osten der heutigen Stadt,
auf eine Viertelstunde Weges entlegen, steht ein
großer Bau, einförmig, wie die Wüste, die ihn
umgibt. Es ist die Kaserne, welche der Vicekönig
vor einigen Jahren bauen ließ, als ihm der Ge-
danke in den Kopf kam, sich Regimenter aus Schwar-
zen zu bilden, ein Gedanke, welcher einer der Haupt-
gründe zum Zuge ins Innere von Afrika war. Diese
Kaserne ist ein Viereck, zu 1500 Wiener Fuß jede
Seite; zwei Reihen Gemächer, durch einen Gang
geschieden, umfangen einen geräumigen Hof. In
19
der Mitte jeder Seite ist ein Thor, und darüber
ein Saal mit Nebengemächern für die höhern Off-
aiere. Jede Seite enthält 64 Zimmer und neben je-
dem Zimmer ist eine Küche angebracht. Die ganze
Kaserne hat 268 Zimmer, wovon 164 zu vier Fen-
fern, und überhaupt 532 Gemächer. Sie ist aus
Stein und ungebrannten Ziegeln; jeder Ort, bis
Dschirdsche hinab mußte fünfzig Arbeiter liefern,
als sie gebaut wurde; jetzt steht sie verlaffen.
Die römische Syene muß an der Stelle
von Alt - Affuan gestanden haben. Seit ältester
Zeit galt sie als unter dem Wendezirkel des Kreb-
fes liegend, und sie lag auch unter demselben, etwa
2700 Jahre vor Christi. Damals war der Wende-
kreis 24" 5/ 23“; das aber ist die geographische
Breite von Syene. Man kannte die Verminderung
der Schiefe der Ekliptik nicht, und fuhr fort, bis
in unsere Tage, Syene auf einer Stelle zu sehen,
die es nicht mehr einnahm. -
Die Reste aus römischer Zeit sind nicht zahl-
reich. Am oberen Ende der heutigen Stadt greift
ein römischer Bau in den Nil vor, der zugleich Be-
festigung, Damm und Unterbau für Thermen ge-
wesen zu feyn scheint. Er ist aus gebrannten Zie-
geln und Steinen, unter denen man Blöcke mit
Hieroglyphen bedeckt sieht, welche der ägyptischen
Syene angehört haben dürften, und als Bausteine
192
in der römischen verwendet wurden. Die Maffe des
Baues ruht auf einer Klippe und lehnt sich ans
Ufer. Nach 320 Wiener Fuß, auf diesem 20 Fuß
breitem Damme zurückgelegt, steigt man eine Stiege
hinab, die 11“ 3“ Länge hat, und kommt in einen
schmalen, verschlemmten Gang, 36“ lang. An der
Stiege steht eine schlechte Säule, mit einer Platte
als Knauf. In der Mauer zur Linken sind zwei
rechteckige Nischen, zur Rechten aber drei Wölbun-
gen, die nach Norden in den Nil sich öffnen. Die
erste steht 18/ 9“ von der Stiege ab, ist 7“ breit
und 10“ lang, und hat Nischen in der Wand. Das
zweite ist von denselben Maßen, das dritte endet
als Ruine im Nil.
Geht man längs dem Ufer aufwärts, so trifft
man, im Thale zwischen Neu- und Alt-Affuan, die
Ruinen eines Tempels, fast verschüttet, von gerin-
ger Ausdehnung, und der, obwohl im ägyptischen
Style, wie ich glaube, aus römischer Zeit ist. Wir
werden später Gelegenheit haben zu sehen, daß
Griechen und Römer als Herren im Lande im Bau
der Tempel den alten Styl beibehielten, welcher
auch der Religion der Ägypter der vorzugweife zu-
stimmende war. Zwei Gemächer sind in diesem Tem-
pelchen sichtbar, und der Eingang zu einem dritten,
bis an das Supercilium, versandet. Die Wandflä-
chen im Innern der Gemächer sind nicht mit Hiero-
193
glyphen verziert, was beweiset, daß er, wie die
meisten römischen Bauten in diesem Lande, nicht
fertig geworden ist. In der nördlichen Seitenwand
des ersten Gemaches ist ein Fenster angebracht; ein
anderes in der Mitte der Decke, was ich in keinem
Tempel aus der Zeit der Pharaonen und Ptole-
mäer fah. Unter den Hieroglyphen an den Außen-
feiten fah ich wohl mehrere Ringe, aber so abge-
nützt oder verstümmelt, daß ich die Zeichen nicht
mit Sicherheit erkennen konnte. Doch schienen sie
mir die Worte Autokrator Nero zu enthalten. Die
dreieckigen Pfeiler, wovon Pokock spricht, und ei-
nige Granitsäulen, liegen nahe vor diesem Tempel,
da wo jetzt Palmen die Niederung ausfüllen.
Syene hatte, nach Strabo, drei Cohorten Be-
fatzung. Dahin war Juvenal, mit dem Titel des
Grenzstatthalters von Ägypten, von Domitian ver-
bannt worden.
Von der ägyptischen Syene, jener näm-
lich aus der Zeit der Pharaonen, ist jede Spur ver-
schwunden. Herodot kennetfie unter diesem Namen,
und das ist Alles, was wir von derselben wifen.
Prokefch: Ägypten. I. 17
XIV.
Die Granit brüche.
Das Gebirge, welches Ägypten von Nubien fon-
dert, hat an zwei Tagfahrten Tiefe. Es streicht von
Ost nach West. Der Strom bricht durch dasselbe.
Deffen Gestein ist aber jener rothe Granit, aus
welchem die größten Werke der Pharaonen- und
Ptolemäer-Zeit erbauet sind, und welchen Herodot
den »thebaischen Stein« zu nennen pflegt. Obwohl
auf den Inseln der Katarakten, und weiter hinauf
im Gebirge, Granit gebrochen wurde, so sind doch die
eigentlichen Brüche auf dem rechten Ufer, längs der
Katarakten, das ist zwischen Syene und der Insel
Philä, und breiten sich über eine Strecke von einer
deutschen Meile ins Gevierte aus.
Schon zwischen dem ersten und zweiten Hügel
von Alt-Affuan, stößt man auf solche Brüche, in
denen man manche angefangene Arbeit und am Ufer
die Betten in den Felsen gehauen sieht, auf wel-
chen die Maffen in den Nil, also auf Fahrzeuge,
niedergelaffen wurden. Tritt man in die mit Gra-
mitfelsen umfangene hohe Sandfläche in Süd von
195
Affuan, so bemerkt man bald, daß alle die Spitzen,
welche wie Klippen aus der See, aus dem Sande
ragen, zubehauen sind. Auf vielen sind Hierogly-
phen und Bilder eingegraben, wahrscheinlich geschicht-
liche Angaben frommer Widmungen und manchmal
auch Scherze der Arbeiter. Man hat eine Mauer aus
ungebrannten Ziegeln, meist 6“ dick, bald mehr, bald
weniger zerstört, zur Rechten; sie diente einer römi-
fchen Straße zur Schutzwehr. Das Pflaster dieser
Straße, aus Granit, liegt kaum ein paar Fuß tief
unter dem Sande und ist an vielen Stellen erhalten.
Diese Straße führt nach Philä und mitten durch
die Granitbrüche. An einem Felsen, worin ein Bild
der Isis und des Osiris gehauen ist, verläßt man
fie auf eine kurze Strecke und findet sie am Grabe
eines Schechs und an einem wafferlosen Brunnen
wieder. Man ist in einer furchtbaren Öde. Gewiß,
wer in den paar Erdhütten, die man da gewahrt,
geboren, mit den Fischen des Nil und mit den Thie-
ren der Wüste genährt worden wäre, ohne diese
Thalungen und Strecken der Wüste, die fein Auge
erblickt, zu verlaffen, der würde nicht träumen,
daß es ein Pflanzenreich auf Erden gebe, und daß
ein folches überhaupt zum Ganzen dieser Welt ge-
höre. Und dennoch hat diese Landschaft ihre Reize.
Es find doch wenigstens drei Hauptfarben darin herr-
fchend: das Gelb des Sandes, das glänzende Schwarz
17 *
196
der Felsen, und das Roth derselben an den Stel-
len, wo sie vor Jahrtausenden behauen worden sind;
Stellen, die also noch zu jung sind, um jene Rinde
der Zeit angenommen zu haben. Der Sand spielt
fogar hier und da ins Weiße, und im Schwarz und
Roth heben sich eine Menge Abstufungen hervor,
überhaupt man hat nicht die eine einzige Farbe der
Wüste um sich, die durch ihre ungeheure Maffe den
Beschauer erdrückt.
Wir warfen uns zur Linken in die Granitfelsen,
die alle wie Inseln im Meere vereinzelt, unter
abenteuerlichen Formen dastehen. Fast alle sind be-
hauen und lieferten irgend einen Block, der als ein-
facher Baustein, als Götterbild oder Obelisk in ei-
nem der Hunderte von Tempeln prangte, womit
Ägypten bedeckt war. Die Bilder, die sich in manche
Felsen eingegraben finden, stellen meist Opfer vor,
dem Ofiris der Isis, oder dem Phre, d. i. dem
Sonnengotte gebracht. Unter den Hieroglyphen fand
ich keines bekannten Pharaonen Vornamen oder
Namen, wohl aber ein Paar unbekannte. An meh-
reren Orten ist der Vorgang der Arbeit an halb
abgelöfeten Blöcken sichtbar, und sehr verschieden
von den ältesten Steinbrüchen, die ich in Asien und
Griechenland sah. Um einen Block abzuschlagen,
hieben die Ägypter längs dem Umriffe Löcher ein,
von 5 bis 6 Zoll lang, 2 %.“ breit und 3 bis 4“
197
tief, unter sich aber bis 2 Fuß abstehend. War dieß
geschehen, so mußte irgend ein gewaltiger Stoß die
Maffe ausbrechen. Man sieht die Betten vieler ab-
getrennten Maffen, darunter auch die von Obelis-
ken. Die Löcherhälften sind wenig abgenützt. Welche
Kraft brachte den Stoß hervor? – Darauf weiß
ich nicht zu antworten. Überdieß scheinen die Ägyp-
ter kein Eisen gekannt zu haben. Wenigstens findet
man keine Spur davon. Alle Waffen u. f. w. find
von Erz; alle Mumienkästen mit hölzernen Nägeln
verbunden.
Folgt man der römischen Straße, bis wo fie,
1 / Stunde von Affuan, an einem Fels vorüber
kommt, wo das Opfer einer Kuh vor der sitzenden
Isis dargestellt ist, so sieht man die schwarzen Gra-
mitkogel nach Osten und Westen zurücktreten und
Raum für eine Sandebene laffen, die im Hinter-
grunde höhere, an Farbe gleich dunkle Felsmaffen
zeigt, und wie die Welt eines Zauberers, für die
Wirklichkeit fast zu seltsam gestaltet, und für die
Täuschung zu bleibend, entdeckt man, auf diesem
Hintergrunde ein Gedränge von Pylonen, Säulen-
gängen, Mauermaffen sich zeichnen, und mehr und
mehr hervortreten. Es ist Philä. Man weiß es, und
ist noch erstaunt hierüber, denn man sieht den Nil
nicht, und hat ihn überhaupt seit Affuan nicht mehr
gesehen. Bald entdeckt man auch ein neueres Gebäude
198
im Vordergrunde, dieser an Feierlichkeit unvergleich-
baken Ruinen – man erreicht es in einer Viertel-
stunde und sieht den Arm des Nil zwischen tiefen
Ufern unter sich, der Philä vom Festlande und von
dieser Stelle fondert, welche Bahr genannt wird.
Zwischen ihr und der Einfahrt in die Katarakten
ragt ein seltsam gestalteter Granitfels empor. Er
gleicht dem ersten Umriffe eines Riesenbildes, der
rohesten Darstellung eines Götzen der Vorzeit. Hie-
roglyphen und Figuren sind darauf eingezeichnet
und der Ring der Pfam etliche, zu deren Zeit er
die Grenzmarke Ägyptens gegen Äthiopien zu sein
scheint. Bei Bahr geben einige Dattelpalmen und
ein großer Suntbaum Schatten. Wir legten uns
darunter; vor uns die wunderbare, geheimnißvolle,
mit finsterem Zauber umgebene Insel – zur Rech-
ten die Granitfelsen, bis hochauf mit fast verwitter-
ten Bildmalen bedeckt, zur Linken Wüste und Öde.
XV.
Die Katarakten von Syene.
E war auf meiner Rückreise aus Nubien, im Früh-
jahre 1827, daß ich mich entschloß, die Katarakten
zu befahren. Am Orte Meffid, eine Viertelstunde
unter Philä, legte die Barke an. Dieser Ort ist der
Erste in Ägypten, am rechten Ufer, zwischen Klip-
pen geborgen und von Granitfelsen umragt. Es ist
der obere Hafen der Katarakten. Dort wohnet der
Reis und alles Schiffvolk, das zur gefährlichen Fahrt
verwendet wird. Wir fanden mehrere Barken und
vieles Treiben am Ufer. Unser Gepäcke wurde also
gleich auf Kamehle geladen und unter dem Geleite
unseres Schiffvolkes nach Affuan abgeschickt.
Der Wunsch, die Katarakten zu befahren, er-
regte Widerspruch. Der Reis erschien, ein stattlicher
Mann, wie ein Bey gekleidet und von den Schif-
fern wie ein solcher verehrt. Ihm ist Meffid unter-
geordnet und er ist gewisser Maßen unabhängig von
dem Statthalter von Esne, und so nach von dem
Kascheff von Affuan. Die Inseln in den Katarakten
zahlen an ihn; alle Fahrzeuge die auf- oder nieder-
200
gehen, haben ein Gewifes an ihn zu entrichten;
überhaupt das Amt nährt feinen Mann. Es will
aber auch einen solchen, denn so oft Fahrzeuge des
Vicekönigs über die Katarakten gehen, ist der Reis
gehalten, sie selbst zu führen, und mehr als Einer
hat in feinem Dienste fein Leben eingebüßt. Die
Bewohner von Meffid sind alle Fahrleute und im
Solde des Reis. Sie haben ausschließend das Recht
und die Pflicht, die Fahrzeuge für die Strecke der
Katarakten zu bemannen. Wenn die eigentliche
Mannschaft des Fahrzeuges an Bord bleibt, (was
felten geschieht, die meisten ziehen vor, die Kamehle
zu begleiten), so hat dieselbe während dieser Fahrt
kein Wort. -
Sobald uns der Reis der Katarakten fest im
Entschluffe fand, so erklärte er, in eigener Person
uns führen zu wollen, was wir gerne annahmen.
Wir kamen mit ihm über das Geschenk für ihn und
feine Leute überein; es betrug 300 Piafter, d. i.
20 spanische Thaler. Nun hieß er uns gutes Mu-
thes seyn und uns zum Theile entkleiden, nicht eben
aus Vorsicht, sondern um nicht ohne Noth die Klei-
der durchnäßt zu haben. Achtzehn Ruderer nahmen
die Plätze in der gänzlich ausgeleerten Kandchia;
der Reis fetzte sich ans Steuer und wir traten an
feine Seite. -
201
-
Wir hielten uns NNW, drei Felseninseln zur
Rechten, Klippen vor und zwischen denselben, Klip-
pen zur Linken. Was mir alsogleich auffiel, war die
Aufmerksamkeit, das Schweigen und das Zusam-
mengreifen des Rudervolkes und die ruhige Strenge
des Reis. Ein Wort aus feinem Munde, und die
Ruder hielten inne, griffen seichter, griffen tiefer,
drängten nach, oder schlugen schnell. Mir war bis
dahin gar nie eingefallen, daß es so viele Abstufun-
gen im Ruderschlag gäbe, und ich habe auch nir-
gends diese Vollkommenheit im Rudern wieder ge-
fehen. Nach einer Viertelstunde wandten wir N,
und hatten den ersten Fall vor uns. Das Fahr-
waffer brauset eine Reihe verborgener Klippen hinab,
die Wellen schlagen über, die Strömung ist blitz-
schnell, und eigentlich folgen sich drei Fälle hart nach
einander, welche Klippen zu den Seiten und vor
sich haben. Der Fall des Waffers mag, auf die
Strecke von etwa 150 Fuß, 12 Fuß betragen. Man
nennt diese Stelle Bab-Kutzuhol. Als wir daran
waren, betete alles Volk laut. Das Befehlwort des
Reis: Garb! Schery! (Links! Rechts!) durchtönte
dieß Gemurmel, den Schlag der Ruder und das
Braufen des Stromes. Die Windungen, welche
das Schiff machen muß, um den Klippen unter dem
Waffer, denen über demselben, und den Wirbeln
zu entgehen, sind zahlreich und plötzlich, und man
202
begreift, daß nur eine so strenge Abrichtung und so
pünctlicher Gehorsam, wie sie unter dem Volke,
dem wir uns anvertraut hatten, bestehen, die ge-
fährliche Aufgabe zu lösen im Stande feyen.
über diesen Fall gelangt, wendet man auf eine
kurze Strecke Ost und kommt durch das Bab-Koror,
nach einigen Gehöfen auf dem rechten Ufer so ge-
nannt. Dieser Fall ist kurz und wenig gefährlich.
Er sieht N bei W. In dieser Richtung folgt schnell
darauf der dritte, Bab-Arafchkol, der gefährli-
cher als der erste ist, und wo unser Volk eine Ge-
wandtheit bewies, die mich ein lautes Bravo! aus-
rufen machte. Das Fahrwaffer stürzt zwischen zwei
Klippen, in einer Länge von etwa 40“, bei einer
Breite von nicht mehr als 30“, an 5“ tief. Die Strö-
mung hat eine Kraft, daß man nur schwer Meister
der Richtung der Barke bleibt; sie stäubt zur Rech-
ten und Linken an den beiden Klippen hinauf und
macht sich so selbst ein Thor, in dem das Licht tau-
fend Farben spielt. Wir ließen uns gerade auf die
zur Rechten treiben, die Ruder halfen nach, das
Volk murmelte abermal ein Gebet, wir waren kaum
mehr sechs Schritte von der Klippe, im nächsten
Augenblicke mußte unser Fahrzeug in Splittern
seyn – da rief der Reis: Osbur! und Garb! – Alle
Ruder waren gehoben, – die Barke wendete links,
glitt an der Klippe vorüber und vom Sturze ge-
203
faßt, schoß sie durch das Thor hinab; – die Wel-
len schlugen von allen Seiten hinein, aber schon
waren wir hindurch.
Der Reis lächelte zum ersten Male. Ich fragte
ihn, warum er die Barke so nahe an die Klippe führe,
und wie ein verzweifelter Spieler das Glück auf einen
Einzigen Wurf herausfordere! – Er antwortete:
weil nicht einen Fuß tief unter der Fluth zur Linken
Riffe hinziehen, die nur diesen einzigen Weg er-
lauben.
Nun fuhren wir NNW, eine halbe Stunde
lang, mitten zwischen Klippen, welche in unzähl-
barer Menge den Strom in hundert und hundert
Arme theilen, gerade auf einige Palmen am linken
Ufer los. Diese umschatten das Dörfchen Tingar,
über das hoch die Sandberge der Wüste herunter
schauen, während das rechte Ufer eine senkrechte
Wand hoher Granitfelsen zeigt. Diese Strecke zu-
rückgelegt, wendet man auf einige hundert Schritte
N, und ist dann an dem letzten Falle, dem Bab-
Ort fcharti, dem längsten und, wenn der Nil
tiefer steht, dem gefährlichsten. – Die Wellen schie-
nen das Fahrzeug verschlingen zu wollen – sie bra-
chen über wie ein Bergsturz und kreieten in ab-
scheulichen Wirbeln. Dieser Fall wies an 200“Länge,
bei 60“ Breite und etwa 6“ Gefäll.
204
Diese letzte Gefahr überwunden, stand alles
Volk auf und machte mit gehobenen Händen ein
Dankgebet. Dann fuhren wir rasch auf einen Fels-
block zu, Hadschar-Abdog genannt, eine der vielen
Klippen, aber höher als die übrigen und ganz weiß
überzogen vom Kothe der Vögel, die gerade diesen
vor allen übrigen ausersehen haben. Er steht hart
am linken Ufer. Einige Häuser in der Nähe heißen
zusammen Berber. Bevor man den Fels erreicht,
wendet man O., läßt die Inseln Iffeh und Sechel,
beide bewohnt, zur Rechten, die Insel Suludsche
zur Linken und hat vor sich die hohe Felswand des
rechten Ufers, Bahs genannt, worauf eine verfal-
lene Moschee und andere Ruinen stehen. Nach ei-
ner halben Stunde NNO, erreicht man Elephan-
tine, wo die Klippen enden.
Je kleiner der Nil, desto gefährlicher die Fahrt.
Es gehört große Erfahrung und Entschiedenheit im
Befehle, unverwandte Aufmerksamkeit und lange
Übung im Gehorsam dazu , um bei fo niederem
Wafferstande, als wir sie machten, die Fahrt glück-
lich zurückzulegen. Der Grund des Bettes ist aber
auch wie eine Karte gekannt, und die Kraft der
Strömung für jede gegebene Stelle erprobt. Ein
Augenblick des Zweifels oder des Irrthums, würde
das Fahrzeug ohne Rettung an die Klippen werfen,
die alle Granit, glänzend schwarz, und in furcht-
-, 205
bare Schneiden und Spitzen gebrochen sind. Man
hat das Gefühl, wenn man sie anblickt, daß die
Paar Bretter, auf denen man sich befindet, wenn
mit der Kraft der Strömung auf sie geschleudert,
wie Glas zerspringen würden. Von vierhundert
Barken der zweiten afrikanischen Armee scheiterten
vor wenigen Jahren in diesen Katarakten hundert
und einige fünfzig, darunter selbst diejenige Ibra-
him-Paschas, des Sohnes des Vicekönigs. Diese
war durch den Reis der Katarakten geführt, und er
ertrank über ihren Trümmern.
Um Fahrzeuge stromaufwärts zu bringen, be-
dient man sich starker Taue, gerade so wie Herodot
im zweiten Buche S. 29 beschreibt. Wenn der Nil
am kleinsten ist, befährt man die Katarakten gar
nicht. Bei hohem Wafferstande ist die Fahrt leicht
und ohne Gefahr.
"Wer die Katarakten vom Ufer aus sieht, kennt
fie nicht. Daher auch die Verschiedenheit in der
Schilderung derselben. Belzoni z. B. meint sie ge-
fehen zu haben, da er auf der Höhe von Alt-Affuan
stand. Von dort aus sieht man aber den eigentlichen
Tschellal (so werden die fünf Babs, Thore, zusam-
mengenommen genannt) gar nicht. Er befuhr fie
später und wunderte sich statt Fällen, nur reißende
Wafferzüge zu finden. Aber er befuhr sie im August,
wo der Nil nahe einer höchsten Höhe ist. Er ver-
206
sichert, die Katarakten auch vom westlichen Ufer bei
niederem Wafferstande besehen zu haben und gibt
dem Gefälle einen Winkel von 30 zu 35 Graden.
» Was denken Sie über die Katarakten? gibt es
ein Mittel sie schiffbar zu machen?« – war die erste
Frage, mit der mich der Vicekönig bewillkommte,
als ich von meiner Reise zurückgekehrt, auf dem
Schloffe zu Kairo, zu ihm in den Saal trat. Die- .
fer kecke Geist gefällt sich in außerordentlichen Un-
ternehmungen, und bricht sich gerne die kürzeste
Straße. Es wäre eine unnütz verschwendete Mühe,
an das ungeheure Werk der Schiffbarmachung der
Katarakten zu gehen, da der nähere Weg der Um-
gehung derselben durch einen Canal zugleich der
unendlich leichtere feyn würde, um so mehr als die
Gestaltung des Bodens ihn angibt und gleichsam
verlangt. -
In ältester Zeit find schwere Granitmassen über
die Katarakten herabgebracht worden, was mit un-
ter die Wunder zu zählen ist, mit denen die Werke
der Pharaonen die heutige Mechanik beschämen.
Solche Maffen aus dem Rosengranit, der ober den
Katarakten liegenden Insel Bitsche bemerkte ich in
Thebä; aber ich erinnere mich, in keinem der ptole-
mäischen oder römischen Werke in Ägypten, andern
Granit gesehen zu haben, als solchen aus den Brü-
chen von Syene. Auch ist, wie der Finger an der
207
Wand im Königspalaste Belsazars, die Hand der
Pharaonen an den Katarakten sichtbar. Auf dem
Felsen von Bahr, defen ich oben erwähnte, Philä
gegenüber, der wie eine Merksäule von der Natur
vor den obersten Eingang gesetzt ist, sind außer den
Ringen Plametiks auch diejenigen des vierten Thot-
mofes und des Zerstörers Jerusalems, Neco, einge-
graben. Auf Klippen im Nil am unteren Ende der
Katarakten stehen die Vornamen Thotmoses III.
und jenes Atmenopht, den die Griechen Memnon
hießen, – auf andern wieder die Ringe Pametiks,
des Psammetichos des Herodot. -
XVI.
Die Insel Elephantine.
Der Araber nennt diese einst so berühmte Insel,
die blühende, Gesiret - el-Sag, und diese Bezeich-
nung verdient sie, ob des reichen Grüns ihrer Flur
und der dichten Beschattung der Sykomoren und
Dattelpalmen. Man möchte mit dem arabischen
Dichter sagen: sie liegt in der Wüste wie ein Sma-
ragd eingelegt ins goldne Geschmeide.
Die Insel ist nicht über 5000“ lang, und nicht
über 1000“ breit. Zwei Dörfer stehen darauf, von
Nubiern bewohnt. Eine Schar von Kindern em-
pfing uns, da wir die Insel betraten. Wir knüpf-
ten Bekanntschaft, und sie brachten uns eine Menge
Kleinigkeiten, als Idole, Spielwerk, kuffische und
römische Münzen, Körbchen aus Dattelzweigen ge-
flochten u. f. w.. . -
Wo sind die Tempelgebäude, von denen Pokock,
und später Denon und andere französische Gelehrte
sprechen? Selbst ihre Spur ist verschwunden. Sie
sind zum Behufe einiger Militärgebäude und des
209
Sommerhauses auf Schedia abgetragen worden, und
über ihren Grundfesten bebaut der Nubier die Erde.
Wir wandten uns nach Süd, wo die Insel am
höchsten ist, und dem Ufer folgend, kamen wir an
den mächtigen Wall, der die Südostspitze gegen den
Andrang des Stromes zu decken bestimmt war. Er
ruht auf Granitfelsen, und mag heut zu Tage noch
40 bis 50“ Höhe haben. Die Dicke der Mauer,
die aus Werkstücken besteht, ist zu 8/7“ 6“. Es
fcheint ein ausgedehnter Palast auf dieser Unterlage
geruht zu haben. Ein paar Fensterräume bestehen
noch und Grundmauern ziehen sich tief in die Insel
hinein. Am nördlichen Ausgange dieses Walles fin-
den sich die jetzt zum Theile verschüttete Stiege und
der Gang, unter rechtem Winkel nach dem Nil ge-
zogen, wo Denon voraussetzt, daß der bekannte
Nilometer bestanden habe. Die Werkstücke der Ver-
kleidung dieses Walles, den ich für römischen Bau
halte, sind älteren Gebäuden geraubt und zum gro-
ßen Theile, mit eingehauenen Hieroglyphen bedeckt,
in denen sich die Farben in wunderbarer Frische er-
halten haben. Diese Gebäude, wahrscheinlich Tem-
pel, waren aus der Zeit der Blüthe des Pharaonen-
reiches, denn ich fand auf solchen Blöcken des
Wales die Ringe Thotmoses III. und des großen
Remefes.
18
21(!)
Von dort, wo der Wall im SO endet, etwa 50
Schritte einwärts, stehen zwei Thorpfeiler aus Ro-
engranit, mit Hieroglyphen bedeckt. Sie haben auf
6“ 9“ Länge, 3“ 10“ 6“ Breite, und stehen 10
von einander ab. Der nördliche besteht aus sieben
Blöcken und trägt einen Theil des Superciliums,
worauf der geflügelte Diskus sich zeigt, dieß Sym-
bol der Gottheit, das über den Thoren aller Tem-
pel in Ägypten, der ältesten wie der jüngsten, steht.
Neben diesen Pfeilern ziehen bedeutende Grund-
mauern hin.
Etwas weiter gegen W liegen ein Paar Säulen -
aus Sandstein. Die ganze Südseite der Insel ist
ein Gehäufe von ungebrannten Ziegeln und Scher-
ben, ein Hügel von Unrath und Trümmer, steil
abstürzend, dann aber ein ebenes, schmales Ufer
laffend, von Granitklippen umgürtet, zwischen de-
nen der Nil sich bricht.
Steigt man aus diesen Resten römischer und
arabischer Zeit nordwärts herab, so findet man am
Abhange noch einiges Mauerwerk, das einer älte-
ren angehört, Wandreste aus Blöcken von Sand-
stein mit Hieroglyphen, unter denen ich die Ringe
des 15. Ramefiden erkannte, und mit Bildern ver-
ziert, welche den Gott Knuphis oder Kneph, und
Athor, die Venus der Ägypter, darstellen. Nicht
2II
ferne davon liegt eine Bildsäule aus Granit, eine
fitzende Isis.
Am Abhang ist das eine Dorf. Als Thürstock
eines Hauses darin, fah ich einen Nilometer be-
nützt. Das zweite Dorf liegt weiter nach N. Ganz
an der Nordspitze aber ist ein großes Spital, vom
Vicekönig zum Behufe der Truppen, gleichzeitig mit
der Kaserne von Affuan, erbaut, und jetzt wie diese
verlaffen.
Elephantine war, durch Jahrtausende, die
Grenzfeste gegen Äthiopien. Herodot erzählt: »Un-
ter König Psammetichos standen Wachen zu Ele-
phantine wider die Äthiopier ... ... und noch zu die-
fer Stunde stehen der Perser Wachen an denselben
Orten «.... Sonderbar, daß in die Klippen im SO
der Insel, auf dieselben, die den großen Wall tra-
gen, die Ringe eben dieses Psammetichos gehauen
find. Die Ptolemäer und Römer, ja selbst die Ara-
ber, hielten noch Wachen dort, und wirklich liegt
diese Insel auch wie ein Bollwerk mitten im Nil,
den Katarakten entgegen.
18 *
XVII.
K0 m - Omb O 5.
D. Tempel in Nubien sind erstaunungswürdiger,
die Tempel von Theben sind majestätischer, diejeni-
gen von Esne und Tentyra zierlicher, die Lage kei-
ner Ruine aber ist malerischer, als diejenige der bei-
den Tempel von Kom-Ombos. Durch die Einfach-
heit und Größe der Anlage, so wie durch den Adel
der Ausführung, eignet sich besonders der Eine dieser
beiden Tempel zur Schule für den Reisenden, der
mehr als einen flüchtigen Blick auf die Werke der
ägyptischen Baukunft werfen will.
- - Dieser Eine, der größere dieser beiden Tempel,
krönt die Höhe des Uferberges. Dennoch hat ihn der
Sand erreicht und zum größeren Theile, bis an die
Knäufe verschüttet. Er sieht nach WSW. Vier Säle,
die in derselben Achse liegen, und ein Vorsaal sind
vom Hauptgebäude noch erkenntlich. Ein kleinerer
Tempel, wovon gleichfalls vier Säle in Trümmern
sich zeigen, steht vor dem großen zur Rechten; ein
Pylon zur Linken. Diese Bauten sind durch einen
213
Wall aus ungebrannten Ziegeln im Rechteck auf
drei Seiten, vom Nil auf der vierten eingefangen.
Der Vorsaal wird von 15 Säulen, je fünf in
einer Reihe, getragen. Die Fusten dieser Säulen,
in der Höhe wo sie jetzt aus dem Sande schauen,
haben 19“ 6“ Umfang, sind mit Hieroglyphen be-
deckt und tragen Knäufe der edelsten Arbeit. Diese
Knäufe sind unter sich verschieden, die drei mittle-
ren der Vorderreihe ausgenommen. Diese Reihe war
durch eine Wand bis zur halben Höhe geschloffen.
Zur Linken und Rechten jeder Säule in derselben,
nach Außen, ruht ein Sphinx, halberhoben gear-
beitet und roth bemalt. Zwei Säulen sind umge-
worfen.
Die Quer- und Deckbalken des Vorsaales gehö-
ren unter die größten Blöcke, die ich in Tempeln
gesehen habe. Jene neffen 12/9“ 9“ in der Länge
und find 5/4“ 6“ hoch und eben so breit; diese
haben dieselbe Höhe, sind aber 6/9“ lang und 20“
1“ 6“ breit. Die Querbalken der übrigen Säle
haben um 6“ geringere Breite und Höhe, sind aber
22“ 1“ 6“ lang; die darauf liegenden Deckbalken
aber messen bei 3/ 8“ 6“ Länge und 26// 6“
Höhe, 20“ 1“ 6// Breite *). Diese Blöcke, so wie
*) Unter Länge verstehe ich die Achse des Tempels (hier
z. B. ONO - WSW), oder was ihr gleich läuft; un-
-
214
der ganze Bau, sind aus schwerem, feinen Sand-
stein. An den Knäufen, die im Sande lagen und
Lotuskelche vorstellen, fand ich die Auffatzfläche zu
7/ 11/ Durchmesser. Der Vorsprung des Kelches
betrug an jeder Seite noch 1“ 8“. Gegenwärtig ragt
der Vorsaal bis auf 33“ aus dem Sande.
Gewiß, der Freund der Kunst und des Alter-
thums, der aus Italien, Griechenland oder Klein-
afien plötzlich vor diesen Portikus versetzt würde,
empfände einen Eindruck, demjenigen ähnlich, den
auf mich die ersten Tempel im ägyptischen Style
machten. Die Maffe des Ganzen und der Theile,
die Anordnung, welche die leicht erscheinen macht
und veredelt, die Pracht, die darüber ausgegoffen
ist, die Formen in Säulen, Knäufen, Architraven,
mir ganz neu, oder nur aus Zeichnungen bekannt,
der majestätische, geflügelte Diskus über der Pforte,
die Menge und Ausführung der Hieroglyphen und
Bilder, die wie mit einem Model in weiche Maf-
fen gedrückt, so in den festen Stein gearbeitet sind,
die Vollendung des Ganzen, wiesen mir, mit Ei-
nem Wurfe, meine Unwiffenheit, und mein Erstau-
nen selbst trat wie ein Vorwurf vor mich hin. Mein
ter Breite, die wagrechte Linie, die auf ihr senkrecht
steht; unter Höhe das auf die Länge oder Breite gefällte
Loth.
215
Auge, an griechische Formen gewöhnt, glaubte in
dem Kreise derselben Alles in der Baukunst Anwend-
bare enthalten. Hier war. Alles anders, und doch
voll klarer übereinstimmung , voll Würde und im
klaren Ausdrucke seiner Bestimmung. Aus den Zeich-
nungen, aus den Broncen, überhaupt aus den
Sammlungen ägyptischer Alterthümer hatte ich ein
Vorurtheil zur Beschauung der Bauwerke gebracht,
ein Vorurtheil, gang und gebe bei denen, welche
Ägypten nur aus Büchern kennen, und im Wahne
stehen, dieß genüge, um über die größten Bau-
werke der Welt abzusprechen. Diese Werke stehen
wie Riesen dem Vorurtheile entgegen. Ihr Anblick
heilt sicher und schnell die üble Laune, in welche
jene Sammlungen versetzen. -
Im Ganzen, nichts klarer als der Plan der
ägyptischen Tempel, nichts unbegreiflicher als die
Menge der Meiselarbeiten, die jedoch dem Haupt-
eindruck nicht schaden, denn die großen Linien blei-
ben unverletzt und üben ungetheilt ihre Gewalt.
Jeder Theil der Oberfläche des Gebäudes, selbst
derjenige, welcher nicht bestimmt ist gesehen zu
werden, ist mit Hieroglyphen und Bildern bedeckt.
Ich hatte, bevor ich Ägypten durchreiste, geglaubt,
es gäbe nur vier Ordnungen in den Knäufen, und
außer diesen vier Ordnungen fey für dieselben kein
Heil. Davon hatten mich nicht einmal die Knäufe
-–
maurischen Styles abgebracht, an denen ich manch-
mal Zierlichkeit, natürliche Entwicklung und Zweck-
mäßigkeit erkennen mußte. In Ägypten nun sah ich
dreißig oder vierzig Ordnungen, die meisten ge-
schmackvoll, edel, reich, fein und großartig. Wie
der Akanthus der korinthischen dient, so der Lotus,
die Palme, die Rebe, das Schilf, so Blumen und
Früchte der ägyptischen. Die Verschiedenheit in den
Knäufen in einem und demselben Saale, weit ent-
fernt, dem Auge zu mißfallen, erfreut dasselbe, denn
aus dem Verschiedenen ist nur das Harmonische ge-
wählt und zum Ganzen vereinigt. Es ist mit den
Formen, wie mit den Tönen.
Aber zurück zu unserem Tempel. Die Decke des
Vorsaals zeigt im Mittelfelde das königliche Zeichen,
eine Reihe schwebender Adler, mit gespreiteten Flü-
geln, das Haupt mit dem Symbol der Herrschaft
gekrönt, in jedem Griffe ein Schwert. Schon die
ältesten Pharaonen führten dieses Bild der Macht;
die Ptolemäer und Römer behielten es bei und wech-
selten nur manchmal die Attribute. – Adler und
Löwen zieren auch die Fusten der Säulen, – Adler
die Querbalken, mit Hieroglyphen und astronomi-
fchen Bildern in Gemeinschaft. Der geflügelte Dis-
kus, mit dem Agathodämon in Gestalt der Schlange
zur Seite, steht über den Thoren, die in die Säle
führen.
217
Die astronomischen Bilder zu enträthseln, wäre
eine angenehme Aufgabe. Eines derselben zeigt einen
Jüngling, das Haupt mit spitzer Haube bedeckt,
um die Mitte eine Schürze; feine Stellung ist die
eines Gehenden, die rechte Hand ist vorgestreckt,
die Linke gehoben; er steht auf einem Nachen. Die-
felbe Gestalt ist wiederholt und zwar die kreuzt die
frühere, so daß Beiden der Unterleib gemein ist, als
habe man die Bewegung um die Achse ausdrücken
wollen. Dazwischen sind rothe Sterne angebracht,
neun an der Zahl, und zwar drei in der ersten Reihe,
vier in zweiter, und zwei etwas tiefer, in dritter,
– die zweite Reihe ist keine gerade Linie und macht,
mit der ersten, eine der gewöhnlichen Bezeichnung
des großen Bären ähnlicher Figur. – Das nächste
Bild an diesem ist das einer Göttin, mit dem Dis-
kus zwischen flachgekrümmten Rindshörnern, und ei-
ner geründeten Haube, über der ein Stern schwebt,
auf dem Haupte; die Rechte ruht auf der Brust;
die Linke hält einen Bogen vor sich hin. Auch sie
steht auf einem Nachen und mit diesem fenkrecht
auf Osiris oder Horus, auf einem Gotte nämlich,
der eine Sperbermaske und über dem Haupte den
Diskus, in diesem aber einen Stern trägt, zur
Seite ein Schwert.
In diesen beiden Bildern sind die senkrechten
Gestalten weniger tief eingegraben, als die wagrech-
Proke fch: Ägypten 1. 19
218
ten. Beide Felder sind überdieß mit rothen ange-
zeichneten Linien in kleinen Vierecken durchzogen,
gerade so, als habe man jene beiden Figuren später
hinzugesetzt und fey mit der Arbeit nicht fertig ge-
worden.
Die Hauptmaske des Gottes in diesem Tempel
ist das Krokodillenhaupt. Die Krokodille waren, fo-
viel wir aus der Geschichte, und selbst aus Juvenal
wiffen, den Ombiten heilig. Krokodille erschienen auch
da in einigen Bildern und unter den Hieroglyphen.
Der Gott ist sitzend dargestellt, bis zu unterst mit
enganliegendem Kleide, das Schwert im Gürtel, den
Lituus, oder Stab mit dem Schakalshaupte, in der
Hand. Unter den Opfergaben die man ihm bringt,
ist häufig ein Netz. Merkwürdig, daß der alte Name
des Krokodils, wie ihn Herodot gibt, Champa,
in der heutigen Landessprache, der arabischen sich
erhält; der Krokodil heißt nämlich Tempfa. Das
Bild der Isis ist hier durch den Diskus und die
Rindshörner auf dem Haupte bezeichnet. Sie hält
mit beiden Händen, zum Bündel vereiniget, den
Nilschlüffel (das Symbol der Fülle), den Nilmeffer,
den Lituus und die Geißel vor sich hin. Die Opfer-
gaben, die man ihr bringt, sind Nilschlüffel, Ni-
lometer, Kuchen und Lotusblumen.
Das Opfer eines Netzes wiederholt sich im drit-
ten Saale. Rothbraune Männer (Ägypter) sind die
219
Opfernden. Die Ringe werden von dem Agathodä-
mon gehalten. Im vierten Saale sind die Farben,
womit ursprünglich alle Hieroglyphen und Bilder be-
malt waren, am besten erhalten. Die Götter sind
da hellblau, Augen und Haare schwarz. Der Gott,
dem der Tempel gewidmet scheint, Phre-Aroeros,
ist jugendlich, mit dem Ausdrucke der Kraft, Klar-
heit und Zuversicht, und jederzeit handelnd dargestellt.
Die Ringe, welche auf allen Theilen dieses Tem-
pels erscheinen, sind die der vier Ptolemäer und
Kleopatra's, geschrieben : Ptolmäus und Kleop-
tras. Zu meiner nicht geringen Befriedigung las
ich, einige Monate später, zu Smyrna, im Werke
Hamiltons über Ägypten, daß sich über einem der
beiden Thore, die aus dem Portikus in den ersten
Saal führen, folgende griechische Inschrift (die mir
entgangen war) befinde:
"Trép Bar Mo; IroAspakov Alov al Bara-
an; KAsorárpa; This ass Äpfs
Gay PNopmrópoy warty roüroy révoy"Apoth-
per Ges: MeyMast
"AröMAoy a rot; XEvy yot; Geot; röy XEmpöy
of y ret "Op3rmt
Kaú irrel; 22 o. A.Aon ero .
e- e
19 *
220
„Im Namen des Königs Ptolemäus, des Gottes, und
der Königin Kleopatra , feiner Schwester,
Der mutterliebenden Götter und ihrer Kinder , dem
Aroeros dem großen Gotte
Apollo und den mit verehrten Göttern, den Tempel die
Ombiten und die Reiter und die anderen
Dankbaren“ -
Durch diese Inschrift wird die Entzifferung der
Hieroglyphen-Ringe bestätiget, und wir dürfen die
drei Ptolemäer den Einen für Epiphanes, den Ande-
ren für Philometor, den dritten für Evergetes II.
nehmen.
Es haben aber auch noch Römer an diesem Tem-
pel arbeiten laffen, denn ich erinnere mich (nur weiß
ich die Stelle nicht mehr genau anzugeben) einen
Ring darin gesehen zu haben, welcher Kaisers
(Katarago) enthielt.
Der kleine Tempel, zur Rechten vor dem gro-
ßen, trägt dieselben Ringe der Ptolemäer. Auch ist
der Styl der Ausführung derselbe, wie mir klar in
die Augen fiel, auch bevor ich noch die Ringe ver-
glichen hatte. Dieser Tempel, defen Achse, von Innen
nach Außen NW – SO läuft, ist insbesondere der
Isis geweiht, denn sie erscheint in allen Bildern als
Hauptgegenstand. Mehrmals ist sie dargestellt, wie
sie eben ihren Sohn Horus fäugt. Dieß Sinnbild
ist auf allen Tempeln Ägyptens häufig wiederholt.
221
Osiris, mit dem Sperberhaupte, steht ihr manch-
mal zur Seite. Auf dem Stück der Außenwand des
vierten Saales, das noch besteht, (der Rest liegt
in gelöfeten Blöcken auf dem Abhange und im Nil)
ist dieser Gott ihr auf einer Bank, mit Löwenköpfen
geziert, gegenüber sitzend dargestellt. Er reichet ihr
in jeder Hand einen Nilschlüffel, und sie ist im Be-
griffe einen davon zu nehmen. Darunter, auf ähn-
licher Bank sitzen aber ein Gott und eine Göttinn,
zwischen sich eine Menge Opfergaben gehäuft. Oder
sollte hier Horus gemeint seyn? – Der Löwe ist die-
fes Gottes oftmalige Bezeichnung. Beide stellten
bildlich diese Sonne in ihrer vollen Kraft, im Zei-
chen des Löwen, vor. Er reicht der großen Göttinn
Ägyptens den Segen des Nils – und im zweiten
Bilde ist der Ertrag dieses Segens gezeigt.
Rothbemalte Männerphinxe sind auch hier am
Vorderthore. Adler schweben darüber, in dem einen
Griffe ein Schwert, im andern ein Opfermeffer. Die
vier Säulen des Portikus haben den Aufsatz mit
vier Isisgesichtern, was besonders in die Ferne, ein
majestätisches Bild gibt. Unter den Hieroglyphen
fand ich hier den Hippopotamos, was eben nicht
häufig erscheint. Darunter auch einige Male Har-
pocrates, mit dem Finger auf dem Munde. In den
vielen Bildern erschien mir immer nur ein und der-
selbe Gott dargestellt; die Verschiedenheit beschränkte
222
sich auf die Kopfbedeckung, die in der ägyptischen
Religion und Kastenordnung, so wie heut zu Tage
noch im ganzen Morgenlande, eine besondere Be-
deutung erhielt. Selbst in die Religionen der Abend-
länder ist diese Unterscheidungsweise übergegangen.
Den Freunden der Geschichte der Musik will
ich mittheilen, daß unter den Bildern dieses Jsistem-
pels eine junge weibliche Gestalt erscheint, die, fe-
hend, auf einer Harfe von 21 Saiten spielt, welche
fie vor sich auf einem zierlichen Tischchen gestellt hält.
Daß dieß Instrument uralt ist, wissen wir aus
der Bibel. Ich hoffe aber, im Laufe dieser Erinne-
rungen darzuthun, daß es mehrere Jahrhunderte
vor David, an Orten, wo jetzt nur öde Wüste ist,
schon gekannt war.
Von dem kleinen Tempel sowohl, als von dem
Pylon, der links von dem großen Tempel, am Ab-
hange stehen, gingen unterirdische Gänge nach dem
Nil, die jetzt zu Tage liegen. Die Pylonen sind nur
der ägyptischen Baukunst eigen, und geben den Tem-
peln eine Majestät des Anblicks, die keine andere
Schule keiner Zeit und keines Volkes zu geben im
Stande war. Es sind rechteckige, nach oben etwas
schmäler zulaufende, bis zu hundert und mehr Fuß
hohe Thürme, welche rechts und links an dem in
der Achse des Tempels liegenden Haupteingange in
den ersten Vorhof stehen. Diese koloffalen Pfeiler
223
oder Thürme enthalten oft in mehreren Stockwer-
ken Gemächer, und deren Außenseiten sind jederzeit
mit eingehauenen Bildern, Hieroglyphen und Zie-
rath der Baukunst bedeckt. Zwei so gewaltige Maß
fen, vor sich Koloffe, Obelisken und den mächtigen
Aufgang, zwischen sich das Thor, verkündigten schon
in der Ferne: das ist das Haus eines Gottes! und
schlugen mit Ehrfurcht das Gemüth des Nahenden.
– Manchmal ergab es sich, daß spätere Herrscherei-
nen Vorhof vor den Vorhof, der schon bestand,
fetzten, und so kamen zwei, auch drei Paare von
Pylonen vor einander zu stehen. In Theben allein
sind deren auch vor Seiteneingänge gesetzt. Die Äthio-
pienschen Herrscher geben den Pylonen geringere
Länge, die Ptolemäer und Römer größere Höhe,
diese auch einige Male, jedoch selten, denselben eine
andere Stelle. Dieß ist der Fall zu Ombos, wo die
Pylonen entweder als Enden der Umwallung nach
der Nilseite, als riesige Schlußsteine derselben gleich-
fam, oder nebeneinander, in der Verlängerung der
Achse des kleinen Tempels, aufgerichtet waren. Wahr-
scheinlich stieg aus dem Nil selbst ein Aufgang em-
por zum wallumfangenen, heiligen Bezirke. Davon,
fo wie vom zweiten Pylon, ist nichts mehr vorhan-
den. Der mit Trümmern bedeckte Absturz und die
zu Tage gebrachten unterirdischen Gänge bezeugen
224
hinlänglich die Verwüstungen, die der Nil dort an-
gerichtet hat.
Der Pylon dürfte gegenwärtig noch 50“ Höhe
haben. An der Hinterseite, wo sich die Umwallung
an denselben lehnt, ist er nicht verziert. An der
Nordwestseite sind nur noch drei eingehauene Bil-
der, Opferhandlungen, der Ifis gewidmet. Im un-
terten folgt ihr ein Gott, Diskus zwischen Hörner
auf dem Haupte, ein Schlängelchen vor der Stirne,
abwärts gekrümmte Widderhörner an den Seiten des
Kopfes, Bart, die Beine nicht gelöfet, sondern ein-
gefacht; über die Schulter hängt eine Vase, –
mit beiden Händen hält er Geißel, Lituus (worunter
ich jederzeit den Stab mit dem Schakals- oder Hunds-
kopfe verstehe) und Krummstab. Die Opfernden vor
beiden sind Krieger, in Waffen; sie bringen Gefäße,
Früchte und Kuchen dar.
Ich bin zu wenig unterrichtet in der ägyptischen
Götterlehre, und es fehlen mir (zwischen den vier
Wänden eines Schiffes, und mitten in der See)
alle Behelfe dazu; ich wage daher nicht darüber abzu-
sprechen, ob der eben beschriebene Gott Phtah, oder
eine Darstellung von Amon, oder sonst Einer fey.
An der SWseite, die nach dem Fluffe sieht, sind
zehn größere und zwei kleinere Bilder, zwei in je-
der Reihe, erhalten. Isis hat in diesen Bildern nur
den zweiten Platz. Den ersten behauptet Amon-Phre
225
(beffer Amon-re), der Sonnengott, vielleicht gleich-
bedeutend mit Aroeros und dem griechischen Apollo.
Er ist vorschreitend vorgestellt, in Fülle der Jugend
und Schönheit, ohne Bart; in der Linken hält er
den Stab mit dem Hundshaupte, in der Rechten
den Nilschlüffel. Seine Haare sind in ein Netz ge-
sammelt; eine hohe Haube, aus dem Diskus und
zwei Palmenzweigen bestehend, deckt das Haupt;
Brust, Hals und Arme sind mit Bändern und Ge-
schmeide geziert; der Rock ist an der Brust geöffnet
und reicht bis auf die Schenkel, die festanliegenden
Beinkleider strecken sich bis an die Knöchel. Im Gür-
tel ruht ein kurzes Schwert.
Auch ein dem nächst vorher beschriebenen Gotte
ähnlicher erscheint in einem dieser Bilder als Haupt-
figur; er hat jedoch den rechten Arm rechtwinkelich
gehoben vor sich hingestreckt, die Hand flach haltend
über einen Opfertisch. Der linke Oberarm endet in
einen Stumpf. Perlenschnüre laufen um Hals und
Brust, an der überdieß ein Amulethängt. Das Werk-
zeug einer männlichen Kraft steht stracks vor ihm
hin. Die Opfer, die man ihm bringt, sind Amulete.
Dieser Gott ist Mendes oder Osiris, denn Beide sagt
Diodor von Sicilien, sind Eins, und Mendes nur
ein verschiedener Ausdruck für Osiris, aus dem Ge-
fichtspuncte als zeugende Kraft betrachtet. So sind
auch Amon und Herakles, nach Jamblich, nur an-
226
dere Namen für Osiris, eben so Horus, Serapis,
Harpocrates und Mendes; denn Jamblich sieht in
Osiris die Sonne im allgemeinen, in Harpocrates
das eben geborene Jahr, in Herakles (Dom, die
Kraft, im Ägyptischen) die Frühlings - Tag- und
Nachtgleichen, in Amon die Sonne im Widder, in
Horus die Sonne im Löwen, in Serapis die Herbst-
Tag- und Nachtgleiche, – in Mendes endlich die
Sonne als befruchtende Kraft. – Herodot übersetzt
Mendes mit Pan (II.46). Er läßt die Ägypter ein
Dionysosfest auf die Weise wie das hellenische feiern,
(II.48) und nach ihm, ist Dionysos Osiris (II.42).
Auch erwähnt er Hermen, so ausgerüstet wie der
oben beschriebene Mendes (II. 51); und die Bilder
des Mendes zu Ombos, sind gleichfalls Hermen,
in so ferne die Beine nicht gelöet erscheinen.
Beide Bilderreihen dieser Seite sind durch eine
Nische von oben bis unten getrennt. In dieser sind
zehn Reihen. Nachen, zu sieben jede, ausgehauen,
je Zwei und Zwei durch ein Feld von Hieroglyphen
geschieden. In den Nachen sind die Ringe der Pto-
lemäer, von Agathodämon gehalten, und mit der
Mitra des Amonre gekrönt, – oder ein weiblicher
Genius, der nach Vorder- und Hintertheil einen be-
dornten Stab streckt, aus dessen Ende Zweige und
Blumen hervorsproffen, – oder endlich einen Nil-
227
schlüssel, von dem Arme ausgehen, die den Lituus
halten. - - - -
Diese Nische macht mir sehr wahrscheinlich, daß
der zweite Pylon so neben dem ersten stand, daß
beide das Thor zwischen hielten. Solche Nischen mit
solchen Zeichen sah ich an allen ptolemäischen Tho-
ren. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch den Um-
stand erhöht, daß, gerade unterhalb des Pylons,
am Nil, unter den Trümmern, der Deckbalken ei-
nes Thores (denn er ist mit gespreiteten Adlern ge-
ziert) liegt, der von großem Ausmaße ist; er hat
nämlich 19/ 9“ Breite, 6/ 9“ Länge und 5/4“
6/// Höhe. -
An der Südostseite des Pylons, sind nur mehr
drei Bilder sichtbar, ähnliche Opferhandlungen dar-
stellend. -
Die Umwallung scheint durch Feuer gelitten zu
haben, denn streckenweise sind die (ursprünglich nur
an der Sonne gedörrten) Ziegel halbgebacken. Durch
die Südostseite der Umwallung führt ein Thor. Es
ist älter als der Tempel, denn es trägt die Ringe
Thotmosis III. und eines anderen Pharaonen, dem
wir auf den großen Obelisken von Theben wieder
begegnen werden. Wahrscheinlich war die Stelle
schon in ältester Zeit eine geweihte, und es stand
wohl auch ein Tempel der Pharaonen dort, dessen
Platz später der ptolemäische einnahm. – Die Hie-
-
223
roglyphen dieses Thores sind einwärts, die der Tem-
pel und des Pylons in vertieftem Raum, erhoben
gearbeitet, was gleichfalls den verschiedenen Zeit-
räumen entspricht. -
Das alte Ombos mag NW vom Tempel außer-
halb der Umwallung (die offenbar nur diesem ange-
hört) gelegen haben. Der ganze Berg ist mit Rui-
nen aus ungebrannten Ziegeln bedeckt, die mir ara-
bisch oder koptisch scheinen. Uralt aber ist die Mauer,
die eine Strecke längs dem Ufer hinzieht.
XVIII.
Dschebel- Seleleh.
Einige Gräber am linken Ufer sind tief in den Fel-
fen gehauen und enthalten im Hintergrunde ver-
stümmelte Bildsäulen , wie man deren in vielen
ägyptischen Gräbern aus Pharaonenzeit findet.
Merkwürdiger als diese, die es höchstens durch ihr
Alter und ihre Stelle sind, erscheinen mir mehrere
in den Felsen gehauene, von Säulen getragene,
reich verzierte Nischen oder Blinten, die sich auf
demselben Ufer, gerade wo der Fluß am engsten
ist, befinden. Für Gräber sind sie zu leicht. Ich habe
keine ähnlichen Nischen von den großen Katarakten
bis Memphis gesehen; Dschebel-Selfeleh ist über-
dieß von der Natur zu einer Schranke oder Grenz-
stelle auf dem Nil gegeben: ich halte daher diese
Denkmale für geschichtliche, irgend eine Abmarkung
des Landes oder auf die Nilfahrt Bezug habende
Anordnung enthaltend.
Das Unterte dieser Male ist eine vom geflü-
gelten Diskus überragte, in einem Felsblock ge-
hauene, eingerahmte Tafel. Sie enthält flach ein-
---
2Z()
gegraben, ein Bild und darunter fechzehn Zeilen
gedrängter Hieroglyphen, die ich Cursiv-Hierogly-
phenschrift nennen möchte. Das Bild zeigt drei
Götter, wovon der hinterste den Nilschlüffel und
die Schlange, worunter ein Stern schwebt, trägt;
der mittlere ist Osiris mit dem Sperberhaupte und
Lituus; der vordere tritt mit keckem Schritte, kräf-
tigem Ausdruck, und mit zum Empfang gehobener
Hand einem Manne entgegen, der zu opfern kommt.
Es scheint ein Dankopfer für reiche Ernte, denn
die Schlange war das Zeichen für das ägyptische
Erntemonat (plusvaS), so wie im Thierkreise für
»das fruchtbare Weib,« aus dem die Griechen, da
sie die Zeichen von den Ägyptern nahmen, die Jung-
frau machten. Der Nilschlüffel aber ist bildlich der
Segen des Nil. – Merkwürdig ist, daß jede Zeile
Hieroglyphen unter sich eine gewisse Zahl derselben
stehend enthält. Ist es phonetische Schrift?
Ganz nahe an dieser Tafel steht die erste Nische
oder Blinte, deren Hintergrund gleichfalls ein ein-
gerahmtes Bild, mit acht Figuren, und darunter
22 Zeilen Hieroglyphenschrift enthält, wovon die
ersten zehn durch wagrechte, die übrigen noch über-
dieß durch senkrechte Linien geschieden sind, als
habe man genau bezeichnen wollen, wie viele von
den untereinanderstehenden Hieroglyphen jeder Zeile
ein Ganzes bilden. Was das Bild betrifft, so sind
231
die 8 Figuren in zwei Gruppen getheilt; in der ei-
nen opfert ein Mann zwei Vasen dem Osiris, der
Isis und dem jugendlichen Gotte mit den ungelö-
feten Beinen (Pthah-Soceri?) der hier in der
Rechten einen Lituus trägt, in welchem der Stab
mit dem Hundskopfe , der Nilschlüffel und der
Nilometer vereiniget sind. Die zweite Gruppe gibt
statt der Jsis den Nil selbst, der als bebarteter
Mann, eine Vase in der gehobenen Rechten, dar-
gestellt ist; über die Vase beugt sich Lotus; Lotus
proffet auch auf seinem Haupte. Der Opfernde bringt
zwei kleine Näpfe dar. Die Götter waren, wenn
man den Resten von Farbe trauen darf, grün bemalt.
An den Seitenwänden dieser Nische sind gleich-
falls Opferzüge dargestellt, und zwar an der Rech-
ten vor der Isis, an der Linken vor einer langbe-
kleideten Göttinn, die beide Hände hebt, in jeder
einen Nilschlüffel. Dieser entgegen tritt ein Mann,
im weiten Schleppmantel; darin birgt er die eine
Hand, während die andere einen Stab mit dem
Nilschlüffel trägt. Der Kopf dieses Mannes ist un-
gewöhnlich groß. Diskus und Stirnhörner sind über
feinem Haupte und über den männlichen und weib-
lichen Gestalten, die ihm folgen. Ich halte dieß für
einen Opferzug, durch Priester ausgeführt und Volk.
Neben dieser Nische ist eine kleinere, gleichfalls
mit einem Bilde und Hieroglyphen verziert, dann
232
aber die zweite fäulengetragene, an Größe und Ge-
stalt der ersten gleich. Die Bilder sind wenig ver-
fähieden, doch erscheint auch Mendes hier, ganz so
gezeichnet wie auf dem Pylon zu Ombos. Die vierte
Nische, der Reihe nach, ist wie die zweite klein, und
ähnlich verziert; die fünfte ist leer, und endlich die
fechste ist wie lehnend in die Felswand gearbeitet,
mit Säulen, Bildern und Hieroglyphen; ihr zur
Seite ist noch eine siebente, nur halb ausgeführte.
Diese Male fallen in die Zeit der Remesiden.
Wir finden den Ring des größten dieses Geschlech-
tes, Mi-Amon-Remeles, (geschrieben Amn Remses)
in den beiden ersten fäulengetragenen Nischen, und
neben demselben einen anderen Ring, der auf der
Tafel von Abydos nicht erscheint, also einem Nach-
folger Mi-Amons angehören muß. Und wirklich
stellt die Tafel von Medinet-Abu, welche die Rei-
henfolge der Pharaonen um ein Paar Könige weiter
heraufführt, den erwähnten Ring unmittelbar nach
demjenigen Mi-Amons. In der Felsentafel finden
sich, im Texte und auf dem Rahmen, dieselben Ringe,
und ein dritter, den wir, abermals durch die zu
Medinet-Abu aufgefundene genealogische Folge, dem
vierten Nachfolger Mi-Amons zugehörig fehen. –
Die sechste Nische zeigt den Ring des Königes,
den die Tafel von Abydos als unmittelbaren Vor-
fahren eben desselben Mi-Amon's angibt. Die vierte
233
Nische enthält, außerhalb dem Rahmen, ein Paar
Ringe, die vielleicht späteren Remesiden gehören.
Ich konnte sie nicht genau abschreiben, da sie fast
unleserlich waren. So auch einige im Texte der Hie-
roglyphen.
Der Umstand, daß die Tafeln von Abydos und
Medines-Abu die Könige, die ich auf den Malen
von Dschebel-Seleleh nachwies, als drei von Va-
ter auf Sohn und den vierten als kurz darauf fol-
gend, darstellen, kömmt demjenigen zu Gute, was
ich über die Erklärung der Hieroglyphenringe wei-
ter zu sagen Gelegenheit haben werde.
-
. . . . "
- - - - -
– –
- - - . . . " , : 1
- - - - -
- - - -
.
:
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: "
20
XIX.
Apollinopolis magna.
- - - (Ed fu)
– - - - -
Der Tempel des Horus zu Edfu wird, in Ägypten
nur von denen zu Theben an Größe übertroffen, in
Nubien aber von demjenigen von Kelabsche.
Zwei Pylonen, noch jetzt 72/ 6“ über den
Schutt ragend, der die daran stoßenden Säulen-
gänge fast bis an die Knäufe deckt, mit einem ma-
jestätischen Thore, bilden den Vorderbau. Es ver-
steht sich, daß die ganze Oberfläche innen und außen
mit Arbeiten des Meisels bedeckt ist. Der rechte
Pylon zeigt auf der Vorderfeite 6 Bilder
in drei Reihen, je Zwei und Zwei. Zwischen den Bil-
dern aber sind Felder von Hieroglyphen.
- Horus erscheint in diesen Bildern mit allen
Attributen des Osiris, und ich habe keinen anderen
Grund, lieber Jenen als Diesen zu nennen, als den
Namen der Stadt. Im obersten Bilde hat Horus
den Thot (mit dem Ibishaupte), die Sate (2x ra)
und drei Jünglingsgestalten ohne besondere Attri-
bute hinter sich und empfängt aus der Hand eines
235
Kriegers das Opfer eines kleinen Nachens, worauf
eine weibliche Gestalt hockert. Im nächsten sind die
begleitenden Götter Isis und Osiris. Der Opfernde
ist dem früheren, bis auf die Kopfbedeckung, ähn-
lich. Im Durchschnitt sind in allen diesen Bildern
die Götter sitzend, die Opfernden stehend darge-
stellt. Jene haben in der Rechten den Nilschlüffel,
in der Linken die männlichen Götter den Lituus,
die weiblichen eine Lotusblume. -
In der zweiten Reihe trägt Horus bald den
Pfchent, bald eine Mitra auf dem Haupte, die
ganz derjenigen unserer Bischöfe gleicht. Unter den
Göttinnen sieht man Isis, die über den Diskus noch
einen Thronos hat. Das Opfer ist eine Schale,
aus der ein Schlängelchen sich hebt.
In der dritten Reihe haben die Figuren über
20“ Höhe. Eine höchst ausdruckvolle Gruppe, die
fast auf allen Pylonen das unterste Bild einnimmt,
ist auch hier zu sehen. Ein strafender Gott, wuth-
entbrannt, hält mit der linken Faust einen Hau-
fen Feinde, welche bittend die Hände heben, bei
den Haaren zusammen, und schwingt mit der Rech-
ten hochgehoben die Art, während seine Füße über
schon zu Boden. Geworfene zertretend schreiten. Ein
königlicher Adler schwebt, wie ein Schutzgeist, über
feinem Haupte, um das die Haare in langen, ge-
flochtenen Zöpfchen hängen, gerade so wie heut zu
20 *
236
Tage die Berbern in Nubien die ihrigen zu tragen
pflegen. Ist es der ägyptische Mars? ist es der fie-
gende Osiris ? ist es ein Sinnbild der königlichen
Macht ? mögen. Andere entscheiden. Neben dieser
kühnentworfenen und furchtbaren Darstellung, folgt
eine Nische im Pylon, worin Horus oder Osiris
mit der Sperbermaske zweimal koloffal erscheint;
der Raum des zweiten Bildes ist sodann durch zwei
andere kolossale Göttergestalten , Isis mit dem
Pschent, und Osiris, in der Hand ein Gefäß, aus-
gefüllt. Aus dem Gefäß hebt sich eine Schlange,
die ebenfalls einen Sperberkopf und darüber den
Diskus hat. -
Die Vorderfeite des linken Pylons
hat eine gleiche Zahl von Bildern und darin ähn-
liche Darstellungen. Ich bemerke hier, daß die Kopf-
bedeckung des Opfernden sich in demselben Bildeje-
derzeit unter denen der Götter, welchen die Opfer
gebracht werden, wiederholt. Der Opfernde ist ju-
gendlich, in Kriegskleidern, mit königlichen Zeichen;
die Götter dürften die zwölf großen seyn. Unter den
Dpfergaben sind verschiedene der damals üblichen
Kopfbedeckungen, und auch die Ringe der Erbauer
des Tempels.
Die Vorderfeite des Th o re s hat im
Gesimse den geflügelten Diskus, dieselben Ringe,
und den Agathodämon, als Bewahrer derselben;
237
im Supercilium zehn Figuren und drei Bilder in
den Antifragmenten.
Die Achfe des Tempels, von Innen nach
Außen, läuft von N nach S.
An der Ostfeite des rechten, und eben
fo an der Westfeite des linken Pylons
find vier Bilder, jedes zu zwei koloffalen Figuren;
die Hinterfeite jedes Pylonen enthält aber zwei
Reihen koloffaler und eine Reihe kleinerer. Die
oberste zeigt im ersten Bilde den Horus, der eine
Mitra als Opfer empfängt; im zweiten das Opfer
einer Vase und Früchte der Isis und einem jugend-
lichen Gotte gebracht; im dritten das eines Auges
dem Osiris; im vierten das eines Lituus der Isis
und dem Horus. Unter den Opfergaben der zweiten
Reihe, in welcher die Götter stehend (in der oberen
fitzend) erscheinen, ist ein Bündel Lanzen und Pfeile,
welchen der Darreichende löset.
Die kleineren Figuren, weniger forgsam als die
anderen gearbeitet, (die fammt allen Hieroglyphen
und Zierden aus vertieften Räumen gehoben sind)
tragen auf Stangen, die auf den Achseln liegen,
Nachen, deren Vorder- und Hintertheil mit einem
Isis- oder einem Sperberkopfe geziert sind, so wie
man noch heut zu Tage die Schiffe am Vordertheile
mit irgend einer Bildhauerarbeit ziert. In den Na-
chen steht das Nachbild eines Tempels.
2ZZ
Im Innern enthalten die Pylonen zehn
Stockwerke Gemächer. Die Stiege beginnt mit 9
Stufen, bricht dann rechtwinkelich, nach abermal
6 Stufen wieder fo, und immer so fort bis auf die
Höhe. Zu unterst ist ein Gemach, nach 30 Stufen
das zweite, nach weiteren 15 das dritte, und in fol-
chen Abständen das vierte u. f. w. bis zum zehnten.
Dann kommt man mit 9 Stufen auf die Höhe, bis
zu welcher gegenwärtig die Pylonen noch bestehen. Die
Gemächer bleiben für den Hinaufsteigenden alle zur
Rechten; die Stiege läuft also in der Mitte des
Pylons. Vom dritten Gemache ist ein Ausgang auf
das Thorgesimse. Was den Tag betrifft, so fällt er
auf die Stiege und in einige Gemächer durch innen
breite, außen schmale rechteckige Öffnungen, die
den ägyptischen Bauwerken eigenthämlich und so
vertheilt sind, daß sie den Bildern nicht schaden,
ja nicht einmal von Außen leicht unterschieden wer-
den. In anderen Gemächern sind von Barbarenhand
viereckige Fensterhöhlen durchgeschlagen worden,
welche mehrere Figuren z. B. die koloffalen der Isis
und des Horus auf der Nordseite des rechten Py-
lons abscheulich verstümmeln. Im Innern sind die
Gemächer offenbar Wohnungen, unverziert. Die
Werkstücke in diesem Baue sind mit feinem Mörtel
gefügt.
-
239
Die Pylonen können nicht viel höher gewesen
seyn, wie der Kranz des Gesimses zeigt. Zu den 159
Stufen mögen etwa noch 6 zu zählen feyn. Von
oben, welcher Ausblick! Tief unter sich die bis ans
Gebälke vergrabenen Tempelreste mit ärmlichen Erd-
hütten zwischen den Säulengängen und über dem
Tempel; denn ein Theil von Edfu hat sich darauf
angesiedelt; ringsum Schutt, der die Ausdehnung
der alten Stadt bezeichnen dürfte; weiter nach West,
Nord und Süd bebaute Ebene und zuletzt als
Rahmen ums ganze Gemälde – die Wüste.
Bis zum Thorgebälke, an der Infeite der
bei den Pylonen, hat jeder ein großes Bild
und einen Saum kleiner Figuren. Im Thorraum
stehend hat man sechs Bilder zur Rechten und eben
fo viele zur Linken, die übrigen sind verschüttet.
Eine breite Nische, in denen Reihen von Nachen,
mit dem Nilschlüffel in jedem, dargestellt sind, theilt
die Seitenwände. In jedem Bilde sind drei oder
vier Hauptfiguren und hier sehen wir auch Harpo-
crates. Ihm werden Vasen, Lotus und geflügelte
Globen gebracht. Die Decke des Thorraums ist mit
ähnlichen Disken oder Globen geziert. In den Ecken
bemerkt man die Löcher, worin die Thorangeln sich
bewegten. -
Durch das Thor getreten, steht man in einem
mit bedeckten Säulengängen umschloffenen Hof-
240
raum, und hat vor sich die Fronte des Tem-
pels, die selbst durch 2 Pfeiler und 6 mächtige
Säulen geziert ist. Wände, Säulen, Gesimse,
Decke, Alles ist voll Bilder und Hieroglyphen der
edelsten Arbeit. -
Die Wände des Portikus, der sich zur Rechten
und Linken an die Pylonen lehnt, und von zehn
Säulen, fünf auf jeder Seite, getragen wird, zei-
gen zwanzig Bilder, zehn in der Breite und zwei
in der Höhe. Sechzehn davon find zu zwei, die vier
übrigen jedes zu zehn großen Figuren. Unter diesen
letztern ist abermals Harpocrates, auf einer Lotus-
blume sitzend, die acht alten Götter hinter sich.
Eben so haben die Wände der Portiken, die
den Hof im Sinne der Länge begleiten und wovon
jeder auf eilf Säulen ruht, zusammen acht und
achtzig Bilder, in zwei Reihen, davon 72 zu zwei,
und 16 zu drei großen Figuren. Die untere Reihe
blickt nur oben aus dem Schutte hervor, denn die-
fer reicht bis 5“ unter die Knäufe der Säulen. Alle
Bilder geben Opferhandlungen. Die Ausführung
ist großartig und fein. Auf den Querbalken erscheint
mehrmals das herrliche Bild der Netphe mit aus-
gefpreiteten, über das Kreuz geschlagenen, Adlerfit-
tigen. Jede Säule hat einen anderen Knauf, jede
andere Bilder und Hieroglyphen. Die königlichen
Ringe, welche sich unzählige Male auf allen Thei-
211
len des Tempels wiederholen, sind auf den Säu-
len in Nachen geführt, mit Adlern zur Seite; aber
großentheils noch nicht ausgefüllt, welches beweiset,
daß der Bau nie vollendet worden ist.
Eine zerstörende Hand ist wie in vielen Tempeln
Ägyptens auch in diesem sichtbar, denn die Götter-
gestalten der Bilder sind zum Theile emsig mit dem
Meißel abgeschlagen.
Der erste Saal des Tempels ist feines
königlichen Vorbaues würdig. Er wird von 18 ko-
loffalen Säulen getragen. Nach vorne reicht die
Wand nur bis zur halben Höhe, was gleichfalls eine
Eigenheit und ein schöner Gedanke der altägypti-
fchen Schule ist. Die Seiten sind mit Wänden ganz
auf Geschloffen. Die Hinterseite zeigt ein herrliches
Portal zum Eingang in die übrigen Säle. Sechzig
Bilder zierten, in diesem ersten Saale die Wände.
Isis, und fast nur fie, empfing die Ehren des
Opfers. Doch sehen wir hier auch Amon, Anubis,
und auch Harpocrates auf einem Altare sitzend, der
von vier langfchnautzigen Hunden gezogen wird.
Der Eingang in die übrigen Tempelfälle
war fo verschüttet, daß ich nicht in dieselben gelan-
gen konnte. Es dürften dem ersten Saale noch drei
oder vier gefolgt feyn.
Die westliche Außenwand zeigt fiebzehn
koloffale Figuren in einer Reihe. Unter dem zahllo-
Proke fch: Ägypten I, 21
242
fen Zierath auf dieser Seite kömmt ein Skaräbäe
vor, der, statt eines natürlichen Kopfes, zwei rechts
und links gewendete gekrönte Adlerköpfe hat. Auch
Spreitet er die Flügel gerade so wie der kaiserliche
Doppeladler, dem er sprechend gleicht. Ich habe dieß
Bild an keinem anderen Tempel bemerkt. Aus die-
fer Wand springt ein Löwe hervor, und so sind auf
der nördlichen Außenwand deren zwei. Vielleicht
dienten dieselben zum Abfluß des Regenwaffers, ob-
wohl, in diesem Lande, Regen unter die Wunder
gehört. Schon Herodot sagt, daß es in der thebai-
fchen Mark nie regne, und ich erinnere mich, daß
mich ein Greis zu Theben versicherte, daß es seit
dreißig Jahren ein einziges Mal und dann nur wenige
Augenblicke geregnet habe.
Auf der nördlichen Außenwand find in
der oberen Reihe (zwei andere Reihen verhüllt der
Schutt) 28 kolossale Figuren in 12 Bildern darge-
stellt.
Der Tempel war von einer Mauer aus Werk-
stücken umgeben; auch diese ist durchaus mit den herr-
lichsten Arbeiten geschmückt. Die nördliche Außen-
seite derselben zeigt 16 kolossale Figuren. Unter die-
fen Figuren erscheint eine weibliche Gestalt, die
Haare in nubischen Treffen hängend, einfach beklei-
det; sie opfert verschloffene Vasen. Auch sie trägt
243
den Diskus und Rindshörner, und opfert doch der
Ilfis.
Die Behauptung, daß die Hieroglyphen und
Figuren dieses Tempels nicht bemalt waren, ist ir-
rig. An vielen Orten, z. B. im Thore zwischen den
Pylonen, sind die Farben erhalten. Die Körperwa-
ren durchaus rothbraun bemalt. -
Der Tempel von Edfu ist eine Welt. Er gäbe
Arbeit für Monate und Bände. Wer sind deffen Er-
bauer? – Auf allen Theilen des eigentlichen Tem-
pels und des Vorhofes lesen wir den Namen des-
felben Ptolemäus Philometor, den wir auch zu Om-
bos gefunden haben. Auf den Außenwänden aber,
die natürlicher Weise später geendiget wurden, fin-
den wir die Ringe eines späteren Ptolemäers und
zwar Ptolemäus Alexander (geschrieben: Ptolmäus
Alksndrs) denjenigen einer Berenike (geschrieben
Bernike), den des Ptolemäus Cäsar in zwei neben
einanderstehenden Ringen (geschrieben: Ptolmäus
Kaisers), endlich auch diejenigen römischer Impera-
toren. Diese allein aber auf der Ummauerung, die
sicherlich der am spätesten errichtete Bau an diesem
Horustempel war. - -
Südlich vom westlichen Pylon (in der Entfernung
von 50 bis 60 Schritten nur), bis an die Knäufe
verschüttet, steht ein Tempel des Typhon. Er ist
nach OSO gerichtet; Hieroglyphen und Bilder sind
21 *
244
genau im Style des großen Tempels; auch trägt
er die Ringe des Ptolemäus Philometor. Gespreitete
Adler und geflügelte Diskufe zieren die Decke der bei-
den Gemächer, die noch bestehen. Vor dem ersten
dieser Gemächer findet man zwei Säulen und einen
Pfeiler; vier Säulen aber längs den Seiten; diese
Reste geben an, daß ein Portikus um diesen kleinen
Tempel lief. Die Säulen haben auf dem Abakus
einen Aufsatz und auf jeder Seite desselben ist die
Zwergengestalt dieses bösen Gottes dargestellt. Im
Inneren fah ich denselben in keinem Bilde, dort
find Harpocrates, Osiris, die fäugende Isis, oder
Osiris und Isis, mit einem oder zwei Kindern an
der Hand. Im zweiten Gemache steht eine Säule
in der Richtung des Thores; nur der Obertheil des
Fustes ist sichtbar; ich begreife nicht, was sie dort foll.
Das Typhonium hatte einen Vorbau, wovon
ein Paar Säulen und verzierte Mauern noch stehen.
Auch einige andere Ruinen find im Umfange von
Edfu. In einer derselben liegt ein Sphinx. Am rech-
ten Ufer trifft man gleichfalls Spuren alter Bau-
ten. Eine Tagreise tief in der arabischen Wüste
steht ein kleiner ptolemäischer Tempel. -
XX.
Eile th y ia.
Plutarch behauptet, auf das Zeugniß des Manetho,
daß der Göttinn Eilethyia in der nach ihr genannten
Stadt Menschenopfer gebracht worden feyen. Die
zum Opfer Bestimmten sollen unter dem Namen
Typhon, vielleicht zur Beschwichtigung dieses bösen
Wesens, verbrannt und ihre Asche in die Winde ge-
streut worden seyn. Nach Porphyrius soll König
Amafis (Amofis?) diesen Dienst gemildert haben,
indem er statt wirklicher Menschen, Bilder von fol-
chen als Opfergabe wählen hieß. Eilethyia wird von
Einigen auch Bubatis genannt; diese aber nahmen
die Griechen für die Artemis.
Noch ragen Spuren dieser pharaonischen Stadt,
noch Reste des Tempels aus dem Wüstensande. Das
arabische Gebirge bewahrt noch Gräber in Menge,
die merkwürdigsten nach denen von Theben und
Memphis: aber nirgends findet sich ein Bild, das
auf den erwähnten furchtbaren Dienst schließen laffe,
gegen welchen auch das Zeugniß Herodot"s sich er-
hebt, der bei Gelegenheit eines Mährchens der Hel-
246
lenen über Herakles, geradezu sagt, Menschenopfer
feyen den Gebräuchen der Ägypter entgegen (II.45).
Die Umwallung der Stadt umschließt einen
Hügel nahe am Ufer. Sie ist, bis auf eine kleine
Strecke im westsüdwestlichen Winkel, erhalten und
bildet fast ein Rechteck.
Länge der NNWseite . . . . . . 2530
» » SSO » . . . . . . 1680
» » WSW» . . . . . . 1570
» » ONO » . . . . . . 1570
Umfang: Wiener Fuß . . . 7350
Diese Umwallung ist aus an der Sonne gedörr-
ten Ziegeln, die fast 1“ ins Viereck halten. Gegen-
wärtig beträgt ihre Höhe noch einige zwanzig Fuß,
ihre Dicke aber 32“ 3“. Sie war verkleidet. Wo-
mit ? davon keine Spur. Durch die Mitte jeder
Seite geht ein Thorraum, neben welchem, an der
Inseite, Aufgänge sich befinden.
Vom Thore in der ONOseite zieht eine Scheide,
5“ 9“ dick und gleichfalls aus ungebrannten Zie-
geln, nach dem Hügel und defen Abhang hinauf,
als habe man diesen Theil der Stadt abfondern wol-
len. Der Abhang ist mit Ruinen aus solchen Zie-
geln bedeckt. Vom Fuße des Hügels aber bis an die
Umwallung ist keine Spur von solchen Resten. Sand
bedeckt diesen Raum.
217
Auf der Spitze des Hügels, fast in der Mitte
der Stadt und an deren herrschender Stelle, stand
der Tempel, und stehen heute die Reste, die noch
davon vorhanden sind. Die Achse des Tempels sah
SO bei S. Von Pylonen ist keine Spur. Man fin-
det zuerst einen Zugang von 5 Säulen zu jeder
Seite, vor dem einige verstümmelte Koloffe aus
Porphyr und andere aus Sandstein liegen, zur
Seite aber waren Gemächer; dann die Reste eines
Thores und eines Vorhofes, der zu jeder Seite zwei
Gemächer hatte. Die mit Hieroglyphen bedeckten
Mauerreste derselben schauen kaum 2“ hoch über den
Sand. Dem ersten Vorhof folgte ein zweiter zu 6
Säulen, und abermals Gemächer auf jeder Seite.
Dann trat man in einen Saal von 30 Säulen (in
fünf Reihen) getragen und mit einer Pfeilerreihe
geschloffen, durch denselben aber, zur Linken, in drei
Gemächer. Mehr ist von dem Plane des Tempels
nicht mehr zu erkennen. Nach Nord und Ost enden
die Trümmer unmittelbar nach dem Saale; beson-
ders nach Ost ist Absturz und ein natürliches Becken,
das mit Salniter bedeckt war. Aus einigen Spuren
im Süd und West erkennt man, daß der Tempel
von einer Mauer aus Werkstücken, und noch ins-
besondere von einem Walle aus ungebrannten Zie-
geln umfangen war.
248
Von den dreißig Säulen des Saales stehen noch
fechs aufrecht, wovon einige Knäufe die Lotusblu-
me darstellen, die andern die Gestalt eines umge-
stürzten Kelches haben. Der Fust hat, zunächst am
Knaufe, einen breiten Gürtel von Nilschlüffeln,
Ringen und anderem Zierath; dann zwei Bilder:
Opfer, einer Göttinn gebracht. Der Opfernde ist ein
Jüngling; die Göttinn erscheint bald mit den Attri-
buten der Isis, bald mit einem Thierhaupte; die
Gaben bestehen in Vasen und Lotusblumen. Diese
Figuren haben 4/7“ 6“ Höhe. Darunter ist eine
Reihe kleinerer Figuren und endlich ein Saum von
Hieroglyphen. Die Fußgestelle der Säulen verbirgt
der Schutt.
Die Fusten bestehen theils aus 7, theils aus 8
Stücken, und haben 9/ 6// Umfang; die Knäufe
aus zwei. Zwischen diesen Säulen liegt eine Bild-
fäule aus Porphyr , von welchen auch Reste von
Sphinxen unter den Ruinen dort liegen, und den
Einige für Basalt halten.
Von den Gemächern zur Linken des Saales ist
eines noch ziemlich erhalten. Auf derselben Seite,
außerhalb dem Tempelumfange, sind Reste eines
anderen rechteckigen Baues, der gleichfalls irgend
ein Heiligthum gewesen zu feyn scheint.
Unter allen Ruinen Ägyptens, von denen man
überhaupt noch sprechen kann, ist diese am meisten
249
verwüstet. Der Sandstein, aus dem der Tempel gebaut
war, ist auch zerbrechlicher als derjenige anderer alter
Bauten und fast verwittert. Die Hieroglyphen sind
nicht erhoben, sondern vertieft gearbeitet und oft
nur ganz leicht, so viel als genug war, um die Far-
ben einzulaffen. Diese haben wunderbar widerstan-
den. Man möchte fagen, sie überleben den Stein.
Diese Anzeichen hohen Alters werden auch durch
die Ringe bestätiget. Ich konnte nur zweierlei fin-
den: Mi-Amon - Remefes und Okyr (geschrieben
Okr). Manetho führt in der 18. Dynastie zwei
Könige unter dem Namen Acheres auf, und in der
24. einen unter dem Namen Okoris, auch Bokoris.
Ich halte aber diesen Okyr (oder Akor) für älter
als Mi-Amon. Er müßte fonach in die 17. Dyna-
stie fallen.
Geht man durch das Thor der ONOseite der
Umwallung, fo findet man, etwa 30 Schritte vor
demselben, einen Haufen Trümmer, der die Reste
des Thores selbst zu begraben scheint.
Geht man durch das Thor der NNWseite auf
etwa 1000 Schritte in die Sandebene, so findet
man die Reste eines kleinen, in allen seinen Thei-
len forgsam gearbeiteten, Tempels. Er besteht aus
einem Aufgange und aus zwei Rechtecken, das eine
im anderen. Das innere, oder eigentliche Heiligthum,
hat auf 10“ 0“ 6“ innere Breite 19/ 10“ 6“
250
Länge, die Wand aber 2“ 7“ Dicke. Fünf Querblöcke
bilden die Decke dieses Gemaches, dessen Eingang
SO schaut, und 5/ 1“ innere, 4“ 7“ 6“ äußere
Breite hat. – Im Abstande von 4“ 10“ 6“ um-
schließt das Heiligthum eine Wand, 2“ dick, die
einen bedeckten Gang mit demselben bildete, der auf
der Hinterseite drei, und auf jeder der beiden übri-
gen Seiten vier Fensteröffnungen, 3“ 10“ 6“ breit
oder lang, und 5“ 9“ hoch, hatte. Der Aufgang
endlich, in der Vorderseite des Ganges, hat die
äußere Breite des Heiligthums, 14/8/6“, – ist
21“ 6“ 9“ lang und hatte Stufen.
Das Heiligthum ist beinahe ganz erhalten. Her-
ausgearbeitete Bilder und Hieroglyphen, an denen
die Farben zum Theile frisch erhalten sind, bedecken
es. Der Styl in den Figuren ist höchst edel, einfach,
feelenvoll. Die Zeichnung und Ausführung sind sehr
forgsam. Die Figuren an den inneren Wänden ha-
ben 2“ 10“ 6// Höhe, an den äußeren 3/10/6“.
Die Gangmauer ist an der SOseite fast ganz, an der
NOseite zum Drittheile erhalten, der Aufgang da-
gegen nur aus wenigen Resten erkenntlich.
Stellten die Bilder nicht Opferhandlungen vor,
und hätte ich im Innersten großer Tempel z. B.
in denjenigen zu Luxor und Karnak nicht ähnlichen
Bau der Heiligthümer gesehen, so würde ich dieß
wunderschöne Gebäude nicht für einen Tempel hal-
251
ten. Vielleicht machte es nur das Herz eines großen
Baues aus, von dem die Wüste die Spuren verhüllt,
oder der in griechischer oder römischer Zeit abgetra-
ben wurde. Die Ringe, welche ich auf diesem Tempel-
chen fand, sind diejenigen des zweiten und dritten
Thotmoses. -
In den Felshügeln des arabischen Gebirges, hin-
ter Eilethyia, sind viele und große Gräber. Bei man-
chen zeigt der Eingang ein mit Hieroglyphen bedeck-
tes Thor, bei anderen geht derselbe durch ein un-
scheinbares Loch. Die erste Halle ist länglich und
oben ausgeründet; sie enthält, längs den Wänden
am Boden, oft Grabnuschen und andere keilförmig
zulaufende wagrechte Nischen, einige Fuß hoch über
dem Boden, in welche Opfer gelegt worden seyn
mögen; das Haupt der Familie aber ruhte in einer
zweiten Halle, die meistens an einer Seite der Vor-
halle angebracht ist. -
Die merkwürdigten dieser Gräber sind im näch-
ften Hügel, N der Stadt. Dieser Hügelhallt überall
dem Fußtritt wieder. Auch kettet sich Gemach an
Gemach, und wie in Erzgebirgen, sind Schächte
in die Felsen abgetäuft, welche wieder zu Gemächern
führen. Solche Schächte liegen oft vor dem Ein-
- gange in Grabhallen, so daß sie denselben sperren.
Heut zu Tage, wo bereits. Alles entheiliget, ver-
wüstet und geplündert ist, sind auch diese Schächte
252
ganz oder zum Theile ausgefüllt; einige bestehen
noch bis auf 30“ Tiefe, und man muß beim Be-
fuche aller ägyptischen Grabstätten wohl aufmerken,
wohin man den Fuß fetze.
Eine solche Abtäufung, 25“ tief 3/4“ 6“ breit
und 7“ 2“ lang, liegt vor einer Grabhalle, die in
ihrer ganzen Weite geöffnet, da steht. Im Hinter-
grunde ist eine große Nische, darin aber, in Lebens-
größe aus dem Felsen gehauen, fitzet ein Mann
zwischen zwei Frauen. Diese Gestalten sind verstüm-
melt an den Köpfen; die Körperformen sind voll und
nicht unedel. Sie waren bemalt.
Die Wölbung der Decke war gleichfalls bemalt,
ist aber durch Feuer verwüstet. Dagegen sind die
Seitenwände der Halle noch ziemlich geschont geblie-
ben. Die linke Wand hat zu oberst einen breiten -
Saum von Hieroglyphen, dann in verschiedenen
Feldern verschiedene Darstellungen von den gewöhn-
lichen Geschäften und Verrichtungen im häuslichen
und bürgerlichen Leben, in jener uralten Zeit.
Die drei unteren Felder, gleich am Eintritt,
zeigen das Hirtenleben. Vieh allerlei Art, Schafe,
Rinder, Pferde, werden auf die Weide getrieben,
dort gepflegt u. f. w. Heut zu Tage ist die Pferde-
zucht in Ägypten , in Bezug auf einheimische Pferde,
Null. Arabien, Syrien und Dongola versehen Ägyp-
ten damit, und was nur immer ein gutes Pferd
253
in Ägypten ist, stammt aus Racen dieser Länder.
In ältester Zeit versah, gerade umgekehrt, Ägyp-
ten Syrien und die Länder nach dem Euphrat hin,
mit Pferden, und der Zoll auf diese Einfuhr wird
als eine der Quellen des Reichthums Salamons auf-
geführt (Könige I. 8. 28), der übrigens für sich und
sein ganzes Land gleichfalls die Pferde aus Ägyp-
ten kommen ließ. (Chron. II. 9. 28) Die Menge
der Streitwagen und die großen Heere der Pharao-
nen, fetzen die einheimische Zucht voraus.
Zwei Felder, zur Rechten der früheren und
von diesen durch eine Göttergestalt getrennt, geben
den inneren Handel. Früchte, Brote u. f. w.wer-
den erst gewogen, dann auf ein Fahrzeug geladen,
und weggeführt. Das Fahrzeug gleicht dem heuti-
gen Match. Es trägt eine Kajüte, gestaltet wie auf
diesem; der Griff des Steuers reicht über die Decke
der Kajüte weg, wie im Masch, wo der Steuer-
mann eben deswegen auf der Decke der Kajüte filzt;
die Bemastung ist dieselbe in Beiden; die Gestalt
des Steuers aber eine andere. Dasselbe war nämlich
ein gewöhnliches langes Ruder mit doppelter Schau-
fel. Ich erinnere mich, im schwarzen Meere türkische
Schiffe mit solchem Steuer gesehen zu haben. –
Auf einem der Fahrzeuge ist ein beladener, zweirä-
deriger Karren, und dessen Ladung durch einen Hebe-
25-
baum festgehalten, wie man bei uns das Heu zu
laden pflegt.
Die oberen Felder enthalten den Ackerbau,
und zwar das erste, das Pflügen. Zwei Männer,
auf den Achseln die Deichsel des Pfluges, ziehen;
zwei Andere helfen mit den Händen an der Deichsel
nach; ein Fünfter hält den Pflugarm und tritt mit
dem Fuße auf die Pflugschar; ein Sechster endlich
hält den hinteren Leitsterz. Der Pflug selbst ist eine
lange, breite, spitze Schaufel, aus deren Mitte ein
Pflock aufgreift ; durch diesen geht die Deichsel
(stange oder strick), die am Hintertheil der Schau-
fel oder Pflugschar befestiget ist. Dort hebet sich
auch der Pflugarm, und von dort geht, so lange
als die Schaufel selbst, und mit ihr in einer und
derselben Krümmung, der Leitsterz aus, der in ei-
nen Knopf endiget. Ein siebenter Mann folgt dem
Pfluge; es ist der Säemann; er trägt eine Kuffe
aus Dattelzweigen, wie diejenigen, in denen man
jetzt noch die Saat zu tragen pflegt.– Im zweiten
Bilde wird der Grund mit der Haue gelockert. Im
dritten abermals gepflügt, aber dießmal ist der Pflug
mit Ochsen bespannt. Im vierten wird die Einbrin-
gung der Ernte vorbereitet; auf das Feld führt ein
zweiräderiger Wagen, leer, aber mit feinem Hebe-
baume. – Im fünften Bilde ist der Schnitt, der
mit Sicheln, den bei uns gebräuchlichen ähnlich,
255
geschieht. Krüge mit Waffer stehen zur Seite, und
einer der Schnitter, die Sichel unter dem Arm,
trinkt. Im sechsten werden die Garben gebunden,–
aufgehäuft , – weggetragen ; im siebenten durch
Rinder auf einer umrändeten Tenne (wie sie heut
zu Tage im ganzen Oriente gebräuchlich find) aus-
getreten; im achten endlich wird das Getreide zu
Haufen gelegt. - -
In den oberen Feldern der zweiten Hälfte der
linken Wand ist der Weinbau dargestellt, von der
Pflanzung der Rebe, bis zur Traubenlese und der
Kelterung. Die Trauben sind blau, und das Kel-
tern geschieht durch eine Presse. – Dieses Bild steht
im Widerspruche mit Herodot, welcher (II.78) sagt:
»Weinbereiten. Sie sich aus Gerste, denn Reben wach-
fen in ihrem Lande nicht. «Ich weiß nur nicht, ob
er diesen Gerstenwein meint, wenn er, im Leben
des Rampfinitos, (II. 121) von Schläuchen mit
Wein gefüllt spricht, unter die tägliche Verpflegung
eines Mannes der Leibwache des Königs auch vier
Aristeren Wein aufnimmt (II. 168). Aber er sagt
ausdrücklich, daß bei dem jährlichen Feste in Bu-
batis viel Rebenwein getrunken wurde (II. (60) –
und, da er von den Priestern spricht, die von dem
Ihrigen nichts ausgeben, sondern auf Kosten des
Landes ernährt werden, so zählt er unter die Ge-
genstände, die ihnen gereicht werden, auch Reben-
256
wein. (II. 37.) Selbst eine Stelle der Bibel deutet
auf den Weinbau in Ägypten. Die Kinder Israel,
in der Wüste Tsin, schrieen in ihrer Noth gegen
Moyses und Aaron: »Warum habt ihr uns herauf-
geführt aus Ägypten, auf daß wir kamen an diesen
fchändlichen Ort, der nicht zum Säen taugt, nicht
für die Feigenbäume, nicht für die Reben, nicht für
die Granatäpfelbäume und wo nicht einmal Waffer
zum Trinken ist?« (Numeri. XX. 5) Sie beklagten
auf ihrer Wanderung so oft Ägypten , und was sie
dort befeffen hatten. Unter ptolemäischer und römi-
fcher Herrschaft wurde der Wein vom See Mareotis
bekannt. Heut zu Tage wird kein Wein in Ägypten
gepflanzt.
Unter diesen Feldern sind solche, welche die
Datte lernte, die Jagd und die Fifcherei
vorstellen, dann andere mit gottesdienstlichen
Gebräuchen. Gevögel wird zusammengebunden
auf der Achsel getragen; Fische werden aus Hand-
netzen geschüttet, zum Trocknen aufgefangen u. f. w.
Unter verschiedenen Gruppen der letzten Felder sah
ich, unter Anderen, einen Schreiber; er hält eine
Tafel mit der Linken vor sich hin, und schreibt dar-
auf mit der Rechten; dann auch eine Harfenspiele-
rinn; das Instrument hat zehn Saiten.
Die rechte Seitenwand ist ganz der Fahrt auf
dem Nil gewidmet. Da sind allerlei Fahrzeuge
257
dargestellt, die bald stromauf-, bald stromabwärts
gehen. Heut zu Tage werden die Masch und über-
haupt alle Fahrzeuge, wenn der Wind fehlt oder
ungünstig ist, vom Ufer aus durch die Schiffer
felbst gezogen, die sich hierzulanger Seile aus Dattel-
baft bedienen. Auch in diesen Bildern ist dieß Schiff-
ziehen gegen den Strom zu sehen, aber häufig find
auch Stiere dazu verwendet.
Durch die rechte Seitenwand, ganz an Hinter-
grunde, tritt man in ein finsteres Gemach, worin
die eigentliche Grabstelle, ein Schacht, sich befindet.
Wir fanden darin einige Reste von Mumien. Solche
Schächte pflegt man jetzt Mumienbrunnen zu nennen.
Nicht ferne von dieser Grabhalle ist eine zweite,
an Gestalt und Größe jener ähnlich. In der Nische
des Hintergrundes ist die Gestalt eines Mannes
ausgehauen. Das Halbrund der Decke, mit kleinen
farbigen Vierecken, in welchen ein Stern, macht
ein artiges Ganze. Die Vorstellungen an den Sei-
tenwänden beziehen sich wieder auf Hausleben, Hand-
werke, Spiele u. f. w. Da erscheint abermals eine
Frau, die, sitzend, auf einer Art von Harfe spielt. Das
Instrument hat sieben Saiten und wird zwischen
den Knien aufrecht gehalten. Deffen Körper gleicht
einem, im Sinne eines längeren Durchmesfers,
durchschnittenen Oval; an jedem Ende mit einem
Knopfe geziert. Von dem vorderen geht insbesondere
22
258
ein Steg nach unterwärts, der mit dem Resonanzbo-
den in Verbindung ist und demselben zur Dämpfung
gedient haben kann. Von dem hinteren Ende greift
ein langer Arm aufwärts, von welchem nach der
Durchschnittfläche die Saiten gespannt sind.
Das Tragen einer Art von Arche, welches zu
den festlichen religiösen Gebräuchen gehört zu haben
scheint (Herod. II. 63), ist an diesen Wänden gleich-
falls dargestellt.
Die Figuren an diesen und anderen Gräbern
find rothbraun bemalt; die Hieroglyphen eingear-
beitet nach ältestem Style. Man findet noch häufig
Vasen und Gefäße aus Alabaster, Idole u. f. w.
in diesen Gräbern. Die Bewohner von El-Lal brach-
ten mir deren, die ich kaufte. Die große französische
Karte nennt dieses Dorf El-Kab, ein Name, der
dort unbekannt ist.
Hart am Nil zeigen sich Reste eines Dammes
oder eines Aufganges, aus Werkstücken, der nach
dem großen Tempel in Eilethyia geführt haben
dürfte. -
XXI.
L a top o l i s.
(Es ne.)
Der Portikus von Esne ist der Triumph der Rö-
mer in Nachahmung des ägyptischen Styles, ein
Werk, das aus der vereinten Anstrengung mehrerer
Imperatoren hervorging, und das Einzige, das nicht
von den Ptolemäern begonnen und von ihnen nur
vollendet wurde, fondern als deffen Gründer sie er-
fcheinen. -
Dieser Portikus steht an dem jetzigen Markt-
platze, im NW-Winkel desselben, und dient als Vor-
rathskammer für die Baumwolle der ganzen Nazir-
fchaft. Der Schutt deckt von außen drei Viertheile
feiner Höhe und der Rest ist mit Lehm verkleistert,
damit sich die Kothbuden der Nachbarschaft nicht
zu schämen brauchen. Man steigt über Schutt und
Schmutz zu dem majestätischen Eingang hinab, der
durch die Ostseite (genauer O bei N) führt, denn
diese ist die vordere.
22 *
260)
Die Länge des Portikus ist 53“ 1“ 11“, defen
Breite 111/ 11/ 8“. Er wird durch 24 Säulen,
zu 5/4/4“ Durchmesser, in vier Reihen im Sinne
der Breite vertheilt, getragen, wovon die der ersten
durch eine Mauer bis zur halben Höhe verbunden,
und in dieselbe aufgenommen, die Vorderseite bil-
den; die übrigen drei Seiten sind durch Wände ge-
schloffen. Der Abstand der Säulen von der südli-
chen und nördlichen Wand beträgt 12“ 1“ 9“, von
der westlichen oder Hinterwand aber 8“ 3“ 9“, –
die Breite des Mittelfeldes 20/ 8“ 10“, – der
Abstand der Säulen in den übrigen Feldern unter
sich 8“ 8“ 4“. Die Höhe der Säulen fammt Knauf,
in so ferne sie gegenwärtig aus dem Schutte ragen,
ist 32“. Darauf ruhen Würfel, auf diesen die Quer-
balken und sodann die eigentliche Decke. Der ganze
Bau ist aus hartem Sandstein.
Jeder der 24 Knäufe stellt irgend einen Blu-
menkelch vor, und jeder ist von den übrigen verschie-
den. Die Muster aus dem pharaonischen Tempel sind
dabei getreu nachgeahmt. Die Seiten des Knaufes
tragen als Zierath das der Blume zugehörige Laub.
Die Ausführung davon ist fein und glänzend. Un-
ter dem Kranze des Knaufes folgen senkrechte Strei-
fen, dann Ringe von Amon und Ifis gehalten,
mit geflügelten Schlangen zur Seite, endlich Hie-
roglyphen zwischen senkrechten Linien eingefangen.
261
Die Farben, besonders die rothe, blaue und grüne,
haben sich besonders in den Kränzen gut erhalten.
Die Wand der Vorderfeite ragt etwa 7/
8“ über dem jetzigen mit Ziegeln ausgepflaster-
ten Boden, also ist der Portikus auch im Innern
fast bis auf die halbe Höhe verschüttet. Das Thor
ist an der Inseite so verstümmelt und verkleistert,
daß ich nichts davon zu sagen weiß. An den Resten
der Wand sind Bilder, welche wie gewöhnlich Opfer-
handlungen, und zwar dem Gotte Amon geltend,
vorstellen. Der Gott erscheint in der Gestalt des
Widders. -
Diesem Gotte war der Tempel vorzugsweise ge-
weiht. In einem Kreise eingefangen, steht er in
menschlicher Gestalt, aber mit dem Widderkopfe, so
wie sich Zeus, nach der Fabel, dem Herakles zeigte
(Herodot II.42), über dem Thore, das durch die Hin-
terfeite in die übrigen Säle führte. Die Säle
find bis auf die Spur verschwunden, aber der Por-
tikus kann nicht allein bestanden haben und das Thor
besteht. Es ragt gegenwärtig, im Innern, 15/8“ über
den Schutt. Die Antifragmente, nur wenig aus
der Wand gehoben, haben 274/ Breite. Das Super-
cilium zeigt den geflügelten Diskus; es greift mit
feinem Blätterzierath aus der Wand vor und hat
eine ähnlich verzierte, etwa 45“ hohe, Borte über sich,
womit das Thorgesimse endet. Zwischen diesem aber
262
und dem insbesondere eingerahmten Felde, worin
der Gott des Tempels steht, ist abermals ein großer
geflügelter Diskus.
Die drei inneren Wände des Portikus,
die nördliche, westliche und füdliche nämlich, ha-
ben zu oberst eine drei bis vier Fuß breite Borte Hie-
roglyphen, dann folgen, an der ersten und letzten,
drei Reihen großer Bilder, fünf in jeder Reihe,
oder fünfzehn auf jeder dieser beiden Seiten, auf
der dritten aber deren zwölf. Dann ist wieder eine
Borte Hieroglyphen gezogen. Das Weitere verdeckt
der Schutt.
Die 42 Hauptbilder, wovon jedes fammt seiner
Einrahmung, 94“ Höhe und 135“ Breite hält,
stellen gleichsam eine fortlaufende Opferhandlung
vor. Ist es Sate, die Juno der Ägypter, – ist es
Athor, die Venus derselben, – oder ist es vielmehr
Isis, die Göttin, in deren Namen sich alle übrigen
vereinigen, genug eine Göttin, die auf herrlichem
Thronos sitzt, empfängt in allen diesen Bildern das
Opfer. Bald trägt die menschliches Antlitz, bald ein
Thierhaupt, darunter auch dasjenige eines Ibis.
Ihre Attribute find höchst verschiedenartig, eben fo
reich an Verschiedenheit ist ihr Anzug und würde
allein schon den Künstler lange angenehm beschäf-
tigen. Ihre Gesichtzüge sind edel und von großer
Schönheit; die Haare geschmackvoll geflochten; ein
263
Schleier deckt das Hinterhaupt und hängt in lan-
gen Falten über den Nacken; das Geschmeide an
Händen und Brust, der Schmuck des Kleides, über-
haupt das Einzelnste und Geringste ist reizend ge-
dacht und gearbeitet. Die Zeichnung des Körpers ist
vernachläffiget. Es wäre lächerlich, im römischen Zeit-
alter und bei der Vollendung in anderen Theilen
des Bildes, die Kindheit der Kunst hierin sehen zu
wollen, sondern man muß sagen, was Denon sagte,
der den Portikus für ein Werk der Pharaonen hielt,
und Jeder sagen wird, der an Ort und Stelle sieht:
das Muster war gegeben, und davon abzuweichen
unerlaubt.
Die Göttinn hat meistens hinter sich eine Beglei-
terinn, manchmal auch einen Begleiter. Das Opfer
wird in allen Bildern von einem Manne gebracht,
der eben so verschieden in seiner Gestalt und in fei-
nen Attributen als die Göttinn selbst ist. Er trägt
im Gürtel eine Waffe, festanliegend, und einem
Schleuderfabe ähnlich, – Stiefel, die bis unter
die Knie reichen, – ein Kriegskleid, am Halle aus-
geschnitten und festanliegend. Er ist meist vorschrei-
tend mit keckem Schritte dargestellt; der Ausdruck
des Antlitzes ist kräftig, kühn und jugendlich. Manch-
mal hat er einen Thierkopf, z. B. den eines Kroko-
dills, eines Hundes u. f. w.
_264_
Nur in wenigen Bildern kömmt eine vierte Fi-
gur vor. Diese Figuren haben zum wenigsten Le-
bensgröße. Im Felde der Bilder, neben den Figuren
und über denselben, so wie auch im Rahmen, stehen
kleine Hieroglyphen, eine Schrift zur Erklärung der
Bilder. -
Die Decke besteht aus Blöcken, welche auf 3
bis 4“ Länge die Breite des Säulenganges, von
Achse zu Achse gerechnet, haben. Sie war in der nörd-
lichen Hälfte des Portikus so geschwärzt und be-
staubt, daß ich kein einziges Bild zur Genüge aus-
nehmen konnte. Im Mittelschiffe schweben 24 Adler
mit gespreiteten Flügeln, wie gewöhnlich einer hin-
ter dem anderen und die ganze Breite des Schiffes
einnehmend. Im nächsten daran find Götterzüge;
im mittleren der südlichen Hälfte aber, steht der
Thierkreis, über welchen so viel Gelehrtes von den
Franzosen und Anderen geschrieben worden ist. Hie-
roglyphen und Bilder darin sind eben so meisterhaft,
wie alle übrigen dieses Portikus gearbeitet, aber
Dank dem Staube der Wollsäcke, ich hatte nicht
wenig Mühe bei der Betrachtung derselben.
Dieß merkwürdige Feld ist nach der Länge in
zwei gleiche Theile getheilt. Die nördlichere der bei-
den Reihen beginnt mit zwei schwarzen Männern,
die sich gegenüber stehen und die Hände reichen.
Dann folgt, senkrecht auf die beiden Männer, eine
_265
weibliche Gestalt, in der einen Hand einen Zweig,
in der anderen eine Frucht, zwei Sterne unter den
Füßen. Unter ihr ist der Löwe, schreitend, einen
Stern vor sich. Dann folgt der Nilkrebs, mit 13
Sternen in drei Reihen über sich, einen Stern
kurz vor sich. Weiter eine dreifach gewundene Schlan-
ge, das Haupt dem Krebs zugewendet, unter und
neben sich drei kleine Schlangen. Sodann ein Adler
mit vier gespreiteten Flügeln, zwei geflügelte Schlan-
gen über sich; drei Gestalten gleichen Ausdruckes
und ohne Attribute, acht Sterne in zwei Reihen
über sich; weiter der Stier, der Widder, die Fische,
endlich eine Reihe schwarzer, sich die Hände reichender
Männer, mit Krokodil- und Stierköpfen, Götter
auf Stühlen sitzend u. f. w.
Diese Bilder also nehmen die eine Hälfte des
Schiffes ein. Eine Borte mit kleinen sehr verdor-
benen Zeichen, die mir die abgekürzten für die Zei-
chen des Thierkreises schienen, scheidet diese Hälfte
von der anderen. Darin erscheint, unter dem Lö-
wen der nördlichen Hälfte, auch in der südlichen
ein Löwe mit 5 Sternen über und eine vierfach
gekrümmte Schlange unter sich; dann zwei Götter,
vielleicht Osiris und Apis, dieser mit Stierkopf, 6
Sterne über sich zu 4 und 2. Dem Krebs gegen-
über ist die Wage von einem Manne mit Thierkopf
gehalten; dem Adler der Scorpion, 12 Sterne
Prokefch: Ägypten I. 23
266_
über sich; dem Stier der Schütze. Die Zeichen,
gegenüber dem Widder und den Fischen, welche der
Waffermann und der Steinbock feyn müffen, konnte
ich nicht ausnehmen. Auch dieses Feld schließet mit
schwarzen Männern und Göttern. -
Die Epoche, mit welcher dieser Zodiakus beginnt,
und die am wahrscheinlichsten der Anfang des Jah-
res ist, fällt in den Löwen. Ich weiß nicht, warum
die französischen Gelehrten es in der Jungfrau fe-
hen wollen. Da die von den Zeichen des Thierkrei-
fes eingenommene Strecke, in beiden Hälften gleiche
Länge hat, und in der zuerst beschriebenen offenbar
6 dieser Zeichen stehen: der Löwe, der Krebs, die
Zwillinge, der Stier, der Widder und die Fische,
fo fallen die anderen fechs Zeichen auf die andere
Hälfte, und es folgen in aufsteigender Ordnung:
Waffermann , Steinbock, Schütze, Scorpion,
Wage, Jungfrau.
Diese Hälfte endet aber nicht mit diesem Zei-
chen (hier durch die vierfach gewundene Schlange
gegeben), sondern mit dem Löwen, und damit fängt
die erste Hälfte an, also Jahres Anfang im Zeichen
des Löwen.
Die weibliche Gestalt, welche vor dem Löwen
in der ersten Hälfte sich befindet und wahrscheinlich
die Meinung der französischen Gelehrten bestimmt
hat, ist keine Hauptfigur, kein Zeichen, welches die
-
267
Gründer dieser Darstellung des Thierkreises als ei-
nes der zwölf wollten angesehen wissen, denn sie ist
kleiner als diese, und nicht ohne Gewalt unter diese
zu ziehen; sie ist Beiwerk. Wäre sie eines der Zei-
chen und fonach der Löwe das zweite, so würde in
die zwei gleichen Hälften eine ungleiche Zeichenzahl
gesetzt feyn, was unwahrscheinlich ist; und in die-
fem Falle würden die Zeichen der einen Hälfte ent-
weder nicht in der Ordnung unter den Zeichen der
anderen Hälfte stehen können, in welcher sie doch
stehen, oder es müßte der Raum für zwei Zeichen
in der unteren Hälfte leer geblieben feyn, d. h. ohne
zwei entsprechende Zeichen des Thierkreises, was
nicht der Fall ist.
Welche von beiden Hälften den Jahresanfang
gebe, das beginnende Zeichen bleibt der Löwe.
Daß aber die südliche die beginnende fey, ergibt sich
aus der natürlichen Ordnung der Zeichen und aus
dem Umstande, daß die Gestalten der nördlichen
Reihe nach West, die der südlichen nach Ost, also
der Zeit entgegen schreitend, dargestellt sind.
Obwohl Monument aus römischer Zeit, darf man
im ägyptischen Tempel wohl das ägyptische Jahr
fuchen, das aber begann mit dem Sommersolstitium.
Wir werden Gelegenheit haben, über die Epoche
dieses Thierkreises bei Gelegenheit desjenigen von
Tentyra zu sprechen.
23 ***
268 ---
Die Decke des südlichsten Schiffes gibt andere -
astronomische Bilder, im Styl der früheren: Schlan-
gen mit Doppelgesichtern; andere, aus deren Schweif
ein Baum proßt; Amon bald mit einem, bald mit
zwei Widderhäuptern, bald als geflügelter Widder;
Typhon, u. f. w. Die Farben sind frisch. Alle Men-
schengestalten sind von schwarzer Körperfarbe und
meist weiß bekleidet.
Was die Außenseite des Portikus betrifft, so
kann ich im Allgemeinen nur sagen, daß die Haupt-
linien der ägyptischen Schule streng beibehalten
sind. Die Ausführung aber ist reicher an Zierath.
Das Gesimse ist mit Akanthusblättern geziert, in
deren jedem ein königlicher Ring eingezeichnet ist.
Die Südseite ist verkleistert; die Westseite konnten
wir nur durch ein Paar Löcher eines daran gekleb-
ten Gebäudes, die Nordseite gar nicht sehen.
Ich fand unter den Hieroglyphen dieses Porti-
kus mehrere Thiere, die ich mich nicht erinnere
in den Tempeln aus Pharaonenzeit als solche ver-
wendet gesehen zu haben, z. B. den Apis, das Kro-
kodil, den Löwen, Fische u. f. w.– und eben so in
den Ringen einige Zeichen, die ich sonst nirgends
in den Ringen angewendet fah, z. B. Harpöcrates,
Krokodille. Die Menge der Hieroglyphen ist betäu-
bend für Denjenigen, der in einen ägyptischen Tem-
Pel tritt; es entfällt ihm der Muth, sobald er in
- -
269
dieß aufgerollte Buch blickt, das mit Einem Male
vor seinem Auge liegt, beschrieben mit aller Schön-
heit, welche die Schrift erlaubt und dulden darf.
Dennoch glaube ich, daß die Zahl der Hieroglyphen
bei weitem nicht so groß ist, als man voraussetzt.
Ich weiß, nachdem ich einmal eine gewisse Menge
gesammelt und in Claffen geordnet hatte, wie fel-
ten ich einen neuen Beitrag fand. Unter den Rö-
mern hat man hierin weit mehrere Veränderungen
und Zusätze sich erlaubt, als unter den Ptolemäern.
Im Nord von Esne, 1 / Stunden Weges,
am Gebirge, stand ein kleiner Tempel, den Denon
als den am meisten verwüsteten beschreibt. Man wies
mir einen der Ringe desselben, und dieser enthielt
die Worte: Autokrator Cäsar Hadrianus ; also
gleichfalls ein Bau aus Römerzeit. Jetzt ist dieser
Tempel fast vertilgt, denn dessen Gestein wurde
verwendet.
XXII.
Anti-Latopolis.
Mitten unter Ruinen aus ungebrannten Ziegeln,
liegt, auf dem rechten Ufer, auf eine kleine Viertel-
funde vom Nil, Esne gerade gegenüber, ein klei-
ner Tempel des Knubis (Kyov814) von Ptolemäern
begonnen und von Römern fortgeführt.
Noch bestehen ein Vorsaal und drei Gemächer,
die in derselben Achse liegen; der Rest ist zerstört.
Der Vorsaal (und somit der Tempel) sieht nach W.
Acht Säulen trugen denselben; zwei davon liegen
am Boden. Die vordere Reihe war, wie gewöhn-
lich, bis zur halben Höhe in eine Wand eingesenkt.
Darauf sind Opferhandlungen, mit welchen dem
Knubis, Amon, Osiris, der Isis, Athor u. f. w.
gehuldiget wird. über dem Eingange in das erste
Gemach schwebt der Diskus mit dem Agathodämon
zur Seite. Darunter wird ein doppelt geflügelter
Scarabäe durch Anubis (in Hundsgestalt) auf ei-
ner Barke geführt, vor welcher ein Mann einher-
geht, der mit der Stange den Grund prüft, wie
dieß in den Wintermonaten noch jetzt häufig durch
271
den Reis des Fahrzeuges zu geschehen pflegt. Hul-
digende Gestalten begleiten die Barke und folgen.
ihr; man sieht, es ist ein Festzug. - -
Das erste und dritte Gemach sind gar nicht, im
mittleren ist nur die Hinterseite, mit Meißelarbeit
geziert. Der Tempel ist also nie ganz fertig gewor-
den. Auch die Ausführung in den bestehenden Bil-
dern und Hieroglyphen ist ungleich und zum Theile
mittelmäßig, zum Theile aber schön. Die Ringe,
die ich fand, gaben Ptolemäus (wahrscheinlich Ever-
getes II), Autokrator Cäsar Verus, und Auto-
krator Comodus.
Dieser Tempel sowohl, als auch der Ort rings
um denselben, von dessen Umwallung noch Reste
bestehen, ist durch Feuer zerstört worden, wie die
streckenweise halbgebrannten Ziegel bezeugen.
-
XXIII.
H e r m o n t i s.
D. Reste zweier Tempel und Schutthaufen, das
ist, was von dieser Stadt noch übrig blieb, die un-
ter den Römern einer Provinz den Namen gab,
und in welcher, nach Strabo, Zeus und Helios
verehret wurden (XVII). Sie liegen eine kleine
Viertelstunde vom Nil. - -
Der füdliche der beiden Tempel, wenn man
anders aus den wenigen Ruinen, die dort stehen,
auf einen Tempel schließen darf, ist offenbar spät-
römischen Ursprungs. Ein Rechteck von 170“ Länge
und 96“ Breite, von Ost nach West gerichtet, von
einer Mauer aus Werkstücken umfangen, die nur
wenig aus dem Schutte sieht, ist mit corinthischen
Knäufen, Piedetalen, Granitsäulen, Werkstücken,
mit und ohne Hieroglyphen, übersäet. An der West-
feite steht ein geringer Rest, aus alten, mit Hie-
roglyphen bedeckten Trümmern nachläffig zusam-
mengefügt, mit Nischen und Runden, in denen
einige Farben sich erhielten. Ich denke, daß hier
eine koptische Kirche in römischem Bau sich ange-
273
fiedelt hatte. Vielleicht ging dem römischen ein
ptolemäischer voran, denn auf einigen Baustücken,
so wie auch auf Blöcken einiger Reste, die östlich
liegen und ein Wafferbecken umgaben, sah ich Theile
von Ringen des Epiphanes und Evergetes II.
An der Westseite des füdlichen Tempels führte
eine Straße vorüber und gerade nach dem Haupt-
tempel. Vor diesem findet man ein gegrabenes Be-
cken zu 90“ ins Gevierte , aus Werkstücken aufge-
mauert. Sieben Stufen führen daraus auf einen
ebenen Raum, und von diesem in den Tempel, der
nach WSW gerichtet ist, und aus Gemächern und
Sälen besteht.
Dieser Bau ist einer der zierlichsten und jüng-
ften aus Ptolemäischer Zeit, denn er trägt auf
allen feinen Theilen die Ringe: Kleopatra und
Ptolemäus-Cäsar, also der jüngsten aus den drei
Königinnen dieses Namens und ihres Bruders und
Mitregenten.
Der Vordersaal hat zwei Säulen an den Ecken
und zwei Pfeiler in der Mitte, eine Abweichung
von der allgemeinen Regel. Der zweite Saal ist ein
Portikus von 12 Säulen, die am Gestelle 5, 11,
Durchmesser haben, und schlanker als gewöhnlich
find. Ihre Knäufe nach altem Muster, Lotus und
Palmen nachbildend, sind reich und fein. Hierauf
kommt man in ein schmales, vom Portikus gefon-
274
dertes Gemach, woraus, zur Rechten, eine Stiege
aufs Gesimse führt. Weiter tritt man in den ei-
gentlichen Tempelsaal, und zuletzt in ein ganz en-
ges Gemach, von der Breite des Tempelsaales aber
kaum 5“ lang.
Der erste Portikus oder Vorsaal ist gar nicht
mit Hieroglyphen verziert, und wahrscheinlich erst
von den Römern hinzugefügt. Der zweite zeigt auf
feinen wenigen Wandresten Athor und Horus als
Aphrodite und Apollo, auf den Säulen aber, die
nur zur Hälfte verziert find, außer diesen, Harpo-
crates und Epafos (Apis), dieser in Jünglingsge-
falt, Rindshörner und Diskus über dem Haupte,
die Haare in langem Geflechte über das Ohr herab-
hängend, Waffenrock, Schwert an der Seite, Nil-
fchlüffel in der Rechten und den Lituus in der Linken.
Die äußere Nordseite des Tempels zeigt noch
viele Bilder, viele aber sind zerstört. Im ersten der
obersten Reihe sehen wir eine Göttinn mit gesprei-
teten Flügeln und Diskus ohne Hörner, vielleicht
Netphe, die Mutter des Osiris; hinter ihr Typhon,
in dreierlei Gestalt, nämlich mit dem Haupte eines
Nilpferdes, mit einem menschlichen und mit dem
eines Esels. In den Händen trägt er zwei Opfer-
meffer, wenn es anders nicht Hälften von Palmen-
blättern sind. Hierauf folgt Isis und siebenmal
Harpocrates, den Finger auf dem Munde, Geißel
_ 275_ -
und Krummstab in der anderen Hand; in jeder
Darstellung mit anderer Kopfbedeckung. Diese Göt-
ter sitzen und erwarten einen Opferzug, der sich
ihnen naht.
Das zweite Bild zeigt Amon, mit dem Widder-
haupte, Nilschlüffel und Krummstab, der sitzend
von einem Opfernden einen Becher empfängt. Hin-
ter dem Gotte steht Nephthys, eine jugendliche Göt-
tinn, auf dem Haupte einen kleinen Pfeiler, der ei-
nen Nachen oder eine Schale trägt. Im dritten wird
dem sitzenden Thot, mit dem Ibishaupte, ein Apis-
bild geopfert. Auch hier steht hinter dem Gotte Neph-
thys, die Haare zierlich wie Athor und Isis geord-
net, darüber eine Vase, in ein Rechteck eingefan-
gen. Im vierten empfängt Isis das Opfer eines
Schwertes; hinter ihrem Stuhle steht Harpocra-
tes. Im fünften sitzt Osiris, mit dem Sperberhaupte,
hinter sich Isis; ein Mann mit einem Stierkopf
opfert drei verschloffene Vasen.
Das Ende, so wie der Anfang, dieser Reihe ist
zerstört.
In zweiter Reihe sind drei Bilder zur Linken
nicht klar. Das vierte zeigt Harpocrates, hinter
sich Nephthys, wie im zweiten der oberen, aber
statt des kleinen Pfeilers eine kleine Säule als
Träger der Schale; der Opfernde bietet leere Hände.
Das fünfte weitet Osiris, eine Göttinn hinter sich
276
mit den Attributen der Ifis, diese auch vor sich und
im Begriffe, ihm ein Kind zu reichen. Vier Män-
ner folgen sodann und sieben Frauen, alle der Ilfis
selbst ähnlich, und Cymbeln in den Händen. Ich
halte diese für Priester und Priesterinnen, mit den
Attributen der Gottheit, der sie dienten angethan,
und irgend einen Festzug haltend. Ich weiß zwar,
Herodot behauptet, daß kein Weib Priesterdienst
versehen durfte, weder bei einem Gott noch bei ei-
ner Göttin (II. 35), aber dieß Zeugniß kann nur
für die Pharaonische Zeit gelten. Der Rest, so wie
eine dritte Reihe sind unkenntlich.
An der südlichen Außenseite erscheinen, mit ge-
ringer Verschiedenheit, dieselben Götter und Hand-
lungen. Hier zum ersten Male, bemerkte ich unter
den Opfergaben einen Kranz, unter den ganz klei-
nen und schlecht eingegrabenen Hieroglyphen der
Westseite aber, eine Giraffe.
Das Gemach vor der Tempelhalle hat zur Rech-
ten drei Bilder, eben so viele zur Linken. Isis, Ost-
ris, Horus, Amon, Athor, Herakles und Tafne,
mit dem Löwenhaupte, sind die Götter derselben.
Im Tempelsaale selbst sind viele und herrlich aus-
geführte Bilder; die säugende Isis, hinter sich Leto
und Tafne; Mendes mit Isis und Harpocrates,
auf welchen jene die Hände legt; Horus und Ost-
ris sich die Hände reichend, hinter jenem Isis, hin-
277_
ter diesem Typhon und ein anderer Gott, zwei ge-
hobene Arme auf dem Haupte, vielleicht Pthah;
Horus, Harpocrates, Isis und Osiris; Thot, Har-
pocrates und Ifis, u. f. w. über dem Thore steht
ein gekrönter Falke. Die Decke ist mit Adlern, welche
die Flügel fpreiten, geziert.
Das innerste Gemach und so auch die Tempel-
halle, waren durch eine Fensteröffnung über dem
Thore erleuchtet. Diese ist zwar im ägyptischen Style,
aber in keinem ältern Tempel sah ich sie angebracht
an dieser Stelle. Im innersten Gemache wiederholt
sich oft das Bild der säugenden Isis, mit menschli-
chem Antlitz bald und bald mit dem Kuhhaupte;
Priesterinnen mit den Attributen der Göttin , te-
hen zur Seite. Die Decke dieses seltsamen, mit
größter Sorge geschmückten Gemaches, das wie der
Verwahrungsort eines heiligen Thieres oder die
Zelle einer Pythonuffe erscheint, ist mit Bildern des
Thierkreises versehen. Die Mitte nimmt ein, mit ge-
fpreiteten Beinen auf einem Nachen stehender, Mann
ein. Über sich hat er den Stier, den Widder, einen
Sperber, den Scorpion, ein geflügeltes Kind; un-
ter sich zwei Gestalten auf Nachen, einen geflügel-
ten Skarabäen und einen geflügelten Löwen. Zur
Seite sind Tafeln mit Hieroglyphen, im schönsten
Style, gearbeitet. Strabo, Alian und Makrob laf-
278
fen im Osiristempel zu Hermontis den Stier Onu-
phis verehrt werden.
Nun ist der Tempel als Harem benützt, und
zum Theile verbaut. Auf demselben aber steht ein
Taubenhaus. Der Kascheff von Erment war gefäl-
lig genug, die türkischen Frauen für die kurze Zeit
aus dem Tempel zu nöthigen, die wir verlangten,
um denselben zu besehen.
Die Schutthaufen rings um den Tempel sind
sehr ausgedehnt. Von ihrer Höhe überblickten wir
die weite Flur von Theben, aus der die Memnons-
fäulen riefig sich heben.
XXIV.
T h e b ä.
1.
Der Boden der Mythe ist unsicher und schwan-
kend; er wechselt, er weicht jeden Augenblick unter
den Füßen. Etwas Ähnliches empfindet man, wenn
man denjenigen von Thebä betritt. Die älteste Ge-
schichte überliefert diese Stadt nur als eine gewe-
fene. Man würde ihr Bestehen unter die Fabeln der
Geschichtenerzähler werfen, hätten ihre Reste nicht
die Zeit bis zum heutigen Tage überdauert. So sind -
wir gezwungen zu fagen: sie war; aber wir wissen
nicht wann sie begann, nicht einmal, wann sie endete.
Die Bibel ist zu jung, um sie zu kennen. Moy-
fes kannte nur Unter-Ägypten; wenigstens paffen
sich alle feine Erzählungen nur diesem Theile des
Landes an. Die Urväter selbst, deren Einwanderung
und Wirken in Ägypten wir aus dem ersten Buche
Moyses ersehen, haben darin keinen andern Schau-
platz, als Unter Ägypten. Die späteren jüdischen
Geschichtsschreiber kennen Memphis (Ofeus IX. 6);
Thebä wird von ihnen nicht genannt.
2 R()
Und sie war doch. Homer, der um ein Paar
Jahrhunderte vor Oseus lebte, kannte sie, und legt
ihr die vielbekannte und vielbestrittene Bezeichnung
der hundertthorigen bei. In dem ältesten Religions-
cultus der Griechen, dem Pelasgischen, finden wir
ihre Spur, denn die Weissagung zu Dodona war,
nach dem einstimmigen Zeugniß der ägyptischen Prie-
ster und der Priesterinnen zu Dodona, aus derjeni-
gen im Tempel des Amon zu Thebä hervorgegan-
gen (Herod. II. 54–58). Herodot endlich kannte
fie als die Hauptstadt Ober- Ägyptens, d. i. der
thebaischen Mark.
Nach dieses Geschichtsschreibers Meinung, und
nach den Angaben, die er fünfthalb Jahrhunderte
vor unserer Zeitrechnung an Ort und Stelle fam-
melte, war in ältester Zeit, das Land vom Meere
bis ins heutige Fayumm Sumpf (II.4.). Damals
aber bestand Thebä und war der Mittelpunct, die
Hauptstadt Ägyptens. Im Verhältniß, als Land
nach Norden gewonnen wurde, stiegen die Bewoh-
ner herab (II. 15); Menes gründete Memphis;
das untere Land wurde das zu erschaffende, also
das vorzugsweise geliebte, und von jenem Zeitpuncte
an, war Thebäi entweder Hauptstadt eines eigenen
Reiches, oder, nachdem die Pharaonen von Mem-
phis sich nach Süden ausdehnten, zweite Stadt des
Reiches. -
281
Die Priester des Amon zu Thebä, zeigten dem
Vater der Geschichte die Reihenfolge ihrer Ober-
priester (II. 143.), und diese geht nicht weiter in
die Vergangenheit zurück, als die Gründung von
Memphis. Hieraus läßt sich schließen, daß diese in
Folge eines jener Vertilgungskriege Statt fand,
welche die Völkerströme der ältesten Zeiten führten,
und wovon wir in den Büchern Moyses die pre-
chendsten Beispiele in der Hand haben. Die Prie-
fer wußten also nichts weiter über den Zeitraum
vor Menes zu sagen, als daß Theben damals war
und daß Götter dort herrschten (II. 143.). Aus die-
fem Dunkel geht die Geschichte aller Völker hervor,
die einiger früher die anderer später.
Die Gründung von Memphis aber fällt, nach
Herodot, auf 341 Menschenalter vor Pfammetikos,
d. i. auf 11,340 Jahre (II. 142.) und fonach auf
etwa 12,000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Sein
Beweis dafür ist die unter sich übereinstimmende
Liste von 341 Königen, und 345 Oberpriestern,
welche die Priester ihm vorlasen und in Bildern
zeigten. Diese Zahl von Jahren erschreckt. Wir kön-
nen sagen, daß ein Menschenalter ein zu breiter
Durchschnitt für die Regierung eines Königes fey;
aber selbst die Hälfte führt den Ursprung von Mem-
phis auf 6000 Jahre hinauf. Wir können fagen,
das Jahr der Ägypter war kürzer als das unfere,
W4
282
aber drei Menschenalter auf ein Jahrhundert, wie
Herodot berechnet, fetzt Jahre wenig verschieden von
den unseren voraus und dieser Geschichtsschreiber sagt
ausdrücklich, das ägyptische Jahr fey auf 365 Tage
berechnet, was auf die Zahl von 6000 Jahren nur
einen Unterschied von 4 Jahren gibt. -
Aber warum diese Scheu vor den Zahlen? Der
Natur fehlt die Zeit nicht, sagt richtig Volney,
und alle Forschungen im Reiche der Elemente, der
physischen sowohl, als der moralischen, sagen das-
selbe. Daß wir mit unserer Geschichte nicht weit
hinaufreichen: je nun, das will nur sagen, daß die
Buchdruckerei um einige Jahrtausende zu spät er-
funden wurde. Wir werden die künftigen dafür schad-
los halten.
Damit Wien ist, was es ist, hat es etwa sechs-
zig Menschenalter gebraucht; damit Paris, Constan-
tinopel, Rom sind, was sie sind, – noch mehrere.
Damit Berlin und Petersburg sind, was sie sind,
war als Grundlage die Civilisation eines ganzen
Welttheiles nothwendig. Warum wundert man sich,
daß die Hauptstadt eines Landes, das vermög feiner
geographischen Lage in Bezug auf bürgerliche Ge-
staltung und geistige Entwickelung ganz aus. fich
selbst herauswachsen, ohne Wegweiser, rathlos, das
größte aller Labyrinthe, das der Erfindung durch-
wandern mußte; warum wundert man sich, daß sie
283
drei- oder sechsmal mehr Dauer für sich fordere,
als die unserer Hauptstädte ist, dieser Pflegekinder
und Erben der Erfahrung aller Zeit und aller Völker?
Es haben auch sicherlich unsere Hauptstädte, ob-
gleich in der Fülle ihres Lebens und ihrer Blüthe,
in Beziehung auf öffentliche Werke, welche als
Maßstab der Kraft der bürgerlichen Vereinigung und
der errungenen Kenntniffe dienen können, keine grö-
ßeren aufzuweisen, als Memphis und Thebä, noch
heut zu Tage, das ist, Jahrtausende nach ihrer Zer-
förung aufweisen. Von der Höhle im Felsen bis
zum Tempel von Karnak, und vom Verkehr mit
dem Vieh bis zur Ausbildung eines Reiches, wie
das der Pharaonen war, ist der Weg so unabseh-
lich weit, daß mir die Jahrtausende dafür zu kurz
werden.
Wahr ist, daß in keinem Lande die Vorsehung
den Menschen sichtbarer an die Hand nahm, und ihn
die Wege abkürzen half, als in Ägypten. Das Land
besteht nur durch den Nil. Der Nil kann nur ver-
breitet werden durch große Bauten. Große Bauten
fordern Zusammengreifen. Vieler. Einmal gezwungen
am Nil zu leben, war frühe Vereinigung der Fa-
milien zum Volke, frühe Auffindung mechanischer
Kenntniffe, frühe Entwickelung eines bändigenden
Religionssystemes, frühe Herrschaft eines Einzigen,
- unausbleibliche Folge. Eben diese Angewöhnung
- - 24 k
284
-
einer Seits vom Volke, zu großen, der Gemeinde
nützenden Werken sich zu vereinigen, und anderer
Seits vom Herrscher, große Mittel zu folchen in
seiner Hand zu sehen, mußte auch Werke hervor-
bringen, welche wie die Pyramiden, die Königs-
gräber zu Theben u. a. nicht mehr von Vielen für
Alle, sondern von Vielen für Einen gearbeitet wur-
den. Der Nil ist der Vater der riesigen Bauten,
die wir in Ägypten heute noch bewundern. In kei-
nem Lande, welchem nicht ein Canalsystem, wie
diesem nothwendig ist, werden solche ausgeführt wer-
den können. -
Die Bauten von Thebäi sind nun freilich nicht
aus jener Epoche, vor Gründung von Memphis.
Die Priester sagten ja selbst, daß damals Götter
dort herrschten. Es ist nicht billig, nach ihrem Rück-
zuge in den Himmel. Spuren ihrer Wohnstätten auf
Erden zu suchen. Auch haben, allem Anscheinenach,
diejenigen, die unmittelbar nach ihnen Herren von
Thebä wurden, für die Vertilgung defen , was
früher war, gesorgt. Die Tempel und Male, zu
Thebä, find aus der blühenden Epoche des Pharao-
nischen Reiches, aus der Zeit der Dynastie des Amofis
und Remeles, und herab bis auf die Pharaonen,
welche gleichzeitig mit den Königen von Juda und
Israel waren. Der Untergang dieses Reiches ist mit
furchtbaren Zügen in die Monumente von Thebä
285
geschrieben, und die Perser haben sich durch die Zer-
störungen, die sie verübten, dort Male gesetzt, jetzt
die einzigen, welche ihr Dageweseneyn dem Auge
bezeugen. Ptolemäer räumten am Schutte auf, rich-
teten die Heiligthümer aufs Neue ein, setzten auch
manchen Bau hinzu, denn sie liebten für die Wie-
derhersteller der alt-ägyptischen Religion, für die
gesetzlichen Erben und Rächer der Pharaonen zu
gelten. Die Römer thaten nur wenig vom Noth-
wendigsten. Sie hatten zu nahe unter den Augen,
was sie nicht erreichen konnten, und bauten daher
lieber zu Latopolis und Tentyra.
So sehen wir denn in den Monumenten von
Thebä die Werke von etwa zwanzig Jahrhunderten
neben einander gestellt; die fünfzehn nicht gerech-
net, die feit dem jüngsten römischen Bau dort, bis
heute, vergangen sind. Auf dem rechten Ufer werden
wir den Tempel von Luxor und das Tempelgemenge
von Karnak; auf dem linkenden Tempel von Kurnu,
das Memnonium, die Memnonsäulen, die drei
Tempel von Medinet-Abu, den der Isis am Gebirge,
den im Thale Affaiff, die Gräber in und an diesem
Thale, endlich die Königsgräber in Biban-el-Mo-
luk (Bab-el-Melek) besehen. Die Ruinenfelbst ge-
ben der alten Thebäeinen Durchschnitt von 2 Stun-
den von O nach W und um ein Geringes weniger
von N nach S. Sie lag in einer herrlichen Ebene,
286
an das libysche Gebirge gelehnt, das dort eine höchste
Höhe in Ägypten hat. Mitten durch die Stadt floß
der Nil in majestätischer Breite.
2.
L. u r o r.
Ich besah diese Ruinen das erste Mal im Abend-
dunkel, und nie werde ich den Eindruck vergeffen,
den sie auf mich machten. Die Dämmerung hatte
ihnen die Farbe ihres Alters gegeben und ihre Ma-
jestät in schauerliche Größe umwandelt. Der Tem-
pel von Luxor, nun auf ein Paar hundert Schritte
ins Land gerückt, war hart am Nil erbaut, denn
noch sieht man hinter dem südwestlichen Ende der
Ruinen, den Damm aus Werkstücken, auf eine
Strecke von 80 Klaftern, der jenen Bau gegen den
Nil vertheidigte. Daran ist in späteren Zeiten ein
Sporn aus Backsteinen gesetzt worden, 24 Klafter
lang und 3 breit.
Die Achse des Tempels, von Innen nach Außen,
läuft von SW nach NO. Vor dem Eingange zwi-
fchen zwei mächtigen Pylonen, sitzen zwei Koloffe,
vor diesen aber sind zwei Obelisken aus rothem
Granit aufgerichtet, an welchen die Arbeit in Bil-
dern und Hieroglyphen, als die vollkommenste an- -
287
gesehen werden darf, die man auf irgend einem
Monumente findet.
Jeder dieser Obelisken ist aus einem einzigen
Blocke. Hamilton gibt der Grundfläche, nach Wie-
ner Maß berechnet, 6/ 94/ 4/// Breite und 7 / 84/
11“ Länge; die ganze Höhe aber setzt er über 80“,
was (den Kubikschuh Granit zu 184 Pfund) den kör-
perlichen Inhalt eines solchen Obelisken, d. i. des
schon behauenen und bearbeiteten Blockes, über
3000 Centner Last bringt. Die Bilder und Hiero-
glyphen sind mit einer Schärfe eingearbeitet, und
die Oberfläche im Allgemeinen, und ins Besondere
die Flächen der eingegrabenen Zeichen, haben einen
Glanz und einen Grad von Glätte, daß ich nicht
glaube, daß in irgend einem Lande zu irgend einer
Zeit, in Granit etwas vollkommener gearbeitet
wurde, als diese Obelisken und diejenigen von Kar-
nak, von denen ich an ihrem Orte zu sprechen Ge-
legenheit haben werde. Wäre die ganze Maffe der
feinste Kitt, so hätte man die Zeichen nicht weicher
ausrunden, und wäre der Stein Karniol, sie nicht
schärfer abkanten können. Alle vier Seiten sind be-
schrieben. Ich vermuthe, daß von diesen Monumen-
ten im Werke der französischen Commission genaue
Zeichnungen vorkommen und bedauere, daß ich meine
Aufmerkungen nicht damit vergleichen kann. So
viel ich mich erinnere, sitzt im obersten Bilde, Amon
288_
mit Nilschlüffel und Lituus, vor sich einen Opfernden,
der knieend zwei kleine Näpfe darreicht, dann folgt
eine Reihe behaupter Sperber oder Adler, mit Dis-
kus zur Seite, weiter eine Reihe Stiere. Dieß ist
auf beiden Obelisken und auf jeder Seite derselben
gleich. Von dort an werden die Zeichen verschieden.
Die königlichen Ringe auf beiden Obelisken geben
den Namen: Mi-Anon-Remeles, mit zweierlei
Vornamen. Die Vergleichung der Tafeln von Me-
dinet - Abu und vom Mennonium mit jener von
Abydos, läßt jedoch keinen Zweifel, daß beide Vor-
namen demselben Namen zugehören.
Die Koloffe, so weit sie über den Schutt ra-
gen, von den Achseln nämlich zur Spitze der Haube,
meffen 21“ Höhe. Um den Maßstab für ihre Größe
zu geben, bemerke ich, daß das Ohr 20 Zoll Höhe
hat; von Einer Achsel zur Andern, beträgt die Breite
10/7/ 6“. Das Gesicht ist gewaltsam verstümmelt.
Sie sind aus grauem Granite, ich weiß nicht aus
welchem Gebirge, denn ich habe von der See bis
zu den großen Katarakten des Nils, keine Lagerung
grauen Granites gesehen. Der an der Flußseite, lehnt
sich an einen Obelisk, der andere an einen Pfeiler.
Ich vermuthe, daß sie sitzend dargestellt sind, nach
dem Beispiele so vieler Anderer. Die Lehnen tragen
herrliche Arbeit in Hieroglyphen und Bildern, die
abermals Opfer dem Amon vorstellen. Auf den Ach-
-
289
feln der Koloffe sind die Ringe: Mi-Amon-Remeses
eingegraben.
Die Pylonen stehen gegenwärtig 57/ 3“ 6“
über dem Schutte. Ihre ganze Höhe dürfte 90“ be-
tragen. Sie haben sehr gelitten; ihre Bilder sind
kaum mehr kenntlich, ihre Hieroglyphen und Ringe
abgeflächt, die Steine selbst an manchen Stellen aus-
einander gerückt, als hätte Erdbeben diese Maffen
erschüttert. Dennoch erkennt man geschichtliche Dar-
stellungen darauf, Schlachten und Triumphe und
darüber die Ringe des großen Remeles. Ich durch-
fuchte ihre Gemächer und bestieg sie. Zu oberst ha-
ben sie noch 33 Schritte Breite. Von dieser Höhe
überblickt man die ganze Ebene der hundertthorigen
Stadt und sieht fast alle ihre Ruinen. Im NW
hat man, als wirres Gehäufe von Trümmern, Me-
dinet-Abu im Horizonte, hinter welchem sich das
Gebirge, kahl, bleich, verstöret, aber als hohe Maffe,
darstellt; es zieht nach N und fällt hinter der Ne-
kropolis und hinter Kurnu, deffen Säulenreihen
im N. aus der Ebene sich heben, ab, aber die ent-
fernteren Zweige des libyschen Gebirges greifen bis
NNO vor, und brechen dort teil. An das Haupt-
gebirge N 30° W. schmiegt sich das Memnonium.
Im N40° W fitzen mitten in der grünen Ebene,
die beiden Memnonskoloffe. Bleiche Hügel, Ruinen
an Ruinen ziehen bis W, wo sie mit lichter Zunge
Proke fch: Ägypten I. 25
29()
im Grün endigen. Von W bis S zeigt der Nil fei-
nen gewundenen Lauf, wie er kommt aus der höhe-
ren Thebais; Inseln, Dörfer und Palmenhaine
gruppieren sich da zu einer reichen Landschaft. Im
S bei O ragen aus dem arabischen Gebirge drei Spi-
zen empor, die höchsten des Halbkreises auf diesem
Ufer. Das Gebirge zieht sich im weiten Bogen bis
O, wo es sich abermals ansehnlich hebt, und fällt
dann sanft bis NO bei O ab. Dort lieget im Vor-
dergrunde, auf Schutt und vom Schutt umgeben,
Karnak mit feinen Trümmern; – Pylonen, Obe-
lisken, Mauermaffen, Koloffe, Palmen und Hütten.
Das Thor zwischen den Pylonen ist
zerstört; so auch find die Säulengänge, welche sich
an dieselben gelehnt und den ersten Hof umschlos-
fen haben. Von dem zur Linken stehen noch Reste,
18 Säulen zu sechs im Sinne der Breite, fast bis
an die Knäufe verschüttet, zwischen denen nun eine
Moschee und ein Paar Hütten des heutigen Dor-
fes sich angesiedelt haben. – Zur Rechten sieht
man nur eine einzige Säule und Wandreste. Dort
liegt auch eine kolossale Priesterhaube aus rothem
Granit. -
Dieser Hof scheint fehr geräumig gewesen zu
feyn; ein Drittheil des Dorfes steht jetzt darin.
Man erreicht sodann das zweite Thor, von
dem einige Reste bestehen und hat zur Linken einen
291
Säulengang, der auf 5 Säulen Breite, 4 Säulen
Länge gehabt zu haben scheint. Wohl dürfte zur
Rechten des Thores ein ähnlicher Gang und somit
ein zweiter Hof bestanden haben. Die Wand-
reste an diesem Portikus sind vorzüglich bearbeitet.
Ein Bild mit Thot, ein anderes, das einen jugend-
lichen Krieger mitten zwischen den Zweigen eines
Sajatbaumes zeigt, einige Hieroglyphen und Ringe,
die auch auf den Knäufen (Lotusblumen) sich wie-
derholen; das ist was man dort noch sieht. Die Ringe
find von denen, die nur auf wenigen Monumenten
erscheinen. Die Tafel von Abydos zeigt sie uns als
diejenigen, die dem ersten und dritten Vorfahrer
des großen Reme es zugehören.
Durch das Thor getreten, kommt man an einen
14fäuligen Zugang, der durch den dritten
Hof führte; dieser ist der koloffalte Theil des kolos-
falen Baues. Wo die Fusten der sieben und sieben
Säulen aus dem Schutte ragen, schauen koloffalle
Figuren auf denselben eingegraben hervor; dennoch
sind diese Fusten, die an dieser Höhe 29/ 2“ 6//
Umfang haben, noch etwa 30“ über dem Schutte.
Sie tragen Lotusknäufe und ihr Gebälke. Die Hie-
roglyphen auf allen Theilen dieses Portikus sind ver-
hältnißmäßig wenig tief eingegraben, oft gleichsam
erst angegeben, aber sie waren dennoch bereits be-
malt, wie die Reste der Farben beweisen. Er war
25 *
292
vielleicht zu keiner Zeit als ganz geendet betrachtet
worden, und man möchte sagen, er ist zu riesig, um
zu Ende gebracht zu werden. Die königlichen Ringe,
den Agathodämon zur Seite, der als Schlange mit
feinem Schweife der Segen des Nil, den Nilschlüs-
fel, festhält, geben den zweiten und den fünf-
ten Remefiden.
Dieser riesige Säulengang führte in ein ein
vierten Hof; – der hat 22 Säulen zur Linken
und eben so viele zur Rechten, je Zwei und Zwei,
und war mit einer Wand, wie das gewöhnlich, ge-
schloffen. Er greift über die Breite der übrigen Theile
des Tempels, wie man sie heute sieht, beträchtlich
vor, welches darthut, wie viel an dem Baue zerstört
wurde. Die Hieroglyphen auf den Würfeln, die
über den Knäufen ruhen, und auf dem Gebälke find
von weit edlerer Ausführung; die Ringe weisen den
Ramen Amenopht (geschrieben Amnopht) und der
Beiname desselben thut dar, daß dieser der vierte
Vorfahrer des großen Remeses fey. Dieser Ame-
noph ist eben der Memnon der Griechen.
Nun tritt man in eine Säulenhalle, die
8 Pfeiler in der Vorderreihe und 4 Reihen Säu-
len, jede zu 8, also im Ganzen 32 Säulen hat.
Auf der Decke dieser Halle, so wie des 22jäuligen
Portikus, steht ein Theil des Dorfes Luxor. Vieles
Volk wohnte auch zwischen den Säulen in ärmlichen
293
Hütten, die es an dieselben geklebt hat. Die Hiero-
glyphen der Säulen sind so rein gearbeitet, als die
früher erwähnten; selbst die Säulen waren bemalt,
wie hier an vielen Orten sichtbar ist; die Wandbil-
der find im edelsten Style. In einem derselben be-
merkte ich eine Antilope. Ein Mann hält sie an den
Hörnern. Die Ringe dieser Halle beweisen, daß sie
von demselben Amenopht gegründet wurde. An den
Außenwänden erscheinen aber auch die des fieben-
ten Reme fiden.
Von dieser Säulenhalle ist gegenwärtig ein freier
Raum, der ein Zwischenk of gewesen zu feyn
scheint. An der Flußseite sind Schutt und Zerstörung,
an der entgegengesetzten drei kleine Gemächer, wo-
von zwei die Breite des dritten ausmachen. Vor sich
hat man eine Wand und kein Thor darin, wie doch
natürlicher Weise feyn soll, sondern an der Stelle
deffen eine Nische, halbrund und nicht behauen aber
bemalt, eine Abweichung vom ägyptischen Style,
fo zwar, daß das Auge dadurch verwundet wird.
Auch überzeugt man sich bald, daß hier eine kop-
tische Kirche Platz genommen und sich die Stelle
nach Gutdünken zugerichtet hatte. Die Malerei ist
auf Mörtelgrund ausgeführt und dürfte den frühe-
sten Zeiten des Christenthums angehören.
Durch einen Durchschlag der Wand, nahe am
vermauerten Thore, kommt man in einen Tempel-
294
fa al von vier Säulen getragen, mit zwei säulen-
getragenen Gemächern zur Seite, wovon man aus
dem zur Rechten wieder in kleine Gemächer tritt.
Man ist dem Heiligthum nahe, die Pracht und der
Reichthum der Arbeit in diesem Tempelsaale verkün-
det es. Hochauf reicht Sand und Schutt, so daß die
Säulenfuten nur 9/daraus hervorschauen. Sie glei-
chen denen der großen Säulenhalle und des 22jäuligen
Portikus, d. h. jede Säule stellt einen gegürteten
Bündel vor, acht gehobene senkrechte Streifen im
Umfang, zum Theile mit Ringen und Hieroglyphen
verziert. Unter dem Knaufe, der ein Viereck ist und
worauf abermals königliche Ringe stehen, beginnt
dieser Bündel, dann folgen fünf wagrechte Bänder
oder Ringe, dann senkrechte glatte Streifen und
endlich der untere Bündel oder eigentliche Säulen-
fut, denn was ober den fünf Ringen, möchte man
zum Knauf rechnen. Diese uralte Säulenform ist
nach meiner Meinung, die dem Auge am wenigsten
gefällige.
Die Wände des Saales sind voll der schönsten
Darstellungen. Die Hinterwand, durch die man 9“
kommen ist, zeigt den nun vermauerten Durchgang,
einen Adler mit gespreiteten Flügeln darüber Men-
des, als Jüngling ohne Bart gezeichnet, empfängt
ein Opfer. Ein König oder Gott, mit prachtvoller
Mitra gekrönt, führt an zusammengehaltener Zeile
295
Rinder und Schafe; in der Rechten aber hält er
einen Hirtenstab. Auch Opfergaben liegen da in
Menge gehäuft; Brote und Früchte in Körben,
darunter Birnen und Bananen, zwei Gattungen,
wovon die eine gegenwärtig in Ägypten nicht wächst
und von der anderen die Meinung herrscht, sie fey
erst in neueren Zeiten dort eingeführt worden.
Die rechte Seitenwand weitet Amon, blau be-
malt, auf reichem Thronos sitzend. Vor ihm kniet
ein Held mit königlichen Zeichen, dessen Namen zu
hundertmalen die Ringe dieses und der anstoßenden
Säle wiederholen, Amenopht. Er berührt den Thron
des Gottes. Hinter ihm steht Phre, mit dem Sper-
berhaupte, die Hand auf des Königs Helm legend.
Dann folgt ein Knabe, der nach rückwärts winkt,
wo sechs Männer knieend, mit festanliegenden, grü-
nen Kleidern und gelbem Gürtel, die selbstrothbraun,
was auch des Königes und Horus Farbe ist. Drei
dieser Männer haben Schakals-, drei Sperberköpfe.
– Neben diesem Schutzbilde folgen ein Opfer des
Mendes und andere Opfer darstellungen, worin mir
die eines Mannes auffiel, der im vollen Laufe, dem
eben genannten Gotte eine Vase bringt. Unter die-
fen Bildern sind kleinere; Männer, welche Kuffen
und Tische auf schweren Balken tragen; Opfer von
Lotusblumen und Sceptern,
269
Die Wand zur Linken zeigt fast dieselben Dar-
stellungen. Mendes erscheint darin von schwarzer
Gesichtsfarbe; die übrigen Götter sind blau oder
rothbraun; die Opfernden jederzeit das Letztere. In
den unteren Bildern werden Archen, worin ein Sca-
rabäe sich befindet, auf Nachen, die mit Sperber-
und Widderköpfen geziert sind, von nackten, roth-
braunen Männern getragen. Das sind wohl Fest-
züge, wie Herodot derer in II. 42, erwähnt. Unter
den Wandzierden sind häufig Adler mit gekreuzten
Flügeln, bald blau, bald grün.
Bevor ich von der vierten oder südwestlichen
Wand dieses Saales spreche, will ich Einiges über
die Seitengemächer sagen. Das dreisäulige zur Lin-
ken zeigt kein Thor. Es ist aber auch bis an die
Langstreifen unter den Knäufen verschüttet. Säu-
len, Knäufe, Bilder, Hieroglyphen, Ringe find
denen im Tempelsaale gleich oder ähnlich. Doch fin-
den wir hier auch Ifis und Harpocrates, Athor
und Nephthys Die Gesimsezierde sind zum Theile
erst eingezeichnet. – Zur Rechten des Tempelsaa-
les, unter dem Bilde Amons, führt ein Thor in
ein ähnliches schmales Gemach, das aber nur zwei
Säulen hat. Um den Unterschied der Länge zwischen
diesem und dem linksstehenden Gemache auszuglei-
chen, ist an die nordöstliche Wand desselben ein schma-
les Gemach angelehnt, das sich bis hinter den Tem-
297
pelsaal selbst verlängert, also in die Wand zwischen
demselben und die koptische Nische fällt. Dieß Ge-
mach, oder vielmehr dieser Gang, ist unverziert, hat
kein Thor und scheint ursprünglich ein geheimer ge-
wesen zu seyn. An der Flußseite von den zweisäuli-
gen Gemächern, sind die reich verzierten Wandreste von
drei ganz kleinen Zellen, wovon jede ihren beson-
deren Eingang hatte. Man sieht auch, daß, gleich-
laufend der Achse des Tempels, also in der Verlän-
gerung des zweisäuligen Gemaches, ein ähnliches drei-
fäuliges steht, das längs dem nächsten Tempelsaale
hinläuft und auch dieses hat eine Reihe solcher Zel-
len, wovon die wenigsten mehr in ihren Spuren
erkenntlich sind. Auf ähnliche Weise hat das linke
dreisäulige Gemach ein solches vor sich, so daß also
der nächste Tempelsaal, von dem ich bald sprechen
werde, zu beiden Seiten folche längliche, fäulenge-
tragene Gemächer hatte. Es bestand aber keine un-
mittelbare Verbindung aus jenem Saale in diese.
Die südwestliche Seite des ersten Tempelsaales
enthält den Eingang in den eben genannten zwei-
ten. Dieser Eingang kündigt mehr als einen ge-
wöhnlichen Tempelsaal an, denn er ist reicher an
Schmuck, denn alle anderen. Auf dem Thorgesimse
stehen 25 Ringe, die dreizehnmal den Vornamen
und zwölfmal den Namen Amenopht enthalten.
Hierauf sieht man die beiden Flügel, die dem Dis-
_ 298
kus zugehören; aber der Diskus fehlt. Dagegen sind
im Raume den er einnehmen mußte, Löcher, welche an-
zeigen, daß er auch wirklich da angebracht war. Dieß
ist das einzige Beispiel, meines Wiffens, eines Dis-
kus über einem Thore, der nicht aus dem Stein
herausgehauen, sondern angefügt war, und ich
glaube, nach dem Augenscheine und nach Allem was
Diodor von Sicilien über die Bauten des Olyman-
dis, der eben jener Amenopht ist, erzählt, daß die-
fer Diskus von Gold war. – Von den Bildern auf
den Antifragmenten ist nur eines über dem Schutte,
ein Opfer dem Amon gebracht. Auf der Wand aber
zu beiden Seiten des Thores sind Schilderungen der
Gnade, womit der große Schutzgott Thebais den
Herrscher des Landes überhäuft. Amon, blau bemalt,
auf seinen Throne sitzend, reicht dem Priester, der
vor ihm steht, den Nilschlüffel; als wollte er sagen:
Nimm hin den Segen des Nil! Hinter dem Prie-
ster aber führen. Mendes und Isis mit dem Löwen-
haupte den jugendlichen König heran. Im anderen
Bilde überreicht der Gott den Nilschlüffel dem Hel-
den selbst, der in höchst malerischer Kleidung prangt;
Amon faßt dabei dessen Linke und Phre deffen Rechte.
– In welch inniger Vereinigung hier Amon und
Phre (eigentlich Re) gedacht wurden, geht daraus
hervor, daß der Name des einen Gottes, der häufig
2))
neben defen Bild in phonetischen Zeichen steht,
stets Amn - re geschrieben ist.
Durch das eben geschilderte Thor tritt man in
den zweiten T. e mp e lf a a l. In diesem aber
steht, als abgesonderter Tempel, das H e il ig-
th um. Dieses, die eigentliche Wohnung des Got-
tes oder wenigstens die Stelle, wo er seine Orakel
zu ertheilen oder die geweihtesten Opfer zu empfan-
gen pflegte, ist ein Rechteck im Rechteck, so daß vom
zweiten Tempelsaale nur Raum für einen Gang
ringsum bleibt. Die Wände dieses, bis auf eine
vordere und eine hintere Pforte ganz geschloffenen
Saales sind mit allem Aufgebote alter Kunst und
Frömmigkeit geziert , jetzt aber so besudelt, und
solcher Besudlung ausgesetzt, daß mir unmöglich
wurde, fiel Stück für Stück zu betrachten.
Das Heiligthum ist, dem Thore aus dem
ersten Tempelsaale gegenüber, geöffnet und der Ein-
gang fast so breit als es selbst. Der Diskus darüber
ist weggenommen; die Flügel aber, grünbemalt,
waren aus dem Steine gehauen und sind noch dort
Ein zweiter Diskus, über dem ersten, hatte das-
felbe Schicksal. Dann folgt ein Feld länglichen, mit
Kugeln gekrönten, Zieraths und weiter das Bild ei-
nes Tempels mit drei Gemächern unten und zwei
oben, in deren jedem eine Gottheit sitzt. Sphin-
ren ruhen neben dem Tempel; Schlangen und Ad-
Z00
ler ober demselben. Zwei Ringe, das königliche Sie-
gel sich zugewandt, sind in die Seiten der oberen
Gemächer eingezeichnet; in die oberen Ecken aber
Augen, dieß Sinnbild des Osiris; worauf ein Saum
von Hieroglyphen die ganze Vorderseite des Hei-
ligthums umfaßt. Die Hieroglyphen und Bilder der
Antifragmente sind kaum erkenntlich.
Die äußeren Seitenwände haben in 6 Bildern
zwölf Figuren; Opfer dem Amon und Mendes ge-
bracht, sind der Inhalt dieser Bilder. Das Fries
ist mit Blau und Roth in verschiedenen Übergän-
gen beider Farben bemalt.
Die Hinterseite, insoferne sie sichtbar ist, weitet
nur Hieroglyphen. -
Im Innern ist Unrath und Schutt gehäuft.
Größere Entwürdigung kann kein Heiligthum ge-
funden haben, als dieses. An der Decke war ich nicht
im Stande, außer einigen Sternen, irgend etwas
zu erkennen. Unter derselben läuft ein doppelter
Saum Zierath; dann folgt eine Reihe Adler mit
gekreuzten Flügeln, welche Ringe halten; weiter
ein Saum schöner Hieroglyphen, und endlich kom-
men Bilder, wovon jedoch nur die Köpfe aus dem
Schutte schauen. Es scheint, daß auch die Hinter-
feite einen Ausgang hatte. Auf den Antifragmenten
bemerkte ich einen Widderkopf mit dem Diskus,
eine sinnbildliche Vereinigung von Amon und Re,
Z)1
Die Ringe auf und in dem Heiligthume geben
einen geschichtlichen Wink, so natürlich aus den
Verhältniffen der Zeit folgend, so angemeffenden-
selben, daß er mir eine höchst angenehme überra-
fchung machte. Das Heiligthum trägt die Ringe
des Pharao Amenopht; an den vorzüglichsten Stel-
len aber diejenigen des macedonischen Helden Ale-
xandros (geschrieben Alksandrs); es ist natürlich,
daß die Perser, da sie Theben im Wahnsinn der
Religionswuth verheerten, vor Allem die Heilig-
thümer zerstörten; es ist eben fo natürlich, daß der
Wiederhersteller des Reiches und der Religion die
Heiligthümer aufrichtete. Ich glaube, daß dieses
Heiligthum des Tempels zu Luxor, auf Alexanders
Anordnung gebaut und deshalb sein Name und
der des ursprünglichen Stifters darauf gesetzt wurde.
Aus dem Tempelsaale, welcher das Heiligthum
umgibt, kömmt man in der Verlängerung der Achse,
in einen zwölff äuligen Saal. Der hat zur
Rechten ein Thor, wodurch man in den Gang mit
den anstoßenden Zellen ging; durch die Hinterseite
aber drei Thore, wovon das mittlere in einen vier-
fäuligen Saal führt, dem zu beiden Seiten
andere Gemächer gestanden haben müffen, um die
Breite des zwölfjäuligen auszufüllen. Nun aber
sieht man zur Linken nichts als einen hohen Schutt-
hügel, zur Rechten die Grundfesten und zwei Säu-
Z02
len des anstoßenden Gemaches, und die eines drit-
ten. Durch diese Gemächer muß abermals eine Ver-
bindung mit dem Zellengange bestanden haben.
Weiter ist Schutt und Sand. -
Die seit dem Heiligthume genannten Theile
des Tempels sind höchst reich verziert, aber sehr mit-
genommen von Zeit und verwüstenden Menschen.
Die Körperfarbe der Figuren ist rothbraun; an dem
Zierath der Farben ist Blau und Goldfarbe erkennt-
lich. Die Säulen gleichen denen der Gemächer und
Säle an der NO-Seite des Heiligthums. Die könig-
lichen Ringe nennen nur Amenopht.
Der Tempel war noch weiter nach SW ausge-
dehnt; die Spur davon ist an den Enden der Rui-
nen sichtbar, auf dem Boden selbst ist jede verhüllt.
Das ist, was man heute noch von diesem könig-
lichen Baue sieht, der dem Auge so wohlgefällig
als dem Geiste bewunderungswürdig erscheint. 154
Säulen und 8 Pfeiler stehen darin noch aufrecht,
vom großen bis zum größten Maße. Das Dorf Lu-
xor, an dem nichts als der Name schön, und die
Stelle merkwürdig ist, drängt sich dazwischen und
bis aufs Gebälke. Ja, über dem Heiligthume selbst
hat sich ein türkischer Aufseher der Magazine ein
Haus gebaut. Nachdem wir, im Heiligthume, über
ihn entrüstet und erzürnt waren, hatten wir die
seltsame Genugthuung, daß er uns, über demsel-
303
ben, einen Festtanz der Ghazien gab, dem an un-
züchtigem Ausdruck nichts mehr hinzuzusetzen blieb.
Diese Feier ist das sichtbare Weltgericht.
Der Tempel von Luxor ist also das Werk neun
aufeinanderfolgender Könige. Amenopht begann und
endete den Haupttheil desselben. Deffen erster Nach-
folger (und wahrscheinlich deffen zweiter, wovon ich
jedoch keinen Ring fand) setzten die nächsten Vor-
höfe daran; deffen dritter arbeitete an dem koloffa-
len Zugange, den aber selbst deffen sechster noch nicht
geendet hatte; defen vierter, der große Remefes,
fetzte die Pylonen, Kolloffe und Obelisken vor den
Tempel; deffen achter endlich vollendete einige Sei-
tengemächer und Arbeiten an den Außenwänden. Der
macedonische Held rührte nur an das Heiligthum,
und setzte seinen Namen neben den des Stifters.
Am Nil liegen auch sieben, aus Karnak herbei-
geschleppte, Frauenstatuen mit Löwenköpfen und ein
Koloßstück aus rothem Granit. Dieses hat auf Arm
und Gürtel den Vornamen des großen Remefes;
jene tragen Namen und Vornamen des Pharao
Amenopht.
Z()-
3.
K. a r n a. k.
Von den Obelisken von Luxor bis zur nächsten
Tempelpforte von Karnak sind 3200 Schritte. 450
Schritte von den Obelisken stehen die letzten Dat-
telpalmen von Luxor. Man geht in der schönen Ebene
fort, und kommt nach weiteren 840 Schritten an
einen neuen Canal. 350 Schritte jenseits desselben
sind die ersten Palmen von Karnak; ein kleiner,
freistehender Hügel bleibt rechts, worauf das Grab
eines Schechs steht, und der vielleicht Trümmer der
äußersten Pforte des großen Tempels von Karnak
begräbt. Denn von diesem Puncte angefangen be-
merkt man zu den Seiten verstümmelte Sphinxe.
Dieselben werden häufiger, sobald man, nach 670
Schritten, das Dorf erreicht, wo eine Vertiefung,
die jetzt zur Bewäfferung dient, deutlich den vor-
maligen Hauptweg vom Tempel zu Luxor nach je-
nem zu Karnak anzeigt. Diesem Wege folgt man,
und erreicht, nach 1320 Schritte Abstand vom Grabe
Schechs, d. i. dem Punkte, wo die äußersten Spu-
ren der Sphinx en alle e jetzt zu finden sind,
eine Stelle, wo eine andere Allee nach Südost aus-
geht, die erste aber gerade auf einen der Tempel-
eingänge führt. Da sind die Sphinxe größer und
stehen näher aneinander. Die früheren hatten nur
305
7/ 1“ Länge, diese 10“ 8“. Ihre Zahl ist 53 zur
Rechten und 52 zur Linken. Ihre Breite ist 4“ 10“
6“; ihr Abstand an 5 Fuß; ihre Höhe bis zum
Halle 4/2/ 6“. Die Köpfe, alle abgesägt und
abgeschlagen, liegen zur Seite und in der Straße,
die 45/ breit ist. Die Pforte, worauf sie führt, ist
von etwa 60/ Höhe, mit den edelsten Arbeiten ge-
ziert, und dennoch nur eine Seitenpforte. Wir
wollen einstweilen an ihr vorübergehen, um die
westliche Ecke der Umwallung, welche den großen
Amonstempel von Karnak umgibt, beugen, und
vor den Haupteingang treten, der nach NW sieht.
Diese Umwallung aus ungebrannten Ziegeln,
an den übrigen drei Seiten großentheils erhalten,
ist es an der nordwestlichen, wo der Anbau des
Grundes sich hart an den Tempel legt, nicht. Doch
fieht man noch die Spuren des äußersten Tho-
res, Löwen liegen darneben und Sphinxe, diese,
wie alle an diesem Tempel, mit Widderhäuptern
und den Vornamen zu Amenopht auf der Brust.
So ging man auch hier durch eine Allee von Sphin-
ren zum eigentlichen Eingange, zum Thore zwi-
fchen zwei ungeheuren Pylonen, die unverziert
find, also niemals fertig wurden. Sie enthalten
viele Gemächer, in denen Fenster, wie in den Py-
lonen von Edfu, hier aber zu geringerem Schaden,
durchgeschlagen sind.
26
306
Ins Thor getreten, genießet man des unver-
gleichbaren und erstaunlichen Anblicks einer Reihe
von Thoren, eines mächtiger als das andere, zwi-
fchen ungeheuren Pfeilern und Säulen, überhaupt
des Durchschnittes des Tempels nach seiner Achse
von SO nach NW.
Man kömmt in den Vorhof. Dieser hatte zur
Rechten und Linken, an die Pylonen gelehnt, drei
Gemächer. Seine linke Seite ist durch einen Por-
tikus von 17 Säulen geschloffen. Seine Rechte durch
einen Portikus von 8 Säulen und einen besonde-
ren Tempel, dessen lange Achse auf diejenige des Vor-
hofes senkrecht gezogen ist; dem aber folgt noch ein
Thor. Wo in der Mitte, die Begleitung der Ge-
mächer aufhört, bis an ein mächtiges Thor und
ein anderes Pylonen-Paar, welche den Hintergrund
des Vorhofes bilden, standen fechs Säulen,
die größten, die irgendwo auf der bekannten Erde
sich befinden, aber nicht die einzigen ihrer Art, und
bilden je Drei zu Drei den Zugang. Diese Säulen
sind mit Hieroglyphen und Bildern bedeckt und
waren bemalt. Ihre Knäufe sind Lotusblumen.
Wäre ein Beispiel in der ägyptischen Baukunst,
das mich hierzu berechtigte, so würde ich sagen, sie
trugen Thier- oder Menschenbilder, denn ich glaube
nicht, daß die Gebälke getragen haben. Fünf davon
liegen am Boden; die sechste steht noch aufgerichtet.
307
Die sechs Gemächer im Vorhofe, präch-
tig verziert, sind heut zu Tage fast ein Steinhaufen.
Die Säulengänge hinter den Gemächern, sind
unvollendet geblieben, denn die Fusten der Säulen
find noch unverziert; die Form der Knäufe ist die
eines umgewandten Kelches. Durch den zur Linken
geht ein Thor ins Freie. Unter den Blöcken des
Gesimses sind zwei, die auf 5“ Höhe, 4/ 10“ 6//
Breite, 30“ Länge haben, was jedem eine Maffe
über 700 Kubikfuß gibt. Der abgesonderte Tem-
pel in der Südwestfeite des Vorhofes,
zeigt an der Außenwand die furchtbare Gruppe des
fiegenden Osiris, die ich bei Gelegenheit der Py-
lonen von Edfu beschrieb. Hier ist die Waffe des
Gottes eine Keule. Der Vorhof dieses Tempels ist
ein Portikus von 18 Koloffen getragen, die an
Pfeiler gelehnt sind. Die Koloffe scheinen mir Prie-
fergestalten; sie haben eine Mitra auf dem Haupte,
find bekleidet, und halten die Hände kreuzweis über
der Brust, in der einen den Krummstab, in der an-
deren die Geißel. Der Hintergrund dieses Portikus
vertieft sich, fo, daß noch zwei Säulen das Gebälke
tragen, dann kommt man in einen Saal von 8
Säulen und in einen dritten, wo, heut zu Tage,
dieß Gebäude in Schutt und Trümmer endet. Alle
Wände dieses Tempels sind verziert: aber die Ar-
beit in Hieroglyphen ist nicht die ausdruckvolle,
26 *
308 - -
reine Zeit des großen Renees und feiner Vorfah-
ren, noch die zierliche der Ptolemäer. Das Thor
durch die südwestliche Wand zwischen dem
eben beschriebenen Tempel und dem zweiten Pylo-
nenpaare, ist in großem Style gebaut und gleicht
einer Triumphpforte; zwei Säulen stehen davor,
etwas weiter die Reste eines Pfeilers. Der Meißel
ist sorgsamer als im nebenstehenden Tempel, aber
der Styl wenig verschieden.
Die Maffen der zweiten Pylonen findein-
gebrochen und bilden hohe Wälle aus Blöcken, die
mit Hieroglyphen, Bildertheilen und Farben be-
deckt sind. Verstümmelte Koloffe aus Granit
stehen vor dem Thore, die eine bedeutende Höhe ge-
habt haben müffen, da der Unterschenkel (vom Knie
zum Fust) 6“ 3“ mißt. Das Thor selbst ist eine
jener riesigen Pforten, die nur Karnak zeigt, und
die allein Stoff für Bände gäben. Die Antifrag-
mente zeigen 6 Bilder über dem Schutte, jedes
Bild zu 10“ 1“ 6// Höhe, und eines über das an-
dere gestellt. Das Supercilium, das Fries und Ge-
fime find eingestürzt. Der Styl und die Arbeit
find fein und zierlich, haben aber nicht den Nerv
der ältesten Blüthenzeit.
Durch dieß Thor tritt man in die Riefen-
halle, den erstaunlichsten Saal, den Menschen-
hände ausgeführt haben, und der, was man sonst
309
Großes in Ägypten gesehen hat, so sehr überbietet,
daß es ins Gewöhnliche zurücktritt. Es genügt zu
sagen, daß dieser Saal ein Rechteck ist, von 134
Säulen getragen, wovon 122, zehn Fuß ober dem
Fußgestelle, noch 27“ Umfang haben, die 12 übri-
gen aber 37/ 6“. Diese zwölf größten Säulen der
Erde, ziehen, in Verlängerung der sechs, die im Vor-
hof standen, und mit ihnen von gleichen Maffen
waren, durch die Mitte des Saales im Sinne der
Länge, von Pforte zu Pforte, sechs zur Rechten
und sechs zur Linken. Die übrigen Säulen bilden
zur Rechten sieben Reihen zu 7 und zwei zu 6, eben
so viele zur Linken. Daß zwei Reihen nur sechs
Säulen Breite haben, folgt aus dem Raum, den
die Pfeiler der füdöstlichen Pforte einnehmen. Die
Gestelle der Säulen (an ein Paar ist der Schutt
bis an dieselben durchgebrochen) sind Würfel und
ragen 14“ über die Fusten vor. Die Höhe der Ge-
fimfe der kleineren Säulen über dem gegenwärtigen
Grund ist 59/ 5“ 6“. Diese Säulen tragen Kelch-
knäufe. Die zwölf großen Säulen ragen über dieß
Gesimse noch um die ganze Höhe ihrer Lotusknäufe
und selbst noch um ein Paar Fuß des Schaftes.
Wie tief der eigentliche Boden des Saales unter
dem gegenwärtigen liege, wie hoch also diese Rie-
fenhalle war, ergibt sich aus der Vergleichung der
Pompejusäule, mit den kleineren dieser Halle. Jene
31()
hat (bloß Gestelle, Schaft und Knauf) nach Nor-
ry's Meffung, über 100 Wiener Fuß, und doch ist
der Durchmesser ihres Schaftes um 30“ geringer
als der derjenige der kleineren Säulen der Riesen-
halle, und fast vierthalb Fuß geringer, als derje-
nige der großen Säulen. -
Die Decke der Riesenhalle besteht aus Deck-
und Querbalken, jeder aus einem einzigen Blocke.
Jeder Querbalken über den kleineren Säulen mißt
17/ 6// Länge, 6“ 2“ Höhe, 6/4“ Breite. Auf den
Querbalken ruhen Fensteröffnungen mit doppeltem
Steingitter. Die Riesenhalle trug also einen Oberbau.
Diese ungeheure Halle nun ist in allen ihren
Theilen der Oberfläche, auf das vollkommenste im
heiligen Style bearbeitet. Die Gestelle, die Schäfte
der Säulen, das Gebälke, die Decke, die Wände
sind mit Hieroglyphen und Bildern bedeckt, an de-
nen die Farben sich noch hie und da frisch erhal-
ten haben. Denkt man sich alle diese 134 Schäfte
zur Fläche entrollt, sieht man überdieß diese Wän-
de, welche die Halle zu beiden Seiten schließen, und
allein schon vier Flächen, jede an 20.000 Quadrat-
Fuß, boten, und Alles mit dem Meißel bearbeitet:
so fragt man sich, wer die Idee eines solchen Baues,
der Jahrhunderte und Völker zu fordern scheint,
denken konnte; und erstaunt mehr über die Kühn-
heit dieses Gedankens, als über die Verwirklichung
311
selbst. Überhaupt, man müßte unter der Größe
der Bauten zu Karnak erdrückt werden, würde man
nicht zur stolzesten Empfindung eben durch sie erho-
ben. Die Bilder im Innern stellen Opferhandlun-
gen, die der Außenwände Schlachten und Trium-
phe vor. Ein größeres Siegesmal ist wohl niemals
aufgerichtet worden. Die Triumphbauten aus unse-
ren Tagen erscheinen wie Kinderspiel, oder wie
Scherze daneben.
Das unterste Bild an der linken Seitenwand,
zeigt eines Heeres Untergang. Es stürzt in Fluth
und Abgrund, eingeengt zwischen die Streitwagen
des Siegers. Daran stehen Burgen, welche die
Ringe des zweiten Remefiden und Amenopht's tra-
gen; dieselben Ringe sind neben dem Sieger einge-
zeichnet, der hoch herab vom zweiräderigen Wagen
kämpft. Seine Körperfarbe ist braun, seine Haare
find hellblau; hellblau ist auch der Adler, der wie
ein Schutzgeist, wie ein Bringer der Kraft und des
Sieges, über ihm schwebt. Das nächste Bild ist Krie-
gesende. Der Held lenkt den Wagen nach Hause.
Seine Linke hält das Zeil und die Geißel, feine
Rechte einen kurzen Spieß und ein krummes Beil.
Die Haare sind rothbraun, und seltsam genug, der
Kopf ist eingesetzt, als habe man den ursprüngli-
chen herausgeschnitten, um einen späteren Herrscher
zu ehren; so fägte man in Griechenland und Asien
Z12
zur Zeit der römischen Imperatoren, und so in un-
feren Tagen in mehreren Ländern, den Statuen die
Köpfe ab, und setzte an die Stelle des Kopfes Des-
fen, der unterlag, den des Siegers. – Am Wagen
vorn und rückwärts, werden Gefangene, an Hals
und Händen gebunden, geschleppt. – Im dritten
Bilde erreicht der heimkehrende Sieger den Nil,
deffen blaue Waffer zwischen Palmen und zehn Tem-
pelthoren oder Burgen, dahin fließen; Krokodile
schauen daraus hervor. Ein Haufen Volkes eilt auf
dem anderen Ufer den Kommenden entgegen, mit
Früchten und anderen Gaben, die Hände in Erstau-
nen und zum Willkomm hebend. Im blauen Strei-
fen des Nil stehet eine kleine Hieroglyphengruppe
eingegraben, die ich für eine Zeitangabe halte. –
In den Bildern der oberen Reihe ist gleichfalls Ra-
fen der Schlacht, Kriegswagen gegen einander und
Sieg. Die überwundenen sind zum Theile nackt,
zum Theile aber mit weiten Röcken bekleidet; ihre
Kopfbedeckung ist festanliegend, mit und auch ohne
Nackenschild. Es können nur asiatische Völker da-
mit gemeint seyn. – Nun ist der Held heimgekehrt
und bringt, im nächsten Bilde der oberen und un-
teren Reihe, dem Amon, der Isis und dem Men-
des Dankopfer. Noch ist er gewaffnet mit Schwert,
Köcher und Bogen. Die Opfer bestehen aus zierli-
chen Vasen, mit Thierhäuptern als Deckel, wie die
313
kanopischen (unter den Thierhäuptern auch die von
Gemen) aus größeren Vasen, von Gefangenen ge-
tragen; aus Lotus, unter welchen Hunde stehen.
Gefangene folgen gebunden dem Sieger. – Das
nächste Bild ist die mehrerwähnte Darstellung des
fiegenden Osiris, Horus, Dschom (Herakles), oder
des ägyptischen Ares. Dann folgt ein Thor (die Mitte
der Seitenwände), dem Lotusopfer zur Rechten und
Linken angebracht sind, und abermals das obener-
wähnte Sinnbild der Kraft und des Sieges. Unter
den kleineren Figuren, die kaum über den Schutt
ragen, sind da mehrere gebundene Gefangene, welche
Schilde tragen, auf diesen aber sind Namen einge-
zeichnet. Ich vermuthe, daß dieß die Namen der
eroberten Städte oder überwundenen Stämme sind.
Der Schlüffel zu merkwürdigen geschichtlichen Ent-
deckungen, liegt in diesen Schilden, deren ich nur
zwölfabzeichnen konnte. – Unter den Hieroglyphen
(nicht unter den Bildern) fand ich hier abermals
die Giraffe. Die weiteren Bilder der zweiten Hälfte
der nordöstlichen Außenwand, sind Opfer, Kampf
und Sieg; lange Züge von Gefangenen mit ganz
fremdem Gesichtausdruck; bewaffnete Scharen in
Reihe und Ordnung; Flucht auf Streitwagen und
Nachjagen des Siegers; Schlachtgedränge zu Wa-
gen und zu Fuß; der Wagen des feindlichen Heer-
führers gebunden an den des Siegers und fortge-
Prokefch: Ägypten. I. 27
314
schleppt von diesem, während jener noch kämpft und
ringt. – In allen diesen Bildern ist eine ungeheure
Einbildung offenbar, die Handlung reich und le-
bendig, die Bewegung keck und rasch, der Ausdruck
sprechend, lebendig, ergreifend, die Zeichnung ohne
Perspective, aber die Ausführung des Details un-
begreiflich reich und schön. Die Pferde z. B. haben
eine Wahrheit im Kopfe, welche an die berühmten
Raphaelischen erinnert. Gebiß, Zaum und Geschirre
sind prachtvoll und zweckmäßig; die Wagen sind wie
aus Elfenbein gedrechselt, mit erhobener Arbeit und
Schmuck, fest, leicht und schön.
Die füdwestliche Außenwand der Riesen-
halle ist mit ähnlichen Bildern von Kampf und Sieg,
Gedräng und Flucht, Tod und Untergang geziert.
Der König, der jederzeit vom Streitwagen ficht,
führt bald den Bogen, bald das Beil, und hier auch
einmal eine Keule von der Art, wie sie noch heut
zu Tage in Nubien gebräuchlich sind. Auch auf die-
fer Wand sind Gefangene mit Namensschilden, drei
Reihen, jede zu 13. In einem Bilde tragen auch
die Flüchtigen Schilde, Rechtecke, die sie an einer
Schlinge tragen. Die Höhe des Schildes ist etwa
% des Körpers. -
Die füdöstliche Außenwand endlich, zeigt
in ihren Bildern Amonsfeste, Barken, worin Opfer
und kleine Tempel von vielen Ruderern geführt wer-
315
den; mehr nach Außen aber geschichtliche Darstel-
lungen, wie die erst beschriebenen. Der Held raset
mit seinem Wagen über Besiegte weg. Er steht im
Begriffe, einen Pfeil vom Bogen zu schnellen. Der
Köcher hängt an einer Seite. Zwei Adler und der
Diskus des Sonnengottes, mit Nilschlüffeln, fchwe-
ben über seinem Haupte. Die überwundenen sind
rothbraune Männer. Sie krümmen sich von Pfeilen
durchbohrt, mit dem Ausdruck des tiefsten Schmer-
zens, unter dem Hufschlag der Roffe. Sie fliehen
mit Lanzen, Wurfspieß und Beil, einen steilen, mit
Bäumen bepflanzten Berg hinauf, wo eine Veste mit
Zinnen sie aufnimmt. Eine Legende steht darneben.
In einem anderen Bilde ist der Kriegswagen heim-
wärts gewendet. Der Held, abgestiegen von demsel-
ben, reicht einer Schar von Flehenden die Hand
und gewährt den Frieden.
Diese Bilder führten den Fluch Ezechiels gegen
Ägypten vor meine Seele, denn ich sah die Größe,
die Macht, die Kraft und den Stolz der Pharao-
nen. »Menschensohn!« – läßt der Prophet den
Ewigen rufen, – »ich habe den Arm Pharaos ge-
brochen, des Königs von Ägypten! ... Sieh mich
stehen gegen dich Pharao, König von Ägypten! –
der du liegst, wie ein großer Wallfisch inmitten dei-
ner Waffer, und der du sagtest: die Waffer sind
mein und ich habe sie gemacht! – Sieh, ich werde
23
316 - -
deine Arme brechen, den der noch stark, und den der
schon gebrochen ist, und ich werde das Schwert aus
deinen Händen fallen machen....« (XXIX.XXX).
Diese Riesenhalle ist unter den vielen Beweisen
für die Einerleiheit des großen Remeses mit dem
Sesostris einer der stärksten. Sie trägt die Ringe
mehrerer Remefiden, aber hauptsächlich den des Drit-
ten oder Großen, der seinen nächsten Vorfahren
und sich selbst ein Siegesmal hierin setzen wollte,
das feine Nachfolger vollendeten. Herodot kann in
der Bestimmung des Zeitraumes, wenn dieser Kö-
nig regierte, irren (und er irrt gewiß darin), aber
nicht über dessen Geschichte im Ganzen und Gro-
ßen, die eine Epoche in Ägypten und Asien macht.
Auch hat er mit eigenen Augen Male gefehen, die
Sesostris auf feinem Zuge durch ganz Vorderasien
und bis nach Europa aufgerichtet hatte, und erzählte
dieß Leuten, die sich jeder Tagen von dem Bestehen
dieser Male überzeugen konnten, ja dieselben ken-
nen mußten, da sie in den bewohntesten Ländern
der damaligen Zeit, in Jonien und Syrien, stan-
den. Herodot erzählt auch einen Kriegszug dieses Kö-
nigs gegen die Äthiopier und siehe, auf einem Tem-
pel in Nubien sind Siege und Triumphe über äthio-
pische Völker, wie zu Luxor und Karnak über asiati-
fche, eingehauen und die Ringe des großen Remeles
stehen neben jenen Bildern. Herodot erklärt uns zum
Z1"
Theile das Räthel, wie so vie
Arbeiten unter einem und dem
nommen und großen Theils ausgefu,
ten, indem er erzählt, daß die überw
ßer Zahl nach Ägypten geschleppt und dort ,
lichen Bauten verwendet wurden (II. 102–,
Die Chronologie hat keinen Anhaltpunct für die
Zeit, wann dieser König herrschte. Nach Herodot
lebte derselbe etwa 500 Jahre vor Kambyfes, d. i.
etwa tausend Jahre vor unserer Zeitrechnung. Die
Bücher Moyses führen aber bis auf das Doppelte
dieser Zeit zurück, und man fragt billig, würden
diese oder die anderen der Schrift ein so großes Er-
eigniß, als die Unterjochung oder wenigstens über-
rennung ihres ganzen Landes durch die Ägypter,
übergangen haben, während sie getreu alle ähnli-
chen Ereigniffe, die Einfälle der Mesopotamier, As-
syrer, Babylonier u. f. w. aufführen? ... Der erste
ägyptische Einfall, von dem die Bibel redet, fällt in
die Zeit kurz nach Salomon, wo uns die Geschichte
wenigstens für Palästina, schon mit Zuversicht an die
Hand nimmt. Anderer Seits machten, höchst wahr-
scheinlich, die Kinder Israel, Philitäer, Chaldäer
u. f. w. eben die Hycos aus, welche zur Zeit der
14. bis 17. Dynastie Unter-Ägypten überschwemm-
ten, zuerst geduldet, dann Herren darin waren, und
die Pharaonen nach Thebä zurückdrängten. Herodot
-
318
eichen, wo er von dem Hirten
„t, nach welchem die Pyramiden ge-
1 (II. 128). Dieß Wort ist ähnlich
Philisti der Hebräer – und wahr-
Ich wollte der Vater der Geschichte in jener
Stelle sagen, daß philiftinische Hirten damals ihre
Herden um die Pyramiden weideten (deren Errich-
tung fonach vor die oder in die Zeit der genannten
Dynastie zu fetzen käme). – Es war die 18. Dy-
nastie, welche die Hycos besiegte und vertrieb. Nach
aller Wahrscheinlichkeit fällt die Auswanderung der
Israeliten aus Ägypten in die Zeit Amenopht II.
Nach der Bibel fand dieß Ereigniß 1509 Jahre vor
unserer Zeitrechnung. Statt.
Aber zurück zu unserem Tempel. Der Porti-
kus in SO der Riesenhalle, ist ein würdiger
Vorbau derselben. Zwanzig Koloffe trugen dieselben,
und vor dem Eingange in die Halle sind zwei Obe-.
lisken aufgerichtet, gegenwärtig über 60“ hoch,
und unten 6“ ins Gevierte. Ein drittes Pylo-
nen-Paar scheidet diesen Portikus von dem Vor-
hofe des Heiligth ums, der abermals von
Koloffen, und zwar von 18, getragen wurde, den
früheren ähnlich, d. i. Männer im Priestergewande,
mit auf der Brust gekreuzten Armen, in den Hän-
den Nilschlüffel. In diesem Vorhofe standen gleich-
falls zwei Obelisken, 7/ 3// ins Gevierte und
Z1$)
gegenwärtig 70 Fuß hoch, wovon der eine nieder-
geworfen ist. Die ganze Höhe dieser Obelisken be-
trägt 95/ 6“. Die beiden Vorhöfe der Koloffe hat-
ten auch durch die Seitenwände Thore.
Durch die fünfte Pfort e (in der Richtung
der Achse , die nun in Trümmern liegt) getreten,
hat man eine fechste vor sich, woran zwei kleinere
Obelisken sich hoben, nur bis auf einige Fuß
hoch zertrümmert. Diese sechste Pforte führt in den
Saal, der das Heiligthum in sich faßte, und mit
schmalem Gange umgab. Sie ist aus Granit. Zur
Rechten unv Linken führten Thore aus dem Saale
in nun zerstörte Seitenfälle, und durch zweite Thore,
die noch stehen, in andere Säle und Gemächer, von
denen nur die Grundfesten noch erkenntlich sind.
Vor dem Eingang ins Heiligth um heben
sich zwei abgestumpfte Obelisken, worauf Lo-
tusblumen und in mehreren Bildern Isis und Ost-
ris dargestellt sind, welche sich umarmen und die
Hände reichen. Die Bilder auf den Außenwänden
des Heiligthums scheinen mir Einweihung, oder
Einführung des Königs zu dem Gotte anzudeuten.
Dieser sitzt, hinter sich die säugende Isis, vor sich
einen Priester, der zu seinen Füßen hockert, und
winkt dem König, welchen Priester (so glaub' ich)
mit Ibis- und Sperbermasken, führen. Im ersten
Bilde überschütten diese Begleiter den König aus
- -
_320_
Vasen mit Wohlgerüchen und Salben ; im zweiten
haben sie ihm eine Mitra aufgesetzt und legen die
Hände auf ihn; im dritten ist er mit goldener Stirn-
binde, und empfängt aus ihren Händen den Nil-
fchlüffel; im vierten endlich steht ein Priester mit
Ibismaske und Nilschlüffel (oder ist es Thot selbst)
im Vorgemache des Gottes und winkt dem Kom-
menden einzutreten. Die unteren Bilder enthalten
Festzüge. Die Fahrzeuge sind mit Amonshäuptern
geschmückt. Im fk ebenten Thorwege, oder
demjenigen des Heiligthums, sind größere Hiero-
glyphen und Bilder, aber Schutt verdeckt sie fast
ganz. Mendes erscheint unter den Göttern, denen
geopfert wird. Eine Reihe Nilschlüffel ist da erst an-
gezeichnet, mit rother Farbe. --
Das Innere des Heiligt hums bestand
aus zwei Gemächern. Amon, Mendes und Re sind
die Götter, deren Gestalten an den Wänden einge-
hauen sind. über dem Thore aus dem ersten Gemache
ins zweite, fehlt auch hier der Diskus, und war,
wohl wie zu Luxor, aus Gold. Die Decke des Hei-
ligthums war blau, mit goldenen Sternen. Das
ganze Heiligthum ist aus Granit, und zwar aus
mächtigen Blöcken, die auf 3/4/6“ Breite,5“
9“ Höhe, 17“ 3“ Länge haben. Nach hinten ist es
geschloffen.
Z21
Der Saal, in welchem das Heiligthum steht,
und der also einen Gang um dasselbe bildet, trägt
zum Theile noch eine Decke. Auch diese ist mit gold-
farbigen, fünfeckigen Sternen auf blauem Grunde
verziert. Die Wände sind voll kleiner Hieroglyphen
und Bilder, darunter eine große Menge von Ge-
fäßen aller Art und Formen, wahrscheinlich Nach-
bildungen derer, die zum Tempeldienste gebraucht
wurden; Bilder von Tempeln, Pylonen, Obelis-
ken u. f. w. -
Die Gemächer zu beiden Seiten des eben be-
schriebenen Saales, scheinen mit großer Pracht ver-
ziert gewesen zu feyn, aber sie sind fast bis aus
dem Grunde zerstört. Doch steht noch ein Thor aus
Porphyr, das aus dem Saale in die nordöstlichen
führte. Auch dieses ist reich verziert und auch auf
diesen Steine waren Hieroglyphen und Figuren
bemalt. Mitten unter den Trümmern auf dieser
Seite, liegt einer der größten Quarzkrystallblöcke,
die ich jemals gesehen habe; er ist 14“ lang und 12
breit, oben gerundet, unten flach und mit Hiero-
glyphen bezeichnet. Er war so vergraben und ver-
stümmelt, daß ich aus dem Gebrauche desselben nicht
klar wurde.
Eine bedeutende Strecke hinter dem Heiligthume
ist nur Verwüstung und Schutt. – In der Achse
liegen ein Paar Granitmaffen, vielleicht Reste ande-
_322
rer Obelisken, auch ein Altar aus Porphyr. Dann
schließt ein Portikus von 48 Pfeilern und
Säulen; jene machen die Einfaffung dieser, so
daß 12 Pfeiler in erster und vierter Reihe, 10 Säu-
len aber in zweiter und dritter stehen, die mit einem
Pfeiler zu beiden Seiten enden. Diese 20 Säulen
haben niedere Kelchknäufe und erschienen nur wenig
gefällig dem Auge. Das Christenthum hatte von die-
fer Halle Besitz genommen, denn dieselbe ist durch-
aus überklebt und überweißt, dann aber mit Heili-
genbildern übermalt worden. Diese sind größten
Theils wieder abgefallen und Amon und Isis be-
haupten ihr Recht. – Der Portikus hatte Gemä-
cher zu den Seiten.
In der Achse folgte der äußerte Portikus,
vier Säulen tief und acht breit. Von diesen 32 Säu-
len stehen nur 15 noch. Dann schloß eine Reihe
Zellen den eigentlichen Tempel. Dieser Zellen find
7 zur Rechten und 7 zur Linken, und halten das
zehnte Thor in der Achse zwischen sich. 42 solcher
Zellen (21 auf jeder Seite) schloffen auch den Raum
von den Endpunkten dieser vierzehn bis an die Ge-
mächer zu beiden Seiten des Heiligthums. Ihre Au-
ßenwand macht eine ununterbrochene Linie bis an
die Riesenhalle, die zu beiden Seiten über den dar-
anstoßenden Portikus der Koloffe vorsteht. Alle diese
Zellen waren prächtig mit Hieroglyphen und Bil-
-
Z23
dern behauen; jede hatte ihr Thor nach einem Gange,
der wahrscheinlich von Säulen getragen ward und
gleichlaufend vor denselben, nach der Inseite, ge-
zogen war; keine hatte ein Fenster. Waren es Prie-
sterwohnungen, – Verwahrungsorte heiliger Ge-
fäße, Opfergaben, Schätze oder Thiere? Das laffe
ich Anderen zu entscheiden übrig. Gegenwärtig sind
fie fehr verwüstet.
Aus dieser Umschließung, durch das zehnte Thor
getreten, hat man einen freien Raum und dann,
in der Achse, einen kleinen aber vorzüglich schönen
Portikus vor sich, 4 Säulen breit und 3 tief.
Statt der mittleren Säulen aber sind Pfeiler mit
Koloffen. Aus diesem führt ein Zugang von 24
Säulen, fünf Reihen im Sinne der Länge, zur
füdöstlichen Pforte in der Umwallung, die
über 60“ Höhe hat, und deren Verzierung niemals
ganz geendigt worden ist.
Nun haben wir den Tempel in einer Länge von
NW nach SO durchwandelt. Die nordwestliche
und füdöstliche Wand der Umwallung,
1000 Schritte breit, hatten jede nur eine einzige
Pforte, die in der Achse des Tempels gelegene. Nicht
so die Umwallung nach NO und SW, deren Länge
etwas über 700 Schritte beträgt. -
Durch die nordöstliche Seite der Um-
wallung führten wahrscheinlich 3 Pforten. Die
32-
mittlere ist in ihren Trümmern, die untere
ganz erhalten. Diese steht 220 Schritte vom Ost-
winkel der Umwallung ab. Ihre Höhe ist gleichfalls
über 60“. Sie ist reich verziert. Da der Stein nicht
fein genug war, so wurde eine Art Gypsmörtel
aufgelegt, um den Farben Haltung zu geben. Die-
fer Mörtel, dem wir in den ältesten Bauten begeg-
nen, überdauert die Jahrtausende und legt sich so
fest an den Stein, daß er kaum von demselben zu
trennen ist. Eine Allee von Löwen sphinxen zieht
200 Schritte lang in der Verlängerung der Achse
der Pforte nach außen hin, und endet in den Re-
sten einer anderen Pforte. Es scheint also nach die-
fer Seite noch ein äußerer Wall bestanden zu haben.
Zu den Seiten der Sphinxenallee sind auch Trümmer
von Gebäuden. Es bestand aber auch noch ein in-
nerer, also ein dreifacher nach dieser Seite,
und zwischen diesem und dem Hauptwalle sind die
sehr verwüsteten Reste eines abgesonderten Tempels.
Zu diesem Tempel im NO, dessen Achse auf die-
jenige des großen Tempels senkrecht steht, kam man
durch die eben beschriebene Pforte im Hauptwalle.
Vierzig Schritte vor der Pforte standen zwei Obe-
lisken, jetzt nur in Trümmern noch sichtbar; dann
trat man in zwei Portiken, jeder von 8 Säulen
getragen; aus diesen in einen kleinen Saal, mit
zwei Sälen zur Linken und eben so vielen zur Rech-
Z25
ten, endlich in den Tempelsaal, der das Heiligthum
enthielt; weiter in einen Säulengang, der vier Ge-
mächer zu jeder Seite hatte, und endlich durchs Thor
der inneren Umwallung. Sehr viele Porphyrstatuen
mit Thierköpfen, auch der Rest einer Statue aus
weißem Marmor, lagen in diesen ansprechenden
Ruinen.
An die Inseite des inneren Walles lehnen sich
6 reich verzierte Gemächer, mit einem Eingangssaale
zu 4 Säulen mit Lotusknäufen. Es scheinen noch
viele andere dort gestanden und so einen Theil des
Raumes zwischen dem Wall und dem großen Tem-
pel eingenommen zu haben.
Der mittleren Pforte durch den nordöstlichen
Hauptwall, entspricht im inneren Walle gleichfalls
ein Thor mit viersäuligen Portiken und Gemächern
an der Inseite. Weiter nach Nord, und bis an die
Riesenhalle und die nordöstliche Wand des Vorho-
fes des Haupttempels hin, ist der Grund mit Trüm-
mern bedeckt.
Beffer sind die Monumente an der Südwest-
feite erhalten. Da führen zwei Pforten durch
die Umwallung, die obere in einen abgesonderten
Tempel der schönsten Ausführung, die andere war
die Verbindung zwischen dem Typhonium und dem
großen Tempel. Beide verdienten in eigenen Auf-
fälzen auf das Genaueste beschrieben zu werden, aber
326
mir fehlen Zeit und Kraft. Auch treibt mich ein
Geist der Eile durch Karnak, weil ich das Riesige
der Aufgabe, die meinen Schultern zu schwer ist,
fühle.
Die obere der beiden füdwestlichen
Pforten ist eben diejenige, zu welcher der Weg
von Luxor führt. Diese Pforte ist nicht die gewal-
tigste, aber wahrscheinlich die prächtigste, die irgend-
wo besteht. Diejenigen im Innern des großen Tem-
pels mögen prächtiger gewesen seyn, aber diese ist
beffer erhalten. Ihre Höhe ist dieselbe der übrigen
Pforten, etwa 60“. Zu oberst, unter dem einfach
verzierten Kranze, schwebt der geflügelte Diskus,
von Schlangen gehalten. Darunter tritt eine um-
wundene Leiste vor, die unter sich eine Reihe klei-
ner Figuren und einen zweiten geflügelten Diskus
hat, kleiner als der obere. Vier Bilder, jedes zu 4
Figuren, zieren das Supercilium. Der Sonnengott,
Mendes, Athor und Isis, dann eine Göttinn, mit
einer Nachbildung einer Tempelpforte auf dem
Haupte, um das ein Kranz aus Lotusblumen ge-
schlungen ist, sind diejenigen, so Opfer empfangen.
– Die Antifragmente enthalten an der Vorderseite
10 Bilder zu drei Figuren. Mendes empfängt als
Opfergaben: Widder, Geißel und Krummstab und
eine Barke mit Nilschlüffel, Nilometer und Lituus;
Amon , Harpocrates u. A. empfangen Früchte,
327
Näpfe u. f. w. Die Bilder sind, jedes für sich, mit
Hieroglyphen umrahmt. Zu unterst zieht ein Saum
von solchen hin. – Die Außenseiten nach NW und
SO sind nicht verziert, denn daran stieß die Umwal-
lung. – Der Thorraum hat in der Decke den ge-
flügelten Diskus und 18 Adler mit gespreiteten Flü-
geln. Die Farben daran sind sehr frisch. An den in-
neren Wänden sieht man 20 Bilder, 5 der Höhe
nach und je. Zwei in der Länge, durch eine Nische -
getrennt, die von oben bis unten zieht und in 12
Reihen, wie gewöhnlich, Nilschlüffel, Ringe und
Genien eingeschifft enthält. Zu unterst läuft eine
Reihe Hieroglyphen und kleinere Figuren. Die Hin-
terseite ist der vorderen ähnlich. Die Köpfe, und ge-
rade nur die Köpfe aller Figuren, auch der kleinsten,
find verstümmelt.
Durch diese Pforte getreten, hat man, auf 50
Schritte, vor sich zwei Pylonen. Sie halten den
Eingang zum abgesonderten Tempel im SW zwi-
fchen sich. Von der Pforte bis an die Pylonen ging
die Fortsetzung der Sphinxenallee. Auch die Sphinxe
waren bemalt. Vor der Brust hält jeder ein Idol,
die Arme übereinander geschlagen, Nilschlüssel in
der Hand, längs der Mitte einen Saum, einer
Lamina ähnlich, mit Hieroglyphen bedeckt.
Die Pylonen sind sehr verwüstet. Sechs Reihen
Bilder zeigen dieselben, aber sie sind hoch verschüt-
_328_
tet, wie man im daran stoßenden Vorhofe er-
kennen kann. Dieser ist von 28 Säulen getragen,
deren Schäfte nur 12“ aus dem Schutte ragen; dort
haben sie 18“ 3“ Umfang. Die Knäufe gleichen um-
gestürzten Kelchen. – Wände, Pfeiler, Schäfte,
Knäufe, Gebälke: Alles verziert in reinem Style,
der mehr Nerv hat als derjenige der eben beschrie-
benen Pforte, obwohl dieser zierlicher ist. Im Thor-
*gesimse wiederholt sich häufig die Darstellung eines
sitzenden Knaben, bedornte Krummstäbe in den Hän-
den, Nilschlüffel und eine Haube hängend im Arm-
bug, den Diskus über sich. Die Lotusblume macht
den Hauptzierath dieses Portikus. Sie erscheint bald
als Opfer, bald in Windungen und Kränzen. Sie
wächst aus Säulen empor; sie umschlinget solche;
sie wird auf Barken geführt, in artigen Körbchen
getragen; sie krönet die Häupter; sie liegt einzeln
und in Bündeln auf Tischen; sie steht vor den Göt-
tern in schöngeformten Vasen.
Leider ist dieser Portikus sehr geschwärzt und
verwüstet. Die zerstörende Menschenhand neben der
kunstvoll erbauenden – dieß böse Princip neben
dem guten – ist überall sichtbar! freilich, wenn
Menschen nicht der Zeit nachhälfen, wann würden
diese Werke untergehen? -
Aus dem Portikus führten zwei Thore zur Rech-
tem und zwei zur Linken in anstoßende, nun ganz
---
329
verschüttete Säle. Durch das Hauptthor aber tritt
man in einen achtfäuligen S. a a l. Auf der
Wand neben dem Hauptthore sind (unter einer dop-
pelten Reihe von großen Bildern) Priester in falti-
gen Mänteln dargestellt, welche Barken tragen. An
den Füßen haben sie genau die Schuhe, wie man
deren noch manchmal in den ägyptischen Gräbern
findet, und heut zu Tage noch in einigen Gegenden
des glücklichen Arabiens im Gebrauche hat. – Die
vier mittleren Säulen im letztgenannten Saal ha-
ben Lotusknäufe; die vier anderen sind denen des
Portikus gleich. In diesem Tempel ist abermals fei-
ner Mörtel gebraucht, um die Steinarbeiten zu ver-
tiefen und den Farben eine bequemere Grundlage
zu geben. Was in diesem Saale besonders auffällt,
find drei Fenster über dem Gebälke der zweiten Säu-
lenreihe rechts. Dieses Gebälke steht tiefer als das
der ersten, und bis zur gemeinsamen Decke des Saa-
les sind eben die Fenster angebracht. Sie bestehen
aus Steingittern mit 12 länglich rechteckigen Öffnun-
gen in zwei Reihen.
Die Gemächer zu beiden Seiten des Saales sind
verfallen und verschüttet. In der Richtung der Achse
kommt man in den Saal des Heiligthums.
Das Gebälkei ' Theils eingestürzt, und die
Wandzierden, hier von einer Schönheit denen der
Obelisken nahe, s häufig verwüstet. Die Hierogly-
- - - 23
33(!)
hen sind hier von 1“ bis 1“ 6“ eingearbeitet, die
Kanten scharf, eben so die Linien der Figuren rein und
weich. Opfer vor Amon sind der Hauptstoff der Bil-
der. Knieende Gestalten opfern auch Idole einem
anderen bärtigen Idole, das an die Hermen der Grie-
chen erinnert.– Vom Heiligth um selbst stehen
nur ein Paar Wandstücke. – Noch folgen in der Achse
zwei andere Gemächer, mit Gemächern zur Seite
– alle verschüttet und zertrümmert. – Die Hin-
terwand dieses Tempels steht nicht ferne von der Hin-
terwand des abgesonderten Tempels im Vorhof des
großen ab. Die Seitengemächer sind der Breite nach
von den Pylonen etwas überragt. Auch die Außen-
wände sind bearbeitet. Ich glaube, daß auf diesem
Tempel ein zweites Stockwerk stand.
Gerade in der Westecke der Umwallung, fast
an den nordwestlichen der beiden Pylonen des eben
beschriebenen Tempels gelehnt, und gleichsam der
Stelle aufgedrungen, steht ein Typ honium, mit
der Vorderseite nach NW, aus einem Saale und
eilf Gemächern bestehend, gar sonderbar in feiner
Ausführung. Die Außenseiten geben 10 Bilder und
kolossale Figuren auf der Hinterwand. Die Vorder-
seite ist unverziert, das Thor ausgenommen. Durch
dieses tritt man in einen Saal, getragen von zwei
Säulen, mit Knäufen aus Lotus und Palmen,
auf denen Würfel mit vier Isisköpfen liegen. Die
331
Decke hat die gewöhnliche Zierde gespreiteter Adler,
das Gebälke Hieroglyphen, aber die Wände sind
glatt. Das nächste Gemach, und seine beiden Sei-
tengemächer, sind sehr reich bearbeitet. Dort sehen
wir Mendes, Harpocrates, Amon, Thot, Typhon,
den todten Osiris auf eine Bank mit Löwenköpfen
als Zierath, gestreckt, hinter ihm Ifis, vor ihm
eine andere Göttinn, über ihm ein schwebender Ad-
ler; endlich eine Göttinn, sitzend mit Nilschlüffel und
Lotusstab, einen Scarabäen oder Scorpion auf dem
Haupte, vielleicht Pthah, in weiblicher Gestaltung
– das innerste Gemach des Tempels ist klein und
ähnlich verziert. Anubis steht da neben Amon wie
ein lachender Faun, und die Säule des Tphon füllt
die Nische des Hintergrundes. – In die übrigen
Seitengemächer geht man vom Saale aus, und sie
haben mit den erstbeschriebenen keine Verbindung,
obwohl drei davon an diese stoßen. - -
Es war aber noch ein zweites, weit älte- .
res Typhonium am Tempel zu Karnak, denn
das erst beschriebene ist offenbar jung, wie der Um-
stand, daß es nicht vollendet ist, – der Styl der
Hieroglyphen und Figuren, – und dessen Lage auf -
einem Raume, wo die Umwallung gewesen seyn . . "
muß, beweisen. Zu diesem älteren Typhonium führt
eben aus dem großen Portikus der Koloffe an der
Riesenhalle ein Zugang, der nach allem Großen
28 *
332
und Erstaunenswürdigen, was ich bis jetzt im Tem-
pel zu Karnak aufgezählt habe, den Beschauer mit
einer Bewunderung erfüllt, die an Scheu grenzt.
Wenn auf diesem Boden die abenteuerlichsten Zau-
berfagen entstanden, so würde ich wissen warum.
Aus dem Thore, durch die südwestliche Seitenwand
des großen Portikus der Koloffe, getreten, hatte man
vor sich zwei Obelisken, nun in Trümmern, und
ein Thor zwischen Pylonen, vor welchem Ko-
loffe saßen; kurz darauf ein zweites Thor,
ein zweites Pylonen-Paar – so ein drit-
tes, – so ein viertes; jedes riesig an Höhe
und Maffe; im vierten die Pforte durch die Um-
wallung. Die zwei ersten Pylonen-Paare waren unter
sich und mit dem Haupttempel durch Schlußmauern
verbunden; eben so das dritte und vierte Pylonen-
Paar, unter sich und mit der Umwallung, nicht aber
unter sich das zweite und dritte. Es dürften zwischen
den Pylonen Vorhöfe bestanden haben. Welch ein
Feld von Zerstörung heut zu Tage! Die acht Rie-
fenmaffen der Pylonen, waren mit Bildern und
Hieroglyphen in ihrer ganzen Oberfläche bedeckt. Sie
find zum großen Theile eingestürzt, wie die verstüm-
melten Pyramiden von Memphis, und decken weit-
hin das Feld mit ihren bemalten und bearbeiteten
Trümmern; zum Theile aber halten sie dennoch bis
zum Kranz sich aufrecht. Wie groß war mein Er-
_833
staunen, da ich, über die Trümmer des dritten Pylo-
nen-Paares nach der Spitze steigend, als Bausteine
im Inneren benützt und nun wieder zu Tage ge-
bracht, durch die abgerollten Maffen, Blöcke älterer
Bauten sah, Blöcke, die ihre Hieroglyphen, selbst
ihre Farben noch klar erhalten haben, und doch
sind diese Pylonen ein Paar Jahrhunderte älter als
der große Remeles! – Und dennoch sind diese be-
arbeiteten Blöcke nicht die ältesten, welche Ägypten
uns weitet, wie wir Gelegenheit haben werden, im
Laufe dieser Blätter zu erfahren.
Was die Koloffe betrifft, so waren die vor
dem ersten Pylonen-Thore sitzenden von Granit. Vor
dem zweiten faßen zu jeder Seite. Zwei, denn die
zur Rechten sind noch vorhanden. Der nächste am
Thore ist aus röthlichem fettglänzenden Stein, der
andere aus dem trefflichen Kalkstein aus dem Gebirge
des linken Ufers von Theben, dessen Farbe milch-
weiß, dessen Korn sehr fein ist und der sich wie Kreide
arbeitet. Dieser Koloß war bemalt. Die Höhe vom
Kopf bis zum Schooß ist an 13“, die ganze Höhe
von der Grundlage des Stuhles gerechnet, dürfte
28“ betragen. – Vor dem dritten Thore liegen noch
die Trümmer von Granitkoloffen. Vor dem vierten
endlich saßen innen und außen Koloffe; die äußeren
aus röthlichem, die inneren aus weißem thebaischen
Stein. Diesen Koloffen sind die Köpfe abgesägt. Die
Z3
Länge von der Hand zur Achsel ist 9/ 11/ 6 ///.
Pokock fand das Haupt 5“ 4“ lang, (II. 21) was,
wenn die Koloffe ständen, ihnen eine Höhe von
mehr als 40“ gäbe. Sie sitzen aber. Ich halte diese
Koloffe für Königsbilder. -
Dieses vierte Thor steht in der Umwallung.
Es ist aus Granit, im edelsten Style, aber nicht
auf der ganzen Oberfläche bearbeitet. Nur zwei Bil-
der sind gegenwärtig über dem Schutte. Bevor ich
von der Umwallung mich entferne, will ich noch er-
wähnen, daß zwischen ihr und dem großen Tempel,
im Südost des Pylonen-Zuganges, ein mit verzier-
ten Werkstücken umfangenes, rechteckiges Wafferbe-
cken war, etwa 150 Schritte breit und so lang,
als der Abstand von den großen Obelisken, bis an
den Ausgang hinter dem acht und vierzig fäuligen
Portikus im Südost des Heiligthums.
Von der Granitpforte zieht eine Allee von
Wid der fphinx en SW, wovon auf jeder Seite
deren 60 waren, und 54 noch zu fehen sind. Dann
steht man vor dem ersten Thore des Typho-
niums, das in seinen Resten eine große Pracht
verkündigt. Die Allee der Sphinxen wendet sich vor
diesem Thore zur Rechten und Linken, verbindet
sich dort, nach 260 Schritten, mit der oberen füd-
westlichen Sphinxenallee, und verliert sich zur Lin-
ken unter Trümmern und Schutt. Durch das Thor
335
getreten ist man in einem, von 36“ starker Umwal-
lung umschloffenen Rechtecke, 10 Sphinxe zur Rech-
ten, 10 zur Linken, die drei ersten mit Widderkö-
pfen, die anderen mit menschlichem Antlitz (freilich
alle abgeschlagen); am Ende dieser Spalier stehen
reichverzierte abgesonderte Säle. Vor sich hat man
den Eingang in eine umwallete, erhöhte viereckige
Halbinsel mit tiefem Waffergraben nach drei Sei-
ten. Vor dem Eingange liegen die Trümmer von Gra-
mitkoloffen; fechs Widderphinre zur Rechten, und
eben fo viele zur Linken schauen von diesem zweiten
Thore, denen an dem ersten entgegen. Die Gestalt
des Typhons ist fast das Einzige, was sich am zwei-
ten Eingange noch erhalten hat. Das Rechteck der
Halbinsel war auch im Rechteck von einem Gange
eingefangen, in welchem hart an einander lebens-
große Weiberstatuen mit Löwenköpfen (Tafne?) aus
Porphyr aufgestellt waren. Ihre Zahl muß einige
Hundert betragen haben. Ich zählte noch einige ech-
zig, Alle wohl erhalten, manche find in Trümmern,
viele deckt gewiß der Schutt. Belzoni schleppte ei-
nige dieser Statuen weg und ließ sie dann am Ge-
fade von Luxor stehen. Die Franzosen, während
des Feldzuges in Ägypten , haben gleichfalls meh-
rere weggenommen, die, so wie die Eroberungen
Belzoni's, in’s britische Museum wanderten, weil
das Schiff, das sie trug, gekapert wurde. Belzoni
Z36
nahm 6 Sphinxe und eine Statue des Amon, Dro-
vetti 4 Sphinxe aus diesem Typhonium. Ich be-
merkte unter Schutt und Trümmern eine Porphyr- -
tafel mit Hieroglyphen beschrieben, die mir sehr
ein kostbares Stück schien, und wunderte mich, daß
nicht auch diese im brittischen Museum sich befände.
Der tiefe und breite Graben, der sich nach der
Thorseite einkrümmt, so daß eben für den Ein-
gang der nöthige Raum bleibt, enthält noch Waf-
fer. Wie er es erhält, weiß ich nicht. Eine Menge
schwarzer, kleiner Reiher mit rothen Füßen und
gelbrothem Schnabel, trieb sich da herum. Ich habe
diesen Vogel, den ich (ins Ohr fey es gesagt) für
den Ibis halte, nur ein einziges Mal wieder gesehen.
Zwischen dem inneren und dem Außenwalle
(durch welchen das erste Thor führt) liegen Koloß-
trümmer und stehen ein Paar Bauten, an denen
sich Vorstellungen von Schlachten und Siegen er-
kennen. Übrigens ist dieses höchst merkwürdige Ty-
phonium sehr verwüstet.
Rings um die Umwallung von Karnak, beson-
ders, aber auf der Südwestseite, ist der Schutt zu Hü-
geln gehäuft, und Spuren mancher Bauten sind
sichtbar; andere stehen in Süd und wieder andere
in Südost. Diese letztern scheinen einem kleinen
verzierten Tempel angehört zu haben. Noch er-
337
kennt man einen Vorsaal und drei Säle in der
Achse, die nach den großen Obelisken gerichtet ist.
Die Ruinen von Karnak sind nach so ungeheu-
ren Maßen, daß die Einbildungskraft dabei auf die
Folter gespannt wird. Ich glaube nicht, daß jemals
ein größerer Bau gedacht worden fey – und wie
viele Jahrtausende muß ein Volk nicht alt feyn, bis
es an die Ausführung eines solchen Gedankens gehen
kann! Die Maße, welche Diodor von Sicilien für
diesen Tempel gibt (denn er kann unter dem älte-
ften und größten in Diospolis magna nur diesen ge-
meint haben), find, weil sie zu groß schienen, lange
für Übertreibung gehalten worden, so wie es gegen-
wärtig noch diejenigen desselben Geschichtsschreibers
für die Ausdehnung von Thebäi gehalten werden.
Die Wahrheit ist aber, daß jene Maße zu gering
find, denn er gibt dem Tempel nur 13 Stadien
Umfang, was, wenn er das kleine Stadium
als Maßeinheit nahm, etwas über 4100, und wenn
das große 7600 Wiener Fuß gibt. Der Umfang
der Umwallung beträgt aber 5 bis 600 Fuß mehr.
Der älteste Name, den wir auf den Ruinen
dieses Tempels des thebaischen Zeus (Herodot. II.42)
lefen, ist derjenige Thotmoses I., des neunten Kö-
niges vor dem großen Remeles. Sein Vorname steht
auf den großen Obelisken im zweiten Portikus der
Koloffe, und auf dem Pylonen-Zugange zum ersten
Proke fch: Ägypten 1. - 29
338
dieser Portiken; fein Name auf den Obelisken, die
eben dort, vor dem südöstlichen Eingange in die
Riesenhalle, aufgerichtet sind. Abgesehen davon, daß
Werkstücke in diesen Pylonen auf noch ältere Bau-
ten an dieser Stelle deuten, können wir also Thot-
moses I. als den ersten Gründer dieses Tempels an-
nehmen. Neben feinem Vornamen lesen wir auf den
großen Obelisken Namen und Vornamen eines an-
deren Königes, der in keiner genealogischen Tafel
erscheint. Er ist geschrieben Amn-nth und siehe,
wir finden in Manetho's Liste, als letzten König
einer Dynastie, die zu Thebä herrschte, gleichzeitig
mit Thotmofes I., welcher ganz Ägypten vereinigte,
Amuthartäos genannt; jene Hieroglyphen aber le-
fen sich natürlich Amonnathoth und entsprechen so
der geschichtlichen Angabe.
Die Nachfolger Thotmoses I., Thotmofes III.,
Amenopht II, Thotmoses IV. bauten an dem Werke
fort. Der Name des Ersten steht gleichfalls auf den
kleineren Obelisken, der Vorname der beiden Ande-
ren auf dem Pylonen-Zugange. Dieser Zugang
scheint damals der große gewesen zu seyn, der Haupt-
weg in den Tempel. -
Aber des vierten Thotmofes Nachfolger Ame-
nopht III., eben derselbe, welcher des Tempels zu
Luxor und überhaupt der größten Werke zu The-
ben Gründer war, Er, dessen Name weit über Ägyp-
339_
ten hinaus erklungen feyn mußte, da ihn die Grie-
chen – obwohl nach ihrer Weise zu Memnon ver-
stümmelt – kannten, Er scheint den Tempel nach ei-
nem größeren Plane begonnen zu haben. Von ihm
scheint die Umwallung, denn seinen Vornamen tra-
gen alle Sphinxe mit Widderköpfen; feine Ringe
stehen auf den Trümmern des nordöstlichen, abge-
sonderten Tempels und auf den Porphyrstatuen,
die dort gefunden werden. Er scheint auch den Pylo-
nen-Zugang vollendet zu haben, denn wir sehen auf
dem dritten Pylonen-Paare, den Vornamen des zwei-
ten Amenophr ausgemeißelt (jedoch bleibt er noch
leserlich) und den Namen des dritten dafür hinein
gehauen.
Amenopht überließ den Bau unvollendet seinem
Nachfolger Amonnemeth. Dieser setzte das Granit-
thor zwischen das vierte Pylonen-Paar, (denn noch
immer scheint der Hauptzugang diese Richtung ge-
habt zu haben) und dürfte die Umwallung und die
Vorhöfe zwischen den Pylonen vollendet haben.
Die Ringe des ersten Remefes, der nach Amon-
nemeth folgte und wahrscheinlich als der Gründer
einer neuen Dynastie wenig Muße zum Bauen hatte,
fand ich zu Karnak nicht. Remeses II. erscheint nun
in den Schlachtbildern der Riesenhalle, die aber of-
fenbar erst von dessen Sohne Remeses III. (M-
Amon) erbaut worden ist.
29 *
_310
Dieser gewaltigste aller Pharaonen scheint in
der Anlage des Tempels den Plan seiner Vorfah-
rer verlaffen, und denjenigen angenommen zu ha-
ben, nach welchem wir die Ausführung sehen. Von
ihm sind die Pylonen im NW wenigstens angefan-
gen, von ihm ist die Riesenhalle, denn unter den
Ringen, die darin erscheinen, sind die feinigen die
ältesten, und die an den vorzüglichsten Stellen stehen-
den; er setzte die Koloffe vor die Granitpforte in
der füdwestlichen Ummauerung, wie er, nach Hero-
dot (II. 110) vor dem Hephäftostempel zu Mem-
phis sechs Koloffe zu 20 und 30 Ellen Höhe, Bild-
niffe einer selbst, seiner Frau und Kinder, setzte;
er endlich baute das Typhonium im SW.
Sein zweiter Nachfolger führte die Pforte durch
die Umwallung im NW aus, wovon nur höchst we-
nige Reste bestehen. Diese tragen eben feine Ringe.
Die Dynastie der Remefiden betrachtete den
Bau der Riesenhalle als eine Verpflichtung des
Hauses. Wir finden, im Innern dieser Halle, auf
“ Gebälken und Säulen, die Ringe fast aller Könige
bis zum XV. dieses Geschlechtes. Außerdem bauten
Remeses der Fünfte und Siebente die Ge-
mächer im Vorhof, welche sich an die Pylonen leh-
nen; der Achte baute die nordöstliche Pforte durch
die Umwallung, und setzte seinen Namen auf die
kleineren Obelisken, wo auch derjenige des neun-
_311_
ten Remesden eingegraben steht. Dieser und der
Zehnte, begannen den abgesonderten Tempel in
SW.
Aber als das Geschlecht der Remesiden zu Ende
gegangen war, folgten andere Pharaonen. Der alte
Geist der Verherrlichung dieses Tempels schien in
ihnen fortzuleben. Die südöstliche Pforte der Um-
wallung ist von einem Könige der 21. Dynastie
ausgeführt, Nefertheres, wenn derselbe nicht etwa
richtiger in die 29. zu setzen kömmt. Der Tempel
in der südwestlichen Wand des Vorhofes, der mit
einem Portikus von 18 Koloffen beginnt, zeigt den
Namen Amon-mi-Schichonk (geschrieben: Amn-
m-Schschnk), gewiß der Sefonchis der 22. Dyna-
stie des Manetho, und wahrscheinlich der Schischak
der Schrift, zu welchem Jeroboam floh (Kön. XI.
40) und der, fünf Jahre nach Salomon's Tode,
Jerusalem eroberte, und alle Schätze des berühmten
Tempels mit sich nach Ägypten nahm. Von diesen
mag er einen Theil auf die Verschönerung des Tem-
pels von Thebä gewendet haben. Er richtete auch
die sechs Riesenfäulen im Vorhof auf, vollendete
fie aber nicht; er scheint die Zellen und was zwi-
fchen diesen, dem Heiligthum und dem südöstlichen
Portikus stand, gebaut zu haben, denn dort begeg-
net man einen Ringen auf Werkstücken.
342
Das hohe Thor in der Südwestseite des Vor-
hofes, angebaut an den Tempel Schichonkºs, zeigt
den Namen Osorkon (Amn-m-Orkn) Manetho
nennt einen solchen kurz vor Sefonchis, in der 21.
Dynastie, und einen anderen in der 23. Dieser
fällt etwa 160 Jahre nach Sefonchis. Die Schrift
(2 König. XVII. 4.) nennt, fast in demselben Zeit-
abstande nach Schischak, einen Pharaon So. Nach
Eusebius Chronologie Manethos ist Osorchon der
Sohn des Sejonchis. -
Pametik I. vollendete die sechs Riesenfäulen im
Vorhof, und dieser ist der letzte Königsname vor
dem Umsturz des ägyptischen Reiches durch die Per-
fer, den wir zu Karnak finden.
Kambyles und feine Magier thaten an dem
Amonstempel, wie Schichonk und Neko an demje-
nigen Jerusalems. Unter dem Arm der Perfer bra-
chen die Pforten nieder, wurden Heiligthum, Obe-
lisken und Koloffe in Trümmer geschlagen, die Bil-
der ganzer Wände verstümmelt, den Tausenden von
Sphinxen die Köpfe abgesägt. Sie verwüsteten ein
Jahrhundert hindurch, aber sie konnten damit nicht
zu Ende kommen, und es blieb noch immer so viel,
um sie anzuklagen und zu verdammen.
Kaum hoben einheimische Dynastien wieder das
Haupt, so legten die Hand an das Heiligste ihrer
Gotteshäuser, und suchten herzustellen, was her-
343
stellbar war. Ein Paar Namen aus diesen jüngsten
ägyptischen Dynastien, finden wir im abgesonderten
südwestlichen Tempel. Aber erst mit dem Umsturz
des persischen Reiches und der Besitznahme von Ägyp-
ten durch die Griechen, konnten Wiederherstellungen
nach größerem Maßstabe ausgeführt werden. Auch
hier, wie zu Luxor, fehen wir den macedonischen
Helden das Heiligthum aufrichten, das schon Po-
kock jünger schien, und das wirklich auf den ersten
Anblick als jüngerer Bau sich zeigt. Es ist, als wenn
bei Bearbeitung des Granites das Mark aus den
Händen gewichen fey. Neben Alexander's Ringen
stehen diejenigen Philipp's, von dem Sohne wohl
aus Verehrung für den Vater aufgerichtet; oder
auch Philipp Aridäus. Der Name ist Philipos ge-
schrieben und demselben einer der Vornamen des
großen Remefes (mit Verwandlung eines einzigen
Zeichens in ein anderes, N in M) beigegeben. Das
altere Heiligthum war wohl von Thotmoses III.,
denn defen Ringe finden wir auf Obelisken,
in den Hieroglyphen der Außenwände des Heilig-
thums; diese Hieroglyphen enthalten vielleicht die
Geschichte des Tempelbaues. – Der Vorname des-
felben Thotmofes ist auch auf dem Quarzkristallklum-
pen, der nahe am Heiligthume liegt. -
Die Ptolemäer folgten diesem Beispiele,
wie ihre Stellung es gebot. Epiphanes und Philo-
344
metor stellten das Thor aus dem Vorhof in die Rie-
senhalle her, an dem schon Schichonk gebaut hatte.
Evergetes I., richtete die herrliche südwestliche Pforte
in der Umwallung auf. Philometer, Kleopatra, und
vielleicht Lathur, begannen das Typhonium im West-
winkel der Umwallung. Römer führten diesen klei-
nen Bau weiter, ohne ihn jedoch zu endigen. Auto-
krator Cäsar ist der jüngste Ring in diesem Typho-
nium und im ganzen Tempel, wo Thotmoses I. der
älteste war. Zwischen diesen Namen liegen wohl 16
Jahrhunderte. A -
-
4.
K U r n U-
Eine Stunde im Osten von Karnak sind die fehr
verwüsteten Reste eines Tempels, der wenigstens
die Ausdehnung der Stadt nach dieser Seite bezeugt.
Von dort in der Richtung nach Luxor, findet man
Spuren eines runden ummauerten Beckens zu
160/ Durchmesser, mit Trümmern eines Thores
darneben. Ich sah diese Ruinen nur im Vorüber-
eilen, denn ich war erschöpft durch Luxor und Karnak.
Schlafend wurde ich an die Sykomore von Kurnu
gebracht, um dort meinen Wandel durch die Grab-
hallen der Zeit fortzusetzen. – Palmen umschatten
A.
einige Hütten, und diese nennt man Kurnu. Dabei
stehen Reste eines Tempels oder Palastes, im
schönsten Style der Pharaonen. Er sieht nach Südost.
Deffen Pylonen und Vorhallen bestehen nicht mehr.
Haufen von Werkstücken bedecken den Vordergrund,
aus denen man die Reste zweier Thore herausfin-
det, die in der Achse fünfzig Schritte, das eine
vom anderen, lagen. In gleichem Abstande trifft
man sodann einen majestätischen und dabei sehr
gefälligen Portikus, der zehn Säulen und zwei
Pfeiler Fronte hat. Die Schäfte gleichen Bündeln,
die Knäufe umgestürzten Kelchen. In den feinsten
Hieroglyphen und Bildern ist die innere Wand ver-
zieret, durch welche drei Thore in eben so viele Säle
führen. Der zur Rechten ist verwüstet, der zur Lin-
ken, den zwei Säulen stützen, hat weiter drei Ge-
mächer im Hintergrunde. Den Mittelsaal endlich,
von sechs Säulen getragen, begleiten zu jeder Seite
gleichfalls drei Gemächer, durch deren erste die Ver-
bindung mit den Seitenfäulen besteht; in der Ver-
längerung der Achse liegen noch zwei Gemächer, das
hintere zu vier Pfeiler. Der Rest des Baues ist in
schwer verständlichen Trümmern, und mit koptischen
Bauten, ebenfalls seit lange schon in Trümmern,
überfüllt.
Alle Oberflächen dieses Tempels sind mit Bil-"
dern und Hieroglyphen bedeckt, feiner ausgeführt
346
oder beffer erhalten, als in den übrigen Tempeln
des linken Ufers von Thebä.. Auch dieser mag dem
Amon geweiht gewesen seyn, wenigstens erscheint
deffen Bild häufig, mit ihm dasjenige des Sonnen-
gottes, der Isis u. a. Amonsfeste sind unter den
Darstellungen. In einem der Opferbilder überreicht
ein König dem Gotte den Scepter.
Der linke Seitensaal ist, wo möglich, reicher
als der mittlere; die Hintergemächer aber sind am
reichsten. Die Thorräume schmückten Sterne und
königliche Ringe im blauen Felde. Die Gemächer
felbst sind, im Verhältniß zur Breite, lang, und
empfangen ihr Licht nur durch die Thüre. Es ist
etwas Eigenes um diese schmalen, so äußerst sorg-
fam geschmückten, finstern Gemächer, die wir in
mehreren ägyptischen Tempeln finden: die erscheinen
wie das Allerheiligste eines geheimnißvollen Dienstes.
Phre und Mendes find, in denen von Kurnu, die
darin abgebildeten Götter; sie empfangen Lotus-
blumen, Vasen und Idole.
Ringe, wovon ich den einen nirgends und den
andern nur selten wieder fah, stehen im mittleren
Hintergemache des linken Seitensaales; es sind die-
jenigen des ersten und zweiten Remeiden. Der Name
des Ersten ist ganz einfach »Remff« geschrieben. Der
Andere trug neben einem schwer zu lesenden Namen
die Bezeichnung Mi-Pthah: »Liebling des Pthah.«
Z47
In demselben Gemache finden wir eben so die Ringe
des zweiten und dritten Remefiden vereiniget.
über dem Thore des mittleren Hintergemaches
find auch 20 Ringe neben einander gereiht, zur
Hälfte Namen , zur Hälfte Vornamen, die sich
aber wiederholen, so daß nur die Ringe von drei
Königen darin erscheinen, des ersten, zweiten
und dritten Remefiden. Der Letzte dürfte der
Erbauer dieses Tempels feyn, der dem Vater und
Großvater, dem Gründer der Dynastie, und sich
felbst hierin ein Denkmal setzen wollte. Diese kleine
Tafel dient denen von Medinet-Abu und Abydos zur
Bestätigung, und lehrt uns mehrere Schreibweisen
desselben Namens.
Dieselben Ringe find in den anderen Gemächern
der Säle und sonstigen Theilen des Tempels, in
vereinzelten Paaren.
5.
Memnonium.
Das Memnonium, oder das Grab des Olyman-
dias, wie es Einige heißen, lehnt sich an den Fuß
des Gebirges. Es sieht nach S 40° O, scheint eine
äußerte Umfaffung aus ungebrannten Ziegeln ge-
habt zu haben, und ist nach der Weise der übrigen
'-
348
thebaischen Tempel gebaut. Die Pylonen sind ein-
gestürzt. Opfer der Isis, dem Amon, Phre und
Mendes gebracht, Heereszüge, Schlacht, Sieg und
Friedengewährung, im Style der Bilder von Kar-
nak, zeigen sich auf den Resten. Die Antifrag-
mente des Thores waren aus dem weißen Gestein
des Gebirges hinter dem Tempel. Etwa 150 Fuß
vom Thore stehen die Wände des ersten Portikus.
Zwischen Beiden liegt ein zertrümmerter Koloß aus
einem einzigen Blocke rothen Granites.
Das Gestell, gleichfalls ein Granitblock, hat
27“ 10“ 6“ Länge (wie es nämlich gegenwärtig be-
steht, denn es ist abgeschlagen, so daß defen ganze
Länge nicht mehr zu sehen ist), 17/ 9“ Breite und
steht 8“ 7“ 6“ über den Schutt. Figuren und Hie-
roglyphen auf dem Gestelle, sind im Style der
Obelisken. – Der Koloß liegt auf dem Rücken,
das Gesicht ist zerschlagen. Man hat auch angefan-
gen es zu durchschneiden. Die Länge des Kopfes be-
trägt 10 9/ 6“; die des Ohres allein schon 3“.
Die Trümmer dieses Koloffes füllen den Vorhof.
Der Portikus hatte in der Breite 2 Säulen,
je Einer in den Ecken, und 8 Pfeiler mit Koloffen,
in der Stellung derer im Tempel des Vorhofes zu
Karnak, in der Tiefe aber noch fünf Säulenreihen,
zusammen 8 Pfeiler und 52 Säulen. Dann führten
12 Stufen zu einem zweiten Portikus, abermals
349
zu 8 Pfeilern mit Koloffen und 2 Säulen Breite,
eine andere Säulenreihe hinter sich. Neben den Stie-
gen, wovon eine zwischen dem 3. und 4. Pfeiler
noch erhalten ist, scheint eine andere Säulenreihe
gestanden zu haben, so daß beide Portici eigentlich
nur einen Einzigen ausmachten. Von diesen 74 Säu-
len und 16 Pfeilern, stehen nur wenige aufrecht.
An der Stiege zur Rechten liegt in Trümmern ein
Koloß aus Porphyr.
Zwei Thore, wovon Porphyrpfeiler noch stehen,
führten durch die Wand in den ersten Tempel-
faal. Die Inseite dieser fast ganz zerstörten Wand,
zeigt in den Bildern Wagenkämpfe, Erstürmung
einer Burg mittelst Leitern. 36 Säulen trugen die-
fen Saal, je 6 in der Breite und Länge, die mitt-
leren mit Blumen, die anderen mit Kelchknäufen.
Die Decke war mit gespreiteten Adlern verziert.
Aus diesem Saale tritt man in den zweiten
zu 8 Säulen. Festzüge der Isis, Opfer dem Amon,
Osiris und Mendes, sind der Inhalt der Bilder.
Vom dritten Tempelsaale, gleichfalls zu 8 Säu-
len, stehen nur Reste und alles Weitere ist zerstört.
Gräber und Gebäude, von denen noch einige Rui-
nen erkennbar, umgaben diesen majestätischen Bau,
der in allen feinen Theilen und selbst auf den Ober-
arm des großen Koloffes die Ringe des Mi-amon-
Remeses trägt. -
35(!)
Auch die Reste von zwei genealogischen Tafeln
findet man im Memnonium. Die Eine zeigt nur mehr
fünf Ringe, nämlich die Vornamen der fünf Pha-
raonen, die dem ersten Remesiden unmittelbar vor-
ausgingen, Thotmoses III., Amenopht II., Thot-
moses IV., Amenopht III. und Amon-nemeth. Die
Andere gibt 14 Vornamen vom großen Remeses
aufwärts und zwar nach dem 12. Amos (geschrie-
ben: Ams), dem Amofis des Mentho, zwei, die mit
denen der Tafel von Abydos nicht übereinstimmen,
was voraussetzen macht, daß vor Amos, dem Grün-
der der 18. Dynastie, die Gebiete von Abydos und
Theben nicht unter denselben Herrschern vereiniget
NPQ (2N.
6.
Die Memnonsfäulen.
Vom Memnonium nach den beiden Bildsäulen,
wovon die eine für die Memnonsäule gehalten wird,
sind 900 Schritte S bei W.
Das Gestell der einen wie der anderen Bildsäule
besteht aus einem einzigen Blocke 33“ 1“ 6“ lang,
17“ o“ 6“ breit, und gegenwärtig 7“ 3“ aus dem
Grunde ragend. Von Gestell zu Gestell ist 56“ 6“
Abstand.
Z51
Die Höhe der Bildsäule selbst, mag etwas über
60 betragen, da der Unterarm und die Hand zu-
sammen 15/ 10“ 6“ Länge haben. Die südliche der
beiden Bildsäulen ist aus einem einzigen Blocke, die
andere über der Mitte abgebrochen und mit fünf
Steinlagen ergänzt.
Beide stellen sitzende Jünglinge vor, in deren
Antlitz (soweit dieses trotz der absichtlichen Verstümm-
lung erkenntlich bleibt) und Haltung der Ausdruck
vollendeter Ruhe herrscht. Das Gesicht ist nach SO
bei O gerichtet, die Hände liegen auf den Knieen.
Der Thronos hat an den Vorderarmen zwei stehende
Gestalten, etwa 15“ hoch, und am Vordertheile,
zwischen den Beinen des Koloffes eine dritte klei-
nere. Die Seitenwände des Thronos sind mit Bill-
dern und Hieroglyphen verziert, mit Hieroglyphen
auch der Rücken und das Gestelle. Das Bild an den
Seiten zeigt zwei Männer, welche mit Stricken eine
Säule aus Lotusgebüsche heben, aus Sümpfen
also oder aus dem Nil; eine Anspielung auf den
Bau. Drei Mal auf der Rückseite ist der Name und
vier Mal der Vorname Amenopht III., Ein Mal
auch ein Frauenname, und ein anderer Frauen-
name zwischen den Beinen, jener Athm und dieser
Teiti, geschrieben.
Auf den Beinen und Füßen der nördlicheren der
beiden Bildsäulen sind, in großer Zahl, Inschrif-
_852_
ten in griechischer und lateinischer Sprache eingemei-
ßelt, von denen Pokock viele abschrieb. Besonders
auf dem linken Beine sind jedoch viele in eine Liste
nicht aufgenommen. Alle diese Inschriften enthalten
Namen der Personen, Tag und Stunde, in wel-
cher sie die Stimme des Memnon gehört zu haben
vorgeben. Die meisten dieser Inschriften sind aus
den Zeiten Domitian's, Nerva's, Trajans und Ha-
drian's, und zum Theile von angesehenen Personen,
wie Statthalter, Befehlshaber der Truppen, Ober-
richter und solche aus dem kaiserlichen Gefolge. Aus
einer der Inschriften des linken Beines erhellt,
daß auch Kaiserinn Sabina eine Wallfahrt zu diesem
Wunderbilde gemacht hatte. Die Stunde, in welcher
die Stimme gehört wurde, ist bald die erste, bald
die erste und eine halbe, bald die zweite. Eine
römische Dame, Cäcilia Trebuma, versichert den Gott
sogar mehrere Male gehört zu haben; eine andere,
Clelia, Africani uxor, fagt, daß sie die Stimme
erst nach ihrem dritten Besuche vernahm; ein Stra-
tege, aus Hadrian's Zeit, Kelei, klagt in Versen,
daß der Gott zwar eine Andacht gesehen, aber doch
nicht gesprochen habe; sobald er sich aber auf zwei
Tage entfernt hatte, vernahm er im Zurückkommen
die Stimme des Gottes.
Diese Aufschriften beweisen, daß zur Zeit der
Römerherrschaft diese Bildfäule für die Memnons-
353
statue genommen wurde. In einer Aufschrift des
linken Beines ist das »die fe« eigens bezeichnet . .
azovska ro v5 - Ms voy og . . . Manche an-
dere Beweise für die Einerleiheit dieses Koloffes mit
der Memnonssäule, ergeben sich aus den alten Schrift-
stellern selbst. Philostratus (im Leben des Apollonius
von Thyane VI. 3) sagt: die Memnonssäule stelle
einen Jüngling vor, dessen Haupt nach Sonnen-
aufgang gewendet fey. Dieß spricht für den filzen-
den Koloß, denn der im Memnonium liegende, den
Einige für die Wunderfäule nehmen, fah, da er an
feiner Stelle war, 59 S von SO. Philostratus sagt
auch: Echo habe den Laut der Memnonsäule wie-
derholt, und ich habe selbst versucht und gefunden,
daß der Schall unserer Stimmen, da wir auf der
Memnonsäule redeten, an dem anderen Koloffe
sich brach. Kambytes soll die Memnonssäule entzwei
gesägt haben (Pausanias I. 42) und siehe, auf dem
linken Beine stehen unter Anderen auch folgende
Verse:
"ESpavas Raßlons ple révös röy A Soy:
Baçãos Sov eiéva Spepayuéyoy.
Pop 8 6M - 0; *) » Aargot Mégyoyos
TC Trä9m yoga, Hy per Ae Kaußlans.
*) Die beiden durchschoffenen Worte find ungewiß.
3()
354
"Ayaz op dé üy is aaf rd. Sézpara,
"OAogpopa ris póSex 0 am 5 Tüxem.
„Kambyfes zerbrach mich, diesen Stein,
„Im Glauben, daß ich eines Königes Bildniß darstelle,
„Die verlorne Stimme war einst die des Memnon's,
„Sie beseufzte Leiden, Kambyfes aber raubte sie mir.
„Nun mit Ausrufen in unsichern. Lauten
„Beklage ich das vergangene Loos.“
Unter den Ptolemäern soll die Bildsäule wieder
ergänzt worden seyn (Manetho) und siehe, sie ist
ergänzt, denn die obere Hälfte ist aus mehreren Blö-
cken, während wohl nicht zu zweifeln ist, daß auch
fie ursprünglich aus einem einzigen Blocke bestand,
wie der andere Koloß, ihr zur Seite, noch aus einem
einzigen besteht. Der Koloß des Memnon soll neben
sich zwei kleinere gehabt haben und mit diesen aus
einem und demselben Blocke gewesen seyn : dieß
spricht gleichfalls für die oben beschriebene Bildsäule.
Ein, auch in Beziehung der Hieroglyphenschrift,
merkwürdiger Beweis und der zugleich über die Per-
fon des Memnon abspricht, ist in der Versicherung
des Pausanias enthalten, daß die Bewohner von
Theben sagten, diese Säule fey ein Bildniß des
Phamenophts, eines ihres Landes (I. 42), was
mit den Hieroglyphenringen auf diesen Koloffen
ganz und gar übereinstimmt, da überdieß das Ph,
vor einen Worte, im Koptischen noch heut zu Tage
355 -
das männliche Geschlechtswort bezeichnet. Nach obi-
gem Epigramm nahm auch Kambytes diese Bildsäule
für die eines Königes.
Die Griechen bemächtigten sich des Memnon's
und ließen ihn von der Aurora dem Tithon geboren
werden, über Äthiopien und Ägypten herrschen, den
damals bekannten Theil Asiens durchziehen, Susa
bauen, von Achilles vor Troja überwunden und in
Syrien begraben werden. Da ich gestimmt bin, der-
lei dichterischen Erzählungen ältester Zeit einen ge-
fchichtlichen Grund zuzutrauen, so halte ich nicht
ganz für unmöglich, daß Amenopht III. eine und
dieselbe Person mit Sesostris fey, gestehe aber, daß
der Anspruch des großen Reme es auf diesen Namen,
mir überwiegend scheint. Übrigens ist, was Lautähn-
lichkeit betrifft, von Mi-Amon zu Memnon nicht
weiter, als von Amenopht eben dahin.
Die Römer machten gar eines Gottes Bildniß
aus dem des ägyptischen Königes, wie die Aufschrif-
ten bezeugen.
Nach der Verwendung solcher Koloffe vor andern
ägyptischen Tempeln zu schließen, und aussorgsamer
Untersuchung des Bodens hinter den Memnonsäu-
len, glaube ich, daß diese beiden Koloffe vor dem
Eingange eines großen Tempels angebracht waren,
der seit Jahrtausenden, vielleicht in der Verheerung
des Landes durch die Perser, zerstört wurde. 115.
30 *
_356_
Schritte hinter den Memnonssäulen liegt ein Stück
eines umgeworfenen, sehr abgenützten und verstüm-
melten Koloffes; man muß ihn auf den ersten Blick
für einen Felsblock halten, bemerkt aber bei näherem
Besehen, daß er der obere Theil eines Koloffes von
der Größe jener Beiden ist, und findet endlich auch
die Ringe Amenopht III. auf dem Rückenblatte. –
Ist es die von Kambytes abgesägte Hälfte? – Ist
es einer der Koloffe, die vor einem zweiten Thore
aufgerichtet waren? -
In gleichem Abstande von diesem Koloffe, in der
Achse, liegen verstümmelte Blöcke, tief eingesenkt
in den Grund, mit Spuren von Hieroglyphen;
vielleicht Koloffe vor einem dritten Thore. Da der
Nil jährlich das Feld, worin die Memnonssäulen
stehen, bewäffert (er reicht 4“ am Gestelle hinauf,
in so ferne jetzt deffen Spur daran sichtbar ist), fo
mögen wohl manche Unterbauten bedeckt seyn. Nach
weiteren 1so Schritten liegen die Rückenblätter
zweier Koloffe aus demselben Steine, wie die
Memnonssäule. Jedes enthält in zwei Bildern die
überreichung des Nilschlüffels von einer sitzenden
Gottheit an einen Herrscher. Darunter stehen 24
Zeilen schöner Hieroglyphen und die Ringe Ame-
nopht III. Jedes Rückenblatt hat 28/ 9 Länge
und 13“ Breite. – Trümmer anderer Koloffe aus
Granit liegen zur Seite. Nur 20 Schritt weiter
_ 357
stößt man auf ausgedehnte Grundmauerung, und
auf die Säulenvasen eines Portikus zu 12 in der
Breite und 5 in der Tiefe. Die Schäfte waren ge-
baucht; die Basen sind denen im Portikus zu Her-
mopolis ähnlich und halten 10“ 1“ 6“ Durchmes-
fer. Viele Koloßtrümmer aus Porphyr, Serpentin-
stein, Granit und aus rothem Steine, wie ein Paar
Koloffe zu Karnak, liegen zwischen den Werkblö-
cken. Zehn weibliche Gestalten mit Löwengesichtern,
an Stein, Größe und Form denen zu Karnak gleich,
fand ich noch ganz unter diesen Resten, viele Andere
in Stücken. Reste von Schlachtbildern, mit Gefan-
genen, die Schilde mit Namen tragen (darunter,
merkwürdig genug , derjenige einer bekannten syri-
fchen Stadt Azotos, welche die Bibel Aschdoth nennt,
hier Aschthot geschrieben) sind auf den Wandresten
erkennbar. Etwas zur Rechten im Felde, liegt die
Büste von Isis und Osiris, Beide aus einem Blocke
und an den Armen zusammenhängend. Von dort
80 Schritte, etwas rechts der Achse, am Fuße des
Gebirges, sind mächtige Unterbauten aus thebaischem
Stein. Darin liegt wieder eine weibliche Bildsäule
mit Löwengesicht. – Auf diesen Bauten aus theba-
schem Stein, findet man abermals die Ringe Ame-
nopht III., dort aber sowohl als im Portikus die-
jenigen auch des vierten Reme iden.
Alle diese Baureste scheinen ein Ganzes gemacht
zu haben, einen riesigen Tempel, jener beiden Rie-
358
fensäulen würdig. Hierin bestätigt mich, daß Belzoni
eine Statue daraus wegnahm an 10“ hoch, die ein
völliges Nachbild der Memnonssäule war, und die-
selben Hieroglyphen und Ringe trug. Warum soll
dieser große zerstörte Tempel nicht das Memno-
nium feyn? So fragt auch Belzoni; ganz richtig,
wie mir scheint.
Durfte ich in Thebä seyn und nicht einen Son-
nenaufgang an der Memnonsäule abwarten? –
Ich that besser, denn ich lag eine ganze Nacht zwi-
fchen ihren Beinen. Es ist etwas Eigenes um die
Empfindung, wenn man diese Koloffe, im Halb-
lichte der Nacht, das sie, bis ins Ungeheure vergrö-
ßert, betrachtet. Jahrtausende sitzen sie da und Jahr-
tausende werden sie noch sitzen, Beschauer des Wan-
dels, aber nicht Erdulder desselben. Ihre Zeit ist
vorüber, aber für sie kommt kein Kambyles mehr.
Die Nacht war lau und die Sterne glänzten
herrlich. Eine Herde von Schakals kam und erhob
die klägliche Stimme. Mit einem Pistolenschuffever-
scheuchten wir diese Thiere. – Eidechsen, braun und
breitleibig, und eine Menge Kröten, kamen aus allen
Fugen des Bodens und des Koloffes hervor.–Der
Wind machte die Memnonsäule klingen, aber als
die Sonne aufging, blieb sie – stumm.
--------
- 359
7.
Med in et - Ab u.
Eben tausend Schritte W von den Memnons-
fäulen steht ein Hügel, mit Trümmern einer ganz ver-
laffenen koptischen Stadt bedeckt. Aus diesen Trüm-
mern steigen zwei, oder, wenn man will, dreiherr-
liche Monumente empor, zwei Tempel und ein Pa-
last, an den füdlicheren der beiden Tempel angebaut.
Dieser füdliche Tempel war, auf eine Ent-
fernung von 200 Schritten, von einem Walle aus
ungebrannten Ziegeln umschloffen. Er sieht nach
SSO. Der erste Vorhof ist außen mit Bildern
und Hieroglyphenverzierung, innen ohne solche;
Thore gehen durch die Seitenwände. Dieser Hof ist
offenbar Zubau, auch trägt er die Ringe des An-
toninus. Auch der zweite Vorhof ist ein fol-
cher, denn die Pylonen folgen hinter demselben. Der
erste Vorhof ist vom zweiten durch einen Portikus
zu 8 Säulen in einer Reihe, geschieden. Diese Säu-
len sind zierlich; ihre Lotusknäufe fein und edel.
Auch dieser zweite Vorhof hat Seitenthore. Die
Ringe die er trägt, sind diejenigen zweier Ptolemäer,
vielleicht Epiphanes und Evergetes II.
Aus diesem zweiten Vorhof tritt man durch das
Hauptthor, das zwischen zwei Pylonen ruht,
360
in den eigentlichen alten Tempel. Dieses Thor ist
reich verziert und bemalt; die Pylonen aber sind
fo abgenützt, daß keine Zeichnung darauf erkennt-
lich ist, am wahrscheinlichsten waren sie gar nicht
verziert und sind überhaupt eines anderen Styles,
als irgendwo deren in Ägypten zu finden sind. Man
möchte die halbe Pylonen nennen, denn sie haben
gerade die Hälfte der ihnen, nach dem Muster der
ägyptischen, zukommenden Tiefe, und an den äu-
ßeren Seiten, Pfeiler, die über diese Tiefe vorstehen.
Mit Hieroglyphen bedeckte Blöcke sind als Bausteine
bei diesen Pylonen benützt worden, und zum Theile
verkehrt und barbarisch eingemauert. Es ist wirklich
eine erfreuliche Genugthuung für den Forscher, diese
Abweichungen auf genügende Weise durch die Hie-
roglyphen gerechtfertigt und erklärt zu sehen. Auf
den Trümmern des Thores zwischen diesen ausländi-
fchen Pylonen nämlich, steht ein Paar Ringe, wo-
von der des Namens in vier Zeichen Tork vielleicht
Toraka ausdrückt. Nun aber gibt Manetho in der
Dynastie der Äthiopier, die ganz Ägypten mit Aus-
schluß des Delta überrannte und an fünfzig Jahre
darüber herrschte (Herod. II. – 137–140), einen
König Tharaea, und die Schrift erwähnt in mehre-
ren Stellen eines äthiopischen Königes Tirhaka, der
gegen den affyrischen König Sancherib aus Ägypten
nach Syrien einbrach und diesen die Belagerung von
361
Jerusalem aufzugeben zwang. (2. Könige XIX. –
Esaias XXXVII) Der Zug Tirhakas gegen die Affy-
rer würde ohne die vorausgegangene Unterjochung
Ägyptens durch die Äthiopier unwahrscheinlich. Über-
dieß stimmen die Zeitangeber der Schrift und die-
jenigen Herodots über die Epoche der äthiopischen
Herrschaft ziemlich zusammen. Nach Beiden fällt die-
felbe in das 8. Jahrhundert vor Christi. Wir kön-
nen aus der Entdeckung dieses Baues schließen, daß
die Religionssysteme der Äthiopier und Ägypter je-
ner Zeit sich ähnlich, wenigstens nicht feindlich un-
ter sich waren.
Der nächste (dritte) Tempelhof schließet
sich nicht unmittelbar an die Pylonen, sondern es
ist eine Wand gleichlaufend denselben gezogen, an
welche die Seiten des Hauptthores reichen. Vier
Säulen tragen jede der Seitenwände dieses Vorho-
fes, und durch jede Seitenwand geht ein Thor.
Auch dieser dritte Hof ist Zubau, denn nun folgt
ein zweites Pylonen-Paar, und weiter ein
Saal mit einem Portikus zu 6 Säulen auf jeder
Seite und Fensteröffnungen, denen zu Karnakähn-
lich. Zwei Thore gehen durch die linke Seitenwand,
eines durch die rechte dieses Saales. Die Hinterseite
dieses Saales wird von 4 Pfeilern getragen und
durch dieselbe gelangt man in den Mittelf aal,
in welchem das Heiligthum als abgesondertes
Proke fch: Ägypten I. 31
Z62
Viereck sich befindet, in der Anlage dem von Kar-
nak gleich. Der Mittelsaal wird von 6 Säulen
gestützt, und hat zwei kleine Gemächer zur Rechten
und Linken. Es versteht sich, daß die äußeren und
inneren Wände mit Hieroglyphen und Bildern ge-
schmückt find; ausgenommen jedoch die 6 Säulen,
die im ersten Saale noch aufrecht stehen und das
linke Seitengemach des Mittelsaales.
In der Richtung der Achse folgen noch zwei
Gemächer, wovon jedes wieder eines zur Seite -
hat, also sechs im Ganzen, alle sehr sorgfältig
verziert.
Die Ringe, welche auf den meisten Theilen des
eigentlichen Tempels, d. h. auf dem zweiten Pylonen-
Paare, in dem Mittelsaale, im Heiligthume, und
in den Hintergemächern sichtbar sind, sind diejeni-
gen Thotmosis II. und III., dem des siebenten Re-
meiden, außerdem aber noch die Ringe zweier Pha-
raonen, wovon wir dem einen schon zu Karnak be-
gegnet sind und die folgender Maßen geschrieben sind:
Nfrthrs und Akori. Nun aber finden wir in der 29.
Dynastie (nach Eusebius) zwei Namen, Neferites und
Akorie, welche, wenn wir die Schriftzeichen des Ei-
nen mit Selbstlauten ausfüllen, dieselben scheinen.
Nefertheres und Akori, diese Herrscher gehören
den Dynastien an, die während der Unterjochung
des Landes durch die Perser sich erhoben, und den
_863_
alten Thron der Pharaonen durch einige Jahrze-
hende behaupteten. Da aber auch in der 19. Dy-
nastie ein Nephelcheres und Ofokor genannt wird,
fo hat mich das verleitet, die Ringe dieser Könige
in meiner Reihenfolge der Pharaonen vor die Dy-
nastie des Sejonchis zu fetzen.
An die linke Seite dieses Tempels war ein Pa-
last angebaut, wovon noch einige Trümmer stehen,
die von einstiger großer Pracht zeigen. War es ein
Königspalast, war es der eines Hohenpriesters, das
will ich nicht untersuchen. Daß er mit dem Tempel
in unmittelbarer Verbindung stand, zeigen die Reste
zwischen Beiden und die vielen Pforten durch die
Wände des Tempels eben nach dieser Seite hin.
Der eine äthiopische Halb-Pylon lehnet sich an die
rechte Seitenwand des Palastes, der dem Tempel
gleich nach SSO gerichtet ist. Von dem Vorhofe
des Palastes sind nur wenige, aber ungemein reich
verzierte, Spuren übrig. Aus diesem durch das erste
fast verschüttete Thor kömmt man in den innern
Hof, der zwei Pylonen im Hintergrunde hat,
aus deren Nischen Löwen und Sphinxe vorspringen.
Der fiegende Kriegesgott, diese Lieblingsdarstellung
auf Pylonen erscheint auch auf diesen in riesiger
Größe. Der ganze Eingang ist majestätisch, pracht-
voll, wirklich königlich, nach dem Maßstabe jener
Zeit nämlich, denn die Paläste unserer Könige,
31, *
Z64
wenn sie einmal Jahrtausende in Ruinen gelegen
haben, wie die Pharaonischen, werden um so gewis-
fer nichts Ähnliches aufweisen, als sie jetzt an An-
lage, Pracht und Reichthum der Ausführung nicht
neben diese Werke gestellt werden können.
Auf den Wänden, welche sich an die Pylonen
schließen, stehen Fensteröffnungen. Es bestanden zwei
Geschoffe. Das obere ist gewaltsam eingeriffen und
überhaupt Zerstörung durch Menschenhand klar sicht-
bar. Im Hintergrunde sieht man noch zwei Gemä-
cher, und zwei Fenster der oberen, breit und hoch,
mit wunderbar-schön behauenen und bemalten Fen-
sterstöcken, und blauen Adlern mit gespreiteten Flü-
geln schwebend in der Decke. Die Hinterwände zei-
gen drei Reihen Opferbilder. Die Decke des Gebäu-
des war mit gerundeten Zinnen eingefaßt, wie an
einigen Stellen noch sichtbar ist.
Auch dieser Palast ist ein Werk des Thotmofes,
und scheint von dem siebenten Remesiden vollendet
oder ausgebeffert worden zu feyn.
Sechzig Schritte hinter dem ersten Tempel und
zwar in der Achse des Palastes, also so wie dieser
nach SSO gerichtet, steht ein zweiter Tempel.
Zwei mächtige Pylonen bilden deffen vordere
Ansicht. Auf jedem das kolossale Bild des siegenden
Kriegesgottes oder des Osiris. Derselbe Gott ist im
Thorraume sitzend dargestellt. Man tritt in einen
- 365
Vorhof, der zur Linken einen Portikus zu 7 mit
Palmenknäufen, zur Rechten einen anderen zu 7
Pfeilern mit Koloffen hatte (nicht eingerechnet die
Wandpfeiler). Die Säulen sind bis auf die Knäufe
verschüttet, die Koloffe fast ganz zertrümmert, die
Wände mit 4“ tiefen Hieroglyphen bedeckt. Die
Hinterseite dieses Vorhofes bildet ein zweites Py-
lonen-Paar mit Darstellungen von Schlacht und
Sieg. Die Besiegten sind hier, ebenso wie im Mem-
nonium, mit Palmenhauben auf dem Kopfe vorge-
stellt, und ich bemerke hier, daß diese Völker keine
Baktrer, überhaupt keine vorder- oder mittelasi-
atischen, sondern füdliche Indier oder Abyffinier
feyn können. Dagegen sind die in den Schlachtbil-
dern zu Karnak dargestellten, wahrscheinlich asiatische.
Das zweite Thor ist aus Granit. Der zweite
Hof hat an der Inseite, ringsum einen Portikus
und zwar 8 Pfeiler mit Koloffen vor der Vorder-
und eben so viele vor der Hinterwand, hinter die-
fen letzten 8 Pfeilern auch noch 8 Säulen und eben
fo 5 Säulen an jeder Seitenwand. Die Schäfte
find ausgebaucht, und tragen Kelchknäufe. Auf der
Hinterwand sind die großen Götter dargestellt; in
der Decke schweben blaue Adler mit schwarz und gel-
ben Flügeln. Die Hieroglyphen sind bis an 6“ tief,
denn da der Stein nicht fein genug war, so gab
man erst eine Lage Mörtel. Dieß half nun wohl
366
die Farben sehr frisch erhalten, aber die Linien büß-
ten an Zierlichkeit und Schärfe ein. In diesem Vor-
hofe ist auch eine Reihe kleiner, schlechter unverzier-
ter Säulen ringsum, offenbar aus sehr jungen,
wohl aus christlicher Zeit, denn man erkennt an
mehreren Stellen, daß der Tempel als Kirche be-
nützt war.
Zwei Thore führen durch die Seitenwände des
hinteren Portikus, drei aber durch die Mittelwand
desselben. Das linke dieser drei, führt weiter zu fünf
verzierten, ganz finsteren Gemächern, das rechte
wahrscheinlich zu ähnlichen, die aber verschüttet sind;
das mittlere zu den gleichfalls verschütteten und ver-
bauten Tempelfällen. Tritt man durch das rechte
Seitenthor des Portikus, über welchem Horus mit
Krummstab und Geißel auf der Lotusblume hockert,
so kann man den Außenwänden des Tempels fol-
gen, und hieraus schließen, daß der größte Theil
des Tempels noch erhalten ist und nur ausgeräumt
zu werden verlangt.
Die Außenwände geben eine Reihe herrli-
cher Darstellungen des Krieges zu Land und hier
auch zur See. Wir sehen den König hier, von sei-
nem Wagen gestiegen, zu Fuße mitten im Schlacht-
getümmel kämpfen, während ein Diener die fam-
pfenden Roffe bändigt. Hinter dem König ist, hier
wie im Memnonium, jedesmal ein Mann, der eine
367
Art Schirm über ihn hält, den Hamilton für die
königliche Fahne ansieht. Die Schiffe gleichen de-
nen in Karnak und anderen Orten dargestellten,
sie sind lange und haben vieles Rudervolk an
Bord; aus der Mitte steigt ein Mast auf, an dem
zwei etwas gekrümmte Ranen befestiget sind; das
Tauwerk ist grob und dicht; Leute schwingen sich
darin herum. Am Vordertheil ist als Verzierung ein
Löwenrachen angebracht (so wie die phönizischen
Schiffe einen Zwerg und die famischen einen Sau-
kopf am Schnabel führten (Herodot III. 37. 59.),
wir aber gewöhnlich das Bild dort haben, nach wel-
chem das Schiff benannt ist); über dem Hintertheile
ist die Kajüte, auf welcher der Steuermann sitzt.
Der Mast hat zu oberst einen Korb, aus dem ein
Wächter ausblickt. Die Sieger führen festanliegende
Helme und am Obertheile gerundete Schilde (»von
Ägypten behaupte ich, ist auch Schild und Helm
zu den Hellenen gekommen.« Herod. IV. 180), die
Besiegten Palmenhauben und ganz runde Schilde.
Auf diesen Außenwänden ist auch die gräßliche Scene
der Verstümmlung der Gefangenen dargestellt; es
werden denselben die Hände abgehauen und diese
zu Haufen hingeworfen, ein Schreiber aber steht
dabei, und merkt die Zahl derselben auf. Wir dürfen
uns über diesen Mißbrauch des Sieges in Ägypten
nicht wundern ; die ganze älteste Welt scheint den
Z68
Krieg nicht anders verstanden zu haben, wie die
Bibel auf jedem Blatte beweiset.
Dieser Tempel trägt die Ringe des fieben-
ten Remeiden, und gibt überdieß ein Stück einer
genealogischen Tafel vom 7. Remefiden aufwärts
durch neun Könige, nämlich bis zu Amenopht III.
Diese Tafel ist um vier Könige jünger, als die-
jenige von Abydos, welche sie in den übrigen fün-
fen bestätiget.
Durch die nordöstliche Außenwand des verschüt-
teten Theiles des Tempels sind in christlicher Zeit
12 kleine Pforten geschlagen worden; neben jeder
aber stehen zwei Kreuze. Medinet-Abu muß in
dieser ersten Christenzeit, in welcher die Thebaide
eine so bedeutende Rolle spielte, ein stark bewohn-
ter Ort gewesen seyn. Die Reste von Gebäuden aus
ungebrannten Ziegeln sind gehäuft und ausgedehnt.
Weithin nach SW bei W streicht durch die grüne
Flur das Dammwerk eines breiten Canales, der
nicht ferne von Hermontis eine Mündung gehabt,
und einen Theil seiner Waffer in ein großes Be-
cken, gerade unter Medinet-Abu, geführt zu haben
scheint. Die Spur dieses Beckens zeigt sich deutlich.
An demselber steht ein kleiner, unvollendeter Ten-
pel, abermals nach SSO gerichtet, aus einem Vor-
hofe und drei Sälen bestehend, wovon der erste un-
verziert, der zweite bemalt und zum Theile erst an-
369_
gezeichnet, und der dritte mit Hieroglyphen und
Bildern geschmückt ist. Die hintere Außenwand die-
fes letzten Saales zeigt Bilder von Schlacht und
Sieg. Dieser Bau ist römisch.
Merkwürdig schien mir, da ich auf dem Hügel
von Medinet-Abu stand, welcher der nächste am
Gebirge ist, in der Richtung SSO ununterbrochen
und mit scharfen Kanten vier andere Schutthügel
auf eine bedeutende Ferne hinstreichen, dort unter
rechtem Winkel gebrochen, gleich einem Wall von
Schutt eine Linie bilden, abermals unter rechtem
Winkel brechen, und endlich sich im heut zu Tage
bebauten Grunde verlieren zu sehen. Wie kommt
es, daß kein Reisender hierin die Reste der alten
Umwallung von The bä fah? Ich nehme sie
dafür. Der Anblick und das Beispiel von Eilytheia
ließen mich in diesen Resten eine solche erkennen,
und feit ich die Umwallung zu Sais gesehen habe,
zweifle ich gar nicht mehr daran. Am Ende dieses
Restes von Umwallung, steht ein anderer kleiner,
römischer Tempel; auch die Trümmer eines Thores
find dort zu finden.
Z7) -
8.
Ifistempel am Gebirge.
Von Medinet - Abu, das an dem Saume der
Wüste liegt, bis ans Gebirge ist ein Sandfeld,
hinter diesem aber steigen die weißen Felsmaffen
empor, die mit Schichten von Kieselknollen durch-
zogen sind. Diese Kiesel brechen mit den herrlich-
ften Spielen und Farben, wie Opale, Chalcedon
und gewöhnlicher Carniol.
Folgt man dem Fuße des Gebirges nach der
Richtung des Memnonium's, fo überzeugt man
fich, daß diese Strecke mit mächtigen Gebäuden
bedeckt war. Man kommt an die Stelle, wo die
Spuren am Gebirge enden, die in der Achse der
beiden Memnonssäulen liegen. Weiter findet man
Unterbauten aus thebaischem Stein, voll Trüm-
mern sitzender Koloffe aus demselben Stein, und
andere aus Porphyr. Dort ist das Gebirge auch
zu einer großen Nische ausgehauen, um einem
Baue Raum zu geben. Näher am Memnonium
liegen mehrere verstümmelte Sphinxe, Reste ei-
ner Allee wahrscheinlich, die vor dem Eingange
jenes verschwundenen Baues gestanden haben mag.
Unter so vielen Jahrtausende alten Trümmern übt
sich das Auge dennoch Alterstufen zu unterschei-
den. Diese Sphinxe sind älter als das Memno-
Z71
nium. Neben den Sphinxen sind wieder Koloß-
trümmer aus thebaischem Stein, der Arm eines
Koloffes mißt da 14“. Die Faust scheint eine Rolle
gehalten zu haben. Es ist offenbar ein Königsbild.
Aber eilen wir zum Ziele. In einer Schlucht
des Gebirges, die sich nach dem Memnonium öff-
net, steht ein mit einem Walle von ungebrannten
Ziegeln umschloffener , sehr zierlicher Tempel
der Ilfis. Das Thor im Erdwall ist durch einen
Pylon geführt. Diese Abweichung von der Bau-
art beweiset schon, daß der Tempel nicht aus
Pharaonenzeit fey. Der Pylon ist überdieß unver-
ziert. Auch die Außenwand des Tempels, mit Aus-
nahme des Thores, ist es. Eine Menge neugrie-
chischer und koptischer Inschriften sind da einge-
kratzt. Der Vorsaal wird von zwei sehr artigen
Säulen getragen, und hat an der Hinterseite ei-
nen Portikus von 2 Säulen und 2 Pfeilern. Die
Knäufe stellen Lotus und Palmenblätter vor, und
sind allerliebst gezeichnet. Aus dem Vorfaale tritt
man in drei Gemächer, alle reich und schön verziert
und übermalt. In den Bildern erscheint hier auch
Apis, der in einer Barke geführt wird. Isis wieder
holt sich am häufigsten. Die Flur der Gemächer ist
gar zierlich mit Lotus und anderen Stengelblumen
geschmückt. -
372
Dieser artige Tempel ist nach SSO gerichtet.
Als deffen Erbauer nennen die Ringe Ptolemäus
und Kleopatra.
Q-
Die Nekropolis. Das Thal Affa fiff.
Die Gräber der Könige.
Von dem Schauplatze der Trümmer traten wir
in den der Gräber. Der ganze Abfall des Gebirges
nach Süd und Ost ist Grabstätte, und birgt eine
unzählige Menge von Syringen , Katakomben,
Mumienbrunnen und Gräbern aller Art, die man
in Jahren nicht finden, und wovon man die gefun-
denen in Jahren nicht völlig kennen lernen würde.
Ich habe, im Laufe dieser Blätter schon einmal
der Nekropolis erwähnt, und will hier vorerst
nur Dasjenige schildern, was mir auf den südlichen
Abfällen vor anderen in die Augen fiel.
In einer Felsschlucht, Medinet-Abu gegenüber,
wo viele Gräber in den Felsen gehauen, die mei-
sten aber wieder verschüttet sind, fand ich unter An-
deren, ein nicht mit Meißelarbeiten geschmücktes,
aber sehr zierlich bemaltes, das aus einem Gange,
einem Saale und drei Seitengemächern besteht. Es
sieht nach ONO und trägt die Ringe einer Frau,
73
und zwar derselben, deren Namen wir zwischen den
Beinen der Memnonsstatue lesen. Wahrscheinlich
war sie eine Gemahlin Amenopht III., und dieß
ist ihr Grab.
Im Ost derselben Schlucht sind andere Gräber,
neben deren Eingange breite Tafeln mit Hierogly-
phenschrift eingehauen sind. Darüber stehen die Ringe
des 6., 7., 8. und 9. Remefiden. Auch diese Gräber
scheinen mir solche für Königinnen, doch erinnere
ich mich nicht mehr genau der Zeichen über den Rin-
gen. Am Isistempel vorübergekommen, und in der
Richtung des Memnonium's hinabsteigend, wo man
hundert und hundert Eingänge, wie Gänge ins
Gebirge gehauen, bemerken kann, zeichnet sich vor
Allen ein sehr großes reich verziertes, aber auch sehr
verwüstetes Grab aus, vor dessen Eingange man
weithin die Flur von Theben überblicken kann.
Dieß Grab trägt die Ringe Thotmoses III., ist al-
fo die Ruhestätte eines der größten Pharaonen, und
vorzüglichen Gründers derjenigen Thebä, deren
Ruinen wir heut zu Tage noch sehen. Da nach dem
Glauben der Ägypter die Seele des Menschen nach
drei tausend Jahren wieder erwachen sollte, so war
Thotmoses Grab so gewählt, daß der erste Blick
nach dem Erwachen aus dem langen, langen Schlafe
die heilige Thebä überschauen konnte.
374
Weiter hin, auf den Abfällen nach Kurnu sind
reichverzierte kleinere Gräber, die noch älteren Zei-
ten angehören. Darin finden wir die Ringe Ame-
nopht I., und seines Vorfahrers Amos. Ich glaube,
auch diese Gräber sind solche von Königinnen, doch
weiß ich es nicht für sicher anzugeben.
Diese Vorhügel scheiden das Thal von Affe fiff
von der Ebene von Theben. Dieses geht vom Haupt-
stock des Gebirges aus, und öffnet sich gegen Kurnu.
Es scheint durchaus zum heiligen Gebrauche bestimmt
gewesen zu seyn, und eine Menge der großartigsten
Werke in sich geschloffen zu haben. Heut zu Tage
bieten Thal und Höhen nur weißen Sand oder weiße
Felsmaffen dar, und scharf scheiden sich von diesem
Grunde einige koptische Ruinen aus ungebrannten
Ziegeln ab. Mitten durch das Thal, das nach SO bei
O ausläuft, war eine breite Straße geführt, bis zu
einem Tempel, der ganz im Hintergrunde in der
Achse und an der höchsten Stelle des Thales, an
die Felswand des Hauptgebirgsstockes sich lehnte
und noch in feinen Trümmern sichtbar ist. Es läßt
sich wenig über die Anordnung des Baues sagen;
nur wenige Mauern schauen aus dem Schutte; ein
Granitthor hebt sich dazwischen; ein zweites mit
zwei Seitenthoren, lehnt sich an den Absturz der
Felswand, woraus sich schließen läßt, daß eine Folge
von Gemächern in den Felsen gehauen war. Der
375
Styl der Hieroglyphen und Bilder ist kräftig, die
Ausführung rein und schön. Das eine Seitenthor
führt in ein Gemach, worin die Farben sich treff-
lich erhalten haben. Die Decke ist blau mit goldenen
Sternen, die Körperfarbe ist die rothbraune; über
den Helden schweben Adler in Blau, Roth, Grün
oder Schwarz. An dieses Gemach reihet sich ein an-
deres, hohlrund gewölbt. Dieß Gewölbe und ähn-
liche zu Abydos sind die einzigen gebauten, die
ich in Ägypten gesehen habe; eingehauene dieser Art,
fah ich mehrere. Die Steine sind wagrecht eingelegt
und jeder höhere etwas vorgeschoben, so daß die
Wölbung herauskommt. Ungeachtet dieser wesentli-
chen Verschiedenheit von römischen Gewölben, würde
ich das erwähnte, da es das erste dieser Art mir un-
ter die Augen gekommen war, für nicht Pharaoni-
fchen Zeiten angehörig betrachtet haben, wäre es
nicht mit Hieroglyphen in unbestreitbar altem Style
bedeckt. Es hat auch in christlichen Zeiten als Kirche
gedient, denn es war überweißt und mit Heiligen-
bildern bemalt. Auf diesen Tempelresten stehen die
Ringe Thotmofes II. und III., auf dem Vorthore
auch diejenigen Mi-Amon-Remeses und im ge-
wölbten Gemache, die das Amonnath oth, dessen
als letztem Herrscher der thebaischen Dynastie, welche
in diejenige der Thotmofes unterging, ich schon zu
Karnak erwähnt habe.
376
Von dem Tempel, der wie auf einem majestäti-
fchen Schaugerüste in der fenkrecht abgehauenen
Felsnische stand, gingen Stufen an die Straße
hinab, die den Zugang durch das Thal bildete.
, Aus der Fläche des Thales selbst steigt man in
viele, und so bewunderungswürdige Gräber nieder,
daß Pokock dieselben im ganzen Ernte für unterir-
dische Königspaläste nimmt (II. 1. 23), das wird
denen unbegreiflich scheinen, die sie nicht gesehen
haben. Es sind eben die Syringe, deren ich oben
Erwähnung that, und wovon ich nun ein Paar
beschreiben will. Mitten im glänzenden weißen San-
de, der wie Brand auf die Augen wirkt, sah ich eine
Stiege, die in einen eingesenkten Vorhof führt,
der zur Rechten und Linken Pfeilergänge und ein
Thor, im Hintergrunde aber gleichfalls ein Thor in
den Felsboden des Thales hat.
-- Durch das zur Rechten kommt man in zwei
schöne Gemächer, auf das reichte mit gehobener
Arbeit und Malerei verziert, wovon das zweite zur
Rechten wendet und wieder zur Rechten. An dieser
hintersten Stelle befindet sich ein Grab. – Durch
das zur Linken, kömmt man in einen Saal, aus
diesem in ein Gemach, dann in einen Gang, der
nach einer weiten Strecke endet und wahrscheinlich
das Grab enthielt. Alle diese Räume sind auf das
Feinste mit unsäglichem Reichthume verziert. – Das
377
Mittelthor führt in einen großen Saal, dessen Pfei-
ler eingebrochen und weggeführt wurden, um Kalk
zu machen. Alle Wände sind auf das Edelste ge-
schmückt. – Ein Saal von vier Pfeilern getragen,
folgt dem ersten. In die Thorpfeiler gehauen (ge-
hoben, auf vertieftem Grunde wie alle Bilder des
besten ägyptischen Styles), ist das Bild eines Kö-
niges, auf einem Throne sitzend. – Aus dem zwei-
ten Saale kommt man in einen dritten, der zur
Linken ein Gemach, zur Rechten über ein unglau-
bliches Labyrinth von Gängen hat, unglaublich,
ob des Entwurfes, unglaublich ob der Ausführung,
denn alle diese Gänge sind so wie die Säle selbst
in das Leben des Felsens gehauen und auf das
Sorgsamste mit gehobener Arbeit verziert, und den-
noch waren sie niemals bestimmt von dem Tage er-
leuchtet zu werden. Die Gänge wenden unter rech-
ten Winkeln und haben von Zeit zu Zeit Thore
und Seitengemächer. Ich stieg darin zwei Stiegen,
die eine zu neun, die andere zu acht und zwanzig
Stufen hinab, die fanft, wie alle ägyptischen, hier
überdieß getheilt sind, so daß zwei Stiegen neben
einander laufen. Nach der zweiten Stiege kam ich
an einen tiefen Mumienbrunnen, lange schon ge-
öffnet und beraubt, wie die Gebeine und Hüllen,
in den Gängen ausgesäet, beweisen. Weiter im Gange
trifft man auch zwei verstümmelte Wandtatuen und
-- 32
- Z78
hat dann einen Saal vor sich, worin ein Altar steht
und Koloßtrümmer liegen. Dort endet diese Ver-
zweigung, welche die unterste ist. Geht man aber
die Stiegen zurück herauf, so hat man an der obe-
ren, zur Linken, einen Saal – aus diesem führt
weiter ein Gang, aber wo Saal und Gang sich
scheiden, ist wieder ein tiefer Brunnen abgetäuft,
der kaum einen fußbreiten Raum läßt, um vorbei
zu kommen. Senkt man sich in den Brunnen mittelst
Seilen hinab, so findet man dort wieder einen Gang,
-
an defen Ende eine Sargstelle. Klettert man aber
am Brunnen vorüber und folgt dem früher erwähn-
ten Gange, so sieht man ein Thor vor sich, und durch
dieses gekommen, theilt sich der Gang in zwei Arme,
wovon der eine in gerader Verlängerung des frühe-
ren fortzieht, der andere unter rechtem Winkel nach
der Linken sich streckt. Beide Arme brechen, nach
ziemlicher Länge wieder rechtwinkelich, vereinigen
sich und bilden fonach eine, ins Viereck gezogene
Galerie. Diese Stelle ist, wo möglich, noch reicher
als die übrigen Theile dieses Labyrinthes; wahrlich,
man fragt sich: träume ich? oder haben sich Bilder
der Feenwelt verwirklicht? – Die Hieroglyphen und
Bilder sind gehäufter und noch feiner gearbeitet, als
in der unteren Verzweigung. An der inneren Wand
find überdieß in kurzen Zwischenräumen Nischen,
in denen bald ein, bald zwei, bald vier, bald acht,
Z79
bald zwölf Figuren sitzend ausgehauen erscheinen.
Durch die äußere Wand kommt man in Gemächer,
deren ich jedoch nur drei besuchte – denn ein ab-
scheulicher Gestank von Moder, Mumien und Fle-
dermäusen, lag wie ein Last auf unserer Brust; die
Lichter brannten kaum, und einige erloschen wirklich;
jene scheußlichen Thiere schwirrten zu Hunderten aus
allen Ecken hervor, von allen Wänden herab, um
unsere Häupter und Lichter – eine ungeheure Angst
erfaßte uns, daß diese verlöschen könnten; wir flo-
hen gleichsam aus den Gemächern und zurück bis
an die Stiege, da wir einen Gang schon besucht
hatten, der weiter aus der Gallerie vorgreift, und
wo diese Verzweigung endet. Dort ist abermals eine
verstümmelte Menschengestalt, in mehr als natürli-
cher Größe sitzend, ausgehauen. Der Boden hallte
dumpf wieder, so wie wir schritten, als verbürge
der Bauch des Felsens noch ganze Reihen von Ge-
mächern. - -
Was in der Galerie nicht wenig die Christen
in Erstaunen setzt, ist auf einer der Ecken der in-
neren Wand (und zwar auf derjenigen, die dem
Eingange gegenüber steht) eines Gekreuzigten Bild
zu sehen, eine Darstellung sehr ähnlich derjenigen,
die wir von Christum zu geben pflegen. Er ist an 4“
hoch und etwa zu zwei Drittheile Körperdicke her-
ausgehoben. Das Haupt wendet er nach einer Seite,
32 *
_380
die Arme sind gespreitet, die Füße übereinander ge-
schlagen. Der nächste Gedanke wäre wohl, daß die
ersten Christen diesen Zusatz den Darstellungen des
Ganges gegeben haben, aber die Arbeit widerlegt
diese Meinung entscheidend; der Styl ist ägyptisch;
das Bild paßt in die angereihten und zeigt noch die
Farben, womit es, wie alle übrigen Darstellungen
dieses Labyrinthes, bemalt war. Auch sind die Arme
des Gekreuzigten mit ägyptischen Bändern geziert.
übrigens steht dieß Bild in keinem anderen als Theil,
sondern macht, mit Hieroglyphen umgeben, für sich
ein Bild aus. – Eine Kreuzigung uralter Zeit,
was weiter? – Ich verliere den Muth in das Ein-
zelne der Bilder dieses Labyrinthes einzugehn, und
fchweige hierüber. Doch will ich bemerken, daß ich
keinen königlichen Ring im Labyrinthe auf-
zufinden im Stande war. Und doch kann es nur
eines Mannes oder einer Familie Grab seyn, die
Völker zur Arbeit aufbieten konnte. Wohl aber
stehen in einem der Grabhallen im Vorhofe die
Ringe einer Königinn, welche aus dem Vornamen
zu schließen, Gemalinn Pfametik III. war.
Ein zweites Königsgrab im Thale Affaffiff,
beginnt gleichfalls mit einem Vorhofe, hat drei
Säle, wovon den ersten zehn Gemächer begleiten,
den dritten aber auf jeder Seite eines. Im linken
dieser Beiden ist ein tiefer Mumienschacht und wei-
381
ter geht eine Verzweigung von Gängen aus, welche
(nahe an einer anderen Grabhalle vorüber, wie ein
Loch in der Scheidewand zeigt) zu Gemächern mit
anderen Mumienbrunnen oder Schachten, und nach
verschiedenen Wendungen durch ein Seitenthor wie-
der in den Vorhof führt. Auch an diesem Syring
fand ich keine königlichen Ringe auf; wohl aber in
einem dritten, wenig entfernten. Die Bilder die-
fes Königgrabes sind mit wunderbarer Feinheit und
Haltung im Style gezeichnet und zeigen in den vor-
deren Gemächern, die allein unverschüttet waren,
Abbildungen aller Handwerke und Künste. Da sind
Zimmerleute, welche die Stämme behauen, –
Tischler, welche Schränke, Tische, Bänke und al-
lerlei Geräthe machen, – da sind Gärber, Schuh-
macher , Sargbesteller , Leichen - Einbalsamierer,
Baumeister, Bildhauer; da sind weiter Bäcker und
Marktwieger; da sind Schreiber, eine Rolle Papy-
rus und den Griffel in der Hand; da sind solche,
welche Barken, Schiffe, Masten, Tauwerk machen
u. f. w. Da find auch Scharen von Tänzern, die
bald einzeln, bald zu Zweien tanzen, Männer mit
Männern, aber Frauen sind die Zuseher. Darneben
filzen Harfenspieler mit neun- und zehnsaitigen In-
strumenten. Da sind Königsbilder mit Scepter und
Halsschmuck, darüber die Ringe Pametik II. und
seiner Gemahlinn. Wie die nächsten Abfälle des Ge-
Z32
birges an der Ebene von den älteren thebaischen
Dynastien, so scheint das Thal von Affaffiff vorzüg-
lich von den faitischen als Ruhestätte auserlesen
worden zu feyn. -
In manche andere Gräber in diesem Thale stieg
ich nieder, viele unverziert, manche nur bemalt,
andere zugleich mit erhobener Arbeit ausgeschmückt,
alle mehr oder weniger verwüstet. Aber ich habe un-
ter den bekannten die wichtigeren genannt.
So wunderbar nun auch die Gräber im Thale
Affafiff sind, so habe ich doch noch wunderbarere zu
schildern, diejenigen im Thale Bab-el-Melek (ge-
wöhnlich Biban-el-Moluk ausgesprochen), was fo-
viel als »Hof der Könige« sagen will. Diese Gräber
find es, welche die Reisenden bis jetzt unter dem
Namen »Gräber der Könige« bezeichnet ha-
ben. Das Thal oder vielmehr die Verzweigung von
Felsschluchten, in denen diese unvergleichbaren Wun-
derwerke sich befinden, ist nur durch einen Gebirgs-
arm vom Thale von Affaffiff geschieden, nimmt wie
dieses den Ursprung im höchsten Gebirgsstocke, und
läuft mit dem letztgenannten Thale fast gleich.
Es führt ein Fußpfad aus dem Thale Affaiff
auf die Höhe des Gebirges, den ich jedem Reifen-
den deshalb empfehle, nicht weil er dreimal kürzer
als der Weg über Kurnu ist, sondern, weil die
Aussicht über die Wüste und über die heilige Thebä,
- 383
die wie ihre Mumien hie und da Gebeine aus dem
Grabe streckt, eine höchst befriedigende ist, und ohne
welche gleichsam das in jenem Bezirke Gesehene Stück-
werk bleibt, das schwer zum Ganzen sich ordnet. Die-
fer Pfad führt zwischen Abgründen hin, denn wie die
Felswand abstürzt ins Thal von Affaiff, so stellen-
weise auch in das Thal von Bab-el-Melek. Man
findet aber schon Sandriffe, durch welche man sich
ohne Gefahr in dieses hinabglitschen laffen kann.
Die Gräber der Könige! – Wo? – In dieser
Öde, in der kein Halm sichtbar ist, in diesen engen
Felsenschlünden? . . . Und doch hier sind sie.
Nichts kündigt von Außen die Prachtlabyrinthe an,
die das Innere dieser Gebirgsmaffe durchziehen und
denen die bekannte Erde keine ähnlichen an die Seite
fetzt. Ich stieg in 16 dieser Gräber nieder. Ohne
Zweifel bestehen mehrere, aber theils sind sie noch
nicht aufgefunden, theils wieder verschüttet; einige
find wohl auch zerstört. Die Führer versicherten mich,
daß sie gegenwärtig nicht mehr als sechzehn kenneten.
Diodor von Sicilien sagt, daß zur Zeit
des Ptolemäus Lagus noch 17, in früherer Epoche
aber 47 waren; Strabo erzählt ganz kurz, daß
über 40 dieser Königsgräber feyen. Jener setzt bei,
daß dieselben von keinem späteren Baue jemals über-
troffen worden sind, und Dieser: daß Obelisken davor
errichtet waren, auf welchen die Macht dieser Könige
384
uber Scythien, Baktrien, Indien und Jonien, –
ihre großen Einkünfte und Kriegesheere beschrieben
waren (Diod. I. Str. XVII). – In neueren Zeiten hat
man über die Bewunderung, welche alle alten Schrift-
steller und alle Reisenden den ägyptischen Bauwerken
zollen, die Achsel gezuckt und die Schilderungen
fämmtlicher als übertrieben verworfen. Das ist freilich
bequem und belegt die lächerliche Eitelkeit, das bis
zum Wahnsinn gesteigerte Selbstgefallen unserer
Zeit. Die Leute, welche sich mit dieser Ehrenrettung
des Jahrhunderts beluden , waren solche, welche
die Riesenhalle von Thebä und die Gräber der Kö-
nige im Winkel ihres Zimmers, oder, noch schlim-
mer, unter dem Trödel der ägyptischen Museen un-
ferer Hauptstädte studiert hatten. Ihr Schluß ist ganz
einfach folgender: Unser Jahrhundert ist das vor-
trefflichste von allen; also was heut zu Tage nicht
gebaut werden könnte, konnte zu keiner andern Zeit
gebaut werden; also sind alle die Schilderungen der
Wunder in Ägypten weit übertrieben, die Alten
begannen zu lügen und die Neueren fahren darin
fort. – Ich wäre neugierig zu wissen, was wohl
eine türkische Bande von Musikern, die, recht aus
vollen Kräften lärmend, sich für die Blume der
Kunst betrachtet, und außer ein Paar europäischen
Leyerkästen keine europäische Musik gehört hat, sich
für einen Begriff von Mozarts Requiem und Beet-
_385
hoven's Oratorium machte und was sie von dem Men-
fchen dächte, der ihr beide nach Wahrheit schilderte.
Jedes der sechzehn Gräber, in die ich stieg, ist
abgesondert. Ein einfaches hohes Thor in einer mehr
oder weniger tiefen Nische, bildet den ersten Ein-
gang. Darüber ist in einem Kreise ein Scarabäe
eingefangen und neben ihm ein Gott mit dem Scha-
kalkopfe; jener ein Symbol des Phtah, dieser der
Seelenführer Anubis. Huldigende oder betende Ge-
falten knien zur Seite. Die Nische ist mit Hiero-
glyphen verziert. – Durch das Thor gelangt man
in einen breiten Gang, der in einigen Gräbern
kleine Seitengemächer, in allen aber kurz vor dem
Ende eine Nische zur Rechten und eine zur Linken,
vor sich aber einen kleinen Saal hat. Aus diesem
kommt man in einen größeren – das Weitere ist in
den verschiedenen Gräbern verschieden. Der Sarg
ist, bald in den Boden eingesenkt, bald über dem-
felben aufgerichtet, jedesmal in einem gewölbten
Saale.
Bei weitem das schönste und am besten erhaltene
dieser Gräber ist dasjenige, wozu Belzoni den Ein-
gang ausräumen ließ. Wer es genau schildern wollte,
müßte Bände darüber schreiben, und würde, wie
getreu er auch der Wahrheit bliebe, dem Leser ein
Träumer scheinen. Diese Menge von Gängen, Ge-
mächern und Sälen, zwei Stockwerke tief und tiefer
Prokefch: Ägypten I. 33
386
noch, in das Leben des Felsens gehauen,– diese Mil-
lionen Bilder und Hieroglyphen der feinsten Aus-
führung, dieser Glanz, diese Unverletztheit der Farbe,
als wäre dieselbe eben erst aufgelegt worden, gehen
weit über den heutigen Maßstab des Leistbaren hin-
aus. Der Aufwand von Kraft und Arbeit, von
religiöser Gewissenhaftigkeit in der Ausführung des
Kleinsten wie des Größten, des Gesehenen wie des
Ungesehenen, ist so ungeheuer, daß ich nicht be-
greife, wie irgend ein Herrscher, und war er der
mächtigste der Welt, auf den Gedanken hat verfal-
len können, einen ähnlichen Bau anzubefehlen. Py-
ramiden sprechen zu allen Völkern und zu allen Zei-
ten; aber hier ist der namenlose Fleiß mit dem Tod-
ten selbst in Finsterniß begraben, und der Ober-
fläche der Erde entrückt. Ein Paar Fuß Sand mehr
und einen Zufall weniger – und diese unvergleich-
baren Hallen ahnet kein menschliches Auge.
Die Gräber der Könige in Bab-el-Meleck sind
diejenigen der berühmten Dynastie der
Reme fiden, wie die königlichen Ringe über den
Thoren und an vielen anderen Stellen beweisen. Ei-
len wir in dasjenige Belzonis niederzusteigen. Neun
und zwanzig Stufen führen eine Felsenniche hinab
und zu einem Thorraum; darüber sind die allen
gemeinen Zeichen, der Scarabäe nämlich und Anu-
bis, dann die beiden Ringe des zweiten Reme-
_887_
fiden. Diese Ringe, und nur diese, sind auf allen
Theilen dieses Grablabyrinthes. Man tritt in einen
Gang 36“ lang, 8“ 6“ breit und um ein Geringes
höher, der unter einem Winkel von 18° sich neigt.
Die Wände sind mit Hieroglyphen verziert, aus
dem mattweißen, weichen Steine mit größter Rein-
heit geschnitten. Man hat eine zweite Stiege vor
sich, 26 Stufen tief, die steigt man hinab und folgt
weitere 37“ dem gesenkten Gange, bis man in einen
Raum 14“ breit und etwas über 12“ lang kömmt,
welcher wahrscheinlich den Schacht unter sich hat,
deffen Belzoni erwähnt und der, nach feiner Meinung,
zur Aufnahme des einsickernden Waffers bestimmt
war. Der weitere Eingang war nicht nur mit einer
Wand geschloffen, sondern sogar mit Hieroglyphen
versehen, so daß es aussah, als ob die Halle dort
endete. Diese Wehr schützte den heiligen Raum
nicht. Belzoni ließ sie durchbrechen. So kommt man
jetzt in einen von vier Pfeilern getragenen Saal,
26/ 8“ breit und 25“ lang. Hier kann man die
Kraft und Frische der Farben bewundern; sie schei-
nen mit Glanzfirniß überzogen und übertreffen weit
Alles, was man in dieser Art auf irgend einem Mo-
numente in Ägypten oder Nubien sehen kann. Rings
um den Saal läuft eine Schlange, die Mumien
auf ihrem Rücken trägt. Auf jedem Pfeiler sind
Isis und Osiris dargestellt, die Hände verschlungen.
Z88
Häufig sind, auf den Wänden, Barken dargestellt,
in welchen der Seelenführer schifft. – Vier Stu-
fen abwärts führen in den nächsten Saal (27/6“
zu 24“ 8“), worin die Figuren und Hieroglyphen
noch nicht bemalt, sondern erst angezeichnet sind. Aber
aus dem Saale der vier Pfeiler führt zur Rechten
auch eine Stiege zu 18 Stufen in einen weiteren
gesenkten Gang (36“ lang und 6/10“ breit), pracht-
voll bemalt, und zwar liegt feiner Mörtel auf dem
Steine, darauf aber sind die Farben angebracht.
Dieser Gang führt zu einem Thore, auf dessen
Pfeilern der König im Waffenkleide, auf einem gold-
verzierten Throne sitzend, dargestellt ist, den Zep-
ter in der Hand, ein Halsband mit Amulet auf
der Brust, die in weiten Falten von dem Gekröse
bedeckt wird; Gürtel und Fußbekleidung sind vor
allem Übrigen herrlich. Ein Adler schwebt über ihm
und trägt in seinen Klauen den königlichen Sie-
gelring. - -
Die Pracht der Kleidungen, des Geräthes, de
Wagen, der Pferderüstungen u. fw, deren ich schon
einige Male erwähnt habe, beweisen auch ihrerseits
die großen Vorschritte der Kultur unter den Pharao-
nen. Ich kann nicht umhin hier eine Stelle Herodots
anzuführen, welcher das Panzerhemd schildert,
das König Amafis, der Zeitgenoffe des Cyrus und
Gastfreund des Polikrates, den Lacedämoniern zum
38.)
Geschenke gesendet hatte. »Dasselbe ist von Linnen
und sind viele Bilder hineingewebet und ist geschmückt
mit Gold und Baumwolle. Was es aber bewunde-
rungswürdig macht, das ist jeder einzelne Faden;
nämlich die Fäden sind gar nicht grob und doch be-
steht ein jeder wieder aus 360 Fäden, die kann man
alle unterscheiden. Eben so ist auch das Panzerhemd,
das Amafis der Athenäa zu Lindos weihte.« (III.47.)
Die Waffenröcke der Könige und Helden in den
Gräbern und auf Tempeln, sind häufig mit Bildern
durchwirkt und voll reicher Stickerei dargestellt.
Nach diesem Thore dauert der gesenkte Gang
noch 16“ 8“ mit 16/4/ Breite fort, worauf man
acht Stufen hinabsteigt und in einen Vorsaal (26
9“ zu 25“ 11“) mit zwei Seitengemächern tritt,
wovon in den Wandbildern des einen (10/2/ zu
8“ 6“) die Verehrung des Apis, in dem ande-
ren (10“ 2“ zu 8“ 8“) die Seelenfahrt und ein
Gehäufe von Opfergaben erscheinen. Endlich kommt
man in eine hohe, gewölbte, von vier Pfeilern ge-
tragene Halle (30“ 9“ zu 26) – in dieser aber
stand der Sarg, den Belzoni nach England gebracht
hat. Er beschreibt denselben als von orientalischem
Alabaster, 9/5“ lang, 3/7/ breit, 2/ dick und
ganz durchsichtig. Auch soll er mit mehreren hundert
Figuren in gehobener Arbeit geschmückt gewesen seyn.
Der Deckel fehlte und man fand Trümmer dessel-
39 (!)
ben außerhalb dem Grabe, ein Beweis, daß es
bereits geöffnet und beraubt worden war, als Bel-
zoni es wieder öffnete. Die Decke der Halle ist mit
farbigen Bildern geschmückt, welche Typhon von
einer Schlange überragt; Götterzüge, Apis und
die anderen Genien des Todtenreiches in mannig-
fachen Handlungen darstellend. An den Wänden wie-
derholt sich die Seelenfahrt. Zur Rechten ist ein
unvollendetes, unverziertes Gemach, zur Linken eine
von zwei Pfeilern getragene Halle (15/6“ zu 22/6“)
mit Darstellungen von Urtheilssprüchen, Strafen,
Hinrichtungen. – Hinter der Sarghalle folgt eine
andere, nicht vollendete, von vier zum Theile ein-
gebrochenen Pfeilern getragene Halle (42“ zu 17“
14“); darin fand Belzoni einen einbalsamierten Stier
und eine große Menge Idole.
Der Sarg ruhte über einer Stelle, wo jetzt aus
der Halle ein Gang ins Gebirge sich absenkt und
barg denselben. Belzoni fand nach 300“ den Gang
fo verfallen, daß er nicht weiter konnte. Wohin die-
fer Gang führte? – wahrscheinlich unter dem Ge-
birge weg, nach Thebä. Die Richtung desselben ist
SW – die Achse des Grablabyrinthes selbst, von
innen nach außen, liefen SW bei W nach NO bei O.
– An vielen Stellen haben durch die neuerliche Aus-
räumung die Gemälde und Arbeiten sehr gelitten.
Z9)1
In derselben Gebirgsschlucht stehen zwei an-
dere Königsgräber. Das eine ist nach 30
Schritten, die man im Gange macht, verschüttet.
Die Gangwände sind reich verziert und über dem
Eingange stehen die Ringe des dreizehnten Re-
m e fid e n. Das zweite, welches dasjenige des
neunten derselben Dynastie ist, hat zwei Säulen
mit Stierköpfen an jeder Seite des Einganges. Nach
wenigen Schritten im Gange hat man, zur Rechten
und Linken, kleine Gemächer, dann tritt man durch
ein Thor, auf dessen Pfeiler der König und defen
Gemahlinn, Beide auf Thronen sitzend und im voll-
len Schmucke ihrer Würde abgebildet sind. Ein wei-
terer Gang hat acht Seitengemächer mit Darstel-
lungen von Waffen, Vasen, Geräthen allerlei Art
geschmückt, darunter auch zwei Harfen, die eine
11 die andere 13 faitig. – Ist man abermals durch
ein Thor getreten, so kommt man in einen Saal,"
der sich in zwei Gänge theilet. Der linke ist nicht
fertig geworden, der rechte führt zu einem Thore,
neben welchem zwei Nischen angebracht sind, dann
in eine Vorhalle und weiter in einen Saal zu 4
Pfeilern, mit einem Seitengemache zur Rechten. Ge-
rade vor sich hat man einen sanft gesenkten, langen
Gang, gelangt durch diesen in einen großen von 8
Pfeilern getragenen Saal mit 4 Seitengemächern,
steigt aufwärts zu zwei kleinen Gemächern und kommt
392
endlich in die Grabhalle, welche sechs lange Nischen
enthält. Es versteht sich, daß alle Oberflächen mit
bemalten Meißelarbeiten geschmückt sind. -
In einer anderen nahen Schlucht des Gebirges,
ist das vierte, fünfte, fechste und siebente
dieser Königsgräber. Das vierte geht nach W
bei N ein. Nachdem man 80 Schritte im Gange zu-
rückgelegt hat, hat man die Opferniche zur Linken
und kömmt nach weiteren 20 in einen Saal zu vier
Pfeilern, längs defen Wänden eine Bank läuft.
Dieser Saal hat zwei unvollendete Gemächer im
Hintergrunde und zwischen denselben einen weiteren
Gang, durch welchen man nach etwa 50 Schritten
in die Grabhalle kömmt, die wieder von vier Pfei-
lern getragen wird. Da steht ein großer Granit-
farg, geöffnet und mißhandelt; auf defen innerer
Fläche ist Isis, die Königinn des Armentis (Tod-
tenreiches) eingezeichnet. Zwei Seitengemächer sind
an dieser Halle und der Gang läuft im Hintergrunde
noch auf 15 Schritte weiter, worauf er endet. Die-
fes Grab zeigt die Ringe des sechsten Reme-
fiden und zwei andere Paare, welche, wenn es
nicht etwa Namen von Frauen sind, Söhnen des
Hauses anzugehören scheinen.
Das Fünfte, nahe an dem früheren, ist so
sehr verschüttet, daß ich nach einer kurzen Strecke
wieder heraus mußte. Ich fand keine Ringe dort.
_393__
Das Sechste beginnt, wie die übrigen, mit
einem Gange, der nach 70 Schritten Länge, in ei-
nen Saal von 4 Pfeilern führt; aus diesem fenkt
sich der Gang wieder, 70 Schritte lang, zur Grab-
halle, die 4 Pfeiler und im Hintergrunde drei Ni-
fchen hat. In der Halle steht ein Granitsarg. Dieß
Grab ist fast nur bemalt, und weit weniger zierlich,
als die früheren. Es ist dasjenige des 14. Reme-
fiden. -
Das Siebente ist am wenigsten tief, denn
nach 70 Schritten im gesenkten Gange, kömmt man
an die Opfernischen und in die Grabhalle, welche
die gewöhnliche Pfeilerzahl hat. Darin liegt ein
Koloßstück mit denselben Ringen bezeichnet, welche
das Grab selbst trägt, mit denjenigen des fünf
ten Remeliden. Der Gang führt noch 33 Schritte
weiter, und endet dann. Die Halle ist nur bemalt;
im Gange aber gleichen die Bilder und Hierogly-
phen der feinsten Arbeit in Marmor.
Das Achte ist nach 30 Schritten und 10
Stufen verschüttet. Ich konnte die dazu gehörigen
Ringe nicht auffinden.
Das Neunte ist sehr zierlich bearbeitet, aber
leider fast ganz verschüttet. Doch weitet es die Ringe
des dritten Remeiden, d. i. des großes Re-
mefes. Dieser Name genügt, um in diesem Grabe
das reichte von Allen zu erwarten. Es steht am Wege
394
nach einer dritten Schlucht, worin sich das Zehnte
befindet, welches dasjenige des vierten Remest-
den ist. In diesem gelangt man nach 70 Schritten
gesenkten Ganges aus einem Vorgemache in einen
Saal, der bemalt ist, und ein unverziertes Gemach
zur Rechten hat. Der Gang läuft in der Achse noch
etwas weiter und ist dann eingestürzt. -
Das Eilfte, nicht ferne vom früheren, ist
das Grab des zwölften Remeiden. Im Gange
trifft man auf vier Seitengemächer, kommt weiter
an die Nischen, in den Vorsaal, in einen Saal zu
4 Pfeilern, und in die Grabhalle. Alle Wände sind
mit Bildern und Hieroglyphen bemalt.
Das Zwölfte, dasjenige des fünfzehn-
ten Remefiden, ist fast ganz verfallen; das drei-
zehnte Grab, welches das des siebenten, ist
wenigstens sehr verwüstet ; es besteht aus einem
Gange, drei Sälen und vier Gemächern. Diese Bei-
den sind abermals in einer besonderen Schlucht.
Das Vierzehnte und Fünfzehnte, das
des zehnten und eilft ein Remeiden, zeichnen
sich durch hohe Eingänge aus. Die fes ist ärmer
an Wandverzierungen als die übrigen; selbst die
königlichen Ringe über dem Eingange, find nur ge-
malt. Nach mehreren Gängen und Sälen kommt
man darin an einen tiefen Schacht, worein der
Sarg versenkt war. – Jenes hat, nachdem NON
395
52 Schritte im Gange gemacht hat, die Nischen.
Man kömmt aus der Vorhalle in den Todtensaal.
Darin steht ein Sarg aus Granit, 11“ 1“ 6“
lang, eben so hoch, und 6“ 7“ breit, der noch den
Deckel trägt, aber an der Seite eingeschlagen ist.
Darauf sind wilde Hunde gegraben, diese Wächter
der Todten, deren Darstellung häufig in den Grä-
bern vorkommt (gewöhnlich ruhen solche wie Sphinxe
zu den Seiten der Thore darin), Bilder und Hie-
roglyphen und endlich die königlichen Ringe. Hinter
dem Saale geht eine lange bemalte Nische ein. Dar-
stellungen von gefeffelten Männern, von Strafen
und Hinrichtungen erscheinen in diesem, wie in meh-
reren anderen der Königgräber. Die Gefeffelten und
Geköpften sind auf der einen Wand schwarz, die
Schergen und Ausrichter aber rothbraun. Auf der
anderen sind alle von dieser letzten Körperfarbe.
Das fechszehnte Grab steht abgesondert.
Deffen Eingang ist gleichfalls hoch, aber der Saal
mit einem Granitfarge folgt unmittelbar auf den
Gang. Hier war der Sarg in den Boden eingesenkt,
und der Granitdeckel darüber gelegt. Auch in diesem
Grabe find eine Menge Gewaltscenen. Die Zahlen
der Erschlagenen sind in eigenen Nischen angegeben.
Dieß Grab ist dasjenige des achten Remesiden.
Hoch ragen die Felswände über diese Schluchten
und Niemand ahnet, was sie verbergen. Der Weg
-
396
durch das Thal ist gewunden, und der eines Waf-
ferriffes; das Thal ganz nackt, ohne einen Halm.
Es sieht aus, als wenn mächtige Gebirgswäffer es
vor Kurzem noch durchwühlt hätten, und dennoch
regnet es hier in zehen Jahren kaum ein einziges
Mal, und dann nur einige Tropfen. Auf welchem
Wege wurden die Särge, die Koloffe nach den Grä-
bern geschleppt, auf welchem die Könige in ihre stille
Behausung gebracht? Der Weg, durch das Thal,
zwischen Felsen eingeklemmt, ist viel zu enge hiezu,
und keinen anderen gibt es, und kann es auf der
Oberfläche des Bodens gegeben haben. Es ist dem-
nach nicht zu zweifeln, daß unterirdische Verbin-
dungen zwischen Theben und diesem Thale bestehen.
Ich kann von dem Boden der heiligen Thebä
nicht scheiden, ohne einige Worte über den schändli-
chen Handel zu sagen, der, natürlich unter Leitung
von Europäern, dort getrieben wird, und welcher
der Versäumniß der Zeit in ihrem Amte als Zer-
störerinn, mit großem Erfolge nachhilft. Ich spreche
hier nicht von den Nachgrabungen, die wahrhaftig
aus wissenschaftlichen Zwecken unternommen wor-
den find, sondern von den Verwüstungen, die un-
ter dem Schilde der Liebe zur Wiffenschaft, von der
schmählichsten Goldsucht verübt wurden, und täglich
noch verübt werden. Die ganze Nekropolis ist Berg-
Z97
werkgrund für die Mumiensucher, und gleicht ei-
nem Schlachtfelde, denn er ist mit Gebeinen und
Stücken von den Leichentüchern bedeckt. Die herr-
lichsten Särge werden in Trümmer geschlagen –
die Mumien mit der Axt gespalten und in Stücke
gehauen, zerriffen, durchwühlt, weggeworfen: war-
um? – um ein Halsband, einen Scarabäen oder
ein paar Blättchen Goldes zu finden, womit die
Nägel manchmal überdeckt sind. Dieser Ertrag wird
von dem nackten Volke, das in den Gräbern wohnt,
und das non plus ultra des Elends scheint, an die
Bergherrn ausgeliefert. Deren waren, zu meiner
Zeit, zwei, die auf eigene Rechnung gruben, ein
Zantiote und ein Italiener. Jeder hatte zwifchen
100 und 200 Arbeiter im Solde, welche das ganze
Jahr regelmäßig das Raub- und Zerstörungshand-
werk betrieben. Ich wohnte der Öffnung mehrerer
Mumien bei, und denke mit Ekel an das gottlose
Verfahren dabei. Eine der reichsten war eine weibli-
che (die, sonderbar genug, dennoch in einem Mannes-
kasten lag). Auf der Brust lag ein schöner in Gold
gefaßter, beschriebener Scarabäe, an 3“ lang. An
den Seiten fanden fich eine Menge Idole. An den
Fingern trug sie goldene Ringe; weiter Armbänder
und Halsschmuck. Nach der ersten Umwicklung mit
Leinenzeug, die unmittelbar auf dem Körper ruht,
hatte sie auf dem Kopfe eine Perücke aus künstli-
398
chen und natürlichen Haaren, diese in Locken über
die Stirne, jene in nubische Zöpfchen geflochten,
über Achseln und Rücken hängend. Nachdem sie durch-
wühlt, beraubt, ich möchte fagen geschändet war,
warf man die Stücke zu einem Haufen anderer, die
schon durch den Prozeß gegangen waren.
Da Wände, mit Meißelarbeiten bedeckt, nicht
verkaufbar sind nach Europa, so gelten sie den Berg-
herrn auch wenig. Kaum wird ein Grab aufgefun-
den, so werden die Wände durchgeschlagen, um auf
den Sarg zu kommen, und aus diesem das herrliche
Gold, dieses Ziel der antiquarischen Profeffion der er-
wähnten Herrn, zu holen. Auf ähnliche Weise wer-
den nicht selten die Tempel und andere Monumente
behandelt ; den Vorzug haben jedoch entschieden
die Gräber.
Aber damit ist es nicht abgethan. Das Hand-
werk bildet Talente, und diese bringen ihre Werke
zu Tage. Es sind ganz artige Betriegereien einge-
richtet, um den Reisenden das Geld aus der Tasche
zu holen, und die Leichtgläubigkeit der Sammler
für die Museen zu besteuern. Besonders mit den
Papyrusrollen muß man auf der Hut seyn; häu-
fig sind sie aus Stückwerk zusammengesetzt, und
dann mit Pech überkleistert, auch fehlt es an Schwü-
ren nicht, daß sie gerade so an der oder jener Mu-
mie gefunden worden seien.
399
"Jeder Schulknabe glaubt sich bei uns berufen,
den Türken und anderen Mahomedanern, die Zer-
störung der Monumente des Alterthums vorzuwer-
fen, und wer das nicht für eine ausgemachte Sache
annimmt, kann von Glück reden, wenn er mit dem
Titel eines Unwiffenden davon kommt. Ich habe
ganz Griechenland, einen Theil von Asien, Ägyp-
ten und Nubien durchreiset, und an vielen Monu-
menten Zerstörungen verüben sehen: die Zerstörer
waren aber jedesmal Europäer; Wiffenschaft war
ihr Aushängeschild; Gewinnsucht ihr Beweggrund.
Ende des ersten Theils.
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Gedruckt bei I., P. Seitinger,
Österreichische Nationalbibliothe
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