--- title: Z224516808 author: source: publication-date: layout: narrative --- MENTEM AL T ET EXCOLT TIMET D 0,0 K. K. H OF B 1 B L 1 O T HE K OSTERR. NATIONALBIBLIOTHEK -13.F2_S - U M B L I C K AUF EINER IREISE V O N CONSTANTINOPEL NACH BRUSSA U N D D E M O L Y M POS, UND voN DAZURÜCK ÜBER NicÄA UND NIcoMEDIEN VON JOSEPH V. HAMMER. Mit Kupfern , Karten und Inschriften. ---- - PEST H , 1 81 8. B E Y- A D O L PH HI A R T L E B F N. - Nr.-H.-.-V. "-"/"- ------------------ NAA-"-A-.."-N----------------- VW i e n , gedruckt be y Anton Strauss. ------- --------------------------- ------------------- AN-Nºw-Aw-vºr-Aw/w -- Ars A N I H R E M A J E ST Ä T DIE ALLERDURCHLAUCHTIGSTE KAISERINN voN ÖSTERREICH KÖNIGINN VON UNGARN UND BÖHMEN CAROLINE AUGUSTE. Allergnädigste Frau! Die Gnade, womit Seine Majestät der Kai- ser die Zueignung meiner topographischen An- sichten anzunehmen geruhten, hat mir die Huld verbürgt, womit EURE MAJESTÄT diesem Buche, als dem Seitenstücke zu je- nem , ALLERHÖCHST Dero Nahmen vor- zusetzen erlaubet haben. Die Ortsbeschreibung dieser classischen Gegend dürfte ALLERHÖCHST Dero Blick um so mehr auf sich ziehen, als Seine könig- liche Hoheit der durchlauchtigste Kronprinz von Bayern den heiligen Boden hellenischer Weisheit und römischer Regierungskunst mit classischem Sinne, für das Grosse und Schöne in jeglichem Zweige menschlicher Bildung und Beglückung, zu durchwallen gesonnen ist. * 2 Und welcher Nahme stünde würdiger an der Spitze der Beschreibung des Olympos als der EUERER MAJESTÄT, Allerhöchst wel- che durch den Segen der Vorsehung auf das Hochgebirge menschlicher Grösse und Herr- lichkeit gestellt den Fürstinnen und Völkern der Welt als der erhabenste Gipfel weiblicher Tugend im reinsten ätherischen Lichte vor- leuchten. In der bewundernden Verehrung dessel- ben lebe ich Euerer Majestät - allerunterthänigster allergehorsamster allergetreuester Joseph von Hammer. Verbesserungen. Seite Zeile 2 12 steppen statt streppen. Z0 letzte Pococke – Pocoike. 106 in der Note Nicomedia – Nichomerlin. 116 in der Note trecentum – trecentrum. 118 7 Ianame – Irmaane. 163 9 zuzuströmen – zuströmen. V or rede. Es war im August 18o4, als der Verfasser dieses Ortbeschreibenden Umblickes, damahlsk. k. Öster- reichischer Gesandtschaftssecretär zu Constantino- pel, sich mit Freyherrn von Bielfeld, k. preussischem Geschäftsträger , und Herrn Stratton, k.brittischen bevollmächtigten Minister an der osmanischen Pforte, zu der Lustreise nach Brussa und dem Olympos, und dem Rückwege über Nicäa und Nicomedien vereinigte. Ausser der, bey allen an Naturschönheiten ge- wöhnten Eingebornen nördlicher Länder begreifli- chen, Sehnsucht, sich von einer immer vor den Augen ausgebreiteten Meeresfläche wieder einmahl in die höheren Gebirgsregionen zu erheben, und dem dar- aus erwachsenen Verlangen, den Olympos zu bestei- gen, der als der Gränzwächter des Taurus den Be- wohnern Constantinopels in beständiger Sicht mit unveränderlich weissbehaubtem Schnee-Haupte auf W1II die grossen Land- und Seemarken der Propontis und ihrer beyden Arme, den Bosphoros und den Helle- spontos, ernst und kalt herabschaut; ausser diesem, nordischer und insbesondere norischer Brust ein- gebornen, Verlangen lud uns noch zu diesem Ausfluge der alte Ruhm und grosse Nahme der drey Haupt- städte Bythiniens, der Residenzen der bythinischen Könige, der bysantinischen Kaiser und der osmani- schen Sultane, berühmt durch ihre Wichtigkeit und Bedeutsamkeit in der Geschichte der Natur und der Staaten; in jener, Brussa durch seine warmen Bäder und Heilquellen; Nicäa durch seinen salpeterge- schwängerten und doch fischreichen See; Nicome- dien als der Schauplatz zahlreicher Erdbeben und Grundverwüstungen: in dieser, das erste als die Thron- und Grabstätte des osmanischen Herrscher- hauses vor der Erbauung Constantinopels; das zwerte durch die erste ökumenische Kirchenversammlung und die Belagerung der Kreutzfahrer, das dritte als Stapelstadt des östlichen Handels merkwürdig genug Endlich reitzte uns noch die Küstenfahrt als die Uſer- reise längs den Gestaden der beyden sich im gemein- schaftlichen Vorgebirge Posidonium (Bosburun) be- rührenden Meerbusen (des cianischen und des asta- kenischen,) heute der von Modania und Isnikmid genannt. In jenem hatten die Argonauten, die Rö- mer und die Araber gelandet, in diesem starb Con- IX. stantin , ward Helene geboren und Hanibal be- graben. Welche Erinnerungen weckten nicht diese Nahmen in uns, besonders der des letzten zu einer Zeit, wo die Macht des Welteroberers Napoleon noch von keinem Hannibal gebrochen, und das feste Band Europas noch durch keinen Völkerbundentjocht war; wo mit jedem Couriere Nachrichten von weiter grei- fender Eroberungssucht des Siegers und tieferer De- müthigung der Besiegten einliefen; Hiobsposten, welche noch überdiess durch die immer rege Ge- schwätzigkeit perotischer Diplomatik unablässlich ver- giftet wurden. Zum Theil also auch, um wenigstens dieser diplomatischen Krähwinkeley, zwischen dem Abgange und der Ankunft der gewöhnlichen halbmo- nathlichen Post auf vierzehn Tage zu entfliehen, und in den Armen der grossen und schönen Natur frey zu athmen, ward dieser Ausflug unternommen und als unverbrechliches Gesetz gemeinschaftlich verabredet, dass binnen dieser vierzehn Tage kein Wort von Politik gesprochen, auch der Nahme Napo- leon von uns nicht einmahl genannt werden sollte. Es fiel nicht schwer, das gegebene Wort zu halten; die Schönheit der Natur und der Ernst der Geschichte gingen sinnenberauschend und geistererregend an uns vorüber, und wir sammelten in diesen Paar Wochen einen Reichthum von schönen Bildern und histori- schen Erinnerungen fürs Leben. Wird in den Paar Stunden, welche der Leser dem Durchfluge der Beschreibung dieses Ausflugs schenkt, der Genius der beschriebenen Orte und der zurückgerufenen Zeiten ihn aus diesen Blättern anhauchen, so ist es kein leerer Wahn, dass die Ge- genwart dieses Genius den Reisenden an Ort und Stelle kräftig und schöpfend ergriff. I. Weg von der Küste nach Brussa. Den Reisenden , der von Constantinopel die Reise nach Brussa zu Wasser unternimmt, empfängt, als dieser Stadt nächster Landungsplatz, die Havenstadt Modania in dem Meerbusen, dem sie den Nahmen gibt. Die Kü- ste gewährt dem Anblick rohen und unbebauten Landes; gegen das Vorgebirg Triglia, an dem südlichen Ende des Busens gelegen, schlägt das Meer an den Fuss des sich zu selbem hinabsenkenden Gebirges, und lässt nur ei- nen schmahlen Streif vom ebenem Ufergrund, auf dem die Dörfer Sigle und Triglia angebaut sind, jenes zwey, die- ses drey Stunden vom Modania entfernt. Auf dem Wege dahin, und eine halbe Stunde von der Stadt, hängt an dem Abhange des Gebirges ein aus zwanzig und einigen Häusern bestehendes Dörfchen, auf türkisch Jeniköi (Neu- dorf), auf griechisch Albanitochori (Albaneserdorf) ge- nannt; dieser doppelte Nahme enthält die Geschichte sei- ner Gründung, indem es vor fünf und zwanzig Jahren von beyläufig eben so vielen albanischen Familien, die hier eine Zufluchtsstätte suchten und fanden, angebaut ward. Auf der andern Seite Modania's und gegen die Mitte des Meerbusens entfernt sich das Gebirg vom Ge- stade, das hier, bald mehr bald weniger als eine Stun- de breit, ein wohlbebauter Küstenstrich ist; die Dörfer Burgas (Burg oder Thurm von rupyos), oder Neochorati (Neuburg), Altuntasch (Goldstein), Kurschunlü (Bleyern) A 2 Gendschel (Winkelried), und Engurdschik (Gurke oder Gurk), jedes eine Stunde von dem andern gelegen, be- zeichnen in gleichem Entfernungen die Strasse von Mo- dania nach dem Städtchen Gemlik in der grössten Tiefe des Meerbusens. Die drey erstgenannten Dörfer iiegen hart am Meere, die zwey anderen eine Stunde landein- wärts am Fusse des Gebirges, von dem sich Salinen bis zum Meere herab - ziehen. Engurdsche ist durch seine Gurken, und Triglia durch seine Oliven berühmt. Modania berändert das Meer mit einem langen Darm ärmlicher, halbverfallener Häuser ohne Scalen oder Lam- dungstreppen. Es gibt deren für das ganze Städtchen eine einzige, hart an welcher sich, wie natürlich, die Mauth befindet, ein nicht unwichtiger Posten, weil Mo- dania die Stapelstadt von Brussa und der Ausfuhrsort der Erzeugnisse der Umgegend ist. Diese Stadt wurde im Jahre d. H. 761 (Chr. 1351) un- ter Osman's I. Regierung auf seine ausdrücklich gegebene Erlaubniss, und unter dem Segen des frommen Derwi- sches, Hadschi Begtasch, des nachmahligen Heiligen der Janitscharen , erobert, und das Schloss derselben, aus Furcht der Wiedereroberung, zerstört. Die Ortsobrig- keiten sind der Woiwoda, welcher die Einkünfte des Grundes und Bodens, als dem Pascha von Brussa gehö- rig und von demselben abhängig, verwaltet; der Mauth- ner, der über die Entrichtung der gewöhnlichen Mauth- gebühren - und insbesondere der neuen Auflagen auf die Seide wacht, und der Richter, dessen ursprünglicher Gehalt (die Prozesskosten und Sporteln nicht mit einge- rechnet) auf tägliche 15o Aspern (d. i. 5o Paras) oder 3 einem und ein viertel Piaster festgesetzt ward. Sie zählt drey Moscheen und eben so viele Chane oder Waaren- miederlagen der Kaufleute, ein Bad, eine türkische und eine griechische ABC Schule. Die Einwohner, mei- stens Griechen, leben vom Garten- und Weinbau, und Modania's Feigen und Trauben, Most und Essig stehen im grössten Rufe. Einen neuen Anspruch darauf mag dieser Stadt in Europa der Umstand geben, dass sie der Geburtsort der durch ihre Schönheit, Liebenswürdigkeit und ihren Geist viel berühmt gewordenen Sophia, ehe- mahligen Witt und dermahligen Gräſinn Potocka ist, welche, die Tochter eines hiesigen griechischen Wirths, sich wohl in ihrer Jugend nie von dem in ihrem Al- ter entworfenen Plane, in Russland eine Stadt anzu- legen, träumen liess. Sobald man Modania eine Viertelstunde hinter sich hat, gegen Südwesten, und auf der rechten Seite der Strasse gegen Brussa, liegen, mitten unter dem Weingär- ten, die Ruinen zerfallener Mauern, deren Steine durch die Landesbebauer neu aufgeschichtet, Gartenmauern wider die herabrollende Erde bilden. Die VWurzeln der Maulbeerbäume haben sich durch die Massen der Grund- festen ihren Weg gebahnt, und grosse behauene Stein- blöcke sind vom wuchernden VWeinlaub versteckt; diese Mauern tragen nun, statt Thürmen, Bäume; sie schir- men keine Stadt mehr, sondern nur Pflanzungen, und die Fruchtbarkeit des Bodens hat ihre Rechte, wider die Usurpation der Bauten, geltend gemacht. Diess sind, der Lage nach zu urtheilen, die Reste der alten Stadt Apamea, deren Nahmen sich in dem der Ruinen erhal- A 2 4 tem hat, welche von den Einwohnern Amapoli genennet werden. Von hier angefangen stellt das Land das schön- ste Gemählde wuchernder Pflanzung und emsigen An- baues dar. Man fühlt sich von allem Zauber des Him- melsstriches Kleinasiens umfangen, und vergisst dabey, dass man sich in der Türkey befindet. Die Strasse ist von beyden Seiten mit Weingehegen und Maulbeerpflan- zungen eingesäumt, wie die schönsten Strassen Italiens. Kühle Quellen, die sich in gewölbten Behältnissen sam- meln, oder aus Fontainen hervorspringen, tränken über- all den durstigen Wanderer und Boden. Nach einer hal- ben Stunde immer aufsteigenden Weges erblickt man rechts auf der Höhe des Berges Misopolis, ein grosses von Griechen bewohntes Dorf, und eine Stunde weiter zieht man durch das türkische Dorf Tschakirchan, mit einem Tschiftlik oder Meyerhof, dem Charadschoghli, ei- nem der reichsten Bewohner von Brussa, gehörig. Die . Strasse, die bis hierher gestiegen, senkt sich nun wei- ter fort auf der andern Seite des Bergwalles, welcher Brussa's Ebene von dem Meere trennt. Eine Schlucht, durch welche sich der Weg senkt, öffnet auf ein Mahl die grosse Aussicht der Ebene und des Flusses und des Hügeldammes, von denen sie durchschnitten wird, und der grossen Masse des Olympos im Hintergrunde. Nach einer halben Stunde Weges übersetzt man den Nilufer (Lotos Nemufar), im Sommer denselben zu Pferde durch- watend, im Winter mittelst einer steinernen Brücke. Dieser Strom, der als silberne Schlange auf der Paradie- sesfläche Brussa's ausgedehnt liegt, verdient seinen schö- nen Nahmen, sey es, dass er denselben in ältester Zeit - 5 vom Lotos erhalten, der nach Homeros auch an den Ufern des Simois und Skamandros üppig sprosste, sey es, dass er demselben, wie die türkische Sage es will, der schönen Sultaninn Nilufer, der Gemahlinn Orchan's, dankt. Nachdem man über denselben gegangen, führt der Weg durch das, in einer kleinen Entfernung vom Flusse mitten unter Kornfeldern gelegene türkische Dorf Besler (Nährend). Sanft erhebt sich der Weg durch die Hügelreihe, die zwischen dem Olympos und dem Meere mit dem zurückgelassenen Gebirgswalle fast gleich läuft. Mit dem Vordringen in die Thalschluchten verliert sich die Aussicht, und erst nach einer Stunde, bey’m Dorfe Ahmedie, thut sich die Ebene von Brussa in ihrer gam- zen herrlichen Weite auf, und das Auge misst in seiner ganzen Grösse den Riesen des Olympos vom Kopfe , den - die Stirmenbinde ewigen Schnees schmückt, bis zum Fus- se, den die Gärten Brussa's, wie ein reiches kaschmiri- sches Shawl umhüllen. Noch eine Stunde zieht man, aber ohne sich, wie bisher, des Schattens der Bäume als Schutz wider die Hitze der Sonne zu erfreuen, bis man zum zweyten Mahle dem Nilufer begegnet, der nun in einer ganz entgegengesetzten Richtung daher strömt, so, dass es für den Augenblick zweifelhaft wird, ob es wohl ein und derselbe Fluss mit dem bereits durchwate- ten sey. Diesen Zweifel veranlasst sein schlangenförmi- ger Lauf, mit welchem er, seine schönen Ufer mit Be- dauern fliehend , denselben wieder sehnsüchtig entge- gen eilt, aber dadurch auch in vielen Niederungen und Armen austretend und Sümpfe bildend die Luft mit gif- tigem Fieberhauch verpestet. Er entspringt in den west- 6 lichen Thälern des Olympos, umfängt denselben in sei- ner ganzen Breite von Westen nach Osten, nimmt in seinem Laufe alle Bäche und Gebirgsströme der östlichen Thäler des Olympos auf, kehrt hierauf in der Richtung seines ersten Weges zurück, umgürtet das Ende der Hügelreihe , welche die Fläche durchschneidet, fliesst dann längs derselben und in einer seiner ersten ganz ent- gegengesetzten Richtung, nähmlich von Osten nach We- sten gegen den Rhyndakos, mit dem er seine Wasser, ein wenig ober der Mündung desselben , vereinigt. Nächst der grossen steinernen Brücke bey dem zwey- ten Übergange über den Nilufer ist eine grosse Fontaine, welche Adschemler tscheschmessi (der Perserbrunnen) heisst, mitten auf einer kleinen von Platanen beschatte- ten Halbinsel des Flusses. Eine so mehr erquickende Ruhestätte für den Labsalbedürftigen Wanderer, der die- ses VVeges nach Brussa zieht, als ihm seit einer Stunde weder Quell noch Baum liebliche Kühlung oder freund- liches Obdach gewahret. Nur wer im Morgenlande in der brennenden Hitze des Sommers gereiset ist, kann mit gebührender Dankbarkeit den Werth dieser öffent- lichen Anstalten erkennen, welche die Grossmuth und Frömmigkeit auf den Landstrassen Kleinasiens und Sy- riens vervielfältiget hat. Der Reisende, von Hitze er- mattet und von Müdigkeit erschöpft, segnet vom Grun- de seines Herzens den Stifter oder die Stifterinn, welche eine Inschrift in Prose oder Versen mit passenden Sprü- chen aus dem Koran oder dem Chronographe der Er- richtung meldet. Aus allen frommen Stiftungen, welche die Religion des Moslim's, als gute Werke, mit einem 7 Verdienstdiplom für diese und jene Welt adelt, sind Brunnen und Brücken, wenn nicht (wie Moscheen und Schulen, Krankenhäuser und Armenküchen) die verdienst- lichsten für den Stifter, doch (nebst den Karawanserais) die erspriesslichsten für den Sohn der Strasse, welcher ohne dieselben auf seinem Wege, durch den Überfluss der Ströme aufgehalten, oder durch den Mangel an Quel- len verschmachten würde; daher auch viel verdienst- licher als die frommen Stiftungen der Bäder und Brun- nenhäuser in den Städten, welche durch gehitztes und eisgekühltes Wasser bloss für Reinlichkeit und Sinnes- lust sorgen. - Die Fluth des unmittelbar vor dem Eingange Brus- sa's gelegenen Perserbrunnens *), welche aus mehr als einer Röhre gewaltsam hervor sprudelt und ganz allein einen Bach bildet, verkündet im voraus den Überfluss des Wassers, der den Wanderer auf der itzt aufsteigen- den Höhe des Olympos und in der Stadt erwartet, de- ren Kuppeln und Thürme nun mitten aus dem grünen Gewirre von Gärten und Pflanzungen hervor scheinen. Das Dorf, oder vielmehr die Vorstadt Tschekirdsche , auf der unmittelbar von der Fontaine an sich erhebenden Höhe gelegen, stellt sich mit der grossen Moschee und seinen Bädern als das schönste Gemählde dar. Von Seite der Stadt laufen mehrere Strassen, alle mit grossen Stei- *) Durch den Nahmen dieser Fontaine ward Le Chevalier vermuth- lich veranlasst, die entscheidende Schlacht zwischen Timur und Bajasid aus der Ebene von Angora in die von Brussa zu verlegen, was eben so unrichtig ist, als der auf seiner Karte gezeichnete Rinnsal des Nilufer, der bey ihm in gerader Linie dem Meere zulänft. 8 men gepflastert und von grossen Bäumen beschattet, auf den Perserbrunnen als ihr gemeinschaftliches Gesichtsziel aus. Die grösste derselben führt von hier, fast geraden Weges und immer aufwärts, an die Thore der Stadt. Erst glaubt man sich nur in der Allee eines grossen Gartens; das üppige Wachsthum der Bäume verbirgt von allen Seitem die Aussicht, nur die höchste Kuppe des Olymps erscheint am Ende der Allee wie die Kuppel eines gros- sen Gebäudes an dem Ende einer Allee eines grossen Parks. Immer führt der Weg hinauf unter dem schwei- genden Schatten, wie der Probepfad des Pythagoräers unter Schweigen zur Vollendung. Auf ein Mahl stören die heilige Stille zwey Fontainen, welche von beyden Seiten des Weges ihre Wasser murmelnd sich einander entgegen giessen; rechts erhebt sich ein Felsen, ganz mit Grün bekleidet, und links ein mahlerischer Köschk, und hier thut sich die volle Aussicht des Zaubertha- les auf. Ein unermesslicher Hain von Maulbeerbäumen, de- ren wogende Gipfel ein weites Meer bilden, das, so fern die Blicke reichen, grüne Fluthen schlägt. Aus der Mitte desselben erheben sich, als Zauberinseln, die ma- jestätischen Dome der grossen Bäder, die im Sonnen- glanze wie die Magnetberge oder Demantkuppeln im grünen Meere der blauen Mährchen der tausend und ei- men Nacht strahlen. Mit jedem Schritte näher gegen die Stadt belebt sich die Scene mit neuem Zauber. Köschke, Fontainen, Bäder und Moscheen erheben sich überall, oberhalb der Strasse auf dem Berge, und unterhalb der- selben im Thale, und nachdem der Blick eine halbe 9 Stunde lang von Domen zu Kuppeln geflogen, und von den Spitzen der Minares zu dem Gipfeln der Cypressen auf den goldenen Seilen der Abendsonne hin und zu- rückgetanzt hat, hemmt seine weiteren Ausflüge das Stadtthor Beschikler kapissi (das Wiegenthor) genannt. II. B r u s s a. Die Stadt Brussa besteht aus der eigentlichen Städt, aus dem Schlosse und aus den Vorstädten. Das Ganze bildet eine Binde von Gebäuden in der Länge einer Stun- de und kaum eine Viertelstunde breit, welche auf dem letzten Abhange des Olympos dem Fuss desselben als eine prächtige Sandalenbinde umfängt. Eine einzige Schlucht, Gögdere (das himmlische Thal) genannt, durchschneidet die Stadt und verlängert ihre Mündung bis jenseits der- selben in die Fläche hinaus. Die Vorstädte stossen an die äussersten Ende dieser langen Fussbinde desOlympos, und das Schloss erhebt sich in der Mitte der Stadt über senkrechten Felsen. Man ersteigt dasselbe von der Nord- seite aus durch das Tellerthor (Tabak kapissi), von der Ostseite durch das Erdenthor (Jer kapissi), und von der Westseite durch das Bäderthor (Kaplidscha kapiss). Diese drey Thore führen von der Stadt hinauf; oben aber geht man von der Seite des Bergs, d. i. von der Südseite hinaus durch das Kerkerthor (Sindan kapiss) - a IB IO und das VWasserthor (Su kapiss). Diese führen auf einen schmahlen Streif von VWiesen und Gärten, welcher den Rücken des Schlosses von den Höhen des Olymps trennt. Der Weg geht hier ebenen Fusses heraus, ungeachtet der beträchtlichen Höhe, die von der Seite der Stadt zu erklimmen ist. - Die vorzüglichsten Vorstädte sind: von der West- seite, woher der Weg von Modania führt, das Dorf Tschekirdsche (Heuschreke), auf dem östlichen Abhan- ge des Olympos unmittelbar ober der Perserfontaine ge- legen; in der Ebene die beyden grossen Badeörter Eski Kaplidscha und Jeni Kaplidscha *), d. i. das alte und neue warme Bad; an dem anderen Ende der Stadt, auf dem Wege der von Nicäa her führt, liegt die Vorstadt Emir Sultan mahallessi, d. i. das Viertel des Heiligen Emir Sultan. - Die Vorstädte von Tschekirdsche und Emir Sultan zeichnen sich dem Auge des Reisenden, der von einer *) Der Nahme Kaplidscha ist aus dem griechischen zart»c; d. i. Rauch, entstanden, weil alle heissen Quellen dampfen; der ei- gentliche türkische, und sonst in Kleinasien übliche Nahme ist Ilidsche; auf Persisch heissen die warmen Bäder Germ ab, d. i. warmes Wasser, oder Teb ris d. i. lauſliessend. Das persischc Germ ist augenscheinlich dasselbe Wurzelwort, als das deutsche warm, und Teb findet sich in den Ortsnahmen mehrerer euro- päischen warmen Bäder, die Teplitz heissen, wieder. Vielleicht dürfte auch das altdeutsche Dobel, das einen Wald bedeutet, zunächst nur das Gebüsch um warme Quellen bedeutet haben, und daher Dobelbad und Döbling ihren Nahmen ursprünglich aus dem persischen Teb (Lau) ableiten können. Da das grie- chische Geºpa auch aus dem persischen Germ entstanden ist, so hat der Türke durch Kaplidscha vom Griechen für dieselbe Sache ein anderes Wort übernommen, als ihm der Perser gegeben. I1. dieser beyden Seiten kommt, durch zwey schöne Mos- cheen aus. Die erste vom Oberrichter Sultan Orchan's erbaut, stehet noch in der einfachen VWürde der alten Baukunst da, die zweyte durch Feuer im Anfang dieses Jahrhunderts zerstört, ward seit dem mit aller Zier- lichkeit der neuen Baukunst wieder hergestellt. Wie diese beyden Moscheen als Vorwachen der Frömmigkeit und Andacht sich an den beyden äussersten einander entgegengesetzten Zugängen der Stadt erheben, so ste- hen zwey andere unmittelbar an den beyden einander entgegengesetzten Eingängen der Stadt; auf der West- seite die von Sultan Murad, und auf der Ostseite die vom Sultan Bajasid; eine und die andere gewähren höchst mahlerische Gesichtspuncte, die erste durch die Höhe ihrer Dome und der Cypressen, die sie beschatten, die zweyte durch die edle Einfachheit des Peristyls und ih- rer Form. In der Stadt selbst ragt die grosse Moschee, welcher dieser Nahme ausschliesslich vor allen ande- rem wohl gebühret, durch ihren Kuppelwald, unzerstört von den Verheerungen des Wetters und des Feuers, weit hervor. In dem Umfange des Schlosses ward die alte Cathedralkirche durch Orchan in eine Moschee verwan- delt, und auch eine andere von ihm inner den Mauern des Pallastes der erstem Sultane der Osmanen erbaut. Endlich zeichnen sich noch die beyden Wallfahrtsorte von Murad Abdal und Séid Nassir aus, welche hinter dem Schlosse auf einer ziemlichen Höhe des Olympos gele- gen, die Stadt und die schöne Aussicht rings umher be- herrschen. Nachdem wir uns auf solche Art in der Ört- lichkeit der Stadt durch ihre Lage und hervorspringen- B 2 1 2 den Gebäude orientirt, wollen wir im Einzelnen ihre Natur- und Kunstschönheiten, ihre Spatziergänge, Was- ser und Bäder, ihre Moscheen, Klöster , Grabmahle und das Schloss besuchen. » 1. D ie Sp a t zi e r gä ng e. Bekannter Massen liebt das Volk, so im Morgen- als Abendlande, runde oder merkwürdige Zahlen, um da- mit die Grösse und den Umfang irgend eines grossen Denkmahls der Baukunst bedeutsam auszudrücken. Die bescheidensten sind die Vierziger, die prahlendsten die Tausend und Einen, und zwischen beyden stehen die Dreyrhundert fünf und sechziger. Den ersten danken ihren Nahmen die Ruinen von Persepolis Tschehel sutun , d. i. die vierzig Säulen, die Stadt Saranda eklisie, d. i. die vier- zig Kirchen, und die Wasserleitung Suleimans des Gros- sen zu Constantinopel Kirk tscheschme, d. i. die vierzig Brunnen zu Constantinopel, so, dass der Perser, Grie- che und Türke (durch Tschehel, Saranda und Kirk) ein- stimmig den hohen VWerth der Zahl vierzir ehrt. Die phantastische Zahl der Tausend und Einen Nacht (wel- che die Franzosen in Tausend und Einen Tag, Stun- den und Viertelstunden nachgebetet haben, welche aber auch aus dem persischen Roman Elfie we schelfie, d. i. die Schöne mit Tausend und Einem Liebhaber, im Persien sehr berühmt ist), haben die Türken als Ortsnahmen so- wohl der grössten Cisterne zu Constantinopel, welche 13 sie Tausend und Eine Säule nennen, als einer der schön- sten und wasserreichsten Alpen Kleinasiens, welche Tau- send und Ein, oder öfters auch rundweg Tausend Seen heisst, beygelegt. Die Zahl von Dreyhundert und fünf und sechzig endlich, als die der Tage des Jahres, diente von je her , sowohl im Morgen - als Abendlande, um bey grossen Pallästen und Städten die Zahl ihrer Fenster und Kirchen zu bezeichnen. So mennet dieselbe dem Besu- cher bey uns der Führer durch die Palläste Czernin's und Herberstein's zu Prag, und Eggenbergs bey Grätz, und die morgenländische Sage zählt in mehreren Städ- ten, wie z. B. in Famagusta auf Cypern, und in An- tiochien dreyhundert und fünf und sechzig Kirchen auf, und so auch in Brussa dreyhundert fünf und sechzig Be- lustigungsorte und Spatziergänge. Der grösste Liebhaber von Spatziergängen würde sich umsonst Mühe geben, diese angegebene Zahl mit bestimmten Nahmen und Richtungen hier zu erfragen, und wird, wenn er Brussa besucht, uns Dank wissen, dass Dreyssigstel dieser Zahl , d. i. statt dreyhundert sechzig , zwölf, und also statt für jeden Tag, doch für jeden Monath des Jahres, einen mit bestimmter Benen- mung und Wegeweisung aufgefunden zu haben. Den drey schönsten, vom Quellenhaupte, vom Him- melsthale, und vom Nelkengarten, wird in dem folgenden Abschnitte bey Gelegenheit der Wasser, welche dort entspringen, das gehörige Lob; von drey anderen, nähmlich von den Spatziergängen Murad Abdal's, Séid Nassir's, und des Mewlewichane, wird bey Gelegenheit der Grabmahle und Klöster, von denen sie den Nahmen 1 führen , Erwähnung geschehen - und die sechs übri- gen sind: Fsstikli (der Piniengang), ein heimliches Dickicht von Pinien und Cypressen. Kapl kaja (der bedeckte Fels), ein mit Wald und Wiesen geschmücktes einsames Felsenthal, das der Ab- geschiedenheit willen die Nachtigall zu ihrem Lieblings- aufenthalte erwählt. Tschamlidscha (das Tannengehölz), eine dichte Wald- masse von Tannen und schattigen Bäumen, welche den Wanderer aus den Paradiesen des Ostens in die Haine des Nordens zurück zaubern. Das Köschk Abdol-Mumins, (das Lusthaus des Die- mers des Gläubigen) ein herrlicher Erlustigungsort, der sich auf der ersten Stufe des Olympos hinter dem Schlosse wie das schöne Lustschloss Röthelstein auf dem Kloster- kogel gegenüber dem herrlichen Alpenstifte Admont in der Steyermark, erhebt. .. Ain assa (der Quell des Stabs), eine halbe Stunde öst- lich von der Stadt am Saum des Olympos, ein grosser VVald edler Kastanien, deren Früchte ihrer Grösse we- - gen nicht minder berühmt sind, als der hier hervor- sprudelnde reine Quell, welchen der Heilige Emir Sul- tan, ein zweyter Moses, mit seinem Wunderstabe hervor- gerufen haben soll. Sobran, ein wilder Kastanienhain, den weder An- bau noch Sage, sondern bloss die schöne Wildniss der Natur als anmuthigen Spatziergang empfiehlt. Diese Haine von Cedern und Cypressen, von Platanen und Pinien, von Kastanien und Tannen, durch den reich- 15 sten Überfluss an klaren Quellen und springenden Brun- nen bewässert, diese Frische des Schattens und des Grüns, diese Üppigkeit der Früchte und der Wasser, welchc das Morgenland von je her seinen Paradiesen, und der Koran wörtlich dem des Islam's zum Grunde gelegt hat, würden hinreichend gewesen seyn, den Ruhm der schö– men Lage Brussa's im ganzen Morgenlande zu verbrei- ten, wenn auch diese Vorzüge der Natur die ersten Sul- tane der Osmanen nicht bewogen hätten, ihr vor an- deren Städten den Vorzug zu geben - und hier ihre Re- sidenz aufzuschlagen, wenn sie auch nie weder durch ihre Seidencultur, noch durch ihre Sammetfabriken als eine der ersten Handelsstädte Anatolien's geblühet hätte. Morgen- und abendländische Erd- und Reisebeschreiber haben im Osten und Westen nur zwey Städte gefunden, welche durch die Schönheit ihrer Lage und den Reich- thum ihrer Naturgaben mit derselben verglichen zu wer- den verdienen, Damaskus und Granada. Beyde diese Städte, die Residenzen der Chalifen aus dem Hause Om- miah im Orient und Occident, sind von syrischen und andalusischen Dichtern im höchsten Glanze arabischer Poesie gefeyert worden, und Lobredner haben auf die- selben die Koranstellen von der Schönheit des Para- dieses angewendet. Eben so haben türkische Dichter die erste Residenz der Sultane aus der Familie Osman im höchsten Schwunge des Liedes gefeyert, und in ih- rem Schehr engis, d. i. Stadtaufruhr, genannten Lobge- dichten, nicht nur die Schönheit der Frauen und Jüng- linge Brussa's als die ganze Stadt durch Liebe in Aufruhr setzend, sondern auch die Schönheit der Stadt selbst 16 als eine solche gepriesen, welche die schönsten Städte der Welt durch Eifersucht in Aufruhr setzt. „“ 2- D ie PV a ss e r. Überall begegnet der Blick einer unzählbaren Men- ge von Quellen und Brunnen vom kalten und warmen Fluthen; sie schiessen aus den Felsen, sie sinken aus den Mauern hervor, sie fliessen in Canälen unter den Füssen und in Wasserleitungen ober dem Haupte, sie rieseln und schlängeln sich auf der Erde und längs der Strasse in allen Richtungen fort, sie steigen in künstli- chen Röhren auf, und stürzen in natürlichen Fällen herab, sie befeuchten den Teppich der Gärten, und le- gen den Staub der Wege, sie sieden und sprühen, sie kosen und tosen, sie springen und singen von allen Sei- ten, als die grosse lebendige Wasserorgel der Natur. Un- ter diesem überall regen Gewimmel und Getümmel kal- ter und warmer Wasser, welche in Brussa dem Wande- rer auf allen Schritten und Tritten, rechts und links, oberhalb und unterhalb des Weges, aus Felsen und Be- hältern, aus Brunnen und Fontainen, aus Canälen und Bädern entgegen sprudeln, murmeln, fluthen und dam- pfen, zeichnen sich drey kalte Quellen aus, so reichhal- tig, dass sie gleich bey ihrem Ursprung Bäche bilden, und mit ihrem Wasser die verschiedenen Quartiere der Stadt versorgen; dann sieben warme Quellen so heil- sam, dass man dieselben mit Gebäuden umfangen, und 17 dass durch sie Brussa schon von der ältesten Zeit her im Morgen- und Abendlande weit berühmt geworden. Drey Bäche sind: der vom Bunarbaschi , welcher, wie der Scamander auf Troja's Ebene, ausschliesslich das Quellenhaupt heisst; der von Gögdere, d. i. vom himm- lischen Thale, und der vom Aktschaghlan, sonst auch das Wasser Mir Alischir's genannt. Diese drey Wasser sind gleich berühmt durch die Schönheit der Gegend, wo sie dem Olympos entquellen, und durch die krystallhelle Klarheit und Vortrefflichkeit ihrer Fluthen. Der Bunarbaschi oder das Quellenhaupt entquillt um- mittelbar unter dem VVallfahrtsorte Murad Abdals hin- ter dem Schlosse. Die Hauptquelle, welche rein und silbern, wie eine der Paradiesesquellen aus dem Felsen springt, wird von einem Canale aufgenommen, in des- sen marmorne Wände Soffa's gehauen sind. Hier ver- sammelt sich zu allen Stunden des Tages eine Menge von Natur- und Neuigkeitsliebhabern, von Neugierigen und Müssigen, von Rednern und Horchern, von Mü- den und Munteren, vom Kranken und Gesunden, von Einheimischen und Fremden, die auf weichem Teppi- chen gelagert in langen Zügen die Düfte des Tabaks und die Würze des Kaffeh's einschlürfen; in süsses Geschwätze oder in noch süssere Träumereyen versenkt, sitzen sie am Rande dieses Canals, dessen helle Fluth den weissen Glanz des Marmors, durch den sanften Wiederschein grüner Lauben und des blauen Himmels gemildert, zu- rückspiegelt. Der Moslim wähnt sich hier im voraus am Rande des Selsebil's, d. i. des Paradiesesquell's, der silbern in silbernes Becken springt, und den ihm die Huris mit C 18 Silberleib und Silberstimme credenzen werden. Die Stel- le der Huris vertreten unterdessen hier die Weiber der Stadt, welche wie Nausikaa hierher kommen, ihre Wä- sche zu waschen"), zunächst ganz nah am Canale bey'm Zusammenfluss von fünf anderen Quellen, welche jede beyläufig einen Arm dick hier der Erde entquellen, sich dann mit den Wassern des Canals vereinigen, und mit demselben in das Schloss fliessen, nicht weit vom VVas- - serthore , das davon seinen Nahmen erhalten. - Vor dem zweytem Thore des Schlosses, dem Kerker- thore Gindan kapissi),“ erhebt sich ein gemauerter Pfei- ler, in welchem das Wasser hinauſsteigt und wieder herabfällt, weil es nach den Begriffen der türkischen Hy- drostatik hiedurch mehr Kraft erhalten soll, um den gegebenen Punct , wohin es geleitet wird, in aufsteigen- der Richtung zu erreichen. Diese sogenannte Wasser- waage Su terasussi, (schon von Plinius Libramentum aquae geheissen), erbaute ein Beg der Mamluken, der aus Kairo nach Brussa geflüchtet, und durch dieses bey dem Überfluss der vom Olymp überall gewaltsam her- abströmenden Wasser gewiss sehr überflüssige Denk- mahl der Stadt einen öffentlichen Beweis seiner Dank- harkeit dafür hinterlassen wollte; dass er für die Fluthen des Nils in den reineren und kühleren des Olymps so schönen Ersatz fand. Die halbverfallenen Mauern und *) Diese Sitte, wodurch die Weiber doch mehr gesehen werden, als in anderen türkischen Städten, erklärt auch, warum türki- sche Dichter von Brussa mehr Schönheitsbeschreibungen, Stadt- aufruhr (Schehrengis) genannt, verfasst haben, als verhältniss- gässig deren von den Schönheiten Constantinopels, Adriano- Pels, oder anderer türkischen Hauptstädte gesungen worden sind. I die zerworfenen Thürme des Schlosses in der Mitte Ä blühendsten und üppigsten Wachsthums der Natur flös- sem eine süsse Melancholie ein, welche durch die hohen Cypressen und die Grabsteine zu beyden Seiten des We- ges noch erhöht wird. Dieser Gang, auf einer Seite durch die Felsenwände des Olympos, und auf der anderen durch die Steinwälle des Schlosses eingeengt, von den Mauern der Natur und der Menschenhände umdämmt, welcher zuletzt nur zu Grabmahlen leitet, ist ein treues Bild des Ganges durch's Leben, Der zweyte Bach , nähmlich der von Gögdere, d. i. dem Himmelsthale, bricht eine halbe Stunde östlich vom Bumarbaschi in einer nicht minder mahlerischen Gegend hervor. Er stürzt in Wasserfällen durch die Schlucht herab, in welche das Gögdere , d. i. Himmelsthal, ausläuft. Dieses ist das grösste von allen Thälern des Olympos; und das einzige, welches, seine Mündung mitten durch die Stadt verlängernd, dieselbe durch eine tiefe und wahr- haft majestätische Felsenkluft durchschneidet. Da diese enge Schlucht die einzige Mündung des ungeheueren Himmelsthales ist, welches, wie wir bey der Besteigung des Olymps sehen werden, sich so zu sagen bis in den Mittelpunct desselben erstreckt, so lässt es sich leicht begreifen, mit welcher Wuth die Wasser hier, wenn der Schnee schmilzt, herausbrechen. Man kann sich in der schönen Jahreszeit einen Begriff davon machen, wenn man von der Brücke, welche über diese Felsen- kluft führt, die ungeheuren Felsenstücke betrachtet, welche in der Tiefe derselben über einander geschich- tet liegen; sie wurden mit Donnergepolter herunter ge- C 2 2O - rollt von dem wüthemden Wassern, welche manchmal die ganze Schlucht als ein einziges Rinnsal eines fürch- terlichen Wasserfalls ausfüllen, sich bis zu der Höhe der Felsenufer erheben, und die über denselben hängen- den Häuser wegreissend, sie in den Abgrund stürzen. Der dritte Bach, Aktschaghlan , oder das - Wasser Mir Alischir's genannt, entspringt an dem östlichen Ende der Stadt in einer herrlichen Gegend, Karanfilli, d. i. die Nelkenreiche, gehéissen. Dieser Bach versieht die Vorstadt von Emir Sultan, und geht dann in einer von ziegelgemauerten Bögen getragenen Wasserleitung nach der Moschee Sultan Bajasid's des Ersten. Nirgends finden die aus dem Koran genommenen Sagen von dem Lebensquelle , den Chiser im Lande der Finsterniss hüthet, und der ebenfalls daraus entlehnte Spruch: Min el-mai küllun schejun haij, d. i. das WYas- ser hat Leben allen Dingen gegeben, eine glücklichere An- wendung als in Brussa , wo tausend Lebensquellen in der grünen Nacht der Platanen- und Kastanienhaine sprudeln, wo Chiser, d. i. der allbegrünende Genius des Frühlings und der verjüngenden Naturkraft, Berg und Thal mit dem üppigsten Grün bekleidet, und durch das immer rege Geräusch und Gemurmel der Quellen das Leben der Erde sich so laut ausspricht. 5. D ie B ä de r. Bey dem Überflusse des Wassers und der Vorliebe der Morgenländer für Bäder, welche ihnen das Gesetz 21 als Reinigung auflegt, lässt sich ieicht auf die grosse Anzahl von Bädern in Brussa schliessen. Ohne von den geheitzten in Privathäusern zu sprechen, deren Zahl von den Einwohnern auf drey tausend angegeben wird, ist hier nur von den natürlich warmen und öffentlichen Bädern die Rede, sieben an der Zahl, wovon sich vier in der Ebene am Fusse des Berges, und drey auf dem letzten Abhange desselben in der Vorstadt von Tsche- kirdsche befinden. Die vier ersten sind: Eski Kaplidscha, das alte warme Bad; Jeni Kaplidscha, das neue warme Bad; Kökärdli, das Schwefelbad; und das vom Kara Müstafa. Die Anordnung der Baukunst in diesen Bädern ist fast die der gewöhnlichen, von denen sie sich nur durch grössere oder mindere Pracht des Baues unterschei- den. Sie bestehen aus drey grossen Abtheilungen: der grosse Saal, wo man sich beym Eintritt in das Bad und bey dem Austritt aus demselben entkleidet und an- kleidet; das Mittelstück zwischen dem Kleidezimmer (Dschamegan) und dem eigentlichen Bade, um nicht aus der grössten Hitze desselben unmittelbar mit der äusse- ren Luft in Berührung zu kommen; endlich das eigent- liche Bad, wo das grosse Wasserbecken das Gemeinbad ist. Unmittelbar von diesem Saale führen Thüren in klei- me rings um denselben angebaute Cabinete, jedes mit einem besonderen heissen Springquell versehen, zur Bequemlichkeit derjenigen, die sich hier mit dem heis- sen Wasser bloss abwaschen, und nicht in dasselbe tau- - chen wollen. Der Kleidersaal ist ein grosses längliches Viereck von 22 vielen grossen Fenstern erhellt, von dem sich den be- sten Begriff machen kann, wer die herrlichen Speise- säle österreichischer Stifter gesehen. In der Mitte sprin- gen mehrere Quellen krystallreinen kalten Wassers, die dazu dienen, die Badegäste zu erfrischen, und ihre Wäsche auszuwaschen. Die Nachbarschaft kalter und warmer Quellen hat in Brussa gar nichts Befremdendes, indem sie an vielen Orten hart neben einander entquel- len, ohne dass die Gluth der einen der Eiskälte der an- dern Eintrag thut. Die Natur scheint damit ihr Spiel zu treiben, indem sie dieselben kalt und warm, rein und mineralisch, unvermischt so nahe meben einander fort- laufen und hervorquellen lässt, und die Kunst ahmt nur die Natur nach, indem sie öfters kalte und warme Quellen in dieselbe Fontaine zusammenleitet, so, dass man am selben Brunnen mit der einen Hand einen war- men, und mit der andern einen kalten Wasserstrahl auſ- fangen kann. Rund um die VWände des Kleidersaals lau- fen auf der Erhöhung einer hölzernen Ballustrade die Soffas, auf denen man ruhet und raucht, bey der Pfeife Kaffeh und Sorbet trinkt, und sich dem behaglichen Zustande des sorgenfreyen Nichtsthuns überlässt, wel- chen der Italiener mit dem Il dolce far niente, und der Türke mit einem einzigen ausdrucksvollen Worte Kéif*) benennt. Der Mittelsaal, ebenfalls ein Viereck, hat beyläufig G *) Kéif hat im Arabischen die doppelte Bedeutung von dem Frage- worte Wie? und dem Hauptworte Wohlseyn. Käf këfek heisst: wie befinden Sie sich? wörtlich: wie ist dein Wohlseyn ? Keif- jat oder JYohlseyensmittel heissen alle erlaubte oder unerlaubte - 23 die Grösse des vorigen ohne irgend etwas Auszeichnen- dem oder besonderer Bequemlichkeit. Er ist schon mit Hitze und Dampf gefüllt, der aus dem Innern des Ba- des hervordringt. Hier ist's warm genug für die, so von der äusseren Luft kommen - und frisch genug für die, so dem Hitzbade entsteigen. Es ist gleichsam das Fege- feuer für die, welche die paradiesische Kühle und das Quellengemurmel des äusseren Saales verlassen haben, und für die, welche der höllischen Hitze des dampfen- den Wasserbeckens entflohen sind. Der dritte Saal oder das eigentliche Bad ist immer mit einer nur von oben durch Fenster erhellten Kuppel bedeckt, entweder eine Rotonde, oder ein regelmässi- ges Vieleck, worin der Kreis des heissen Wasserbeckens beschrieben ist. Hier ergiesst sich der heisse Quell durch eine armdicke Röhre gerade gegenüber dem Eingange aus dem Mittelsaal; auf jeder Seite des Vielecks sind andere Röhren mit Hahn und Pippe , oder besondere Cabinete mit marmornen Waschbecken für eine oder höchstens zwey Personen angebracht. Das Innere der grossen und prächtigen Bäder ist durchaus mit geglätte- tem Marmor bekleidet, so, dass die wogende Fluth des Beckens und der Wiederschein der darin Badenden und Schwimmenden von den Wänden auf den Boden, und von diesem wieder in die Höhe zurück gespiegelt wird. Die VWirkung dieses Zauberwiederscheins von silberrei- nen, schönen, jugendlichen Körpern wird häufig in der Reitzmittel und Sinnengenüsse, welche das Wohlseyn wenig- stens für den Augenblick erhöhen, wie Kaffeh, Tabak, Wein, Opium, u. s. w. 24 Beschreibung türkischer Bäder von Dichtern und Nicht- dichtern gepriesen, welche die in dem Becken des Ba- des sitzenden Frauen oder schwimmenden Jünglinge mit der Lotosblume auf den Wassern, oder mit den Engeln in dem Wasserbecken des Paradieses vergleichen. Eines der berühmtesten Gedichte auf die warmen Bä- der von Brussa, dieses eigentliche Baden des osmanischen Reichs, ist das folgende aus Nedschati, einem der gröss- ten türkischen Dichter, in sieben Doppelversen: - Dschennete dönmischdür elkissa jaran Kaplidscha. Zum wahren Paradiese ward, o Freunde, Baden; Der Seelen und Peris *) Versammlungsort ist Baden; Es wandeln hier Peris wohl tausend in der Frühe, Das Siegel Salomons **), man findet es zu Baden- Ein Strom Verliebter folgt den Schönen reissend nach, Es lacht von Liebesgluth der heisse Quell von Baden. Die Gäste würden nicht den Weg in Schaaren decken, Wenn sie, wie Abraham ***), nicht freundlich liebten Baden. Für Jeden, der sich naht vom menschlichen Geschlechte, Für jeden Schmerz beut, Gott sey Dank! ein Mittel Baden. *) Peris, die luftigen und duftigen, aus Licht und Glanz geschaf- fenen weiblichen Genien der Perser, die als Fairies aus dem Morgenlande in's Abendland eingewandert sind. **) Das Siegel Salomons ist den türkischen Dichtern das Bild schöner Lippen, welche die Farbe des schönsten Carniols oder Rubins haben. Übrigens könnte hier noch eine mystische Anspie- lung auf das Bad zum Grunde liegen, indem auch bey den Gno- stikern die Taufe das Siegel genannt ward. LXXXIII. Theodoti Exccrpta. - ***) Abraham steht hier als Muster der Gastfreundschaft, indem cr Menschen und Engel gastfreundlich bewirthete. 25 Von allen Städten bleibst du stets das Schönheitskorn *), Obwohl zur Lockung dich die Weisen brauchen, Baden. Den armen Nedschati erfreu' mit Freundesanblick, Das Schwere selbst wird leicht in deinen Mauern, Baden. 1) Eski Kaplidscha, die alten Bäder, sind die heisse- sten, so heiss, dass unmittelbar an der Quelle Eyer ge- sotten werden können, aber auch die heilsamsten für alle Gattungen von Hautkrankheiten. Der Dom , welcher dieselben deckt, wurde von Murad dem Ersten erbaut. Unter der Erde sind Gewölbe, durch welche das Was- ser von oben herunterstürzt und abfliesst. Durch den Absturz von der Höhe dieses unterirdischen Gewölbes hat sich auf dem Grunde desselben von dem Satze des VVassers und den kleinen Muscheln, die es mit sich führt, eine Art von Canal aus Muschelkitt aufgemauert gebil- det, welcher an Festigkeit einem marmornen Canalbette nichts nachgibt. Dieses unterirdische Gewölbe hat durch die Einfachheit seiner Bauart einige Ähnlichkeit mit den Gewölben des Gebäudes von Altkairo, wo das Wasser aus dem Nile gehoben wird, um durch die Wasserleitung Bis in's Schloss zu gelangen. An jedem Ecke des Be- ckens sind besondere Röhren angebracht, aus denen das Wasser sich ergiesst. Es hat nur zwey besondere Bade- cabinete, und der Kleidersaal ist weder so geräumig noch so kühl, als die Kleidersäle bey den neueren Bädern, ausgenommen bey den kleinsten derselben, nähmlich: 2) bey dem von Kara Mustafa Pascha , durch dessen Bau der Grosswesir dieses Nahmens, so wie Rustem Pa- *) Das Schönheitskorn der Wangen ist das Muttermahl, womit hier Brussa seiner Schönheit wegen verglichen wird. D 26 scha durch den Bau des folgenden sich verunsterbli- chet hat. - 3) Jeni Kaplidscha, das neue Bad, das prächtigste und herrlichste von allen, zwischen dem alten Bade und zwi- schen der Stadt auf felsigem Grunde gelegen. Die Kup- peln desselben sind, wie die des alten Bades, alle mit Bley gedeckt, aber die Bekleidung der Wände und das Pflaster des Bodens, welche sich gegenseitig die von oben einfallende Lichte und den Glanz des Wasserbeckens zurück spiegeln, erheben es zum Einzigen in seiner Art. Es war vormahls ganz unscheinbar und durch kein be- senderes Gebäude ausgezeichnet, bis Suleiman der Grosse, welcher hier vom Podagra geheilt ward, seinem Gross- wesire Rustem Pascha dasselbe mit einer Kuppel zu de- cken befahl. Der Grosswesir führte den Befehl seines Herrn in diesem herrlichen Werke auf eigene Kosten aus, und die gerechte Nachwelt nannte es nach des We- sirs und nicht nach des Sultans Nahmen. Vermuthlich hätte Suleiman, der allen grossen unter seiner Regie- rung unternommenen Werken seinen Nahmen an die Stirne zu heften wünschte, sich gerne den Nahmen die- ses Baues, wie jenen der grossen steinernen Brücke in Rumili, Mustafa Pascha's Brücke genannt, angeeignet, aber weder Mustafa , noch Rustem Pascha verloren den ihnen schuldigen Dank, und so Brücke als Bad tragen noch heut ihren Nahmen. Dem des Erbauers des Bads nennt eine Inschrift in Fayence unmittelbar ober dem Eingange im's Hitzbad. Das grosse Becken desselben hat nicht weniger als siebenzig Schuhe im Umfange, und der Wasserstrahl der Hauptquelle nicht weniger als drey 27 Zoll im Durchmesser. Er ergoss sich ehemalils aus dem Rachen eines marmornen Löwen, der heute nicht mehr da ist. Vielleicht war dieser eine Nachahmung des be- rühmten Löwenbrunnens zu Granada , mit dessen Pracht sioh die Fontainem Brussa's nicht messen können, wie- wohl dieses Bad an Grösse und Herrlichkeit das vom Al-hamra weit übertrifft, indem der Umkreis der gros- sen bleybedeckten, durch sechs hundert Glasscheiben er- leuchteten Kuppel nicht weniger als hundert und zwan- zig Ellen im Umfange misst. So herrlich diese Beleuch- tung für ein öffentliches Bad ist, welches der Tag durch sechs hundert krystallene Augen bewundernd anschaut, so war doch für ein Bad arabischer Fürstinnen die sparsa- me Beleuchtung des von Al-hamra, wo der Tag nur durch sternenförmige Löcher sparsam einfiel - und der Dom den Nachthimmel vorbildete, nicht minder zweckmässig. Nicht einmahl der Tag sollte die enthüllten Schönheiten in vollem Lichte betrachten, und sollte dieselben nur unter der Maske des nächtlichen Himmels durch die Au- gen der Sternbilder, die sich im günstigen unglückab- wehrenden Verein gegen über standen, anschauen dür- fen. Vielleicht waren bey den Löwen, die nun nicht mehr da sind, auch Inschriften angebracht, aber schwer- lich schönere als die auf dem Löwenbrunnen zu Granada. Fluthen entströmen allhier, wie die Löhnung der Hand des Chalifen, Wenn er dieselben vertheilt unter die Löwen des Kriegs. Der du die Löwen betrachtest in Ruh, bewahre vor selben; Denn das Wasser ſlösst Leben den grimmigen ein *). *) Die im ganzen Oriente herrschende bildnerische Idee, Quellen aus dem Rachen von Löwen hervqrströmen zu lassen, hat einen D 2 28 Nicht minder schön und bedeutungsvoll ist die tür- kische Inschrift, welche in dem Kleidersaale dieses Bad's und auch im anderen angeschrieben steht: Auf Kleider ser nicht stolz, denn was ist wohl das Leben * Ein Saal, wo Jeder muss des Leibes Kleid abgeben *). - Diese türkische Inschrift ist ein Seitenstück zu der schönen persischen auf einem Karawanserai: Zwey Thore hat die Welt, diess Karawanenhaus; Hier führt Geburt herein, und dort der Tod hinaus. Solche Denksprüche seiner Weisen und Dichter spre- chen den Morgenländer von den Wänden seiner Bäder und Herbergen, von den Steinen seiner Brunnen und Brücken, von den Inschrifsttafeln seiner Palläste und Gräber an. Durch die Betrachtung der Vergänglichkeit des Lebens ermuntern sie ihn zum weisen Gebrauche desselben, und hauchen daher selbst seiner Freude den dunkeln Anstrich ernster Schwermuth an. 4) Kökürdli, das Schwefelbad, ist ausserordentlich heiss und schwefelig, und vorzüglich durch die Hei- lung von Hautkrankheiten berühmt. Die drey anderen Bäder, die sich in der Vorstadt von Tschekirdsche befinden, sind 5) das von Tschekirdsche, d. i. Heuschrecke, wovon die ganze Vorstadt den Nahmen erhalten; 6) das von Wani, der Nahme eines berühmten im höchsten Alterthume sehr tiefliegenden symbolischen Grund. Es ist nähmlich der Nil - Löwe der alten Ägypter, der wenn die Sonne in diesem Zeichen stand, die schwellende Fluth seg- nend ausgoss. *) Ghurur etme libass fachrile omre hadschandür Bukabaidschissmi gör bunda herkess dschanegan dür. - 2g Predigers aus der Zeit Sultan Mohammed des Vierten, und 7) das von Boi güsel, d. i. vom schönen Wuchse. Diese drey Bäder können sich den vier ersten am Grösse und Glanz nicht vergleichen, aber sie haben den Vortheil, dass sie sich in Häusern befinden, welche man den Kran- ken, wenn sie es wünschen, mit dem ganzen Bade zu ihrem ausschliesslichen Gebrauche vermiethet. Sie wer- den meisten Theils von Griechen besucht, welche be- sonders dem ersten wunderthätige Eigenschaften, die sich auf irgend eine Legende gründen, zuschreiben. In dem Hofe des zweyten Bades befindet sich ein Sarkophag mit einer fast verlöschten griechischen Inschrift. Von dem dritten sollte man, dem Nahmen nach zu urtheilen, glauben, dass es ausschliesslich für das schöne Geschlecht bestimmt sey, was jedoch der Fall nicht ist. Der Zutritt zu allen diesen Bädern ist allen Männern ohne Unterschied des Standes und der Religion an allen Tagen (zwey in der Woche ausgenommen, welche aus- schliesslich den Frauen bestimmt sind) offen. Ungeachtet der vielgerühmten Heilkräfte dieser äus- serst warmen und wirksamen Quellen, ist der Gebrauch derselben, ohne vorläufige Prüfung der Krankheit und der Quelle, selbst von einem geschickten Arzte, Euro- päern nicht anzurathen, indem dieselben, an Schwitz- und Hitzbäder weit weniger als die Asiaten gewöhnt, den unvorsichtigen Gebrauch dieser übermässig warmen VVasser schwer bezahlen, und ihre Gesundheit, statt zu verbessern, nur verschlimmern dürften. 4. D ie M o s c h e e n. Brussa zählt, mach der Angabe seiner Einwohner und der türkischen Reisebeschreiber, eben so viele Moscheen als Spatziergänge, d. i. Eine für jeden Tag des Jahres, so dass der Moslim jeden Tag des Jahres wo anders be- then und woanders hin spatzieren gehen mag. Bey ei- mer genaueren Übersicht dürfte man wohl vielleicht die Hälfte dieser Anzahl herausbringen; uns genüge es aber, wie bey den Spatziergängen, nur die zwölf grössten und schönsten derselben zu beschreiben, und die Zahl der Tage durch die der Momathe des Jahres zu vertreten. Die schönste und grösste von allen ist die vorzugs- weise die Grosse (Ulu Dschami) genannte, welche sich auf dem höchsten Puncte der Stadt erhebt, und durch die Masse ihrer Mauern und durch die Menge ihrer Kuppeln sich majestätisch darstellt. Sie ist das Werk dreyer Sultane: Murad, Bajasid und Mohammed, jeder der Erste seines Nahmens. Sie ward unter dem ersten angefangen, unter seinem Sohne fortgebaut, und unter seinem Enkel vollendet. Jeder dieser drey Sultane baute auch eine eigene nach seinem Nahmen genannte Mo- schee, aber die vereinigte Sorgfalt von allen Dreyen brachte dieses erste grosse Monument der ersten Resi- denz der osmanischen Sultane zu Stande. Sie bildet ein vollkommenes Viereck, wovon jede Seite hundert Schrit- te misst. Neunzehn Kuppeln, welche das Dach formen, sind so geordnet, dass der Raum der zwanzigsten leer gelassen durch seinem Umkreis ein ungeheueres grosses 31 rundes Fenster bildet, durch welches das Licht von oben einfällt. Unmittelbar unter dieser offenen Kuppel ent- spricht derselben in Mittelpuncte der Moschee ein gros- ses viereckiges Wasserbecken. Hiedurch unterscheidet sich diese schöne und grosse Moschee von allen übrigen ums bekannten zu Constantinopel, Adrianopel und Kairo, deren keine weder von oben beleuchtet, noch von in- nen durch ein Wasserbecken erfrischet wird. Das in der grossen Moschee zu Brussa empfängt unmittelbar die Strah- len der Sonne, wenn sie im Scheitelpuncte steht, und die Thränen des Himmels, wenn er herabregnet; und während die Vögel auf dem Gitter aus Messingdraht ko- sen, welches wie ein Fischernetz über den ganzen offe- nen Raum gezogen ist, um das Hereinfliegen und Nisten derselben in der Moschee zu verwehren, schwimmen die Fische in der Fluth ruhig und ungeschreckt von dem Netze, womit der Schatten des Gitters das Wasserbe- cken bedeckt. Ausser dieser Einzigen Merkwürdigkeit sind noch die Estrade der Gebethausrufer und die Kanzel *) des Freytagsvorbethers durch ihre Sciulpturen merkwür- dig. Das Schnitzwerk der letzten ahmt nicht nur Blu- men und Früchte, Knospen und Knoten, Laub und Ranken, sondern auch die künstlichen, von Seide aus- *) In jeder grossen Moschee, wo das Freytagsgebeth verrichtet wird, sind zwey Kanzeln, die eine (Mnber) für den Chatib oder Vorbether des Gebeths für den Sultan, und die audere (Kurs) für den gewöhnlichen Prediger. Die erste, sehr hoch, und immer zunächst dem Mihrab oder Hochaltar, die andere niedrig, irgendwo in der Moschee. Die Estrade, worauf die Ge- bethausrufer, nachdem der Ausruf von den Minares erschollen ist, denselben in der Moschee wiederhohlen, heisst Mahfil, und so heisst auch die besondere Emporkirche für den Sultan. 32 genähten Kleiderverbrämungen nach, wodurch Brussa weit und breit berühmt ist, und im ganzen osmanischen Reiche kann sich derselben nur die durch ihr Schnitz- werk berühmte Kanzel von Sinope vergleichen. Die vier- eckigen Pfeiler waren ehemahls vom Fussboden auf ver- goldet, und sind noch, wie die Wände, mit ungeheuer grossen Buchstaben, welche als wahre kalligraphische Vorschriften dienen können, beschrieben. Ihr Inhalt sind Texte aus dem Koran, oder Eigenschaftswörter Gottes, wie Ja Subhan (O Allpreiswürdiger), Ja Dijan (OAllglaubwürdiger), Ja Mennan (OAllbeystehender), Ja Hannan (OAllzuerflehender). Die Moschee hat drey Thore; neben dem links hin- ausführenden ist der Bethort des Sultans, der, da er gar nicht erhöht ist, mit Unrecht hier eine Emporkirche ge- nannt werden dürfte. Das zur Rechten heisst das Thor der Gerichtsstelle (Mehkeme kapissi), und ausser dem Hauptthore ist ein steinernes Soffa. Das Hauptthor heisst immer das Kiblathor, weil es nach der Kibla, d. i gegen Mekka (in welcher Richtung auch der Mihrab oder Hochal- tar steht) hinschauet. Der Vorhof (Harem) ist verhältniss- mässig minder gross und schön, als der von anderen Moscheen; in der Mitte desselben steht ein Brunnenhaus für die gesetzlichen Reinigungen, vom berühmten Mufti Asis Efendi, einem der ehrgeitzigsten und ränkevollsten, prachtliebendsten und ausschweifendsten grossen Charak- tere, während seiner Verbannung nach Brussa allhier erbaut. Auf den beyden Seiten der Hauptfaçade erheben sich zwey grosse Minares auf ungeheuer starken Grund- festen, von dem Hauptgebäude gänzlich getrennt. Auf ZZ dem links gegen das Mehkeme (das Gericht) schauenden Minare hatte der Baumeister auf der obersten Gallerie einen Springbrunnen angebracht, dessen Quell durch den Absturz des Olympos zu dieser Höhe getrieben, em- porstieg. Diese Wasserkunst ist längst verderbt, aber durch starke Regengüsse füllt sich noch das Becken des Springbrunnens auf dem Minare, das als Säule diese Wasserschale zum Himmel in die Höhe hält. Wie die Röhren dieses Springbrunnens, sind auch (durch unge- treue Verwaltung) die Zuflüsse der Stiftungsgelder ver- trocknet. Sie waren so reich , dass vormahls der Fussbö– den mit den kostbarsten Tapeten bedeckt, und die Mo- schee in den Nächten des Ramasans mit siebenhundert Lampen erleuchtet war. Nach der Beschreibung dieser von drey Sultanen ge- meinschaftlich erbauten grossen Moschee folgt die Reihe der übrigen nach der Zeitordnung ihrer Erbauer. . Die älteste ist die von Sultan Orchan, dem zweyten Sultan der Osmanen und dem Eroberer Brussa's, in dem Schlosse erbaute , welche den Verheerungen der Zeit und Feuersbrünsten wunderbar entgangen, noch heute aufrecht, aber verschlossen und verlassen steht. Die Moschee seines Sohnes und Nachfolgers, Murad des Ersten, welcher den Ehrenmahmen Ghasi Chudavend- kiar, d. i. der Sieger und Herr, führt, erhebt sich auf der Westseite der Stadt in dem Viertel der alten Bäder, in einer ungewöhnlichen, von den übrigen ganz verschie- denen Form, wovon der Umstand, dass der Baumei- ster ein Franke gewesen sey, als Grund angegeben wird. Das Sonderbare besteht darin, dass der Baumeister - E 34 wer er immer gewesen seyn mag, vielleicht aus eigenem Antrieb, vielleicht auf des Sultans Geheiss, Kirche und Schule in Einem Bau vereinigen, und durch Ein Denk- mahl der Andacht und Wissenschaft zugleich huldigen wollte. Das Geschoss zu ebener Erde ist die eigentliche Moschee, und im oberen Stockwerke laufen ringsum die Kammern der Studenten des an der Moschee gestifteten Collegiums, so dass, wenn der Imam am Hochaltare vor- bethet, jeder der Studierenden von seiner Zimmerthür, als von einer Emporkirche, sein Gebeth zugleich im Zimmer und zugleich in der Moschee verrichten kann. Da das Seltene den Gläubigen selten allein genügt, füg- te die Sage auch hier das Wunderbare hinzu. Ein Falke aus Stein gehauen, der auf einem Gewölbstein als Zier- rath sitzt, soll ein Falke Sultan Murads des Ersten ge- wesen seyn, der ihm davon flog, den er umsonst zurück lockte, und der, als er ihm die Verwünschung mach- schickte, „dass er sitzen bleiben möge!" sogleich mit Haut und Bein in Kies und Stein verwandelt ward. Die Moschee Sultan Jildirim Bajasid's, an dem äusser- sten östlichen Ende der Stadt, fern von allen Gebäuden und vereinzelt in der Mitte von Wiesen und Feldern, gewährt einen mahlerischen aber schwermüthigem An- blick durch die Grösse ihrer Massen und die rohe Ein- fachheit ihrer Formen. Das Äussere derselben wird durch ein von dicken Steinpfeilern getragenes Vordach erhö- het, das Innere aber durch ein hölzernes schweres Daeh niedergedrückt. In Hinsicht der Baukunst sind das Merk- würdigste daran die sonderbaren Formen drey verschiede- mer Bogen, welche sich alle in dem Peristyle der Moschee 35 seltsam vereint beysammen finden. Sie hat mur Ein Thor und Ein Minare, ganz im alten Style , d. i. äusserst einfach gebaut. Bajasid vollendete dieselbe eben so we- nig, als die grosse Moschee, welche unter seiner Regie- rung fortgebaut ward. An der Vollendung der einen und der anderem, wie an der Ausfährung so mancher ande- ren grossen Entwürfe, unterbrach ihn die verlorme Schlacht bey Angora, nach welcher er bald, als Gefan- gener des Siegers, starb. Sein Sohn, Mussa Tschelebi, d. i. der junge Herr Moses, vollendete während des Zwi- schenreichs, das auf seines Vaters Gefangenschaft folg- te, dem von ihm angefangenen Bau; da aber der damah- lige Zustand des Reichs und seine schwankende Zwi- schenregierung ihm nicht gestatteten, die Moschee reich zu stiften, blieb sie arm und verlassen, und die Armen- küche, die dabey gestiftet war, zerfiel gar bald in Trüm- mer. Die Ruinen derselben stechen mahlerisch ab von der Wasserleitung aus Ziegeln erbaut, welche das Was- ser des Aktschaghlans durch die Wiesen und Felder, und hier bey der Moschee vorbey nach der Vorstadt von Emir Sultan führt. Die Bögen derselben, dicht mit Epheu und anderem Grün überteppicht, gehen in voller Ju- gendkraft des Wassers und des Lebens über die Flur, während die alles Schmuckes entblösste Moschee mit ih- ren nackten, grauen Steinwänden wie ein abgelebter Greis mitten unter der grünenden Jugend steht. Hart an derselben ist das Grabmahl Sultan Bajasid's , eben- falls im ältesten einfachsten Style osmanischer Baukunst. Es enthält zwey grosse und zwey kleine steinerne Särge. Welch eine schickliche Stelle ist nicht diese verlassene E 2 36 Moschee und dieses vereinzelte Grabmahl für Betrachtun- gen über das tragische Schicksal Bajasid Jildirims - d. i. des Blitzstrahls, der, nachdem er Constantinopel und den ganzen Westen als Eroberer wetterleuchtend geschreckt, in der, unter Timur's Geist, fürchterlich daher rollenden Mogolenfluth verlosch. Die Moschee Sultan Mohammed des Ersten, auch Tsche- lebi, d. i. der junge Herr, genannt, ist in Hinsicht der Vollendung des Baues, der Kostbarkeit der dazu ver- wandten Marmorarten, und der Kunst der ausgehaue- nen und eingegrabenen geschmackvollen Verzierungen ganz gewiss die schönste des osmanischen Reiches, und morgenländische Reisebeschreiber (welche aber ver- muthlich weder das Meisterstück arabischer Baukunst in der Moschee Korduba's, noch das Prachtstück der per- sischen in dem grossen Moscheen der Mogolen zu Agra und Dehli kannten) versichern, dass sie die schönste der Welt sey. Wirklich ist sie ein wahres Kleinod der saracenischen Baukunst. Sie hat keinen Vorhof mit Säu- lengängen, wie andere Moscheen, sondern eine einfa- che erhöhte Terrasse aus weissem Marmor unmittelbar vor dem Eingange. Die Mauern sind von aussen mit grossen Tafeln von rothem, grünem, blauem, gelbem, schwarzem und weissem Marmor bekleidet, welche dem Ganzen von weitem das Ansehen einer eingelegten viel- farbigen Musivplatte geben. Die Einfassungen der Fem- ster und des einzigen Thores, dessen Verzierungen sich bis an den Giebel der Vorderseite erheben, sind durch arabische Inschriften gebildet, welche mit solcher Sorg- falt und Kunst in den Stein gehauen und geglättet sind, 3 dass die Buchstaben wie aus spiegelndem Metall n erscheinen. Das berühmteste Kunststück dieses Baues ist das Thor selbst, dessen reiche Sculpturen durch ihre Fülle und Zartheit, durch ihren Glanz und Geschmack in Erstaunen setzen. Der Erbauer verwendete auf die Vollendung derselben nicht weniger als drey ganze Jah- re, und vierzig tausend Ducaten. Die Inschrift ober dem Eingange in goldenen Buchstaben auf lasurnem Fel- de nennt bloss den Nahmen des Erbauers, Sultan Mo- hammed I., Sohn Sultan Bajasic's I. des Sohns Sultan Mu- rad's I. Der Glanz und der Geschmack dieses Baues rechtfertiget vollkommen den Beynahmen Tschelebi, wel- chem die osmanische Geschichte dem Erbauer beylegt, eine Benennung, deren Sinn zwischen dem französischen Petit maitre und englischen Gentleman liegt, und durch das deutsche junger Herr oder edler Junker micht vollkom- men getreu wieder gegeben ist. Beym Eingange in die Moschee, und unter dem Chore, auf dem sich die Em- porkirche des Sultans erhebt, wird der Eintretende sehr angenehm durch den helldunkeln Schimmer der glän- zenden Fayence überrascht, womit die Mauern, welche den Eingang verengen, bekleidet sind. Diese Mosaik von Fayence, oder besser gesagt, von persischem Por- cellan, stellt zwey grosse grüne Vorhänge mit einem Blumenkorbe in der Mitte vor. Die Moschee besteht aus drey grossen Rotonden, deren eine das Schiff ist, wäh- rend die beyden anderem die Flügel bilden. Wie in der grossen Moschee in der Stadt, welche derselbe Sultan vollendete, die Pfeiler auf Mannshöhe vergoldet waren, so sind die Mauern hier mit blauem persischen Porcel- 38 lan bekleidet, auf welchem die Inschriften des Korans in weissem Schmelze strahlen. Der Mihrab, d. i. die Nische, worin der Koran liegt, und welcher die Stelle unseres Hochaltars vertritt, ist von rothem Marmor mit Sculpturen und Verzierungen reich und herrlich ausge- schmückt, so , dass er der künstlichen Pracht des ihm gerade gegenüber stehenden Thores vollkommen wür- dig entspricht. Die Moschee und das daneben stehende Grabmahl des Erbauers, worauf wir bey dem Besuche der Grabmahle wieder zurück kommen werden, heissen gewöhnlich Jeschil Imaret , d. i. die grüne Stiftung, weil die Minares und Kuppeln ehemahls ganz nmit grünem persischen Porcellan bekleidet waren, so, dass sie im Sonnenglanze als smaragdene Säulen und Dome glänz- ten. Da die Moschee auf einer kleinen Erhöhung liegt, so ist sie einer der schönsten Gesichtspuncte , sowohl um einen Theil der Gegend zu übersehen, als auch, um als eine hervorragende Schönheit Brussa's von allen Or- ten gesehen zu werden. Zwischen der Moschee Sultan Mohammed's I. und Sultan Bajasid's I. ist ein offener Bethort, welcher zwar keine bedeckte Dschamii oder Mesdschid, d. i. Versamm- lungs- oder Anbethungsort ist, aber doch Dschamil Mos- sella , d. i, Yersammlungsort, oder auch schlechtweg Mos- sella, d. i. Bethort heisst, und der seiner Schönheit wil- len vor vielen anderen Moscheen Erwähnung verdient. Innerhalb der Mauern ist er mit schattigen Platanen be- pflanzt, in deren Mitte ein herrliches Wasser quillt, das seiner Vortrefflichkeit willen selbst bis nach Constanti- nopel verführet wird. 39 Die Moschee Sultan Murad's II. gibt einer Vorstadt am westlichen Ende Brussa's dem Nahmen; ein weitläu- figes Gebäude von einem Dutzend Mausoleen, von Ca- pellen und Schulen, von einer Waarenniederlage (Chan) und einer Armenküche (Imare) , von Gärten und Wein- gärten umgeben. Der Mihrab und die Minber (Hochaltar - und Kanzel), das Mahfil für die Gebethausrufer und den Sultan (Estrade und Oratorium) sind im alten einfachen Styl. Das Chronograph der Inschrift gibt das Jahr der Erbauung 65o d. H. (Chr. 1495) an. Die Platanen, wel- che die Moschee umgeben, wetteifern mit der Höhe ih- rer Minares. Die Moschee Emir Sultan's, auf einer kleinen Anhöhe, vom Feuer zu Anfang dieses Jahrhunderts zerstört, aber von Sultan Selim III. wieder erbaut. Sie gibt, wie die vorige, der Vorstadt, worin sie steht, den Nahmen. - Die Moschee Molla Arab Dschebbaris, nach dem Vor- bilde der grossen Moschee, aber im verjüngten Mass- stabe gebaut, auf einer Anhöhe, eine herrliche Aussicht beherrschend. Die Moschee von Kadi Chudavendkiar, d. i. die Mo- schee des Richters Sultan Murads des Erstem , in der Vorstadt von Tschekirdsche, von majestätischen Bäumen umschattet, die sich zu der Höhe ihrer Kuppeln erhe- ben. Die Säulen ihrer oberen Bogengänge, aus alten Ruinen zusammengetragen, und hier in eine Reihe ge- stellt, sind nicht nur von mannigfarbigem Marmor, son- dern auch von verschiedenen Ordnungen neben einander gestellt. In dem Schlosse ist, ausser der von Sultan Orchan 40 erbauten Moschee, noch die Ufadi Efendi's ihrer Grösse wegen, und weit ausser der Stadt hoch am Olympos die vom Mufti Abdollatif erbaute Moschee nicht nur ihrer herrlichen Aussicht wegen, sondern auch als der Auf- enthalt des grossen türkischen Dichters Molla Chosrºfiv merkwürdig, der hier mitten unter den VWäldern und Wassern des Olympos mit Nisami, dem grossen persi- schen Dichter, wetteifernd sein romantisches Gedicht Chosru und Schirin sang *). 5. D ie K löst er. Da der Klöster, wie der Spatziergänge und Moscheen nicht weniger als 365 seyn sollen, verdient wenigstens, wie bey diesen, ein Dutzend besondere Erwähnung. 1) Das schönste derselben ist das Kloster Mewlana Dschelaleddin's oder der Mewlewis , welche, nach ihrem Stifter genannt, durch heilige Walzer den Reigen der Gestirne feyern, wobey der Hauch der begleitenden Flöte den Hauch der allbeseelenden Liebe als Welten- seele vorstellt. Die Hymnen, welche unter der Beglei- tung der Flöte während des kreisenden Reigens abge- sungen werden, sind aus dem Mesnewi, dem grossen mystischen Gedichte ihres Stifters, entlehnt. Dieses Kloster liegt auf dem Wege nach Bunarbaschi und wurde ehemahls von 5o bis 8o Mewlewis bewohnt. *) Den Plan der grossen Moschee sammt dem des Sultan Moham- meds I., und die Bogen der Moschee Sultan Bajasid's I. siehe auf der beyliegenden Kupfertafel. 41 2) Das Kloster Emir Sultan's , nahe an der Moschee dieses Nahmens auf einem Hügel gelegen, und mit Bley gedeckt. 3) Das Kloster Ufladi Efendis , im Schlosse, dem Orden der Derwische Chalweti gehörig. 4) Das Kloster Abdal Murad's, beym Wallfahrtsorte dieses Heiligen hinter dem Schlosse , von den Derwi- schen Beglaschi bewohnt. Sie wurden unter Orchan's Re- gierung von Hadschi Begtasch gestiftet , welcher den Ja- mitscharen den Nahmen der neuen Truppen gab, und ihr Orden ist daher der von den Janitscharen begünstigste. Die Derwische dieses mit Kesseln, Schüsseln, Fahmen und Kochgeschirren aller Art reich versehenen Klosters ver- wenden ihr Küchengeräthe nicht nur für sich, sondern auch zum Gebrauche der Fremden. 5) Ein anderes Kloster der Begtaschi ist das vom Scheich Kili, in dem Viertel Devedschiler, d. i. der Kameltrei- ber, ebenfalls unter Sultan Orchan's Regierung, aber eben so arm, als das vorige reich gestiftet. - 6) Das Kloster Akbiik Baba's , ebenfalls ein Kloster der Begtaschi's. 7) Das Kloster Abu Ishak Kauli Baba's. 8) Das Kloster der Ringer, ein Orden, dessen An- dachtsübungen im Ringen und anderen Leibesübungen bestehen. Endlich: 9) 1o) 11) 12) vier Klöster der Orden Nakschbendi, Rufaji, Gülscheni und Kadri. -* 6. D a s s 9 : . Der Thore, welche von der Stadt zum Schlosse, und von dem Schlosse zum Olympos führen, ist bereits oben bey dem Spatziergängen, so wie der alten Moschee Orcham's bey den Moscheen Erwähnung geschehen, und die Beschreibung der in das Mausoleum der osmanischen Sultane verwandelten alten griechischen Kirche folgt im nächsten Abschnitte. Ausser diesen beyden ältesten Denkmahlen osmanischer Herrschaft und Religion sind nur noch die Ruinen der beyden Palläste merkwürdig, welche Murad und Mohammed, die Ersten ihres Nahmens, an den beyden Enden der grossen Felsenterrasse erbauten. Die Felsenwände, welche hier senkrecht abstürzen, führt die auf denselben gegründete Mauer senkrecht in die Höhe fort. Diese Mauer , von Quadersteinen mit Moos bedeckt und vom grünenden Bäumen, deren Wurzeln sich durch die Quadern einen Weg gebahnt, gespalten, wird durch viereckige Thürme geschirmet. Was man das innere Schloss oder das Arsenal nennt, ist heut ein Gemüsegarten, in einem Viereck von starken Mauern umgeben, und das ganze Geschütz dieses Zeughauses der ältesten ºsmanischen Veste besteht in vier verroste- ten Kanonenläufen, die ohne Laveten und Manition auf der Erde liegen. Wenn die Erwartung des Neugierigen, dem man das Arsenal zu zeigen verspricht, durch die- ses Viereck, das nur Kohl und Rüben, und Schotter und Trümmer umschliesst, nicht wenig getäuscht wird, so überrascht dafür die schöne Aussicht von der Platt- 43 forme der vier Kanonen auf die angenehmste Weise. Das Auge durchirrt in der Ferne die Dörfer und Pflan- zungen der weiten Ebene von Brussa, und wandert zwi- schen den Gassen und Gebäuden der unmittelbar unter- halb gelegenen Stadtviertel; durch das der Enten (Oer- dekler), wo die Griechen wohnen, und das der Nachti- gallen (Bülbüldschick), durch das der Bley.giesser (Kur- schunli), und der Ziegelschlager (Keremitdschi) , durch das des Felsenhauptes (Kia baschi) und des eisernen Thors (Demir kapu), durch die Vorstädte Muradije und Emir Sultan , de- ren Dome und Minares, mit den Kuppeln der Bäder und den grünen Wölbungen der Bäume vermischt, den leben- digen Vordergrund dieser herrlichen Rundumsicht bilden. In dem Umfange des Schlosses sind das Merkwürdig- ste die Ruinen der Palläste der ersten osmanischen Sul- tane. Noch sind dieselben nicht zu blossen unförmlichen Steinhaufen herabgesunken, noch sind dieselben nicht so verwüstet, dass man nicht den Plan des Ganzen, die Eintheilung der verschiedenen Gemächer , die Bäder und Gärten, die Köschke und Fontainen erkennen mag. Einige der letzten sind in noch ungebrochenen Mauer- stücken wohl erhalten, aber das Wasser, das die künst- lichen Röhren gesprengt, fliesst auf seinem Wege aus, und begiesset die Erde. Gräser wachsen aus dem Mar- morrachen, dem ehemahls die Fluth entquoll, und das Becken - so sie auffing, füllet Schutt und Moder. Hier ist vielleicht der Umfang des Harems , der so reinen Zufluchtsstätte der Ehre und Würde der Frauen. Die Nachbarschaft des fast ganz erhaltenen Marmorbades macht diese Vermuthung wahrscheinlich. F 2 44 Heiligthum der Sitte, ehemahls den Blicken der Unein- geweihten verschlossen und kaum den Strahlen der Sonne und dem Odem des Windes zugänglich, du bist nun ohne Dach und ohne schirmende Wand den Unbilden des Wet- ters und dem ungehinderten Blicke des vollen Tages Preis gegeben! Dornen und Disteln haben den Boden übertep- picht, den ehemahls die schönsten Blumenteppiche be- kleideten, und Quadern, welche die Zeit heruntergestürzt, liegen auf dem Boden statt der weichsten Kissen über ei- nandergeschichtet. Diese geheimen Gemächer der Frauen, von denen die Eifersucht orientalischer Despoten ehe- mahls Licht und Luft, Strahl und Schall auszuschliessen samm, wo sich das Tageslicht nur durch Gitter und Vor- hänge hineinstahl, und ein geheimnissvolles, nur durch Fluthengemurmel und Seufzer der Liebe unterbrochenes Schweigen herrschte, stehen nun bis in ihre innersten Tie- fen der Sonne und dem Mond, dem Wind und Wetter offen. Noch herrscht hier das Stillschweigen, aber es ist das Schweigen der Wüste, welches nun die Stelle des Schweigens glücklicher Liebe vertritt, und das itzt durch das Gemurmel der Wasser unterbrochen wird, welche sich auf dem Wege nach den Fontainen unter der Erde verirr- tem und unter den Trümmern fortrauschen. Nichts ist so melancholisch, als die klagende Stimme dieser Najaden, die ungesehen unter den Ruinen hörbar sind, und schon durch Jahrhunderte das grosse Wort: Alles ist eitel, in einförmigem Getöne wiederhohlen. Wo ist sie hinge- schwunden die Pracht und Herrlichkeit dieser Palläste und ihrer Bewohner! wo sind die Vergnügen und die Ge- müsse dieser Hareme und ihrer Schönheiten? Diese Wol- 45 ken von Düften, diese sonnenhellen Spiegel, diese prall- weichen Ruhebetten, diese balsamischen Wohlgerüche, diese lustentzündenden Gewürze, diese sinnenberauschen- den Opiate, diese Rosenessenzen und Moschuspastillen, diese musselinenen Schleier wie aus den Strahlen des Lich- tes, diese kaschmirische Shawle wie aus dem Blumenbee- ten des Frühlings gewoben, wo sind sie? Alles, alles ist verschwunden. Die Phantasie hat uns in verflossene Jahr- hunderte und in die Mitte dieses Harems, als es noch ein Sammelplatz aller Schönheiten und Genüsse war, hingezaubert, und bey unserem Erwachen finden wir ums zwischen Trümmern, wie irrende Ritter, die , in dem Zauberpallaste einer bösen Fee selig entschlafen, am Morgen zwischen Graus und Moder erwachen. Ausser diesen gewöhnlich mit dem Anblicke der Rui- nen des Schönen und Grossen verknüpften Betrachtun- gen dringt sich hier noch jedem Abendländer, welcher die Würde der Frauen ehret, der Wunsch auf, dass alle Hareme des Ostens wie dieser in Schutt zerfallen und mit dem Zwinger auch die Ketten gebrochen seyen, wo- durch die schöne Hälfte unseres Geschlechtes in Asien seit Jahrhunderten entwürdiget wird. Die Einkerkerung der Frauen in Hareme ist ganz gewiss wenn nicht der Ursprung doch die Folge des morgenländischen Despo- tismus; denn das Knabenalter bis sieben Jahre in dem verschlossenen Porte des Haremes gehalten, schifft von hier durch die Herkulessäulen des männlichen Despotis- mus und der weiblichen Sclaverey in das stürmische Weltmeer des Lebens hinaus. Ausser diesen verwüsteten Pallästen, der Moschee Or- 46 chan's, wovon schon die Rede war, und dem Grabmahle Osman's , wovon sogleich die Rede seyn wird, sieht man im Schlosse kein merkwürdiges Denkmahl. Es befinden sich in demselben, ausser dem schon bey den Klöstern er- wähnten grossen Kloster der Mewlewis, noch die Woh- nung des Motesselim oder Stellvertreters des Pascha, und die Gefängnisse zunächst dem Thore, so davon das Ker- kerthor heisst. Die Gassen des Schlosses sind fast alle wüst und öde, viele Häuser zerfallen im Schutt, und die sehr zahlreichen Fontainen sind alle mehr oder weniger schlecht unterhalten. Wo der Weg durch das Erdenthor (Jerkapissi) in die Stadt herunterführt, geht man bey ei- mer Capelle vorbey, deren Vorderseite, durch eine baby- lonische Weide von ungeheurer Grösse beschattet, ei- men sehr mahlerischen Anblick gewährt. Die Inschrift des Thors nennt als Erbauer Sultan Mohammed I. , dem Brussa die schönsten seiner Denkmahle dankt. Von der Verdienstlichkeit der Fontainen und Wasser- leitungen, der Brücken und Karawanserais , welche dem Sohme des Wegs, dem Reisenden, Erfrischung und Be- quemlichkeit, Lager und Sicherheit gewähren, ist be- reits oben gesprochen worden. Wie durch dieselben der Reisende von frommen Stiftern bedacht wird, so der Kranke und Arme durch Spitäler und Irrenhäuser, durch Apotheken und Armenküchen; für die Aufrechthal- tung und Fortschritte wissenschaftlicher Cultur sorgen die niederen und hohen Schulen (Mekteb und Medresse), die Hörsäle für die Lesung des Koran's und der Über- lieferung (Darol-kiraet und Darol-hadiss) ; den rein got- tesdienstlichen Übungen endlich sind die kleinen und P 47 grossen Moscheen (Mesdschid und Dschami) , die Klöster (Tekie) und die Wallfahrtsorte oder Grabmahle (Turbe) geweiht, deren Bau und Besuch dem Moslim ein höchst verdienstliches gutes Werk ist, und zu denen wir nun unsere Wallfahrt beginnen. 7. D ie G r a b m a h l e. Brussa, als die Wiege osmanischer Herrschaft und Grösse, enthält ausser den Gräbern der sechs ersten Sul- tane, der Vorfahrer Mohammeds des Zweyten, ihrer Frauen und Kinder, noch eine grosse Anzahl von Grä- bern grosser frommer und gelehrter Männer, welche der Moslim wallfahrtend besucht. Der Ordnung willen thei- len wir die Grabmahle Brussa's in die der Sultane, Hei- ligen und Gelehrten ein. 1. Gräber der Sultane. Osman, der Gründer des Reichs und sein Sohn und Nachfolger Orchan, welcher Brussa in den letzten Le- bensstunden seines Vaters eroberte, so dass die Both- schaft des Siegs für ihn zugleich der Vorbothe des Para- dieses und der Herrschaft seiner Familie war, liegen sammt ihren Frauen und Kindern in der alten griechi- schen Cathedralkirche, welche gleich nach der Erobe- rung in eine Moschee verwandelt ward, begraben. Zwan- zig mit Kalk übertünchte, und alles Überzuges entblösste Särge, welche die ganze alte Kirche füllen, schliessen 48 die Asche der ersten Herrscher des osmanischen Stamms ein, die sich damahls bescheiden noch nicht Sultane , sondern bloss Bege, d. i. Fürsten, mannten. Erst Moham- med II. nahm nach der Eroberung Constantinopel's auf den Vorschlag des im Rufe der Heiligkeit stehenden Derwisches Akschemseddin's, der ihm zur Eroberung mit Rath und That beystand, den Titel Sultan an, wozu unter Selim dem Ersten durch den ersten Historiogra- phen des Reichs Kemalpaschasade der Titel Chadimol-Ha- remêin, d. i. der Diener der beyden heiligen Stätten (Mek- ka's und Medina's) kam , und der Suleiman I. durch den grossen Mufti Ebussuud . in den längeren Sul- tanol – berrêin ve Chakanol - bahrêin , d. i. der Sultan zweyer Erdtheile, und der Chakan zweyer Meere ausgebil: - det ward *). Die sehr schöne, nun in eine Gräberhalle verwan- delte Kirche ist mit vielfärbigen Marmortafeln im sym- metrischer Ordnung bekleidet. Vier Marmorstufen er- heben sich in der halben Runde des ehemahligen Hei- ligthums, wo der Hochaltar stand, und sechs Säulen von altem Grünstein (Werdl antico), welche den Eingang bildeten, stehen noch aufrecht da. Der Chor, dessen Wölbungen, so wie die aller Fenster von Säulen unter- stützet sind, ward vermauert, aber auf der äusseren Vorderseite des grossen Thores sieht man noch in halb erhabener Arbeit das Kreutz auf der einen Seite von *) Die beyden Erdtheile sind Europa und Asien, welche der Bos- phorus vereiut, und die beyden Meere, das schwarze und das weisse, welche derselbe mit einander vermischt, so dass Com- stantinopel, die Hauptstadt des Reichs, der Schlüssel des östlichen und westlichen Landes, des nördlichen und südlichen Meeres ist. 49 einem Greifen, und auf der anderem von einer runden Verzierung, welche eine Sonne vorgestellt haben könn- te, bekleidet. Der grosse Brand, welcher zu Anfang dieses Jahrhunderts ganz Brussa verwüstete, umfasste auch diese Kirche in seinem verheerenden Fortschritte, ohne derselben wesentlichen Schaden zuzufügen. Die Gräber sind alle wohl erhalten, das Osman's des Grün- ders des Reichs ausgenommen, dessen von allen Seiten zerrollender Mörtel und klaffende Spalten bald die Asche des Ahnherrn der Osmanen am's Licht zu bringen dro- hen. Der hölzerne Rosenkranz, den man hier ehemahls als den Osman's vorwies, und dessen ungeheuere Koral- len im Geiste des Volkes eine heilige Ehrfurcht für's Grosse nährten, so wie die ungeheuere Trommel, welche ebenfalls dem Gründer des Reichs angehört haben und dieselbe gewesen seyn soll, womit er im Sterbejahre seines Vaters Toghruls (der nicht in Brussa, sondern in Sögüd begraben liegt) vom letzten Sultan der Seldschugiden Alaeddin belehnt ward, beyde diese Denkmahle des Gründers des Reichs sind in den Flam- men zu Grunde gegangen. Sonderbar genug gelangten wir in das Innere dieser Gräberhalle des Stammvaters der osmanischen Dynastie nicht durch das Thor, son- dern mittels einer Leiter durch das Fenster, weil der Schlüssel zum Eingange vorgeblich oder wirklich ver- loren war. Das Grab Sultan Orchan's , des Sohns und Nachfol- gers Osman’s des Eroberers von Brussa und des Errich- ters der Janitscharen, und die Gräber seines Bruders Alaeddin's, des ersten Wesirs des osmanischen Reichs, G 5o und seines Sohnes Suleiman's , des ersten Pascha der Os- manen, welcher in einer schönen Mondnacht unter den Ruinen von Cyzikus über vergangene und künftige Grösse nachsinnend zuerst den kühnen Entschluss fasste, die siegreichen Waffen seiner Familie von Asien nach Eu- ropa zu tragen, und dann in der Nähe von Gallipolis durch einen Pferdsturz das Leben verlor, sammt den Gräbern ihrer Frauen und Kinder umschliesst ein acht- eckiges Mausoleum, zunächst an dem Grabmahle Os- man's der alten griechischen Kirche erbaut. Siebzehn Särge stehen immer des Achtecks und siebzehn andere ausser demselben in einer anstossenden Vorhalle. Noch zeigt man hier den grossen Rosenkranz Orchan's, der zwar von dem Feuer, aber nicht von den VWürmern ver- schont worden ist. Da keine Inschrift die Nahmen der hier begrabenen Fürsten und Fürstinnen mennet , und nur die Sage die Grabstätten Osman's und Orchan's , Aläeddin's umd Suleimans bezeichnet, so lässt sich von den übrigen nichts mit Bestimmtheit und nur so viel als Muthmassung sagen, dass hier die wenigen Fürsten und Fürstinnen, deren Nahmen die osmanische Geschichte aus diesem frühesten Zeitraume aufbehalten hat, neben ein- an der ruhen, und dass hier neben den ersten grossen und berühmten Männern dieses Herrscherhauses, auch die ersten grossen und berühmten Frauen desselben be- graben sind: die schöne Tochter des grossen Scheichs Edebali, (Osman's Gemahlinn und Orchan's Mutier) Schönheitsmond genannt, und die griechische von Os- man bey Gelegenheit ihrer Hochzeit aus dem Schlosse von Bile«schik geraubte, und seinem Sohne Orchan ver- >. - - 51 mählte Prinzessinn Nilufer, d. i. Lotosblume. Diese gab ihrem Gemahle die beyden Söhne Suleiman und Murad, und dem Flusse, welcher die schöne Ebene von Brussa durchschlängelt, ihren Nahmen, so wie der schönen Brücke, welche sie darüber, und dem Kloster, das sie zunächst an den warmen Bädern erbauen liess. Sultan Murad I., der Sohn Sultan Orchans und der Sultaninn Lotosblume, liegt an der Westseite von Brussa nahe an den alten Bädern (Eski Kaplidscha) unter einem grossen Dome begraben. Neben dem Sarge sind seine VWaffen und das blutbefleckte Kleid, worin er auf dem Schlachtfelde von Kossowa unter den Händen des Ser- viers Milo meuchlerisch fiel, aufgehängt. Die Stätte seines Todes bezeichnet dorten eine türkische Capelle (wie eine christliche das Schlachtfeld von St. Gotthard), aber sein Leichnam wurde nach Brussa gebracht. Er ist der einzige von dreyssig Sultanen, die bisher auf dem Throne der Osmanen sassen, welcher sein Leben auf dem Schlachtfelde verlor, und welcher den Fºhrentitel des Märtyrers (Schehid) zu dem des Siegers (Ghasi) und des Herrschers (Chudavendkiar) gesellte. Nach dem letz- ten Beynahmen wurde das erste Sandschak der Land- schaft Anatoliens benannt, welches dem Nahmen Chuda- wendkiar Sandschaghi, d. i. die Fahne des Herrschers, führt, und wovon Brussa die Hauptstadt ist. Das Grabmahl Sultan Bajasids I., (von den Türken Jildirim , von den Griechen –1axai , d. i. der Wetter- strahl» genannt), ist hart an der schon oben erwähnten Moschee, einsam und verlassen im Felde, im alten einſa- chen Style gebaut. Es enthält zwey grosse und zwey G 2. 52 - kleine Sarkophage. Er starb in der Gefangenschaft T- mur's, und wanderte nach seinem Tode aus dem Osten, wie Murad aus dem Westen, nach Brussa , um hier im Grabe, wo der Blitzstrahl des Geistes im Staube ver- lischt, auf ewig des kurzen Traumes der Herrschaft und der Eroberung zu vergessen. Als Murad IV., der letzte grosse erobernde und blutdürstige Herrscher der Osma- nen, auf der Rückkehr von seinem siegreichen persi- schen Feldzuge dieses Grabmahl besuchte, beschimpfte er im Taumel seines Übermuthes die Asche seines Ahn- herrn, indem er denselben im Sarge folgender Massen ansprach: „Was liegst du so stolz als ein Padischah hier, der du die Ehre der Familie Osman's als Gefangener der Tataren unter die Füsse getreten hast!" So sagend ver- setzte Murad dem Sarge selbst einen Fussstoss, aber im selben Augenblicke schrie er laut auf: „O wehe, mein Fuss!" Er war von der Stunde an mit dem Podagra be- haftet, das ihm selbst bald dem Sarge zuführte. Das schönste aller Grabmahle Brussa's ist ünstreitig das des Sohnes Bajasid's Mohammed's des Ersten (Tschelebi, d. i. der edle junge Herr genannt). Nächst der oben beschrie- benen schönen Moschee dieses Sultans erhebt sich sein Grabmahl als ein achteckiger Bau mitten in einen schö– nen viereckigen Garten, der es umschliesst. Zwey Cy- pressen von seltener Höhe stehen hart an dem Thore wie zwey hohe Säulen, welche über die Höhe des Ge- bäudes hinausragend mit ihren grünen Gesimsen die Kup- pel beschatten. Die Mauern sind sowohl von innen als von aussen mit grünem persischen Porcellan bekleidet, woher das Grabmahl den Nahmen Jeschil imaret , d. i. 55 der grünen Stiftung, führt. Hier stehen fünf Sarkophage in der Reihe , mit reichem Stoffe , mit Turbanen und mit Shawlen bedeckt. Rund herum liegen Korane auf nie- deren Tischen für die gestifteten Leser, welche den Ko- ran mach und nach für das Heil der Seele des Verstor- benen lesen, und dann wieder von vorne anfangen, wie in den kaiserlichen Mausoleen der Hauptstadt. Diese Le- sung ist anempfohlen durch ein überliefertes Propheten- wort, welches man oft in dem Inneren der Grabmahle als Inschrift findet. In diesem hier sind auf den acht Wänden eben so viele Überlieferungen des Propheten in weissem Schmelz auf persischem Porcellan ange- bracht, nähmlich: Die Ehre dieser Welt liegt im Geld; die der andern Welt in gu- ten Werken. Die Welt ist ein Aas, und die so, ihrer begehren, sind Hunde. Die Welt ist der Kerker des Rechtgläubigen, und das Paradies des Ungläubigen. Das Heilmittel des Paradieses ist die Lesung des Korans. Ein Geruch von Wissenschaft ist besser als viele Werke. Der beste der Menschen ist, wer nützet den Menschen. Wer zum Guten leitet, ist, wer viel Gutes thut. Die Welt dauert nur kurze Zeit, und die Handlungen liegen in der Absicht. - VVie Sultan Mohammed's I. Grabmahl das schönste, so ist das seines Sohnes Sultan Murad's II. das grösste und weitläufigste der zu Brussa begrabenen ersten sechs Sultane der Osmanen. Es erheben sich zunächst der von 54 - ihm am westlichen Ende der Stadt gebauten grossen Mo- schee, in einem weiten, geräumigen, von Platanen be- schatteten Hoſe, eilf Capellen, wo er mit dem Sultanen seinen Söhnen, und dem Sultamimmen seinen Töchtern und Frauen ruht. Die Hüter der Grabmahle zeigen hier in der Capelle, welche gerade im Winkel steht, das darin befindliche Grabmahl als das einer christlichen Prinzessinn, welche hier neben dem Fürsten und Für- stimmen der Moslimin begraben liegt. Dieses ist ohne Zweifel die servische Prinzessinn , deren Hand Murad von ihrem Vater sammt seinem Königreiche siegender- zwang, die aber, weder ihr Volk noch ihren Glauben verläugnend, selbst im Harem des Sultans Christinn blieb, und als solche an der Seite ihrer Kinder und Nebenbuh- lerinnen mitten in dem herrlichsten Gräberhaime des Is- lams ruht. Von vier Sultaninnen fränkischer und christ- licher Abkunft, deren die osmanische Geschichté als gros- ser und selbstständiger Frauen erwähnt, ist die servische Prinzessinn die einzige , welche, trotz der Verführun- gen des Harems, und trotz des Machtgeboths des Des- poten, ihrem Glauben nicht entsagte; die drey anderen waren: die griechische Fürstin.m Nilufer, d. i. Lotosblu- me, vom heimischen Hochzeitsfeste und aus der väter- lichen Veste weg, für das Brautbett des Barbaren (Or- chan's) unter VVaſſen geraubt; die Französinn, welche unter Mohammed's II. Regierung zur See gekappert, dem Frauengemache einverleibt und dann neben ihm in seinem Grabmahle zu Constantinopel beygesetzt, die angebliche Verwandtschaft der osmanischen Sultane mit den französischen Königen, woraus diese so oft politi- 55 schen Nutzen zogen, begründete; und endlich die Rus- sinn Rorelane, die Gemahlimm Suleiman's des Grossen, deren Ränken das Blut von mehr als einem Sohne ihrer Nebenbuhlerinnen floss. 2. Gräber der Heiligen. Da bey allen Völkern der Ruf der Heiligkeit mit den Jahrhunderten wächst, und die Vergangenheit immer weit fruchtbarer an Heiligen ist, als die Gegenwart, so zählt auch Brussa, als die Wiege des Reichs der Osma- men, verhältnissmässig eine weit grössere Anzahl von Heiligen und Wallfahrtsörtern als andere grosse Städte. Der Beynahme Yater, Baba (das deutsche Papa), oder Dede (das landschaftliche Tat), ist der allgemeine Nahme, welchen die Ehrfurcht dem Alter beylegt, und es scheint zwischen beyden kein anderer Unterschied zu seyn, als dass der Nahme Dede dem mehr abgelebten Greise zu- kömmt. Abdal") heissen die Wahnsinnigen, welche aus den Reisebeschreibern unter dem Nahmen der Santons be- kamnt sind, wirkliche oder verstellte Narren, welche das Vorurtheil der Moslimen eben darum, weil sie wahn- sinnig sind, für heilig hält. Sultan endlich werden die Fürsten im Reiche der Heiligkeit genannt, welche diesen Nahmen mit den Herr- schern der Welt gemein haben; meistens grosse und berühmte Scheiche der Derwische, welche sich eben *) Abdal ist keine Abkürzung von Abdallah, wie man immer glauben könnte, sondern ist dasselbe mit dem neugriechischen BouéeA2, das ebenfalls einen dummen oder irren Menschen bedeutet. 56 darum Herren und Fürsten dünken, weil sie auf alle Herrschaft und Grösse Verzicht thun, und desshalb auch ihren Kopfbund nicht anders als die Krone nennen. Dem- nach wallfahrten wir zu den Gräbern dreyer jungen Vä- ter (Baba), und dreyer alten (Dede), dreyer Wahnsin- nigen (Abdal) und dreyer Fürsten (Sultan) im Reiche der Heiligkeit. Géiiklibaba , d. i. der Hirschenpapa , ein Derwisch aus Aserbeidschan, ein Jünger des grossen Scheichs Chod- scha Ahmed Jessui, der in Wäldern in der Gesellschaft von Hirschen und Gasellen lebte, die er zu seinem Last- thieren und Reitpferden abrichtete. In dem Schlosse von Brussa wird der alte Stamm eines grossen Baumes gezeigt, den er gepflanzt haben soll. Sultan Orchan, un- ter dessen Regierung erlebte, und den er auf seinen Feldzügen begleitete, baute sein Grabmahl in der Mitte von Brussa und stiftete ein Kloster dazu. Ramasanbaba, d. i. der Fastenpapa, ein Derwisch aus dem Orden der Beglaschi, d. i. des militärischen Ordens der Janitscharen, ein frommer Mann, von denn die Le- gende weiter nichts sagt, als dass er barfuss und bar- haupt ging , bethete und fastete, ruht unter Bäumen auf einem offenen Platze. Akbiikbaba, d. i. der weissbartige Papa , ein Scheich des Ordens der Derwische Bairami, aus der Zeit Murad des Zweyten, liegt in dem von ihm gestifteten Kloster, das auch dem Viertel der Stadt den Nahmen gibt, be- graben. Karanfillidede, d. i. der Nelkentati, ruht in dem Klo- ster zu Karanfill, dem schönen melkenreichen Spatzier- 57 gange auf der Westseite der Stadt ausser dem Thore Hassan Pascha's. - - Sünbüllide.de , d. i. der Hyacinthentati, bey dem Thore der Tataren begraben. Jogurdlide.de *), d. i. der Saueremilchtati, ein Derwisch aus Chorassan. - 4 Abdal Murad, d. i. der wahnsinnige Murad, ein Der- wisch aus Chorassan, welcher der Eroberung von Brussa beywohnte, und am Fusse des Olympos auf der nach ihm genanntem herrlichen Aussicht in seinem Kloster be- graben liegt. Man zeigt hier sein hölzernes Schwert, welches europäische Reisende für die Durindana des ra- senden Roland angesehen haben, indem sie das hölzerne Schwert des wahnsinnigen Derwisches mit dem eisernen des rasenden Paladines verwechselten; solche heilige Schwerter, wiewohl nur von Holz, haben den ersten Sultanen der Osmanen nicht weniger Dienste geleistek, als die stählernen, indem sie diese durch ihr Beyspiel in Bewegung setzten. Sultan Ahmed I. huldigte diesem staatsnützlichen Aberglauben, indem er von der Länge dieses Schwerts, das drey Ellen mass, beyläufig Eine wegschnitt, und dieselbe im kaiserlichen Schatze zu Con- stantinopel als Reliquie verwahren liess. Abdal Mussa; d. i. der wahnsinnige Moses, kam mit Hadschi Begtasch aus Chorassan mach Kleinasien, wohnte der Eroberung von Brussa bey, und liegt neben dem *) Ein solcher Dede war der türkische Mönch, welcher unter der Regierung Manuel's die griechischen Mönche verführte, die bey ihrer Hinſichtung auf türkisch ters Baata» pms (Irisch), d. i. Yater Sultan komm ! riefen. Ducas. H 53 Hirschenpapa begraben, dessen. Wundern die Legende die seinigen beygesellt. Moses sandte dem Hirschenpapa Gluth in Baumwolle gewickelt, und dieser schickte ihm dafür Milch von einer Hindinn, die er ritt, um ihm zu zeigen, dass er den geheimen Sinn der Sendung ver- standen, und dass, so wie sein Freund Kraft und Sanft- muth (Gluth in der Baumwolle) zu paaren wisse, er die Früchte der Cultur der wilden Natur (Milch von der Hindinn) zu entlocken beflissen sey. Abdal Mohammed, d. i. der wahnsinnige Mohammed, ruht an der Hauptstrasse in dem nach ihm genannten schönen Kloster. Die drey Sultane der Heiligen sind: Tschekirdsche Sul- tan, d. i. der Heuschreckensultan, Schadi Sultan, d. i. der Freudensultan, und Emir Sultan, d. i. der Fürst Sultan. Der erste liegt auf der Westseite der Stadt zunächst an dem Grabmahle Sultan Murad's II., der letzte auf der Ostseite an der nach ihm genannten Moschee, begra- ben, und neben ihm ruht auch der zweyte. Das Anden- ken des ersten und dritten verherrlichet auch der Nah- me der nach ihnen genannten westlichen und östlichen Vorstadt Brussa's Tschekirdsche und Emir Sultan. In beyden ragt eine grosse Moschee als die herrschende Steinmasse hervor, um die sich die anderen Gebäude wie die Frucht um dem Kern geformt haben. Gegenüber der Moschee von Tschekirdsche ist eine freye Aussicht, von wo man die Ebe- ne von Brussa in ihrer ganzen Ausdehnung umfasst, und einige und zwanzig Dörfer entdeckt, theils auf der Ebene, theils auf der Hügelkette, die sich zwischen dem Meere und dem Olympos erhebt, gelegen. Die Fontaine dieses 5 Belvedere's, welche die Fluthen einer kalten und vº men Quelle vereint, verdient besondere Aufmerksam- keit durch das fündige Spiel, wodurch der VWasserbau- meister Auge und Gefühl zu täuschen bemüht war. Die kalte Quelle, aus mehr als einer Öffnung hervorsprin- gend , füllt das Becken. Wenn man die Hand in die Quelle und in das Becken taucht, so ist sie kalt, das Wasser aber, das aus dem Becken ausfliesst, heiss. Der heisse Quell wird nähmlich durch eine in der Dicke der Steinwand des Beckens verborgene Röhre bis zu der Höhe des Wasserspiegels der kalten Fluth hinaufgeleitet, und fliesst dann von aussen heiss, während das kalte Wasser von innen durch eine andere verborgene Röhre abfliesst. Das schönste, reichste und berühmteste aller Grab- mahle Brussa's ist das Emir Sultan's , an der von Sultan Bajasid dem Ersten erbauten, und nach dem Nahmen dieses heiligen Derwisches gemannten Moschee in der gleichnahmigen Vorstadt. Die Moschee erhebt sich auf einer luftigen, die Aussicht ringsum beherrschenden Höhe, zu dem der angebauten Grabmahle steigt man sechs Stufen hinunter. Die Wände sind so von aussen als von innen mit persischem Porcellan, die Thorflügel waren ehemahls mit silbernem Beschläge bekleidet. Vier Fenster dieses herrlichen Mausoleums gewähren die freye Aussicht auf die Ebene von Brussa , und die vier ande- ren gegenüber gehen in die grüne Nacht der Bäume des Harems , d. i. des Vorhofs der Moschee. Diese Grab- stätte war vormahls durch die Pracht der seidenen Tep- piche, der silbernen Lampen, der mit Edelsteinen be- setzten Rauchfässer und Rosenwasserflaschen eine der H 2 Go - reichsten in allen islamitischen Staaten, und gab an Reichthum und Glanz den berühmtesten Wallfahrtsör- tern des Islam's, dem Grabe des Propheten zu Medina, dem Ali's zu Kerbela , dem seiner Söhne zu Meschhed, dem des Imams Mussa Ali Ben Mussa Risa zu Tass in Chorassam, und des Imams Mussa Kasim zu Bagdad we- mig nach, und ist noch heute, nebst dem berühmten Grabmahle Sid Ghasis (im Sandschak Sultanögi) und Mewlana Dschelaleddin's zu Konia, der berühmteste Wall- fahrtsort des osmanischen Reichs. Die Schätze von Gold und Silber sind theils durch Feuersbrünste , theils durch Veruntreuung der Hüter hinweg geschmolzen, so, dass selbst von den Koranen, den Meisterwerken der ersten arabischen und türkischen Kalligraphen *), nur noch einige übrig und die Stiftungen für Armenwohnungen und Freyküchen fast gänzlich eingegangen sind. Emir Sultan hiess eigentlich Schemseddin Mohammed Ben Ali ; aus Buchara gebürtig, wallfahrtete er nach Mek- ka, wo er, laut der Legende, durch eine aus dem Hei- ligthume der Kaaba erschollene Stimme in dem Ange- sichte aller Seide und Scherife , welche die Echtheit sei- ner Abkunft vom Propheten und die Heiligkeit seines Lebenswandels bezweifeln wollten, für den Ersten der Emire und Heiligen erkläret ward, und seit dem den dreyſachen Ehrentitel Emir, Sultan, Weli, d. i. Fürst, Herrscher, Heiliger, erhielt. Von Mekka trat er mit ei- *) Solche Kalligraphen waren Jakut Mosteassemi, der Erfinder der Neschischrift, Scheich Bekri, Sehebi und Chaled unter den Arabern; dann unter den Türken, Abdollah aus der Krim, Has- san von Karahissar, Scheich Dede Mohammed und Timurd- schikuli. 4. 6r ner Schar seiner Jünger seine Reise an, auf welcher ihm, - nach der Legende, eine in der Luft schwebende Lampe vorleuchtete, wie die Feuersäule der Israeliten, und bey seiner Ankunft zu Brussa verlosch. Sultan Emir sah hierin den Wink des Himmels, der ihm Brussa zum Aufent- halte bestimmte , und er ward der Heilige der Regie- rung Bajasid's I., den er auf seinen Zügen begleitete, und mit der schönem griechischen Prinzessinn Lotosblume traute. Nach der Niederlage Bajasid's rettete er Brussa von der Verwüstung Timur's durch eine Gesandtschaft am denselben, und starb i. J. d. H. 833 (Chr. 1429). Nach seinem Tode wurde seine Grabstätte verherrlicht durch Sagen vom Wundern und durch Wallfahrten von Gläubigen, denen selbst die Sultane mit gutem Beyspiele des heiligen Besuchs vorgingen. Als Sultan Selim I. nach dem über seinem Bruder Ahmed erfochtenen Siege die Gräber seiner Ahnen und Emir Sultans zu Brussa besuch- te, verkündete ihm eine aus dem Grabe erschallende Stimme die Eroberung Ägyptens. So wiederhohlte sich durch die Stimme aus dem Grabe das leicht begreifliche Wunder, wodurch der Selige selbst durch die Grab- stimme des Propheten zum Heiligen erklärt worden war, indem er nun als Sultan der Heiligen den Sultan der Gläubigen aus seinem Grabe als Sieger und Eroberer Ägyptens begrüsste. Dankbar für die seinem Ahnherrn Selim dem Ersten gegebene und erfüllte Freudenboth- schaft, stellte Sultan Selim III., der Wiedereroberer Ägyptens , die durch den Brand verheerte Moschee Emir Sultan's sammt seinem Grabmahle wieder von neuem her. 62 3. Gräber der Gelehrten. Von dem Heiligen gehen wir nun zu den Gelehrten über, von denen statt einem ganzen Dutzend ein hal- bes, nähmlich eine Trias vom Gesetzgelehrten, und eine andere von Dichtern genügen mag. Der grosse Scheich Al-bostami *), geboren im J. d. H 8o3 (Chr. 14oo) gestorben im J. d. H. 875 (Chr. 147o), aus der Zeit Sultan Mohammed's des Zweyten, der Ver- fasser vieler gelehrter Commentare über grammatikali- sche und theologische Werke, soll in Brussa begraben liegen, was aber zweifelhaft, weil sein Grab auch zu Constantinopel an der Moschee Ejub gewiesen wird. Gewiss ist diess aber vom grossen Richter Al-Fenari*), der nach seiner Rückkehr aus Persien, wo er zu Herat studiert hatte, unter Sultan Mohammed II. zuerst als Pro- fessor an den Collegien Sultan Orchan's im Schlosse, und Sultan Murad's H. dann als Richter von Brussa an- gestellt ward; unter Sultan Bajasid IL- bekleidete er acht Jahre lang die Ehrenstelle eines Heerrichters vom Rumili, und zog sich dann wieder in seine Vaterstadt zurück, wo er drey Viertheile des Jahres auf seinem Landhause am Olympos, den Winter aber in der Stadt verlebte, und, die Dinstage und Freytage ausgenommen, täglich Unterricht gab. Er starb im J. d. H. 834 (Chr. 143o), und liegt an seinem Collegium begraben. *) Sein ganzer Nahme ist: Mola Scheich Ali Ben Medschdeddin Mohammed Ben Mohammed Ben Messud Ben Mahmud Ben Mo- hammed Ben Mohammed Benol - Imam Fachreddin Mohammed Ben Omar Al-bostami, Al-herwi, Er - rasi Al-karuni. Die Zahl seiner Werke entspricht der Länge seines Nahmens. **) Mola Alaeddin Ali Ben Jussuf Ibn Schemseddin Al - Fenari. 63 Chosrew Ibn Chisr, der Verfasser des grossen Werkes über die Gesetzwissenschaft (Durrer ughurrer) unter Mo- hammed II., liegt zu Brussa nächst Séineddin Haft begra- ben, und man zeigt noch die kleine finstere Zelle, worin er dieses classische Werk der osmanischen Rechtsgelehr- samkeit ausarbeitete. - " Mola Chosrev der grosse Rechtsgelehrte ist nicht zu verwechseln mit Mola Chosrev dem grossen Dichter, dem Verfasser der türkischen Schirin, welcher dieselbe hier auf der Höhe des Olympos unter dem Gesäusel von Pi- nien und dem Gemurmel der reinen Bergwasser sang, das aus seinem Versen wiedertönt. Auch der Dichter Chiali, d. i. der Phantasienreiche, welcher diesen Nahmen durch den hohen Schwung sei- mer Einbildungskraft verdient, und JPYassi Ali, der Ver- fasser des Humajunname, d. i. der türkischen Übersetzung der unter dem Nahmen Bidpais berühmten Apologen, des Meisterstückes türkischer Prosa, ruhen zu Brussa. Mola Chosrev, der erste romantische Dichter, und Wassi Ali, der erste geschmückte Prosaiker der Osmanen, sam- melten in dem Blumengefilde Brussa's die schönsten Blü- then der Dichtkunst und Rhetorik, womit sie ihre um- sterblichen Werke ausschmückten, und übertrugen in dieselben mit dem Farbenschmelz des Prachtgemähldes der Natur den Wohllaut der hallenden Wälder und der fallenden Ströme. Hier, wo sie die schönsten Tage ih- res Lebens auf der Höhe des Olympos unter Vögelge- sang und Fluthenklang lernend und lehrend genossen, ruhen sie am Fusse des Gebirgs, in dem kühlen Schatten 64 des Grabes den Quell des Lebens verspendend, der in ihren unsterblichen VWerken fliesst. Nach dieser doppelten Dreyzahl grosser Gesetzge- lehrten und Dichter, welche in der osmanischen Ge- schichte eben so hoch berühmt sind, als die sechs zu Brussa begrabenen ersten Sultane, verdient die Schar der übrigen hier ruhenden Scheiche , Muftis, Imame und Ulemas kaum unsere Aufmerksamkeit. Die berühmtesten der hier begrabenen Scheiche oder Ordensobern sind: der Scheich Hadschi Chalfa , Oberer des Ordens der Derwische Bairami, der Scheich Ali Bal- chi, Oberer des Ordens der Derwische Nakschbendi, und der Scheich Omar Ali, Oberer des Ordens der Derwi- sche Challveti. Weiters der Scheich Abdollatif Moka- dessi*), der zur Zeit Sultan Mohammed des Ersten von Konia nach Brussa kam , und hier das Kloster Seinler er- baute, an dem er begraben liegt. Der Scheich Kiarsuni**) liegt gegenüber der Begräbnissstätte der Kamehltreiber in einem von Sultan Bajasid I. für ihn erbauten Kloster begraben; er war der Sohn einer armenischen an einen Fürsten aus der Familie Akdsche Kujunli verheiratheten Prinzessinn. Gelehrte von minderem Range als die oben erwähn- ten, sind: Abdollah Krimi, der unter Sultan Murad II. als Professor zu Mersifun stand - und Mola Jussuf Bali Ibn Jegan , beyde Verfasser eines geschätzten Werkes über das Telwih. Meulana Elias Ben Ibrahim, ein berühmter *) Sein ganzer Nahme ist: Abdollatif Mokadessi Ibn Abdor - rah- man Ibn Ali Ibn Ghanem Al- Anssari. **) Ebu Ishak Ibrahim Karsuni. 65 Geschwindschreiber. Abdollah Efendi und Hassan Tsche- lebi, zwey Gelehrte der Überlieferungs- und Auslegungs- kunde. Endlich der berühmte Mufti und Geschichtschrei- ber des osmanischen Reichs, Asis Efendi, einer der ehr- geitzigsten, prachtliebendsten, talentvollsten, unruhig- sten Köpfe, deren die osmanische Geschichte erwähnt, und der, nachdem er lang durch seine Ränke die Ule- mas und den Hof als oberster Vorsteher des Gesetzes beunruhiget hatte, nach Brussa verwiesen, hier seine Laufbahn und sein Leben beschloss. Er liegt an der Strasse zunächst an der Begräbnissstätte der Kamehl- treiber. Von den Gräbern und Todten kehre der Blick wieder zu dem Gebäuden und ihren lebendigen Bewohnern, ih- ren Erwerb und ihre Obrigkeiten überschauend, zurück. Brussa's Häuser sind theils aus Stein, theils aus Zie- geln, theils aus Holz gebaut. Die Ecken der Häuser, welche zugleich Gassenecken bilden, sind meistens ab- geplattet, und diese Abplattung fängt ziemlich hoch an der Mauer durch eine architektische Verzierung an, die sehr gut in die Augen fällt. Eine sehr einfache Anord- nung zurückgeschobener Ziegeln, welche hohle, in die Mauer hineingehende halbe Parallelepipeda bilden (wie die Kupfertafel dieses veranschaulichet). Die Stadt. zu An- fang dieses Jahrhunderts durch eine wüthemde Feuers- brunst in Asche gelegt, erhob sich nur nach und nach - aus derselben. - Laut der Angabe der Einwohner soll sich ihre Zahl auf ein Mahl hundert tausend Moslimen belaufen, was übertrieben scheint, selbst wenn man 6ooo Armenier, - I 66 35oo Griechen und 12oo Juden, welche dem nicht mo- hammedanischen Theil der Bevölkerung ausmachen, darunter begreift. Die armenische und griechische Kir- che steht unter Metropoliten, die von dem Patriarchen ZUl Constantinopel abhängen. Die armenischen Geistli- chen, welche den Dienst der Kirche versehen und an derselben in Gemeinschaft wohnen, sind theils Mönche (Karabasch, wörtlich Schwarzköpfe), wie ihr Bischof, und dürfen sich nicht verehelichen; andere wohnen mit Weib und Kind in der Stadt. Ihre Metropolitankirche ist, wenn micht grösser, doch weit reicher an Schmuck und Zierrathen, als die Metropolitankirche zu Constan- tinopel. Die armenischen Kirchen sind, ihrer Bauart und Einrichtung nach, von dem griechischen ganz verschie- den , indem sie geräumig und licht. Da sind keine Bän- ke und Stühle, nur Matten bedecken die Flur, und die drey auf einer Linie sich erhebenden Altäre abgerech- net, hat ihr Inneres mehr mit Moscheen als mit anderen christlichen Kirchen gemein. Diese drey Altäre erheben sich aber keineswegs auf ebener Erde, sondern auf einer mehr als mannshohen gemauerten Estrade oder Bühne unter drey , durch einen in der Mauerdicke verborge- I1E Il Gang, verbundenen Gewölben. Bey der feyerlichen Messe ist der Oberpriester mit seinen Diaconen und Akolyten in beständiger Bewegung zwischen diesen drey Altären, indem er wechselweise vor demselben Gebeth und Rauchwerk darbringt, und bald durch die Verbindungsgänge, bald durch das Al- lerheiligste den Augen der Gemeine für ein Kleines ent- zogen, über ein Kleines wieder von Lichtglanz un 67 Rauchwolken umhüllt, wie ein Himmelsbothe auf der Höhe einherwandelt. Die Verschiedenheit des äusseren Cultus der nicht unirten griechischen und armenischen Kirche erinnert an die ursprüngliche wesentliche Ver- schiedenheit des heimlich altägyptischen Gottesdienstes, im ausgehöhlten Felsen und dunkeln Tempeln, mit hie- roglyphischen Bildern bedeckt, und des altpersischen, der in freyer Luft auf Bergen ohne sinnliche Bilder ge- feyert ward. Der Grieche gefällt sich noch im geheimen ägyptischen Dunkel und einem übertriebenen Madon- nencultus, ganz dem der Isis nachgebildet, während der Armenier, der Hochgebirge seines Vaterlandes und des benachbarten Persiens eingedenk, lieber in der Höhe einherschreitet und dem Herrn Hosannah singt. Zu Constantinopel wird viel vom religiosen Fanatis- mus der mohammedanischem Einwohner Brussa's und ihrem unfreundlichen Benehmen gegen Fremde.gespro- chen. Wir fanden das Gegentheil. Überall wurden wir freundlich empfangen, überall kam man bereitwillig un- serer Schaulust und Neugierde entgegen, die wir durch die Besichtigung ihrer Grabmahle und Moscheen mit grösserer Leichtigkeit und Freyheit zu befriedigen Ge- legenheit fanden, als selbst zu Constantinopel. Was die Bewohner Brussa's bey Fremden und besonders bey Rei- senden, welche der Sache unkundig, nur sehen und nicht sprechen, in diesem üblen Ruf gesetzt zu haben scheint, dürfte in etwas Wildem und Störigen liegen, das sich fast auf allen Gesichtern ausdrückt - und mit der Artigkeit ihrer Sitten, und besonders mit ihrem freund- lichen Gesinnungen gegen die Fremden im schneiden- I 2 68 den Contraste steht. Bey näherer Betrachtung und Prü- fung findet es sich, dass dieses Wilde und Abschrecken- de in einem Fehler der Augen (nicht des Fremden, son- dern der Einheimischen) besteht. Wirklich haben fast alle Einwohner, Männer und Weiber und schon die kleinsten Kinder, einen sichtbaren Mangel im Auge, der sich aber leichter wahrnehmen als beschreiben lässt. Es ist eine Art von schielendem Blicke, eine Art geblen- deter Augen, denen die zu grosse Lichte des Tages weh gethan zu haben scheint. Noch schwerer als dieses zu beschreiben, ist es für den der Augenkunde Unkundi- gen, die Ursache davon anzugeben, oder zu vermuthen, indem keine der gewöhnlichen, den Augen schädlichen, örtlichen Ursachen hier zu Tage liegen. Die Sonnen- strahlen prellen hier von keinem das Gesicht ermüden- den Felsen ab, sondern verfliessen überall in die den Augen so wohlthätige grüne üppige Pflanzenwelt. Der Boden ist keine Wüste, wo Millionen spiegelig ge- schliffener Sandkörner mit zurück geworfenen Strahlen das Auge schmerzhaft durchdolchen; derselbe ist weder mit Salzen geschwängert, noch nach starker Hitze von kaltem Nachtthau durchfeuchtet wie in Ägypten; auch sind Augenkrankheiten hier nicht häufiger, als irgendwo anders. Die Ergründung der Ursache dieses Augenfeh- lers ist der Aufmerksamkeit eines denkenden und beob- achtenden Arztes nicht minder werth, als die Zersetzung der Wasser der Heilquellen. Eben so merkwürdig, als für den Arzt durch seine Bäder, ist Brussa für den Kaufmann durch seine Seiden- cultur und seine Seidenfabricate, und der Türke hat 69 also hier nicht Unrecht, jeden Fremden entweder als Hekim, d. i. Doctor, oder als Basirgan , d. i. Kaufmann, anzusprechen *). Das Erzeugniss der rohem Seide um Brussa wird jährlich auf hundert tausend Toffet, d. i. fast 3ooo Cent- ner (indem das Toffet 61o Drachmen wiegt) geschätzt. Der Preis ist seit einem Jahrhundert ungemein gestie- gen, indem das Toffet rohe Seide, das zu Tournefort's Zeiten 15 bis 2o Piaster kostete, heute mit 88 bis 9o be- zahlt wird, wobey freylich ein guter Theil der Ver- schlechterung des Piasters willen nur scheinbare Erhö- hung ist. Die Seidenfabricate Brussas bestehen in ge- wirkten Seidenzeugen, von denen jährlich allein mehr als 1oo,ooo Stücke ausgeführt werden sollen, in Dünn- tuch für Frauenhemden, und in einer Art von Sammet (Katife) zu Soffakissen. Die Seidenzeurge (Kutni), theils gestreift , theils mit Blumen durchwirkt, geben ge- schmackvolle lange Westen oder Unterkleider für Män- ner sowohl als Frauen; zu den Hemden oder Westen wird das Dünntuch (Burundschik) verwendet, eine Art *) Der Classenbegriffe des Standes, unter welche der Türke die reisenden Fremden eintheilt, sind drey, nähmlich: Hekim (Arz), Basirgan (Kaufmann), oder Kapudan (Hauptmann) Unter dem letzten begreift er sowohl den Schiffscapitän als den Landoff- cier; unter dem ersten sowohl den Doctor als den Philosophen, und er redet den Reisenden mit einem dieser drey Nennwörter an, je nachdem er nach seinem Aussehen urtheilt, dass Wis- senschaftsliebe oder Gewinnsucht, die Hülfe leidender Meusch- heit, oder militärische Dienstpflicht die Beweggründe seiner un- ternommenen Reise seyn mögen. Nach der Nation ist ihm aber jeder entweder ein Moskow (Russe), Inglis (Engländer), Fran- fis (Franzose), oder Nemtsche (Deutscher). Weiter hinaus er- strecken sich seine Standes - und Volksbegriffe nicht, 7O º koischem Gewande, das im Ganzen halb durchsich- tig, theilweise mit ganz durchsichtigen Streifen durch- webt ist. Da der halb durchsichtige Stoff nie ganz weiss gewaschen wird, sondern immer die gelbliche Farbe ro- her Seide behält, so sticht das Silberweiss eines schönem Leibes durch die ganz durchsichtigen Streifen um so blendender ab, und die Schönen im Hareme, bloss in solche Hemden gekleidet, erscheinen, je nach der Zeich- nung der lichten Streifen und bindenartig laufenden Ver- brämungen, als gold- und silbergestreifte Zebras. Der Sammet zu Polsterkissen ahmt die phantastische Zeich- mung der bekannten türkischen Teppiche nach, doch so, dass der Grund immer weiss, die geschnittenen Blu- men und Verzierungen aber blau, grün, roth, gelb, meistens einfarbig, manchmahl aber auch von gemisch- ten Farben sind. - Ausser dem Seidenzeuge auf Kleider, dem Dünntuch auf Fraueuhemden, und dem Sammet auf Polsterkissen, wird in Brussa auch noch die blaue und naftafarbene Leinwand zu den schönsten Badeschürzen (Pischtemal) verfertiget, auch andere Beutel und seidene Quasten. Dieser Reichthum an Seide lässt auf die Grösse der Maulbeerpflanzungen schliessen, mit denen die ganze Ebene von Brussa (insgemein das Feld von Filehdarge- nannt) bedeckt ist. Man zählet nicht weniger als sieben Arten von Maulbeeren und vierzig Arten von Birnen in den Umgebungen Brussa's. Noch sind die Trauben, Apri- kosen und Kirschen, vorzüglich aber die guten Kasta- mien, ihrer Grösse und Geschmackhaftigkeit willen, weit berühmt. Sie wiegen bis zu 4o Drahmen eine, und wer- 71 den mit dem saftigen Fleische der auf dem Olympos wei- denden Hammel zu einem Braten verwendet, der für einen der grössten Leckerbissen gilt und Kirde Kebabi heisst. Unter dem Luxusgebäcke zeichnen sich die schmackhaften Semmeln (Sumum) und das weisse Brot (Tschakil ekmek), unter dem Zuckerwerke die Halwagat- tungen (Tahin und Mummessik), unter den Sorbetten der Nelkensorbet (Karanfilli scherbeti) und der Sorbet (Süd- schah scherbet) durch ihre vorzügliche Güte aus, so dass Brussa auf der apicischen Landkarte des Gourmand's kei- men minderen Ehrenplatz als auf der ästhetischen des Liebhabers von Naturschönheiten, und auf der politi- schen des Statistikers einnimmt. Diesem ist Brussa als die dritte Stadt und älteste Residenz des Reichs, als Han- delsstadt und als Hauptstadt des Sandschak's Chodawend- kiar besonders merkwürdig. Als sie nach der Eroberung Constantinopels aufge- hört hatte, die Residenz der Sultane zu seyn, blieb sie die Hauptstadt der Landschaft Chodavendkiar, d. i. des Selbstherrschers (nach Murad I. sogenannt). Diese Land- schaft zählt 42o grosse Reiterlehen (Siamet) und 1oo5 kleine (Timar). Die Landeinkünfte des Paschas sind in den alten Kanun's mit 618,079 Aspern, die des Richters mit 5oo Aspern eingetragen. Der Richter (Molla) von Brus- sa steht auf einer der höchsten Stufen der Würdenleiter der Ulema's, indem er unmittelbar zu den Richterstel- len der zwey ersten Residenzen des Reiches Adrianopel und Constantinopel aufsteigt *). Nach dem Molla sind die *) Unmittelbar unter dem Molla verwalten in den sieben Vierteln der Stadt die Gerichtspflege sieben Waibs, und ausser der Stadt 72 geistlichen Obrigkeiten Brussa's: der Mufti Entscheider schwieriger Rechtsfälle; der Nakibol-eschraf, oder Yor- steher der Emire , d. i. der Verwandten des Propheten. Die militärischen Obrigkeiten: die Officiere der Janit- scharen und Sipahi (Jenitscheriserdari und Sipah kiaja jer). Von Seiten der Kammer: der Aufseher der Mauth (Güm- rükemini, und der Aufseher der Seide (Harir Emini); endlich als Polizeybeamte: der Woiwode der Stadt, der Subaschi (Polizey - Commissär) Muhtessib (Marktrichter), und Ajak naibi , (Profos). Diess genüge von der heutigen Regierung der Stadt, so wie die zwey folgenden Worte von ihrer alten Ge- schichte. - Brussa's Erbauer war, mach Plinius, Hannibal , wäh- rend er als Gastfreund bey Prusias, dem Könige Bithy- - - - niens, weilte. Nachdem Mithridates von Lucullus bey Cyzicus geschlagen würde, belagerte und eroberte Tria- rius die Stadt. Die Münzen derselben, mit den Brust- bildern der römischen Kaiser , beweisen ihre treue Er- gebenheit gegen dieselben; die byzantinischen besuch- hängen von ihm ab die Naib's von Kine, Filehdar, Abliond, Castel und Tschekirdsche, also in allem zwölf Naibs oder Stell- vertreter; die anderen Gerichtsbarkeiten der Landschaft Cho- davendkiar, welche unabhängige Richter habeu, sind die 45fol- geuden nach Dschihannüma §. 652. Ik Ermeni, Edrenos, A- jasi, Akjasi jürük, Ulubad, Aidindschik, Ilidsche, Ainegöl, Bakir, Bergama, Begbasari, Bojali, Biramidsch, Terhala, Som- ma, Chirmendscik, Sivriñissar, Sögüt, Sindschan, Saritschair, Tagh - ardi, Tarakli, Tarakli jenedschessi, Tomanidsch, Kari- basari, Koribasari, Karahissar, Waalli, Kisildscha, Tusla , Ke- bud, Kete, Kermasti, Gimischabad, Kemlik, Gögdschetag, Günbasar, Goinek, Günjüsi, Lefke, Manias, Marmara, Mo- dania, Michalidsch, Michaldschik. 3 ten dieselben zu wiederhohlten Mahlen ihrer Bäder v len, so Constantin mit seiner Gemahlinn Theodora (im Jahre 797). Seifed-devlet der Grosse (von Motenebbi besungen), Fürst der Familie Hamadan , belagerte Brus- sa") (im Jahre 941) ein ganzes Jahr lang, bis es sich gütlich ergab, worauf er die Mauern schleifte *). Osman, der Gründer des Reiches, nachdem er Brussa drey Mahl vergebens belagert hatte, übertrug die Be- lagerung seinem Sohne Orchan. Dieser erbaute zu Ka- plidscha und Bunarbaschi zwey Thürme, mit deren Hülſe die Stadt mach siebenmonathlichem Widerstande im Jahre der Hedschira 726 (Christi 1325) erobert ward. Osman erhielt die Freudenpost im Augenblicke, wo er den Geist aufgab, und starb mit der Beruhigung, dass die Haupt- stadt Bythiniens ihm als Grabstätte, und seinen Nachfol- gern als Thronsitz gewonnen sey. Was diese durch Moscheen und Mausoleen , durch Bäder und Fontainen zur Verschönerung Brussas beygeträgen, ist bereits be- schrieben worden; und es ist nur noch der Mauern zu erwähnen, mit denen die Stadt unter der Regierung Mohammed's III., zur Zeit der asiatischen Empörungen, Jasidschi Oghlis, Kalender Oghli's , Dschennet Oghl's , und anderer Aufrührer, welche damahls Anatolien zerrissen, umfangen ward. *) Theophanes Lutetii, pag, 397, auch Cedrenus. **) Elmacinus, pag. 275. III. D e r O 1 y m p o s. Nach vollendetem Spatziergange durch das am Fusse des Olympos gelegene Brussa beginnet die Beschreibung der Wanderung in die höheren Regionen dieses berühm- ten Berges, dem das Alterthum von seinen gleichnahmi- gen Riesenbrüdern durch den Nahmen des mysischen Olympos unterschied. Der Weg geht zuerst hinter der Stadt gegen Osten gewendet allmählich bergauf. Auf der Höhe einer hal- ben Stunde öffnet sich der Eingang eines herrlichen Am- phitheaters von Felsen, die sich hinter dichtverwachse- nen Bäumen verstecken. Nussbäume, Kastanien, Buchen und Espen bekleiden die erste Stufe des Olympos. Der schmahle und schlimme Steig klimmt am Rande eines ungeheuer tiefen Thales hinan. Diess ist das Gökdere- oder himmlische Thal, in dessen Nahmen sich der Sinn des Olympos als Wohnung der himmlischen Freuden er- halten hat. Es ist dasselbe, bey der Beschreibung Brus- sa's erwähnte Thal, dessen verengte Mündung durch die Stadt ausläuft, und durch welches die wüthenden Winter und Wetterströme Bäume und Felsen hinab rollen. Hier erscheint dasselbe als eine ungeheuere Kluft, geteppicht mit Wiesen, behangen mit Wäldern, die wie vorge- schobene Scenen vor einander laufen, so, dass das Auge mehrere aufeinander folgende Thäler durchläuft, welche aber zusammen nur ein einziges grosses - von der VVur- zel des Berges auslaufendes Thal bilden. 75 Nachdem man beyläufig eine Stunde lang am Felsen- abhange dieses grünen Abgrundes fortgeht, erreicht man eine grosse Wiesenplatte, an drey Seiten offen, auf der vierten aber, der Südseite nähmlich, von einer hohen Felsenwand ummauert. Von der offenen Seite die- ser Platte taucht der Blick rechts und links in die tief- stem Thäler des Olympos , rechts in das Gökdere *), und links in die ungeheuere Kluft, welche ihn von dem gegen- über liegenden Gebirge von Katirli (dem Arganthionios) trennt, und dessen Aussicht mit dem See von Jenischehr schliesst. Auf der Wiesenplatte ist der vorzüglichste Sitz der turkomanischen Hirten, welche in den Sommermo- mathen den Olympos beziehen, den Rest des Jahres aber in der Ebene zwischen Brussa und Michalidsch zubrin- gen. Ihre Sennereyen sind niedere, durch Reife bogen- förmig gewölbte Hütten mit Pelz bedeckt, die wie halb- versunkene Lastwagen oder Archen aussehen, und de- ren dunkele Dächer von dem Grün des Grundes, worauf sie stehen, sehr angenehm abstechen. Diese herumzie- henden Horden , Jürük , d. i. Nomaden, genannt, 8oo Familien an der Zahl, halten sich, 4o bis 5o Familien beysammen, in solchen Alpengegenden auf, welche Jaila"), die Sommerwohnungen, heissen. Es gibt beyläu- *) Gökdere heisst auch das schönste Thal der asiatischen Küste des Bosphorus, das den Nahmen des himmlischen nicht minder als dieses durch himmlische Schönheit verdient. *) Jaila oder Jailak, das im Gegensatze von Kischla (Winter- quartier), zwar wörtlich Sommerwohnung bedeutet, entspricht ganz unsern Alpen. Die herrlichsten, noch von keinem europäi- schen Reisenden besuchten Alpen des osmanischen Reichs sind: K 2. 6 zwanzig solcher von Turkomanen bewohnten Jailas in den Thälern und auf den Höhen des Olympos. Hier folgen die Nahmen der vorzüglichsten, deren Lage nach den aus dem Munde dieser Alpenhirten erhobenen Angaben auf der Karte bezeichnet ist. Die erste, schönste und grösste dieser Alpen ist die der Wiesenplatte, worauf wir uns befinden. Hier hält sich der Kiaja oder Vorsteher der turkomanischen Hor- den auf. In der Mitte der beyden bewohnten Regionen des Olympos, der höheren und der unteren, gelegen, ist sie gleichsam der Mittelpunct des grossen, auf den Höhen und in den Tiefen des Olympos zerstreuten Nomadenla- gers. Der Nahme dieser Alpe, welche Ghasijaila , d. i. die Siegeralpe, heisst, oft aber falsch Kasijaila, d i. Richteral- pe, ausgesprochen wird, rührt von Sultan Orcham her, der die Belagerung Brussa's von hieraus leitete. Die Alpen von Scheich Murad von Erikli, d.i. die Flaumige, von Tschu- kur, d. i. Grube, von Sochta, d. i. Studenten, von Ka- pli, d. i. die Bedeckte, und von Teferrüdsch, d. i. der Fröhlichkeit, ziehen sich unmittelbar unter die Steger- alpe bis zu dem Fusse des Berges hin. Ober der Sieger- alpe liegen Kirasljailassi, die Kirschenalpe, Kulakdondu- Ramasan-jailassi, bey Adana; Merasch Jailassi, Malatia J., Ardschisch J; Bingöl J., bey Erserum; Dilendi J., gegenüber von Alja; Issfenas J., bey Attalia; Maut J., bey Sele/ke; Kara- tagh J., bey Diarbekr J.; Sindschar J., in Mesopotamien; We- rek J., bey Wan; Pinbanschi J., bey Eriwan; Ka/tan J., bey Siwas; Jildir J., bey Tokat; Hunkjar J., bey Magnesia; Bal- binar J.. bey Tibre; Posdelidsch J, zu Berki; Scholkai J., bey Paijas; Ruhban J, und endlich die Jaila, auf dem Olympos zu Brussa und auf dem Haemos in Rumili. radsch jailassi, die Ohrensaussalpe, Kisbunar, die º ferbrummalpe, Sobra Jailassi, zunächst vom Gipfel Tom- bak Tschukuri Jailassi, Tombakgrubenalpe, und Tschardak Jailassi, die Tschardakenalpe, liegen in den Thälern zu- nächst von Sobrajaila; die Äpfelgrubenalpe (Elma Tschu- kuri Jailassi) endlich ist gegenüber der Siegeralpe auf dem anderen Rande des himmlischen Thales, das von die- sen beyden Alpen bewacht wird. Die Hirten, welche diese Alpen bewohnen, sind augenscheinlich ein von den Türken verschiedener Schlag von Menschen, wie diess ihre Gestalt und Sprache bezeugen"). Sie sind mun- ter, lebhaft, thätig, unternehmend, frey in der Anspra- che, gastfreundlich im Empfang, aber zugleich in einer Art von Hinterlist und Misstrauen befangen, das ihnen ihre Verbindungen mit den Stadtbewohnern und den türkischen Obrigkeiten nothwendig einflösen müssen. Sie sind zu einem Weidengelde verpflichtet, das sie dem Pascha von Brussa oder seinem Stellvertreter entrichten müssen; andere Gebühren zahlen sie an den Jürük Agassi, ihrem, ihnen von der Pforte ausgesetzten, Vorsteher, der zu Michalidsch seinen Aufenthalt hat und sich alles, vorzüglich aber die Erlaubniss zu heirathen, theuer zah- *) Die turkomanische Aussprache und Verstümmelung türkischer Wörter findet sich auch in Brussa und anderen Gegenden Ana- toliens. So hört man Ahmet tschepu statt Ahmed Tschelebi, Me- met statt Mohammed, Assmil statt Ismail, Dschafar statt Dscha- fer u. s. w. Diese verderbte Aussprache, die von Reisenden nachgeschrieben worden, hat die häufigen Irrungen in der Recht- schreibung orientalischer Nahmen veranlasst, so dass noch hau- fig Mohanet oder Mehmet statt Mohammed oder Muhammed gehört und geschrieben wird. 8 º lässt. Diese Horden ziehen, wie schon gesagt, nur zwischen den Höhen des Olympos und der Ebene von Michalidsch umher; andere , östlich hereinwandernde, heissen Aktsche Köprili Jurük , d. i. die Horden von der Silberbrücke, und die gegen Westen Kabasch Jurük. Nachdem man die Platte der Turkomanen verlassen hat, beginnt die zweyte Region des Olympos von Bu- chen, Fichten und Tannen bedeckt mit dazwischen hervorschauenden Felsen. Diese Wälder sind jedoch heute durch das Holzfällen der Hirten sehr gelichtet. Sie legen Feuer an die Zweige und Rinde der Bäume, welche oft selbst als Beute der Flammen in Rauch auf- gehen. Die geschälten und gebleichten Stämme ohne Zwei- ge und Wipfel, gewähren einen traurigen Anblick in der Mitte ihrer hoch grünenden Brüder. Sie stehen als hohe Säulen ohne Kapital in der Mitte grüner Pyramiden; zur Zeit des Thauwetters, wenn der geschmolzene Schnee in Strömen durch die Thäler hinabstürzt, werden diese geschälten Stämme gehauen und in den Abgrund der Thäler hinabgeworfen, deren brüllende Wasser diesel- ben bis zur Mündung in der Ebene fortreissen. Dieses Schwemmen hat besonders in dem sogenannten Holz- thale Statt, durch welches der Nilufer ausströmt; er führt die gefällten Wälder noch einige Zeit lang in der Ebe- me auf seinem Rücken fort, bis zum Dorfe Odunliköi, d. i. Holzdorf, wo dieselben ein Rechen aufhält. Nach ei- nem zweystündigen Wege von der Turkomanenplatte, ge- langt man zur Alpe Sobra Jaila, welche, zwey Drittel der ganzen Höhe des Berges, hoch an den Gränzen der zwey- ten Region gelegen ist. Hier beginnt so zu sagen der 79 Kampf zwischen dem Pflanzen- und Steinreich; diese Alpe ist eine Thalschlucht, deren Wände mit Fichten und Tannen bekleidet sind. Die Gegend ist ausseror- dentlich merkwürdig durch die sonderbare Gestalt der Felsen, von denen der Kamm des Berges starrt. Es sind ungeheuere Felsenblöcke hie und da wie zerstreut hin- geworfen; alle durch die Hand der Natur abgerundet, beleidigen sie das Auge durch keine eckigen und win- keligen Umrisse , sondern stellen sich überall in den an- genehmsten Formen und in lieblichen Rundungen dar; selbst die , durch die verschiedenen Steinschichten, auf diesen schwarzen und weissen Felsen gezogenen Linien sind alle wellenförmige Rundungen, die dem Auge durch die Leichtigkeit ihrer Zeichnung und durch das Gefälli- ge ihrer Umrisse wohlthun. Man möchte sich hier ver- setzt glauben in eine ungeheuere Bildhauerwerkstätte, wo Riesentorsos von allen Gattungen nur die Hand des Künstlers erwarten, um das gesammte Spiel verborge- mer, noch in Stein gebannter Gliedmassen zu entfalten. Siehe da Ringer , Centauren, Büsten, Statuen und ganze Gruppen in Felsenmassen vorgezeichnet! Man möchte sagen, es seyen die zusammengesetzten Trümmer eines ungeheueren Tempels; Altäre, Sphinxe, Sarkophagen ! oder man möchte sich auf dem Schlachtfelde der Gigan- ten glauben, welche den Himmel erstürmen wollten; diess sind ihre zerstreuten Glieder, welche der Blitz zerworfen und in Stein verwandelt hat! Auf dem weis- sen und schwarzem Grunde, der die Formen dieser Fel- sen abstechend erhebt, hat die Natur mit grünem, gel- bem und violettem Moos Hieroglyphen in frischeren und Bo nicht weniger dauerhaften Farben gemahlt, als die der ägyptischen Tempel und Königsgräber. Sie sprechen zwar nicht als unbekannte Sprachzeichen den Geist, aber de- sto mehr als eine mystische Schrift die Phantasie und das Gefühl an. Die Reisenden, welche das herrliche Schauspiel des Aufganges der Sonne vom Gipfel des Olympos genies- sem wollen, bringen hier meistens die Nacht zu, und werden von den Turkomanen mit Forellen *) aus den mächsten Bergwässern, und mit einem gebratenem Lam- me oder Hammel bewirthet. So köstlich der Franke auch diese Gerichte nach der Ermüdung der Bergreise findet, so hat das Hammel- oder Lammfleisch doch für ihn den VVerth nicht, wie für den Osmanen , der in demselben von der Zucht der Heerden Osmans, des Stifters der Dynastie, zu geniessen glaubt, indem die Sage will, dass ihm eine Heerde von nicht weniger als 4oooo Läm- mern und Hammeln auf dem Olympos weidete. Eben so wenig, als gesunde Esslust nach langer Ermüdung dieser Sage bedarf, um den Fleische würzigen Ge- schmack zu verleihen, eben so wenig bedarf der Fisch, nähmlich die köstlichsten Forellen, selbst nach gestill- tem Hunger - einer anderen Empfehlung, als dass sie frisch aus der kühlen Fluth der Felsenquelle in die sie- dende Kochpfanne überspringen, ohne jedoch dorten, wie in der tausend und einen Nacht, ihre Köpfe wieder zu erheben und dem schläfrigen Reisenden Mährchen *) Der Nahme der Forelle auf Türkisch ist: Ala Balik, d. i. der weissgeflekte Fisch, nicht Allhah Balik, d. i. Gottesfisch, wie Pocoike meint. 81 vorzuerzählen. Die besten derselben werden in der Entfernung einer kleinen halben Stunde von Sobro, im dem Bache von Kirkbunar, d. i. der 4o Quellen *), gefan- gen. Belohnender noch - als die Forellen für den Gau- men, ist die herrliche Gegend dieses Kessels für das Auge. Ein Alpenstrom, der aus dem ewigen Schnee des Gipfels des Olymps sich losgerungen, verfolgt hier seinen Lauf springend und schäkernd, knirschend und schäumend über Felsenblöcke, die umsonst dem muthi- gen Läufer und Springer hemmen wollen. An seinen bey- den Ufern erheben sich Felsen mit Fichten, Tannen und Weymuthskiefern gekrönt. Eine Art derselbeu trägt an dem Ende ihrer Zweige frischeres, zarteres Grün , als ihre übrigen Nadeln. Einige dieser Felsen erheben sich vereinzelt in mah- lerischen Gestalten wie Statuen indischer Gottheiten aus der Masse des Felsens roh ausgehauen, die Oberfläche anderer scheint mit aller Sorgfalt des Meissels geglättet. Dort scheint sich der Eingang von Königsgräbern zu öff- nen, welche das Alterthum in die Felsen zu hauen lieb- te, und hier springen auf unersteiglichen Höhen Tafeln hervor, auf denen die Zeit und das Moos Inschriften zeichnete. Auf dem Gipfel des Felsenwalles , der dieses Thal von Sobra trennt , thürmet sich eine Felsenmauer auf, so merkwürdig durch die ungeheueren Blöcke *) Der Nahme der 4o Quellen findet sich hier wie auf der Ebene von Troja, an denen des Skamandros, und die türkische Be- nennung der Quelle des Simoiss Bunarbaschi, d. i. Quellen- haupt, haben wir schon früher unter den Spatziergängen von Brussa begegnet. L 82 schwarzen und weissen Gesteines, dass dieselbe unter dem besonderen Nahmen von Tschoban Kijassi, d.i. der Fels der Hirten, bekannt ist. Gegenüber demselben, d. i. am anderen Ufer des Bergstromes der 4o Quellen, erhebt sich noch in weit grösserer Höhe der Fels der Tomback- grube, dessen Nahme auf erzhaltiges Gestein hin zu deu- ten scheint, und von dessen Höhe mehrere Beobachtun- gen mit dem Compass zur Berichtigung der entworfenen beyliegenden Karte des Olympos genommen sind. » Von dem Nachtlager am Ufer des Bergstromes, am Fusse des Felsens der Hirten, und gegenüber des Felsens der Tombackgrube, sind bis auf dem Gipfel des Berges noch zwey Stunden Weges. Derselbe läuft erst längs des Stro- mes bis zu den sogenannten 4o Quellen, deren bald weni- ger, bald mehr von allen Seiten zuströmen, nach dem Ver- hältnisse des geschmolzenen Schnees. Der Boden ist hier noch mit Grün geteppicht, aber verkrüppelte Sträucher nehmen die Stelle der hohen Buchen und majestätischen Tannen ein. Eine halbe Stunde unter dem Gipfel hört das Pflanzenleben auf, selbst in der Mitte des Sommers. Schneefelder bekleiden die ausgehöhlten Flanken des Berges und füllen die Thalschluchten aus. Es war am 15. August 18o4, am Himmelfahrtstage Maria's, dass wir den Gipfel noch vor Auſgang der Sonne erstiegen hat- ten, und dieselbe jubelnd begrüssten, als sie aus dem Landocean wogigter Berggipfel zu unseren Füssen in Osten auftauchte. In Ermangelung des Wassers von Quellen wurde der Kaffeh mit dem des Schnees gekocht, und das Frühstück an der Gränze des Schneefeldes ein- genommen, wo Veilchen und Schneeglöckchen blühten, 83 wie in den ersten Tagen des Frühlings, so dass, wo das Silber des Schnees aufhörte, der Schmelz der Wie- se begann. Diese Schneefelder sind die unerschöpfliche Eisgrube, nicht nur Brussa's , sondern auch Constanti- nopel's, und diese Städte werden beständig damit, zur Kühlung der Sorbete, versehen. Carawanen von schnee- beladenen Eseln ziehen von hier nach Brussa und Mo- dania hinab, wo ihre Ladung eingeschifft und sogleich nach Constantinopel befördert wird. Der Gipfel des Olymps theilt sich in zwey Spitzen, wovon die höhere der Mönch heisst, nach welchem der ganze Berg heute von den Türken Keschisch taghi, d. i. Mönchsberg , genannt wird. Zur Zeit des bysantinischen Kaiserthumes stand hier ein Kloster, dessen in den Geschichten des Reichs er- wähnt wird, und wovon noch die Ruinen sichtbar sind. Mönche lebten hier auf dem Gipfel des Olympos wie auf den Höhen des Athos in frommer Abgeschiedenheit der Welt, dem Himmel schon auf Erden nahe, wenn nicht wie die höchsten Geister, doch wie die höchsten Berge. Dieses Kloster, in unwirthbarer Schneegegend, und der Nahme: der Mönch, erinnern an das Kloster des Bernhardsberges und an den gleichnahmigen Berg der Schweitz. Die feurige Einbildungskraft des Morgenlän- ders, unbekümmert um die Ruinen des Klosters, schaut im Olympos selbst einen Mönch oder frommen Der- wisch, der mit der Schneehaube auf dem Kopfe, mit dem Felsengürtel um die Mitte, in das Grün der Wäl- der und Alpenwiesen, als in die Lieblingsfarbe des Pro- Phelen gekleidet, auf dem blumigen Teppich des Lan- - L 2 84 des steht, um sein Gebeth zu verrichten. Doch, woher der Nahme immer kommen mag, genug die Stelle des olympischen Jupiters nimmt heute der Mönch ein. Wegen des Gefühls des Wohlbehagens und des Le- bensgenusses, das die reine Luft auf hohen Bergen ge- währt, hat die Sage dahin die Wohnsitze der Götter verlegt, welche auf die weiten Bezirke der Erde und ihre Bewohner herunter sehen, im Vollgenusse ihrer Seligkeit und der herrlichen Aussicht schwelgend. Welch eine breitet sich aus vom Gipfel des Olympos ! Das Meer von Marmara mit seinen Inseln, Buchten und Vorgebirgen; der Bosphoros, wo man die Dome der hohen Stambul entdeckt; die Seen von Apollonia, Nicäa und Jenischehr, gleich Spiegeln im grüne Wand- tapeten gefasst! – der Blick würde sich ins Unendliche verlieren, wenn sein Ausflug nicht überall durch Ge- birge begränzt würde. Gegen Süden durch die von Cu- tahia (Cotyäum), wo die Erscheinung des Neumonds beobachtet wird, um den Anfang und das Ende der Fe- ste zu bestimmen. Gegen Osten durch den zweygipfeli- gen Arganthonios. Gegen Westen durch das Gebirg von Bosaghan, vom Olympos durch das Thal von Adranos getrennt, das noch den Nahmen Hadrian's erhalten, der hier eine Stadt gebauet (Adriani ad Olympum), und wor- aus der Nilufer entspringt. Gegen Norden die entfern- tem Küsten des Meeres von Marmara , deren Berge mit den VWolken verfliessen. Ostlich und westlich ist die Aussicht durch die obengenannten Berge enge begränzt. Der Blick, der sich in die Thäler gesenkt, steigt so- gleich wieder mit den sich gegenüber erhebenden Ber- 85 gem empor und hält sich daran fest. Aber nördlich und westlich schweift derselbe auf einer Menge von Gegen-, ständen herum, welche den Rahmen des Gemähldes fül- len, die Schönheit desselben durch ihre Gegensätze er- heben. - Gegen Norden die Berg- oder vielmehr Hügelkette von Simao und Fhiledar, welche die Ebene Brussa's von dem Meere trennt; der Busen vom Modania und das Ei- land Kalolimni, das sich wie ein Purpurstreif von dem Gewölbe des Meeres und des Himmels ausscheidet. Die Ebene von Brussa ist ein Ocean vom wogendem Grün, und das Meer von Marmara eine azurne Fläche, an des- sen westlicher Gränze lange Wolken schweifen, auf den in Duft schwebenden Ufern ruhen und die Erde und den Himmel in Harmonie verflössen. Gegen Süden kein Was- ser, kein See, kein Fluss dem Blicke erspähbar. Berge auf Berge gehäuft, deren Gipfel und Kämme, einer über den andern hervorragend, einen zu Stein gewordenen Ocean vorstellen. In der Mitte dieser in vollem Aufruhr unbeweglich fest gebannten Gebirgswogen steht der Berg von Tomanidsch vereinzelt, wie die Arche einer versteinten Sündfluth. Von dieser Seite gibt es keine Fläche wie von der Nord – und Ostseite. Auch laufen die grossen und tiefen Thäler des Olympos alle gegen Nordwesten aus, und alle Wässer nehmen diese Richtung, um sich dann mit dem Nilufer zu vereinen "). *) Ausser den Fluthen aller kalten und warmen Quellen, aller Bäder und Wasserleitungen von Brussa nimmt der Nilufer die fºlgenden Bäche auf: Aktschesu d. i. Weisswasser, Deltschessu, d. i narri- sches Wasser; Tschairlsud. i. Wiesenwasser; Aktschessu d. i. Geldwasser; Kirkbunard. i. die vierzigBrunnen; Papas bunari d.i. 86 Auf der Ostseite des Berges ist noch nach der von den Turkomanen gegebenen Beschreibung der anmu- thigste Ruheplatz und die schönste Alpe, die der Brun- men von Suleiman (Suleiman Chan bunari), wo sich ein Forellenteich *) und eine Art natürlichen Felsendammes befinden soll. Die Forellen, versichert man, seyen die grössten und schönsten des ganzen Olympos, und der Felsendamm habe dem Saadan , dem Sohne Landhäs , der vor. Furcht des islamitischen Helden Hamsa nach dem Olympus geflüchtet sey, zur Wohnung gedient. Als sein Grab zeigen die Turkomanen das aus Steinen die Pfaffenquelle, Saraban bunari d. i. der Quell des Kamehltrei- berstanzes (Sarabande) und Gümischssu d. i. das Silberwasser. Alle diese Bäche geben den Thälern, durch welche sic hinunterströ- men, ihren Nahmen, und eilen der grossen Ebene zu, welche das Gebirg Katirli (Arganthonios vom Olympos trennt, und nachdem sie sich bey einer grossen, am Ende der Fläche gelegenen, Brücke vereint, setzen sie ihren Lauf zum Nilufer fort, der im Frühjahre, von diesen Fluthenmassen geschwellt, oft die ganze Ebene von Brussa unter Wasser setzt, so dass die Überschwemmung, wie in Ägypten von Bergen zu Bergen, von der Hügelkette von Filehdar bis an den Fuss des Olympos reicht.» *) Dieser kleine Forellensee ist der einzige, den wir in der gall- zen Gegend erfragen konnten; denn was den vorgeblichen See von Ainegül betrifft, den einige Reisende und Geographen hin- ter den Olympos verlegt haben, so verdankt er sein Daseyn einem sonderbaren Irrthum, der, wie viele andere, aus Sprach- verwirrung entstanden ist. Ainegöl (auf Deutsch Spiegelsee) ist wirklich der Nahme mehrerer Seen in Kleinasien; aber hier ist es nicht der Nahme eines Sees, sondern der eines Ortes, der von einer dem heiligen Nicolaus geweihten Kirche auf Griechisch Agio Nicola heisst, das die Türken in Ainegöl verstümmelt ha- ben. Europäische Reisende, welche sich an die türkische Be- deutung des Wortes hielten, verwandelten das Dorf in einen See, und auf ähnlichen Sprachverwirrungen beruhen so manche geographische Irrthümer. - 87 regelmässig zusammengelegte Viereck auf dem Gipfel des Berges, den sie Kulléi Dschihan, d. i. Weltthurm, nennen. Wahrscheinlich ist diese Felsenhürde von Hir- ten, als Schutzwehr wider den heftigen Anfall des Win- des zusammengetragen worden; vielleicht aus den Rui- nen des ehemahls hier gestandenen bysantinischen Ko- stérs, wenn die Mönche nicht etwa, wie es auch die Sage will, in Grotten und unterirdischen Höhlen (von denen aber heute kein Eingang sichtbar ist) gawohnt ha- ben. Sonderbar ist es, dass die morgenländische Sage auf die Gipfel mehrerer Berge Helden- und Riesengrä- ber verlegt, als ob sich in demselben eine Spur von dem Kampfe der Titanen und Giganten, die Berge auf Berge thürmten, und unter denselben ihr Grab fanden, erhal- ten hätte. Eine andere orientalische Sage, die mehreren Schneebergen gemein ist, und auch vom Olympos in voller Kraft besteht, ist die der wunderbaren Kräfte der purpurnen Schneewürmer"), welche auf dem blendenden Weiss der Eisfelder als rothe Linien, gleichsam als der Nahmenszug der Allmacht, auf dem Diplom der Natur erscheinen. Solche VWürmer finden sich bekannter Mas- sen auf allen Gletschern, aber die Wunderkraft, wo- mit sie die erstorbene der Zeugung beleben sollen, und ihre Grösse, welche die eines Hundes erreichen soll, (wie Ktesias von den indischen Ameisen fabelt) ist reines Product orientalischer Phantasie. Dass auch abendlän- dische in den seltenen Steingefilden der höheren Regio- men des Olympos sich wie aus Wolken die sonderbar- *) Cantharis.fusca Linn. 88 sten Gestalten erschaffen möge, ist schon oben bemerkt worden, und daher auch glaubwürdig, was wir nicht gesehen, aber auf Zeugenschaft von der sogenannten Schauwarie (Bakadschak) in der unteren auf Brussa hin- absehenden Region des Olymps nacherzählen. Auf diesem Felsenüberhange, der die Schau warte heisst, weil auch von hier aus das Erscheinen des Neumondes am Anfange und Ende der Feste beobachtet wird, sollen die Felsen Ungeheuer vom wilden Thieren vorstellen, als: Drachen, Adler , Elephanten, Löwen, die als von der Natur ge- formte, Sphinxe, die Wunderregion des Berges bewa- chend, und, als die Talismane derselben, auf die Ebene hinunterschauend. Unmöglich ist es, die Aussicht vom Gipfel des Olym- pos zu verlassen, ohne mit dem geographischen Um- blicke auf die vorliegenden Länder und Meere den histo- rischen Rückblick aus die grossen Begebenheiten der Vor- zeit, die auf dieser Schaubühne gespielt haben, zu ver- binden. Der Bosphoros und der Hellespontos, diese Was- serbrücken von Asien und Europa, welche Erinnerun- gen rufen sie nicht ins Gedächtniss des Geschichtkun- digen! Die persischen Heere, womit Xerxes und Darius Scythien und Griechenland überschwemmten; die römi- schen, welche hier die von Europa herübergezogenen Gallier schlugen, und die Könige des Pontos und By- thyiniens besiegten; die Völkerfluth der Kreutzfahrer, welche über den Bosphoros nach dem gelobten Lande wogte; und die der Osmanen, welche der Osten über den Hellespont wieder in den Westen zurück drängte; welche Ebbe und Fluuh von Siegern und Besiegten, von - 89 Barbaren und gebildeten Nationen! und die Gebirge umher, welche ehrwürdige Denkpfeiler in dem Gebiethe erst der Natur, dann der ältesten Mythengeschichte der Welt! In dem Rufe der Windsbraut, womit der Ida den Olympos grüsst, hallen die Anklänge der Götterhymnen des Cymbalengetöns der Korybanten, welche diese durch- schwärmten, die idyllischen Töne des Schäfers von Ida, und das Klagegestöhne der Orgien, wodurch der Ver- lust des Lieblings der Crbele und des Heracles , des wei- chen Alys und des schönen Hylas am Dindymus, und Ar- ganthonios gefeyert ward. Wem haben in Wäldern und auf Gebirgen bey hef- tigen Windstürmen nicht volle Harmonien wie von himm- lischen Chören und Psaltern vernehmlich in die Ohren getönt? wo aber könnten dieselben verständlicher tö- men, als auf den sonnigen, wolkenumgürteten Wohn- und Lustsitzen der griechischen Götter und ihrer Prie- ster, wo die lydische Flöte umd die berecynthysche Pfei- fe von Thälern zu Thälern, von Wäldern zu VWäldern scholl! – W. IV. Der Weg von Brussa nach Nicaea. Diestrasse von Brussa nach Nicaea führt über die oben erwähnte Brücke am Vereinigungspuncte der vom Olym- pos niederströmenden Wasser gegen den innersten Theil des Meerbusens von Modania, und von da längs des Sees von Nicaea (dem Askanios der Griechen) bis zur alten Stadt, die ihm den heutigen Nahmen gibt. Der Ar- ganthonios (heute Katirli), der auf diesem Wege liegt, erhebt sich als eine grosse Gebirgsmauer zwischen der Ebene von Brussa und dem See von Nicaea. Hart am Fusse desselben, gleich jenseits der Brücke, liegt das kleine griechische Dorf Depedschik, von beyläufig fünf- zig Häusern. Nachdem der Weg zwey Stunden lang all- mählig in die Höhe geführt, geht derselbe durch eine sehr mahlerische Bergschlucht schon wieder thalein. Nach einer Stunde sieht man unmittelbar vor sich das türkische Dorf Murad Baba, von Kornfeldern und bebau- tem Grunde umfangen, und rechts auf halbem Bergab- hang das Dorf Katirli, das seinen Nahmen dem Berge entweder gegeben, oder von demselben empfangen hat. Von hier geht es noch eine Stunde weit bis auf Omurkoi, ein türkisches Dorf, unmittelbar ober Kemlik, das in der Tiefe des Meerbusens von Modania liegt. Kemlik , das alte Kios, ertheilte schon in der ältesten Zeit dem Meerbusen den Nahmen des Kianischen, und die Türken nennen denselben noch heute den Busen von Kenlik, während er von Griechen und europäischen Rei- 94 senden der von Modania, nach dem nächsten Landungs- platze bey Brussa, genannt wird. Wie das alte Myrlea (an der Stelle des heutigen Modania) der unmittelbare Stapelort des alten Prusa, so war Kios später - vom Kö- mige Prusias wieder gebauet und nach ihm auch Prusias am Meere genannt, die Stapelstadt des wie Brussa tief landeinwärts gelegenen Nicaea, und in demselben Ver- hältnisse stehen noch heute mit Brussa und Isnik die Hä- ven von Modania und Kemlik. Da dieser letzte Ort der einzige Verbindungsort mit dem Meere ist, wodurch Nicaea , oder ein vor demsel- ben liegendes Heer mit Lebensmitteln versehen werden kann, da man in Kemlik ohne allen Streit das alte Kios des Strabo erkannt hat, so ist es zu wundern, dass die Geographen und Geschichtschreiber des Mittelalters bisher in demselben nicht das Kibotus der Kreutzfahrer (wohin sie schon des Nahmens Ähnlichkeit hätte leiten können) erkannt haben *). Hier landeten regelmässig die *) Der Umstand der Lebensmittelzufuhr sowohl, als der zu Lande fortgetauten Flösse allein hätte Herrn Michaud überzeugen sol- len, dass Kibotus unmöglich (wie es in der Karte seiner Ge- schichte der Kreutzzüge I. angesetzt ist) am Meerbusen von Wi- comedia (statt an dem von Nicaea) liegen konnte, indem man ja wohl den nächsten und leichtesten Verbindungspunct mit dem Meere wählen musste. Nun ist aber Cius oder Kibotus nur drey Stunden vom See von Nicaea entfernt, und der Ausfluss dessel- ben geht durch ein unmerklich sich senkendes Thal in das Meer. Wäre Cibotus, statt hier am Ende des kianischen Busens, dort wo H. Michaud es hinsetzt, am Ende des astakenischen Busens gelegen, so hätte der Weg nach Nicaea nicht weniger als 18 Stunden betragen, und die Übertragung der Schiffe zu Lande über sechs Stunden hohes Gebirg, wäre vollends unmöglich ge- wesen. Dieser geographische Irrthum ist ein würdiges Seiten- M 2 ? n Schiffe von Constantinopel, welche das Heer der Wallbrüder bey der Belagerung Nicäa's mit Lebensmitteln versahen, von hier aus wurden die Schiffe, welche der griechische Kaiser Alerius den Kreutzfahrern überlassen hatte, durch das Thal, wodurch der Über- fluss des Sees vom Nicäa ins Meer ausläuft, bis zu dem See zu Lande hinauſgeschleppt. Eine kühne Unterneh- mung in einer Belagerungsgeschichte, doch nicht ohne früheres und späteres Beyspiel. Denn so zogen die Nor- manen, als sie (i. J. 868) Paris vergeblich belagert hat- ten, und die Einwohner sich ihrem Rückzuge widersetz- ten, ihre Schiffe 2ooo Schritte auf trockenem Lande fort, ehe sie dieselben wieder in die See liessen, und so schleppten die Osmanen bey der Belagerung Constanti- nopels die Flösse, worin die stürmenden Truppen ein- geschifft wurden, in einer Nacht durch das Thal hinter Pera und Galata bis in den Hafen, den sie bey Sonnen- aufgang zum Schrecken der Belagerten füllten. Zu Kios, (so genannt von einem Argonauten, der die Stadt bey der Rückkehr von Kolchis erbauet haben soll) ward der schöne Hylas , der Liebling des Heracles, als er, um Wasser zu hohlen , an's Land ging, von den Nymphen geraubt) *), und die Einwohner der Stadt feyer- ten jährlich das Fest des verlormen Hrlas, indem sie den Arganthonios ") mit thyrsusschwingendem Chore durch- stück zu der Verwechslung der Seen von Nicaea und Saband- sche, wovon in der Folge die Rede seyn wird. “) Strabo L. Xu. 5. **) Nicht am Olympos, wie Dallaway will, der die Stadt Brussa mit Pusias am Meere (Kios) verwechselt, während Strabo diese - 95 schwärmten, und Hylas ! Hylas ! rieſen, wie die Priester der Cybele am Dindymus den entmannten Ays, und die Bewohner Syriens den erschlagenen Adonis beklagten. Welche Kluft von Jahren und Ideen liegt zwischen die- sen bacchantischen Scharen und denen der Wallbrüder, die, statt mit dem Thyrsus und der Fackel, mit der Lan- ze und dem Schwert in der Hand über dieselben bythi- mischen und syrischen Gebirge zogen, das verlorne hei- lige Grab und Kreutz wieder zu finden und zu erobern. Diese alte Hafenstadt, von den Argonauten nach ih- rem ersten Erbauer Kios, von dem bythinischen Könige ihrem Wiedererbauer Prusias, von den Kreutzfahrern Kibot oder Coot genannt, erhielt den heutigen Nahmen Kemlik von den Osmanen, die es erst unter Sultan Os- man's Regierung zwey Mahl vergeblich belagerten, dann aber unter der Regierung Sultan Orchan's im J. 1333 (der Hedschira 734) eroberten. Sie liegt im Mittelpuncte des Meerbusens, den die Alten den kianischen nannten, und der heute bald der Busen von Kemlik, und bald der von Modania heisst. Trilia liegt an dem südlichen Ende dieses Busens, den nördlich das Vorgebirg Bosborun (Eiscap) schliesst, und Kemlik liegt mitten inne. Wenn man denselben längs der Küste zu Land umkreisen will, so führt der Weg von Trilia über Modania durch Altun- tasch, Kurschunli und Ingurdschik nach Kemlik, und von hier längs der nördlichen Küste über Kumla (das sandige), Fistikli (das pistazienreiche), und Amrudli (das beyden Städte genau unterscheidet, und ausdrücklich den ober Kos gelegenen Berg Aganthonios nennt , in dessen Wälderu die Orgien des verloruen Hylas gefeyert wurden. 94 birnenreiche) nach Bosborun, dem nördlichen Vorge- birge und Ende des Busens. - Der beträchtlichste dieser Orte ist Amrudli, wo ein Naib (Stellvertreter im Nahmen des Richters) und ein Subaschi (Polizeycommissär) im Nahmen des Pascha von Brussa die Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung hand- habt. Eine Moschee, ein Bad , ein Chan (oder Karawan- serai) sind hier die Anstalten öffentlicher Andacht, Be- quemlichkeit und Gastfreundschaft. Auch zu Bosborun ist, nebst einigen Gemüse- und Gewürzläden , eine Moschee, deren Wände mit Aus- brüchen der Ungeduld und Langweile der hier durch widrigen Wind oft mehrere Tage lang aufgehaltenen Reisenden, in Prosa und in Versen voll angeschrieben sind. Nach diesem Überblicke der an dem Busen von Kem- lik gelegenen Orte kehren wir zu unserer Strasse nach dem eine halbe Stunde über Kemlik gelegenen Dorfe Omurkoi zurück. Kaum ist das Dorf Omurkoi im Rücken, so öffnet sich von der Höhe der grosse Spiegel des Sees von Nicäa. Eine Bergschlucht, die in gerader Linie vom See zu dem nur drey Stunden davon entfernten Meere läuft, bildet die Verbindungsstrasse zwischen beyden. Die Mündung die- ses Thals gegen das Meer bildet ein anmuthiges Amphi- theater, von den Einwohnern Kemlik's ganz mit Gärten bebaut. Die Thalsschlucht läuft von hier erst in gerader Linie von Westen gegen Osten (d.i. in der Richtung des Meerbusens) eine Stunde lang eingeengt fort, und öffnet dann die beyden Arme, so dass zwischen dem Eingange 99 derselben von Seiten des Sees und dem See selbst eine schöne Ebene von zwey Stunden liegt. Der Weg geht rechts auf dem halben Bergabhange dieser Schlucht, de- ren Thalgrund kaum breit genug ist für den kleinen Bach, der den Überschuss des Wassers des Sees dem Meere zuführt. Die beyden Abhänge der Schlucht sind mit vie- lem Fleisse bebaut, und man erblickt linker Hand das Dorf Benli, auf der Höhe hangend von Reben- und Oli- venpflanzungen umgeben. Nachdem man den Weg durch dieses enge Thal zurückgelegt, verfolgt man denselben weiter rechts am Fusse der Bergkette, die den See und das grosse Thal von Nicaea von den nördlichen Thälern des Olympos trennt. Es braucht gute zwey Stunden, um auf dieser Seite von der Mündung der Schlucht zum Ufer des Sees zu gelangen, das auf der andern Seite, nähmlich links, sich mehr dem Meere nähert. Alle hal- be Stunden nimmt den Reisenden ein anderes türkisches Dorf auf; alle am Fusse des Berges gelegen, als: Ka- rak , Jenidsche, Kurlu und Akarim. Nach dem letztge- nannten befindet man sich an dem Ufer des Sees, zwi- schen dem und dem Ufer des Gebirgs nur ein schmahler Streif von Weingärten und Reisfeldern liegt, deren ho- hes und zartes Grün mit dem tiefen und hohen der Fich- ten- und Tannenwälder des Berges wunderbar schön absticht. Auf der andern Seite des Sees liegen die Dörfer Ker- derek und Terbitschkoi, und gerade gegenüber von dem auf dem rechten Ufer gelegenen Dorfe Akarim ziehen sich auf dem linken die Berge zurück, und bilden die Mündung eines grossen Thals, in dessen Grunde das 96 Dorf Basarköi liegt. Wir langten auf der rechten Seite nach einer Stunde Wegs, und nachdem wir das trocke- ne Bette mehrerer Giess-Ströme, die von dem Gebirge in den See stürzen, durchkreutzt hatten, im grossen türkischen Dorfe Sölis, als im Nachtlager, an. Am fol- genden Tage ging der Ritt noch sechs Stunden lang zwischen dem Gebirge und dem See hin, ehe wir Ni- cäa erreichten, so dass die ganze Länge, des Sees von dieser Seite sieben Stunden (im Schritte geritten oder gegangen), und auf dem andern Ufer in gerader Linie vielleicht eine Stunde weniger, wegen der Ausbeugung der Ufer aber wenigstens eine Stunde mehr beträgt. Die Breite überall gleich, ausgenommen bey der Bucht von Basarköi, wo sie am grössten, und an den beyden En- den, wo sie am kleinste ist, dürfte durchaus zwey Stunden betragen *). Der See ist ein herrlicher Canal, den die Natur in gerader Linie von Osten nach Westen gegraben, ein süsses Meer, rechts und links von zwey Gebirgsreihen begränzt, die an den beyden Enden desselben amphi- theatralisch auslaufend auf der Westseite die Ebene, durch die wir herauf zogen, und auf der Ostseite die Ebene von Nicäa bilden. Reisende, welche Constanti- nopel und das zauberische Ufer des Bosphoros gesehen (der die Länge, aber nur die Viertelbreite des Sees hat), können sich von diesem einen richtigen Begriff machen, *) Pococke gibt dem See nur 12 englische Meilen in die Länge, und folglich viel zu wenig. Le Chevalier, der die Länge auf 15 bis 18 Miglien, die Breite auf 4 bis 5 angibt, kommt der Wahr- heit näher. 97 wenn sie sich den Bosphoros, in gerader Linie gezogen, wie den Canal der süssen Wasser am Hafen zu Constan- tinopel vorstellen, nur mit dem Unterschiede, dass die Berge zu beyden Seiten, welche die Ufer des Sees bilden, hoch und waldreich, einen mehr majestätischen Anblick gewähren, dagegen aber auch an ihrem Fusse das Gemische zauberischer Natur- und Kunstanlagen des Bosphoros entbehren. Jenes wunderseltsame Gemisch anmuthiger Thäler und üppiger Gärten, mahlerischer Dörfer und majestätischer Palläste, neuer Festungen am Fusse, und verfallener Schlösser auf der Höhe der Hü- gel, weit aussehender Köschke und erhabener Minares, tiefer Wiesen und hoher Weingärten, dunkler Fontai- men und lachender Gräber, sonniger Fluren und schat- tiger Baumgruppen, segelnder Schiffe und rudernder Boote, in die Luft thürmender Platanen und Masten, im Winde wogender Flaggen und Cypressen, welche mit der überall lebendigen Geschäftigkeit der Menschen auf den Dämmen und an den Landungsplätzen, mit dem immer regen Gewimmel der Kaike und der Kaffehhäu- ser das grösste, schönste und reichste Canal- und Hafen- gemählde des Universums bilden. Der Weg von Sölis nach Nicäa geht immer, wie schon gesagt worden, längs des Sees, der sich so nahe an den Fuss des Gebirges herandrängt, dass man öfters etwas steigen muss, um trockenen Fusses fortzuwandeln. Auf andern Stellen haben sich Moräste gebildet, die vergif- tete Luft aushauchen; der Schilf, womit sie bedeckt sind, verdeckt von Zeit zu Zeit den Anblick des Sees. Einige Mahl dreht sich der Weg auch um felsige Vor- N D8 gebirge, deren ausgehöhlte Flanken von den Fluthen des Sees gebadet werden. Die Richtung der Ufer läuft immer von Westen gegen Osten, von Nordwest gegen Südost, oder von Westnordwest gegen Ostsüdost. Das einzige Dorf, das auf dieser Seite zwischen Sölis und Nicäa liegt, heisst Tschatalkoi, d. i. Gabeldorf. Den Nah- men trägt es vermuthlich von zwey Felsenpyramiden, zwischen denen es auf halbem Bergabhange wie zwi- schen einer Gabel liegt. Eine Stunde vor Nicäa verei- nigt sich der Weg mit der Landstrasse, die von Brussa über Jenischehr *) und von dort über das Gebirg her läuft. Den Vereinigunspunct bezeichnet ein grosses um- gestürztes korinthisches Kapital, das hier auf der Erde liegt, und die türkische Bergpasswache Deu'rend (statt Derbend, d. i. Thorband), welche allen Reisenden, die ihr Ferman nicht von Wegzöllen lossagt, die Passgebühr abfordert. *) Jenischehr (d, i. Altstadt) liegt nördlich von Brussa, auf der andern Seite des Olympos, und südöstlich von Nicäa in der Ebe- ne zwischen dem Argenthonios und Olympos. Eskischehr oder Altstadt ist 12 Meilen oder zwey Tagreisen gegen Südosten von Nicäa im Sandschak Sultanogi gelegen, das Döylacum der Kreutzfahrer, die hier blutige Schlachten schlugen, 99 V. N i cäa. - - Wir sind an dem Thoren Isnik's oder Nicäa's. Was für Erinnerungen in der Kirchen- und Kriegs- geschichte erweckt nicht der Nahme dieser alten Gränz- feste des byzantinischen Reichs, so oft von Arabern und Griechen, von Franken und Osmanen belagert und er- obert, verloren und wiedergenommen! Die hohen, gröss- ten Theils noch wohl erhaltenen Festungsmauern lassen hoffen, auch hinter denselben eine wohlgebaute Stadt und noch wohl erhaltene Denkmähler ihres alten Glan- zes und Ruhmes zu finden. In der Freude dieser Hoff- mung vergegenwärtiget sich das Gedächtniss die Epo- chen ihrer Geschichte, und durchläuft dieselben von ihren ältesten Besitzern bis auf ihre heutigen. Vom Antigonos erbaut, hiess die Stadt erst Antigona, und ward erst in der Folge zu Ehren Nicäa's , der Ge- mahlinn des Lysimachos, nach ihrem Nahmen genannt *). Eine Zeit lang stritt sie sich mit Nicomedien um die Ehre, die Hauptstadt Bithymiens zu heissen, bis dass Kaiser Walens entschied, dass Nicomedia die Metropolis der Pro- vinz sey, Nicäa aber fortfahren dürfe, sich auch die er- ste Stadt Bithyniens zu schreiben "); er ward, nach- dem dieselbe durch Erdbeben zusammengestürzt, ihr erster Hersteller (i. J. 368) ***). Mehrere grosse Ver-- *) Strabo XII. 7. *) Dio Chrysostomus. Orat. XXXVIII. **) Chronicom paschale. t (NO sammlungen der christlichen Kirche wurden hier gehal- ten, die berühmteste, die erste ökumenische oder allge- meine, von drey hundert achtzehn Vätern, von denen mehrere, wie Paphnutius , Spiridion - Macarius und Jacob vom Nisibis an ihren verstümmelten Körpern die grau- samen Spuren der letzten Christenverfolgung als Märty- rer zur Schau trugen "). In den wiederhohlten Kriegen des Chalifates wider den Thron von Byzanz war Nicäa eine wichtige Gränzfestung, an welcher die kühnsten Unternehmungen der Araber scheiterten, so dass, wie die noch heute erhaltene Inschrift einer ihrer Thürme aussagt, ihre Mauern als Todestrophee der Sarazenen ihre Niederlage verkündeten **). Durch die Stürme der Feinde und der Zeit beschädigt, wurden Mauern und Thürme von Leo dem Philosophen wieder hergestellt, und im vorletzten oder letzten Jahre seiner Regierung (91o), als er seinen Sohn Constantin, den im Purpur gebornen, als Mitherrscher gekrönt hatte ***), der Bau mit grossem Aufwande von Zeit und Geld vollendet. Noch mehr als anderthalb Jahrhunderte blieb sie das unbesiegte Bollwerk des byzantinischen Reichs wider das Andringen des islamitischen, aber unter der Regie- rung des Kaisers Nicephorus Botoniates unterlag sie der Übermacht der anatolischen Seldschuken. Suleiman, ihr grosser Fürst, und nach ihm Kilidscharslan, d. i. der *) Theophanes Lutetii p. 16. **) Siehe die Inschrift des Thurmes im Anhange. ***) Da in der Inschrift Constantin als Mitherrscher Leon’s genannt wird, so kann die Vollendung des Baues de Festungsmauern nur in das vorletzte oder letzte Jahr der Regierung Leon's fallen, in welchem er (nach Simon Logotheta) seinen Sohn krönte. 1 O 1 Schwertlöwe , erkoren sie zur Residenz, und wie sie ehe als Brustwehr die Macht der Sarazenen gebrochen, so wehrte sie nun als fester Damm dem Andrange der Kreutzfahrer ab. Auf ebendemselben Wege, den wir vom Kemlik (Kios oder Civilot) her gekommen, rückte das erste Heer der Kreutzfahrer, fünf und zwanzigtausend Mann stark, in sechs auf einander folgenden Treffen gegen Nicäa vor; Suleiman, der seldschukische Feldherr, zog sich aus dem Walde, wo er unvermuthet auf das erste Treffen der Franken gestossen, zurück, um sie auf die Ebene vor die Mauern Nicäa's zu locken; schweigend zogen sich die Truppen Suleimans aus dem Walde hinaus, und als die Wallbrüder mit lautem Geschrey daraus hervor bra- chen, fanden sie zu ihrem Erstaunen den Feind im Schlacht- ordnung vor den Mauern der Stadt aufgestellt *). So bald die zwey ersten christlichen Treffen mit 5oo Reitern den Wald gelichtet, begann Suleimans Angriff; er schnitt sie von den folgenden ab. Umsonst versuchte die abge- schnittene Reiterey sich mit Löwenwuth durch den Feind den Rückweg zu den Ihrigen zu bahnen; ihre Pferde stürzten unter dem Hagel der Geschosse, ihr Anführer, Walter der Habenichts (Sansavoir), fiel, vom sieben Pfei- len durchbohrt, und neben ihm Rainold von Bruis, und Fulker von Carnot. Walter von Breteuil aber und Gottfried Burel begannen mit den Ihrigen den Rückzug. Sogleich *) Das Jahr der Eroberung Nicäa's ist nicht ausgemittelt, nur so viel ist gewiss, dass die Stadt zu Anfang der Regierung von Wi- kephorus Botoniates (i JA1o78) noch in den Händen der Griechen, zu Ende derselben , d. i drey Jahre später, schon verloren war. Du Cange in den Noten zur Alexia und Cedrenus II. p. 866. TO2 - ergriff den Rest des christlichen Heeres der Schrecken der Niederlage und die Verwirrung der Flucht. Sie ris- sen sich auf dem schmahlem Wege*), den sie vom Lager hergekommen, rechts vom See, links vom Gebirge ein- geengt, gegen Civitotſort"), und dréy deutsche Meilen lang (d.i. die Länge des Sees) wüthete der Feinde Schwert in ihrem Nacken, den engen Pfad durch Leichenhauſen noch verengend. So schritten die Türken über Leichen verfolgend bis in's wehrlose Lager bey Civitot fort, in welchem Greise und unmündige Kinder, Mönche und Matronen, ohne Unterschied, niedergemetzelt, und nur zarte Mädchen, hübsche Nonnen, unbärtige Jüng- linge und schöne Knaben in's Harem nach Nicäa fortge- schleppt wurden“). Von dem ganzen Heere der fünf und zwanzigtausend Wallbrüder warfen sich nur drey tausend in ein altes, unmittelbar ober Civitot gelegenes, Schloss (das vermuthlich an der Stelle des Dorfes Umur- köi stand); da die Thore fehlten, warfen sie ihre Schil- der vor, von hinten mit Steinen verrammelt, und ver- theidigten sich mit Pfeilen und Steinwürfen, bis die Tür- ken, von der Herbeyeilung eines vom griechischen Kai- *) A silvis et montanis ih clamore et alta vociferatione procede- bant, tunc primum Soleimaniacies medios campis intuentes et eos ad proelium apperientes. Albert. Aq u. Gesta dei per Franco s. Hano via e pag. 192. - *) Universi in Jugem versi sunt, accelerantes iter versus Civitot eadem via, qua venerant. Albert. A qu. - **) Solummodo puellasteneras et moniales, quarum facies et for- ma oculis eadem placere videbatur, juvenesque inberbes et vultu venustos abduxerunt, pecuniam, vestes, mulos, equos et omnia pretiosioria, cum ipsistentoriis Wicaeam asportarent. Albert. Aqu. 193. 1o3 ser gesammten Heeres vom Turkopolen, abliessen und sich nach Nicäa zurückzogen *). So bezeichnete den Weg, den wir von Kemlik (C- vitot) gekommen, das Blut von mehr als zwanzig tau- send Wallbrüdern, deren erste unglückliche Unterneh- mung vor Nicäa bald durch die zweyte glückliche, nähm- lich durch die Eroberung dieser Stadt, gerächt werden sollte. Schon im folgenden Jahre (1o97) zogen Gotfried von Bouillon und Tancred über Nicomedien nach Nicäa, vor dessen Mauern sich das christliche Heer im May auf- stellte. Boemund, der zu Constantinopel zurück geblie- ben war, um die Zufuhr der Lebensmittel in Ordnung *) In Wilken's Geschichte der Kreutzzüge I. Th. S. 93 wird Helle- nopolis oder Drepanum, das auf der südlichen Seite des nikome- dischen Meerbusens lag, mit Kibot verwechselt. „Nicht völlig drey tausend Schritte bey Hellenopolis fing ein grosser Wald an, durch welchen die Kreutzfahrer zogen; auch das türkische Heer war im Anzuge gegen Hellenopolis und zog zu gleicher Zeit in den Wald." Diess ist der Bergwald, der rechts auf der Strasse von Kemlik nach Nicäa, wie der See, links läuft. Auch Guibert der Abt nennt ausdrücklich die Stadt Kios, und beschreibt ihre Lage als Vorbollwerk oder Hafenstadt Nicäa's unverkennbar. Is (Gualterius) itaque Civiz um civitatem quandam, quae Niceae urbi secundum loci praeminere dicitur, cum suo illo dementierer- citu properabat attingere. Gest a Dei pag, 484. Gelegenheit- lich sey hier auch bemerkt, dass das Schloss Exorogorgum, aus dem die Deutschen wieder so grausam heraus genöthiget wurden, nicht gar so nahe bey Nicäa gelegen seyn konnte, indem es vier Tage über Nicomedien hinaus lag: et quatuor dierum itinere N- chomediam praetergressi inter eundem castrum offendere quod- dam, quod auctori placito nomine vocatur Exorogorgum Rech- net man zwey kleine Märsche von Nicomedien bis Kios, und zwey weiter an, so dürfte dieses Schloss vielleicht'Aksu hinter dem Olympos gewesen seyn, das in dem Thale gleiches Nahmeus liegt. 1o zu bringen, folgte später, und als er damit in dem Ha- fen von Kibotos (Kemlik) angelangt war, wurde die Stadt, am Himmelfahrtstage, von drey Seiten (die vierte schütz- te der See) berennt. Boemund und Tancred waren vor der ersten Fronte, d. i. auf der Nordseite, gelagert, Gottfried von Bouillon umzingelte vom Osten die Land- seite (dem See gerade entgegen). Auf der Westseite (als der, von wo am meisten Ankunft des Entsatzes zu fürchten war) hatten Hugo der Grosse und Robert von Flandern, Raimund von S. Gilles und der Bischof Ademar ihre Streitkräfte vereint, zu denen später noch die Ro- bert's des Grafen der Normandie und Stephan's von Car- not stiessen, in dessen Geleite sich Felker von Carnot, der Geschichtsschreiber, als Augenzeuge befand *). Also gerade hier, auf der Südseite der Stadt, auf *) Robert der Mönch verkehrt, indem er die Stellung der Belagerer angibt, die ganze Lage der Stadt, indem er die Westseite der- selben, wo sie vom See gebadet wird, zur Südseite macht. Ab au- stro veronulla pars /it it, quia lacus magnus ibi praesidio fuit, und einige Zeilen darauf widerspricht er sich selbst, indem er von dorther die Belagerten den Entsatz erwarten, und die Bela- gerer das südliche Thor (das der See wusch) besetzen lässt. Eben so beschreibt er als Klosterbruder, und nicht als Soldat, wenn er die stärkste Macht desshalb vor der letzten Landfronte zusammengedrängt glaubt, weil sie die stärkste sey, indem Belage- rer ja umgekehrt die schwächste angreifen. Übrigens stimmt die Ordnung, in der er die verschiedenen Corps auf einander folgen lässt, mit der von Guibert dem Abt angegebenen über- ein: Boemundus urbem obsedit a fronte, et Tancredus a latere, tertio loco dux Gottofredus, quarto Flandrensium Comes, quin- to Comes Normanicus, sexto Sancti Egidii Comes et Padiensis Episcopus. Aus der verwirrten Weise, wie Albert von Aachen - (L. II. 22 et 25) die Anführer der Belagerer aufzählt, ist gar keine Ordnung abzunehmen. 105 welcher wir nun derselben nahen, waren diese sechs Fürsten des christlichen Heeres gelagert, und von hier aus wollte Kilidsch Arslan, mit einem Heere von fünfzig tausend Mann in den Gebirgen des Olympos und Ar- ganthonios versteckt, die Stadt entsetzen, oder wenig- stens in dieselbe neue Streitkräfte werfen. Der Tag war auf den Sonnabend nach Christi Himmelfahrt festgesetzt. Doch Raimund und Ademar hiervon durch Kundschafter gewarnet , besetzten eiligst das Thor (durch das unser Weg führt) und warfen sich dann mit ihren Truppen dem vom Gebirge herabstürmenden Vortrabe Kilidsch Arslans, der zum Glücke nur aus zehn tausend Reitern bestand, entgegen. Umsonst war des Sultans Andrang auf dieser, umsonst auf der nächsten Seite der Stadt, wo Gottfried von Bouillon die Belagerung leitete. Nach zweytägigem Kampfe zog er sich in's Gebirg zurück, erschreckt durch die Löwenwuth der Wallbrüder und ihre Zahl, die jetzt bis auf sechs Mahl hundert tausend angewachsen war. Nicht weniger barbarisch als die Türken, wider welche sie kämpften, schleuderten die Belagerer die abgehaue- men Köpfe der Erschlagenen durch ihre Wurfmaschinen in die Stadt, und sandten die übrigen in Säcken dem Kaiser, der zu Pelekan windfeyernd lag. Er gewährte den christlichen Fürsten die Bitte, Schiffe auf Schlei- fen mittels Ochsen durch die Thalschlucht vom Kemlik bis an den See schleppen zu lassen *), und so wurde in - *) Nicht über das Gebirge und bis ins Lager, wie Haken I. S. 206 meint, denn auf dem Wege von Kemlik (Kibitos) nach dem See von Nicäa stand kein Gebirg am Wege, und das Lager der Kreutzfahrer war vor Nicäa an dem östlichen Ende des Sees, und nicht sechs Stunden davon entfernt am westlichen Ende. O 1 o6 einer Nacht eine Flotte von Böten ooo Schritte weit von Civitot bis an das Ufer des Sees geschleppt *). Die Belagerung ging unterdessen mit ungeheueren Bemühungen vorwärts, besonders auf der Südseite, als der Hauptseite des Angriffs, und ward so durch die Stär- ke der Festungswerke und Zahl der Belagerer und Be- lagerten, als durch ihre Anstrengung, neue Maschinen des Angriffs und der Vertheidigung zu erfinden, die be- rühmteste der Kreutzzüge. Die Belagerer ersannen neue Ballisten und Manganen, um Felsenstücke in die Stadt zu schleudern, und Brustwehren, um ihre Mauerngrä- ber zu decken. Die Belagerten gossen siedendes Öhl und griechisches Feuer herab, und unvermuthet stürzten von den Mauern eiserne Hände herunter, welche die Be- lagerer packten, in die Höhe zogen und dann todt oder verstümmelt wieder fallen liessen. Zur Untergrabung der Mauer wurden besondere Thürme und Gebäude auf- geführt. Eines derselben, der Fuchs genannt, aus dicken Eichenbalken gezimmert, worin zwanzig Mann Platz hatten, zerbrach unter eigener Last, oder unter der auf dasselbe geschleuderten Felsenmasse, und erschlug die zwanzig Gefährten des Erfinders Heinrich von Aische. Das Hauptaugenmerk Raimund's von St. Gilles und des Erzbischofs von Pui, welche das Belagerungscorps der Südseite leiteten, war gegen einen Thurm gerichtet, der, weil er schon in einigen vorigen Belagerungen (als / **) Diese 7ooo Schritte entsprechen genau der Entfernung von vierthalb Stunden, in denen Kemlik vom Ufer des Sees liegt, eine halbe Stunde bis Omurkoi, eine Stunde die Länge der Schlucht, dann zwey Stunden bis an den See. 1o7 der Anführer Durus den griechischen Feldherrn Manuel hier umzingelt hielt) der Macht der Wurfmaschinen ge- wichen und gekrümmt war, seitdem den Nahmen des Kniebeugenden erhalten hatte. Um denselben vollends zur Erde nieder zu bringen, vereinten die beyden ge- nannten Heerführer wider denselben alle Kraft der da- mahligen Minirkunst. Von einem hölzernen Dache (Schildkröte genannt, von der Form des Daches wie der Fuchs von dem Graben der Minirer) geschirmt, rissen die Gräber die Steine mit Haken und Krampen los, und ersetzten dieselben jedes Mahl mit hölzernen Blöcken und Dielen *); als man schon durch Ritzen den Tag von dem Innern der Stadt heraussah, als die Grundschichte der Mauer auf diese Art zerstört und mit Holz, welches noch den Obertheil stützte , ersetzt war, ward Feuer angelegt; das Holz ging in Flammen auf und der Knie- beugende stürzte rasselnd und prasselnd platt auf's Feld. Dieser kniebeugende Thurm Nicäa's ist in der Be- lagerungsgeschichte der Kreutzfahrer nicht minder be- rühmt, als es andere Thürme in den Belagerungen von Antiochia , Acco und Jerusalem; zu Antiochia der Thurm der drer Schwestern, dessen Vertheidigung dem Verrä- ther Pyrrhus übergeben war; zu Acco (Ptolomais) der ver- fluchte Thurm, der damahls so lange Zeit die Streitkräfte Richards des Löwenherzen und Philipps höhnte (wie in um- seren Tagen ein anderer Thurm, derselben Veste zuerst *) Destruendorum moenium artem callentes, qui harpagonibus molientes, atque uncis instrumentisque id. genus /erreis, quibus quosevellebant lapides pro iis singulis codices aut tibicines i- gneos moli sustinendae interim supponebant, Alexias Commen a XI. Eut. pag, 311. O 2 108 den Siegerlauf des neuen Pharao Napoleon's brach. Zu Jerusalem endlich der Thurm Davids, dessen, so wie des von Siloe und Libanon schon die Bibel gedenkt. Nachdem derselbe nun gefallen, nachdem die zu Land in den See heraufgetaute Flotte , vom Kaiser mit Turkopulen, denen er eine grosse Anzahl von Fahnen und Trompeten und Pauken mitgab, bemannt war, erschien dieselbe am Tage des Hauptsturmes auf ein Mahl im See zum Schre- cken der Belagerten, in deren Augen und Ohren das Gewimmel der Fahnen, das Getöse der Heeresmusik die Zahl der Bemannung vervielfachte. Zugleich hatte der Kaiser zwey tausend Turkopulen zu Lande abgeord- met, die - von Taticius und Tzitas befehligt, sich auf der Landseite zwischen Raimund's und Ademars Truppen zum Sturme aufstellten *). Während nun der Sturm im vol- len Feuer glühte, unterhandelte Butumites, der Befehls- haber der griechischen Flotte, treulos mit den Belager- ten, ihnen Sicherheit und freyen Abzug versprechend, wenn sie die Stadt lieber dem Kaiser als den fränkischen Barbaren übergeben wollten. Suleiman nahm den Vor- schlag an und liess die Griechen von der Seite des Sees ein, während die Kreutzfahrer auf der Landseite frucht- *) Haken stellt den Taticius ganz willkührlich zwischen Tancred und Raimund, indessen Alexias ihn ausdrücklich auf die Seite stellt, wo der Hauptangriff war, wo der Thurm fiel, d. i. auf der Landseite, wo Raimund und Ademar den Befehl hatten Die Art und Weise, wie Butumites vom See aus in die Stadt gelas- sen werden konnte, ohne dass es die Belagerer auf der Laud- seite merkten, ist ebenfalls von Alexias der Östlichkeit gemäss sehr genau angezeigt, von den neuen Geschichtschreibern der Kreutzzüge aber nicht deutlich genug beschrieben worden. K 09 los Sturm liefen, und davon erst abliessen, als zu ihrem Erstaunen des Kaisers, ihres Verbündeten, Fahnen VOM. den Mauern wehten, und Butumites, der griechische Feld- herr, auf der Höhe des Thurmes erschien und erklärte, dass er die Festung im Nahmen des Kaisers seines Herrn im Besitz genommen habe. So fiel Nicäa, die Gränzfestung des asiatischen Rei- ches der Seldschuken, am 28. Junius 1o97 nach sieben Wochen der angestrengtesten Belagerung abermahls in die Hände der Griechen im sechszehnten Jahre der Re- gierung des Kaisers Alerius, der sie schon neun Jahre darnach (11o6 durch abgesonderten Friedensschluss, als er sich von den Kreutzfahrern trennte, und sich wider dieselben mit ihren Feinden verband), an den Fürsten der Seldschuken zurückstellte. So blieb sie nun im Rü- cken der Kreutzfahrer, die unterdessen in Syrien festen Fuss gefasst, in der Stirne ihrer Brüder, die ihnen noch aus Europa folgen sollten, der grösste Stein des Anstos- ses. Nach Verlauf eines Jahrhundertes kam dieselbe abermahls in den Besitz der Kommenen, und zu Anfang des dreyzehnten, nach der Eroberung Constantinopels durch die Franzosen und Venediger, schlug Theodoros Lascaris hier den Thronsitz des Reiches auf. Geburts- stadt des Nicetas Choniates, des byzantinischen Geschicht- schreibers, dessen zierlicher aber auch gezierter Styl doch von allen Byzantinern dem classischen des Alter- thumes am erfolgreichsten nacheifert, ward sie auch sei- ne Grabstätte, indem er hier zwölf Jahre, nachdem er sich von der Eroberung Constantinopels hierher geflüch- tet, und hier deren Gräuel derselben beschrieben hatte, 1 iO im zwölften Jahre der Regierung des Theodor Lascaris (1226) sein Leben beschloss"). Mit dem Beginn des vier- zehnten Jahrhunderts, als die Dynastie der Osmanen auf den Trümmern des Throns der Seldschuken sich er- hob, war Nicäa schon unter Osman's Regierung, wie Brussa und Nicomedien, hart von den Türken bedrängt, aber erst von Orchan (1. J. 133o) durch Überfall ohne Belagerung erobert **). vor den Thoren stehen wir nun dieser alten Veste, der mächtigen Schutzwehr und Landmarke des bithymi- schen und byzantinischen, des turkomanischen und os- manischen Reichs, und gerade von der Südseite ziehen wir in dieselbe ein, wo die grösste Macht des Heeres der VVallbrüder aufgestellt war, wo die Mauern und Thürme unter den neu erfundenen Maschinen der Bela- gerungs- und Minirkunst vor dem hohen Muthe der Be- lagerer kniebeugend sanken, und sich niederwerfend auf die Erde stürzten. Der hohe Anblick der hohen Fe- stungsmauern aus Quadersteinen stimmt mit den Erin- nerungen an die Grossthaten der Vorzeit vollkommen zusammen, und man erwartet immer den noch wohl er- haltenen Mauern eine noch wohl erhaltene Stadt zu er- blicken. VWir ziehen ein durch das noch von Römerzeit als Triumphbogen gewölbte Stadtthor; aber wo ist die Stadt? Keine Palläste, keine Tempel, keine Strassen, keine Gebäude halten den erstaunten Blick auf, der zwi- schen schlecht bebauten Gärten, Schutthaufen und ei- migen Baumgruppen ungewiss herumirrt. Wer möchte *) Stritter. **) Pachymeres. 1 I 1 glauben, dass er sich im Umfange einer Stadt befinde, und nicht vielmehr in dem Bezirke eines vernachlässig- ten Parkes von ungeheueren Mauern umgeben. Der Rei“, sende sucht Nicäa in Nicäa selbst, und die Ruinen der verschwundenen Stadt immer den noch wohl erhaltenen Mauern. Wenige verfallene Städte stellen ein betrübte- res Gemählde von Verheerung und gänzlicher Verwü- stung dar, und diess Ruinengemählde springt durch den Rahmen der noch stehenden Mauern um so mehr in - das Auge. Es gibt wenige Orte, wo Geist und Leib des Rei- senden mehr zu Boden gedrückt werden, als inner den Mauern des elenden Nicäa's, wo er unter Schutthaufen und Brandstätten eine brennende, fieberschwangere, durch die Ausdünstungen der Moräste am See vergifte- te Luft einathmet. Es befiel uns ein unerträgliches Ge- fühl von körperlichem Unbehagen und von tiefer Seelen- schwermuth. Wir zogen zwischen Schutthaufen und Gartenhecken bis zum Dorfe Isnik fort, das immer dem Ringmauern der alten Stadt am nördlichen Winkel der- selben liegt. Das türkische neue Isnik war ganz aus den Ruinen des alten römischen und byzantinischen Nicäa entstanden. Zur Zeit der Seldschuken erhob sich hier ihr Herrscherpallast (den Alexias Commena Sultanikon nennt) von wo aus die Frau und Schwester Suleiman's während der Belagerung ihren freyen Abzug mit Butu- mites unterhandelten. Unter den Osmanen blühten hier Schulen und Fabriken, und an der Seite von Moscheen und Serajen standen Waarenlager und Bäder. Heute sind auch alle diese Gebäude in Schutt verfallen, und I 12 die osmanische Stadt Isnik ist zu einem elenden Dorfe von beyläufig 2oo Häusern herabgesunken, unter denen zwey Moscheen und eine griechische Kirche noch halb erhalten sind; und von dem byzantinischen Nicäa ste- hen bloss die Mauern im Vierecke von beyläufig einer Stunde oder 16 Stadien im Gevierten, wie es schon Strabo beschreibt, jede Seite vier Stadien, oder beyläufig eine Viertelstunde lang, und innerhalb dieses Vierecks nichts als ein trauriges Schauspiel der Verwüstungen der Zeit, der Kriege, des Fiebers und des Despotismus! Bisher gaben sich die Reisenden fruchtlose Mühe, in den Schutthaufen Nicäas die alte griechische Kirche aufzufinden, wo das erste Consilium gehalten wurde. Mit Recht bezweifelten sie, dass die dermahlige grie- chische Kirche Ismik's die Zahl der zu Nicäa versammel- ten Väter enthalten konnte. Pococke glaubt sogar, dass die Kirche, deren Dom geborsten und zertrümmert, und auf deren Boden noch hie und da Mosaikpflaster sichtbar ist, in eine spätere Zeit als in die Constantin's gehöre. Dieser Vermuthung widerspricht das musivische Gemählde in dem Peristyle der Kirche und ober dem Eingange derselben nicht, das einen Kaiser vorstellt, den die mit Gold musivisch eingelegte Inschrift ") Kon- stantinos nennt. Wahrscheinlich war es Constantin VII., der Porphyrogenete, dessen Nahme mit dem seines Vaters auch auf einem Thurme der Stadt als Erneuerer und Wiedererbauer derselben genennt wird *). Wo aber die alte Kathedrale und der Ort der heiligen Synode zu *) Siehe die Inschrift, Nr. 6. **) Siehe die Inschrift, Nr. 4. 1 13 suchen sey, darüber lassen türkische Geographen und Historiker keinen Zweifel übrig, indem sie uns beleh- ren, dass Orchan, der Eroberer der Stadt, die Haupt- kirche derselben, wo das Consilium gehalten ward, in die Moschee verwandelt habe, die noch heute seinen Nahmen trägt"). Wir bahnten uns also den Weg in den Umfang der alten, heute in Ruinen liegenden Moschee Sultan Or- chan's durch Distelm und Dornengebüsche, durch Schutt- und Steinhauſen, die den Eingang verwehrten. Unser Führer musste über die Mauer steigen, um die Steine weg zu wälzen, womit von innen das Thor verrammelt war. Ober diesem Thore ist das Tughra , d. i. der ver- schlungene Nahmenszug Sultan Orchan's in Stein ausge- hauen. Die Mauern der sehr geräumigen, im Vergleich mit der heutigen griechischen Kirche noch ein Mahl so grossen, alten Kathedrale, in welcher die Versammlung der Väter Platz genug hatte, stehen noch aufrecht, und sind mit türkischen und arabischen Inschriften bedeckt, aber das Dach ist ganz eingestürzt, und seine Trümmer sind mit denen des Pflasters vermischt, die vielleicht zu gleicher Zeit ein Erdbeben aufrüttelte. An dem bey- den Seiten des Hauptaltars, der in der Mitte einer sich stufenweise erhebenden amphitheatralischen Rotonde stand, waren zwey Capellen angebracht, ganz auf die- selbe Weise, wie die dermahlige griechische Kirche ge- *) So die Erdbeschreibung Hadschi Chalfa's Dschihannuma, S. 657 und in der Geschichte der Osmanen Hiseht Bilischt, d. i. die acht Paradiese, in der achten Erzählung der Begebenheiten der Regierung Sultau Orchans. P A 14 bauet ist. Hier ist also die ehrwürdige Stätte, wo drey- hundert und achtzehn Bischöfe, unter denen mehrere Kirchenväter, Heilige und Märtyrer, aus dem Morgen- und Abendlande versammelt, in des Kaisers eigener Ge- genwart das grosse oikumenische Consilium bildeten, von dem das Glaubensbekenntniss der katholischen Kir- che, die Verdammniss der arianischen Lehre, die Be- stimmung des Osterfestes und der Grundriss der Kir- chenzucht ausging. Hier stritten mit Arius für seine ke- tzerische Lehre: dass der Sohn nicht gleicher Wesen- heit mit dem Vater sey, noch sieben zehn andere Bi- schöfe, worunter zwey Eusebius (der von Nicomedien und von Cäsarea, der berühmte Geschichtschreiber), wurden aber von den drey hundert anderen überstimmt, zur Unterschrift des micäischen Glaubensbekenntnisses und zur Ablegung ihrer Irrlehre durch Androhung der Absetzung und Landesverweisung gezwungen *). Hier erschienen der heilige Alexander und der heilige Atha- nasius, dieser noch in der Blüthe seines Alters als Dia- con, jenen als Bischof begleitend, und von ihm, als er in der Folge auf dem Bischofsstuhle Alexandriens SaSS , noch Sohn genannt. Hier sprachen die Heiligen Spiridion und Paphnutius, jener Bischof in Cypern, und dieser in Ober-Thebais, mit mildernder Nachsicht über die Auf- rechthaltung der Kirchen- und Zuchtgesetze, und ihr fürsprechendes Wort zu Gunsten anderer hatte so grös- seres Gewicht, als ihre Strenge gegen sich selber allge- mein bekannt war. Spiridion hatte einem Gaste an einem *) Stollberg's Geschichte der Religion Christi und Fleury's. Kir- chengeschichte. - 115 Fasttage, wo weder Brot noch Mehl zu Hause war, Schweinfleisch aufgesetzt, und als dieser daran Ärger nahm, ihm sein Ärgerniss mit den Worten der Schrift verwiesen, dass dem Reinen alles rein sey *). Paphnutius eiferte wider den Vorschlag der Väter des Conciliums, dass Bischöfe, Priester und Diaconen sich von ihren Weibern trennen sollten "). Hier sassen sie also diese beyden ehrwürdigen Bischöfe, welche noch heute die griechische und koptische Kirche unter dem ersten ihrer Heiligen verehrt *“). Hier küsste Kaiser Constantinus die Narben der Märtyrer, die in den vorhergehenden Verfolgungen der Christen unter Licinius und Maxen- tius die Lehre Christi mit ihrem Blute und dem Ver- luste ihrer Glieder bezeuget hatten. So küsste er die Augenhöhle des heiligen Paphnutius, dem das rechte Auge ausgerissen worden, und die Hände des heiligen Paulus, Bischofs von Neu-Cäsarea am Euphrates, dessen Ner- ven mit glühenden Eisen gelähmt waren. Nicht mindere Ehrfurcht als den Blutzeugen bewies er den Bischöfen überhaupt, indem er die, ihm bey sei- ner Ankunft zu Nicäa wider dieselben eingereichten An- klagen zusammengerollt, mit seinem Ringe versiegelt und ungelesen verbrannte, die Ankläger belehrte, dass *) Sozomenes Hist. eccl. I. 11. **) Sozomenes Hist eccl. 1. 28. *) Der heilige Paphnutius war ein Waffengefährte des heiligen Onophrius und des heiligen Schnulius, in deren Gesellschaft er die Blemyrer an den Glänzen der Thebais mit Krieg überzog. Siehe: Memoires, geographiques et historiques sur l'Egypte, ee sur quelques contrées voisines. Par Monsieur Quatremere. Tom. I. Pag, 146. 15o. P 2- 1 16 dem Volke die Sünden seiner Hirten, des Ärgernisses willen, nicht kundgemacht werden dürften, und sie ver- sicherte, dass er den Ehebruch eines auf der That er- tappten Bischofs mit dem kaiserlichen Purpur verhüllen würde. Endlich erhöhte er die Feyer des Schlusses der Kirchenversammlung, indem er am selben Tage (25. Ju- lius 325) die Feyer seiner zwanzigjährigen Regierung beging, alle Bischöfe zu einem grossen Gastmahle lud, und nach demselben reichlich beschenkt entliess. Dichtgeschart drängen sich hier die Erinnerungen an die Heiligkeit der Stätte und die Ehrwürdigkeit der Stadt auf, welche auch von den Führern des Kreutzzuges benützt wurden, die Wallbrüder mit heiligem Enthu- siasmus zur Eroberung Nicäa's zu begeistern *). Wie würden die hier versammelten Väter der Kirche und der Gründer des byzantinischen Reichs, der grosse Constan- tin, dem Seher angestaunt haben, der, in die Zukunft schauend, ihnen verkündet hätte, dass nach drey Jahr- hunderten schon in Arabien der Prophet aufstehen wür- de, dessen Lehre durch das Schwert von der Meerenge von Suez über die von Gibraltar und Byzanz hinaus bis an die Donau und Wolga verbreitet, die christliche Kir- che unter ihr Joch beugen; dass Nicäa mit wechselndem Kriegsglücke von Arabern und Türken, von Franken und Griechen genommen und verloren, ein halbes Jahrhundert lang der Sitz der aus ihrer Residenz vertriebenen grie- chischen Kaiser seyn; dass nach tausend Jahren der An- *) Tandem venere Nicaeam, quae totius Romaniae Metropolis est, civitas Bethaniaeque caput, trecentrum decem et octo Putrum Sy- nodo clar«, sed Omouston assertione, et Arii damnatione prae- clarior Guiberti Cap. III. 1 17 führer einer Türkenhorde (Osman) in dieser Gegend auf den Trümmern des byzantinischen das osmanische Reich gründen, und sein Sohn und Nachfolger (Orchan) Ni- cäa erobern, und die Kirche der heiligen Synode in eine Moschee verwandeln sollte! - - Wenn die hier versammelten Väter, statt wie die heiligen Siebenschläfer nur anderthalb Hundert Jahre zu schlafen, nach einem Schlafe von anderthalb Tausend Jahren heute wieder hier vereint wären, wie würden sie die Veränderung der Zeit und des Orts und die Um- wälzungen der Lehren und Begriffe bestaunen! – Statt des heiligen Dunkels der byzantinischen Kirchen, das sie dem der hellenischen Tempel nachgeahmt, fällt der volle Tag durch das eingestürzte Dach auf die Trophäen der verwüstenden Zeit; statt der goldenen, in lazurnem Felde musivisch eingelegten Sterne des Platfonds scheinen vom lazurmen Dome des Himmels die goldenen Strahlen der Sonne herunter. Das Gitterwerk und die Bilderwand des Allerheiligsten ist verschwunden, statt biblischen Sprüchen reden die Verse des Korans von dem Wänden herab, und die Stätte der in allen griechischen Kirchen über dem Kreutze prangenden Inschrift: „In diesem Zei- chen wirst du siegen !" nimmt das islamitische Glaubens- bekenntniss ein: „Es ist kein Gott als Gott, und Moham- med ist sein Prophet !" Das islamitische Glaubensbekennt- niss statt des nicäischen an die Wände der alten Kirche selbst geschrieben, wo dieses verfasst ward, wie viel Stoff zum Denken möchte es den Vätern geben, die hier über die Art und Weise, wie der Sohn aus dem Vater hervorging, und über ihre gleiche Wesenheit stritten! 118 um wie viel nachsichtiger wären dadurch die beyden Alexander von Byzanz und Alexandrien wider die bey- den Eusebius von Nicomedien und Cäsarea, um wie viel duldsamer Arius gegen Athanasius gestimmt! Wenr die Bischöfe aus Griechenland und Ägypten, aus Persien und Armenien auf ihren Sitzen die Muftis und Mollas, die Kadis und Irmame , welche dieselben heute einneh- men, und der Christusliebende Constantin auf seinem Throne den Sultan als Nachfolger der Chalifen erblickte, wie müssten sie verstummen in dem Gefühle der Nich- tigkeit aller menschlichen Weisheit und Grösse, oder laut bekennen die Wahrheit jenes arabischen Spruches auf der Wand: Aller Menschen harrt die Stunde ,. Alle Reiche gehn zu Grunde; Ihn, den Ew'gen, Alllebendigen - Kann der Tod, die Zeit nicht bändigeu. Wir besahen die drey triumphbogenartig gebauten Thore der alten Stadt, die schon Pococke und Dallawar beschrieben haben, nähmlich: das ven Jenischehr (durch welches wir von der Südseite eingezogen); das von Con- stantinopel und das Landthor, beyde auf der Nordseite. Beym Ausgange durch das letzte sieht man auf der linken Seite halb erhabene Steinarbeit eingemauert. Diese Basreliefs stellen ein Opfer vor. Noch lässt sich daran eine bey den Haaren gezogene weibliche Gestalt erken- nen, umgeben von Gruppen bewaffneter Krieger, wel- che dem Opfer zusehen, so dass es vielleicht das Opfer Iphigenia's auf Aulis vorstellet. Gleich darneben ist eine christliche Bildhauerarbeit, ein Heiliger oder eine Hei- M 19 lige mit der Strahlenglorie um's Haupt. So stehen die Gegenstände des Cultus zweyer Religionen, zwischen denen Jahrtausende liegen, und die dreyhundert Jahre lang harten Kampf gegen einander bestanden, hier fried- lich in denselben Mauern neben einander. Die barbari- sche Hand, so diese Mauern erbauet oder vielmehr her- gestellt, verwandte Basreliefs, Altäre, Säulen und Grab- seine statt Quadern, und dieser Barbarey machten sich nicht nur die letzten Eroberer der Stadt, die Osmanen, sondern schon die ersten Eroberer und Hersteller der Mauern Constantinopels und Nicäa's schuldig; denn hier, wie dort, sind die Stadtmauern und Thürme an vielen Orten nichts als eine aufgeschichtete Masse von Ruinen altgriechischer oder römischer Kunst. Säulen, die ehemahls Hallen trugen, liegen wagerecht über ein- ander als Mauermbänder; Altäre, auf denen die Flamme des Opfers loderte, sind umgestürzt, und von den Bil- dern der Götter und Heroen nur die Rümpfe einge- ImaUeTt. Der Anblick so vieler Denkmähler der Andacht, der Dankbarkeit und des Ruhms zu Mauersteinen herabge- sunken und entweiht, erfüllt den Schauenden mit einem gerechten Unwillen wider den Verwüstungsgeist Con- stantin's und der ersten christlichen Kaiser, welche an dem Tempeln der alten Religion die Verfolgung der neuen Kirche verheerend rächten. Die Klagen, welche Nicetas und andere byzantinische Geschichtschreiber mit Recht wider den barbarischen Verwüstungsgeist der Franken, als Eroberer Constantinopels, erheben, trifft nicht viel minder die Erbauer und Hersteller der Mauern, 12O und im Vergleiche mit Beyden erscheinen die Türken, über deren Zerstörungswuth Reisende so oft gerechte Kla- gen erhoben haben, weit duldsamer, weniger verfolgend und minder des Verbrechens beleidigter Majestät der Kunst und Religion schuldig. Sie haben zwar in eroberten Städten einige Kirchen in Moscheen verwandelt, und In- schriften weggemeisselt, die sie nicht verstanden; aber in vielen Moscheen (wie in der grossen und kleinen So- phiakirche zu Constantinopel) sind selbst diese Inschrif- ten noch erhalten, und viele Kirchen haben sie unange- rührt stehen gelassen. Die byzantinischen Kaiser hinge- gem haben die römischen Tempel und Götterhallen bis auf ihre Grundfeste niedergerissen, und Nichts kann den fanatischen Eifer rechtfertigen, womit sie die Denk- mahle des Alterthums, in der Sprache ihrer Väter den Göttern geweiht, vernichteten. Die Barbaren! Sie ha- ben jene luftigen Hallen und Säulengänge durch riesen- hafte Mauern aus ungeheueren Steinblöcken, und die eingestürzten Triumphbögen mit Gewölben von nieder- drückender Schwere zu ersetzen geglaubt; sie haben die umgestürzten Altäre in Zinnen, und die Säulen in Wartsteine verwandelt; sie haben die Sarkophage zer- trümmert, und die Inschrifttafeln einwärts gekehrt, wie babylonische Ziegeln, deren thoneingebrennte Inschrif- ten immer gegen das Innere, dem Blicke und Wetter unzugänglich, eingemauert sind. Die Barbaren! sie ha“ ben mit den Mauern Babylons zu wetteifern und sich Um- Sterblichkeit zu erwerben gewähmt, indem sie ihre Nah- "en an die Stirne der Thürme schrieben, aus den Resten der schönen Jahrhunderte des Alterthums erbauet. 121 Nichts melancholischer, aber auch Nichts mahler- scher als der Anblick dieser Mauern und Thürme, von unten bis oben mit üppigem Grün überwachsen und von den Zweigen der Bäume beschattet, die aus den Grund- festen hervorgipfeln und auf den Plattformen wurzeln. Einer der schönsten und am besten erhaltenen Thürme erhebt sich auf der Nordseite, das ist also gerade auf der entgegengesetzten, von der die Stadt die letzten Belage- rungen aushielt, von wo aber früher, wie es die wohl erhaltene Inschrift sagt, die Saracenem fruchtlos anstürm- ten und an dem Fusse desselben Schimpf und Tod fan- den. Dieser noch stehende Thurm auf der Nordseite ist das merkwürdige Gegenstück von jenem berühmten Knie- beugenden auf der Südseite, der, nachdem er einmahl vor dem Feinde die Knie gebeugt, bald auf das Feld hingestürzt ward, während dieser, welcher der Feinde Muth ungebeugt verhöhnte, noch nach neun Jahrhun- derten als Todes - und Siegesdenkmahl derselben auf- recht da steht und den Sinnspruch gewählt zu haben scheint: Ich werde gebrochen aber nicht gebeugt, (Frangor non flector). Die merkwürdige Inschrift belehrt den Le- ser daher, dass er von Leo (dem Armenier) und seinem Mitherrscher Constantin (der im Purpur Geborne genen- net), den Herstellern der Stadt, mit dem Aufwandesie- benjähriger Arbeit und eines Centner Goldes, erbauet worden sey *). Das hergeleitete Wasser, womit das alte Nicäa ver- sehen ward, geht noch heute nach Isnik durch das Com- *) Siehe die Inschrift im Anhange. 1 22 stantinopolitanerthor, wo es, den in der Mauer einge- schlossenen Röhren entrinnend, in langen Cascaden den Wall herunter fällt. Die gewölbte Wasserleitung, in der es von aussen der Stadt zugeführt wird, läuft durch die Begräbnissstätte, und endet, oder beginnt vielmehr am Fusse des gegen Osten der Stadt gelegenen Berges. Hier steht auf der Hälfte eines Felsenabhanges ein un- geheuerer Sarkophag, aus einem einzigen Steine ge- hauen; Pococke , der denselben beschreibet, zweifelt, ob diese Steinmasse nicht hierher geschafft worden sey, wie der monolithische Granittempel von Sais aus der In- sel Elephantine. Aber wenn man nun um sich schaut, erblickt man rund umher ungeheuere Felsenmassen, so die Zeit von dem Gipfel des Berges gelöset hat, und die durch Wetter oder Erdbeben heruntergestürzt, hie und da auf kleinem Flächen stehen geblieben sind. Einen die- ser ungeheueren Steinblöcke hat die Kunst in einem Sar- kophag umgebildet, der durch Menschenhände hierher gestellt worden zu seyn scheint. Die durch die Zeit fast ganz verwischte Inschrift, die Pococke für Hebräisch hielt, dürfte wohl eher eine phönicische gewesen seyn. Für diese Vermuthung spricht der Styl des Denkmahls, ganz derselbe wie der der phönicischen in Felsen gehaue- mem Grabmahle auf Cypern und der benachbarten asia- tischen Küste. Auf der gegen Osten gerichteten Vorder- seite, wo auch die Inschrift stand, scheint eine Sonne gewesen zu seyn, die gegen Aufgang schaute, vielleicht als Symbol der Auferstehung zum ewigen Lichte, wel- cher der Staub im Sarge entgegen harrt. Dieser ungeheuere Sarkophag, den die Araber den 123 Yater der Särge nennen würden, beherrscht von seiner Fel- senhöhe die weiten Grabstätten, die sich zu seinen Füssen bis an die Stadt him dehnen , und die ein besonderes In- teresse einflössen, weil fast alle Grabmahle schöne Re- ste von Denkmahlen alter Kunst sind. Die Grabpfeiler (Cippi), welche die Türken zu den Füssen und am Ko- pfe ihrer Todten aufstellen, sind eben so viele Säulen, Architraven oder Piedestale. Es scheint als sey hier das Thal Josaphat der Denkmahle alter Architektur, deren zerstreute Steinglieder sich von allen Seiten aus der Er- de erheben, um in ein harmonisches Ganzes versam- melt zu werden, als sey hier die Auferstehung, nicht der Todten, sondern der Gräber. Wiewohl Nicäa's Mauern auf der Westseite vom See bespühlt sind, so haben seine Einwohner doch nie das salniterschwangere Wasser desselben zum Trinken be- nützt, denn ausser dem Bergstrome, der durch die Was- serleitung in die Stadt fliesst, springen auf der Nord- seite der Stadt noch Quellen eines vortrefflichen Was- sers, der Fürstenbrunnen (Beibunari) genannt, welche den Fuss der Mauern auf der Seite des Landthors wa- schen, und dann in den See fliessen. Man sieht daraus, dass wenn das heutige Wasser der Stadt matt und schlecht ist, die Schuld nicht an dem Mangel eines besseren in der Nähe liegt. An der Bergquelle ist es gut, verschlim- mert sich aber in der Wasserleitung, die seit undenk- lichen Zeiten nicht gereiniget worden zu seyn scheint. Dass das VWasser des, übrigens sehr fischreichen, Sees nicht das beste zum Trinken, liegt vielleicht in der Ur- sache eines alten und undenklichen Erdsturzes, wenn es Q2 124 wahr ist, was die Bewohner und auch die Geschicht- schreiber Edris und Seadeddin versichern, dass , bey trockener Zeit und seichtem Wasser, man unter dem- selben die Ruinen einer versunkenen Stadt erblicket, und dass Taucher manchmahl metallenes Haus- und Kü- chengeräthe daraus heraufgehohlt haben sollen *). Gegründeter als die Sage ist die Überlieferung von den grossen Fabriken persischen Poréellans, welche hier unter der Regierung osmanischer Sultane ausser den Mauern der Stadt gegen die Seeseite blühten, und deren Reste heute Dschineuvislik heissen; ein Nahme, der, wie- wohl er vom chinesischen Porcellan hergenommen scheint, dennoch von einer genuesischen Niederlassung herstam- men und den historischem Grund haben dürfte, dass schon zu Zeiten des byzantinischen Reichs eine Colonie dieses speculativen Handelsstaats sich in der Vorstadt Nicäa's, wie in denen Constantinopels, angesiedelt hat- te, und hier Fayence oder persisches Porcellan verfer- tigte. So viel ist gewiss, dass die schönsten Arbeiten dieser Kunst, die lazurnen Felder mit silberweissen Im- schriften, womit die grossen Moscheen aus der schön- sten Zeit des osmanischen Reichs ausgeschmückt sind, hier verfertigt wurden **). Diese Kunst, welche heute wenigstens in der Türkey ganz verloren zu seyn scheint, blühte im XIV. und XV. Jahrhunderte gleichzeitig in Persien, in der Türkey und in Ägypten, wo die schön- sten Moscheen und Akademien, zur Zeit der letzten mam- *) Heschtbescht, d. i. die acht Paradiese, die achte Erzählung von Sultan Orchan's Regierung, und Seadeddini, J.755. **) Fagºyſiuritschin, chinesisches Porcellau. 125 lukischen Sultane, mit solchen Porcellaninschriften aus- getafelt worden *). Heut zu Tage ist zu Isnik weder von der Werkstätte noch von ihren Producten eine Spur vorhanden. Weder an den Moscheen, noch an den be- rühmten Collegien Orcham's sind dergleichen Porcellan- inschriften zu sehen. Dieses Collegium, von dem heute nur der Nahmen und die Ruinen bestehen, war das erste im osmanischen Reiche“) noch vor denen zu Brussa und Nicomedia von Sultan Orchan gestiftet, und an demsel- ben lehrte der berühmte Scheich Dawid Kaissari die VVis- senschaften des Gesetzes. Ausserdem stiftete Orchan noch eine Armenküche, und seinem Beyspiele folgte später Eschrefsade , dessen Kloster und Grabstätte ein besuch- ter Wallfahrtsort war ***). VI. Der Weg von Nicäa nach Nicomedia. Eine Viertelstunde weiter an, als der oben erwähnte Fürstenbrunnen, und auf einer kleinen Anhöhe des Berg- abhanges ist eine herrliche Grotte von der Natur in der Richtung von Nordosten gegen Südosten in den Felsen gewölbt, deren keiner der Reisebeschreiber unserer Vor- *) Seadeddin. *) Seadeddin i. J. 751. *) Dschihannüma bey Isnik. S. 662. 126 gänger erwähnt. Sie ist beyläufig 2oo Schuhe hoch und auf beyden Seiten offen, wie ein ungeheuerer Triumph- bogen. Die Türken heissen dieses Naturwunder ganz einfach Deliklitasch , d. i. den durchlöcherten Stein. Indem man längs des Fusses dieses Berges (von den Türken auch Katirli tagh , wie der Arganthonios, gewöhnlicher aber Samanli genannt) in der Richtung von Osten gegen We- sten fortzieht, gelangt man in der Entfernung einer Stun- de von der Stadt zu einem herrlichen Lusthain mit Cy- pressen von wunderbarer Höhe und mit ungeheueren Platanen bepflanzt, welche in kleinen Wasserfällen her- unter schäumend, das klare Bergwasser Kespikli su ge- nannt umkreiset und dann gegen den See fortsprudelt. Etwas weiter auf der Strasse hin in der Ebene er- hebt sich ein dreyeckiger Obelisk, dem Andenken des Cajus Philiskus errichtet; er besteht aus dem Fussge- stelle und fünf Steinlagen; die sechste, welche den Gi- pfel formte, ist durch die Zeit herunter gestürzt. Statt der Landstrasse zu folgen, welche erst längs des Sees von Nicäa und dann über Basarkoi landeinwärts in acht- zehn Stunden über das Gebirge nach Nicomedien führt, vertieften wir uns gleich hier in die Schluchten der ho- hen Gebirgskette Samanli, die sich zwischen dem See von Nicäa und dem Meerbusen von Nicomedien erhebt. So kürzten wir den Weg um mehrere Stunden ab, indem wir auf Steigen der Holzhauer, von gewöhnlichen Rei- senden unbetreten, über das Gebirg durch dichte Wäl- der und längs des Thalweges von Bergwässern zogen , von einem Führer begleitet, den wir der besonderem Gefälligkeit des türkischen Befehlshabers von Nicäa dank- 12 ten. Das erste Dorf, an der Mündung der "sº gelegen, durch die wir einzogen, heisst Elbeili, und ist nur eine kleine Viertelstunde vom Obelisken entfernt. Es besteht aus beyläufig 15o Häusern, alle von Moslimen bewohnt. Ein Bach, der einer ergiebigen Quelle im Berge entsprudelt, läuft durch das Dorf von Norden nach Süden gerade nach dem See. Nun fingen wir an, den Berg zu erklimmen, und fanden nach einer Stunde auf unserem Wege das Dorf Kirmisli, von Holzhauern mit- ten in Wäldern bewohnt. Von hier ritten wir sechs Stun- den lang, ohne irgend eine menschliche Wohnstätte an- zutreffen, durch majestätische Buchen- und Eichenwäl- der, die ganz gewiss den herrlichsten Wäldern des eu- ropäischen Nordens nicht nachstehen. Hier wird ein gros- ser Theil des für die osmanischen Werfte nöthigen Schiffs- bauholzes gefällt. Wir sahen Ribben und Querhölzer ganz fertig behauen, um von hier nach den Werften von Nicomedien, oder vielleicht von Constantinopel, fortgeschafft zu werden. Drey Stunden lang ging der Weg aufwärts, und mehr als ein Mahl über den Berg- strom , welcher von der dunkeln Farbe seiner Fluthen Kara su, d. i. das schwarze JPYasser - genannt, in langen Umwegen über die Bergabhänge und durch die Schluch- ten unwillig in die Ebene hinaus nach dem See von Ni- cäa geht. Wir zogen an mehreren Waldwiesen von ei- ner seltenen Schönheit vorbey, die mitten in der Hitze der Hundstage das schönste, frischeste Grün behalten, und von denen dieser Theil des Gebirgs Tschairlitagh, d. i. Wiesenberg, heisst. Ihr smaragdenes Licht sticht wunderbar von dem dunkeln Grün der Wälder ab. Dann 128 geht es drey andere Stunden bergabwärts gegen den Meerbusen von Nicomedien, dessen Meerantlitz hie und da durch Thalmündungen und Waldöffnungen herein- schaut, bis zum Dorfe Baghdschedschik, das in der Ent- fernung einer Stunde vom Ufer des Busens noch im Ge- birge liegt. Nachdem wir in gerader Linie zum Meeres- ufer hinab gestiegen, wandelten wir längs desselben zwey Stunden ſort, ehe wir nach Nicomedien kamen, das nicht im innersten Grunde des Busens, sondern ein wenig darüber hinaus auf der nördlichen Seite dessel- ben gelegen ist. In der innersten Tiefe des Busens führt eine Brücke über das Flüsschen Kirschenwasser (Kiras su), nicht zu verwechseln mit dem auf der andern Seite im den See von Nicäa ausfliessenden Karasu (Schwarzwasser). Es entspringt sechs oder sieben Stunden von seiner Mün- dung gegen Südosten im Berge Göktag, d. i. Himmelsberg, der nur eine Fortsetzung der zwischen Nicäa und Nico- medien gelegenen Bergkette ist. Hier ist der Ort, den mehrmahl erneuerten Vorschlag der Vereinigung des Pontus mit dem astakenischen Meer- busen , d. i. des schwarzen Meeres mit dem Busen von Nicomedien mittelst eines Landsees , mit der Fackel ört- licher Kritik näher zu beleuchten. Hier ist die Stelle, durch topographische Beweise die Unrichtigkeit der bis- her in alten Geographien und classichen Commentaren gang und gäben Behauptung, dass Plinius willens ge- wesen, den See Ascanius , d. i. den von Nicäa, mit dem astakenischen Meerbusen , d. i. mit dem von Nicomedien, mittelst eines Camals zu verbinden. Dieser handgreifliche Irrthum, den zuerst Philologen durch die Verwechslung 129 den Nahmen von zwey verschiedenen Seen in Gang brachten, ward von nachbethenden Geschichtschreibern wiederhohlt , und auf ihren Glauben von Erd- und Rei- sebeschreibern, die entweder nie an Ort und Stelle ge- wesen, oder die, wenn sie hier waren, es nicht der Mühe werth hielten, mit eigenen Augen zu sehen, in allgemeinen Credit gesetzt. Wir wollen zur Berichtigung desselben die Briefe des Plinius, in denen von dieser Vereinigung die Rede ist, mit Aufmerksamkeit, und die topographische Beschreibung, die sie enthalten, mit der Örtlichkeit des Landstriches, den wir so eben durch- wanderten, vergleichen, und es wird daraus klar her- vorgehen, dass von allen dem, was Plinius sagt, Nichts auf dem See von Nicäa anwendbar ist. Damm wollen wir den See, wovon Plinius spricht, aufsuchen, und wir werden denselben ohne Schwierigkeit in der Nähe von Nicomedien mit allen den örtlichen Umständen der Brie- fe genau zusammenstimmend finden *). Hören wir also *) Was die Absurdität betrifft, von der Vereinigung des Sees von Nicäa mit dem Meerbusen von Nicomedien, welche von einan- der durch eine hohe Bergkette getrennt sind, über die der kür- zeste Weg 11 bis 12 Stunden beträgt, so ist diese Absurdität so gross und auffallend, dass sie jedem, der nur die Karten an- schaut, in die Augen springt, und die Führung eines Canals über dieses Gebirg wäre gerade eben so ausführbar gewesen, als die Übertragung zu Lande der Belagerungsſlotte der Kreutz- fahrer bis an den See von Nicäa , wenn Civitot (wie die Karten von Michaud und Haken es angeben) am astakenischen Meerbu- sen, statt am askanischen gelegen gewesen wäre. Wenn die Rei- sebeschreiber wenigstens von einer Vereinigung des Sees von Nicäa mit dem Meerbusen von Modania (die aber ohne diess, wenn gleich nicht schiffbar, besteht) gesprochen hätten, so wä- ren sie zu entschuldigen gewesen, Aber wie kounten die Kreutz- R A 15o den römischen Statthalter Bithyniens mit seinen eigenen Worten: - Plinius macht dem Kaiser den Vorschlag, einen Ver- bindungscanal zwischen dem Meere und einem grossen in der Nachbarschaft gelegenen See zu eröffnen. Ehe er die Ausführung dieser Unternehmung versuchen will, hält er es für nothwendig, den Grund mit der Wasser- wage abzumessen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, dass der See ganz in das Meer ausfliesse. Es wird nicht nöthig seyn , sagt er. den Canal in der ganzen Strecke vom Ufer des Sees bis an das des Meeres zu führen, weil es genug seyn wird, denselben mit einem Flusse in Ver- bindung zu setzen, den er auf dem Wege antreffen wird, und der in's Meer geht; und was die Arbeit ungemein erleichtern wird, ist ein alter Graben, von den bithy- mischen Königen angelegt, sey es, um den benachbar- ten Feldern die überflüssige Feuchtigkeit zu entziehen, sey es in der nähmlichen Absicht, den See mit dem Flusse zu vereinigen. fahrer achtzehn Stunden lang auf der gewöhnlichen Strasse von Nicäa nach Nicomedien über das Gebirg, das diese beyden Städte, und die Meerbusen, an denen sie liegen, trennt, die Schiffe ziehen ? wie konnte man von einer Vereinigung des Sees von Nicäa mit dem Meerbusen von Nicomedien sprechen? Ähnliche Irrthümer gibt es noch viele in der Geographie zu berichtigen, und sie können nur durch Reisende berichtiget werden, die lie- ber mit ihren eigenen Augen prüfen, als mit fremden ohne Prü- fung sehen wollen. *) C. Plinius Traiano Imp. S. Intuentimihi et fortunae tuae et animi magnitudinem, con- venientissimum videtur, demonstrare opera non minus aeterni- tate tua , quam gloria digna, quantumque pulchritudinis, tan- tum utilitatis habitura. Estin Nicomedensium finibus anplissi- 131 Da aber der Kaiser wider die unmittelbare Verbin- dung des Sees mit dem Flusse den Einwurf der Furcht macht, dass der See nicht ganz abfliesse, so schlägt Pli- nius einen Canal in gerader Linie, bis auf eine kleine Entfernung vom Flusse, vor, so dass man die Ladung der auf dem Flusse angekommenen Schiffe mit geringer Mühe über die kleine, zwischen dem Fluss und dem Canal stehen gebliebene Erdzunge von jenem in diesen hinüber schaffen könnte. Übrigens hofft Plinius nicht, zu diesem Mittel Zuflucht nehmen zu dürfen, weil der See Überfluss an Wasser habe, und aller Übe, fluss ge- rade nach der entgegengesetzten Seite abgehe. Würde jener Ausleiter (Emissaire) verdämmt, und das bisher wo anders hin abgeflossene Wasser in den Fluss gelei- tet, so würde das Wasser dieses natürlichen Überschus- ses um so mehr zum vorgeschlagenen Canale hinreichen, als dasselbe auf dem Wege selbst durch hineingeleitete Bäche vermehrt werden könnte. Ubrigens glaubt er (hier- mus lacus; per hunc marmora, fructus, ligna , materia, et sum- tu modico et labore, usque ad viam navibus, inde, magnola- bore , majore impedio, vehiculis ad mare devehuntur. Sed hoc opus multas manus poscit , at hae pro re non des unt. Nam et in agris magna copia est hominum, et maxima in civitate : certaque spes omnes libentissime adgressuros opus omnibus fruc- tuosum. Superest, ut tu libratoren ve! architectum, sitibi vi- debitur, mittas, qui diligenter exploret, sitne lacus altior mari, quem artifices regionis hujus quadraginta cubitis altiorem esse contendunt. Ego per eadem loca invenio fössam a rege percus- sam: sed incertum, utrum ad colligendum humorem circumja- centium agrorum, an ad comunittendum flumini lacum; est enim imperfecta: hoc quoque dubium, intercepto rege mortalitate, an desperato operis effectu. Sed hoc ipso (fères enim ne ambitio- sum) pro tua gloria incitor et accendor, ut cupiam peragi ute, guaetantum coeperant reges. - R 2. 13a im freylich irrig), dass, wenm der Camal im's Meer aus- flösse, der Amdrang der Meeresfluth das aus dem See fliessemde Wasser aufhaltem , umd dasselbe vielmehr im dem See zurückdrängem werde *). Was vom alle dem kömnte wohl auf dem See vom Ni- cäa amgewemdet werdem ? Wir haben gesehem, dass der Überfluss seiner Wässer durch einem kleinem Bach wirk- lich in's Meer abfliesst , umd micht im eimer, wie Plinius sagt, dem Meere entgegemgesetztem Richtumg. Wo war die Nothwemdigkeit , eimem Camal gegem das Meer zu öff- nem, wemm derselbe schom wirklich bestamd? Aus dem *) C. Plinius Traiano Imp. S. Tu quidem, Domine, providentissime vereris, ne commissus flumini, atque ita mari, lacus effluat : sed ego in re praesenti invenisse videor, quemadmodum huic periculo occurrerem, Pot- est enim lacus fossa usque ad flumen adduci, nec tamen in flu- men emitti, sed relicto quasi margine contineri pariter et dirimi: sio consequemur, ut nec vicino videatur flumini mixtus, et sit perinde ac si misceatur. Erit enim facile per illam brevissimam terram , quae interiacebit , advecta fossa onera transponere in flumen. Quod ita fiet, si necessitas coget; et, spero, non coget. Est enim et lacus ipse altus , et nunc in contrariam partem flumen emittit; quod interclusum inde, et quo volumus aversum, sine ullo detrimento, lacui tantum aquae, quantum nunc portat ad- fundet. Praeterea per id spatium, per quod fossa facienda est, incidunt rivi : qui si diligenter colligantur, augebunt illud, quod lacus dederit. Enim vero si placeat fossam longius ducere, et arcius pressum mari aequare, nec in flumen, sed in ipsum ma- re emittere, repercussus maris servabit et reprimet quidquid a lacu veniet. Quorum si nihil nobis loci natura praestaret, expe- ditum tamen erat , cataractis aquae cursum temperare. }'erum et haec et alia multo sagatius conquiret, explorabitque librator, quem plane, Domine, debes mittere , ut polliceris. Est enim res digna et magnitudine tua et cura. Ego interim Calpurnio Mar- eo, clarissimo viro , auctore te , scripsi, ut librato rem quams maxime idoneum mitteret. 133 See des Plinius floss ein Fluss in einer dem Meere ent- gegengesetzten Richtung; aus dem See von Nicäa fliesst aber, ausser dem erwähnten Ableiter, kein Wasser aus, sondern auf dem, dem Meere entgegengesetzten Ufer, an dem wir von Nicäa her vorbey zogen, fliessen die Bergwässer in den See. Endlich war noch ein anderer Fluss da, der gegen das Meer floss, und mit welchem die Verbindung durch den Canal mit dem See hergestellt werden sollte, sey es unmittelbar, sey es durch eine schmale Erdzunge, die zwischen dem Fluss und Ca- mal stehen geblieben wäre. Aber zwischen dem See von Nicäa und dem Meere gibt es keinem andern Fluss, ja, was noch mehr ist, konnte hier niemahls ein Fluss (aus- ser dem Ableiter) seinen Lauf genommen haben, indem der Grund der Thalschlucht, die gegen das Meer hin- ausläuft, so enge ist, dass im Thalwege kaum für den Wasserfaden Platz ist, der den Überschuss des Sees abführt. »Estin Nicomedensium finibus lacus amplissimus. Es liegt an den Gränzen der Nicomedier ein sehr grosser See." An den Gränzen der Nicomedier, und nicht im Mittelpuncte des Gebieths von Nicäa unmittelbar vor dieser Stadt. Warum , wenn Plinius vom See von Nicäa hätte spre- chem wollen, warum hätte er demselben nicht mit seinem gewöhnlichen Nahmen, Ascanius, genannt? „Ad committendum flumini lacum. Um den See mit dem Flusse zu verbinden." Mit welchem Flusse ? es gibt keinen, wie wir gesehen, zwischen Nicäa und dem Meere, in das nur der Ableiter durch die Schlucht abfliesst. »Est enim lacus ipse satis altus, et nunc in contrariam 134 partem flumen emittit. Denn der See selbst ist hoch genug gelegen, und sendet in entgegengesetzter Richtung einen Fluss aus.“ Der See von Nicäa hat keinen andern Abfluss als den erst erwähnten; er ist überall (die Meerseite aus- genommen) vom hohen Bergen umgeben, die ihre Was- ser dahin abliefern. Sie begränzen denselben der Länge nach wie Felsenwälle, und laufen an dem östlichen und westlichen Erde in ein Amphitheater aus. Auf der West- seite fliesst der Ableiter ab, und auf der Ostseite flies- sen alle Bergbäche hinein; der See könnte daher auch nie einen Ableiter nach einer andern Seite haben, weil das VWasser bergan geflossen seyn müsste. Nachdem auf diese Art augenscheinlich dargethan worden, dass Plinius nichts vom See zu Nicäa gespro- chen haben konnte, so bleibt noch zu untersuchen übrig, welcher denn der See sey, auf den alle diese örtlichen Umstände anwendbar sind, und wir finden denselben im See von Sabandscha *), den er mit dem Meerbusen von Nicomedien verbinden wollte. „Estin Nicomediensium finibus amplissimus lacus. Es liegt an den Gränzen der Nicomedier ein sehr grosser See." Der See von Sabandscha ist nur eine halbe Tagreise von Nico- medien entfernt, was eher den Gränzen der Nicomedier (in finibus) zusagt, als der See von Nicäa, welcher andert- *) Der See von Sabandscha hat in der Länge 15 Miglien, die Strasse geht hart an demselben durch den dichten Wald Baum- meer genannt, und eine halbe Meile lang, sogar im See, so dass das Wasser hoch an den Steigbügel reicht. Die Entfernung dieses Sees vom Meerbusen von Nicomedien ist eine halbe Tag- reise - und auf der Ostseite ist der Fluss Sakaria das Dritttheil einer Tagreise entfernt. Dschihannuma, S. 666. 135 halb Tagreisen von Nicomedia entfernt ist. Amplissimus, sehr gross, indem er 15 Meilen in der Länge hat. »Nam et in agris magna copia est hominum et maxima in civitate. Denn auf den Feldern ist grosse Menschenmenge, und die grösste in der Stadt." Nähmlich zu Nicomedia, wo Plinius als Statthalter residirte. Wie wären denn den Bewohnern dieser Stadt die Arbeiten des Canals zur Hand gelegen gewesen, wenn es sich um den See von Nicäa gehandelt hätte? »Ego per eadem loca imoenio fossam a Rege percussam , an ad committendum flumini lacum. Ich finde auf derselben Strecke einen von einem Könige geführten Graben, vielleicht, um den See mit dem Flusse zu vereinigen.“ Da wir über Nicomedien nicht gegen die Strasse von Sabandscha hin- ausgekommen, so konnten wir nicht bewähren, ob die Spuren dieses alten Grabens noch heute sichtbar seyen; aber im Grunde des Busens fanden wir den Fluss, der mit dem See in Verbindung gebracht werden sollte. Die- ser ist das Kirschenwasser, das von Südosten kommt, und das wir mittelst der Brücke übersetzten. Da der See Sabandscha östlich vom Meere liegt, so würde ein Ca- mal, von Nordosten nach Südosten geführt, gerade auf den Fluss getroffen, und dadurch die gerade Führung des Canals vom See bis zum Meere erspart haben. „Potest enim lacus fossa usque adflumen adduci, necta- men in flumen emmitti, sed relicto quasi margine contineri pariter et dirimi. Denn der See kann durch den Graben bis zu dem Flusse geführt - und doch nicht in denselben einge- lassen, sondern durch einen Rand (Erdzunge) zusammen gehalten und vom Flusse getrennt werden.“ Nichts stand der 136 Ausführung dieses Vorschlags entgegen, denn das Land gab Raum genug, um den Canal entweder bis zum Flusse, oder nur bis auf eine kleine Entfernung von seinem Ufer zu führen. „Et nunc in contrariam partem flumen emmittit. Er sen- det nun in einer entgegengesetzten Richtung einen Fluss aus." Ungeachtet alles Nachfragens über diesen Ableiter des Sees konnte von uns nichts anders erhoben werden, als dass der See einen Ableiter habe; nach welcher Rich- tung derselbe aber fliesse, bleibt künftigen Reisenden zu bestimmen übrig. Dass derselbe in einer dem Meer- busen von Nicomedien entgegengesetzten Richtung ab- fliesse, ist gewiss, und dass er nicht in den Sakaria (San- garis) falle, wird aus dem weiter unten folgenden Be» richte der türkischen Feldmesser klar. »Enim vero si placeat fossam longius ducere , nec in flu- men, scd in ipsum mare emmitteret. Wollte man den Canal weiter führen, so Jösse das Wasser nicht in den Fluss, son- dern in das Meer.“ Da den Meerbusen von Nicomedien landeinwärts eine geraume Ebene, und nicht wie den von Nicäa eine enge Bergschlucht aufnimmt, so war keine Schwierigkeit vorhanden, dem Canal, wenn man wollte, gerade bis an's Meer fortzuführen, ohne densel- ben in den Fluss zu leiten. Derselbe würde alsdann, statt sich mit dem Flusse zu vereinigen, längs demsel- ben hergelaufen seyn, und neben demselben im Meerbu- sengemündet haben. Der Fluss und der Canal, jener von »Südosten und dieser von Osten herkommend, würden in zwey sich unter einem spitzen Winkel zusammenlaufen- der Linie einander genähert haben, was in der engen - 137 Bergschlucht bey Kemlik, wo nur für den Ableiter kaum Raum genug, vollends unmöglich gewesen wäre. So ist es denn durch den Augenschein der Örtlichkeit erwie- sen, dass der See des Plinius unmöglich der von Nicäa seyn konnte, sondern der See von Sabamdscha war es, der mit dem Meerbusen von Nicomedien verbunden wer- den sollte. Eine Unternehmung, viel grösser, weit aussehender und viel folgereicher als die von den Königen Bithy- niems und dem römischen Statthalter in Vorschlag ge- brachte Vereinigung des nicomedischen Meerbusens mit dem See von Sabandscha, ist in der Geschichte des os- manischen Reichs, die in dem Zwischenraume von drey Jahrhunderten zwey Mahl im Vorschlag gebrachte, zwey Mahl als ausführbar bewiesene, und dennoch zwey Mahl hintertriebene Vereinigung des Sees Sabandscha, micht nur mit dem nicomedischen Meerbusen gegen Westen, sondern auch mit dem Flusse Sakaria gegen Osten, und mittelst dieser Vereinigung die Herstellung einer inlän- dischen Wasserverbindung des weissen mit dem schwar- zen Meere. Dieser grosse und leicht auszuführende Ge- danke, dem bisher nur die natürliche Trägheit und Sorg- losigkeit türkischer Regierung entgegen stand, ist für die hydraulische Kenntniss des umliegenden Landes und für die inländische Schifffahrt der Gegend zwischen der Mündung des Sakaria (Sangaris) und dem nicomedischen Meerbusen zu wichtig und merkwürdig, als dass wir nicht einen Augenblick bey der geschichtlichen Erinne- rung derselben verweilen, und den schon durch verflos- - sene Jahrhunderte schläfrigen Regierungen gegebene" S 138 - Fingerzeig nicht für künftige Zeiten zum Nutzen kom- mender Geschlechter hier verfolgen sollten. Ostwärts von Nicomedien, in der Entfernung von zwey geographischen Meilen, liegt der See von Saband- scha, 15 Meilen im Umfang, und hinter demselben, um die Hälfte näher, als der Meerbusen von Nicomedien, strömt der Sakaria, oder Sangaris der Alten, dem schwar- zen Meere zu. Weder Berg noch felsiger Grund dämmt auf der Strecke vom See zum Meerbusen unübersteig- bares Hinderniss entgegen, der natürliche Abfall auf der ganzen Linie von 72oo Klaftern beträgt deren zehen, und die Unebenheit des Grundes erfordert überall nicht mehr als die Abgrabung von ein Paar Klaftern Erdreichs, um damit den tiefer liegenden Grund auszufüllen. Noch mindere Schwierigkeit steht der Herstellung der Verbindung des Sees mit dem Sakaria entgegen, de- ren Entfernung von einander nur 16oo Klafter beträgt. Das Ufer des Sangaris ist zwar ein Paar Klafter hoch, senkt sich aber bald wieder, und schon in der Entfer- nung von nicht ganz zwey tausend Klaftern trifft die Ver- einigungslinie des Camals auf das Flüsschen Saridere, das in derselben Richtung dem See zuläuft, und dessen Rinnsal nur etwas erweitert und vertieft werden dürfte, um die inländische Wasserstrasse von einem Meere zum andern mit geringen Kosten und ohne Beeinträchtigung der Individuen zum allgemeinen Besten herzustellen. Ausser dem Nutzen der inländischen Schifffahrt könnten am See von Sabandscha die Schiffswerften des Reichs an- gelegt, und die ungeheueren Wälder der Gegend zum grössten Vortheil des Schiffbaues gelichtet werden, 139 Diesen Vorschlag machte schon i. J. 909 der Hed- schira (1503) unter Sultan Bajasid's I. Regierung der Gross – Admiral Sinan Pascha, der Eroberer von Tripo- lis. Das Gutachten der Erd- und Wassermesser, der Ar- chitekten und Astronomen erwies, laut vorgenommener Messung der Wasserfläche und Erdhöhe, die Ausführ- barkeit des Vorschlages, welcher dennoch (wie es im Dschihannüma ausdrücklich gesagt wird), durch Beste- chung hintertrieben ward *). Dritthalb hundert Jahre später, im Jahr d. H. (11/2) erneuerte der grosse Grosswesir Raghib denselben Vor- schlag gleich zu Anfang der Regierung Sultan Mu- stafa's III., um das Murren des Volkes zu stillen und die unzufrieden aufgelegten Gemüther durch eine grosse gemeinnützige Unternehmung zu besänftigen. Die Ernte war fehlgeschlagen und die Zufuhr des - Getreides war von den Stürmen des schwarzen Meeres verschlungen worden. Mehr als zwey hundert Korn- schiffe hatten zur Zeit der Herbst-Tag- und Nachtgleiche an der felsigen Mündung des Bosphoros gescheitert. Die Theurung des Brotes war ungeheuer, oder vielmehr man fand gar keines. Der Sultan und sein weiser Minister, welche die Erneuerung der noch frisch im Gedächtniss schwebenden Aufruhrsscenen des Thronsturzes Ah- med III. fürchteten, brachten den Vorschlag des Canals auf das Tapet, durch dessen Ausführung die Getreide- zufuhr gesichert und forthin micht mehr den Stürmen des schwarzen Meeres preisgegeben würde. Zugleich war *) Siehe die oberstes des Vortrags in der rückwärts folgenden Beylage. - S 2 14o die Ergreifung dieses Unternehmens der schönste Vor- wand für den Augenblick, Geld unter das Volk zu brin- gen, die murrenden Milizen und Innungen der Haupt- stadt zu beschäftigen. Alle militärischen und bürgerli- chen Vereine wurden aufgebothen, Mann für Mann den Rollen eingeschrieben, um an dem Canalbau zu arbei- ten und für die Reisekosten im voraus mit Handgeld ver- sehen. Der damahls zu Constantinopel in französischen Diensten angestellte Baron Tott erhielt den Auftrag, sich auf der Stelle nach Nicomedien zu begeben, und die Leitung der Arbeiten des Canalbaues zu übernehmen. Der augenblickliche Zweck, den sich das Ministerium vorgesetzt, wurde erreicht, die Masse des Volkes, be- zahlt und in der Hoffnung beschäftigt, blieb ruhig. Unterdessen kamen Kornladungen aus der Krim an, die Theurung verschwand und mit derselben der Canal- bau, der nur noch in der Reichsgeschichte dieser Zeit eine pomphafte Rolle spielt *). Sonderbar ist, dass noch zwey andere grosse hydrau- lische Unternehmungen von zu verbindenden Meeren - deren die osmanische Geschichte erwähnt, fast im diesel- ben früheren und späteren Zeiten fallen, als die oben erwähnte, zwey Mahl in Vorschlag gebrachte, Vereini- gung des schwarzen und weissen Meeres. Unter Selims II. Regierung im Jahre 975 (1567) brachte Mohammed Sokolli, der Eroberer von Siget, ei- *) Memoires du Baron de Tott. Amsterdam 1785. I. p. 97. was er erzählt, bestätigte uns ein Augenzeuge, der selige Tooke, der verdienstvolle Agent der ostindischen Gesellschaft in Con- stantinopel; den officiellen Bericht des Reichslistoriographen siehe in der Beylage. 141 ner der grössten Grosswesire des osmanischen Reichs, der unter drey Sultanen (Suleiman, Selim II. und Mu- rad III.) die höchste Würde begleitet hatte, die Vereini- gung des schwarzen Meeres mit dem kaspischen, mittelst eines zwischen dem Dnieper und der Wolga nur sechs Meilen lang zu grabenden Canals, in Vorschlag, und legte auch sogleich Hand daran. Die ganze Bevölkerung der Landschaft Kºfa in der Krim wurde mit Hauen und Spaten aufgebothen, die nöthigen Werkzeuge und Le- bensmittel herbeygeschafft. Sie zogen über Astrakan hin- aus, und 30,ooo noghaische Tataren gesellten sich zu ihnen, und ein Drittel dieses Canals wurde wirklich ge- graben. Die Furcht aber vor der Kälte des Winters, und noch mehr die Furcht der Tataren, dass durch diese Verbindung den Osmanen der Weg zur weiteren Eroberung ihrer Steppen gebahnt würde, zerstreuten die Arbeiter eben so schnell, als sie gesammelt worden waren, und der Sultan verhielt den Grosswesir zum Er- satze der verursachten Kosten *). Der zweyte Vorschlag von der Vereinigung des mit- telländischen Meeres mit dem rothen, durch die Abgra- bung der Meerenge von Sues, war nur ein Scheinwol- len Sultan Mustafa's, wie jener Canalbau von Nicome- dien, und blieb, wie jener, auf dem Papiere unter den Planen Tott's **). So blieb denn, was Selim, Murad und Mustafa wünschten, aber nicht ernstlich wollten, die Vereinigung von vier Meeren, des kaspischen (welches *) In der osmanischen Geschichte Betschewi's, d. i. des Fünf- kirchner, eines gebormen Ungars. **) Memoires du Baron de Tott. III. p. 15o. 142 die Morgenländer das blaue, wie das mittelländische das weisse nennen) mit dem schwarzen, des schwarzen durch einen inländischen Helespont mit dem weissen -- und dieses mittelst eines nach Sues geführten Camals mit dem rothen Meere dem hohen Muthe und kräftigen Wol- len künftiger Regierungen und Völker vorbehalten. - VII. Nicomedia und die Ufer des Meerbusens. Wenn uns die Geschichte des Camals vor dem Thoren Nicomedia's, wie die der Belagerung vor denen Nicäa's einige Zeit aufgehalten, so betreten wir dem durch clas- sische Erinnerungen geheiligten Grund nun mit so grös- serer Wärme und Vorliebe. Nicomedia, von den Türken heute Isnikmid (wie Nicäa Isnik) genannt, auf einem Berg- abhange gelegen, stellt ein zauberisches Gemählde dar. Auf dem Gipfel erblickt man dem Rest der Mauern des alten Nicomedia's (nicht des alten Olbia's, wie einige Reisebeschreiber geglaubt, indem dieses gerade gegen- über an dem südlichen, wie Nicomedien hier an dem nördlichem Winkel des Busems stand). Wir erklimmten die Höhe und nahmen unsern Rückweg durch das Ol- venviertel der Stadt, um die Reste der grossen, von Po- coke beschriebenen Cisterne von Imbaba zu sehen. Zur Zeit ihres Flors unter der Herrschaft der Osmanen zähl- te Isnikmid drey und zwanzig Viertel, wovon drey von 143 Christen, eines von Juden und neunzehn von Moslimen bewohnt waren. Die älteste Moschee ist die auf dem Marktplatze, die ehemahlige griechische Kirche, welche Sultan Orchan bey der Eroberung in eine Moschee verwandelte. Die schönste, die Perteupascha's , hart am Meere, von einem Wesire Suleiman's des Grossen, während der sieben Jahre, die er als Statthalter in Nicomedien zubrachte, erbaut. Sie ist ganz im grossen Style, zur Zeit des gröss- ten Herrschers des osmanischen Reichs vom grössten Ar- chitekten desselben, von Sinan erbaut, der gleichzeitig hier auch den Bau der Moscheen dreyer Bege (nähmlich Mohammedbeg's - Alaeddinbegs und Abdosselambeg's), des schönen Bades Rostem Pascha's - und des grossen Kara- wanserais Perteupascha's leitete. Da uns der Eingang in die Moschee verwehrt war, hatten wir so mehr Musse, den Bau des herrlichen Karawanserai's, worin wir das Nachtlager genommen, zu bewundern. Alles fester Stein, und die Stätten der Reisenden auf der, ein Stockwerk hoch, offen herumlaufenden Gallerie wie Logen, die keine Zwischenräume trennt. Siebzig Reisende, oder vielleicht eben so viele reisende Familien, haben hier ihrem durch eben so viele steinerne Nischen bezeichneten besonderen Feuerherd. In der Mitte des Karawanserai, das auch hier, wie überall in den grossen türkischen Städten, Chan genannt wird, ist ein kleiner abgesonder- ter Köschk, wo wir, da er von vornehmen türkischen Reisenden unbesetzt war, unser Lager aufschlugen. Das ganze ist mit Bley gedeckt; die Chane sind so zahlrei- cher, fester und bequemer gebaut, als die Stadt der 14 erste oder letzte grosse Rastort auf der östlichen Strasse von oder nach Constantinopel ist, und nicht wie andere grosse Handels- oder Stapelstädte kein besonderes Bese- stan oder gedeckten Waarenmarkt hat. Dafür sind aber am Ufer des Meeres grosse Niederlagen für das Schiff- bauholz angelegt, das aus den Wäldern des Argantho- nios und aus denen des Baummeeres auf dem Wege nach dem See von Sabandscha gefällt und behauen wird, und dessen wohlfeile Lieferung einer der grössten Vortheile der Verbindung des Sees von Sabandscha mit dem nico- medischen Meerbusen wäre. Das kaiserliche Arsenal, das hier stand, so wie der schöne, von Murad IV. am- gelegte Pallast, sind ein Raub der Zeit und zahlreicher Feuersbrünste geworden. An den Gärten desselben, welche mit denen von demselben Sultane zu Skutarian- gelegten an Schönheit wetteiferten, waren zwey hundert Bostandschi mit ihrem Officiere, Usta, d. i. Meister, ge- nannt, angestellt. Heute ist von den Pallästen Murad IV. zu Isnikmid und Iskudar keine Spur mehr, wohl aber das Andenken an diesen kriegerischen Herrscher übrig, dessen Eroberungsgeist, stets gegen Persien gekehrt, in Skutari, als dem Aufbruchshaven, und in Nicomedia , als der ersten grossen Stadt auf dem Wege nach Osten, Palläste und Gärten schuf, um durch seine nächste Ge- genwart dem Marsch der hier durchziehenden Heere zu beſeuern. In der ältesten Zeit die Residenz der bithynischen Könige war Nicomedia auch später die der byzantini- schen Kaiser. Constantin, so wie Justinian der Grosse 14 O schmückten dieselbe mit Palästen aus, welche durch zahlreiche Erdbeben bald im Schutt versanken. Der erste endete in der Nähe Nicomediens sein tha- tenvolles Leben. Hier war es auch, wo der Wüthrich Valens im Jahre 37o eine Gesandtschaft von achtzig rechtgläubigen Bischöfen empfing, die er statt aller Ant- wort, mit dem Schiffe, worauf sie sich befanden, ver- brennen liess, so dass das Schiff mit seinen Schlacht- opfern von den Flammen und Winden weit hinaus in das Meer bis gegen Dakison (das heutige Gebise) getrie- ben ward, bis die Fluth die Asche der Märtyrer kühlte *). Die Kommenen residirten wechselsweise zu Nicäa und Nicomedien nach der Eroberung Constantinopels durch die Franken, so wie vor der Eroberung desselben durch die Osmanen, die ersten Sultane derselben. Hier wurde der byzantinische Feldherr Muzelon zu Anfang des vier- zehnten Jahrhunderts (27. July 13o2) unter der Regie- rung des ältern Andronicus geschlagen "), und acht und zwanzig Jahre später, unter der Regierung des jüngern Andronicus, erlag Nicomedien im selben Jahre wie Nicäa (133o) ***) den siegreichen Waffen Sultan Orchan's, der seinem Sohne Suleiman Pascha die Statt- halterschaft übertrug. Sie ward in der Folge bey der *) Theophanes editio Lutet. p. 5o. *) Pachymeres IV. p. 25. *) Nach Hadschi Chalfa Edris setzt die Eroberung zwey Jahre später an; eiue für die Verstümmelung griechischer Nahmen im Sinne türkischer Worte chrakteristische Sage leitet den Nah- men Isnikmid davon ab, dass Sultan Orch an dem Kodschabeg die Erlaubniss, wider diese Stadt auszuziehen, mit den Worten ertheilte: 1snim war git, d. i. Meine Erlaubniss hast du ; geh? T 146 unter Sultan Mohammed II. angestellten Landesbeschrei- bung der Hauptort des Sandschak's Kodscha Ili, das sei- nen Nahmen von Aktsche Kodscha , d. i. Silbergreis, einem der Siegesgefährten Sultan Osman's, erhielt. Die Sandschake vom Kodscha Ili und Sighla , deren Hauptorte die zwey Hafenstädte Nicomedien und Smyrna sind, sammt dem von Bigha, das den classischen Boden von Cyzikus bis Troja umschliesst, gehörten nach der alten Eintheilung des Reichs dem Kapudan Pascha zum Unterhalt des Seewesens, und zu Smyrna sowohl als auf Cyzikus und zu Nicomedien waren Magazine für Schiff- bau- Materialien und Schiffwerften. Nach dem Kanun- name Sultan Suleiman's betrugen die Einkünfte des Sand- schaks vom Nicomedien, das gewöhnlich Paschen von zwey und drey Rossschweifen als Arpalik, d. i. Zuschuss ihres Einkommens verliehen ward, 26526 Aspern. Von demselben hangen 25 grosse Lehen (Siamet) und 187 kleine (Timar) ab. Der Richter ist mit 3oo Aspern ange- stellt. Im Durchschnitt dürfen die Einkünfte des Rich- ters auf fünftausend Piaster, die des Begs auf das Fünf- fache dieser Summe angeschlagen werden. Die Obrig- keiten sind die Bestellten der Janitscharen und Sipahi, nähmlich der Jenitscher Serdari und Sipah Kajajeri. Die Officiere der Lehenstruppen, der Oberste und sein Stell- vertreter, d. i. der Alaibeg und Tscheribaschi, und die beyden Würden des Gesetzes der Mufti und Nakibole- schraf oder Vorsteher der Emire. Das Militär besteht meistens nur aus in die Ruhe versetzten Janitscharen (Oturak), Waldübergehern (Kurudschi) und einigen Bos- 14 tandschi, welche die Überreste der Gartenwachen ehemahligen kaiserlichen Gärten zu seyn scheinen. So lange diese blühten, war Nicomedien auch überhaupt durch seine Gärten berühmt, und noch stehen seine weis-- * sen Kirschen und rothen Äpfel im Rufe vorzüglicher Güte. Als Wallfahrtsort ist die Grabstätte Scheichsade Mohammed Efendis , eines Scheichs, aus dem Orden der Chalveti, auf der Westseite der Stadt merkwürdig. So hat sich heute in der alten Residenz der Könige Bi- thyniens und der römischen Statthalter, wo Plinius leb- te und Constantin starb, wo die Kommenen und die Sul- tane der Osmanen thronten, nur das Andenken eines Derwisches im Angedenken des Volkes erhalten. Da Nicomedien weiter nichts Merkwürdiges darbie- thet, unsere Aufmerksamkeit zu verweilen, so wollen wir dieselbe nun ganz den Küsten des Meerbusens, und zwar mit so grösserer Sorgfalt zuwenden, je mehr die genaue Ortsbeschreibung derselben (ungeachtet der mäch- sten Nachbarschaft von Constantinopel) bisher im Reise- beschreibungen und auf Landkarten vernachlässiget wor- den ist. Längs der nördlichen Küste führt die Landstrasse nach Constantinopel zurück; aber auch die südliche, der entlang wir nicht gekommen sind, soll nach dem ver- lässlichsten hier, und aus türkischen Erd- und Reisebe- schreibungen, eingehohlten Angaben beschrieben werden. Der Meerbusen , ehemahls von der alten Stadt Asta- kus, der astakenische, und heute von Isnikmid genennt, ist, wenn man denselben auf der Karte betrachtet, gleichsam ein doppelter, indem er zuerst nur schmahl T 2 148 sich öffnet, dann sich auf ein Mahl sehr verengt, und dann wieder bis ans Ende auf beyden Seiten sehr weit aus einander läuft. Die beyden äussersten Vorgebirge, welche denselben begränzen, sind: das vom Laternengarten (Fa- nar bagdschessi, bey Ptolomaeus Akritas, bey Plinius Leuka- tes, in der Nähe von Skutari, zugleich das Ende der asiati- schen Küste des Bosphorus dann Bosburun (ehemahls Po- sidonium)*), das Ende der südlichen Küste des Meerbu- sens. Die beyden mittleren Puncte der beyden Küsten, wo sie am engstem zusammenlaufen, und wo Reisende, wel- che nicht nach Nicomedien, sondern gerade nach Nicäa wollen, überfahren, sind auf der südlichen Küste der Vorsprung von Hersek (das alte Pronectus), und auf der nördlichen die Landzunge Dil, deren alter Nahme un- bekannt. In den beyden landeinwärts gelegenen Win- keln des Busens hatte am nordöstlichsten, wo heute Ka- ramussal steht, das alte Olbia oder Astakus; und am süd- östlichsten Winkel, an der Stelle von Isnikmid, das alte Nicomedia gestanden. Nach diesen beyden, an den beyden äussersten Landwinkeln des Meerbusens gelege- nen Städten erhielt derselbe seinen Nahmen, so dass er nach der ersten Astakus, in der älteren Zeit der astake- nische, nach der zweyten, in der neuesten, der nicome- dische oder der von Isnikmid genennt wird. Zwischen die- sen beyden Städten, in der grössten Tiefe des Busens, mündet der Fluss Kiras, den wir auf unserem Wege mittelst Brücke übersetzten, und der also der mittelste *) Man bemerke, wie auch hier der Türke die Sylbe Posi als An- fang des Wortes in das türkische Bos, welches Eis bedeutet, verwandelt hat. 149 Punct des Busens ist, von dem das Auge aber nur die Küsten bis an die Puncte der grössten Enge, rechts bis Dil, links bis Hersek, erblickt und durch dieselben den Busen für geschlossen hält. Nach diesem Umrisse des Meerbusens und seiner vorzüglichsten Gränzpuncte wol- len wir den Periplus seiner Küste vom südlichsten bis zum nördlichsten Ende beschreiben, indem wir vom Vorgebirge Bosborun (Posidonium) ausgehen, die Küste über Hersek (Pronectus) nach Karamussal, bis zur Mün- dung des Flüsschens Kiras su in der Tiefe des Busens verfolgen, dann von hier über das schon beschriebene (Astakus gegenüber liegende) Nicomedia und die Land- zunge Dil, unserm Weg bis zu dem nördlichsten Vorge- birge und Ende des Busens Fanarbagdschessi(Akritas oder Leukates) fortsetzen, und am Ende desselben, welches zugleich den Meerbusen und den Bosphoros beschliesst, auch die Beschreibung unseres Ausflugs von den Ufern des Bosphoros nach Brussa , Nicäa und .Nicomedia be- schliessen. Bosborun, d. i. Eisgebirg (Posidonium), dem vom Fa- narbagdschessi (Akritas) gegenüber gelegen, ist der äus- serte Punct zweyer Meerbusen , nähmlich des kianischen und astakenischen, oder wie sie heute heissen , der von Modania und von Isnikmid (Nicomedia). Da das davon Bekannte schon bey der Beschreibung des micäischen Meerbusens gesagt worden - so ziehen wir sofort nach dem der Mündung des Meerbusens am nächsten gelege- nen Dorfe Samanli; ein Flecken mit einem Chane und Bade , das um so wohlfeiler geheitzt werden kann, als das meiste Holz für die Bäder Constantinopels, in dem 15o Gebirge Sammanli geschlagen, hier geladen und mach Constantinopel verführt wird. Der Weg vom Samanli nach Nicäa geht über Kurla nach dem drey Stunden da- von am Ufer des Sees gelegenen Basarkoi. Weit merkmürdiger ist der weiter gegen Osten am Ufer gelegene Ort Jalaikabad, gewöhnlich Kara Jalo- vadsch genannt, welcher durch seine drey Stunden davon gelegenen warmen Bäder und Heilquellen, bey den Bewohnern von Bysanz, so wie bey denen von Istambul bekannt, dennoch der Aufmerksamkeit der neuern Reise – und Erdbeschreiber so sehr entgangen isi , dass sie in demselben das alte Drepanum oder Suga, (später nach den von Helene hier angelegten Gebäuden auch Helenopolis geheissen und in der Geschichte der Kreutzzüge häufig genannt), nicht gefunden haben *). Der Ort selbst heisst Karai Jalowadsch; das Thal , wo die Bäder, Jailakabad oder Jali owa. Diese Bäder ste- hen noch heute, ungeachtet ihrer Nachbarschaft vom Brussa , ihrer grösseren Nähe willen in grossem Anse- hen bey dem Bewohnern Constantinopels, welche die- selben im Sommer häufig besuchen, und hier im schat- tigen Thale die vierzigtägige Badecur, oder auch bloss *) In Mannerts Geographie der Griechen und Römer, VI. Theil 3. Heft S. 584 stehen diese Bäder als andere landeinwärts gele- gene, die Paul Lukas beschrieben; doch führt Mannert selbst ehrlich wider seine Meinung an, dass sie an der Küste lagen, indem beym Ammianus, Marcellinus (XXVI. 8.) ein Feldherr bey Drepanum, jetzt Helenopolis, landet, und von da aus Ni- cäa überſallt; eine andere für die Lage von Helenopolis am Meere beweisende, von Mannert nicht angeführte, Stelle findet sich in der Comnena XY. pag. 463, wo gesagt wird, dass die Kaiserinn zu Helenopolis gelandet habe. 151 ein Paar Wochen in der Kirschenzeit zur Erheiterung zubringen. Die alten Kuppeln, welche die warmen Quel- len decken, schreibt die Sage noch heute der griechi- schen Kaiserinn Helene, welche die türkischem Geschicht- und Reisebeschreiber Eline , die Tochter Janko's, nen- nen, zu, die hier selbst vom Aussatze geheilt worden seyn soll *); und noch sieht man Spuren anderer Ge- bäude, vermuthlich der Spitäler und Palläste Constan- tin's und Helenen's "). Historisch gewiss ist es, dass Helene bey ihrer Rückkunft von Jerusalem den Flecken Suga oder Drepananon mit Gebäuden verschönerte, und dass Constantin denselben seiner Mutter zu Ehren unter dem Nahmen Helenopolis zu einer Stadt erhob. Er selbst besuchte die Heilquellen dieses Orts öfter gegen das En- de seines Lebens, das er in Nicomedien beschloss ***). *) Ewlia's Reisebeschreibung. *) Procopius de aedificiis Y. 2. und Theophanes. Eodem anno (327) Drepanum in honorem Luciani ibi Martyrii consummati restaurans Helenopolim de matris nomino appellavit. *) Malala XIII. *) Da Helenopolis eine starke Tagreise von Nicäa liegt, so ist klar, dass der auf dem Wege von Civitot (Kemlik) liegende Wald, worin das Heer von Walther den Sarazenen begegnete, nicht, wie in Wilken's Geschichte der Kreutzzüge I S. 95 ge- sagt ist, 5ooo Schritte von hier beginnen konnte. An diesem Irrthum ist Alexia Komnena Schuld, welche selbst die Scene der ersten unglücklichen Schlacht verwechselt, indem sie dieselbe auf dem Wege zwischen Helenopolis und Nicäa, statt zwischen Civitot und Nicäa verlegt, und auch darin irrt, dass sie Peter den Einsiedler zugegen seyn lässt, während alle andere Geschichtschreiber der Kreutzzüge und Augenzeugen bey der Be- lagerung Nicäa's ausdrücklich Civitot nennen, und die gehörige Entfernung dieser Stadt vom See von Nicäa (7.ooo Schritte) au- geben; Helenopolis liegt aber von Nicäa zehn gute Stunden entfernt. I O2 Hierher (nach Helenopolis) hatte sich das erste Heer der Kreutzfahrer, von Peter dem Einsiedler und Wal- ther dem Habenichts angeführt, von Nicäa zurückgezo- gen, um die Verbindung mit der nördlichen Küste be- quemer zu unterhalten, und von hier zogen auch die nachfolgenden Verstärkungen der Kreutzfahrer zur Be- lagerung Nicäa's aus. In der Nähe von Helenopolis wurden die Gebeine der erschlagenen Kreutzfahrer von den Sarazenen als Thurm und Pyramiden aufgeschichtet; ein Denkmahl, nicht an der Barbarey des Sinnes, wohl aber an Umfang übertroffen von jenen späteren Gebeinthürmen, welche Timur zu Samarkand und Issfahan vom 7o bis 8o,ooo Kö- pfen erschlagener Feinde aufführte, und gegen welche die Beinhäuser von Murten und an der Laa nur Karten- häuser kriegspielender Kinder sind. Da diese Sitte, aus den Gebeinen der Besiegten Trophäen zu errichten, von je her die Sitte barbarischer Sieger im Orient war, so ist diese von der Alerias Komnena erzählte Nachricht der Natur der Sache angemessen und glaubwürdig; aber unnatürlich und unglaublich ist, was sie zugleich von der Barbarey der Kreutzfahrer erzählt, dass dieselben, als sie in der Nähe des Schlachtfeldes, wo Walther der Habenichts und die 25,ooo Mann seines Heeres fielen, einen Ort mit Mauern umzingelten, die Schedel als Bausteine gebrauchten, und zerstossene Gebeine dem Mörtel beymischten, so dass der Wall zugleich Grab- mahl den Todten und Schutzwehr den Lebendigen war; eine Bauart, die an Barbarey die Festungsbauart der Byzantiner freylich noch um Vieles übertrifft, indem hier - 155 nur Altäre und Säulen, dort Schedel und Beine als Zin- nen und Wartthürme von den Mauern herab drohten. Zwischen Jalowa (Helenopolis) und der Landzunge von Hersek (Pronectus) mündet der kleine Fluss Kirkget- schid, d. i. die vierzig Fuhrten, dessen türkischer Nah- men, wie ehemahls sein griechischer Drako, d. i. der schlangenförmige, die zahlreichen Umschweife bezeich- net, mit denen er sich durch das Gebirg in der Gegend Nicäa's herab windet. Die Morgenländer, welche, wie schon früher bemerkt worden, die Zahl 4o als eine be- stimmte, statt einer unbestimmten, lieben, und daher die Ruinen von Persepolis die 4o Säulen, wie die Quel- len des Mänanders die 4o Quellen heissen , nennen auch diesen Fluss die 4o Fuhrten, während Prokopius die Hälfte dieser Zahl als historische Wahrheit angibt *). *) Proxime urbem (Helenopolim) labitur fluvius, quem indigenae ob ipsius formam draconem denominarunt. Etenim per anfrac- tus errat sinuosos utroque versum et in se recurrit wortices vol- vens, at multiplici flexu modo addexleram modo ad sinistram sese contorquit prorsus ut iter illac facientibus vic i es et amplius ip- sum transire necesse sit. Pro c opius de a e di fic iis. L. Y. C. 2. Die hier angegebene Zahl von vicies et amplius stimmt genau mit der Angabe neuer Reisenden überein, dass von Ni- v cäa nach Nicomedien durch das Gebirg ein Flüsschen mit so vielen Wendungen fliesst, dass man dasselbe vier und zwanzig Mahl passiren muss; dasselbe Flüsschen heisst beym Ammianus Marcellinus Gallus, in der Nähe von Nicäa, worunter er ver- muthlich denselben Fluss und nicht den südlicheren, versteht. Man denke einen Augenblick auf die Unternehmung der Belage- rer von Nicäa, welche ihre Flotte 7ooo Schritte weit von Ci- vitot bis zum See hinauf schleppten, und man muss die Idee, dass Civitot bey Helenapolis gelegen gewesen, mit der Möglich- keit dieser Operation auf die Eutfernung einer Tagreise über's Gebirge sogleich aufgeben. U 154 Dieses Flüsschen bezeichnete die Gränzen des byzam- tinischen Reiches gegen das der Seldschuken, als Alexius Commemus, auf der Westseite des Reiches vom Norma- nenfürsten Robert Guichard bedroht, auf der Ostseite mit Suleiman, dem Fürsten der Seldschuken, Frieden zu schliessen gezwungen ward, wodurch er ihm alle Er- oberungen von Nicäa her bis an den Fluss Drako über- liess, so dass von Nicomedien her nur die schmahle Landzunge der Küste, deren Periplus wir beschrieben, bis an die Mündung dieses Flusses unnmittelbar unter dem heutigen Hersek vorbehalten blieb *). - *) Nach der Alexias Comnena stiessen die Kreutzf.hrer bey ihrer ersten unglücklichen Unternehmung von Helenopols aus zuerst bey diesem Flüsschen auf die Türken, die hier im Hinterhalt lagen, was abermahls im gänzlichen Widerspruche des Terrains mit den Beschreibungen der Geschichtsschreiber in den Gestis Dei per Francos ist, nach denen die Türken, sobald sie die Franken im Walde gewahr wurden, sich aus demselben hinaus in die Ebene zogen, wo sie ihre Cavallerie mit Vortheil ge- brauchen konnten. Hätte diess hier Statt gehabt, so wären sie statt auf eine Fläche immer mehr in's Gebirg hinein gekommen; auch ist nirgends bey den Verfassern der Gesta Dei von einem Flüsscheu, sondern nur von engem Wege durch den Wald die Rede, der unmittelbar dorthin, woher sie gekommen waren, nach Civitot (Kios, Kemlik) zurück führte. Accelerantes iter ver- sus Civitot eadem via, quavenerunt. Albert. Aquit. Es scheint, dass Alexias Comnena zwey verschiedene Treffen mit einander verwechselt habe, und dass, wenn die grosse Schlacht unter Walther von Habenichts ohne Zweifel auf dem Wege von Civi- tot nach Nicäa gefochten ward, ein Thcil des Heeres unter Pe- ters Anführung auf dem Wege von Helenopolis nach Nicäa von den Türken am Flusse Drako aus dem Hinterhalt&überrumpelt und zurückgeschlagen ward, so dass Peter, der, laut dem Zeugnisse der Geschichtsschreiber der Gesta Dei, bey dem Treffen, wo Walther der Habenichts blieb, nicht zugegen war, sich nach Helenopolis zurückzog. Petrus cum paucis Helenopo- lim se recepit. Anna Comnena. 155 Hersek heisst der an dem vorspringenden Lande ge- legene Flecken, wo der Busen sich so sehr verengt, dass die Entfernung nach der gerade gegenüber auslaufenden Erdzunge vom Dil nicht mehr als fünf Miglien beträgt. Hier ist also die Hauptüberfuhr des Meerbusens für alle Reisende, welche , ohne Nicomedien zu berühren, den kürzesten Weg nach Nicäa verfolgen wollen. Den Nah- men hat der Ort von dem wahrhaft grossen Grosswesire Herseksade Ahmed Pascha erhalten, welcher hier einen Chan, ein Bad und eine Moschee erbaute. In Hersegowina*) geboren, war er schon unter Mohammed II., der Her- sek im J. d. H. 862 (1457) erobert hatte, Statthalter von Anatolien, wo er auf die erwähnten Anlagen dieser Über- fahrt den Nahmen seines Vaterlandes verpflanzte. Unter Bajasid II. und Selim I. begleitete er zwey Mahl die Würde des Gross–Admiralem (Kapudan Pascha), und vier Mahl die des Grosswesirs, in allem sieben Jahre lang; bis er in Ungnade gefallen, seine thatenreiche Lauf- bahn in Anatolien, wo er dieselhe begonnen, als Be- fehlshaber von Brussa endigte. Hersek gehört zum Sand- schak von Kodschaili; der Beg derselben hat die Oblie- genheit, die Pilgercarawane nach Mekka, von hier nach Nicäa und von da bis Akschehr zu begleiten. Nächst an Hersek (dem alten Pronectus) liegt der Flecken Kara-Mursal, von einem der ersten Siegesge- fährten Sultan Osman's so genannt, von denen auch die *) Bosnien und Albanien gab dem osmanischen Reiche mehrere der thätigsten und tapfersten Grosswesire und Statthalter, auch Mohammed Sokolli, der Eroberer Sigets, war aus Bosnien ge- bürtig. - U 2 156 schon genannten Orte Kara Jalowadsch und Samanli ih- ren Nahmen erhielten, so dass die südliche Küste den Osmanen lauter grosse Erinnerungen aus den ältesten Zeiten ihres Reiches durch die Nahmen der tapfern Käm- pfer Samanli, Kara Jalowadsch und Kara Mursal, und durch den des Grosswesirs Hersek – Ahmedsade ins Ge- dächtniss zurück ruft. Dass der auf Karamursal an der Küste zunächst fol- gende Ort Eregli, wenn nicht an der Stelle des alten Eri- bolon oder Eriboca steht, scheint um so wahrscheinli- cher, als ausser dem an der Küste gelegenen Flecken Eregli noch hinter demselben und näher bey Kara- mursal oben auf dem Berge ein Ort liegt, der Gaur Ereglissi, d. i. das Eregli der Ungläubigen heisst. Ob die- ses nun auf die heutige griechische Bevölkerung im Ge- gensatze mit der türkischen des an der Küste gelege- nen Eregli's verstandeu werden müsse, oder ob es einen alten, von den Zeiten der Ungläubigen her erhaltenen Ort bezeichne, müssen künftige Reisende durch Selbstan- sicht entscheiden. Ober Eregli geht der Weg von der Küste weg, in einiger Entfernung von derselben, über die Dörfer Kandscha , Haladra , Dermen deressi, Seraili, bis er wieder bey Juvadschik"), d. i. das kleine Nest , *) Die Beschreibung und Lage der obbenannten Orte der südli- chen Küste ist durch Evlia und Dschihannuma, die beyden be- sten geographischen Werke der Osmanen, verbürgt. Die folgende Angabe, in der, wenn nicht die Nahmen, doch einige Entfer- nungen unrichtig scheinen, erfragten wir von Reisenden im Ka- rawanserai zu Isnikmid in umgekehrter Ordnung: von Isuikmid nach Juvadschik 3 Stunden, Seraili im Gebirg 1 Stunde, Dermen- deressi auf der Höhe St., Haladra auf dem Berg 1 St., Kond- 157 (von andern Reisenden Ovadschik, d. i. das kleine Thal , genannt) an das Ufer des Meerbusens im südöstlichen Winkel desselben heraustritt. Hier , gegenüber von Ni- comedien, muss dás Olbia (später Astakus geheissen), gestanden haben, von welchem der ganze Meerbusen der astakenische hiess, so wie er heute von dem gegen- über gelegenen Isnikmid der nicomedische heisst. Und hier endet also der Periplus der südlichen Küste, von dem wir nur zu dem der nördlichen, längs welcher un- ser Weg nach Constantinopel zurückführt, übergehen. Der Busen ist hier (am nördlichsten Ende desselben) so seicht, dass die Holzschiffe zu Isnikmid gar nicht an der Stadt landen können, sondern dass auf die Länge von 1oo bis 5oo Schritten hölzerne Treppen in das Meer hinausgebaut sind, auf denen das Holz in die Schiffe geschafft wird. Gleich ausser der Stadt beginnen Gärten, und links am Wege liegt der armenische Kirchhof. Alterthumsfor- scher und Inschriftenliebhaber dürfen auf ihren Reisen im Morgenlande keine Grabstätte unbemerkt lassen, in- dem gewöhnlich die Reste griechischer und römischer Denkmahle zu Mahlen der Gräber verwendet sind. In- dem wir in dieser Hoffnung zwischen den Gräbern der Armenier wandelten, fanden wir nicht nur einige alte Inschriften, dergleichen wir vermuthet hatten, sondern scha liegt an der Küste 1 St. , Eregli 1 St., Karamursal 1 (?) St. Zwischen beyden liegt im Gebirg Gaur Eregli; Hersek 2 St-, Deveburni 2 St., Jalova 2 St., Binardschik 2 St., Koron 2 St. Kodscha deressi 2 St., Katirli 3 St., Bosborun 4 St. 1 58 auch einige neuere, doch immer historisch wichtige, ganz unvermuthet. 1. Das Grabmahl Tökelis nähmlich, mit seinem Wa- pen auf dem Sarkophage und einer lateinischen In- schrift. Er endete seine unruhige Laufbahn in seinem Blumengarten am nicomedischen Meerbusen, wie Raco- czy wenige Jahre später zu Rodosto auf der gegenüber liegenden Küste der Propontis. Ungarische Edle, voll Ehrgeitz und Thatenkraft, die unter dem Nahmen von Freyheit nach Herrschaft strebend, aufgelehnt wider ih- ren rechtmässigen Herrn, dem österreichischen Zepter die osmanische Herrscherkeule vorzogen, und vom Waffen- glück begünstigt, als peitschenführende und bügelhal- tende Paschen oder Wesire ihr Vaterland und Volk der Willkühr des grossen Sultans unterjochen wollten. Nicht fern von Rakoczy-’s Grabmahl ist die römische Grabinschrift eines Armeniers zu lesen, der hier , fern vom Vaterlande, seinen Tod fand, und den der VVech- sel der Zeiten so begünstigte, dass nach Verlauf von mehr als einem Jahrtausend sein Grabmahl wieder un- ter seinen Landsleuten, nähmlich auf dem heutigen ar- menischen Kirchhofe, seinen Platz einnimmt. Die Karawanenstrasse von Nicomedien nach Com- stantinopel läuft mit wenigen Abschnitten von Krüm- mungen des Gestades fast immer längs derselben fort. Wir zogen dieselbe fünf Stunden lang, ohne einem Orte zu begegnen, Jarimdsche ausgenommen, das halben We- ges zwischen Nicomedien und dem Chan von Haraka rechts auf der halben Höhe des Berges hängt. Der Chan von Haraka ist ein Karawanserai zum Be- 159 sten der Reisenden erbaut. Die Mauern eines alten by- zantinischen Schlosses laufen vom Berge bis zum Meere hinab, im Style der alten byzantinischen oder genuesi- schen Schlösser, welche an der Mündung des Bospho- rus oder (um an ein, dem Österreicher näheres Vorbild zu erinnern) wie die Mauern des alten Schlosses Düren- stein zur Donau herablaufen, deren romantische Ufer dort mit denen der Mündung des Bosphoros an Schön- heit der Umgebung wetteifern. Der Nahme Harala *) dürfte aus dem von Ankyron, einer alten, nicht weit von Nicomedien gelegenen Villa, verstümmelt seyn, und da Constantinus der Grosse nahe bey Nicomedien, als er sich eben zum Feldzug wider die Perser rüstete, den Geist aufgab, so dürfte wahrscheinlich hier die Villa Ankyron und der Ort seines Todes zu suchen seyn. Ein klarer Bach stürzt sich vom Berge über Mühlen weghü- pfend durch die Brücke, worüber die Strasse führt, ins Meer; Bautentrümmer und andere Reste alter Baukunst bezeugen das verschwundene Daseyn alter Herrlichkeit, und dass hier nicht nur eine Bergfeste zur Schutzwehr des Gestades, sondern auch eine Villa zur Verschöne- rung desselben stand. Unmittelbar vor dem heutigen Chan macht das Gestade fast einen rechten Winkel. Eine Stunde weiter schaut auf einem Vorgebirge Tawschandschil weit ins Meer hinaus; ein grosser, auf der Höhe sehr schön gelegener und sehr wohl unterhal- tener Ort, unstreitig von allen auf dieser Strasse ange- bauten Dörfern das schönste und mahlerischste. Diesen -*) Harake steht auf Le Chevalier's Karte als Karake, und heisst bey Pococke, wo oft die Nahmen verstümmelt sind, Cot/un. 16o Wohlstand dankt es hauptsächlich den trinkbaren Heil- quellen, die sich in der Entfernung einer halben Stunde vom Meere befinden, und die in der schönen Jahres- zeit, besonders in der zweyten IIälfte des Augusts, als der gewöhnlichen Curzeit, eine Menge Menschen vom allen Classen der Hauptstadt herbey ziehen. Man ge- braucht dieselben als Reinigungsmittel vor den auf der herüberschauenden Küste gelegenen warmen Bädern von Jalova, und zwar nach folgender diätetischer Vor- schrift: drey Tage enthält man sich von allen gesalze- nen Speisen und von allem Fleische, am vierten wird früh eine Schale des Gesundbrunnens getrunken und der Leib warm gehalten, und diess drey Tage lang; die drey folgenden wird das Wasser drey Mahl des Tages getrunken und nichts als ein Huhn im gekrüllten Reis, doch ungesalzen, gegessen. Nachdem dasselbe vierzehn oder fünfzehn Mahl abgeführt, trinkt man Limonade oder mit Limonie gesäuerte Suppe, welche sogleich die durch das Wasser hervorgebrachten oberen und unteren Ausleerungen stillt. Zur Curzeit lagert sich hier der Ki- redschdchi baschi , d. i. der Aufseher der Kalköfen, unter dessen Aufsicht die Gesundbrunnen stehen, sammt ei- nigen Bostandschis , d. i. Gartenwachen, zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung, während der Kir Agassi, d. i. der Vorsteher der Heiden , nmit seinen Leuten den Kuru- dschi, d. i. Uebergehern der Helden, die benachbarten Höhen durchstreift. Oft verbindet man mit dem Gebrauche dieser Ge- sundheitsquellen, statt der gegenüber gelegenen Bäder von Jalova (Helenopolis), den der hiesigen Sandbäder 161 mit der oben vorgeschriebenen Diät vom gesottenen Huhn in ungesalzenem Reis. Viele der Brunnengäste sind unter Zelten am Gestade gelagert; die meisten woh- nen äber doch oben in Tauschandschil, das binnen der vierzehn Tage dieser Curzeit, d. i. in der zweyten Hälfte des Augusts, wo wir eben vorüber zogen, ausserordent- lich belebt ist. Possenreisser, Taschenspieler, Tanzkna- ben, Musikanten, Kafſehhausredner und Mährchener- zähler geben ihre Talente und Künste des Abends vor den Kaffehhäusern den auf dem Marktplatze versammelten Brunnengästen Preis. Die türkischen Weiber, selbst von der Hauptstadt, weichen hier von dem strengeren Ge- setze der Sitte ab, die ihnen verbiethet sich entschleyert zu zeigen (besonders wenn sie sich unbeachtet von Tür- ken glauben). Wir fanden einige derselben am Gestade, die entschleyert uns zuriefen und sich ins Gespräch ein- liessen, das aber bald durch die Erscheinung von Män- nern unterbrochen ward. Je zuvorkommender die Wei- ber am Gestade des Meeres in freundschaftlichem Ge- spräche, desto unfreundlicher begegneten uns die Ein- wohner des Orts, welche das Abschreiben der griechi- schen Inschrift an der Fontaine des Marktplatzes hin- derm wollten. Es war um so mühsamer, dieselbe abzu- schreiben, als der Stein ganz umgekehrt eingemauert ist, und diese Mühe ward noch durch die Beleuchtung erschwert, indem (da wir vor TagesAnbruch aufbre- chen wollten) bey der nach Sonnen-Untergang gemach- ten Entdeckung der Inschrift, dieselbe zuerst bey Later- nenlicht, und als gewaltsame Hindernisse dagegen vom Seite der Einwohner eintraten, dann mach Mitternacht X 162 erst beym Lichte des Vollmondes ganz abgeschrieben werden musste. Eine halbe Stunde weiter von Tawschandschil ist die Erdzunge (auch im Türkischen Dil, d. i. dieZunge, genannt), welche hier sehr weit in's Meer hinaus läuft, und von wo, als dem, der gegenüber liegenden Küste am näch- sten gelegenen Puncte, die Überfahrt nach Hersek Statt findet. Diese Erdzunge-heisst die vom Gebise , so wie die gegenüber liegende die vom Hersek heisst. Dem Ursprung der ersten erzählt die türkische Sage in folgender Le- gende: Zur Zeit Orchan's wollte ein frommer Derwisch von dieser Seite desMeerbusens nach dem jenseitigen Ufer übersetzen, und rief desshalb den Schiffern, die hier weilten, zu. Diese, keine Bezahlung vermuthend, ga- ben seinem Rufe kein Gehör. Da füllte der fromme Mann seine Schürze mit Sand vom Gestade - und streu- te, den Fuss in das Meer setzend, den Sand vor sich hin, und sogleich breitete sich derselbe vor ihm als eine Landzunge aus, auf welcher er im's Meer hinein wan- delte. Erschrocken sahen ihn die Schiffer so Sand aus- streuend und Landzungen schaffend fortwandeln, als sie, aus Furcht, dass er, ganz trockenen Fusses bis hinüber wandelnd, den Meerbusen zudämme und ihnen das Brot der Überfahrt raube, ihm zuriefen und ihn mit vielem Bitten, in ihr Schiff zu kommen, nöthigten. Er erhörte dieselben erst, nachdem er ein Paar Tausend Schritte fortgewandelt war, was die Länge der heutigen Zunge beträgt. Zur Bestätigung der Legende zeigt man noch an dem Landungsplatze von Dil das Grab dieses frommen Derwisches Dil baba, d. i. der Zungenvater, genannt. Ei- 163 nige Chane und Stallungen, ein Paar Brot- und Gemüs- läden sind für die Bequemlichkeit der Reisenden erbaut, welche aber selten hier, und lieber in den schöneren und bequemeren, gegenüber vom Grosswesir Hersek Ah- med sade erbauten, übernachten. Die Inschrift auf der Fontaine lehrt, dass dieselbe von Mustafa dem Bostan- dschi Baschi, S. Murad des III., im J. 1 o48 (1638) erbauet worden sey, um Reisenden kühle Labung, wie die Fluth des Paradiesesquells Kewsser, zu strömen. Eine Stunde weiter als Dil, und anderthalb Stunden vom Meere ent- fernt, liegt auf der Strasse Mahalletol aalime , d. i. das Quartier der Almen (so heissen die in allen Künsten wol- lüstiger Mimik ausgelernten ägyptischen Tänzerinnen), und eine Stunde weiter Gebise, dessen Nahme aus dem des alten Libyssa, wo Hannibal begraben ward, ver- stümmelt ist. Der Haven vom Gebise war ehemahls von den Bysantinern durch ein festes Schloss geschützt, von dem die Legende Geistersagen erzählt. Geister von al- len Beschreibungen wandeln hier in mitternächtlichem Grauen, nur nicht der Geist Hannibals, der längst mit Grauen aus dieser Gegend und aus dem hohen Grabes- hügel, der oben bey Gebise seine Gebeine deckt, ge- wichen ist. Die Einwohner wussten uns michts als von dieser Geistersage und von der trefflichen Jagdbarkeit zu erzählen, indem hier ein Überfluss von Repphüh- mern, wie auf der andern Seite ein Überfluss yon Fasa- nen ist. Zu Gebise, das Sultam Orchan eroberte, steht eine Moschee, die Tschoban Mustafa Pascha , unter Su- leiman des Grossen Regierung, gestiftet. Für den Was- sermangel des Orts sorgte Schischman Jbrahim Pascha, » X 2 16 durch Grabung der Brunnen, welche auch das Bad ver- sehen. Hier sind Faslullah Pascha und der fromme Der- wisch Scheich Elias , vom Orden der Chalweti, begra- ben. Von Gebise aus geht der Weg landeinwärts, doch immer so, dass man das Meer nicht aus dem Gesichte verliert. Eine Stunde von Gebise liegt am Meere Dari- dscha, ein festes Schloss aus byzantinischer Zeit, erst im Jahre d. H.827 (1423) von S. Mohammed II. erobert. Hier residirt der Aufseher der Kalköfen, welcher zugleich die öffentliche Ordnung an den oberwähnten Gesundbrun- nen bey Tawschandschil und an denen eine Stunde wei- ter gelegenen von Tusla erhält. Diese heissen, wie je- ne, Itschme, d. i. trinkbare Quellen, und sind als Rei- migungscur für die griechischen und arabischen Bewoh- mer der Hauptstadt, was die von Tawschaudschil für die islamitischen. Sie besuchen dieselben zur Reinigung des Leibes und Erheiterung des Geistes. Pentik (das alte Pan- tichium) liegt eine Stunde von Gebise und Kartal eine Stunde von Pendik. Hier ist das erste Nachtlager der von Constantinopel ausziehenden Pilgercarawane. Längs dieser Küste sind mehrere kleine Inseln so nahe dem Lande, dass man dieselben von ferne für Vorgebirge desselben ansieht, und mehrere kleine Vorgebirge mit dem Lande durch so flache Zungen verbunden, dass man dieselben von ferne für Eilande hält. Diese Inseln heis- sen die Esels-Inseln, auf griechisch Gaiduria , auf tür- kisch Eschek adalari. Eine halbe Stunde weiter als Kar- tal, ist ein Hügel und ein ansehnliches Dorf Maldepe , d. i. Schatzhügel, genannt, berühmt durch die Sagen von hier vergrabenen Schätzen und fruchtlosen Bemühungen 165 dieselben zu heben. Einen Beytrag dazu lieferte auch unser umsonst gewagter Versuch, das Säulentrum mit einer sehr verderbten römischen Inschrift, das vor der griechischen Kirche liegt, weg zu schaffen. Maldepe , d. i. Schatzhügel, heisst die ganze Hügelreihe, welche sich von hier bis nach Tusla an's Ufer hinab zieht, und wo häufig umsonst aufgegrabene Stellen, wiewohl sie die Sage zu Lüge strafen, dennoch den Credit des Orts- nahmens bestätigen. Da Maldepe, gerade vier Stunden von Skutari und drey von Chalcedom entfernt, ein klei- mer Marsch eines morgenländischen Heeres ist, so ward von je her hier der erste Rasttag der von Constantino- pel nach Asien ziehenden Heere gehalten, und es ist da- her vermuthlich das Pelekanum *) der Kreutzfahrer, wo Alexius, als an dem näher bey Chalcedon gelegenen Orte (und es liegt kein anderer inzwischen), den Erfolg der Unternehmung gegen Nicäa windfeyernd abwartete. Das nah vor Chalcedon gelegene Vorgebirg Fanarbaghdschessi, d. i. der Garten des Leuchtthurmes , wo an der Stelle des alten Aphroditen geweihten Tempels sich zwischen lieb- lichen Baumpflanzungen ein Leuchtthurm erhebt, be- schliesst dem nicomedischen Meerbusen und unsere Reise. Als Opfer für die glückliche Vollendung desselben sey hier, wo sich der alte Tempel der See-Yenus (Ye- nus Marina) erhob, und nun der Leuchtthurm steht, der *) Ganz unrichtig setzt Michaud auf seiner Karte Pelecanum an die Mündung des Bosphorus, als ob der Kaiser, um den Kreutzfah- rern, die vor Nicäa lagen, näher zu seyn, sechs Stunden in ent- gegengesetzter Richtung nach dem schwarzen Meere gewandert wäre ! 166 Reisestab aufgehangen und die, dieser Göttinn von Ho- raz gedichtete Weihe als Votivtafel hierher gesetzt. „Nunc arma defunctumque bello Barbiton hic paries habebit, Laevum marinae qui Veneris latus Custodit. Hic, hic ponite lucida Funalia. Nun hier die Waffen und die Lerer, Müde des Kampfs , an die Wand gehänget, Die links der Wogenherrscherinn Venus Seit' Einschliesset. Hier - hier leget die leuchtenden Windfakeln.“ III. Buch 2o. nach Voss. 167 Be y la g e. A. Aus dem Dschih an nüma. S. 666. Vortrag des Grosswesirs Sinanpascha im J. 9o9 (15o3) über die Vereinigung des Flusses Sakaria mit dem See von Sabandscha und dem nicomedischen Meerbusen erstattet. Da der kaiserliche Wille dahin geht, dass der Fluss Sakaria in den See von Sabandscha , und dieser in den Meerbusen von Nicomedien geleitet werde, so sind kraft des an den Sandschakbeg von Kodscha Ili und die Richter dieses Sandschaks erlassenen allerhöchstem Be- fehls der Hofarchitekt, der Hofastronom , die Baumei- ster Tschausch und Suleiman, die Wasserbaumeister Jus- suf und Ali, der Wasserübernehmer und andere zur Er- örterung der Frage bestimmt und ernennt worden, ob die Ausführung dieser Vereinigung möglich sey? Nach- dem sie die Tiefen erforscht, erstatteten sie darüber ſol-- genden Bericht: Der Baumeister, Erdmesser und andere ortkundige Leute sagten aus, dass die Höhe des Sakaria's von der Wasserfläche bis auf die Oberfläche der Erde, (d. i. die Höhe seiner Ufer) 17*) Siraas (die Siraa zu 2 Schuh) be- trage. Auf die weitere Frage, ob sich nicht oberhalb noch ein anderer Ort befinde, ward bekräftiget, dass es am bes- ten und vorzüglichsten sey, den Fluss eine Meile (geogra- phische) oberhalb an der Stelle Kum Aghsi (Sandmund) genannt, einzudämmen und abzuleiten. Nach vorgenom- menem Nivellement fand sich (auf der ersten Stelle) die Höhe des Sakaria's von der VVasserfläche bis auf die Ober- fläche der Erde (d. i. die Höhe seiner Ufer) siebzehn Si- *) Durch einen Druckfehler steht hier Oniki statt On jedi, d. i. 12 statt 17. 168 raas; an dem Orte aber, dem der alte Baumeister an- gezeigt hatte, fünf und eine halbe Siraa. Die Länge der Strecke vom Sakaria bis zum See 96oo Sir. Diese Linie traf nach eilf hundert Siraas mit dem (in den See laufenden) Flüsschen Saridere (Gelbthal) zusammen. Von den siebenzehntausend Siraas der Uferhöhe des Sakaria gehen sechzehn wieder bis dahin, wo die Linie auf den Saridere stösst, verloren, so dass der Ort der Ableitung des Flusses, und der Ort, wo die Linie des Canals auf die in dem See laufende (des Flüsschens) trifft, mit einander auf derselben Fläche sich befinden *). Da der Saridere ohnediess in den See fliesst, dürfte derselbe nur etwas erweitert und tiefer gegraben wer- den; und nähme man den vom alten Baumeister gege- benen Punct an (wo die Uferfläche nur 5 Sir. betrug), so würde über die Hälfte (fast zwey Drittel) in Arbeit erspart werden. - - Nachdem auf diese Art die Möglichkeit der Ablei- tung des Sakaria in den See erwiesen worden war, ver- fügte man sich an den nicomedischen Meerbusen, und nach doppelt vorgenommenem genauen Nivellement fand sich, dass die Entfernung vom See bis zum Busen 22,ood Siraas betrage, dass sich auf dem Wege weder Berg noch Felsen, sondern nur in der Mitte ein VVald befin- de. Das Nivellement dieser Strecke gab, vom See an- gefangen, an Tiefe auf die ersten Tausend Siraa 7 2 - - - - - - 9é 3 - - - - - - 1o 4 - - - - - - 6 5 - - - - - - 15 6 - - - - - - 17 7 – – – – – – 18. 8 - - - - - - 26 die 9. *) Tausend Siraas 3e 1o - - - - - - 25 11 - - - - - - 26 12 - - - - - - 17 15 - - - - - - 2o 14 - - - - - - 9 Von dem Reste des Grundes, nähmlich der folgen- dem 8ooo Siraas, sollte das Erdreich sechs Siraas tief abgegraben werden. Dasselbe steigt zwar, vom See an- gefangen, ein wenig, nimmt aber dann wieder ab, und auf dem Puncte, wo die 14,ooo") Siraas aus sind, ist die Oberfläche desselben mit der Oberfläche des Sees gleich. Auf diese Weise fand sich, dass die noch übrigen 14,ooo Siraas bis zum Meere 3o Siraas enthalten, nähmlich: . Differenz also vom Nullpuncte der Wasserebene gleich mit dem See. von vierzehn Tausend am 8 8 von 15,ooo - - - - 1 o. 2F 16,ooo – – – – 11? 1 17,ooo - - - - 17 5. 18,ooo – – – – 18 1. 19,ooo - - - - 2o 2 ***) 2o,ooo - - - - 28 Z 21,ooo - - - - 30 2 3o. ***) *) Durch einen Druckfehler ist dieser Posten zwey Mahl angesetzt, so dass 15,ooo statt 24 ooo herauskommen. *) Durch einen andern Druckfehler ist hier 1ooo ausgelassen, und es steht on dort statt on dort bin. *) Hier ist derselbe Druckfehler wie oben, dass der Posten 20 zwey Mahl, und also um ein Mahl zu viel gedruckt ist. **) Hier ist um eine halbe Siraa zu viel, die auch einem Druck- oder Messungsfehler zuzuschreiben ist. Y 27o Da auf diese Weise der Abfall (von dem Nullpuncte der See-Oberfläche an) bis zu dem Busen von Nicome- dien 3o Siraas beträgt, so senkt sich nach geschehener Grabung der Grund zehn Siraas von dem See *), und derselbe würde wie ein Mühlbach einher strömen. Die zu grabende Strecke des Camals vom Fluss an, würde nur eine Meile (11,ooo Siraas) **) betragen. Die allgemeine Bestätigung der Beauftragten geht also dahin, dass die Vereinigung des Sakaria mit dem See, und dieser mit dem Meere möglich und ausführ- bar sey, dass der Canal auf seinem Laufe keinen Meyer- hof und keine anderen Grundbenützungen treffe. In die- sem Sinne sind an die hohe Pforte unterschriebene und untersiegelte Anzeigen und Berichte erstattet worden. Der Beginn des Werkes ist nun ganz dem hohen Muthe meines allergnädigsten Kaisers und seinen edlen Befeh- len anheimgestellt. *) Diese Senkung von zehn Siraas ist vermuthlich so zu verstehen, dass wenn die 3o Siraas Abfall auf die gauze Linie des Canals vom See an bis zum Meere eingetheilt werden, derselbe von dem Puncte an, wo die 14,ooo Siraas aus sind, und wo der dermahli- ge Punct Null, d. i. gleich mit der Oberfläche des Sees ist, von hier aus die Senkung gegen das Meer nur 4o Siraas betragen wür- de, was so ziemlich herauskommen wird, indem 14,ooo fast zwey Drittel von 24,ooo sind, und auf das letzte Drittel, nähm- lich die übrigen 8ooo, auch ein Drittel des ganzen Abfalls, uähm- lich von 3o Siraas zehn kommen. *) Die Senkung des Flusses Sakaria gegen den See wird wohl von dem natürlichen Abfall des Flüsschens Saridere zu verstehen seyn, das im Laufe von 85oo Siraas wohl einen Abfall von mehr als 1o Siraas haben mag, denn vom Sakaria bis zum Saridere ist offen- bar kein anderer Abfall als der, der 16 Siraas von 17 der Ufer- höhe des Sakaria. 1 1,ooo Siraas sind 22,ooo Schuh, d. i. 36,ooo Klafter, und also fast richtig eine geographische Meile. 171 Aus der Reichsgeschichte Wassifs, im Jahre der Hedschira 1172 (1758), I. Theil, S. 162. Im Jahre der H.909 (15o5) hatte schon Sinan Pascha den Vorschlag gemacht, den von Nicomedien drey Tagrei- sem entlegenen Fluss Sakaria mit dem See von Sabandscha, und diesen mit dem Meere zu vereinigen, wodurch gros- ser Vortheil entstehen, und besonders die Zufuhr des für Constantinopel möthigen Holzes erleichtert werden würde. Es erging damahls in dem Sinne des Vortrags ein kaiserlicher Befehl; der Hofarchitekt und Hofastro- mom und die Wasserbaumeister und Wasserübergeher wurden um die Möglichkeit der Ausführung befragt; diese verfügten sich an Ort und Stelle und berichteten, mach geschehener Abmessung der Erdfläche, dass der See von Sabandscha in den Meerbusen vom Nicomedien geleitet werden könne, und dass die Entfernung davon 22,ooo Siraas betrage; dass sich auf dem Wege weder Berg noch Felsen befinde, und dass der Augenschein die leichte Ausführung dieses Vorschlags zeige; dass auf diese Weise das Holz der herumliegenden Gebirge gefällt, und auf leichte Weise zum allgemeinen Besten verführt werden könne; dass endlich, wenn an dem See zu Sabandscha für die kaiserlichen Galeeren ein Arsenal erbaut würde, nicht nur für das Ärarium der grösste Vortheil erwachsen, sondern auch die Zufuhr der Le- bensmittel nach Constantinopel ungemein erleichtert werden würde, indem sowohl Holz – als Mundvorrath auf Flössen leicht im den See , und von da in dem Meer- busen geschafft werden könnten. Dieses leicht auszufüh- rende Unternehmen wurde aber damahls, verschiedener wichtiger Geschäfte willen, auf andere Zeiten verschoben. Darauf bestellte im J. 1o64 d. H. (1653) S. Mohammed IV. einen gewissen Hindi oghli, der nach eingenommenem Augenscheine berichtete, dass, wenn gleich der Aus- Y 2 172 führung dieses Unternehmens von Seite des Grundes keine Hindernisse entgegenständen, so erfordere doch die Reinigung des Erdreichs allzu grosse Mühe, und es wür- den dadurch noch überdiess die Gründe und Meyerhöfe verschiedener Dörfer beeinträchtiget. Nachdem S. M. der Kaiser diese näheren Umstände vernommen hatten, wallte das Meer des allerhöchsten Unternehmungsgeistes mit dem Willen auf, die Vereini- gung des gedachten Flusses (mit dem See und Meerbu- sen) zu Stande zu bringen, und es wurde zur Einneh- mung des Augenscheines der Kiajabeg (Minister des In- nern), der Reissol-Kuttab (Minister der auswärtigen Ge- schäfte), der Dschebedschi baschi (General des Munitions- wesens), der als Erdmesser ausgezeichnete Professor Kiridi Ahmed Efendi, und andere sachkundige, erfahrne Männer an Ort und Stelle abgeordnet. Sie fingen ein wenig zu graben an; da sie aber Wasser fanden und der Winter mahete, so kehrten sie zurück; nach Ver- lauten aber sollen sie, von einigen Grundbesitzern der Gegend gewonnen, Mittel gefunden haben, dieses nütz- liche Unternehmen auf weiteres hinaus zu schieben. *) *) Dieses Actenstück bestätigt die unter drey osmanischen Kai- sern (Bajasid II., Mohammed IV. und Mustafa) drey Mahl unternommene und drey Mahl verunglückte Canalführung von Nicomedien nach dem See von Sabandscha. Früher war dieselbe von einem alten Könige und von Plinius versucht worden. Eine sehr merkwürdige Stelle der Alexias (Lib. X. p. 282) belehrt uns aber, dass auch zwey byzantinische Kaiser, nähmlich Anasta- sius und Alexius dieselbe Vereinigung auszuführen gedachten und unterliesseu. Diese Stelle ist um so merkwürdiger als sie den alten Nahmen des Sees von Sabandscha enthält, nähnlich Ba2»a (woraus der heutige entstanden). Welcher Regierung ist es vorbehalten, diese, aus historischen Zeugnissen schon siebeu Mahl vereitelte nützliche Unternehmung der Vereiuigung des Sees von Sabandscha mit dem Meerbusen von Nicomedien end- lich auszuführen. / 73 Be y la g e. B. Geographische Auszüge aus dem Dschi- h an nüma. - Die Gegend um Brussa im Sandschak Chodawendkar. S. 658. Zur Gerichtsbarkeit von Brussa gehören zwey Districte: Akssu nahijessi, d. i. der District von Weisswasser, und Ova nahiessi, der Thaldistrict. Der erste, der im Gebirge liegt, hat einige schöne Dörfer und Flecken; der Haupt- ort desselben liegt eine Tagreise von Brussa auf dem Wege nach Kutaja , in dem Thale, wo das Flüsschen Akssu vorbey geht. Der zweyte District wird vom Nilufer bewässert, und liegt unmittelbar vor der Ebene von Brussa. - , Der District von Kete , fünf Stunden südlich von Brussa, enthält einige Dörfer, gegenüber von dem Di- stricte von Modania, von dem er durch eine Bergreihe getrennt wird. Die Richter dieser beyden Districte hal- tem sich zu Brussa auf. Von Modania nach Brussa geht der Weg etwas bergauf. Adranos, südlich eine Tagreise von Brussa, im Ge- birge des Olympos , hat mehrere Dörfer. Gökdschetagh, d. i. der himmlische Berg, ist der Nah- me einer Gerichtsbarkeit auf der Westseite von Brussa. Chirmendschik, ein Flecken in der Gegend von Adra- mos, ehemahls dem Michal gehörig, der auch Chirmen- kiar genannt ward. - Sindschan, westlich von Adranos, zwischen demsel- ben und dem vorigen Orte gelegen. Modania , 12o Miglien von Constantinopel, am süd- lichen Ufer des Meerbusens von Kemlik dem Haven von 174 - Brussa, hat einige Bäder und Moscheen. Hier finden sich eine Menge Pferdevermiether für die Reisende, so nach Brussa gehen, und welche dort die Pferde wieder abgeben. Die (erste) Brücke über den Nilufer ist die Hälfte Weges, sechs Stunden von Brussa. Zu diesem Orte gehören 24 Dörfer, und einer der angesehensten dazu gehörigen Districte ist der von Trilia, wo meistens Olivenpflanzungen sind; auch in Modania sind deren. Der gute Boden trägt auch Granatäpfel und Limonen, aber die Einwohner sind schlecht; die Hälfte Moslimen und die andere Hälfte Christen leben unter einander in beständigem Hader. Kemlik liegt am Ende des Meerbusens, dem es dem Nahmen gibt. Man findet hier schöne Granatäpfel. Der Meerbusen hat die folgenden Gränzen: Er fängt bey Bos- burun (Eis-Vorgebirg) an, wo ein Cham und eine Mo- schee ist, und von wo man mit einem bestimmten VVin- de (gerad Nord oder Süd) aufbrechen kann. Des Meer- busens Tiefe läuft gerade nach Osten. An dem Gestade liegen die Örter Amrudli (d. i. das Birnenreiche), Fisti- kli (das Pistazienreiche), und Kumli, gegenüber von Modania. Die grösste Tiefe ist zu Kemlik; von hier aus läuft er weiter fort in der Richtung gegen Osten (Süden), und es folgen die Orte Kurschunli, d. i. das bleyerne; Altuntasch , Goldstein; Modania - Trilia - und endet dann mit dem Bosborun gegenüber liegenden Vor- gebirge. Da die Richtung des Ufers südwestlich geht, so ist die Mündung des Canals sehr gross. Basarkoi, eine Tagreise von Samanli; man kömmt von Kemlik dahin, indem man längs dem Gebirge Sa- manli fortzieht. Ostlich vom Basarkoi liegen Kemlik und Enguridschik , und nördlich ist ein Wasser, das von Je- nischehr herfliesst. Der Ort hat viele Spaziergänge und Unterkünfte für Reisende, mit einem wöchentlichen Mark- te. Zwischen Brussa und Basarkoi liegt der Ort Katirli, 175 mit Moschee und Cham. Enguridschik , das Gurkendorf, am Ufer des Meerbusens von Kemlik, zwischen Ken- dscheli und Kemlik, hat schöne Gurken, Kendschel ist nicht weit von Modania entfernt. Bilbandschik , westlich von Kete, am Nilufer. Jarhissar , zwischen Brussa, Je- mischehr und Ainegöl, mit Moschee und Bad auf dem Wege, von Jarhissar nach Kutaja eine Tagreise. Jeni- schehr, mordöstlich von Brussa, und südlich von Nicäa, gerade im Süden von Lefke gelegen. Westlich davon und vor Biledschik liegt Akbiik, zwey Tagreisen von Brussa, im Thale, das auch das von Jenischehr heisst. Seinen Nahmen, Weissen Schnurbart, hat es, weil Os- man, der Sohn Ertoghrul's, zuerst hier Moschee und Bad baute und sich hier aufhielt. Akjasi, auf dem Weg- von Nicomedia und Sabandscha, eine Gerichtsbarkeit, deren Hauptort Chandak , d. i. der Graben, heisst. Die Gegend um Nicomedien im Sandschak Kodscha Ili. S. 662. Gerichtsbarkeiten des Sandschaks Kodscha Ili, öst- lich durch das vom Boli, nördlich durch das schwarze Meer und den Canal von Constantinopel, südlich durch den von Nicomedien begränzt. Gerichtsbarkeiten: Is- nikmid , Isnik , Uskudar, Akjasi , Akhissar , Basarkoi, Saritschair , Sabandscha , Kija , Jailakabad, Kurla , Joris, Karamursal, Samanli, Karassu - Kandu , Schila , Ba- sarsuji. - Beschreibung von Isnikmid (Nicomedien). Es liegt am Ende des Meerbusens, der sich 1oo Mi- glien von Constantinopel ins Land hineindehnt. Sein Ha- ven ist als der einer grossen Handelsstadt berühmt. Aus- ser Moscheen und Chamen ist hier ein kaiserl. Pallast und Garten, und da Isnikmid der Hauptort des Sandschaks 176 vom Kodscha Ili ist, so residirt der Beg hier. Der Meer- busen von Isnikmid fängt nahe bey Fanarbaghdchessi (Fa- malgarten) an, und geht in folgender Ordnung: Pendik und Kartal, zwey Dörfer am Ufer. Tusla , ein griechi- sches Dorf, wo das Uſer einen grossen Bogen macht. Seitunburni, das Olivenvorgebirg, unmittelbar unter Gebise. Dil, wo der Canal durch eine sandige, weit ins Meer hinauslaufende Erdzunge sehr verengt wird. Ni- comedien ist das Ende des nördlichen Ufers, welches nach einigen Krümmungen gen Westen läuft. Tarli, ein griechisches Dorf, im Winkel von Bosburun, gerade gegenüber vom Fanarbagdsche (d.i. der unterste Punct auf desselben Linie, von dem es vierzig Meilen entfernt ist). Das Ufer dreht sich nun gegen Westen, wo Kara- mursal, und daneben Hersek gerade gegenüber von Dil liegt, mit einem Cham, Bade und Moschee, vom Hersek Ahmedsade Pascha erbaut. Hier ist die Überfahrt von Dil, wozu besondere Fahrzeuge bestimmt sind. Hier ist die See meistens stürmisch; die Entfernung beträgt fünf Miglien. Von hier gelangt man zu den Gerichtsbarkei- ten von Jailakabad (Jalova) und Kurla, dann zu denen vom Samanli und Katirli, in der Entfernung einer Fara- sange von einander. Hier wird im Gebirge Holz gefällt für die Bäder zu Constantinopel. Diese Berge heissen die Berge von Samanli und Katirli *). Der Weg von Samanli nach Basarkoi geht über die- ses Gebirg. Kurla , in der Nähe von Basarkoi, drey Stun- den davon, in der Nähe von Kemlik , ein Ort und Ge- richtsbarkeit. Gebise (Libyssa), zwischen Nicomedien und Constantinopel auf der Höhe des Landes, so dass es fast zwey Stunden vom Meere entfernt liegt. Mustafa Pascha, der Grosswessir Sultan Suleiman's, stiftete hier *) Dieses Katirli ist nicht mit dem am Arganthonios gelegenen zu verwechseln, weil dasselbe auch den Nahmen Katirli hat. 177 eine Moschee, Collegium, Bad , Armenküche und zahl- reiche Chane. Isnik war zu Zeiten der (byzantinischen) Kaiser eine berühmte Stadt; jetzt sind die Mauern derselben im Verfalle. Hier versammelten sich 318 Mönche, die christ- lichen Dogmen festzusetzen. Ausser dieser ersten Ver- sammlung wurden noch mehrere andere hier gehalten. Heut hat es noch Bäder, Moscheen, Collegien, Armen- küchen, und das Porcellan von Rum wird hier in eini- gen Fabriken verfertigt. Orchan verwandelte die Haupt- kirche Isnik's in eine Moschee, und baute eine Armen- küche dazu. Die Moschee und das Kloster von Eschref- sede ist ein VWallfahrtsort. Sabandscha liegt am westlichen Ufer des gleichnah- migen Sees in der Ebene; ein offener Ort ohne Mauern. Isnikmid liegt von hier eine Station gegen Westen. Die- ser Ort ist ein berühmter Durchzug mit Moschee, Bad und Markt. Rostem Pascha baute hier Cham und Imaret (Freyküche). Der Ort ist von Saatfeldern umgeben, aber der Rand des grossen Waldes, Agatsch denisi (Baum- meer) genannt, beginnt nicht fern von hier. Karamursal, am Ufer des micomedischen Meerbusens, trägt unvergleichliche Granatäpfel, wo sich der Busen von Nicomedien zum ersten Mahle schliesst, am Ende südlich von Nicomedien. Jailakabad , in der Mitte des südlichen Ufers des ni- comedischen Meerbusens. Hier ist eine abführende war- me Heilquelle, die man im Monathe August als Cur zu brauchen pflegt. Der Ort, wo diese Heilquelle ist, heisst auch Jalova. - , Samanli, westlich von Jalova, am Ufer des Meer- busens von Isnikmid, mit einem artigen Chan, Bad und Moschee, nahe an der Mündung des Meerbusens. Von hier wird das Holz zur Feuerung der Bäder verführt. . - Z Be y la g e. O C. Bestimmung von Ortslage mit dem Compass ohne Abweichung. 1. Vom Gipfel des Olympos. Kutahia 23- sw. Semautagh 12° NW. Taghalti 32- NVW. Adranos 85“ SVV. Kalolimmi 38–35° NW. Bos- burun 22“ NW. Die zwey Gipfel des Argamthonios 3o – 33° NO. Der See von Jenischehr 65° NO. Das Gebirg Tomanidsch von 12 – 8 SW. Der See von Nicäa 469 NO. 2. Von der Alpe Tombaktschukuri (Tombakgrube). Der erste niedere Gipfel des Olympos 16° SO. Der zweyte höhere 5° SO. Der dritte 16- SW. Der vierte 2o“ SW. Der Arganthonios 21 – 23“ NO. Die grosse Insel des Sees von Apollonia 74° SW. Der Fels der Hirten 85° SO. 3. Von Jaridsche, im Meerbusen von Nicomedieſ. Die Erdzunge Dil 83• NW. Die Landspitze Tschem- berek burni, gerade West. Das Vorgebirg Seitunbu- runi 800 NW. 4. Von der Anhöhe von Tawschandschil. Das Vorgebirg Seitunburuni 65° SO. Die Spitze vor Hereke, gerade Ost. Die Ruine von Hereke 7o° SO. Die Zunge Dil am Anfang und Ende 65–7o" SW. Die Spitze von Jalova 85• SW. Die Spitze des Gesundbrun- mens Itschme, gerade West. 179 5. Von der Fontaine der Perser, beym Eingange Brussas. Die Stadt liegt SO. Der Olympos SO. Der Argan- thomios zwischen O. und ONO. Gemlik NO. Die An- höhe von Tschekirdsche gerade gegen Süden, und die Berge des Niluferthales gerade gegen Norden. 6. Von dem Landungsplatze neben der Moschee Pertewpascha's zu Nicomedien. Der Gipfel des Gögtagh 15° SO. Entfernungen, erfragt in den Karawanserais und von den Weg- weisern. Der Nilufer fällt bey Eskele , das zwey Stunden vom Meere liegt, in den Rhyndakus. Man rechnet von Brussa nach Kutahia 24, nach Eskischehr 26 Stunden, vom Ku- taja nach Eskischehr 12. Vom Triglia (dem Ende des Meer- busens von Modania) nach Michalidsch 8, von Micha- lidsch nach Panormo 12 Stunden. Von Brussa mach Aine- göl 13 St., nach Michalidsch 12; von Michalidsch nach Belikesseri 12 , von da mach Edremid 18 St. Von Nicäa nach Jemischehr 6, von da nach Biledschik . 8, vom da nach Eskischehr 1o Stunden. Von Nicäa mach Jenischehr 6, von da nach Aimegöl 8, und von da nach Tschekurdsche 8, und von da nach Kutahia 8 Stunden. Von Brussa nach Akssu 4, von da nach Aimegöl 4 St. Von Kemlik nach Aimegöl 18–14, von Nicäa nach Aine- göl 12 Stunden. Von Sabandscha nach Kerpe am schwarzen Meere 1o, von Uskub bis ans Ufer des schwarzem Meeres 6 St. Die nächste Entfernung des Flusses Sakaria von Eskischehr 8 St. Von Eskischehr nach Sivrihissar 12 – 14 St. Die Quel- len des Sakaria 6 Stunden ober Sivrihissar im Emirtagh, der sich von Konia bis Adana ausdehnt. Der Fluss Sari- lar bey Sivrihissar fliesst in den Sakaria. Die Entfernung von Nicomedien nach Schila am schwar- Z 2 18o zen Meere 8 St. Von Sabamdscha an das Ufer des Saka- ria 4 St. Der Ort Sabandscha liegt etwa 2 Stunden vom See dieses Nahmens entfernt. Dieser hat fünf Stunden im Umfange und ist drey Stunden breit. Eschme liegt gegenüber Sabandscha; Derekoi eine Stunde weiter. Tschepum 5 St. von Sabandscha. Man rechnet von Nico- medien 8 St. mach Sabandscha. Von Nicomedien nach dem Dorfe Baghdschedik3 St.; eine Stunde weiter unterhalb Ermenikoi. Jawadschik, 3 St. von Nicomedien. Von Bosborun nach Fistikli 1 St.; von danach Kapakli 1 St.; von da nach Kumla 2 St.; von da nach Kemlik 2 Stunden. 1, Wege und Strassen aus dem Dschihannuma. Von Skutari nach Pendik 5 Stunden; eine Strasse vom Skutari bis Gebise und Dil; von da nach Gebise 5 St. Carawanen und Heere nehmen das erste Nacht- lager zu Maldepe (eine Stunde von Pendik, das zweyte auf der Sultanswiese vor Gebise). Zu Gebise trennt sich der Weg, der eine geht nach Nicomedien längs des Ufers, der andere über die Zunge Dil nach dem gegenüber ge- legenen Hersek, wo die Überfahrt nur das Drittel einer Stunde beträgt. - 2. Strasse von Dil nach der Ebene von Brussa - über Hersek, Samanli und das Gebirg gleichen Nahmens nach Basardschik (Basarkoi), Katirlitagh (Arganthonion) nach Bilbandsiek, Ulubad u. s. w. 5. Strasse von Dil nach Eskischehr über Hersek nach dem Passe Derbend 6 St.; von da nach Nicäa 6 St.; von da nach Lefke 12 St.; von da nach Sogud 1 1 St. Zwischen Sogud und Lefke baute der grosse Koprili Mo- hammed im Jahre 1o7o eim Carawanserai im Thale Tschel- tuklik; von hier liegt Eskischehr 12 Stunden. 181 4. Strasse von Gebise nach Nicomedien. Der zweyte Weg, der von Gebise ausgeht, führt nach Hereke 4. St., und von da nach Nicomedien 5 St.; zwi- schen beyden liegt die Platanenwiese (Tschinar tschairi). Hier trennt sich abermahls die Strasse, die eine links (nach Sabandscha), die andere gerade nach Eskischehr. 5. Strasse von Nicomedien nach Konia; nähmlich von Nicomedien , Kasikli 4# St., und von hier zum Obelisken bey Nicäa 1o Stunden; oder vom Kasikli über's Gebirg nach Kuschdschilar 7 St., und von da nach Nicäa. Dann weiters nach Penbedschik, und von da nach Jenischehr 3 St.; oder von obbenanntem Obe- lisken aus bis an das östliche Ende des Sees 24 St., und von da nach Jenischehr 5 St.; von Jenischehr, wo sich diese beyden Strassen (die sich zu Kasikli getrennt) wie- der vereinen, nach Akbiik bey Sogud 4 St., Basardschik 5 St., Busojuk 4 St., Eskischehr 6 St., Akwiran 3 St., Sidighasi 3 St., Bertaklu 5 St., Chosrewpascha'5 St., Bulawadin 8 St., Ishakli 5 St , Akschehr 5 St. , Arka- dschan 4. St., Ilghin 24 St., Balkanussar, oder die Brücke darüber, auch die von Balis genannt, 2. St.; Sengi suji und dann Komia. 6. Strasse von Nicomedien nach Kutahia. Über Nicäa und Jenischehr, über Aidin , Akbiik, Achirdschik, Bosojuk, Sulikoi, Gendscheli (wo warme Bäder) nach Kutahia. 7. Strasse von Nicomedien auf dem Wege gegen Sabandscha nach Boli. - Die Entfernung vom Sabandscha beträgt neunthalb Stunden; man setzt dann über den Fluss Sakaria und Moderni, kommt nach Chariwakdusdschebasari, einem Passe von Kerpe, und längs des Gebirgs nach Boli, oder man setzt über den nicht fern von Sabandscha gelege- 182 nen Sakaria, bis wohin man 8 Stunden rechnet, von da nach Kiwa 9 St., Tarakli 9 St., Goinik 5 St. , Moder- ni 9 St. , Boli 15 St. 8. Strasse von Nicomedien nach Angora. Sabandscha; Köpri, nahe bey Kiwa (der Geburts- stadt der Köprilis), Tarakli, Torbali, Goinik, die zwey Chame Nassuh pascha's, eine Tagreise von einander; Sa- rilar, Begbasari, Ajasch, Ustumus, Angora. 9. Strasse von Brussa nach Bergama. Kara agatsch, der See von Ulubad, Omar, Balikess- ri, Bardakdschi, Tarhala, David, Beludschik, Bergama. 1o. Strasse von Brussa nach Smirna. Michalidsch nach Ilibat, Susighirlighi, wo ein Fluss übersetzt wird, der Pass von Mendhuria , Kurigöle- dschik, Basch Kulumber, Balamut, Magnesia, Smyrna. 11. Strasse von Brussa nach Kutahja. Akssu, das Thal des schönen Wassers dieses Nah- mens; Aimegöl, auf einer weiten Fläche, oder nach dem Chan von Kurschunli, Gümisch, und dann längs des Gebirgs bey Tomamidsch nach Kuahja. 12. Strasse von Brussa nach den Dardanellen. Heeresstationen. Von Brussa nach der Wiese Begliktschairi 3 Stunden; hier beginnt der See von Ulubad, die Gärten von Kara aghadsch 6 St. , die Brücke von Ulubad 24 St. nahe bey Michalidsch. Saribeg, mahe bey Kermasti, 4 St.; Sal- dir, mahe bey Biledschik; Agatsch, nahe bey Manias, 4. St.; dann zur hölzernen Brücke bey Körpe. Budian, nahe bey Kuman, 4 z St.; die Brücke bey Gögerdschin- lik 6 St; Dimitoka 3 St., vom Meere entfernt 6z St.; Kurudere 4. St.; Kuredschi, nahe beym Meere, 6 St.; Tschartak, gegenüber von Gallipolis, 4 St.; Borghas 4 St.; Sultania, das Schloss der Dardanellen - 5 St. I n s c h r if t e n. I. Zu W i c ä a. 1. An dem Thore von Jenischehr auf einem Steinblocke. ATTOKPA.TOPIKAI>APIMAPKILATPHAI (2 KAITHIEP42TNTKAHTM2KAI 24HMMEIIITor TIIATIKOTOTEAEIOTMAPKE MAINOT. Aöroxpá?op Kaigap Mäpx69 AUpyAico Kai 7y 1épä ZuyxAjr. wa 76 4hutz ex rv Trarxv OöeAsiv MapxeAAivv. Dem Selbstherrscher Cäsar Marcus Aurelius und dem heiligen Senat und dem Volke unter dem Consularen Velejus Marcellinus. 2. An dem Landthore, wo das Wasser in die Stadt fliesst. Ill69IKOTIGEOTNEPOTAAIIOTONM2TIIIIIIANM2. (IIap)Sxv Gev Nepova Axoyovao Tpanavao Dem Sohn des Parthischen (Trajans) Enkel des göttlichen Nerva, dem Trajanus (Hadrianus). - - - - 3. - - Eben da hoch in der Mauer. XELA1APxoN4Er. 14. TEMIN. xelaarxon 4erie. Enttr TaN.SEB. EnApxE42TAAA42 . AKTITANIKH S. EITIKHN SQN EHITP. En4pxEIASMrSIA- TH> H.ATMN. EIIITP. EIIAPX EIA S. IINAHH> . EIIITP. z/OTH. EITAP X EIA S. z/A-17/TATIA-F. HAII STPI >'. EIIITP. AOTHHNAPION A_1_ME>> ANZ/PLA2TOTIZIOT" -MOTO Y" AOTHHNO SAPXE-1AO STON q5LMON. X1A1apyov Asy. 1ö. *) yeuv. XAapyov Asy. e. *). Exzpoxor 7aov séßarcov éxapye1as TuAAaas Axvarav1xys Err1 xyvsov Ex17poxov erapYeas Mvsas 7ys xarco Errpoxov exapxenas – vaxys Ex17porov zJouxyvapov Exap Xias 4a Apuaraas zaa Ispas Ex17porov zuxyvaplov AAAessavöpnas 7b 1óus Zloyv T. Avxyvos ApyeAaos rov P1Aov. - *) Die XIV. Legion war eine der wichtigsten unter oto- Regie- rung. Tacit. Anal. II. 54, 56, worein er seine grösste Stärke setzte. Tacit. Anal. III. 15. et praecipua /ama quartadecima. An. II. 11. auch 27. 1oo. IY. 79. Y. 14. Domitores Brittaniae quartadecimanos. Y. 18, 19. **) Die XV. Legion war in Pannonien gelagert; et quintadecima legio e Pannonia adjecta est. Tacit. An XY 26. und zog unter Nero wider die Perser. S. auch Tacit. Annal. I, 41, 55. Den Obersten der XIV. Legion Gemina, Obersten der XV. Legion. Vorsteher (Präfecten) der kaiserlichen Provinz des aquitanischen Galliens zur Eintreibung der Steuern, Vorsteher der Provinz des unteren Mysiens, Vorsteher der Provinz von – Vorsteher und Ducenarius *) der Provinz Dalmatien und Istrien, Vorsteher Ducenarius Allessandria's, den Freund hat auf seine eigene Rechnung (hier aufgestellt) Cajus Ducenus Archelaus. 4. Auf einem Thurm der Stadtmauer gegen Norden, von innen. ENGAG9EEIHHPOTPOJIAIONT/2NEX69PM2NIXAIAI> XTN - - eHP, SAP EF EIOI q5LM (2XPI>TOIHM (2 NBA S. MEM2NP.F (2N>TANT1. NO-> ANA KAINH > ANT(2THINIIO MINHAIANANETEIPANTM2ZIATH> TOTEPTOT EIIII. MI>E(2>FEI KHIIQNANA STH SANTAI> IITPTONHE NTINAPIQ KAIMOX6)./2EIITAHTPQIIIIIIANAL1O2SIIANETZITATPIII. KOPOTA A A EvSaôe e. «ypo7porarov 7aov sySpcov 2a. aszyrzypov S a- p a x ) v Gov Exeº on p?loyp137o ju«ov ßas Ass Aeov 2a Kovray-ºos ava *) Ducenarius hiessen die Statthalter (Procuratores) des Kaisers mit ordentlicher Installirung. Ornamenta Consularia etian pro- curatoribus Ducenariis indulsit, Suet. Tib. 24. Aa 2 188 xavysavzo 7yv roAv xa avaveye.pavro da rys rv epys exxAussos Ex xyrov avaryGavres rupyov xevrºvapco – xa uoxSo erray7po (exraere) – ava Aos IIavevê rarpuxus - Kopos ave 9 yx ev. Hier ist das Todesdenkmahl der Feinde, der unverschämten Saracenen. Hier haben unsere Christliebenden Kaiser, Leon und Constantinos die Stadt erneuert und von neuem wieder aufgerichtet, indem sie wegen des Werkes Verfall diesen Thurm aus den Gärten wieder herstellten mit einem Centner Gol des *) und siebenjähri- ger Arbeit. – anailos Paneuz, der Sohn des Patrikios, erhaute denselben. 5. Auf dem Obelisken ausser der Stadt. T. KA S>IO >'qb IAI> KO>T.PA>>IOTA 2F KAHIIIOZ/OTOTYTIO> ZH > A SETHIII" T. Kaganos pAus xos T. Ka6G1b AsxAyzroöorv vios ëygas ery xy. Cassius Philiskos Sohn des T. Cassios Asclepiodotos lebte 85 Jahre **). *) Centinarius hiessen mehrere Thürme in den byzantinischen Fe- stungen, vermuthlich weil ein-Centner Goldes beym Baue auf- gewendet worden seyn sollte. Ein solcher Thurm, Centenarius, befand sich auch in der Acropolis zu Constantinopel, den Con- stantin der Grosse erbaut hatte. Du Cange Constantinopolis Christiana l. p. II. 124. - *) Des Vaters erwähnt Tacitus als eines der reichsten Bewoh- ner Bithyuiens. Idem dies honestum exemplum talis Cassii As- 189 6. In der Kirche der Vorsicht zu Nicäa, musivisch eingelegt. ANAZHPATAIO Sº ZJE>IIOTI> KONTTANTINO S MONHNIIPONOIA.EAZH THNEN6)AZ/E Z1M2PONZ/IZ/O>IN697" KAEG IIIATPIKI (2 BOT MITHIOKTPO>EN IIEAM2. AvaFxparanos Aeororys Kovravºruvos puovyv rpovomas aëyryv evSaöe ögopov ööosuv 69uxAeS rarpuxugo BvAyry oxvpos ey reöCo. - Der mächtige Kaiser und Herrscher Konstantinos hat das ehrwürdige Kloster der Vorsicht allhier zum Geschenk gegeben dem Patrikier Thykles und Rathsherrn als Herr des Grundes. elepiodoti, qui magnitudine opum praecipuus inter Bithrnos quo obsequio florentem oranum. celebaverat labentem non dese- ruit. Annal. XAVI. 33. 19e - 7. ET(2Z1EFAIZ/E>ITOI NANEIZ/IAHIONA TOTTON HAITONB (2M (2NAPXH TONENE69HNHYMOINA TTOIN (2>Z/E> IIOTHZEFTPI ATH>FOIHIA S. ETPA PATO AIMM(2NNI HH q5OPO >ITA P6) ENEIOP. Eyo öe xa 4egrova - Neuöna zenova rou7ov xa rov ßopov apyyyov eveSyv huouvavrov os ösGrory öe xupa 7ys o1x1as Eypaazo AupuGºv Nxypopos IIapSeviv. " Ich und die Frau Neidia haben diese Säule und den Hauptaltar hineingesetzt für uns beyde. Sie als Frau und Herrinn des Hauses. Gemahlt (musivisch eingelegt) von Ammon Nicephoros dem Sohn des Parthenios. 191 II. AVicom edia. 8. Auf einem in der Mauer eines Hauses auf dem Berge einge- mauerten Steine. AEIO>AEIOTZH> A2 ETHKHTE MEYTH SA SENIIOT(2 Aeos 4ev myGas ery xy 7eAeurycas ev roro. . Deios, Sohn des Deios, lebte 28 Jahre und starb beym Mahle. 9. Auf einem gespaltenen Steine nächst der Moschee Orchans. MATIOIXPI>TININOIT2KAIXPLSTO>INTOEME6A. IO. Auf dem armenischen Kirchhafe. K.KOTPTIO>NEIKOMH„JH2A2INNIAIOTKOTNAH THA4EA PHZH2A SIETHNBXAIPETE. K. Kép7uos Nexoujöys Asivvia Ivxévöy ri äösApj Sy3ägyery vß Yapere. Quintus Curtius Nicomedes der Asin.ia Jucunda Seiner Schwester, die 52 Jahre gelebt. Lebt wohl! 1 1. Eben allda. HOCINLOCOEYPYALVSTEGITVROPIVND VSEX ARMIEN s 192 IAIS VIXITANNOSP.MXXV. CVIVSIDEPATRIA EROSCIVISMI. PIETATEMCVSTODIENSTITVLVM STATVIT. Hoc in loco Euryalus tegitur oriundus ex Armenia. Is vixit annos plus minus 25. Cujus de patria Eros Civis Majorum pietatem custodiens titulum statuit. Allhier wird Euryalus (von der Erde) bedeckt. Aus Armenien gebürtig lebte er beyläufig 25 Jahre. Eros, sein Landsmann und Mitbürger, hat nach der Vorfahren frommem Gebrauch ihm dieses Denkunahl errichtet. I 2. In einer Gartenmauer, dem Kirchhqfe gegenüber. CLAVIDIASIATICISEP.VIVOS MONVMEN.SIBIET SVIS. Claudii Asiatici Servus Vivos monumentum sibi et suis. Des Claudius Asiaticus Diener setzte lebend dieses Denkmahl sich und den Seinigen. 13. Auf dem Sarkophage Tökelis im armenischen Kirchhofe. - Hic requiescit ab heroicis laboribus Celsissimus Dominus Emericus Thökely de Kaesmark Hungariae ac Transyl- vaniae Princeps, vir a rebus pro asserenda patria libertate fortiter gestis tota Europa celebris - post varios fortunae casus tandem. 193 extorris inter ipsam renascentis hungaricae libertatis spem exiit, simul et vitae finem fecit. In Asia ad Nicomedensem Bithymiae sinum in suo florum campo. Obiit anno Salutis 17o5 Aet. 47. die 13 Septembris. - - III. Auf der Fontaine zu Tauschandschil. 14. oEONTO>THNITTEAONE6HKA IIIKATPO PIMOTATPHAIA IIINA HAITHTTNAIHIMOTAINA AHAIBOT MOMAINMETATOHA KAITHN STNBION/MOT/MHLME ATATE69HNAIEIZ/ETI> IOI> z/M22 EIIIPO> MEIo4 KAITH ANM2IIIIETE. Ošovros ryv xveAov e9yxa –xa 7popy pub AvpyAna uva xa 7y yvvax uv Avaa xa 3UAopa uera roxa - xa 7yv Gvvßnov uv MyAe ara reSyva. Euös rus – dºse *rposro 7auerov raAavrov * ap xa 7y (roAen) zov –avov) avº erne. B b 194 Ich Oxontos habe dieses Grabmahl hierher gesetzt Für mich und meine Amme (Mutter) Aurelia und mein Weib Aina, und will darin mit den Kindern und der Meleatis, die mit mir lebt *), geleget werden. Wenn jemand anderer hineingelegt werden sollte, zahle er dem Ärarium und der Stadt der –aner 15oo"Talente alle Jahre. * IV. Zu Mesembria am schwarzen Meere. 15. Auf einem Altare. ATAGHTYXH ATAO>ENE>ATAO>ENO> AIIOAAM2NITIIEPTH>EATTOP>QTH PIA SHAITM2NIAIM2NA VIIIE MQNEIII AKPANETXAPI> TEIANANE69HKEN. AyaSy Tvyy AvAoGeves AvAogevos AroAAov örep 7ys éavrv sory pnas «an rov önov aureAov ern - axpav evyapreiav aveSyxev. Mit gutem Glücke. Aulosenes, des Aulosenes Sohn *) Ob diese Meleatis eine Beyschläferinn oder eine andere Haus- genossinn des Grabmahlsetzers gewesen, ist aus der Iuschrift nicht klar. - hat dem Apollo für seine Rettung und für die seiner Weingärten zu höchstem Danke dieses gesetzt. 16. ATPIOTAICIC Avp1b A161s ACTHCEMAT- Arys spuavru – EIZ/ETI>– enöe ris – Z(22SEIIIPO>- öogen rpos MEIM2ll EKAT. rapuenao" exarov. Auriolisis der Bürger meiner selbst willen, Und wenn wer anderer hier begraben werden wollte, zahle er als Strafe Talente hundert. V. Zu Sºpolis am schwarzen Meere, auf der Höhe. 17. IKAPNEAAHCHPAll 4OM2POTAIKNA JOPOC III4ONOCOPOBOTKOAOCH All EKAIKOCIIOCELAM2NICECTIAIll NIKH bOCAAEE ANAPOCAPICTAINETOTllll KPATHPIA KOCTEPTIOCXPI>>OTAPXIMTCI EPMO4.2POCE MO-SOTAIONTIKACIOT Bb 2 1a6 orrozanºasounoua NIOTAHMHTPICIIPOTEIMOT KAEIAHC nAn4ko4P4Tochpool4or44EFAN APOCACK_MHIIIOZ/OTOCTE MEqbOPOTqbLMO TEIMoCAPItoCAAEZAN4PorzioNºrColl POCKAKAE14OTONHCIMOCIIMNANOCTA TOCTAIOCNEANAPOTEEOXI>EPMA bI AOTZ(2IITPO>EPMOTTEIOCAPIIOHPATOTTAA AAPOIXICTHCATTPOTAPXIBACCAPABAK_1 IllMTPM2NOCKICTA bOPOCTPHCTICCIMOCTEAEo dOPO TAIIOAL1M2NICAPTEMIAM2POTMOTHICAN APOCAIIOAAM2NIOTTHLMEYMAXOCIIAC Ill4PM2NOCTENEMHCHPO bL1OTCQzOMENOC I(2TCIXATE-MAHCKOPNOTTOCOIKOPNOTTOT" Kapveaöms Hpa– –oöopb Axvapopos –öovos OpoßvxoAos Pa– –exô1xos IIoGenöCovus Er1a1– Nixypos AAsFavöpos Aprave7v Kparmpaxos Téprios Xps v Apyp v G 1 m Eppuoöopos Eöoov 4ovugos Kaouv IIoAuševos xa IIapaAndov o AzroAAG» vab zyuyrpus IIporenpub –xAeuöys IIaxaxoöparos HpopAb AAešavöpos Ag«Ayroöoros TeAspopu PAo 7epos llllaprog AAsFavöpv zuovvgos –pos KaxAenöv Ovys puos IIoovtovos7a ros Tanos Neavöpy EEoxos Epua pAV Zorvpos Eppus Teuos Aproxparb TaAa apc ys Tygaropv Apxßasaapaßa HA1 /uvpovos Kurapopos Tpyarago/uos TeAso popv AzroAA«Ovus Ap7eumöopb Auxugav öpos. AroAA«ovs TyAepaxos ras –öpovos Tevépuys Hpop1Av 2ooëopuevos IovoxareAys Kopvuros Kopvuru. Carneades Hera – dea –odoros Sohn; Liknaphoros des –donos S.; Orobucolos des – ekis S.; Posedonis, des Estiai – S.; Nikephos Alexandros, des Aristaenetos S.; Crateriacos Tertius, des Christus des Archimysius Sohn; Hermodoros, des Edosos S.; Dionysos, des Cassius S.; Polyxenos und Paralion, des Apollonios Söhne; Demetris, des Protimos Sohn; Kakleides Papaquadratus, des Telephorus S.; Philotimos Polykarpos, des Alexandros S.; Dionysos –os des Kakleides Sohn; Onesimos Pononostatos Cajus, des Neauders Sohn; Exochos, des Hermaphilos Sohn; Zopyros, des Hermes Sohn; Tejos, des Harpocrates Sohn; Galarroichis, des Tesatyros Sohn; Der Archibessarabier Klemyronos Kiotaphiros Tristissimos, des Telephoros Sohn; Apollonis, des Artemidoros Sohn; Lukisandros, des Apollonios Sohn; Telemachos, der Sohn des –– Genemes, des Herophilos Sohn; Sozomenos, des – Sohn; Kornutos, des Kornutos Sohn. - a98 VI. Inschrjften in der katholischen Kirche - zu Rodosto. 18. Hic requiescit, Framciscus Rakoczy Dei gratia electus Transylvamiae Princeps , partium Regni Humgariae Do- mimus et Siculorum Comes aetatis suae XII. a matre avulsus miro Divimae Providen- tiae ordine per carceres, per exilia , et per varia vitae discrimima ductus, hic requiescenti matri per mortem redditus quietem, quam, vivus ignoravit , in Domino im- vemit. Ammo Salutis M.D.CC.XXXV. 8. Aprilis aetatis suae LIX. 19. Sta viator Et mirare sub hoc pedali lapide, magni cordis heroem in sago , alti consilii sematorem in toga, praestantem patriae civem im regmo. Im Ecclesia Dei Religios. Catho- licum, In exilio fidelissimum Principis sui Achatem , Illust. et Excell. Comit. Nicolaum Bercsemi , qui olim im Hungaria Serem! Primcipis Francisci II. Rakoczii , Confoederatorum Regni Hungariae Statuum Ducis Lo- cumtemens et Exercituum Supremus Gemeralis, Primus Semator et Comitatus de Unghwar Sup. Comes. Tot titu- lis clarus, tot meritis gloriosus, mumc alieno sub pu- gillo terrae tectus, et mortuus exulat. 199 Himc disce viator. vicissitudinis humanae conditionem esse mil fixum, mil perenne in exilio suo habere. Mortuus est mundo om- nibus mumitus ecclesiae sacramentis Rodosti de Riuos. anno MDCCXXV. aet. LXI. Sed quod vivit coelo, ejus exemplaris pietas in vita, generosa aequanimitas in exi- lio, longa patientia in morbo, brevis sed fortis cum pie- tate luctus in morte, luculentum testimonium relinquit posteris. Abi viator. nom immemor pie defunctiac meditare, his armis non- nisi expugmari coelum. 2O. Hic in terra extranea, post varios fortunae casus re- quiescit Dominus Nicolaus Sebrik de Szarvaskend. Nob. Hungarus, Serenissº Francisci II: Rakoczii, Transyl- vaniae Principis Aulae Praefectus. In adversis, sicut in prosperis, constanter inconstantem ejus sortem secutus, exul cum exule Domino, anno VIP: ab ejus obitu mense post gravem V. annorum infirmitatem LXII. circiter an- nos natus, occubuit Rodostii ad Propontidem VII. Oct. MIDCCXXXV. 21. * - Hicjacet Comes Antonius Eszterhazy de Galantha; Prin- cipum Pauli Eszterhazy Hungariae Proregis et Emerici Tökely non degener nepos. Qui primum Imperii duce aquila Ottomanam lunam impetens, casu fatali captus in turrim byzantinam carcere celebrem ductus est. Inde ubi obscurabatur, ut splendidior assurgeret eluctatus, 2oo . Framcisco II. Ragoczio Transylvamiae Principi adversus Leopoldum I. Imperatorem adhaesit pro libertate Hum- gariae vindicanda, invicto animo , . sorte tamem hic quo- que sibi minus aequa dimicavit, quem vis potestatis ex- torrem patriae , exulem Thraciae accolam fecit, fugien- tem fortunam secutus im Propomtidis littore stetit gra- dum , ubi alternamtibus fugitivi mumdi bonis ac malis eruditus , veraciter agmovit militiam esse vitam hominis super terram. Expleto Belliducis munere , ad promerita durae militiae praemia suscipiemda a Domino Exercituum et Primcipe Regum terrae educatus obiit ammo aet. XLVI. salut MDCCXXII. 4. Aug. Hoc peremme filialis obser- vantiae Monumentum posuit ' Comes Valentimus Eszterhazi. - - - – Grabdenkmale. Baeder. / / » / “ / .ſz/zzoz (2ezzzzzzz & ZZ / ///za/c/az- 2 z/azz & Zazz 7 1 zz / z%/e/a- 2 .ſºz/azz //zzzzzz %2 / zzzzz //zz/a/& - < z. Wºzzºz Zazzsze/ / // / Ze/zza/% s- TÄT 3. Wºzz I//zzea/ z, Zººee DER STADI BRUSSA - - - - - - - - - - - S- TS Zºzº Zazzozsee //ee/e / /ezºe/ -X - U N TD D. Moscheen Q- FDP S () - YM POS AZ) //sc/- zz/azz //zcz/ 9 /zzzz zz/azz , // ./zz/zzz O2-2% zzz, 22 z/Zºzº Z//zzez Z. /7/%zzzz/&azz &zsz 2/ ./z%z Zºzzsze/ / /4. ZZzzza/azzzzz Stadtthore. Wasser und Fontainen. 22 Zese/2/z- / zzzzzºsz - 22 Zzzzzzzzz.cº/z z2 //zzzzeºe / 30. O- C- 2% ZOrc/azzzz/a/a/cz /6. 3z - Zézse»% zz//azz- 2...zza/zzz &. 32./zz/a/a/zzazz. Zzzzzzzzz 26 % zz /6. 33 //a/czzz c/esc/zzze sz 27./ºz / 3 Z. /Zazee/zz AZ zzZ 28. Zºz/cz/ 6. 3.3 Zºe/e/ézzza/e- Viertel der Stadt. 30. -/zczzzzzº Zº. Z2%zzzzz-zz- 37 O2-zz%%%/- %/ Z2-zzzzzaz- 3 F / zzAzzsz%z %2 / zz-sa/zzzz/ 29 //zzzzza- Andere m erkwürdige Orte. z2 // /// /sazz - ZZa/zZzzzzzzza/ % % ////%/z/azz 2 z/ WZssº- z. 7 Zo-z. ..zc/ºzzzz// /es We//osse. % Z / zzzzzzzzz. /z/%zsze, zzaz zz/azzze % Z - Zzzzezzzse/es zz.z-/ % & ZDzzzzzea/czz / MZ.zez- % Z Cºzzº z%2%ez. Zez/ozz 272.6.xz/szcz/azz Alpen der Turkomaren Jaila z. / z%z% zzazzeºzze z. ºz/ºz.rz zazz/ºz Z. ... Aeza/ L//zzzzz// % / sºzzzzzzz /- Cº. Zzz%%/ / Jazzez / zz Ze/zz/zzz 7 zzz. Z. zzzzzz/& zse/zz/zzzz / 2. ..2c/za gezesse / zz. Ze/ezzz/zc/ ºe// / Zézézzºse/ / » ZZzzzz Za/zz/zzz- / A. /ºa/ / - - - |- ---- … -- * (* ~ ! ! - - - *…* … – zez VZ- z-zz. =- - - - sazzsoz, < > S//. VOAW S //3 / WZOS CZ/ - > Geºzse. Zzzz/rea - - > VON B RUSS N UND DI R GEGEN ID 2… /az/Zes % z»/– zzzzzzzzzz- ZWISCHEN DEN ZWIE N NLEIRIBUSEN # § - § ºd YON NICONCED N UND NODANIA . T- z% zxessz - Jazzzz% 6e º” zzzzz zz. ZZ-z% /Z2ZZ zzzzzzzzazz /%/zzzzzz -Z- LZ% zzzºse/26 *D-F °/ºz-- / Ze/e/Z% ºz Ä ZZ- - - ", /zz/esc/e /zzzzcz%–zjz/z%oz - - - ## - 3 Y-W - - . Zzzzz/2%ez- - - - "Z" , , , zezzszez«e Fs - Ä - ------ - -- zozz./zzzee/e/ez- § - - - - ** - Ze/a&see - Laaz -z 70 Cºv 4G ycrº-S (t (7. -) />(. . . | “ - - “z - “- ...A.... - »A - - - - - - - - - - - – – – ! / - Österreichische Nationalbibliothek - - – +Z224516808