MENTEM AL T ET EXCOLT
TIMET
D 0,0
K. K. H OF B 1 B L 1 O T HE K
OSTERR. NATIONALBIBLIOTHEK
-13.F2_S
-
U M B L I C K
AUF EINER IREISE
V O N
CONSTANTINOPEL NACH BRUSSA
U N D
D E M O L Y M POS,
UND voN DAZURÜCK
ÜBER
NicÄA UND NIcoMEDIEN
VON
JOSEPH V. HAMMER.
Mit Kupfern , Karten und Inschriften.
---- -
PEST H , 1 81 8.
B E Y- A D O L PH HI A R T L E B F N.
- Nr.-H.-.-V. "-"/"- ------------------ NAA-"-A-.."-N-----------------
VW i e n ,
gedruckt be y Anton Strauss.
------- --------------------------- ------------------- AN-Nºw-Aw-vºr-Aw/w -- Ars
A N
I H R E M A J E ST Ä T
DIE ALLERDURCHLAUCHTIGSTE
KAISERINN voN ÖSTERREICH
KÖNIGINN VON UNGARN UND BÖHMEN
CAROLINE AUGUSTE.
Allergnädigste Frau!
Die Gnade, womit Seine Majestät der Kai-
ser die Zueignung meiner topographischen An-
sichten anzunehmen geruhten, hat mir die
Huld verbürgt, womit EURE MAJESTÄT
diesem Buche, als dem Seitenstücke zu je-
nem , ALLERHÖCHST Dero Nahmen vor-
zusetzen erlaubet haben.
Die Ortsbeschreibung dieser classischen
Gegend dürfte ALLERHÖCHST Dero Blick
um so mehr auf sich ziehen, als Seine könig-
liche Hoheit der durchlauchtigste Kronprinz
von Bayern den heiligen Boden hellenischer
Weisheit und römischer Regierungskunst mit
classischem Sinne, für das Grosse und Schöne
in jeglichem Zweige menschlicher Bildung und
Beglückung, zu durchwallen gesonnen ist.
* 2
Und welcher Nahme stünde würdiger an
der Spitze der Beschreibung des Olympos als
der EUERER MAJESTÄT, Allerhöchst wel-
che durch den Segen der Vorsehung auf das
Hochgebirge menschlicher Grösse und Herr-
lichkeit gestellt den Fürstinnen und Völkern
der Welt als der erhabenste Gipfel weiblicher
Tugend im reinsten ätherischen Lichte vor-
leuchten.
In der bewundernden Verehrung dessel-
ben lebe ich
Euerer Majestät -
allerunterthänigster allergehorsamster
allergetreuester
Joseph von Hammer.
Verbesserungen.
Seite Zeile
2 12 steppen statt streppen.
Z0 letzte Pococke – Pocoike.
106 in der Note Nicomedia – Nichomerlin.
116 in der Note trecentum – trecentrum.
118 7 Ianame – Irmaane.
163 9 zuzuströmen – zuströmen.
V or rede.
Es war im August 18o4, als der Verfasser dieses
Ortbeschreibenden Umblickes, damahlsk. k. Öster-
reichischer Gesandtschaftssecretär zu Constantino-
pel, sich mit Freyherrn von Bielfeld, k. preussischem
Geschäftsträger , und Herrn Stratton, k.brittischen
bevollmächtigten Minister an der osmanischen Pforte,
zu der Lustreise nach Brussa und dem Olympos, und
dem Rückwege über Nicäa und Nicomedien vereinigte.
Ausser der, bey allen an Naturschönheiten ge-
wöhnten Eingebornen nördlicher Länder begreifli-
chen, Sehnsucht, sich von einer immer vor den Augen
ausgebreiteten Meeresfläche wieder einmahl in die
höheren Gebirgsregionen zu erheben, und dem dar-
aus erwachsenen Verlangen, den Olympos zu bestei-
gen, der als der Gränzwächter des Taurus den Be-
wohnern Constantinopels in beständiger Sicht mit
unveränderlich weissbehaubtem Schnee-Haupte auf
W1II
die grossen Land- und Seemarken der Propontis und
ihrer beyden Arme, den Bosphoros und den Helle-
spontos, ernst und kalt herabschaut; ausser diesem,
nordischer und insbesondere norischer Brust ein-
gebornen, Verlangen lud uns noch zu diesem Ausfluge
der alte Ruhm und grosse Nahme der drey Haupt-
städte Bythiniens, der Residenzen der bythinischen
Könige, der bysantinischen Kaiser und der osmani-
schen Sultane, berühmt durch ihre Wichtigkeit und
Bedeutsamkeit in der Geschichte der Natur und der
Staaten; in jener, Brussa durch seine warmen Bäder
und Heilquellen; Nicäa durch seinen salpeterge-
schwängerten und doch fischreichen See; Nicome-
dien als der Schauplatz zahlreicher Erdbeben und
Grundverwüstungen: in dieser, das erste als die
Thron- und Grabstätte des osmanischen Herrscher-
hauses vor der Erbauung Constantinopels; das zwerte
durch die erste ökumenische Kirchenversammlung
und die Belagerung der Kreutzfahrer, das dritte als
Stapelstadt des östlichen Handels merkwürdig genug
Endlich reitzte uns noch die Küstenfahrt als die Uſer-
reise längs den Gestaden der beyden sich im gemein-
schaftlichen Vorgebirge Posidonium (Bosburun) be-
rührenden Meerbusen (des cianischen und des asta-
kenischen,) heute der von Modania und Isnikmid
genannt. In jenem hatten die Argonauten, die Rö-
mer und die Araber gelandet, in diesem starb Con-
IX.
stantin , ward Helene geboren und Hanibal be-
graben. Welche Erinnerungen weckten nicht diese
Nahmen in uns, besonders der des letzten zu einer
Zeit, wo die Macht des Welteroberers Napoleon noch
von keinem Hannibal gebrochen, und das feste Band
Europas noch durch keinen Völkerbundentjocht war;
wo mit jedem Couriere Nachrichten von weiter grei-
fender Eroberungssucht des Siegers und tieferer De-
müthigung der Besiegten einliefen; Hiobsposten,
welche noch überdiess durch die immer rege Ge-
schwätzigkeit perotischer Diplomatik unablässlich ver-
giftet wurden. Zum Theil also auch, um wenigstens
dieser diplomatischen Krähwinkeley, zwischen dem
Abgange und der Ankunft der gewöhnlichen halbmo-
nathlichen Post auf vierzehn Tage zu entfliehen,
und in den Armen der grossen und schönen Natur
frey zu athmen, ward dieser Ausflug unternommen
und als unverbrechliches Gesetz gemeinschaftlich
verabredet, dass binnen dieser vierzehn Tage kein
Wort von Politik gesprochen, auch der Nahme Napo-
leon von uns nicht einmahl genannt werden sollte.
Es fiel nicht schwer, das gegebene Wort zu halten;
die Schönheit der Natur und der Ernst der Geschichte
gingen sinnenberauschend und geistererregend an uns
vorüber, und wir sammelten in diesen Paar Wochen
einen Reichthum von schönen Bildern und histori-
schen Erinnerungen fürs Leben.
Wird in den Paar Stunden, welche der Leser
dem Durchfluge der Beschreibung dieses Ausflugs
schenkt, der Genius der beschriebenen Orte und
der zurückgerufenen Zeiten ihn aus diesen Blättern
anhauchen, so ist es kein leerer Wahn, dass die Ge-
genwart dieses Genius den Reisenden an Ort und
Stelle kräftig und schöpfend ergriff.
I.
Weg von der Küste nach Brussa.
Den Reisenden , der von Constantinopel die Reise nach
Brussa zu Wasser unternimmt, empfängt, als dieser
Stadt nächster Landungsplatz, die Havenstadt Modania
in dem Meerbusen, dem sie den Nahmen gibt. Die Kü-
ste gewährt dem Anblick rohen und unbebauten Landes;
gegen das Vorgebirg Triglia, an dem südlichen Ende
des Busens gelegen, schlägt das Meer an den Fuss des
sich zu selbem hinabsenkenden Gebirges, und lässt nur ei-
nen schmahlen Streif vom ebenem Ufergrund, auf dem die
Dörfer Sigle und Triglia angebaut sind, jenes zwey, die-
ses drey Stunden vom Modania entfernt. Auf dem Wege
dahin, und eine halbe Stunde von der Stadt, hängt an
dem Abhange des Gebirges ein aus zwanzig und einigen
Häusern bestehendes Dörfchen, auf türkisch Jeniköi (Neu-
dorf), auf griechisch Albanitochori (Albaneserdorf) ge-
nannt; dieser doppelte Nahme enthält die Geschichte sei-
ner Gründung, indem es vor fünf und zwanzig Jahren
von beyläufig eben so vielen albanischen Familien, die
hier eine Zufluchtsstätte suchten und fanden, angebaut
ward. Auf der andern Seite Modania's und gegen die
Mitte des Meerbusens entfernt sich das Gebirg vom Ge-
stade, das hier, bald mehr bald weniger als eine Stun-
de breit, ein wohlbebauter Küstenstrich ist; die Dörfer
Burgas (Burg oder Thurm von rupyos), oder Neochorati
(Neuburg), Altuntasch (Goldstein), Kurschunlü (Bleyern)
A
2
Gendschel (Winkelried), und Engurdschik (Gurke oder
Gurk), jedes eine Stunde von dem andern gelegen, be-
zeichnen in gleichem Entfernungen die Strasse von Mo-
dania nach dem Städtchen Gemlik in der grössten Tiefe
des Meerbusens. Die drey erstgenannten Dörfer iiegen
hart am Meere, die zwey anderen eine Stunde landein-
wärts am Fusse des Gebirges, von dem sich Salinen bis
zum Meere herab - ziehen. Engurdsche ist durch seine
Gurken, und Triglia durch seine Oliven berühmt.
Modania berändert das Meer mit einem langen Darm
ärmlicher, halbverfallener Häuser ohne Scalen oder Lam-
dungstreppen. Es gibt deren für das ganze Städtchen
eine einzige, hart an welcher sich, wie natürlich, die
Mauth befindet, ein nicht unwichtiger Posten, weil Mo-
dania die Stapelstadt von Brussa und der Ausfuhrsort
der Erzeugnisse der Umgegend ist.
Diese Stadt wurde im Jahre d. H. 761 (Chr. 1351) un-
ter Osman's I. Regierung auf seine ausdrücklich gegebene
Erlaubniss, und unter dem Segen des frommen Derwi-
sches, Hadschi Begtasch, des nachmahligen Heiligen der
Janitscharen , erobert, und das Schloss derselben, aus
Furcht der Wiedereroberung, zerstört. Die Ortsobrig-
keiten sind der Woiwoda, welcher die Einkünfte des
Grundes und Bodens, als dem Pascha von Brussa gehö-
rig und von demselben abhängig, verwaltet; der Mauth-
ner, der über die Entrichtung der gewöhnlichen Mauth-
gebühren - und insbesondere der neuen Auflagen auf die
Seide wacht, und der Richter, dessen ursprünglicher
Gehalt (die Prozesskosten und Sporteln nicht mit einge-
rechnet) auf tägliche 15o Aspern (d. i. 5o Paras) oder
3
einem und ein viertel Piaster festgesetzt ward. Sie zählt
drey Moscheen und eben so viele Chane oder Waaren-
miederlagen der Kaufleute, ein Bad, eine türkische und
eine griechische ABC Schule. Die Einwohner, mei-
stens Griechen, leben vom Garten- und Weinbau, und
Modania's Feigen und Trauben, Most und Essig stehen
im grössten Rufe. Einen neuen Anspruch darauf mag
dieser Stadt in Europa der Umstand geben, dass sie der
Geburtsort der durch ihre Schönheit, Liebenswürdigkeit
und ihren Geist viel berühmt gewordenen Sophia, ehe-
mahligen Witt und dermahligen Gräſinn Potocka ist,
welche, die Tochter eines hiesigen griechischen Wirths,
sich wohl in ihrer Jugend nie von dem in ihrem Al-
ter entworfenen Plane, in Russland eine Stadt anzu-
legen, träumen liess.
Sobald man Modania eine Viertelstunde hinter sich
hat, gegen Südwesten, und auf der rechten Seite der
Strasse gegen Brussa, liegen, mitten unter dem Weingär-
ten, die Ruinen zerfallener Mauern, deren Steine durch
die Landesbebauer neu aufgeschichtet, Gartenmauern
wider die herabrollende Erde bilden. Die VWurzeln der
Maulbeerbäume haben sich durch die Massen der Grund-
festen ihren Weg gebahnt, und grosse behauene Stein-
blöcke sind vom wuchernden VWeinlaub versteckt; diese
Mauern tragen nun, statt Thürmen, Bäume; sie schir-
men keine Stadt mehr, sondern nur Pflanzungen, und
die Fruchtbarkeit des Bodens hat ihre Rechte, wider die
Usurpation der Bauten, geltend gemacht. Diess sind,
der Lage nach zu urtheilen, die Reste der alten Stadt
Apamea, deren Nahmen sich in dem der Ruinen erhal-
A 2
4
tem hat, welche von den Einwohnern Amapoli genennet
werden. Von hier angefangen stellt das Land das schön-
ste Gemählde wuchernder Pflanzung und emsigen An-
baues dar. Man fühlt sich von allem Zauber des Him-
melsstriches Kleinasiens umfangen, und vergisst dabey,
dass man sich in der Türkey befindet. Die Strasse ist
von beyden Seiten mit Weingehegen und Maulbeerpflan-
zungen eingesäumt, wie die schönsten Strassen Italiens.
Kühle Quellen, die sich in gewölbten Behältnissen sam-
meln, oder aus Fontainen hervorspringen, tränken über-
all den durstigen Wanderer und Boden. Nach einer hal-
ben Stunde immer aufsteigenden Weges erblickt man
rechts auf der Höhe des Berges Misopolis, ein grosses
von Griechen bewohntes Dorf, und eine Stunde weiter
zieht man durch das türkische Dorf Tschakirchan, mit
einem Tschiftlik oder Meyerhof, dem Charadschoghli, ei-
nem der reichsten Bewohner von Brussa, gehörig. Die .
Strasse, die bis hierher gestiegen, senkt sich nun wei-
ter fort auf der andern Seite des Bergwalles, welcher
Brussa's Ebene von dem Meere trennt. Eine Schlucht,
durch welche sich der Weg senkt, öffnet auf ein Mahl
die grosse Aussicht der Ebene und des Flusses und des
Hügeldammes, von denen sie durchschnitten wird, und
der grossen Masse des Olympos im Hintergrunde. Nach
einer halben Stunde Weges übersetzt man den Nilufer
(Lotos Nemufar), im Sommer denselben zu Pferde durch-
watend, im Winter mittelst einer steinernen Brücke.
Dieser Strom, der als silberne Schlange auf der Paradie-
sesfläche Brussa's ausgedehnt liegt, verdient seinen schö-
nen Nahmen, sey es, dass er denselben in ältester Zeit
- 5
vom Lotos erhalten, der nach Homeros auch an den
Ufern des Simois und Skamandros üppig sprosste, sey
es, dass er demselben, wie die türkische Sage es will,
der schönen Sultaninn Nilufer, der Gemahlinn Orchan's,
dankt. Nachdem man über denselben gegangen, führt
der Weg durch das, in einer kleinen Entfernung vom
Flusse mitten unter Kornfeldern gelegene türkische Dorf
Besler (Nährend). Sanft erhebt sich der Weg durch die
Hügelreihe, die zwischen dem Olympos und dem Meere
mit dem zurückgelassenen Gebirgswalle fast gleich läuft.
Mit dem Vordringen in die Thalschluchten verliert sich
die Aussicht, und erst nach einer Stunde, bey’m Dorfe
Ahmedie, thut sich die Ebene von Brussa in ihrer gam-
zen herrlichen Weite auf, und das Auge misst in seiner
ganzen Grösse den Riesen des Olympos vom Kopfe , den -
die Stirmenbinde ewigen Schnees schmückt, bis zum Fus-
se, den die Gärten Brussa's, wie ein reiches kaschmiri-
sches Shawl umhüllen. Noch eine Stunde zieht man,
aber ohne sich, wie bisher, des Schattens der Bäume
als Schutz wider die Hitze der Sonne zu erfreuen, bis
man zum zweyten Mahle dem Nilufer begegnet, der nun
in einer ganz entgegengesetzten Richtung daher strömt,
so, dass es für den Augenblick zweifelhaft wird, ob es
wohl ein und derselbe Fluss mit dem bereits durchwate-
ten sey. Diesen Zweifel veranlasst sein schlangenförmi-
ger Lauf, mit welchem er, seine schönen Ufer mit Be-
dauern fliehend , denselben wieder sehnsüchtig entge-
gen eilt, aber dadurch auch in vielen Niederungen und
Armen austretend und Sümpfe bildend die Luft mit gif-
tigem Fieberhauch verpestet. Er entspringt in den west-
6
lichen Thälern des Olympos, umfängt denselben in sei-
ner ganzen Breite von Westen nach Osten, nimmt in
seinem Laufe alle Bäche und Gebirgsströme der östlichen
Thäler des Olympos auf, kehrt hierauf in der Richtung
seines ersten Weges zurück, umgürtet das Ende der
Hügelreihe , welche die Fläche durchschneidet, fliesst
dann längs derselben und in einer seiner ersten ganz ent-
gegengesetzten Richtung, nähmlich von Osten nach We-
sten gegen den Rhyndakos, mit dem er seine Wasser, ein
wenig ober der Mündung desselben , vereinigt.
Nächst der grossen steinernen Brücke bey dem zwey-
ten Übergange über den Nilufer ist eine grosse Fontaine,
welche Adschemler tscheschmessi (der Perserbrunnen)
heisst, mitten auf einer kleinen von Platanen beschatte-
ten Halbinsel des Flusses. Eine so mehr erquickende
Ruhestätte für den Labsalbedürftigen Wanderer, der die-
ses VVeges nach Brussa zieht, als ihm seit einer Stunde
weder Quell noch Baum liebliche Kühlung oder freund-
liches Obdach gewahret. Nur wer im Morgenlande in
der brennenden Hitze des Sommers gereiset ist, kann
mit gebührender Dankbarkeit den Werth dieser öffent-
lichen Anstalten erkennen, welche die Grossmuth und
Frömmigkeit auf den Landstrassen Kleinasiens und Sy-
riens vervielfältiget hat. Der Reisende, von Hitze er-
mattet und von Müdigkeit erschöpft, segnet vom Grun-
de seines Herzens den Stifter oder die Stifterinn, welche
eine Inschrift in Prose oder Versen mit passenden Sprü-
chen aus dem Koran oder dem Chronographe der Er-
richtung meldet. Aus allen frommen Stiftungen, welche
die Religion des Moslim's, als gute Werke, mit einem
7
Verdienstdiplom für diese und jene Welt adelt, sind
Brunnen und Brücken, wenn nicht (wie Moscheen und
Schulen, Krankenhäuser und Armenküchen) die verdienst-
lichsten für den Stifter, doch (nebst den Karawanserais)
die erspriesslichsten für den Sohn der Strasse, welcher
ohne dieselben auf seinem Wege, durch den Überfluss
der Ströme aufgehalten, oder durch den Mangel an Quel-
len verschmachten würde; daher auch viel verdienst-
licher als die frommen Stiftungen der Bäder und Brun-
nenhäuser in den Städten, welche durch gehitztes und
eisgekühltes Wasser bloss für Reinlichkeit und Sinnes-
lust sorgen. -
Die Fluth des unmittelbar vor dem Eingange Brus-
sa's gelegenen Perserbrunnens *), welche aus mehr als
einer Röhre gewaltsam hervor sprudelt und ganz allein
einen Bach bildet, verkündet im voraus den Überfluss
des Wassers, der den Wanderer auf der itzt aufsteigen-
den Höhe des Olympos und in der Stadt erwartet, de-
ren Kuppeln und Thürme nun mitten aus dem grünen
Gewirre von Gärten und Pflanzungen hervor scheinen.
Das Dorf, oder vielmehr die Vorstadt Tschekirdsche , auf
der unmittelbar von der Fontaine an sich erhebenden
Höhe gelegen, stellt sich mit der grossen Moschee und
seinen Bädern als das schönste Gemählde dar. Von Seite
der Stadt laufen mehrere Strassen, alle mit grossen Stei-
*) Durch den Nahmen dieser Fontaine ward Le Chevalier vermuth-
lich veranlasst, die entscheidende Schlacht zwischen Timur und
Bajasid aus der Ebene von Angora in die von Brussa zu verlegen,
was eben so unrichtig ist, als der auf seiner Karte gezeichnete
Rinnsal des Nilufer, der bey ihm in gerader Linie dem Meere
zulänft.
8
men gepflastert und von grossen Bäumen beschattet, auf
den Perserbrunnen als ihr gemeinschaftliches Gesichtsziel
aus. Die grösste derselben führt von hier, fast geraden
Weges und immer aufwärts, an die Thore der Stadt. Erst
glaubt man sich nur in der Allee eines grossen Gartens;
das üppige Wachsthum der Bäume verbirgt von allen
Seitem die Aussicht, nur die höchste Kuppe des Olymps
erscheint am Ende der Allee wie die Kuppel eines gros-
sen Gebäudes an dem Ende einer Allee eines grossen
Parks. Immer führt der Weg hinauf unter dem schwei-
genden Schatten, wie der Probepfad des Pythagoräers
unter Schweigen zur Vollendung. Auf ein Mahl stören
die heilige Stille zwey Fontainen, welche von beyden
Seiten des Weges ihre Wasser murmelnd sich einander
entgegen giessen; rechts erhebt sich ein Felsen, ganz
mit Grün bekleidet, und links ein mahlerischer Köschk,
und hier thut sich die volle Aussicht des Zaubertha-
les auf.
Ein unermesslicher Hain von Maulbeerbäumen, de-
ren wogende Gipfel ein weites Meer bilden, das, so
fern die Blicke reichen, grüne Fluthen schlägt. Aus der
Mitte desselben erheben sich, als Zauberinseln, die ma-
jestätischen Dome der grossen Bäder, die im Sonnen-
glanze wie die Magnetberge oder Demantkuppeln im
grünen Meere der blauen Mährchen der tausend und ei-
men Nacht strahlen. Mit jedem Schritte näher gegen die
Stadt belebt sich die Scene mit neuem Zauber. Köschke,
Fontainen, Bäder und Moscheen erheben sich überall,
oberhalb der Strasse auf dem Berge, und unterhalb der-
selben im Thale, und nachdem der Blick eine halbe
9
Stunde lang von Domen zu Kuppeln geflogen, und von
den Spitzen der Minares zu dem Gipfeln der Cypressen
auf den goldenen Seilen der Abendsonne hin und zu-
rückgetanzt hat, hemmt seine weiteren Ausflüge das
Stadtthor Beschikler kapissi (das Wiegenthor) genannt.
II.
B r u s s a.
Die Stadt Brussa besteht aus der eigentlichen Städt,
aus dem Schlosse und aus den Vorstädten. Das Ganze
bildet eine Binde von Gebäuden in der Länge einer Stun-
de und kaum eine Viertelstunde breit, welche auf dem
letzten Abhange des Olympos dem Fuss desselben als eine
prächtige Sandalenbinde umfängt. Eine einzige Schlucht,
Gögdere (das himmlische Thal) genannt, durchschneidet
die Stadt und verlängert ihre Mündung bis jenseits der-
selben in die Fläche hinaus. Die Vorstädte stossen an
die äussersten Ende dieser langen Fussbinde desOlympos,
und das Schloss erhebt sich in der Mitte der Stadt über
senkrechten Felsen. Man ersteigt dasselbe von der Nord-
seite aus durch das Tellerthor (Tabak kapissi), von der
Ostseite durch das Erdenthor (Jer kapissi), und von der
Westseite durch das Bäderthor (Kaplidscha kapiss).
Diese drey Thore führen von der Stadt hinauf; oben
aber geht man von der Seite des Bergs, d. i. von der
Südseite hinaus durch das Kerkerthor (Sindan kapiss)
- a
IB
IO
und das VWasserthor (Su kapiss). Diese führen auf einen
schmahlen Streif von VWiesen und Gärten, welcher den
Rücken des Schlosses von den Höhen des Olymps trennt.
Der Weg geht hier ebenen Fusses heraus, ungeachtet
der beträchtlichen Höhe, die von der Seite der Stadt zu
erklimmen ist.
-
Die vorzüglichsten Vorstädte sind: von der West-
seite, woher der Weg von Modania führt, das Dorf
Tschekirdsche (Heuschreke), auf dem östlichen Abhan-
ge des Olympos unmittelbar ober der Perserfontaine ge-
legen; in der Ebene die beyden grossen Badeörter Eski
Kaplidscha und Jeni Kaplidscha *), d. i. das alte und
neue warme Bad; an dem anderen Ende der Stadt, auf
dem Wege der von Nicäa her führt, liegt die Vorstadt
Emir Sultan mahallessi, d. i. das Viertel des Heiligen Emir
Sultan.
- Die Vorstädte von Tschekirdsche und Emir Sultan
zeichnen sich dem Auge des Reisenden, der von einer
*) Der Nahme Kaplidscha ist aus dem griechischen zart»c; d. i.
Rauch, entstanden, weil alle heissen Quellen dampfen; der ei-
gentliche türkische, und sonst in Kleinasien übliche Nahme ist
Ilidsche; auf Persisch heissen die warmen Bäder Germ ab, d. i.
warmes Wasser, oder Teb ris d. i. lauſliessend. Das persischc
Germ ist augenscheinlich dasselbe Wurzelwort, als das deutsche
warm, und Teb findet sich in den Ortsnahmen mehrerer euro-
päischen warmen Bäder, die Teplitz heissen, wieder. Vielleicht
dürfte auch das altdeutsche Dobel, das einen Wald bedeutet,
zunächst nur das Gebüsch um warme Quellen bedeutet haben,
und daher Dobelbad und Döbling ihren Nahmen ursprünglich
aus dem persischen Teb (Lau) ableiten können. Da das grie-
chische Geºpa auch aus dem persischen Germ entstanden ist,
so hat der Türke durch Kaplidscha vom Griechen für dieselbe
Sache ein anderes Wort übernommen, als ihm der Perser
gegeben.
I1.
dieser beyden Seiten kommt, durch zwey schöne Mos-
cheen aus. Die erste vom Oberrichter Sultan Orchan's
erbaut, stehet noch in der einfachen VWürde der alten
Baukunst da, die zweyte durch Feuer im Anfang dieses
Jahrhunderts zerstört, ward seit dem mit aller Zier-
lichkeit der neuen Baukunst wieder hergestellt. Wie
diese beyden Moscheen als Vorwachen der Frömmigkeit
und Andacht sich an den beyden äussersten einander
entgegengesetzten Zugängen der Stadt erheben, so ste-
hen zwey andere unmittelbar an den beyden einander
entgegengesetzten Eingängen der Stadt; auf der West-
seite die von Sultan Murad, und auf der Ostseite die
vom Sultan Bajasid; eine und die andere gewähren höchst
mahlerische Gesichtspuncte, die erste durch die Höhe
ihrer Dome und der Cypressen, die sie beschatten, die
zweyte durch die edle Einfachheit des Peristyls und ih-
rer Form. In der Stadt selbst ragt die grosse Moschee,
welcher dieser Nahme ausschliesslich vor allen ande-
rem wohl gebühret, durch ihren Kuppelwald, unzerstört
von den Verheerungen des Wetters und des Feuers, weit
hervor. In dem Umfange des Schlosses ward die alte
Cathedralkirche durch Orchan in eine Moschee verwan-
delt, und auch eine andere von ihm inner den Mauern
des Pallastes der erstem Sultane der Osmanen erbaut.
Endlich zeichnen sich noch die beyden Wallfahrtsorte
von Murad Abdal und Séid Nassir aus, welche hinter dem
Schlosse auf einer ziemlichen Höhe des Olympos gele-
gen, die Stadt und die schöne Aussicht rings umher be-
herrschen. Nachdem wir uns auf solche Art in der Ört-
lichkeit der Stadt durch ihre Lage und hervorspringen-
B 2
1 2
den Gebäude orientirt, wollen wir im Einzelnen ihre
Natur- und Kunstschönheiten, ihre Spatziergänge, Was-
ser und Bäder, ihre Moscheen, Klöster , Grabmahle
und das Schloss besuchen. »
1.
D ie Sp a t zi e r gä ng e.
Bekannter Massen liebt das Volk, so im Morgen- als
Abendlande, runde oder merkwürdige Zahlen, um da-
mit die Grösse und den Umfang irgend eines grossen
Denkmahls der Baukunst bedeutsam auszudrücken. Die
bescheidensten sind die Vierziger, die prahlendsten die
Tausend und Einen, und zwischen beyden stehen die
Dreyrhundert fünf und sechziger. Den ersten danken ihren
Nahmen die Ruinen von Persepolis Tschehel sutun , d. i.
die vierzig Säulen, die Stadt Saranda eklisie, d. i. die vier-
zig Kirchen, und die Wasserleitung Suleimans des Gros-
sen zu Constantinopel Kirk tscheschme, d. i. die vierzig
Brunnen zu Constantinopel, so, dass der Perser, Grie-
che und Türke (durch Tschehel, Saranda und Kirk) ein-
stimmig den hohen VWerth der Zahl vierzir ehrt. Die
phantastische Zahl der Tausend und Einen Nacht (wel-
che die Franzosen in Tausend und Einen Tag, Stun-
den und Viertelstunden nachgebetet haben, welche aber
auch aus dem persischen Roman Elfie we schelfie, d. i.
die Schöne mit Tausend und Einem Liebhaber, im Persien
sehr berühmt ist), haben die Türken als Ortsnahmen so-
wohl der grössten Cisterne zu Constantinopel, welche
13
sie Tausend und Eine Säule nennen, als einer der schön-
sten und wasserreichsten Alpen Kleinasiens, welche Tau-
send und Ein, oder öfters auch rundweg Tausend Seen
heisst, beygelegt. Die Zahl von Dreyhundert und fünf und
sechzig endlich, als die der Tage des Jahres, diente von
je her , sowohl im Morgen - als Abendlande, um bey
grossen Pallästen und Städten die Zahl ihrer Fenster und
Kirchen zu bezeichnen. So mennet dieselbe dem Besu-
cher bey uns der Führer durch die Palläste Czernin's
und Herberstein's zu Prag, und Eggenbergs bey Grätz,
und die morgenländische Sage zählt in mehreren Städ-
ten, wie z. B. in Famagusta auf Cypern, und in An-
tiochien dreyhundert und fünf und sechzig Kirchen auf,
und so auch in Brussa dreyhundert fünf und sechzig Be-
lustigungsorte und Spatziergänge.
Der grösste Liebhaber von Spatziergängen würde
sich umsonst Mühe geben, diese angegebene Zahl mit
bestimmten Nahmen und Richtungen hier zu erfragen,
und wird, wenn er Brussa besucht, uns Dank wissen,
dass Dreyssigstel dieser Zahl , d. i. statt dreyhundert
sechzig , zwölf, und also statt für jeden Tag, doch für
jeden Monath des Jahres, einen mit bestimmter Benen-
mung und Wegeweisung aufgefunden zu haben.
Den drey schönsten, vom Quellenhaupte, vom Him-
melsthale, und vom Nelkengarten, wird in dem folgenden
Abschnitte bey Gelegenheit der Wasser, welche dort
entspringen, das gehörige Lob; von drey anderen,
nähmlich von den Spatziergängen Murad Abdal's, Séid
Nassir's, und des Mewlewichane, wird bey Gelegenheit
der Grabmahle und Klöster, von denen sie den Nahmen
1
führen , Erwähnung geschehen - und die sechs übri-
gen sind:
Fsstikli (der Piniengang), ein heimliches Dickicht
von Pinien und Cypressen.
Kapl kaja (der bedeckte Fels), ein mit Wald und
Wiesen geschmücktes einsames Felsenthal, das der Ab-
geschiedenheit willen die Nachtigall zu ihrem Lieblings-
aufenthalte erwählt.
Tschamlidscha (das Tannengehölz), eine dichte Wald-
masse von Tannen und schattigen Bäumen, welche den
Wanderer aus den Paradiesen des Ostens in die Haine
des Nordens zurück zaubern.
Das Köschk Abdol-Mumins, (das Lusthaus des Die-
mers des Gläubigen) ein herrlicher Erlustigungsort, der
sich auf der ersten Stufe des Olympos hinter dem Schlosse
wie das schöne Lustschloss Röthelstein auf dem Kloster-
kogel gegenüber dem herrlichen Alpenstifte Admont in
der Steyermark, erhebt.
.. Ain assa (der Quell des Stabs), eine halbe Stunde öst-
lich von der Stadt am Saum des Olympos, ein grosser
VVald edler Kastanien, deren Früchte ihrer Grösse we- -
gen nicht minder berühmt sind, als der hier hervor-
sprudelnde reine Quell, welchen der Heilige Emir Sul-
tan, ein zweyter Moses, mit seinem Wunderstabe hervor-
gerufen haben soll.
Sobran, ein wilder Kastanienhain, den weder An-
bau noch Sage, sondern bloss die schöne Wildniss der
Natur als anmuthigen Spatziergang empfiehlt.
Diese Haine von Cedern und Cypressen, von Platanen
und Pinien, von Kastanien und Tannen, durch den reich-
15
sten Überfluss an klaren Quellen und springenden Brun-
nen bewässert, diese Frische des Schattens und des Grüns,
diese Üppigkeit der Früchte und der Wasser, welchc
das Morgenland von je her seinen Paradiesen, und der
Koran wörtlich dem des Islam's zum Grunde gelegt hat,
würden hinreichend gewesen seyn, den Ruhm der schö–
men Lage Brussa's im ganzen Morgenlande zu verbrei-
ten, wenn auch diese Vorzüge der Natur die ersten Sul-
tane der Osmanen nicht bewogen hätten, ihr vor an-
deren Städten den Vorzug zu geben - und hier ihre Re-
sidenz aufzuschlagen, wenn sie auch nie weder durch
ihre Seidencultur, noch durch ihre Sammetfabriken als
eine der ersten Handelsstädte Anatolien's geblühet hätte.
Morgen- und abendländische Erd- und Reisebeschreiber
haben im Osten und Westen nur zwey Städte gefunden,
welche durch die Schönheit ihrer Lage und den Reich-
thum ihrer Naturgaben mit derselben verglichen zu wer-
den verdienen, Damaskus und Granada. Beyde diese
Städte, die Residenzen der Chalifen aus dem Hause Om-
miah im Orient und Occident, sind von syrischen und
andalusischen Dichtern im höchsten Glanze arabischer
Poesie gefeyert worden, und Lobredner haben auf die-
selben die Koranstellen von der Schönheit des Para-
dieses angewendet. Eben so haben türkische Dichter
die erste Residenz der Sultane aus der Familie Osman
im höchsten Schwunge des Liedes gefeyert, und in ih-
rem Schehr engis, d. i. Stadtaufruhr, genannten Lobge-
dichten, nicht nur die Schönheit der Frauen und Jüng-
linge Brussa's als die ganze Stadt durch Liebe in Aufruhr
setzend, sondern auch die Schönheit der Stadt selbst
16
als eine solche gepriesen, welche die schönsten Städte
der Welt durch Eifersucht in Aufruhr setzt.
„“
2-
D ie PV a ss e r.
Überall begegnet der Blick einer unzählbaren Men-
ge von Quellen und Brunnen vom kalten und warmen
Fluthen; sie schiessen aus den Felsen, sie sinken aus
den Mauern hervor, sie fliessen in Canälen unter den
Füssen und in Wasserleitungen ober dem Haupte, sie
rieseln und schlängeln sich auf der Erde und längs der
Strasse in allen Richtungen fort, sie steigen in künstli-
chen Röhren auf, und stürzen in natürlichen Fällen
herab, sie befeuchten den Teppich der Gärten, und le-
gen den Staub der Wege, sie sieden und sprühen, sie
kosen und tosen, sie springen und singen von allen Sei-
ten, als die grosse lebendige Wasserorgel der Natur. Un-
ter diesem überall regen Gewimmel und Getümmel kal-
ter und warmer Wasser, welche in Brussa dem Wande-
rer auf allen Schritten und Tritten, rechts und links,
oberhalb und unterhalb des Weges, aus Felsen und Be-
hältern, aus Brunnen und Fontainen, aus Canälen und
Bädern entgegen sprudeln, murmeln, fluthen und dam-
pfen, zeichnen sich drey kalte Quellen aus, so reichhal-
tig, dass sie gleich bey ihrem Ursprung Bäche bilden,
und mit ihrem Wasser die verschiedenen Quartiere der
Stadt versorgen; dann sieben warme Quellen so heil-
sam, dass man dieselben mit Gebäuden umfangen, und
17
dass durch sie Brussa schon von der ältesten Zeit her im
Morgen- und Abendlande weit berühmt geworden.
Drey Bäche sind: der vom Bunarbaschi , welcher,
wie der Scamander auf Troja's Ebene, ausschliesslich
das Quellenhaupt heisst; der von Gögdere, d. i. vom himm-
lischen Thale, und der vom Aktschaghlan, sonst auch das
Wasser Mir Alischir's genannt. Diese drey Wasser sind
gleich berühmt durch die Schönheit der Gegend, wo
sie dem Olympos entquellen, und durch die krystallhelle
Klarheit und Vortrefflichkeit ihrer Fluthen.
Der Bunarbaschi oder das Quellenhaupt entquillt um-
mittelbar unter dem VVallfahrtsorte Murad Abdals hin-
ter dem Schlosse. Die Hauptquelle, welche rein und
silbern, wie eine der Paradiesesquellen aus dem Felsen
springt, wird von einem Canale aufgenommen, in des-
sen marmorne Wände Soffa's gehauen sind. Hier ver-
sammelt sich zu allen Stunden des Tages eine Menge
von Natur- und Neuigkeitsliebhabern, von Neugierigen
und Müssigen, von Rednern und Horchern, von Mü-
den und Munteren, vom Kranken und Gesunden, von
Einheimischen und Fremden, die auf weichem Teppi-
chen gelagert in langen Zügen die Düfte des Tabaks und
die Würze des Kaffeh's einschlürfen; in süsses Geschwätze
oder in noch süssere Träumereyen versenkt, sitzen sie
am Rande dieses Canals, dessen helle Fluth den weissen
Glanz des Marmors, durch den sanften Wiederschein
grüner Lauben und des blauen Himmels gemildert, zu-
rückspiegelt. Der Moslim wähnt sich hier im voraus am
Rande des Selsebil's, d. i. des Paradiesesquell's, der silbern
in silbernes Becken springt, und den ihm die Huris mit
C
18
Silberleib und Silberstimme credenzen werden. Die Stel-
le der Huris vertreten unterdessen hier die Weiber der
Stadt, welche wie Nausikaa hierher kommen, ihre Wä-
sche zu waschen"), zunächst ganz nah am Canale bey'm
Zusammenfluss von fünf anderen Quellen, welche jede
beyläufig einen Arm dick hier der Erde entquellen, sich
dann mit den Wassern des Canals vereinigen, und mit
demselben in das Schloss fliessen, nicht weit vom VVas- -
serthore , das davon seinen Nahmen erhalten. -
Vor dem zweytem Thore des Schlosses, dem Kerker-
thore Gindan kapissi),“ erhebt sich ein gemauerter Pfei-
ler, in welchem das Wasser hinauſsteigt und wieder
herabfällt, weil es nach den Begriffen der türkischen Hy-
drostatik hiedurch mehr Kraft erhalten soll, um den
gegebenen Punct , wohin es geleitet wird, in aufsteigen-
der Richtung zu erreichen. Diese sogenannte Wasser-
waage Su terasussi, (schon von Plinius Libramentum
aquae geheissen), erbaute ein Beg der Mamluken, der
aus Kairo nach Brussa geflüchtet, und durch dieses bey
dem Überfluss der vom Olymp überall gewaltsam her-
abströmenden Wasser gewiss sehr überflüssige Denk-
mahl der Stadt einen öffentlichen Beweis seiner Dank-
harkeit dafür hinterlassen wollte; dass er für die Fluthen
des Nils in den reineren und kühleren des Olymps so
schönen Ersatz fand. Die halbverfallenen Mauern und
*) Diese Sitte, wodurch die Weiber doch mehr gesehen werden,
als in anderen türkischen Städten, erklärt auch, warum türki-
sche Dichter von Brussa mehr Schönheitsbeschreibungen, Stadt-
aufruhr (Schehrengis) genannt, verfasst haben, als verhältniss-
gässig deren von den Schönheiten Constantinopels, Adriano-
Pels, oder anderer türkischen Hauptstädte gesungen worden sind.
I
die zerworfenen Thürme des Schlosses in der Mitte Ä
blühendsten und üppigsten Wachsthums der Natur flös-
sem eine süsse Melancholie ein, welche durch die hohen
Cypressen und die Grabsteine zu beyden Seiten des We-
ges noch erhöht wird. Dieser Gang, auf einer Seite durch
die Felsenwände des Olympos, und auf der anderen durch
die Steinwälle des Schlosses eingeengt, von den Mauern
der Natur und der Menschenhände umdämmt, welcher
zuletzt nur zu Grabmahlen leitet, ist ein treues Bild des
Ganges durch's Leben,
Der zweyte Bach , nähmlich der von Gögdere, d. i.
dem Himmelsthale, bricht eine halbe Stunde östlich vom
Bumarbaschi in einer nicht minder mahlerischen Gegend
hervor. Er stürzt in Wasserfällen durch die Schlucht
herab, in welche das Gögdere , d. i. Himmelsthal, ausläuft.
Dieses ist das grösste von allen Thälern des Olympos;
und das einzige, welches, seine Mündung mitten durch
die Stadt verlängernd, dieselbe durch eine tiefe und wahr-
haft majestätische Felsenkluft durchschneidet. Da diese
enge Schlucht die einzige Mündung des ungeheueren
Himmelsthales ist, welches, wie wir bey der Besteigung
des Olymps sehen werden, sich so zu sagen bis in den
Mittelpunct desselben erstreckt, so lässt es sich leicht
begreifen, mit welcher Wuth die Wasser hier, wenn
der Schnee schmilzt, herausbrechen. Man kann sich in
der schönen Jahreszeit einen Begriff davon machen,
wenn man von der Brücke, welche über diese Felsen-
kluft führt, die ungeheuren Felsenstücke betrachtet,
welche in der Tiefe derselben über einander geschich-
tet liegen; sie wurden mit Donnergepolter herunter ge-
C 2
2O -
rollt von dem wüthemden Wassern, welche manchmal
die ganze Schlucht als ein einziges Rinnsal eines fürch-
terlichen Wasserfalls ausfüllen, sich bis zu der Höhe
der Felsenufer erheben, und die über denselben hängen-
den Häuser wegreissend, sie in den Abgrund stürzen.
Der dritte Bach, Aktschaghlan , oder das - Wasser
Mir Alischir's genannt, entspringt an dem östlichen Ende
der Stadt in einer herrlichen Gegend, Karanfilli, d. i.
die Nelkenreiche, gehéissen. Dieser Bach versieht die
Vorstadt von Emir Sultan, und geht dann in einer von
ziegelgemauerten Bögen getragenen Wasserleitung nach
der Moschee Sultan Bajasid's des Ersten.
Nirgends finden die aus dem Koran genommenen
Sagen von dem Lebensquelle , den Chiser im Lande der
Finsterniss hüthet, und der ebenfalls daraus entlehnte
Spruch: Min el-mai küllun schejun haij, d. i. das WYas-
ser hat Leben allen Dingen gegeben, eine glücklichere An-
wendung als in Brussa , wo tausend Lebensquellen in
der grünen Nacht der Platanen- und Kastanienhaine
sprudeln, wo Chiser, d. i. der allbegrünende Genius des
Frühlings und der verjüngenden Naturkraft, Berg und
Thal mit dem üppigsten Grün bekleidet, und durch das
immer rege Geräusch und Gemurmel der Quellen das
Leben der Erde sich so laut ausspricht.
5.
D ie B ä de r.
Bey dem Überflusse des Wassers und der Vorliebe
der Morgenländer für Bäder, welche ihnen das Gesetz
21
als Reinigung auflegt, lässt sich ieicht auf die grosse
Anzahl von Bädern in Brussa schliessen. Ohne von den
geheitzten in Privathäusern zu sprechen, deren Zahl
von den Einwohnern auf drey tausend angegeben wird,
ist hier nur von den natürlich warmen und öffentlichen
Bädern die Rede, sieben an der Zahl, wovon sich vier
in der Ebene am Fusse des Berges, und drey auf dem
letzten Abhange desselben in der Vorstadt von Tsche-
kirdsche befinden. Die vier ersten sind: Eski Kaplidscha,
das alte warme Bad; Jeni Kaplidscha, das neue warme
Bad; Kökärdli, das Schwefelbad; und das vom Kara
Müstafa.
Die Anordnung der Baukunst in diesen Bädern ist
fast die der gewöhnlichen, von denen sie sich nur durch
grössere oder mindere Pracht des Baues unterschei-
den. Sie bestehen aus drey grossen Abtheilungen: der
grosse Saal, wo man sich beym Eintritt in das Bad
und bey dem Austritt aus demselben entkleidet und an-
kleidet; das Mittelstück zwischen dem Kleidezimmer
(Dschamegan) und dem eigentlichen Bade, um nicht aus
der grössten Hitze desselben unmittelbar mit der äusse-
ren Luft in Berührung zu kommen; endlich das eigent-
liche Bad, wo das grosse Wasserbecken das Gemeinbad
ist. Unmittelbar von diesem Saale führen Thüren in klei-
me rings um denselben angebaute Cabinete, jedes mit
einem besonderen heissen Springquell versehen, zur
Bequemlichkeit derjenigen, die sich hier mit dem heis-
sen Wasser bloss abwaschen, und nicht in dasselbe tau- -
chen wollen.
Der Kleidersaal ist ein grosses längliches Viereck von
22
vielen grossen Fenstern erhellt, von dem sich den be-
sten Begriff machen kann, wer die herrlichen Speise-
säle österreichischer Stifter gesehen. In der Mitte sprin-
gen mehrere Quellen krystallreinen kalten Wassers, die
dazu dienen, die Badegäste zu erfrischen, und ihre
Wäsche auszuwaschen. Die Nachbarschaft kalter und
warmer Quellen hat in Brussa gar nichts Befremdendes,
indem sie an vielen Orten hart neben einander entquel-
len, ohne dass die Gluth der einen der Eiskälte der an-
dern Eintrag thut. Die Natur scheint damit ihr Spiel zu
treiben, indem sie dieselben kalt und warm, rein und
mineralisch, unvermischt so nahe meben einander fort-
laufen und hervorquellen lässt, und die Kunst ahmt
nur die Natur nach, indem sie öfters kalte und warme
Quellen in dieselbe Fontaine zusammenleitet, so, dass
man am selben Brunnen mit der einen Hand einen war-
men, und mit der andern einen kalten Wasserstrahl auſ-
fangen kann. Rund um die VWände des Kleidersaals lau-
fen auf der Erhöhung einer hölzernen Ballustrade die
Soffas, auf denen man ruhet und raucht, bey der Pfeife
Kaffeh und Sorbet trinkt, und sich dem behaglichen
Zustande des sorgenfreyen Nichtsthuns überlässt, wel-
chen der Italiener mit dem Il dolce far niente, und der
Türke mit einem einzigen ausdrucksvollen Worte Kéif*)
benennt.
Der Mittelsaal, ebenfalls ein Viereck, hat beyläufig
G
*) Kéif hat im Arabischen die doppelte Bedeutung von dem Frage-
worte Wie? und dem Hauptworte Wohlseyn. Käf këfek heisst:
wie befinden Sie sich? wörtlich: wie ist dein Wohlseyn ? Keif-
jat oder JYohlseyensmittel heissen alle erlaubte oder unerlaubte
-
23
die Grösse des vorigen ohne irgend etwas Auszeichnen-
dem oder besonderer Bequemlichkeit. Er ist schon mit
Hitze und Dampf gefüllt, der aus dem Innern des Ba-
des hervordringt. Hier ist's warm genug für die, so von
der äusseren Luft kommen - und frisch genug für die,
so dem Hitzbade entsteigen. Es ist gleichsam das Fege-
feuer für die, welche die paradiesische Kühle und das
Quellengemurmel des äusseren Saales verlassen haben,
und für die, welche der höllischen Hitze des dampfen-
den Wasserbeckens entflohen sind.
Der dritte Saal oder das eigentliche Bad ist immer
mit einer nur von oben durch Fenster erhellten Kuppel
bedeckt, entweder eine Rotonde, oder ein regelmässi-
ges Vieleck, worin der Kreis des heissen Wasserbeckens
beschrieben ist. Hier ergiesst sich der heisse Quell durch
eine armdicke Röhre gerade gegenüber dem Eingange
aus dem Mittelsaal; auf jeder Seite des Vielecks sind
andere Röhren mit Hahn und Pippe , oder besondere
Cabinete mit marmornen Waschbecken für eine oder
höchstens zwey Personen angebracht. Das Innere der
grossen und prächtigen Bäder ist durchaus mit geglätte-
tem Marmor bekleidet, so, dass die wogende Fluth des
Beckens und der Wiederschein der darin Badenden und
Schwimmenden von den Wänden auf den Boden, und
von diesem wieder in die Höhe zurück gespiegelt wird.
Die VWirkung dieses Zauberwiederscheins von silberrei-
nen, schönen, jugendlichen Körpern wird häufig in der
Reitzmittel und Sinnengenüsse, welche das Wohlseyn wenig-
stens für den Augenblick erhöhen, wie Kaffeh, Tabak, Wein,
Opium, u. s. w.
24
Beschreibung türkischer Bäder von Dichtern und Nicht-
dichtern gepriesen, welche die in dem Becken des Ba-
des sitzenden Frauen oder schwimmenden Jünglinge mit
der Lotosblume auf den Wassern, oder mit den Engeln
in dem Wasserbecken des Paradieses vergleichen.
Eines der berühmtesten Gedichte auf die warmen Bä-
der von Brussa, dieses eigentliche Baden des osmanischen
Reichs, ist das folgende aus Nedschati, einem der gröss-
ten türkischen Dichter, in sieben Doppelversen:
-
Dschennete dönmischdür elkissa jaran Kaplidscha.
Zum wahren Paradiese ward, o Freunde, Baden;
Der Seelen und Peris *) Versammlungsort ist Baden;
Es wandeln hier Peris wohl tausend in der Frühe,
Das Siegel Salomons **), man findet es zu Baden-
Ein Strom Verliebter folgt den Schönen reissend nach,
Es lacht von Liebesgluth der heisse Quell von Baden.
Die Gäste würden nicht den Weg in Schaaren decken,
Wenn sie, wie Abraham ***), nicht freundlich liebten Baden.
Für Jeden, der sich naht vom menschlichen Geschlechte,
Für jeden Schmerz beut, Gott sey Dank! ein Mittel Baden.
*) Peris, die luftigen und duftigen, aus Licht und Glanz geschaf-
fenen weiblichen Genien der Perser, die als Fairies aus dem
Morgenlande in's Abendland eingewandert sind.
**) Das Siegel Salomons ist den türkischen Dichtern das Bild
schöner Lippen, welche die Farbe des schönsten Carniols oder
Rubins haben. Übrigens könnte hier noch eine mystische Anspie-
lung auf das Bad zum Grunde liegen, indem auch bey den Gno-
stikern die Taufe das Siegel genannt ward. LXXXIII. Theodoti
Exccrpta. -
***) Abraham steht hier als Muster der Gastfreundschaft, indem
cr Menschen und Engel gastfreundlich bewirthete.
25
Von allen Städten bleibst du stets das Schönheitskorn *),
Obwohl zur Lockung dich die Weisen brauchen, Baden.
Den armen Nedschati erfreu' mit Freundesanblick,
Das Schwere selbst wird leicht in deinen Mauern, Baden.
1) Eski Kaplidscha, die alten Bäder, sind die heisse-
sten, so heiss, dass unmittelbar an der Quelle Eyer ge-
sotten werden können, aber auch die heilsamsten für
alle Gattungen von Hautkrankheiten. Der Dom , welcher
dieselben deckt, wurde von Murad dem Ersten erbaut.
Unter der Erde sind Gewölbe, durch welche das Was-
ser von oben herunterstürzt und abfliesst. Durch den
Absturz von der Höhe dieses unterirdischen Gewölbes
hat sich auf dem Grunde desselben von dem Satze des
VVassers und den kleinen Muscheln, die es mit sich führt,
eine Art von Canal aus Muschelkitt aufgemauert gebil-
det, welcher an Festigkeit einem marmornen Canalbette
nichts nachgibt. Dieses unterirdische Gewölbe hat durch
die Einfachheit seiner Bauart einige Ähnlichkeit mit den
Gewölben des Gebäudes von Altkairo, wo das Wasser
aus dem Nile gehoben wird, um durch die Wasserleitung
Bis in's Schloss zu gelangen. An jedem Ecke des Be-
ckens sind besondere Röhren angebracht, aus denen das
Wasser sich ergiesst. Es hat nur zwey besondere Bade-
cabinete, und der Kleidersaal ist weder so geräumig
noch so kühl, als die Kleidersäle bey den neueren Bädern,
ausgenommen bey den kleinsten derselben, nähmlich:
2) bey dem von Kara Mustafa Pascha , durch dessen
Bau der Grosswesir dieses Nahmens, so wie Rustem Pa-
*) Das Schönheitskorn der Wangen ist das Muttermahl, womit hier
Brussa seiner Schönheit wegen verglichen wird.
D
26
scha durch den Bau des folgenden sich verunsterbli-
chet hat. -
3) Jeni Kaplidscha, das neue Bad, das prächtigste und
herrlichste von allen, zwischen dem alten Bade und zwi-
schen der Stadt auf felsigem Grunde gelegen. Die Kup-
peln desselben sind, wie die des alten Bades, alle mit
Bley gedeckt, aber die Bekleidung der Wände und das
Pflaster des Bodens, welche sich gegenseitig die von oben
einfallende Lichte und den Glanz des Wasserbeckens
zurück spiegeln, erheben es zum Einzigen in seiner Art.
Es war vormahls ganz unscheinbar und durch kein be-
senderes Gebäude ausgezeichnet, bis Suleiman der Grosse,
welcher hier vom Podagra geheilt ward, seinem Gross-
wesire Rustem Pascha dasselbe mit einer Kuppel zu de-
cken befahl. Der Grosswesir führte den Befehl seines
Herrn in diesem herrlichen Werke auf eigene Kosten
aus, und die gerechte Nachwelt nannte es nach des We-
sirs und nicht nach des Sultans Nahmen. Vermuthlich
hätte Suleiman, der allen grossen unter seiner Regie-
rung unternommenen Werken seinen Nahmen an die
Stirne zu heften wünschte, sich gerne den Nahmen die-
ses Baues, wie jenen der grossen steinernen Brücke in
Rumili, Mustafa Pascha's Brücke genannt, angeeignet,
aber weder Mustafa , noch Rustem Pascha verloren den
ihnen schuldigen Dank, und so Brücke als Bad tragen
noch heut ihren Nahmen. Dem des Erbauers des Bads
nennt eine Inschrift in Fayence unmittelbar ober dem
Eingange im's Hitzbad. Das grosse Becken desselben hat
nicht weniger als siebenzig Schuhe im Umfange, und der
Wasserstrahl der Hauptquelle nicht weniger als drey
27
Zoll im Durchmesser. Er ergoss sich ehemalils aus dem
Rachen eines marmornen Löwen, der heute nicht mehr
da ist. Vielleicht war dieser eine Nachahmung des be-
rühmten Löwenbrunnens zu Granada , mit dessen Pracht
sioh die Fontainem Brussa's nicht messen können, wie-
wohl dieses Bad an Grösse und Herrlichkeit das vom
Al-hamra weit übertrifft, indem der Umkreis der gros-
sen bleybedeckten, durch sechs hundert Glasscheiben er-
leuchteten Kuppel nicht weniger als hundert und zwan-
zig Ellen im Umfange misst. So herrlich diese Beleuch-
tung für ein öffentliches Bad ist, welches der Tag durch
sechs hundert krystallene Augen bewundernd anschaut,
so war doch für ein Bad arabischer Fürstinnen die sparsa-
me Beleuchtung des von Al-hamra, wo der Tag nur durch
sternenförmige Löcher sparsam einfiel - und der Dom
den Nachthimmel vorbildete, nicht minder zweckmässig.
Nicht einmahl der Tag sollte die enthüllten Schönheiten
in vollem Lichte betrachten, und sollte dieselben nur
unter der Maske des nächtlichen Himmels durch die Au-
gen der Sternbilder, die sich im günstigen unglückab-
wehrenden Verein gegen über standen, anschauen dür-
fen. Vielleicht waren bey den Löwen, die nun nicht
mehr da sind, auch Inschriften angebracht, aber schwer-
lich schönere als die auf dem Löwenbrunnen zu Granada.
Fluthen entströmen allhier, wie die Löhnung der Hand des Chalifen,
Wenn er dieselben vertheilt unter die Löwen des Kriegs.
Der du die Löwen betrachtest in Ruh, bewahre vor selben;
Denn das Wasser ſlösst Leben den grimmigen ein *).
*) Die im ganzen Oriente herrschende bildnerische Idee, Quellen
aus dem Rachen von Löwen hervqrströmen zu lassen, hat einen
D 2
28
Nicht minder schön und bedeutungsvoll ist die tür-
kische Inschrift, welche in dem Kleidersaale dieses Bad's
und auch im anderen angeschrieben steht:
Auf Kleider ser nicht stolz, denn was ist wohl das Leben *
Ein Saal, wo Jeder muss des Leibes Kleid abgeben *). -
Diese türkische Inschrift ist ein Seitenstück zu der
schönen persischen auf einem Karawanserai:
Zwey Thore hat die Welt, diess Karawanenhaus;
Hier führt Geburt herein, und dort der Tod hinaus.
Solche Denksprüche seiner Weisen und Dichter spre-
chen den Morgenländer von den Wänden seiner Bäder
und Herbergen, von den Steinen seiner Brunnen und
Brücken, von den Inschrifsttafeln seiner Palläste und
Gräber an. Durch die Betrachtung der Vergänglichkeit
des Lebens ermuntern sie ihn zum weisen Gebrauche
desselben, und hauchen daher selbst seiner Freude den
dunkeln Anstrich ernster Schwermuth an.
4) Kökürdli, das Schwefelbad, ist ausserordentlich
heiss und schwefelig, und vorzüglich durch die Hei-
lung von Hautkrankheiten berühmt.
Die drey anderen Bäder, die sich in der Vorstadt
von Tschekirdsche befinden, sind 5) das von Tschekirdsche,
d. i. Heuschrecke, wovon die ganze Vorstadt den Nahmen
erhalten; 6) das von Wani, der Nahme eines berühmten
im höchsten Alterthume sehr tiefliegenden symbolischen Grund.
Es ist nähmlich der Nil - Löwe der alten Ägypter, der wenn
die Sonne in diesem Zeichen stand, die schwellende Fluth seg-
nend ausgoss.
*) Ghurur etme libass fachrile omre hadschandür
Bukabaidschissmi gör bunda herkess dschanegan dür.
- 2g
Predigers aus der Zeit Sultan Mohammed des Vierten, und
7) das von Boi güsel, d. i. vom schönen Wuchse. Diese
drey Bäder können sich den vier ersten am Grösse und
Glanz nicht vergleichen, aber sie haben den Vortheil,
dass sie sich in Häusern befinden, welche man den Kran-
ken, wenn sie es wünschen, mit dem ganzen Bade zu
ihrem ausschliesslichen Gebrauche vermiethet. Sie wer-
den meisten Theils von Griechen besucht, welche be-
sonders dem ersten wunderthätige Eigenschaften, die
sich auf irgend eine Legende gründen, zuschreiben. In
dem Hofe des zweyten Bades befindet sich ein Sarkophag
mit einer fast verlöschten griechischen Inschrift. Von
dem dritten sollte man, dem Nahmen nach zu urtheilen,
glauben, dass es ausschliesslich für das schöne Geschlecht
bestimmt sey, was jedoch der Fall nicht ist.
Der Zutritt zu allen diesen Bädern ist allen Männern
ohne Unterschied des Standes und der Religion an allen
Tagen (zwey in der Woche ausgenommen, welche aus-
schliesslich den Frauen bestimmt sind) offen.
Ungeachtet der vielgerühmten Heilkräfte dieser äus-
serst warmen und wirksamen Quellen, ist der Gebrauch
derselben, ohne vorläufige Prüfung der Krankheit und
der Quelle, selbst von einem geschickten Arzte, Euro-
päern nicht anzurathen, indem dieselben, an Schwitz-
und Hitzbäder weit weniger als die Asiaten gewöhnt,
den unvorsichtigen Gebrauch dieser übermässig warmen
VVasser schwer bezahlen, und ihre Gesundheit, statt zu
verbessern, nur verschlimmern dürften.
4.
D ie M o s c h e e n.
Brussa zählt, mach der Angabe seiner Einwohner und
der türkischen Reisebeschreiber, eben so viele Moscheen
als Spatziergänge, d. i. Eine für jeden Tag des Jahres,
so dass der Moslim jeden Tag des Jahres wo anders be-
then und woanders hin spatzieren gehen mag. Bey ei-
mer genaueren Übersicht dürfte man wohl vielleicht die
Hälfte dieser Anzahl herausbringen; uns genüge es aber,
wie bey den Spatziergängen, nur die zwölf grössten und
schönsten derselben zu beschreiben, und die Zahl der
Tage durch die der Momathe des Jahres zu vertreten.
Die schönste und grösste von allen ist die vorzugs-
weise die Grosse (Ulu Dschami) genannte, welche sich
auf dem höchsten Puncte der Stadt erhebt, und durch
die Masse ihrer Mauern und durch die Menge ihrer
Kuppeln sich majestätisch darstellt. Sie ist das Werk
dreyer Sultane: Murad, Bajasid und Mohammed, jeder
der Erste seines Nahmens. Sie ward unter dem ersten
angefangen, unter seinem Sohne fortgebaut, und unter
seinem Enkel vollendet. Jeder dieser drey Sultane baute
auch eine eigene nach seinem Nahmen genannte Mo-
schee, aber die vereinigte Sorgfalt von allen Dreyen
brachte dieses erste grosse Monument der ersten Resi-
denz der osmanischen Sultane zu Stande. Sie bildet ein
vollkommenes Viereck, wovon jede Seite hundert Schrit-
te misst. Neunzehn Kuppeln, welche das Dach formen,
sind so geordnet, dass der Raum der zwanzigsten leer
gelassen durch seinem Umkreis ein ungeheueres grosses
31
rundes Fenster bildet, durch welches das Licht von oben
einfällt. Unmittelbar unter dieser offenen Kuppel ent-
spricht derselben in Mittelpuncte der Moschee ein gros-
ses viereckiges Wasserbecken. Hiedurch unterscheidet
sich diese schöne und grosse Moschee von allen übrigen
ums bekannten zu Constantinopel, Adrianopel und Kairo,
deren keine weder von oben beleuchtet, noch von in-
nen durch ein Wasserbecken erfrischet wird. Das in der
grossen Moschee zu Brussa empfängt unmittelbar die Strah-
len der Sonne, wenn sie im Scheitelpuncte steht, und
die Thränen des Himmels, wenn er herabregnet; und
während die Vögel auf dem Gitter aus Messingdraht ko-
sen, welches wie ein Fischernetz über den ganzen offe-
nen Raum gezogen ist, um das Hereinfliegen und Nisten
derselben in der Moschee zu verwehren, schwimmen
die Fische in der Fluth ruhig und ungeschreckt von dem
Netze, womit der Schatten des Gitters das Wasserbe-
cken bedeckt. Ausser dieser Einzigen Merkwürdigkeit sind
noch die Estrade der Gebethausrufer und die Kanzel *)
des Freytagsvorbethers durch ihre Sciulpturen merkwür-
dig. Das Schnitzwerk der letzten ahmt nicht nur Blu-
men und Früchte, Knospen und Knoten, Laub und
Ranken, sondern auch die künstlichen, von Seide aus-
*) In jeder grossen Moschee, wo das Freytagsgebeth verrichtet
wird, sind zwey Kanzeln, die eine (Mnber) für den Chatib
oder Vorbether des Gebeths für den Sultan, und die audere
(Kurs) für den gewöhnlichen Prediger. Die erste, sehr hoch,
und immer zunächst dem Mihrab oder Hochaltar, die andere
niedrig, irgendwo in der Moschee. Die Estrade, worauf die Ge-
bethausrufer, nachdem der Ausruf von den Minares erschollen
ist, denselben in der Moschee wiederhohlen, heisst Mahfil, und
so heisst auch die besondere Emporkirche für den Sultan.
32
genähten Kleiderverbrämungen nach, wodurch Brussa
weit und breit berühmt ist, und im ganzen osmanischen
Reiche kann sich derselben nur die durch ihr Schnitz-
werk berühmte Kanzel von Sinope vergleichen. Die vier-
eckigen Pfeiler waren ehemahls vom Fussboden auf ver-
goldet, und sind noch, wie die Wände, mit ungeheuer
grossen Buchstaben, welche als wahre kalligraphische
Vorschriften dienen können, beschrieben. Ihr Inhalt
sind Texte aus dem Koran, oder Eigenschaftswörter
Gottes, wie Ja Subhan (O Allpreiswürdiger), Ja Dijan
(OAllglaubwürdiger), Ja Mennan (OAllbeystehender),
Ja Hannan (OAllzuerflehender).
Die Moschee hat drey Thore; neben dem links hin-
ausführenden ist der Bethort des Sultans, der, da er gar
nicht erhöht ist, mit Unrecht hier eine Emporkirche ge-
nannt werden dürfte. Das zur Rechten heisst das Thor
der Gerichtsstelle (Mehkeme kapissi), und ausser dem
Hauptthore ist ein steinernes Soffa. Das Hauptthor heisst
immer das Kiblathor, weil es nach der Kibla, d. i gegen
Mekka (in welcher Richtung auch der Mihrab oder Hochal-
tar steht) hinschauet. Der Vorhof (Harem) ist verhältniss-
mässig minder gross und schön, als der von anderen
Moscheen; in der Mitte desselben steht ein Brunnenhaus
für die gesetzlichen Reinigungen, vom berühmten Mufti
Asis Efendi, einem der ehrgeitzigsten und ränkevollsten,
prachtliebendsten und ausschweifendsten grossen Charak-
tere, während seiner Verbannung nach Brussa allhier
erbaut. Auf den beyden Seiten der Hauptfaçade erheben
sich zwey grosse Minares auf ungeheuer starken Grund-
festen, von dem Hauptgebäude gänzlich getrennt. Auf
ZZ
dem links gegen das Mehkeme (das Gericht) schauenden
Minare hatte der Baumeister auf der obersten Gallerie
einen Springbrunnen angebracht, dessen Quell durch
den Absturz des Olympos zu dieser Höhe getrieben, em-
porstieg. Diese Wasserkunst ist längst verderbt, aber
durch starke Regengüsse füllt sich noch das Becken des
Springbrunnens auf dem Minare, das als Säule diese
Wasserschale zum Himmel in die Höhe hält. Wie die
Röhren dieses Springbrunnens, sind auch (durch unge-
treue Verwaltung) die Zuflüsse der Stiftungsgelder ver-
trocknet. Sie waren so reich , dass vormahls der Fussbö–
den mit den kostbarsten Tapeten bedeckt, und die Mo-
schee in den Nächten des Ramasans mit siebenhundert
Lampen erleuchtet war.
Nach der Beschreibung dieser von drey Sultanen ge-
meinschaftlich erbauten grossen Moschee folgt die Reihe
der übrigen nach der Zeitordnung ihrer Erbauer. .
Die älteste ist die von Sultan Orchan, dem zweyten
Sultan der Osmanen und dem Eroberer Brussa's, in dem
Schlosse erbaute , welche den Verheerungen der Zeit
und Feuersbrünsten wunderbar entgangen, noch heute
aufrecht, aber verschlossen und verlassen steht.
Die Moschee seines Sohnes und Nachfolgers, Murad
des Ersten, welcher den Ehrenmahmen Ghasi Chudavend-
kiar, d. i. der Sieger und Herr, führt, erhebt sich auf der
Westseite der Stadt in dem Viertel der alten Bäder, in
einer ungewöhnlichen, von den übrigen ganz verschie-
denen Form, wovon der Umstand, dass der Baumei-
ster ein Franke gewesen sey, als Grund angegeben wird.
Das Sonderbare besteht darin, dass der Baumeister -
E
34
wer er immer gewesen seyn mag, vielleicht aus eigenem
Antrieb, vielleicht auf des Sultans Geheiss, Kirche und
Schule in Einem Bau vereinigen, und durch Ein Denk-
mahl der Andacht und Wissenschaft zugleich huldigen
wollte. Das Geschoss zu ebener Erde ist die eigentliche
Moschee, und im oberen Stockwerke laufen ringsum die
Kammern der Studenten des an der Moschee gestifteten
Collegiums, so dass, wenn der Imam am Hochaltare vor-
bethet, jeder der Studierenden von seiner Zimmerthür,
als von einer Emporkirche, sein Gebeth zugleich im
Zimmer und zugleich in der Moschee verrichten kann.
Da das Seltene den Gläubigen selten allein genügt, füg-
te die Sage auch hier das Wunderbare hinzu. Ein Falke
aus Stein gehauen, der auf einem Gewölbstein als Zier-
rath sitzt, soll ein Falke Sultan Murads des Ersten ge-
wesen seyn, der ihm davon flog, den er umsonst zurück
lockte, und der, als er ihm die Verwünschung mach-
schickte, „dass er sitzen bleiben möge!" sogleich mit
Haut und Bein in Kies und Stein verwandelt ward.
Die Moschee Sultan Jildirim Bajasid's, an dem äusser-
sten östlichen Ende der Stadt, fern von allen Gebäuden
und vereinzelt in der Mitte von Wiesen und Feldern,
gewährt einen mahlerischen aber schwermüthigem An-
blick durch die Grösse ihrer Massen und die rohe Ein-
fachheit ihrer Formen. Das Äussere derselben wird durch
ein von dicken Steinpfeilern getragenes Vordach erhö-
het, das Innere aber durch ein hölzernes schweres Daeh
niedergedrückt. In Hinsicht der Baukunst sind das Merk-
würdigste daran die sonderbaren Formen drey verschiede-
mer Bogen, welche sich alle in dem Peristyle der Moschee
35
seltsam vereint beysammen finden. Sie hat mur Ein Thor
und Ein Minare, ganz im alten Style , d. i. äusserst
einfach gebaut. Bajasid vollendete dieselbe eben so we-
nig, als die grosse Moschee, welche unter seiner Regie-
rung fortgebaut ward. An der Vollendung der einen und
der anderem, wie an der Ausfährung so mancher ande-
ren grossen Entwürfe, unterbrach ihn die verlorme
Schlacht bey Angora, nach welcher er bald, als Gefan-
gener des Siegers, starb. Sein Sohn, Mussa Tschelebi,
d. i. der junge Herr Moses, vollendete während des Zwi-
schenreichs, das auf seines Vaters Gefangenschaft folg-
te, dem von ihm angefangenen Bau; da aber der damah-
lige Zustand des Reichs und seine schwankende Zwi-
schenregierung ihm nicht gestatteten, die Moschee reich
zu stiften, blieb sie arm und verlassen, und die Armen-
küche, die dabey gestiftet war, zerfiel gar bald in Trüm-
mer. Die Ruinen derselben stechen mahlerisch ab von
der Wasserleitung aus Ziegeln erbaut, welche das Was-
ser des Aktschaghlans durch die Wiesen und Felder,
und hier bey der Moschee vorbey nach der Vorstadt von
Emir Sultan führt. Die Bögen derselben, dicht mit Epheu
und anderem Grün überteppicht, gehen in voller Ju-
gendkraft des Wassers und des Lebens über die Flur,
während die alles Schmuckes entblösste Moschee mit ih-
ren nackten, grauen Steinwänden wie ein abgelebter
Greis mitten unter der grünenden Jugend steht. Hart
an derselben ist das Grabmahl Sultan Bajasid's , eben-
falls im ältesten einfachsten Style osmanischer Baukunst.
Es enthält zwey grosse und zwey kleine steinerne Särge.
Welch eine schickliche Stelle ist nicht diese verlassene
E 2
36
Moschee und dieses vereinzelte Grabmahl für Betrachtun-
gen über das tragische Schicksal Bajasid Jildirims - d. i.
des Blitzstrahls, der, nachdem er Constantinopel und den
ganzen Westen als Eroberer wetterleuchtend geschreckt,
in der, unter Timur's Geist, fürchterlich daher rollenden
Mogolenfluth verlosch.
Die Moschee Sultan Mohammed des Ersten, auch Tsche-
lebi, d. i. der junge Herr, genannt, ist in Hinsicht der
Vollendung des Baues, der Kostbarkeit der dazu ver-
wandten Marmorarten, und der Kunst der ausgehaue-
nen und eingegrabenen geschmackvollen Verzierungen
ganz gewiss die schönste des osmanischen Reiches, und
morgenländische Reisebeschreiber (welche aber ver-
muthlich weder das Meisterstück arabischer Baukunst
in der Moschee Korduba's, noch das Prachtstück der per-
sischen in dem grossen Moscheen der Mogolen zu Agra
und Dehli kannten) versichern, dass sie die schönste
der Welt sey. Wirklich ist sie ein wahres Kleinod der
saracenischen Baukunst. Sie hat keinen Vorhof mit Säu-
lengängen, wie andere Moscheen, sondern eine einfa-
che erhöhte Terrasse aus weissem Marmor unmittelbar
vor dem Eingange. Die Mauern sind von aussen mit
grossen Tafeln von rothem, grünem, blauem, gelbem,
schwarzem und weissem Marmor bekleidet, welche dem
Ganzen von weitem das Ansehen einer eingelegten viel-
farbigen Musivplatte geben. Die Einfassungen der Fem-
ster und des einzigen Thores, dessen Verzierungen sich
bis an den Giebel der Vorderseite erheben, sind durch
arabische Inschriften gebildet, welche mit solcher Sorg-
falt und Kunst in den Stein gehauen und geglättet sind,
3
dass die Buchstaben wie aus spiegelndem Metall n
erscheinen. Das berühmteste Kunststück dieses Baues
ist das Thor selbst, dessen reiche Sculpturen durch ihre
Fülle und Zartheit, durch ihren Glanz und Geschmack
in Erstaunen setzen. Der Erbauer verwendete auf die
Vollendung derselben nicht weniger als drey ganze Jah-
re, und vierzig tausend Ducaten. Die Inschrift ober
dem Eingange in goldenen Buchstaben auf lasurnem Fel-
de nennt bloss den Nahmen des Erbauers, Sultan Mo-
hammed I., Sohn Sultan Bajasic's I. des Sohns Sultan Mu-
rad's I. Der Glanz und der Geschmack dieses Baues
rechtfertiget vollkommen den Beynahmen Tschelebi, wel-
chem die osmanische Geschichte dem Erbauer beylegt,
eine Benennung, deren Sinn zwischen dem französischen
Petit maitre und englischen Gentleman liegt, und durch
das deutsche junger Herr oder edler Junker micht vollkom-
men getreu wieder gegeben ist. Beym Eingange in die
Moschee, und unter dem Chore, auf dem sich die Em-
porkirche des Sultans erhebt, wird der Eintretende sehr
angenehm durch den helldunkeln Schimmer der glän-
zenden Fayence überrascht, womit die Mauern, welche
den Eingang verengen, bekleidet sind. Diese Mosaik
von Fayence, oder besser gesagt, von persischem Por-
cellan, stellt zwey grosse grüne Vorhänge mit einem
Blumenkorbe in der Mitte vor. Die Moschee besteht aus
drey grossen Rotonden, deren eine das Schiff ist, wäh-
rend die beyden anderem die Flügel bilden. Wie in der
grossen Moschee in der Stadt, welche derselbe Sultan
vollendete, die Pfeiler auf Mannshöhe vergoldet waren,
so sind die Mauern hier mit blauem persischen Porcel-
38
lan bekleidet, auf welchem die Inschriften des Korans
in weissem Schmelze strahlen. Der Mihrab, d. i. die
Nische, worin der Koran liegt, und welcher die Stelle
unseres Hochaltars vertritt, ist von rothem Marmor mit
Sculpturen und Verzierungen reich und herrlich ausge-
schmückt, so , dass er der künstlichen Pracht des ihm
gerade gegenüber stehenden Thores vollkommen wür-
dig entspricht. Die Moschee und das daneben stehende
Grabmahl des Erbauers, worauf wir bey dem Besuche
der Grabmahle wieder zurück kommen werden, heissen
gewöhnlich Jeschil Imaret , d. i. die grüne Stiftung, weil
die Minares und Kuppeln ehemahls ganz nmit grünem
persischen Porcellan bekleidet waren, so, dass sie im
Sonnenglanze als smaragdene Säulen und Dome glänz-
ten. Da die Moschee auf einer kleinen Erhöhung liegt, so
ist sie einer der schönsten Gesichtspuncte , sowohl um
einen Theil der Gegend zu übersehen, als auch, um
als eine hervorragende Schönheit Brussa's von allen Or-
ten gesehen zu werden.
Zwischen der Moschee Sultan Mohammed's I. und
Sultan Bajasid's I. ist ein offener Bethort, welcher zwar
keine bedeckte Dschamii oder Mesdschid, d. i. Versamm-
lungs- oder Anbethungsort ist, aber doch Dschamil Mos-
sella , d. i, Yersammlungsort, oder auch schlechtweg Mos-
sella, d. i. Bethort heisst, und der seiner Schönheit wil-
len vor vielen anderen Moscheen Erwähnung verdient.
Innerhalb der Mauern ist er mit schattigen Platanen be-
pflanzt, in deren Mitte ein herrliches Wasser quillt, das
seiner Vortrefflichkeit willen selbst bis nach Constanti-
nopel verführet wird.
39
Die Moschee Sultan Murad's II. gibt einer Vorstadt
am westlichen Ende Brussa's dem Nahmen; ein weitläu-
figes Gebäude von einem Dutzend Mausoleen, von Ca-
pellen und Schulen, von einer Waarenniederlage (Chan)
und einer Armenküche (Imare) , von Gärten und Wein-
gärten umgeben. Der Mihrab und die Minber (Hochaltar -
und Kanzel), das Mahfil für die Gebethausrufer und den
Sultan (Estrade und Oratorium) sind im alten einfachen
Styl. Das Chronograph der Inschrift gibt das Jahr der
Erbauung 65o d. H. (Chr. 1495) an. Die Platanen, wel-
che die Moschee umgeben, wetteifern mit der Höhe ih-
rer Minares.
Die Moschee Emir Sultan's, auf einer kleinen Anhöhe,
vom Feuer zu Anfang dieses Jahrhunderts zerstört, aber
von Sultan Selim III. wieder erbaut. Sie gibt, wie die
vorige, der Vorstadt, worin sie steht, den Nahmen. -
Die Moschee Molla Arab Dschebbaris, nach dem Vor-
bilde der grossen Moschee, aber im verjüngten Mass-
stabe gebaut, auf einer Anhöhe, eine herrliche Aussicht
beherrschend.
Die Moschee von Kadi Chudavendkiar, d. i. die Mo-
schee des Richters Sultan Murads des Erstem , in der
Vorstadt von Tschekirdsche, von majestätischen Bäumen
umschattet, die sich zu der Höhe ihrer Kuppeln erhe-
ben. Die Säulen ihrer oberen Bogengänge, aus alten
Ruinen zusammengetragen, und hier in eine Reihe ge-
stellt, sind nicht nur von mannigfarbigem Marmor, son-
dern auch von verschiedenen Ordnungen neben einander
gestellt.
In dem Schlosse ist, ausser der von Sultan Orchan
40
erbauten Moschee, noch die Ufadi Efendi's ihrer Grösse
wegen, und weit ausser der Stadt hoch am Olympos die
vom Mufti Abdollatif erbaute Moschee nicht nur ihrer
herrlichen Aussicht wegen, sondern auch als der Auf-
enthalt des grossen türkischen Dichters Molla Chosrºfiv
merkwürdig, der hier mitten unter den VWäldern und
Wassern des Olympos mit Nisami, dem grossen persi-
schen Dichter, wetteifernd sein romantisches Gedicht
Chosru und Schirin sang *).
5.
D ie K löst er.
Da der Klöster, wie der Spatziergänge und Moscheen
nicht weniger als 365 seyn sollen, verdient wenigstens,
wie bey diesen, ein Dutzend besondere Erwähnung.
1) Das schönste derselben ist das Kloster Mewlana
Dschelaleddin's oder der Mewlewis , welche, nach ihrem
Stifter genannt, durch heilige Walzer den Reigen der
Gestirne feyern, wobey der Hauch der begleitenden
Flöte den Hauch der allbeseelenden Liebe als Welten-
seele vorstellt. Die Hymnen, welche unter der Beglei-
tung der Flöte während des kreisenden Reigens abge-
sungen werden, sind aus dem Mesnewi, dem grossen
mystischen Gedichte ihres Stifters, entlehnt.
Dieses Kloster liegt auf dem Wege nach Bunarbaschi
und wurde ehemahls von 5o bis 8o Mewlewis bewohnt.
*) Den Plan der grossen Moschee sammt dem des Sultan Moham-
meds I., und die Bogen der Moschee Sultan Bajasid's I. siehe
auf der beyliegenden Kupfertafel.
41
2) Das Kloster Emir Sultan's , nahe an der Moschee
dieses Nahmens auf einem Hügel gelegen, und mit Bley
gedeckt.
3) Das Kloster Ufladi Efendis , im Schlosse, dem
Orden der Derwische Chalweti gehörig.
4) Das Kloster Abdal Murad's, beym Wallfahrtsorte
dieses Heiligen hinter dem Schlosse , von den Derwi-
schen Beglaschi bewohnt. Sie wurden unter Orchan's Re-
gierung von Hadschi Begtasch gestiftet , welcher den Ja-
mitscharen den Nahmen der neuen Truppen gab, und ihr
Orden ist daher der von den Janitscharen begünstigste.
Die Derwische dieses mit Kesseln, Schüsseln, Fahmen und
Kochgeschirren aller Art reich versehenen Klosters ver-
wenden ihr Küchengeräthe nicht nur für sich, sondern
auch zum Gebrauche der Fremden.
5) Ein anderes Kloster der Begtaschi ist das vom Scheich
Kili, in dem Viertel Devedschiler, d. i. der Kameltrei-
ber, ebenfalls unter Sultan Orchan's Regierung, aber
eben so arm, als das vorige reich gestiftet. -
6) Das Kloster Akbiik Baba's , ebenfalls ein Kloster
der Begtaschi's.
7) Das Kloster Abu Ishak Kauli Baba's.
8) Das Kloster der Ringer, ein Orden, dessen An-
dachtsübungen im Ringen und anderen Leibesübungen
bestehen.
Endlich: 9) 1o) 11) 12) vier Klöster der Orden
Nakschbendi, Rufaji, Gülscheni und Kadri.
-*
6.
D a s s 9 : .
Der Thore, welche von der Stadt zum Schlosse,
und von dem Schlosse zum Olympos führen, ist bereits
oben bey dem Spatziergängen, so wie der alten Moschee
Orcham's bey den Moscheen Erwähnung geschehen, und
die Beschreibung der in das Mausoleum der osmanischen
Sultane verwandelten alten griechischen Kirche folgt im
nächsten Abschnitte. Ausser diesen beyden ältesten
Denkmahlen osmanischer Herrschaft und Religion sind
nur noch die Ruinen der beyden Palläste merkwürdig,
welche Murad und Mohammed, die Ersten ihres Nahmens,
an den beyden Enden der grossen Felsenterrasse erbauten.
Die Felsenwände, welche hier senkrecht abstürzen, führt
die auf denselben gegründete Mauer senkrecht in die
Höhe fort. Diese Mauer , von Quadersteinen mit Moos
bedeckt und vom grünenden Bäumen, deren Wurzeln
sich durch die Quadern einen Weg gebahnt, gespalten,
wird durch viereckige Thürme geschirmet. Was man
das innere Schloss oder das Arsenal nennt, ist heut ein
Gemüsegarten, in einem Viereck von starken Mauern
umgeben, und das ganze Geschütz dieses Zeughauses
der ältesten ºsmanischen Veste besteht in vier verroste-
ten Kanonenläufen, die ohne Laveten und Manition auf
der Erde liegen. Wenn die Erwartung des Neugierigen,
dem man das Arsenal zu zeigen verspricht, durch die-
ses Viereck, das nur Kohl und Rüben, und Schotter
und Trümmer umschliesst, nicht wenig getäuscht wird,
so überrascht dafür die schöne Aussicht von der Platt-
43
forme der vier Kanonen auf die angenehmste Weise.
Das Auge durchirrt in der Ferne die Dörfer und Pflan-
zungen der weiten Ebene von Brussa, und wandert zwi-
schen den Gassen und Gebäuden der unmittelbar unter-
halb gelegenen Stadtviertel; durch das der Enten (Oer-
dekler), wo die Griechen wohnen, und das der Nachti-
gallen (Bülbüldschick), durch das der Bley.giesser (Kur-
schunli), und der Ziegelschlager (Keremitdschi) , durch das
des Felsenhauptes (Kia baschi) und des eisernen Thors (Demir
kapu), durch die Vorstädte Muradije und Emir Sultan , de-
ren Dome und Minares, mit den Kuppeln der Bäder und
den grünen Wölbungen der Bäume vermischt, den leben-
digen Vordergrund dieser herrlichen Rundumsicht bilden.
In dem Umfange des Schlosses sind das Merkwürdig-
ste die Ruinen der Palläste der ersten osmanischen Sul-
tane. Noch sind dieselben nicht zu blossen unförmlichen
Steinhaufen herabgesunken, noch sind dieselben nicht
so verwüstet, dass man nicht den Plan des Ganzen, die
Eintheilung der verschiedenen Gemächer , die Bäder
und Gärten, die Köschke und Fontainen erkennen mag.
Einige der letzten sind in noch ungebrochenen Mauer-
stücken wohl erhalten, aber das Wasser, das die künst-
lichen Röhren gesprengt, fliesst auf seinem Wege aus,
und begiesset die Erde. Gräser wachsen aus dem Mar-
morrachen, dem ehemahls die Fluth entquoll, und das
Becken - so sie auffing, füllet Schutt und Moder. Hier
ist vielleicht der Umfang des Harems , der so reinen
Zufluchtsstätte der Ehre und Würde der Frauen. Die
Nachbarschaft des fast ganz erhaltenen Marmorbades
macht diese Vermuthung wahrscheinlich.
F 2
44
Heiligthum der Sitte, ehemahls den Blicken der Unein-
geweihten verschlossen und kaum den Strahlen der Sonne
und dem Odem des Windes zugänglich, du bist nun ohne
Dach und ohne schirmende Wand den Unbilden des Wet-
ters und dem ungehinderten Blicke des vollen Tages Preis
gegeben! Dornen und Disteln haben den Boden übertep-
picht, den ehemahls die schönsten Blumenteppiche be-
kleideten, und Quadern, welche die Zeit heruntergestürzt,
liegen auf dem Boden statt der weichsten Kissen über ei-
nandergeschichtet. Diese geheimen Gemächer der Frauen,
von denen die Eifersucht orientalischer Despoten ehe-
mahls Licht und Luft, Strahl und Schall auszuschliessen
samm, wo sich das Tageslicht nur durch Gitter und Vor-
hänge hineinstahl, und ein geheimnissvolles, nur durch
Fluthengemurmel und Seufzer der Liebe unterbrochenes
Schweigen herrschte, stehen nun bis in ihre innersten Tie-
fen der Sonne und dem Mond, dem Wind und Wetter
offen. Noch herrscht hier das Stillschweigen, aber es ist
das Schweigen der Wüste, welches nun die Stelle des
Schweigens glücklicher Liebe vertritt, und das itzt durch
das Gemurmel der Wasser unterbrochen wird, welche sich
auf dem Wege nach den Fontainen unter der Erde verirr-
tem und unter den Trümmern fortrauschen. Nichts ist so
melancholisch, als die klagende Stimme dieser Najaden,
die ungesehen unter den Ruinen hörbar sind, und schon
durch Jahrhunderte das grosse Wort: Alles ist eitel, in
einförmigem Getöne wiederhohlen. Wo ist sie hinge-
schwunden die Pracht und Herrlichkeit dieser Palläste
und ihrer Bewohner! wo sind die Vergnügen und die Ge-
müsse dieser Hareme und ihrer Schönheiten? Diese Wol-
45
ken von Düften, diese sonnenhellen Spiegel, diese prall-
weichen Ruhebetten, diese balsamischen Wohlgerüche,
diese lustentzündenden Gewürze, diese sinnenberauschen-
den Opiate, diese Rosenessenzen und Moschuspastillen,
diese musselinenen Schleier wie aus den Strahlen des Lich-
tes, diese kaschmirische Shawle wie aus dem Blumenbee-
ten des Frühlings gewoben, wo sind sie? Alles, alles ist
verschwunden. Die Phantasie hat uns in verflossene Jahr-
hunderte und in die Mitte dieses Harems, als es noch
ein Sammelplatz aller Schönheiten und Genüsse war,
hingezaubert, und bey unserem Erwachen finden wir
ums zwischen Trümmern, wie irrende Ritter, die , in
dem Zauberpallaste einer bösen Fee selig entschlafen,
am Morgen zwischen Graus und Moder erwachen.
Ausser diesen gewöhnlich mit dem Anblicke der Rui-
nen des Schönen und Grossen verknüpften Betrachtun-
gen dringt sich hier noch jedem Abendländer, welcher
die Würde der Frauen ehret, der Wunsch auf, dass alle
Hareme des Ostens wie dieser in Schutt zerfallen und
mit dem Zwinger auch die Ketten gebrochen seyen, wo-
durch die schöne Hälfte unseres Geschlechtes in Asien
seit Jahrhunderten entwürdiget wird. Die Einkerkerung
der Frauen in Hareme ist ganz gewiss wenn nicht der
Ursprung doch die Folge des morgenländischen Despo-
tismus; denn das Knabenalter bis sieben Jahre in dem
verschlossenen Porte des Haremes gehalten, schifft von
hier durch die Herkulessäulen des männlichen Despotis-
mus und der weiblichen Sclaverey in das stürmische
Weltmeer des Lebens hinaus.
Ausser diesen verwüsteten Pallästen, der Moschee Or-
46
chan's, wovon schon die Rede war, und dem Grabmahle
Osman's , wovon sogleich die Rede seyn wird, sieht man
im Schlosse kein merkwürdiges Denkmahl. Es befinden
sich in demselben, ausser dem schon bey den Klöstern er-
wähnten grossen Kloster der Mewlewis, noch die Woh-
nung des Motesselim oder Stellvertreters des Pascha, und
die Gefängnisse zunächst dem Thore, so davon das Ker-
kerthor heisst. Die Gassen des Schlosses sind fast alle
wüst und öde, viele Häuser zerfallen im Schutt, und die
sehr zahlreichen Fontainen sind alle mehr oder weniger
schlecht unterhalten. Wo der Weg durch das Erdenthor
(Jerkapissi) in die Stadt herunterführt, geht man bey ei-
mer Capelle vorbey, deren Vorderseite, durch eine baby-
lonische Weide von ungeheurer Grösse beschattet, ei-
men sehr mahlerischen Anblick gewährt. Die Inschrift
des Thors nennt als Erbauer Sultan Mohammed I. , dem
Brussa die schönsten seiner Denkmahle dankt.
Von der Verdienstlichkeit der Fontainen und Wasser-
leitungen, der Brücken und Karawanserais , welche dem
Sohme des Wegs, dem Reisenden, Erfrischung und Be-
quemlichkeit, Lager und Sicherheit gewähren, ist be-
reits oben gesprochen worden. Wie durch dieselben
der Reisende von frommen Stiftern bedacht wird, so
der Kranke und Arme durch Spitäler und Irrenhäuser,
durch Apotheken und Armenküchen; für die Aufrechthal-
tung und Fortschritte wissenschaftlicher Cultur sorgen
die niederen und hohen Schulen (Mekteb und Medresse),
die Hörsäle für die Lesung des Koran's und der Über-
lieferung (Darol-kiraet und Darol-hadiss) ; den rein got-
tesdienstlichen Übungen endlich sind die kleinen und
P
47
grossen Moscheen (Mesdschid und Dschami) , die Klöster
(Tekie) und die Wallfahrtsorte oder Grabmahle (Turbe)
geweiht, deren Bau und Besuch dem Moslim ein höchst
verdienstliches gutes Werk ist, und zu denen wir nun
unsere Wallfahrt beginnen.
7.
D ie G r a b m a h l e.
Brussa, als die Wiege osmanischer Herrschaft und
Grösse, enthält ausser den Gräbern der sechs ersten Sul-
tane, der Vorfahrer Mohammeds des Zweyten, ihrer
Frauen und Kinder, noch eine grosse Anzahl von Grä-
bern grosser frommer und gelehrter Männer, welche der
Moslim wallfahrtend besucht. Der Ordnung willen thei-
len wir die Grabmahle Brussa's in die der Sultane, Hei-
ligen und Gelehrten ein.
1. Gräber der Sultane.
Osman, der Gründer des Reichs und sein Sohn und
Nachfolger Orchan, welcher Brussa in den letzten Le-
bensstunden seines Vaters eroberte, so dass die Both-
schaft des Siegs für ihn zugleich der Vorbothe des Para-
dieses und der Herrschaft seiner Familie war, liegen
sammt ihren Frauen und Kindern in der alten griechi-
schen Cathedralkirche, welche gleich nach der Erobe-
rung in eine Moschee verwandelt ward, begraben. Zwan-
zig mit Kalk übertünchte, und alles Überzuges entblösste
Särge, welche die ganze alte Kirche füllen, schliessen
48
die Asche der ersten Herrscher des osmanischen Stamms
ein, die sich damahls bescheiden noch nicht Sultane ,
sondern bloss Bege, d. i. Fürsten, mannten. Erst Moham-
med II. nahm nach der Eroberung Constantinopel's auf
den Vorschlag des im Rufe der Heiligkeit stehenden
Derwisches Akschemseddin's, der ihm zur Eroberung mit
Rath und That beystand, den Titel Sultan an, wozu
unter Selim dem Ersten durch den ersten Historiogra-
phen des Reichs Kemalpaschasade der Titel Chadimol-Ha-
remêin, d. i. der Diener der beyden heiligen Stätten (Mek-
ka's und Medina's) kam , und der Suleiman I. durch
den grossen Mufti Ebussuud . in den längeren Sul-
tanol – berrêin ve Chakanol - bahrêin , d. i. der Sultan
zweyer Erdtheile, und der Chakan zweyer Meere ausgebil: -
det ward *).
Die sehr schöne, nun in eine Gräberhalle verwan-
delte Kirche ist mit vielfärbigen Marmortafeln im sym-
metrischer Ordnung bekleidet. Vier Marmorstufen er-
heben sich in der halben Runde des ehemahligen Hei-
ligthums, wo der Hochaltar stand, und sechs Säulen
von altem Grünstein (Werdl antico), welche den Eingang
bildeten, stehen noch aufrecht da. Der Chor, dessen
Wölbungen, so wie die aller Fenster von Säulen unter-
stützet sind, ward vermauert, aber auf der äusseren
Vorderseite des grossen Thores sieht man noch in halb
erhabener Arbeit das Kreutz auf der einen Seite von
*) Die beyden Erdtheile sind Europa und Asien, welche der Bos-
phorus vereiut, und die beyden Meere, das schwarze und das
weisse, welche derselbe mit einander vermischt, so dass Com-
stantinopel, die Hauptstadt des Reichs, der Schlüssel des östlichen
und westlichen Landes, des nördlichen und südlichen Meeres ist.
49
einem Greifen, und auf der anderem von einer runden
Verzierung, welche eine Sonne vorgestellt haben könn-
te, bekleidet. Der grosse Brand, welcher zu Anfang
dieses Jahrhunderts ganz Brussa verwüstete, umfasste
auch diese Kirche in seinem verheerenden Fortschritte,
ohne derselben wesentlichen Schaden zuzufügen. Die
Gräber sind alle wohl erhalten, das Osman's des Grün-
ders des Reichs ausgenommen, dessen von allen Seiten
zerrollender Mörtel und klaffende Spalten bald die Asche
des Ahnherrn der Osmanen am's Licht zu bringen dro-
hen. Der hölzerne Rosenkranz, den man hier ehemahls
als den Osman's vorwies, und dessen ungeheuere Koral-
len im Geiste des Volkes eine heilige Ehrfurcht für's
Grosse nährten, so wie die ungeheuere Trommel,
welche ebenfalls dem Gründer des Reichs angehört
haben und dieselbe gewesen seyn soll, womit er im
Sterbejahre seines Vaters Toghruls (der nicht in Brussa,
sondern in Sögüd begraben liegt) vom letzten Sultan
der Seldschugiden Alaeddin belehnt ward, beyde diese
Denkmahle des Gründers des Reichs sind in den Flam-
men zu Grunde gegangen. Sonderbar genug gelangten
wir in das Innere dieser Gräberhalle des Stammvaters
der osmanischen Dynastie nicht durch das Thor, son-
dern mittels einer Leiter durch das Fenster, weil der
Schlüssel zum Eingange vorgeblich oder wirklich ver-
loren war.
Das Grab Sultan Orchan's , des Sohns und Nachfol-
gers Osman’s des Eroberers von Brussa und des Errich-
ters der Janitscharen, und die Gräber seines Bruders
Alaeddin's, des ersten Wesirs des osmanischen Reichs,
G
5o
und seines Sohnes Suleiman's , des ersten Pascha der Os-
manen, welcher in einer schönen Mondnacht unter den
Ruinen von Cyzikus über vergangene und künftige Grösse
nachsinnend zuerst den kühnen Entschluss fasste, die
siegreichen Waffen seiner Familie von Asien nach Eu-
ropa zu tragen, und dann in der Nähe von Gallipolis
durch einen Pferdsturz das Leben verlor, sammt den
Gräbern ihrer Frauen und Kinder umschliesst ein acht-
eckiges Mausoleum, zunächst an dem Grabmahle Os-
man's der alten griechischen Kirche erbaut. Siebzehn
Särge stehen immer des Achtecks und siebzehn andere
ausser demselben in einer anstossenden Vorhalle. Noch
zeigt man hier den grossen Rosenkranz Orchan's, der
zwar von dem Feuer, aber nicht von den VWürmern ver-
schont worden ist. Da keine Inschrift die Nahmen der
hier begrabenen Fürsten und Fürstinnen mennet , und
nur die Sage die Grabstätten Osman's und Orchan's ,
Aläeddin's umd Suleimans bezeichnet, so lässt sich von
den übrigen nichts mit Bestimmtheit und nur so viel als
Muthmassung sagen, dass hier die wenigen Fürsten und
Fürstinnen, deren Nahmen die osmanische Geschichte aus
diesem frühesten Zeitraume aufbehalten hat, neben ein-
an der ruhen, und dass hier neben den ersten grossen
und berühmten Männern dieses Herrscherhauses, auch
die ersten grossen und berühmten Frauen desselben be-
graben sind: die schöne Tochter des grossen Scheichs
Edebali, (Osman's Gemahlinn und Orchan's Mutier)
Schönheitsmond genannt, und die griechische von Os-
man bey Gelegenheit ihrer Hochzeit aus dem Schlosse
von Bile«schik geraubte, und seinem Sohne Orchan ver-
>. - -
51
mählte Prinzessinn Nilufer, d. i. Lotosblume. Diese gab
ihrem Gemahle die beyden Söhne Suleiman und Murad,
und dem Flusse, welcher die schöne Ebene von Brussa
durchschlängelt, ihren Nahmen, so wie der schönen
Brücke, welche sie darüber, und dem Kloster, das sie
zunächst an den warmen Bädern erbauen liess.
Sultan Murad I., der Sohn Sultan Orchans und der
Sultaninn Lotosblume, liegt an der Westseite von Brussa
nahe an den alten Bädern (Eski Kaplidscha) unter einem
grossen Dome begraben. Neben dem Sarge sind seine
VWaffen und das blutbefleckte Kleid, worin er auf dem
Schlachtfelde von Kossowa unter den Händen des Ser-
viers Milo meuchlerisch fiel, aufgehängt. Die Stätte
seines Todes bezeichnet dorten eine türkische Capelle
(wie eine christliche das Schlachtfeld von St. Gotthard),
aber sein Leichnam wurde nach Brussa gebracht. Er ist
der einzige von dreyssig Sultanen, die bisher auf dem
Throne der Osmanen sassen, welcher sein Leben auf
dem Schlachtfelde verlor, und welcher den Fºhrentitel
des Märtyrers (Schehid) zu dem des Siegers (Ghasi) und
des Herrschers (Chudavendkiar) gesellte. Nach dem letz-
ten Beynahmen wurde das erste Sandschak der Land-
schaft Anatoliens benannt, welches dem Nahmen Chuda-
wendkiar Sandschaghi, d. i. die Fahne des Herrschers, führt,
und wovon Brussa die Hauptstadt ist.
Das Grabmahl Sultan Bajasids I., (von den Türken
Jildirim , von den Griechen –1axai , d. i. der Wetter-
strahl» genannt), ist hart an der schon oben erwähnten
Moschee, einsam und verlassen im Felde, im alten einſa-
chen Style gebaut. Es enthält zwey grosse und zwey
G 2.
52 -
kleine Sarkophage. Er starb in der Gefangenschaft T-
mur's, und wanderte nach seinem Tode aus dem Osten,
wie Murad aus dem Westen, nach Brussa , um hier im
Grabe, wo der Blitzstrahl des Geistes im Staube ver-
lischt, auf ewig des kurzen Traumes der Herrschaft und
der Eroberung zu vergessen. Als Murad IV., der letzte
grosse erobernde und blutdürstige Herrscher der Osma-
nen, auf der Rückkehr von seinem siegreichen persi-
schen Feldzuge dieses Grabmahl besuchte, beschimpfte
er im Taumel seines Übermuthes die Asche seines Ahn-
herrn, indem er denselben im Sarge folgender Massen
ansprach: „Was liegst du so stolz als ein Padischah hier,
der du die Ehre der Familie Osman's als Gefangener der
Tataren unter die Füsse getreten hast!" So sagend ver-
setzte Murad dem Sarge selbst einen Fussstoss, aber im
selben Augenblicke schrie er laut auf: „O wehe, mein
Fuss!" Er war von der Stunde an mit dem Podagra be-
haftet, das ihm selbst bald dem Sarge zuführte.
Das schönste aller Grabmahle Brussa's ist ünstreitig
das des Sohnes Bajasid's Mohammed's des Ersten (Tschelebi,
d. i. der edle junge Herr genannt). Nächst der oben beschrie-
benen schönen Moschee dieses Sultans erhebt sich sein
Grabmahl als ein achteckiger Bau mitten in einen schö–
nen viereckigen Garten, der es umschliesst. Zwey Cy-
pressen von seltener Höhe stehen hart an dem Thore
wie zwey hohe Säulen, welche über die Höhe des Ge-
bäudes hinausragend mit ihren grünen Gesimsen die Kup-
pel beschatten. Die Mauern sind sowohl von innen als
von aussen mit grünem persischen Porcellan bekleidet,
woher das Grabmahl den Nahmen Jeschil imaret , d. i.
55
der grünen Stiftung, führt. Hier stehen fünf Sarkophage
in der Reihe , mit reichem Stoffe , mit Turbanen und mit
Shawlen bedeckt. Rund herum liegen Korane auf nie-
deren Tischen für die gestifteten Leser, welche den Ko-
ran mach und nach für das Heil der Seele des Verstor-
benen lesen, und dann wieder von vorne anfangen, wie
in den kaiserlichen Mausoleen der Hauptstadt. Diese Le-
sung ist anempfohlen durch ein überliefertes Propheten-
wort, welches man oft in dem Inneren der Grabmahle
als Inschrift findet. In diesem hier sind auf den acht
Wänden eben so viele Überlieferungen des Propheten
in weissem Schmelz auf persischem Porcellan ange-
bracht, nähmlich:
Die Ehre dieser Welt liegt im Geld; die der andern Welt in gu-
ten Werken.
Die Welt ist ein Aas, und die so, ihrer begehren, sind Hunde.
Die Welt ist der Kerker des Rechtgläubigen, und das Paradies des
Ungläubigen.
Das Heilmittel des Paradieses ist die Lesung des Korans.
Ein Geruch von Wissenschaft ist besser als viele Werke.
Der beste der Menschen ist, wer nützet den Menschen.
Wer zum Guten leitet, ist, wer viel Gutes thut.
Die Welt dauert nur kurze Zeit, und die Handlungen liegen in
der Absicht. -
VVie Sultan Mohammed's I. Grabmahl das schönste,
so ist das seines Sohnes Sultan Murad's II. das grösste
und weitläufigste der zu Brussa begrabenen ersten sechs
Sultane der Osmanen. Es erheben sich zunächst der von
54 -
ihm am westlichen Ende der Stadt gebauten grossen Mo-
schee, in einem weiten, geräumigen, von Platanen be-
schatteten Hoſe, eilf Capellen, wo er mit dem Sultanen
seinen Söhnen, und dem Sultamimmen seinen Töchtern
und Frauen ruht. Die Hüter der Grabmahle zeigen hier
in der Capelle, welche gerade im Winkel steht, das
darin befindliche Grabmahl als das einer christlichen
Prinzessinn, welche hier neben dem Fürsten und Für-
stimmen der Moslimin begraben liegt. Dieses ist ohne
Zweifel die servische Prinzessinn , deren Hand Murad
von ihrem Vater sammt seinem Königreiche siegender-
zwang, die aber, weder ihr Volk noch ihren Glauben
verläugnend, selbst im Harem des Sultans Christinn blieb,
und als solche an der Seite ihrer Kinder und Nebenbuh-
lerinnen mitten in dem herrlichsten Gräberhaime des Is-
lams ruht. Von vier Sultaninnen fränkischer und christ-
licher Abkunft, deren die osmanische Geschichté als gros-
ser und selbstständiger Frauen erwähnt, ist die servische
Prinzessinn die einzige , welche, trotz der Verführun-
gen des Harems, und trotz des Machtgeboths des Des-
poten, ihrem Glauben nicht entsagte; die drey anderen
waren: die griechische Fürstin.m Nilufer, d. i. Lotosblu-
me, vom heimischen Hochzeitsfeste und aus der väter-
lichen Veste weg, für das Brautbett des Barbaren (Or-
chan's) unter VVaſſen geraubt; die Französinn, welche
unter Mohammed's II. Regierung zur See gekappert,
dem Frauengemache einverleibt und dann neben ihm
in seinem Grabmahle zu Constantinopel beygesetzt, die
angebliche Verwandtschaft der osmanischen Sultane mit
den französischen Königen, woraus diese so oft politi-
55
schen Nutzen zogen, begründete; und endlich die Rus-
sinn Rorelane, die Gemahlimm Suleiman's des Grossen,
deren Ränken das Blut von mehr als einem Sohne ihrer
Nebenbuhlerinnen floss.
2. Gräber der Heiligen.
Da bey allen Völkern der Ruf der Heiligkeit mit den
Jahrhunderten wächst, und die Vergangenheit immer
weit fruchtbarer an Heiligen ist, als die Gegenwart, so
zählt auch Brussa, als die Wiege des Reichs der Osma-
men, verhältnissmässig eine weit grössere Anzahl von
Heiligen und Wallfahrtsörtern als andere grosse Städte.
Der Beynahme Yater, Baba (das deutsche Papa), oder
Dede (das landschaftliche Tat), ist der allgemeine Nahme,
welchen die Ehrfurcht dem Alter beylegt, und es scheint
zwischen beyden kein anderer Unterschied zu seyn, als
dass der Nahme Dede dem mehr abgelebten Greise zu-
kömmt.
Abdal") heissen die Wahnsinnigen, welche aus den
Reisebeschreibern unter dem Nahmen der Santons be-
kamnt sind, wirkliche oder verstellte Narren, welche
das Vorurtheil der Moslimen eben darum, weil sie wahn-
sinnig sind, für heilig hält.
Sultan endlich werden die Fürsten im Reiche der
Heiligkeit genannt, welche diesen Nahmen mit den Herr-
schern der Welt gemein haben; meistens grosse und
berühmte Scheiche der Derwische, welche sich eben
*) Abdal ist keine Abkürzung von Abdallah, wie man immer glauben
könnte, sondern ist dasselbe mit dem neugriechischen BouéeA2,
das ebenfalls einen dummen oder irren Menschen bedeutet.
56
darum Herren und Fürsten dünken, weil sie auf alle
Herrschaft und Grösse Verzicht thun, und desshalb auch
ihren Kopfbund nicht anders als die Krone nennen. Dem-
nach wallfahrten wir zu den Gräbern dreyer jungen Vä-
ter (Baba), und dreyer alten (Dede), dreyer Wahnsin-
nigen (Abdal) und dreyer Fürsten (Sultan) im Reiche der
Heiligkeit.
Géiiklibaba , d. i. der Hirschenpapa , ein Derwisch aus
Aserbeidschan, ein Jünger des grossen Scheichs Chod-
scha Ahmed Jessui, der in Wäldern in der Gesellschaft
von Hirschen und Gasellen lebte, die er zu seinem Last-
thieren und Reitpferden abrichtete. In dem Schlosse
von Brussa wird der alte Stamm eines grossen Baumes
gezeigt, den er gepflanzt haben soll. Sultan Orchan, un-
ter dessen Regierung erlebte, und den er auf seinen
Feldzügen begleitete, baute sein Grabmahl in der Mitte
von Brussa und stiftete ein Kloster dazu.
Ramasanbaba, d. i. der Fastenpapa, ein Derwisch aus
dem Orden der Beglaschi, d. i. des militärischen Ordens
der Janitscharen, ein frommer Mann, von denn die Le-
gende weiter nichts sagt, als dass er barfuss und bar-
haupt ging , bethete und fastete, ruht unter Bäumen auf
einem offenen Platze.
Akbiikbaba, d. i. der weissbartige Papa , ein Scheich
des Ordens der Derwische Bairami, aus der Zeit Murad
des Zweyten, liegt in dem von ihm gestifteten Kloster,
das auch dem Viertel der Stadt den Nahmen gibt, be-
graben.
Karanfillidede, d. i. der Nelkentati, ruht in dem Klo-
ster zu Karanfill, dem schönen melkenreichen Spatzier-
57
gange auf der Westseite der Stadt ausser dem Thore
Hassan Pascha's. - -
Sünbüllide.de , d. i. der Hyacinthentati, bey dem Thore
der Tataren begraben.
Jogurdlide.de *), d. i. der Saueremilchtati, ein Derwisch
aus Chorassan. - 4
Abdal Murad, d. i. der wahnsinnige Murad, ein Der-
wisch aus Chorassan, welcher der Eroberung von Brussa
beywohnte, und am Fusse des Olympos auf der nach
ihm genanntem herrlichen Aussicht in seinem Kloster be-
graben liegt. Man zeigt hier sein hölzernes Schwert,
welches europäische Reisende für die Durindana des ra-
senden Roland angesehen haben, indem sie das hölzerne
Schwert des wahnsinnigen Derwisches mit dem eisernen
des rasenden Paladines verwechselten; solche heilige
Schwerter, wiewohl nur von Holz, haben den ersten
Sultanen der Osmanen nicht weniger Dienste geleistek,
als die stählernen, indem sie diese durch ihr Beyspiel
in Bewegung setzten. Sultan Ahmed I. huldigte diesem
staatsnützlichen Aberglauben, indem er von der Länge
dieses Schwerts, das drey Ellen mass, beyläufig Eine
wegschnitt, und dieselbe im kaiserlichen Schatze zu Con-
stantinopel als Reliquie verwahren liess.
Abdal Mussa; d. i. der wahnsinnige Moses, kam mit
Hadschi Begtasch aus Chorassan mach Kleinasien, wohnte
der Eroberung von Brussa bey, und liegt neben dem
*) Ein solcher Dede war der türkische Mönch, welcher unter der
Regierung Manuel's die griechischen Mönche verführte, die bey
ihrer Hinſichtung auf türkisch ters Baata» pms (Irisch), d. i.
Yater Sultan komm ! riefen. Ducas.
H
53
Hirschenpapa begraben, dessen. Wundern die Legende
die seinigen beygesellt. Moses sandte dem Hirschenpapa
Gluth in Baumwolle gewickelt, und dieser schickte ihm
dafür Milch von einer Hindinn, die er ritt, um ihm zu
zeigen, dass er den geheimen Sinn der Sendung ver-
standen, und dass, so wie sein Freund Kraft und Sanft-
muth (Gluth in der Baumwolle) zu paaren wisse, er die
Früchte der Cultur der wilden Natur (Milch von der
Hindinn) zu entlocken beflissen sey.
Abdal Mohammed, d. i. der wahnsinnige Mohammed,
ruht an der Hauptstrasse in dem nach ihm genannten
schönen Kloster.
Die drey Sultane der Heiligen sind: Tschekirdsche Sul-
tan, d. i. der Heuschreckensultan, Schadi Sultan, d. i. der
Freudensultan, und Emir Sultan, d. i. der Fürst Sultan.
Der erste liegt auf der Westseite der Stadt zunächst an
dem Grabmahle Sultan Murad's II., der letzte auf der
Ostseite an der nach ihm genannten Moschee, begra-
ben, und neben ihm ruht auch der zweyte. Das Anden-
ken des ersten und dritten verherrlichet auch der Nah-
me der nach ihnen genannten westlichen und östlichen
Vorstadt Brussa's Tschekirdsche und Emir Sultan. In beyden
ragt eine grosse Moschee als die herrschende Steinmasse
hervor, um die sich die anderen Gebäude wie die Frucht
um dem Kern geformt haben. Gegenüber der Moschee von
Tschekirdsche ist eine freye Aussicht, von wo man die Ebe-
ne von Brussa in ihrer ganzen Ausdehnung umfasst, und
einige und zwanzig Dörfer entdeckt, theils auf der Ebene,
theils auf der Hügelkette, die sich zwischen dem Meere
und dem Olympos erhebt, gelegen. Die Fontaine dieses
5
Belvedere's, welche die Fluthen einer kalten und vº
men Quelle vereint, verdient besondere Aufmerksam-
keit durch das fündige Spiel, wodurch der VWasserbau-
meister Auge und Gefühl zu täuschen bemüht war. Die
kalte Quelle, aus mehr als einer Öffnung hervorsprin-
gend , füllt das Becken. Wenn man die Hand in die
Quelle und in das Becken taucht, so ist sie kalt, das
Wasser aber, das aus dem Becken ausfliesst, heiss. Der
heisse Quell wird nähmlich durch eine in der Dicke der
Steinwand des Beckens verborgene Röhre bis zu der Höhe
des Wasserspiegels der kalten Fluth hinaufgeleitet, und
fliesst dann von aussen heiss, während das kalte Wasser
von innen durch eine andere verborgene Röhre abfliesst.
Das schönste, reichste und berühmteste aller Grab-
mahle Brussa's ist das Emir Sultan's , an der von Sultan
Bajasid dem Ersten erbauten, und nach dem Nahmen
dieses heiligen Derwisches gemannten Moschee in der
gleichnahmigen Vorstadt. Die Moschee erhebt sich auf
einer luftigen, die Aussicht ringsum beherrschenden
Höhe, zu dem der angebauten Grabmahle steigt man
sechs Stufen hinunter. Die Wände sind so von aussen
als von innen mit persischem Porcellan, die Thorflügel
waren ehemahls mit silbernem Beschläge bekleidet. Vier
Fenster dieses herrlichen Mausoleums gewähren die freye
Aussicht auf die Ebene von Brussa , und die vier ande-
ren gegenüber gehen in die grüne Nacht der Bäume des
Harems , d. i. des Vorhofs der Moschee. Diese Grab-
stätte war vormahls durch die Pracht der seidenen Tep-
piche, der silbernen Lampen, der mit Edelsteinen be-
setzten Rauchfässer und Rosenwasserflaschen eine der
H 2
Go -
reichsten in allen islamitischen Staaten, und gab an
Reichthum und Glanz den berühmtesten Wallfahrtsör-
tern des Islam's, dem Grabe des Propheten zu Medina,
dem Ali's zu Kerbela , dem seiner Söhne zu Meschhed,
dem des Imams Mussa Ali Ben Mussa Risa zu Tass in
Chorassam, und des Imams Mussa Kasim zu Bagdad we-
mig nach, und ist noch heute, nebst dem berühmten
Grabmahle Sid Ghasis (im Sandschak Sultanögi) und
Mewlana Dschelaleddin's zu Konia, der berühmteste Wall-
fahrtsort des osmanischen Reichs. Die Schätze von Gold
und Silber sind theils durch Feuersbrünste , theils durch
Veruntreuung der Hüter hinweg geschmolzen, so, dass
selbst von den Koranen, den Meisterwerken der ersten
arabischen und türkischen Kalligraphen *), nur noch
einige übrig und die Stiftungen für Armenwohnungen
und Freyküchen fast gänzlich eingegangen sind.
Emir Sultan hiess eigentlich Schemseddin Mohammed
Ben Ali ; aus Buchara gebürtig, wallfahrtete er nach Mek-
ka, wo er, laut der Legende, durch eine aus dem Hei-
ligthume der Kaaba erschollene Stimme in dem Ange-
sichte aller Seide und Scherife , welche die Echtheit sei-
ner Abkunft vom Propheten und die Heiligkeit seines
Lebenswandels bezweifeln wollten, für den Ersten der
Emire und Heiligen erkläret ward, und seit dem den
dreyſachen Ehrentitel Emir, Sultan, Weli, d. i. Fürst,
Herrscher, Heiliger, erhielt. Von Mekka trat er mit ei-
*) Solche Kalligraphen waren Jakut Mosteassemi, der Erfinder
der Neschischrift, Scheich Bekri, Sehebi und Chaled unter den
Arabern; dann unter den Türken, Abdollah aus der Krim, Has-
san von Karahissar, Scheich Dede Mohammed und Timurd-
schikuli.
4.
6r
ner Schar seiner Jünger seine Reise an, auf welcher ihm, -
nach der Legende, eine in der Luft schwebende Lampe
vorleuchtete, wie die Feuersäule der Israeliten, und bey
seiner Ankunft zu Brussa verlosch. Sultan Emir sah hierin
den Wink des Himmels, der ihm Brussa zum Aufent-
halte bestimmte , und er ward der Heilige der Regie-
rung Bajasid's I., den er auf seinen Zügen begleitete,
und mit der schönem griechischen Prinzessinn Lotosblume
traute. Nach der Niederlage Bajasid's rettete er Brussa
von der Verwüstung Timur's durch eine Gesandtschaft
am denselben, und starb i. J. d. H. 833 (Chr. 1429).
Nach seinem Tode wurde seine Grabstätte verherrlicht
durch Sagen vom Wundern und durch Wallfahrten von
Gläubigen, denen selbst die Sultane mit gutem Beyspiele
des heiligen Besuchs vorgingen. Als Sultan Selim I. nach
dem über seinem Bruder Ahmed erfochtenen Siege die
Gräber seiner Ahnen und Emir Sultans zu Brussa besuch-
te, verkündete ihm eine aus dem Grabe erschallende
Stimme die Eroberung Ägyptens. So wiederhohlte sich
durch die Stimme aus dem Grabe das leicht begreifliche
Wunder, wodurch der Selige selbst durch die Grab-
stimme des Propheten zum Heiligen erklärt worden war,
indem er nun als Sultan der Heiligen den Sultan der
Gläubigen aus seinem Grabe als Sieger und Eroberer
Ägyptens begrüsste. Dankbar für die seinem Ahnherrn
Selim dem Ersten gegebene und erfüllte Freudenboth-
schaft, stellte Sultan Selim III., der Wiedereroberer
Ägyptens , die durch den Brand verheerte Moschee Emir
Sultan's sammt seinem Grabmahle wieder von neuem her.
62
3. Gräber der Gelehrten.
Von dem Heiligen gehen wir nun zu den Gelehrten
über, von denen statt einem ganzen Dutzend ein hal-
bes, nähmlich eine Trias vom Gesetzgelehrten, und eine
andere von Dichtern genügen mag.
Der grosse Scheich Al-bostami *), geboren im J. d.
H 8o3 (Chr. 14oo) gestorben im J. d. H. 875 (Chr. 147o),
aus der Zeit Sultan Mohammed's des Zweyten, der Ver-
fasser vieler gelehrter Commentare über grammatikali-
sche und theologische Werke, soll in Brussa begraben
liegen, was aber zweifelhaft, weil sein Grab auch zu
Constantinopel an der Moschee Ejub gewiesen wird.
Gewiss ist diess aber vom grossen Richter Al-Fenari*),
der nach seiner Rückkehr aus Persien, wo er zu Herat
studiert hatte, unter Sultan Mohammed II. zuerst als Pro-
fessor an den Collegien Sultan Orchan's im Schlosse,
und Sultan Murad's H. dann als Richter von Brussa an-
gestellt ward; unter Sultan Bajasid IL- bekleidete er acht
Jahre lang die Ehrenstelle eines Heerrichters vom Rumili,
und zog sich dann wieder in seine Vaterstadt zurück,
wo er drey Viertheile des Jahres auf seinem Landhause
am Olympos, den Winter aber in der Stadt verlebte,
und, die Dinstage und Freytage ausgenommen, täglich
Unterricht gab. Er starb im J. d. H. 834 (Chr. 143o),
und liegt an seinem Collegium begraben.
*) Sein ganzer Nahme ist: Mola Scheich Ali Ben Medschdeddin
Mohammed Ben Mohammed Ben Messud Ben Mahmud Ben Mo-
hammed Ben Mohammed Benol - Imam Fachreddin Mohammed
Ben Omar Al-bostami, Al-herwi, Er - rasi Al-karuni. Die
Zahl seiner Werke entspricht der Länge seines Nahmens.
**) Mola Alaeddin Ali Ben Jussuf Ibn Schemseddin Al - Fenari.
63
Chosrew Ibn Chisr, der Verfasser des grossen Werkes
über die Gesetzwissenschaft (Durrer ughurrer) unter Mo-
hammed II., liegt zu Brussa nächst Séineddin Haft begra-
ben, und man zeigt noch die kleine finstere Zelle, worin
er dieses classische Werk der osmanischen Rechtsgelehr-
samkeit ausarbeitete. - "
Mola Chosrev der grosse Rechtsgelehrte ist nicht zu
verwechseln mit Mola Chosrev dem grossen Dichter, dem
Verfasser der türkischen Schirin, welcher dieselbe hier
auf der Höhe des Olympos unter dem Gesäusel von Pi-
nien und dem Gemurmel der reinen Bergwasser sang,
das aus seinem Versen wiedertönt.
Auch der Dichter Chiali, d. i. der Phantasienreiche,
welcher diesen Nahmen durch den hohen Schwung sei-
mer Einbildungskraft verdient, und JPYassi Ali, der Ver-
fasser des Humajunname, d. i. der türkischen Übersetzung
der unter dem Nahmen Bidpais berühmten Apologen, des
Meisterstückes türkischer Prosa, ruhen zu Brussa. Mola
Chosrev, der erste romantische Dichter, und Wassi Ali,
der erste geschmückte Prosaiker der Osmanen, sam-
melten in dem Blumengefilde Brussa's die schönsten Blü-
then der Dichtkunst und Rhetorik, womit sie ihre um-
sterblichen Werke ausschmückten, und übertrugen in
dieselben mit dem Farbenschmelz des Prachtgemähldes
der Natur den Wohllaut der hallenden Wälder und der
fallenden Ströme. Hier, wo sie die schönsten Tage ih-
res Lebens auf der Höhe des Olympos unter Vögelge-
sang und Fluthenklang lernend und lehrend genossen,
ruhen sie am Fusse des Gebirgs, in dem kühlen Schatten
64
des Grabes den Quell des Lebens verspendend, der in
ihren unsterblichen VWerken fliesst.
Nach dieser doppelten Dreyzahl grosser Gesetzge-
lehrten und Dichter, welche in der osmanischen Ge-
schichte eben so hoch berühmt sind, als die sechs zu
Brussa begrabenen ersten Sultane, verdient die Schar
der übrigen hier ruhenden Scheiche , Muftis, Imame und
Ulemas kaum unsere Aufmerksamkeit.
Die berühmtesten der hier begrabenen Scheiche oder
Ordensobern sind: der Scheich Hadschi Chalfa , Oberer
des Ordens der Derwische Bairami, der Scheich Ali Bal-
chi, Oberer des Ordens der Derwische Nakschbendi, und
der Scheich Omar Ali, Oberer des Ordens der Derwi-
sche Challveti. Weiters der Scheich Abdollatif Moka-
dessi*), der zur Zeit Sultan Mohammed des Ersten von
Konia nach Brussa kam , und hier das Kloster Seinler er-
baute, an dem er begraben liegt. Der Scheich Kiarsuni**)
liegt gegenüber der Begräbnissstätte der Kamehltreiber
in einem von Sultan Bajasid I. für ihn erbauten Kloster
begraben; er war der Sohn einer armenischen an einen
Fürsten aus der Familie Akdsche Kujunli verheiratheten
Prinzessinn.
Gelehrte von minderem Range als die oben erwähn-
ten, sind: Abdollah Krimi, der unter Sultan Murad II.
als Professor zu Mersifun stand - und Mola Jussuf Bali Ibn
Jegan , beyde Verfasser eines geschätzten Werkes über
das Telwih. Meulana Elias Ben Ibrahim, ein berühmter
*) Sein ganzer Nahme ist: Abdollatif Mokadessi Ibn Abdor - rah-
man Ibn Ali Ibn Ghanem Al- Anssari.
**) Ebu Ishak Ibrahim Karsuni.
65
Geschwindschreiber. Abdollah Efendi und Hassan Tsche-
lebi, zwey Gelehrte der Überlieferungs- und Auslegungs-
kunde. Endlich der berühmte Mufti und Geschichtschrei-
ber des osmanischen Reichs, Asis Efendi, einer der ehr-
geitzigsten, prachtliebendsten, talentvollsten, unruhig-
sten Köpfe, deren die osmanische Geschichte erwähnt,
und der, nachdem er lang durch seine Ränke die Ule-
mas und den Hof als oberster Vorsteher des Gesetzes
beunruhiget hatte, nach Brussa verwiesen, hier seine
Laufbahn und sein Leben beschloss. Er liegt an der
Strasse zunächst an der Begräbnissstätte der Kamehl-
treiber.
Von den Gräbern und Todten kehre der Blick wieder
zu dem Gebäuden und ihren lebendigen Bewohnern, ih-
ren Erwerb und ihre Obrigkeiten überschauend, zurück.
Brussa's Häuser sind theils aus Stein, theils aus Zie-
geln, theils aus Holz gebaut. Die Ecken der Häuser,
welche zugleich Gassenecken bilden, sind meistens ab-
geplattet, und diese Abplattung fängt ziemlich hoch an
der Mauer durch eine architektische Verzierung an, die
sehr gut in die Augen fällt. Eine sehr einfache Anord-
nung zurückgeschobener Ziegeln, welche hohle, in die
Mauer hineingehende halbe Parallelepipeda bilden (wie die
Kupfertafel dieses veranschaulichet). Die Stadt. zu An-
fang dieses Jahrhunderts durch eine wüthemde Feuers-
brunst in Asche gelegt, erhob sich nur nach und nach -
aus derselben. -
Laut der Angabe der Einwohner soll sich ihre Zahl
auf ein Mahl hundert tausend Moslimen belaufen, was
übertrieben scheint, selbst wenn man 6ooo Armenier, -
I
66
35oo Griechen und 12oo Juden, welche dem nicht mo-
hammedanischen Theil der Bevölkerung ausmachen,
darunter begreift. Die armenische und griechische Kir-
che steht unter Metropoliten, die von dem Patriarchen
ZUl Constantinopel abhängen. Die armenischen Geistli-
chen, welche den Dienst der Kirche versehen und an
derselben in Gemeinschaft wohnen, sind theils Mönche
(Karabasch, wörtlich Schwarzköpfe), wie ihr Bischof,
und dürfen sich nicht verehelichen; andere wohnen mit
Weib und Kind in der Stadt. Ihre Metropolitankirche
ist, wenn micht grösser, doch weit reicher an Schmuck
und Zierrathen, als die Metropolitankirche zu Constan-
tinopel. Die armenischen Kirchen sind, ihrer Bauart und
Einrichtung nach, von dem griechischen ganz verschie-
den , indem sie geräumig und licht. Da sind keine Bän-
ke und Stühle, nur Matten bedecken die Flur, und die
drey auf einer Linie sich erhebenden Altäre abgerech-
net, hat ihr Inneres mehr mit Moscheen als mit anderen
christlichen Kirchen gemein. Diese drey Altäre erheben
sich aber keineswegs auf ebener Erde, sondern auf einer
mehr als mannshohen gemauerten Estrade oder Bühne
unter drey , durch einen in der Mauerdicke verborge-
I1E Il Gang, verbundenen Gewölben.
Bey der feyerlichen Messe ist der Oberpriester mit
seinen Diaconen und Akolyten in beständiger Bewegung
zwischen diesen drey Altären, indem er wechselweise
vor demselben Gebeth und Rauchwerk darbringt, und
bald durch die Verbindungsgänge, bald durch das Al-
lerheiligste den Augen der Gemeine für ein Kleines ent-
zogen, über ein Kleines wieder von Lichtglanz un
67
Rauchwolken umhüllt, wie ein Himmelsbothe auf der
Höhe einherwandelt. Die Verschiedenheit des äusseren
Cultus der nicht unirten griechischen und armenischen
Kirche erinnert an die ursprüngliche wesentliche Ver-
schiedenheit des heimlich altägyptischen Gottesdienstes,
im ausgehöhlten Felsen und dunkeln Tempeln, mit hie-
roglyphischen Bildern bedeckt, und des altpersischen,
der in freyer Luft auf Bergen ohne sinnliche Bilder ge-
feyert ward. Der Grieche gefällt sich noch im geheimen
ägyptischen Dunkel und einem übertriebenen Madon-
nencultus, ganz dem der Isis nachgebildet, während der
Armenier, der Hochgebirge seines Vaterlandes und des
benachbarten Persiens eingedenk, lieber in der Höhe
einherschreitet und dem Herrn Hosannah singt.
Zu Constantinopel wird viel vom religiosen Fanatis-
mus der mohammedanischem Einwohner Brussa's und
ihrem unfreundlichen Benehmen gegen Fremde.gespro-
chen. Wir fanden das Gegentheil. Überall wurden wir
freundlich empfangen, überall kam man bereitwillig un-
serer Schaulust und Neugierde entgegen, die wir durch
die Besichtigung ihrer Grabmahle und Moscheen mit
grösserer Leichtigkeit und Freyheit zu befriedigen Ge-
legenheit fanden, als selbst zu Constantinopel. Was die
Bewohner Brussa's bey Fremden und besonders bey Rei-
senden, welche der Sache unkundig, nur sehen und
nicht sprechen, in diesem üblen Ruf gesetzt zu haben
scheint, dürfte in etwas Wildem und Störigen liegen,
das sich fast auf allen Gesichtern ausdrückt - und mit
der Artigkeit ihrer Sitten, und besonders mit ihrem freund-
lichen Gesinnungen gegen die Fremden im schneiden-
I 2
68
den Contraste steht. Bey näherer Betrachtung und Prü-
fung findet es sich, dass dieses Wilde und Abschrecken-
de in einem Fehler der Augen (nicht des Fremden, son-
dern der Einheimischen) besteht. Wirklich haben fast
alle Einwohner, Männer und Weiber und schon die
kleinsten Kinder, einen sichtbaren Mangel im Auge,
der sich aber leichter wahrnehmen als beschreiben lässt.
Es ist eine Art von schielendem Blicke, eine Art geblen-
deter Augen, denen die zu grosse Lichte des Tages weh
gethan zu haben scheint. Noch schwerer als dieses zu
beschreiben, ist es für den der Augenkunde Unkundi-
gen, die Ursache davon anzugeben, oder zu vermuthen,
indem keine der gewöhnlichen, den Augen schädlichen,
örtlichen Ursachen hier zu Tage liegen. Die Sonnen-
strahlen prellen hier von keinem das Gesicht ermüden-
den Felsen ab, sondern verfliessen überall in die den
Augen so wohlthätige grüne üppige Pflanzenwelt. Der
Boden ist keine Wüste, wo Millionen spiegelig ge-
schliffener Sandkörner mit zurück geworfenen Strahlen
das Auge schmerzhaft durchdolchen; derselbe ist weder
mit Salzen geschwängert, noch nach starker Hitze von
kaltem Nachtthau durchfeuchtet wie in Ägypten; auch
sind Augenkrankheiten hier nicht häufiger, als irgendwo
anders. Die Ergründung der Ursache dieses Augenfeh-
lers ist der Aufmerksamkeit eines denkenden und beob-
achtenden Arztes nicht minder werth, als die Zersetzung
der Wasser der Heilquellen.
Eben so merkwürdig, als für den Arzt durch seine
Bäder, ist Brussa für den Kaufmann durch seine Seiden-
cultur und seine Seidenfabricate, und der Türke hat
69
also hier nicht Unrecht, jeden Fremden entweder als
Hekim, d. i. Doctor, oder als Basirgan , d. i. Kaufmann,
anzusprechen *).
Das Erzeugniss der rohem Seide um Brussa wird
jährlich auf hundert tausend Toffet, d. i. fast 3ooo Cent-
ner (indem das Toffet 61o Drachmen wiegt) geschätzt.
Der Preis ist seit einem Jahrhundert ungemein gestie-
gen, indem das Toffet rohe Seide, das zu Tournefort's
Zeiten 15 bis 2o Piaster kostete, heute mit 88 bis 9o be-
zahlt wird, wobey freylich ein guter Theil der Ver-
schlechterung des Piasters willen nur scheinbare Erhö-
hung ist. Die Seidenfabricate Brussas bestehen in ge-
wirkten Seidenzeugen, von denen jährlich allein mehr
als 1oo,ooo Stücke ausgeführt werden sollen, in Dünn-
tuch für Frauenhemden, und in einer Art von Sammet
(Katife) zu Soffakissen. Die Seidenzeurge (Kutni), theils
gestreift , theils mit Blumen durchwirkt, geben ge-
schmackvolle lange Westen oder Unterkleider für Män-
ner sowohl als Frauen; zu den Hemden oder Westen
wird das Dünntuch (Burundschik) verwendet, eine Art
*) Der Classenbegriffe des Standes, unter welche der Türke die
reisenden Fremden eintheilt, sind drey, nähmlich: Hekim (Arz),
Basirgan (Kaufmann), oder Kapudan (Hauptmann) Unter dem
letzten begreift er sowohl den Schiffscapitän als den Landoff-
cier; unter dem ersten sowohl den Doctor als den Philosophen,
und er redet den Reisenden mit einem dieser drey Nennwörter
an, je nachdem er nach seinem Aussehen urtheilt, dass Wis-
senschaftsliebe oder Gewinnsucht, die Hülfe leidender Meusch-
heit, oder militärische Dienstpflicht die Beweggründe seiner un-
ternommenen Reise seyn mögen. Nach der Nation ist ihm aber
jeder entweder ein Moskow (Russe), Inglis (Engländer), Fran-
fis (Franzose), oder Nemtsche (Deutscher). Weiter hinaus er-
strecken sich seine Standes - und Volksbegriffe nicht,
7O
º koischem Gewande, das im Ganzen halb durchsich-
tig, theilweise mit ganz durchsichtigen Streifen durch-
webt ist. Da der halb durchsichtige Stoff nie ganz weiss
gewaschen wird, sondern immer die gelbliche Farbe ro-
her Seide behält, so sticht das Silberweiss eines schönem
Leibes durch die ganz durchsichtigen Streifen um so
blendender ab, und die Schönen im Hareme, bloss in
solche Hemden gekleidet, erscheinen, je nach der Zeich-
nung der lichten Streifen und bindenartig laufenden Ver-
brämungen, als gold- und silbergestreifte Zebras. Der
Sammet zu Polsterkissen ahmt die phantastische Zeich-
mung der bekannten türkischen Teppiche nach, doch
so, dass der Grund immer weiss, die geschnittenen Blu-
men und Verzierungen aber blau, grün, roth, gelb,
meistens einfarbig, manchmahl aber auch von gemisch-
ten Farben sind. -
Ausser dem Seidenzeuge auf Kleider, dem Dünntuch
auf Fraueuhemden, und dem Sammet auf Polsterkissen,
wird in Brussa auch noch die blaue und naftafarbene
Leinwand zu den schönsten Badeschürzen (Pischtemal)
verfertiget, auch andere Beutel und seidene Quasten.
Dieser Reichthum an Seide lässt auf die Grösse der
Maulbeerpflanzungen schliessen, mit denen die ganze
Ebene von Brussa (insgemein das Feld von Filehdarge-
nannt) bedeckt ist. Man zählet nicht weniger als sieben
Arten von Maulbeeren und vierzig Arten von Birnen in
den Umgebungen Brussa's. Noch sind die Trauben, Apri-
kosen und Kirschen, vorzüglich aber die guten Kasta-
mien, ihrer Grösse und Geschmackhaftigkeit willen, weit
berühmt. Sie wiegen bis zu 4o Drahmen eine, und wer-
71
den mit dem saftigen Fleische der auf dem Olympos wei-
denden Hammel zu einem Braten verwendet, der für
einen der grössten Leckerbissen gilt und Kirde Kebabi
heisst. Unter dem Luxusgebäcke zeichnen sich die
schmackhaften Semmeln (Sumum) und das weisse Brot
(Tschakil ekmek), unter dem Zuckerwerke die Halwagat-
tungen (Tahin und Mummessik), unter den Sorbetten der
Nelkensorbet (Karanfilli scherbeti) und der Sorbet (Süd-
schah scherbet) durch ihre vorzügliche Güte aus, so dass
Brussa auf der apicischen Landkarte des Gourmand's kei-
men minderen Ehrenplatz als auf der ästhetischen des
Liebhabers von Naturschönheiten, und auf der politi-
schen des Statistikers einnimmt. Diesem ist Brussa als
die dritte Stadt und älteste Residenz des Reichs, als Han-
delsstadt und als Hauptstadt des Sandschak's Chodawend-
kiar besonders merkwürdig.
Als sie nach der Eroberung Constantinopels aufge-
hört hatte, die Residenz der Sultane zu seyn, blieb sie
die Hauptstadt der Landschaft Chodavendkiar, d. i. des
Selbstherrschers (nach Murad I. sogenannt). Diese Land-
schaft zählt 42o grosse Reiterlehen (Siamet) und 1oo5
kleine (Timar). Die Landeinkünfte des Paschas sind in
den alten Kanun's mit 618,079 Aspern, die des Richters
mit 5oo Aspern eingetragen. Der Richter (Molla) von Brus-
sa steht auf einer der höchsten Stufen der Würdenleiter
der Ulema's, indem er unmittelbar zu den Richterstel-
len der zwey ersten Residenzen des Reiches Adrianopel
und Constantinopel aufsteigt *). Nach dem Molla sind die
*) Unmittelbar unter dem Molla verwalten in den sieben Vierteln
der Stadt die Gerichtspflege sieben Waibs, und ausser der Stadt
72
geistlichen Obrigkeiten Brussa's: der Mufti Entscheider
schwieriger Rechtsfälle; der Nakibol-eschraf, oder Yor-
steher der Emire , d. i. der Verwandten des Propheten.
Die militärischen Obrigkeiten: die Officiere der Janit-
scharen und Sipahi (Jenitscheriserdari und Sipah kiaja jer).
Von Seiten der Kammer: der Aufseher der Mauth (Güm-
rükemini, und der Aufseher der Seide (Harir Emini); endlich
als Polizeybeamte: der Woiwode der Stadt, der Subaschi
(Polizey - Commissär) Muhtessib (Marktrichter), und Ajak
naibi , (Profos).
Diess genüge von der heutigen Regierung der Stadt,
so wie die zwey folgenden Worte von ihrer alten Ge-
schichte. -
Brussa's Erbauer war, mach Plinius, Hannibal , wäh-
rend er als Gastfreund bey Prusias, dem Könige Bithy-
- - -
niens, weilte. Nachdem Mithridates von Lucullus bey
Cyzicus geschlagen würde, belagerte und eroberte Tria-
rius die Stadt. Die Münzen derselben, mit den Brust-
bildern der römischen Kaiser , beweisen ihre treue Er-
gebenheit gegen dieselben; die byzantinischen besuch-
hängen von ihm ab die Naib's von Kine, Filehdar, Abliond,
Castel und Tschekirdsche, also in allem zwölf Naibs oder Stell-
vertreter; die anderen Gerichtsbarkeiten der Landschaft Cho-
davendkiar, welche unabhängige Richter habeu, sind die 45fol-
geuden nach Dschihannüma §. 652. Ik Ermeni, Edrenos, A-
jasi, Akjasi jürük, Ulubad, Aidindschik, Ilidsche, Ainegöl,
Bakir, Bergama, Begbasari, Bojali, Biramidsch, Terhala, Som-
ma, Chirmendscik, Sivriñissar, Sögüt, Sindschan, Saritschair,
Tagh - ardi, Tarakli, Tarakli jenedschessi, Tomanidsch, Kari-
basari, Koribasari, Karahissar, Waalli, Kisildscha, Tusla , Ke-
bud, Kete, Kermasti, Gimischabad, Kemlik, Gögdschetag,
Günbasar, Goinek, Günjüsi, Lefke, Manias, Marmara, Mo-
dania, Michalidsch, Michaldschik.
3
ten dieselben zu wiederhohlten Mahlen ihrer Bäder v
len, so Constantin mit seiner Gemahlinn Theodora (im
Jahre 797). Seifed-devlet der Grosse (von Motenebbi
besungen), Fürst der Familie Hamadan , belagerte Brus-
sa") (im Jahre 941) ein ganzes Jahr lang, bis es sich
gütlich ergab, worauf er die Mauern schleifte *).
Osman, der Gründer des Reiches, nachdem er Brussa
drey Mahl vergebens belagert hatte, übertrug die Be-
lagerung seinem Sohne Orchan. Dieser erbaute zu Ka-
plidscha und Bunarbaschi zwey Thürme, mit deren Hülſe
die Stadt mach siebenmonathlichem Widerstande im Jahre
der Hedschira 726 (Christi 1325) erobert ward. Osman
erhielt die Freudenpost im Augenblicke, wo er den Geist
aufgab, und starb mit der Beruhigung, dass die Haupt-
stadt Bythiniens ihm als Grabstätte, und seinen Nachfol-
gern als Thronsitz gewonnen sey. Was diese durch
Moscheen und Mausoleen , durch Bäder und Fontainen
zur Verschönerung Brussas beygeträgen, ist bereits be-
schrieben worden; und es ist nur noch der Mauern zu
erwähnen, mit denen die Stadt unter der Regierung
Mohammed's III., zur Zeit der asiatischen Empörungen,
Jasidschi Oghlis, Kalender Oghli's , Dschennet Oghl's , und
anderer Aufrührer, welche damahls Anatolien zerrissen,
umfangen ward.
*) Theophanes Lutetii, pag, 397, auch Cedrenus.
**) Elmacinus, pag. 275.
III.
D e r O 1 y m p o s.
Nach vollendetem Spatziergange durch das am Fusse
des Olympos gelegene Brussa beginnet die Beschreibung
der Wanderung in die höheren Regionen dieses berühm-
ten Berges, dem das Alterthum von seinen gleichnahmi-
gen Riesenbrüdern durch den Nahmen des mysischen
Olympos unterschied.
Der Weg geht zuerst hinter der Stadt gegen Osten
gewendet allmählich bergauf. Auf der Höhe einer hal-
ben Stunde öffnet sich der Eingang eines herrlichen Am-
phitheaters von Felsen, die sich hinter dichtverwachse-
nen Bäumen verstecken. Nussbäume, Kastanien, Buchen
und Espen bekleiden die erste Stufe des Olympos. Der
schmahle und schlimme Steig klimmt am Rande eines
ungeheuer tiefen Thales hinan. Diess ist das Gökdere-
oder himmlische Thal, in dessen Nahmen sich der Sinn
des Olympos als Wohnung der himmlischen Freuden er-
halten hat. Es ist dasselbe, bey der Beschreibung Brus-
sa's erwähnte Thal, dessen verengte Mündung durch die
Stadt ausläuft, und durch welches die wüthenden Winter
und Wetterströme Bäume und Felsen hinab rollen. Hier
erscheint dasselbe als eine ungeheuere Kluft, geteppicht
mit Wiesen, behangen mit Wäldern, die wie vorge-
schobene Scenen vor einander laufen, so, dass das Auge
mehrere aufeinander folgende Thäler durchläuft, welche
aber zusammen nur ein einziges grosses - von der VVur-
zel des Berges auslaufendes Thal bilden.
75
Nachdem man beyläufig eine Stunde lang am Felsen-
abhange dieses grünen Abgrundes fortgeht, erreicht
man eine grosse Wiesenplatte, an drey Seiten offen,
auf der vierten aber, der Südseite nähmlich, von einer
hohen Felsenwand ummauert. Von der offenen Seite die-
ser Platte taucht der Blick rechts und links in die tief-
stem Thäler des Olympos , rechts in das Gökdere *), und
links in die ungeheuere Kluft, welche ihn von dem gegen-
über liegenden Gebirge von Katirli (dem Arganthionios)
trennt, und dessen Aussicht mit dem See von Jenischehr
schliesst. Auf der Wiesenplatte ist der vorzüglichste Sitz
der turkomanischen Hirten, welche in den Sommermo-
mathen den Olympos beziehen, den Rest des Jahres aber
in der Ebene zwischen Brussa und Michalidsch zubrin-
gen. Ihre Sennereyen sind niedere, durch Reife bogen-
förmig gewölbte Hütten mit Pelz bedeckt, die wie halb-
versunkene Lastwagen oder Archen aussehen, und de-
ren dunkele Dächer von dem Grün des Grundes, worauf
sie stehen, sehr angenehm abstechen. Diese herumzie-
henden Horden , Jürük , d. i. Nomaden, genannt, 8oo
Familien an der Zahl, halten sich, 4o bis 5o Familien
beysammen, in solchen Alpengegenden auf, welche
Jaila"), die Sommerwohnungen, heissen. Es gibt beyläu-
*) Gökdere heisst auch das schönste Thal der asiatischen Küste des
Bosphorus, das den Nahmen des himmlischen nicht minder als
dieses durch himmlische Schönheit verdient.
*) Jaila oder Jailak, das im Gegensatze von Kischla (Winter-
quartier), zwar wörtlich Sommerwohnung bedeutet, entspricht
ganz unsern Alpen. Die herrlichsten, noch von keinem europäi-
schen Reisenden besuchten Alpen des osmanischen Reichs sind:
K 2.
6
zwanzig solcher von Turkomanen bewohnten Jailas in
den Thälern und auf den Höhen des Olympos. Hier folgen
die Nahmen der vorzüglichsten, deren Lage nach den
aus dem Munde dieser Alpenhirten erhobenen Angaben
auf der Karte bezeichnet ist.
Die erste, schönste und grösste dieser Alpen ist die
der Wiesenplatte, worauf wir uns befinden. Hier hält
sich der Kiaja oder Vorsteher der turkomanischen Hor-
den auf. In der Mitte der beyden bewohnten Regionen
des Olympos, der höheren und der unteren, gelegen, ist sie
gleichsam der Mittelpunct des grossen, auf den Höhen
und in den Tiefen des Olympos zerstreuten Nomadenla-
gers. Der Nahme dieser Alpe, welche Ghasijaila , d. i. die
Siegeralpe, heisst, oft aber falsch Kasijaila, d i. Richteral-
pe, ausgesprochen wird, rührt von Sultan Orcham her, der
die Belagerung Brussa's von hieraus leitete. Die Alpen
von Scheich Murad von Erikli, d.i. die Flaumige, von Tschu-
kur, d. i. Grube, von Sochta, d. i. Studenten, von Ka-
pli, d. i. die Bedeckte, und von Teferrüdsch, d. i. der
Fröhlichkeit, ziehen sich unmittelbar unter die Steger-
alpe bis zu dem Fusse des Berges hin. Ober der Sieger-
alpe liegen Kirasljailassi, die Kirschenalpe, Kulakdondu-
Ramasan-jailassi, bey Adana; Merasch Jailassi, Malatia J.,
Ardschisch J; Bingöl J., bey Erserum; Dilendi J., gegenüber von
Alja; Issfenas J., bey Attalia; Maut J., bey Sele/ke; Kara-
tagh J., bey Diarbekr J.; Sindschar J., in Mesopotamien; We-
rek J., bey Wan; Pinbanschi J., bey Eriwan; Ka/tan J., bey
Siwas; Jildir J., bey Tokat; Hunkjar J., bey Magnesia; Bal-
binar J.. bey Tibre; Posdelidsch J, zu Berki; Scholkai J., bey
Paijas; Ruhban J, und endlich die Jaila, auf dem Olympos zu
Brussa und auf dem Haemos in Rumili.
radsch jailassi, die Ohrensaussalpe, Kisbunar, die º
ferbrummalpe, Sobra Jailassi, zunächst vom Gipfel Tom-
bak Tschukuri Jailassi, Tombakgrubenalpe, und Tschardak
Jailassi, die Tschardakenalpe, liegen in den Thälern zu-
nächst von Sobrajaila; die Äpfelgrubenalpe (Elma Tschu-
kuri Jailassi) endlich ist gegenüber der Siegeralpe auf
dem anderen Rande des himmlischen Thales, das von die-
sen beyden Alpen bewacht wird. Die Hirten, welche
diese Alpen bewohnen, sind augenscheinlich ein von
den Türken verschiedener Schlag von Menschen, wie
diess ihre Gestalt und Sprache bezeugen"). Sie sind mun-
ter, lebhaft, thätig, unternehmend, frey in der Anspra-
che, gastfreundlich im Empfang, aber zugleich in einer
Art von Hinterlist und Misstrauen befangen, das ihnen
ihre Verbindungen mit den Stadtbewohnern und den
türkischen Obrigkeiten nothwendig einflösen müssen.
Sie sind zu einem Weidengelde verpflichtet, das sie dem
Pascha von Brussa oder seinem Stellvertreter entrichten
müssen; andere Gebühren zahlen sie an den Jürük Agassi,
ihrem, ihnen von der Pforte ausgesetzten, Vorsteher,
der zu Michalidsch seinen Aufenthalt hat und sich alles,
vorzüglich aber die Erlaubniss zu heirathen, theuer zah-
*) Die turkomanische Aussprache und Verstümmelung türkischer
Wörter findet sich auch in Brussa und anderen Gegenden Ana-
toliens. So hört man Ahmet tschepu statt Ahmed Tschelebi, Me-
met statt Mohammed, Assmil statt Ismail, Dschafar statt Dscha-
fer u. s. w. Diese verderbte Aussprache, die von Reisenden
nachgeschrieben worden, hat die häufigen Irrungen in der Recht-
schreibung orientalischer Nahmen veranlasst, so dass noch hau-
fig Mohanet oder Mehmet statt Mohammed oder Muhammed
gehört und geschrieben wird.
8
º lässt. Diese Horden ziehen, wie schon gesagt, nur
zwischen den Höhen des Olympos und der Ebene von
Michalidsch umher; andere , östlich hereinwandernde,
heissen Aktsche Köprili Jurük , d. i. die Horden von der
Silberbrücke, und die gegen Westen Kabasch Jurük.
Nachdem man die Platte der Turkomanen verlassen
hat, beginnt die zweyte Region des Olympos von Bu-
chen, Fichten und Tannen bedeckt mit dazwischen
hervorschauenden Felsen. Diese Wälder sind jedoch
heute durch das Holzfällen der Hirten sehr gelichtet.
Sie legen Feuer an die Zweige und Rinde der Bäume,
welche oft selbst als Beute der Flammen in Rauch auf-
gehen. Die geschälten und gebleichten Stämme ohne Zwei-
ge und Wipfel, gewähren einen traurigen Anblick in der
Mitte ihrer hoch grünenden Brüder. Sie stehen als hohe
Säulen ohne Kapital in der Mitte grüner Pyramiden;
zur Zeit des Thauwetters, wenn der geschmolzene Schnee
in Strömen durch die Thäler hinabstürzt, werden diese
geschälten Stämme gehauen und in den Abgrund der
Thäler hinabgeworfen, deren brüllende Wasser diesel-
ben bis zur Mündung in der Ebene fortreissen. Dieses
Schwemmen hat besonders in dem sogenannten Holz-
thale Statt, durch welches der Nilufer ausströmt; er führt
die gefällten Wälder noch einige Zeit lang in der Ebe-
me auf seinem Rücken fort, bis zum Dorfe Odunliköi, d. i.
Holzdorf, wo dieselben ein Rechen aufhält. Nach ei-
nem zweystündigen Wege von der Turkomanenplatte, ge-
langt man zur Alpe Sobra Jaila, welche, zwey Drittel der
ganzen Höhe des Berges, hoch an den Gränzen der zwey-
ten Region gelegen ist. Hier beginnt so zu sagen der
79
Kampf zwischen dem Pflanzen- und Steinreich; diese
Alpe ist eine Thalschlucht, deren Wände mit Fichten
und Tannen bekleidet sind. Die Gegend ist ausseror-
dentlich merkwürdig durch die sonderbare Gestalt der
Felsen, von denen der Kamm des Berges starrt. Es sind
ungeheuere Felsenblöcke hie und da wie zerstreut hin-
geworfen; alle durch die Hand der Natur abgerundet,
beleidigen sie das Auge durch keine eckigen und win-
keligen Umrisse , sondern stellen sich überall in den an-
genehmsten Formen und in lieblichen Rundungen dar;
selbst die , durch die verschiedenen Steinschichten, auf
diesen schwarzen und weissen Felsen gezogenen Linien
sind alle wellenförmige Rundungen, die dem Auge durch
die Leichtigkeit ihrer Zeichnung und durch das Gefälli-
ge ihrer Umrisse wohlthun. Man möchte sich hier ver-
setzt glauben in eine ungeheuere Bildhauerwerkstätte,
wo Riesentorsos von allen Gattungen nur die Hand des
Künstlers erwarten, um das gesammte Spiel verborge-
mer, noch in Stein gebannter Gliedmassen zu entfalten.
Siehe da Ringer , Centauren, Büsten, Statuen und ganze
Gruppen in Felsenmassen vorgezeichnet! Man möchte
sagen, es seyen die zusammengesetzten Trümmer eines
ungeheueren Tempels; Altäre, Sphinxe, Sarkophagen !
oder man möchte sich auf dem Schlachtfelde der Gigan-
ten glauben, welche den Himmel erstürmen wollten;
diess sind ihre zerstreuten Glieder, welche der Blitz
zerworfen und in Stein verwandelt hat! Auf dem weis-
sen und schwarzem Grunde, der die Formen dieser Fel-
sen abstechend erhebt, hat die Natur mit grünem, gel-
bem und violettem Moos Hieroglyphen in frischeren und
Bo
nicht weniger dauerhaften Farben gemahlt, als die der
ägyptischen Tempel und Königsgräber. Sie sprechen zwar
nicht als unbekannte Sprachzeichen den Geist, aber de-
sto mehr als eine mystische Schrift die Phantasie und
das Gefühl an.
Die Reisenden, welche das herrliche Schauspiel des
Aufganges der Sonne vom Gipfel des Olympos genies-
sem wollen, bringen hier meistens die Nacht zu, und
werden von den Turkomanen mit Forellen *) aus den
mächsten Bergwässern, und mit einem gebratenem Lam-
me oder Hammel bewirthet. So köstlich der Franke auch
diese Gerichte nach der Ermüdung der Bergreise findet,
so hat das Hammel- oder Lammfleisch doch für ihn den
VVerth nicht, wie für den Osmanen , der in demselben
von der Zucht der Heerden Osmans, des Stifters der
Dynastie, zu geniessen glaubt, indem die Sage will,
dass ihm eine Heerde von nicht weniger als 4oooo Läm-
mern und Hammeln auf dem Olympos weidete. Eben
so wenig, als gesunde Esslust nach langer Ermüdung
dieser Sage bedarf, um den Fleische würzigen Ge-
schmack zu verleihen, eben so wenig bedarf der Fisch,
nähmlich die köstlichsten Forellen, selbst nach gestill-
tem Hunger - einer anderen Empfehlung, als dass sie
frisch aus der kühlen Fluth der Felsenquelle in die sie-
dende Kochpfanne überspringen, ohne jedoch dorten,
wie in der tausend und einen Nacht, ihre Köpfe wieder
zu erheben und dem schläfrigen Reisenden Mährchen
*) Der Nahme der Forelle auf Türkisch ist: Ala Balik, d. i. der
weissgeflekte Fisch, nicht Allhah Balik, d. i. Gottesfisch, wie
Pocoike meint.
81
vorzuerzählen. Die besten derselben werden in der
Entfernung einer kleinen halben Stunde von Sobro, im
dem Bache von Kirkbunar, d. i. der 4o Quellen *), gefan-
gen. Belohnender noch - als die Forellen für den Gau-
men, ist die herrliche Gegend dieses Kessels für das
Auge. Ein Alpenstrom, der aus dem ewigen Schnee des
Gipfels des Olymps sich losgerungen, verfolgt hier
seinen Lauf springend und schäkernd, knirschend und
schäumend über Felsenblöcke, die umsonst dem muthi-
gen Läufer und Springer hemmen wollen. An seinen bey-
den Ufern erheben sich Felsen mit Fichten, Tannen und
Weymuthskiefern gekrönt. Eine Art derselbeu trägt an
dem Ende ihrer Zweige frischeres, zarteres Grün , als
ihre übrigen Nadeln.
Einige dieser Felsen erheben sich vereinzelt in mah-
lerischen Gestalten wie Statuen indischer Gottheiten aus
der Masse des Felsens roh ausgehauen, die Oberfläche
anderer scheint mit aller Sorgfalt des Meissels geglättet.
Dort scheint sich der Eingang von Königsgräbern zu öff-
nen, welche das Alterthum in die Felsen zu hauen lieb-
te, und hier springen auf unersteiglichen Höhen Tafeln
hervor, auf denen die Zeit und das Moos Inschriften
zeichnete. Auf dem Gipfel des Felsenwalles , der dieses
Thal von Sobra trennt , thürmet sich eine Felsenmauer
auf, so merkwürdig durch die ungeheueren Blöcke
*) Der Nahme der 4o Quellen findet sich hier wie auf der Ebene
von Troja, an denen des Skamandros, und die türkische Be-
nennung der Quelle des Simoiss Bunarbaschi, d. i. Quellen-
haupt, haben wir schon früher unter den Spatziergängen von
Brussa begegnet.
L
82
schwarzen und weissen Gesteines, dass dieselbe unter
dem besonderen Nahmen von Tschoban Kijassi, d.i. der
Fels der Hirten, bekannt ist. Gegenüber demselben, d. i.
am anderen Ufer des Bergstromes der 4o Quellen, erhebt
sich noch in weit grösserer Höhe der Fels der Tomback-
grube, dessen Nahme auf erzhaltiges Gestein hin zu deu-
ten scheint, und von dessen Höhe mehrere Beobachtun-
gen mit dem Compass zur Berichtigung der entworfenen
beyliegenden Karte des Olympos genommen sind.
» Von dem Nachtlager am Ufer des Bergstromes, am
Fusse des Felsens der Hirten, und gegenüber des Felsens
der Tombackgrube, sind bis auf dem Gipfel des Berges noch
zwey Stunden Weges. Derselbe läuft erst längs des Stro-
mes bis zu den sogenannten 4o Quellen, deren bald weni-
ger, bald mehr von allen Seiten zuströmen, nach dem Ver-
hältnisse des geschmolzenen Schnees. Der Boden ist hier
noch mit Grün geteppicht, aber verkrüppelte Sträucher
nehmen die Stelle der hohen Buchen und majestätischen
Tannen ein. Eine halbe Stunde unter dem Gipfel hört
das Pflanzenleben auf, selbst in der Mitte des Sommers.
Schneefelder bekleiden die ausgehöhlten Flanken des
Berges und füllen die Thalschluchten aus. Es war am
15. August 18o4, am Himmelfahrtstage Maria's, dass wir
den Gipfel noch vor Auſgang der Sonne erstiegen hat-
ten, und dieselbe jubelnd begrüssten, als sie aus dem
Landocean wogigter Berggipfel zu unseren Füssen in
Osten auftauchte. In Ermangelung des Wassers von
Quellen wurde der Kaffeh mit dem des Schnees gekocht,
und das Frühstück an der Gränze des Schneefeldes ein-
genommen, wo Veilchen und Schneeglöckchen blühten,
83
wie in den ersten Tagen des Frühlings, so dass, wo
das Silber des Schnees aufhörte, der Schmelz der Wie-
se begann. Diese Schneefelder sind die unerschöpfliche
Eisgrube, nicht nur Brussa's , sondern auch Constanti-
nopel's, und diese Städte werden beständig damit, zur
Kühlung der Sorbete, versehen. Carawanen von schnee-
beladenen Eseln ziehen von hier nach Brussa und Mo-
dania hinab, wo ihre Ladung eingeschifft und sogleich
nach Constantinopel befördert wird.
Der Gipfel des Olymps theilt sich in zwey Spitzen,
wovon die höhere der Mönch heisst, nach welchem der
ganze Berg heute von den Türken Keschisch taghi, d. i.
Mönchsberg , genannt wird.
Zur Zeit des bysantinischen Kaiserthumes stand hier
ein Kloster, dessen in den Geschichten des Reichs er-
wähnt wird, und wovon noch die Ruinen sichtbar sind.
Mönche lebten hier auf dem Gipfel des Olympos wie auf
den Höhen des Athos in frommer Abgeschiedenheit der
Welt, dem Himmel schon auf Erden nahe, wenn nicht
wie die höchsten Geister, doch wie die höchsten Berge.
Dieses Kloster, in unwirthbarer Schneegegend, und
der Nahme: der Mönch, erinnern an das Kloster des
Bernhardsberges und an den gleichnahmigen Berg der
Schweitz. Die feurige Einbildungskraft des Morgenlän-
ders, unbekümmert um die Ruinen des Klosters, schaut
im Olympos selbst einen Mönch oder frommen Der-
wisch, der mit der Schneehaube auf dem Kopfe, mit
dem Felsengürtel um die Mitte, in das Grün der Wäl-
der und Alpenwiesen, als in die Lieblingsfarbe des Pro-
Phelen gekleidet, auf dem blumigen Teppich des Lan-
- L 2
84
des steht, um sein Gebeth zu verrichten. Doch, woher
der Nahme immer kommen mag, genug die Stelle des
olympischen Jupiters nimmt heute der Mönch ein.
Wegen des Gefühls des Wohlbehagens und des Le-
bensgenusses, das die reine Luft auf hohen Bergen ge-
währt, hat die Sage dahin die Wohnsitze der Götter
verlegt, welche auf die weiten Bezirke der Erde und
ihre Bewohner herunter sehen, im Vollgenusse ihrer
Seligkeit und der herrlichen Aussicht schwelgend. Welch
eine breitet sich aus vom Gipfel des Olympos !
Das Meer von Marmara mit seinen Inseln, Buchten
und Vorgebirgen; der Bosphoros, wo man die Dome
der hohen Stambul entdeckt; die Seen von Apollonia,
Nicäa und Jenischehr, gleich Spiegeln im grüne Wand-
tapeten gefasst! – der Blick würde sich ins Unendliche
verlieren, wenn sein Ausflug nicht überall durch Ge-
birge begränzt würde. Gegen Süden durch die von Cu-
tahia (Cotyäum), wo die Erscheinung des Neumonds
beobachtet wird, um den Anfang und das Ende der Fe-
ste zu bestimmen. Gegen Osten durch den zweygipfeli-
gen Arganthonios. Gegen Westen durch das Gebirg von
Bosaghan, vom Olympos durch das Thal von Adranos
getrennt, das noch den Nahmen Hadrian's erhalten, der
hier eine Stadt gebauet (Adriani ad Olympum), und wor-
aus der Nilufer entspringt. Gegen Norden die entfern-
tem Küsten des Meeres von Marmara , deren Berge mit
den VWolken verfliessen. Ostlich und westlich ist die
Aussicht durch die obengenannten Berge enge begränzt.
Der Blick, der sich in die Thäler gesenkt, steigt so-
gleich wieder mit den sich gegenüber erhebenden Ber-
85
gem empor und hält sich daran fest. Aber nördlich und
westlich schweift derselbe auf einer Menge von Gegen-,
ständen herum, welche den Rahmen des Gemähldes fül-
len, die Schönheit desselben durch ihre Gegensätze er-
heben. -
Gegen Norden die Berg- oder vielmehr Hügelkette
von Simao und Fhiledar, welche die Ebene Brussa's von
dem Meere trennt; der Busen vom Modania und das Ei-
land Kalolimni, das sich wie ein Purpurstreif von dem
Gewölbe des Meeres und des Himmels ausscheidet. Die
Ebene von Brussa ist ein Ocean vom wogendem Grün,
und das Meer von Marmara eine azurne Fläche, an des-
sen westlicher Gränze lange Wolken schweifen, auf den
in Duft schwebenden Ufern ruhen und die Erde und den
Himmel in Harmonie verflössen. Gegen Süden kein Was-
ser, kein See, kein Fluss dem Blicke erspähbar. Berge
auf Berge gehäuft, deren Gipfel und Kämme, einer über
den andern hervorragend, einen zu Stein gewordenen
Ocean vorstellen. In der Mitte dieser in vollem Aufruhr
unbeweglich fest gebannten Gebirgswogen steht der
Berg von Tomanidsch vereinzelt, wie die Arche einer
versteinten Sündfluth. Von dieser Seite gibt es keine
Fläche wie von der Nord – und Ostseite. Auch laufen
die grossen und tiefen Thäler des Olympos alle gegen
Nordwesten aus, und alle Wässer nehmen diese Richtung,
um sich dann mit dem Nilufer zu vereinen ").
*) Ausser den Fluthen aller kalten und warmen Quellen, aller Bäder
und Wasserleitungen von Brussa nimmt der Nilufer die fºlgenden
Bäche auf: Aktschesu d. i. Weisswasser, Deltschessu, d. i narri-
sches Wasser; Tschairlsud. i. Wiesenwasser; Aktschessu d. i.
Geldwasser; Kirkbunard. i. die vierzigBrunnen; Papas bunari d.i.
86
Auf der Ostseite des Berges ist noch nach der von
den Turkomanen gegebenen Beschreibung der anmu-
thigste Ruheplatz und die schönste Alpe, die der Brun-
men von Suleiman (Suleiman Chan bunari), wo sich ein
Forellenteich *) und eine Art natürlichen Felsendammes
befinden soll. Die Forellen, versichert man, seyen die
grössten und schönsten des ganzen Olympos, und der
Felsendamm habe dem Saadan , dem Sohne Landhäs ,
der vor. Furcht des islamitischen Helden Hamsa nach
dem Olympus geflüchtet sey, zur Wohnung gedient.
Als sein Grab zeigen die Turkomanen das aus Steinen
die Pfaffenquelle, Saraban bunari d. i. der Quell des Kamehltrei-
berstanzes (Sarabande) und Gümischssu d. i. das Silberwasser.
Alle diese Bäche geben den Thälern, durch welche sic hinunterströ-
men, ihren Nahmen, und eilen der grossen Ebene zu, welche das
Gebirg Katirli (Arganthonios vom Olympos trennt, und nachdem
sie sich bey einer grossen, am Ende der Fläche gelegenen, Brücke
vereint, setzen sie ihren Lauf zum Nilufer fort, der im Frühjahre,
von diesen Fluthenmassen geschwellt, oft die ganze Ebene von
Brussa unter Wasser setzt, so dass die Überschwemmung, wie
in Ägypten von Bergen zu Bergen, von der Hügelkette von
Filehdar bis an den Fuss des Olympos reicht.»
*) Dieser kleine Forellensee ist der einzige, den wir in der gall-
zen Gegend erfragen konnten; denn was den vorgeblichen See
von Ainegül betrifft, den einige Reisende und Geographen hin-
ter den Olympos verlegt haben, so verdankt er sein Daseyn
einem sonderbaren Irrthum, der, wie viele andere, aus Sprach-
verwirrung entstanden ist. Ainegöl (auf Deutsch Spiegelsee) ist
wirklich der Nahme mehrerer Seen in Kleinasien; aber hier ist
es nicht der Nahme eines Sees, sondern der eines Ortes, der
von einer dem heiligen Nicolaus geweihten Kirche auf Griechisch
Agio Nicola heisst, das die Türken in Ainegöl verstümmelt ha-
ben. Europäische Reisende, welche sich an die türkische Be-
deutung des Wortes hielten, verwandelten das Dorf in einen
See, und auf ähnlichen Sprachverwirrungen beruhen so manche
geographische Irrthümer.
- 87
regelmässig zusammengelegte Viereck auf dem Gipfel
des Berges, den sie Kulléi Dschihan, d. i. Weltthurm,
nennen. Wahrscheinlich ist diese Felsenhürde von Hir-
ten, als Schutzwehr wider den heftigen Anfall des Win-
des zusammengetragen worden; vielleicht aus den Rui-
nen des ehemahls hier gestandenen bysantinischen Ko-
stérs, wenn die Mönche nicht etwa, wie es auch die
Sage will, in Grotten und unterirdischen Höhlen (von
denen aber heute kein Eingang sichtbar ist) gawohnt ha-
ben. Sonderbar ist es, dass die morgenländische Sage
auf die Gipfel mehrerer Berge Helden- und Riesengrä-
ber verlegt, als ob sich in demselben eine Spur von dem
Kampfe der Titanen und Giganten, die Berge auf Berge
thürmten, und unter denselben ihr Grab fanden, erhal-
ten hätte. Eine andere orientalische Sage, die mehreren
Schneebergen gemein ist, und auch vom Olympos in
voller Kraft besteht, ist die der wunderbaren Kräfte der
purpurnen Schneewürmer"), welche auf dem blendenden
Weiss der Eisfelder als rothe Linien, gleichsam als der
Nahmenszug der Allmacht, auf dem Diplom der Natur
erscheinen. Solche VWürmer finden sich bekannter Mas-
sen auf allen Gletschern, aber die Wunderkraft, wo-
mit sie die erstorbene der Zeugung beleben sollen, und
ihre Grösse, welche die eines Hundes erreichen soll,
(wie Ktesias von den indischen Ameisen fabelt) ist reines
Product orientalischer Phantasie. Dass auch abendlän-
dische in den seltenen Steingefilden der höheren Regio-
men des Olympos sich wie aus Wolken die sonderbar-
*) Cantharis.fusca Linn.
88
sten Gestalten erschaffen möge, ist schon oben bemerkt
worden, und daher auch glaubwürdig, was wir nicht
gesehen, aber auf Zeugenschaft von der sogenannten
Schauwarie (Bakadschak) in der unteren auf Brussa hin-
absehenden Region des Olymps nacherzählen. Auf diesem
Felsenüberhange, der die Schau warte heisst, weil auch
von hier aus das Erscheinen des Neumondes am Anfange
und Ende der Feste beobachtet wird, sollen die Felsen
Ungeheuer vom wilden Thieren vorstellen, als: Drachen,
Adler , Elephanten, Löwen, die als von der Natur ge-
formte, Sphinxe, die Wunderregion des Berges bewa-
chend, und, als die Talismane derselben, auf die Ebene
hinunterschauend.
Unmöglich ist es, die Aussicht vom Gipfel des Olym-
pos zu verlassen, ohne mit dem geographischen Um-
blicke auf die vorliegenden Länder und Meere den histo-
rischen Rückblick aus die grossen Begebenheiten der Vor-
zeit, die auf dieser Schaubühne gespielt haben, zu ver-
binden. Der Bosphoros und der Hellespontos, diese Was-
serbrücken von Asien und Europa, welche Erinnerun-
gen rufen sie nicht ins Gedächtniss des Geschichtkun-
digen! Die persischen Heere, womit Xerxes und Darius
Scythien und Griechenland überschwemmten; die römi-
schen, welche hier die von Europa herübergezogenen
Gallier schlugen, und die Könige des Pontos und By-
thyiniens besiegten; die Völkerfluth der Kreutzfahrer,
welche über den Bosphoros nach dem gelobten Lande
wogte; und die der Osmanen, welche der Osten über
den Hellespont wieder in den Westen zurück drängte;
welche Ebbe und Fluuh von Siegern und Besiegten, von
- 89
Barbaren und gebildeten Nationen! und die Gebirge
umher, welche ehrwürdige Denkpfeiler in dem Gebiethe
erst der Natur, dann der ältesten Mythengeschichte der
Welt! In dem Rufe der Windsbraut, womit der Ida den
Olympos grüsst, hallen die Anklänge der Götterhymnen
des Cymbalengetöns der Korybanten, welche diese durch-
schwärmten, die idyllischen Töne des Schäfers von Ida,
und das Klagegestöhne der Orgien, wodurch der Ver-
lust des Lieblings der Crbele und des Heracles , des wei-
chen Alys und des schönen Hylas am Dindymus, und Ar-
ganthonios gefeyert ward.
Wem haben in Wäldern und auf Gebirgen bey hef-
tigen Windstürmen nicht volle Harmonien wie von himm-
lischen Chören und Psaltern vernehmlich in die Ohren
getönt? wo aber könnten dieselben verständlicher tö-
men, als auf den sonnigen, wolkenumgürteten Wohn-
und Lustsitzen der griechischen Götter und ihrer Prie-
ster, wo die lydische Flöte umd die berecynthysche Pfei-
fe von Thälern zu Thälern, von Wäldern zu VWäldern
scholl! –
W.
IV.
Der Weg von Brussa nach Nicaea.
Diestrasse von Brussa nach Nicaea führt über die oben
erwähnte Brücke am Vereinigungspuncte der vom Olym-
pos niederströmenden Wasser gegen den innersten Theil
des Meerbusens von Modania, und von da längs des
Sees von Nicaea (dem Askanios der Griechen) bis zur
alten Stadt, die ihm den heutigen Nahmen gibt. Der Ar-
ganthonios (heute Katirli), der auf diesem Wege liegt,
erhebt sich als eine grosse Gebirgsmauer zwischen der
Ebene von Brussa und dem See von Nicaea. Hart am
Fusse desselben, gleich jenseits der Brücke, liegt das
kleine griechische Dorf Depedschik, von beyläufig fünf-
zig Häusern. Nachdem der Weg zwey Stunden lang all-
mählig in die Höhe geführt, geht derselbe durch eine
sehr mahlerische Bergschlucht schon wieder thalein.
Nach einer Stunde sieht man unmittelbar vor sich das
türkische Dorf Murad Baba, von Kornfeldern und bebau-
tem Grunde umfangen, und rechts auf halbem Bergab-
hang das Dorf Katirli, das seinen Nahmen dem Berge
entweder gegeben, oder von demselben empfangen hat.
Von hier geht es noch eine Stunde weit bis auf Omurkoi,
ein türkisches Dorf, unmittelbar ober Kemlik, das in
der Tiefe des Meerbusens von Modania liegt.
Kemlik , das alte Kios, ertheilte schon in der ältesten
Zeit dem Meerbusen den Nahmen des Kianischen, und
die Türken nennen denselben noch heute den Busen von
Kenlik, während er von Griechen und europäischen Rei-
94
senden der von Modania, nach dem nächsten Landungs-
platze bey Brussa, genannt wird. Wie das alte Myrlea
(an der Stelle des heutigen Modania) der unmittelbare
Stapelort des alten Prusa, so war Kios später - vom Kö-
mige Prusias wieder gebauet und nach ihm auch Prusias
am Meere genannt, die Stapelstadt des wie Brussa tief
landeinwärts gelegenen Nicaea, und in demselben Ver-
hältnisse stehen noch heute mit Brussa und Isnik die Hä-
ven von Modania und Kemlik.
Da dieser letzte Ort der einzige Verbindungsort mit
dem Meere ist, wodurch Nicaea , oder ein vor demsel-
ben liegendes Heer mit Lebensmitteln versehen werden
kann, da man in Kemlik ohne allen Streit das alte Kios
des Strabo erkannt hat, so ist es zu wundern, dass die
Geographen und Geschichtschreiber des Mittelalters
bisher in demselben nicht das Kibotus der Kreutzfahrer
(wohin sie schon des Nahmens Ähnlichkeit hätte leiten
können) erkannt haben *). Hier landeten regelmässig die
*) Der Umstand der Lebensmittelzufuhr sowohl, als der zu Lande
fortgetauten Flösse allein hätte Herrn Michaud überzeugen sol-
len, dass Kibotus unmöglich (wie es in der Karte seiner Ge-
schichte der Kreutzzüge I. angesetzt ist) am Meerbusen von Wi-
comedia (statt an dem von Nicaea) liegen konnte, indem man
ja wohl den nächsten und leichtesten Verbindungspunct mit dem
Meere wählen musste. Nun ist aber Cius oder Kibotus nur drey
Stunden vom See von Nicaea entfernt, und der Ausfluss dessel-
ben geht durch ein unmerklich sich senkendes Thal in das Meer.
Wäre Cibotus, statt hier am Ende des kianischen Busens, dort
wo H. Michaud es hinsetzt, am Ende des astakenischen Busens
gelegen, so hätte der Weg nach Nicaea nicht weniger als 18
Stunden betragen, und die Übertragung der Schiffe zu Lande
über sechs Stunden hohes Gebirg, wäre vollends unmöglich ge-
wesen. Dieser geographische Irrthum ist ein würdiges Seiten-
M 2
?
n Schiffe von Constantinopel, welche das
Heer der Wallbrüder bey der Belagerung Nicäa's mit
Lebensmitteln versahen, von hier aus wurden die Schiffe,
welche der griechische Kaiser Alerius den Kreutzfahrern
überlassen hatte, durch das Thal, wodurch der Über-
fluss des Sees vom Nicäa ins Meer ausläuft, bis zu dem
See zu Lande hinauſgeschleppt. Eine kühne Unterneh-
mung in einer Belagerungsgeschichte, doch nicht ohne
früheres und späteres Beyspiel. Denn so zogen die Nor-
manen, als sie (i. J. 868) Paris vergeblich belagert hat-
ten, und die Einwohner sich ihrem Rückzuge widersetz-
ten, ihre Schiffe 2ooo Schritte auf trockenem Lande fort,
ehe sie dieselben wieder in die See liessen, und so
schleppten die Osmanen bey der Belagerung Constanti-
nopels die Flösse, worin die stürmenden Truppen ein-
geschifft wurden, in einer Nacht durch das Thal hinter
Pera und Galata bis in den Hafen, den sie bey Sonnen-
aufgang zum Schrecken der Belagerten füllten.
Zu Kios, (so genannt von einem Argonauten, der die
Stadt bey der Rückkehr von Kolchis erbauet haben soll)
ward der schöne Hylas , der Liebling des Heracles, als
er, um Wasser zu hohlen , an's Land ging, von den
Nymphen geraubt) *), und die Einwohner der Stadt feyer-
ten jährlich das Fest des verlormen Hrlas, indem sie den
Arganthonios ") mit thyrsusschwingendem Chore durch-
stück zu der Verwechslung der Seen von Nicaea und Saband-
sche, wovon in der Folge die Rede seyn wird.
“) Strabo L. Xu. 5.
**) Nicht am Olympos, wie Dallaway will, der die Stadt Brussa
mit Pusias am Meere (Kios) verwechselt, während Strabo diese
- 95
schwärmten, und Hylas ! Hylas ! rieſen, wie die Priester
der Cybele am Dindymus den entmannten Ays, und die
Bewohner Syriens den erschlagenen Adonis beklagten.
Welche Kluft von Jahren und Ideen liegt zwischen die-
sen bacchantischen Scharen und denen der Wallbrüder,
die, statt mit dem Thyrsus und der Fackel, mit der Lan-
ze und dem Schwert in der Hand über dieselben bythi-
mischen und syrischen Gebirge zogen, das verlorne hei-
lige Grab und Kreutz wieder zu finden und zu erobern.
Diese alte Hafenstadt, von den Argonauten nach ih-
rem ersten Erbauer Kios, von dem bythinischen Könige
ihrem Wiedererbauer Prusias, von den Kreutzfahrern
Kibot oder Coot genannt, erhielt den heutigen Nahmen
Kemlik von den Osmanen, die es erst unter Sultan Os-
man's Regierung zwey Mahl vergeblich belagerten, dann
aber unter der Regierung Sultan Orchan's im J. 1333
(der Hedschira 734) eroberten. Sie liegt im Mittelpuncte
des Meerbusens, den die Alten den kianischen nannten,
und der heute bald der Busen von Kemlik, und bald der
von Modania heisst. Trilia liegt an dem südlichen Ende
dieses Busens, den nördlich das Vorgebirg Bosborun
(Eiscap) schliesst, und Kemlik liegt mitten inne. Wenn
man denselben längs der Küste zu Land umkreisen will,
so führt der Weg von Trilia über Modania durch Altun-
tasch, Kurschunli und Ingurdschik nach Kemlik, und
von hier längs der nördlichen Küste über Kumla (das
sandige), Fistikli (das pistazienreiche), und Amrudli (das
beyden Städte genau unterscheidet, und ausdrücklich den ober
Kos gelegenen Berg Aganthonios nennt , in dessen Wälderu
die Orgien des verloruen Hylas gefeyert wurden.
94
birnenreiche) nach Bosborun, dem nördlichen Vorge-
birge und Ende des Busens. -
Der beträchtlichste dieser Orte ist Amrudli, wo ein
Naib (Stellvertreter im Nahmen des Richters) und ein
Subaschi (Polizeycommissär) im Nahmen des Pascha von
Brussa die Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung hand-
habt. Eine Moschee, ein Bad , ein Chan (oder Karawan-
serai) sind hier die Anstalten öffentlicher Andacht, Be-
quemlichkeit und Gastfreundschaft.
Auch zu Bosborun ist, nebst einigen Gemüse- und
Gewürzläden , eine Moschee, deren Wände mit Aus-
brüchen der Ungeduld und Langweile der hier durch
widrigen Wind oft mehrere Tage lang aufgehaltenen
Reisenden, in Prosa und in Versen voll angeschrieben
sind.
Nach diesem Überblicke der an dem Busen von Kem-
lik gelegenen Orte kehren wir zu unserer Strasse nach
dem eine halbe Stunde über Kemlik gelegenen Dorfe
Omurkoi zurück.
Kaum ist das Dorf Omurkoi im Rücken, so öffnet sich
von der Höhe der grosse Spiegel des Sees von Nicäa. Eine
Bergschlucht, die in gerader Linie vom See zu dem nur
drey Stunden davon entfernten Meere läuft, bildet die
Verbindungsstrasse zwischen beyden. Die Mündung die-
ses Thals gegen das Meer bildet ein anmuthiges Amphi-
theater, von den Einwohnern Kemlik's ganz mit Gärten
bebaut. Die Thalsschlucht läuft von hier erst in gerader
Linie von Westen gegen Osten (d.i. in der Richtung des
Meerbusens) eine Stunde lang eingeengt fort, und öffnet
dann die beyden Arme, so dass zwischen dem Eingange
99
derselben von Seiten des Sees und dem See selbst eine
schöne Ebene von zwey Stunden liegt. Der Weg geht
rechts auf dem halben Bergabhange dieser Schlucht, de-
ren Thalgrund kaum breit genug ist für den kleinen Bach,
der den Überschuss des Wassers des Sees dem Meere
zuführt. Die beyden Abhänge der Schlucht sind mit vie-
lem Fleisse bebaut, und man erblickt linker Hand das
Dorf Benli, auf der Höhe hangend von Reben- und Oli-
venpflanzungen umgeben. Nachdem man den Weg durch
dieses enge Thal zurückgelegt, verfolgt man denselben
weiter rechts am Fusse der Bergkette, die den See und
das grosse Thal von Nicaea von den nördlichen Thälern
des Olympos trennt. Es braucht gute zwey Stunden, um
auf dieser Seite von der Mündung der Schlucht zum
Ufer des Sees zu gelangen, das auf der andern Seite,
nähmlich links, sich mehr dem Meere nähert. Alle hal-
be Stunden nimmt den Reisenden ein anderes türkisches
Dorf auf; alle am Fusse des Berges gelegen, als: Ka-
rak , Jenidsche, Kurlu und Akarim. Nach dem letztge-
nannten befindet man sich an dem Ufer des Sees, zwi-
schen dem und dem Ufer des Gebirgs nur ein schmahler
Streif von Weingärten und Reisfeldern liegt, deren ho-
hes und zartes Grün mit dem tiefen und hohen der Fich-
ten- und Tannenwälder des Berges wunderbar schön
absticht.
Auf der andern Seite des Sees liegen die Dörfer Ker-
derek und Terbitschkoi, und gerade gegenüber von dem
auf dem rechten Ufer gelegenen Dorfe Akarim ziehen
sich auf dem linken die Berge zurück, und bilden die
Mündung eines grossen Thals, in dessen Grunde das
96
Dorf Basarköi liegt. Wir langten auf der rechten Seite
nach einer Stunde Wegs, und nachdem wir das trocke-
ne Bette mehrerer Giess-Ströme, die von dem Gebirge
in den See stürzen, durchkreutzt hatten, im grossen
türkischen Dorfe Sölis, als im Nachtlager, an. Am fol-
genden Tage ging der Ritt noch sechs Stunden lang
zwischen dem Gebirge und dem See hin, ehe wir Ni-
cäa erreichten, so dass die ganze Länge, des Sees von
dieser Seite sieben Stunden (im Schritte geritten oder
gegangen), und auf dem andern Ufer in gerader Linie
vielleicht eine Stunde weniger, wegen der Ausbeugung
der Ufer aber wenigstens eine Stunde mehr beträgt. Die
Breite überall gleich, ausgenommen bey der Bucht von
Basarköi, wo sie am grössten, und an den beyden En-
den, wo sie am kleinste ist, dürfte durchaus zwey
Stunden betragen *).
Der See ist ein herrlicher Canal, den die Natur in
gerader Linie von Osten nach Westen gegraben, ein
süsses Meer, rechts und links von zwey Gebirgsreihen
begränzt, die an den beyden Enden desselben amphi-
theatralisch auslaufend auf der Westseite die Ebene,
durch die wir herauf zogen, und auf der Ostseite die
Ebene von Nicäa bilden. Reisende, welche Constanti-
nopel und das zauberische Ufer des Bosphoros gesehen
(der die Länge, aber nur die Viertelbreite des Sees hat),
können sich von diesem einen richtigen Begriff machen,
*) Pococke gibt dem See nur 12 englische Meilen in die Länge,
und folglich viel zu wenig. Le Chevalier, der die Länge auf 15
bis 18 Miglien, die Breite auf 4 bis 5 angibt, kommt der Wahr-
heit näher.
97
wenn sie sich den Bosphoros, in gerader Linie gezogen,
wie den Canal der süssen Wasser am Hafen zu Constan-
tinopel vorstellen, nur mit dem Unterschiede, dass die
Berge zu beyden Seiten, welche die Ufer des Sees
bilden, hoch und waldreich, einen mehr majestätischen
Anblick gewähren, dagegen aber auch an ihrem Fusse
das Gemische zauberischer Natur- und Kunstanlagen des
Bosphoros entbehren. Jenes wunderseltsame Gemisch
anmuthiger Thäler und üppiger Gärten, mahlerischer
Dörfer und majestätischer Palläste, neuer Festungen am
Fusse, und verfallener Schlösser auf der Höhe der Hü-
gel, weit aussehender Köschke und erhabener Minares,
tiefer Wiesen und hoher Weingärten, dunkler Fontai-
men und lachender Gräber, sonniger Fluren und schat-
tiger Baumgruppen, segelnder Schiffe und rudernder
Boote, in die Luft thürmender Platanen und Masten,
im Winde wogender Flaggen und Cypressen, welche
mit der überall lebendigen Geschäftigkeit der Menschen
auf den Dämmen und an den Landungsplätzen, mit dem
immer regen Gewimmel der Kaike und der Kaffehhäu-
ser das grösste, schönste und reichste Canal- und Hafen-
gemählde des Universums bilden.
Der Weg von Sölis nach Nicäa geht immer, wie schon
gesagt worden, längs des Sees, der sich so nahe an den
Fuss des Gebirges herandrängt, dass man öfters etwas
steigen muss, um trockenen Fusses fortzuwandeln. Auf
andern Stellen haben sich Moräste gebildet, die vergif-
tete Luft aushauchen; der Schilf, womit sie bedeckt
sind, verdeckt von Zeit zu Zeit den Anblick des Sees.
Einige Mahl dreht sich der Weg auch um felsige Vor-
N
D8
gebirge, deren ausgehöhlte Flanken von den Fluthen
des Sees gebadet werden. Die Richtung der Ufer läuft
immer von Westen gegen Osten, von Nordwest gegen
Südost, oder von Westnordwest gegen Ostsüdost. Das
einzige Dorf, das auf dieser Seite zwischen Sölis und
Nicäa liegt, heisst Tschatalkoi, d. i. Gabeldorf. Den Nah-
men trägt es vermuthlich von zwey Felsenpyramiden,
zwischen denen es auf halbem Bergabhange wie zwi-
schen einer Gabel liegt. Eine Stunde vor Nicäa verei-
nigt sich der Weg mit der Landstrasse, die von Brussa
über Jenischehr *) und von dort über das Gebirg her
läuft. Den Vereinigunspunct bezeichnet ein grosses um-
gestürztes korinthisches Kapital, das hier auf der Erde
liegt, und die türkische Bergpasswache Deu'rend (statt
Derbend, d. i. Thorband), welche allen Reisenden, die ihr
Ferman nicht von Wegzöllen lossagt, die Passgebühr
abfordert.
*) Jenischehr (d, i. Altstadt) liegt nördlich von Brussa, auf der
andern Seite des Olympos, und südöstlich von Nicäa in der Ebe-
ne zwischen dem Argenthonios und Olympos. Eskischehr oder
Altstadt ist 12 Meilen oder zwey Tagreisen gegen Südosten
von Nicäa im Sandschak Sultanogi gelegen, das Döylacum der
Kreutzfahrer, die hier blutige Schlachten schlugen,
99
V.
N i cäa.
- -
Wir sind an dem Thoren Isnik's oder Nicäa's.
Was für Erinnerungen in der Kirchen- und Kriegs-
geschichte erweckt nicht der Nahme dieser alten Gränz-
feste des byzantinischen Reichs, so oft von Arabern und
Griechen, von Franken und Osmanen belagert und er-
obert, verloren und wiedergenommen! Die hohen, gröss-
ten Theils noch wohl erhaltenen Festungsmauern lassen
hoffen, auch hinter denselben eine wohlgebaute Stadt
und noch wohl erhaltene Denkmähler ihres alten Glan-
zes und Ruhmes zu finden. In der Freude dieser Hoff-
mung vergegenwärtiget sich das Gedächtniss die Epo-
chen ihrer Geschichte, und durchläuft dieselben von
ihren ältesten Besitzern bis auf ihre heutigen.
Vom Antigonos erbaut, hiess die Stadt erst Antigona,
und ward erst in der Folge zu Ehren Nicäa's , der Ge-
mahlinn des Lysimachos, nach ihrem Nahmen genannt *).
Eine Zeit lang stritt sie sich mit Nicomedien um die Ehre,
die Hauptstadt Bithymiens zu heissen, bis dass Kaiser
Walens entschied, dass Nicomedia die Metropolis der Pro-
vinz sey, Nicäa aber fortfahren dürfe, sich auch die er-
ste Stadt Bithyniens zu schreiben "); er ward, nach-
dem dieselbe durch Erdbeben zusammengestürzt, ihr
erster Hersteller (i. J. 368) ***). Mehrere grosse Ver--
*) Strabo XII. 7.
*) Dio Chrysostomus. Orat. XXXVIII.
**) Chronicom paschale. t
(NO
sammlungen der christlichen Kirche wurden hier gehal-
ten, die berühmteste, die erste ökumenische oder allge-
meine, von drey hundert achtzehn Vätern, von denen
mehrere, wie Paphnutius , Spiridion - Macarius und Jacob
vom Nisibis an ihren verstümmelten Körpern die grau-
samen Spuren der letzten Christenverfolgung als Märty-
rer zur Schau trugen "). In den wiederhohlten Kriegen
des Chalifates wider den Thron von Byzanz war Nicäa
eine wichtige Gränzfestung, an welcher die kühnsten
Unternehmungen der Araber scheiterten, so dass, wie
die noch heute erhaltene Inschrift einer ihrer Thürme
aussagt, ihre Mauern als Todestrophee der Sarazenen
ihre Niederlage verkündeten **). Durch die Stürme der
Feinde und der Zeit beschädigt, wurden Mauern und
Thürme von Leo dem Philosophen wieder hergestellt,
und im vorletzten oder letzten Jahre seiner Regierung
(91o), als er seinen Sohn Constantin, den im Purpur
gebornen, als Mitherrscher gekrönt hatte ***), der Bau
mit grossem Aufwande von Zeit und Geld vollendet.
Noch mehr als anderthalb Jahrhunderte blieb sie das
unbesiegte Bollwerk des byzantinischen Reichs wider
das Andringen des islamitischen, aber unter der Regie-
rung des Kaisers Nicephorus Botoniates unterlag sie der
Übermacht der anatolischen Seldschuken. Suleiman, ihr
grosser Fürst, und nach ihm Kilidscharslan, d. i. der
*) Theophanes Lutetii p. 16.
**) Siehe die Inschrift des Thurmes im Anhange.
***) Da in der Inschrift Constantin als Mitherrscher Leon’s genannt
wird, so kann die Vollendung des Baues de Festungsmauern nur
in das vorletzte oder letzte Jahr der Regierung Leon's fallen, in
welchem er (nach Simon Logotheta) seinen Sohn krönte.
1 O 1
Schwertlöwe , erkoren sie zur Residenz, und wie sie
ehe als Brustwehr die Macht der Sarazenen gebrochen,
so wehrte sie nun als fester Damm dem Andrange der
Kreutzfahrer ab.
Auf ebendemselben Wege, den wir vom Kemlik
(Kios oder Civilot) her gekommen, rückte das erste Heer
der Kreutzfahrer, fünf und zwanzigtausend Mann stark,
in sechs auf einander folgenden Treffen gegen Nicäa vor;
Suleiman, der seldschukische Feldherr, zog sich aus dem
Walde, wo er unvermuthet auf das erste Treffen der
Franken gestossen, zurück, um sie auf die Ebene vor
die Mauern Nicäa's zu locken; schweigend zogen sich
die Truppen Suleimans aus dem Walde hinaus, und als
die Wallbrüder mit lautem Geschrey daraus hervor bra-
chen, fanden sie zu ihrem Erstaunen den Feind im Schlacht-
ordnung vor den Mauern der Stadt aufgestellt *). So bald
die zwey ersten christlichen Treffen mit 5oo Reitern den
Wald gelichtet, begann Suleimans Angriff; er schnitt
sie von den folgenden ab. Umsonst versuchte die abge-
schnittene Reiterey sich mit Löwenwuth durch den Feind
den Rückweg zu den Ihrigen zu bahnen; ihre Pferde
stürzten unter dem Hagel der Geschosse, ihr Anführer,
Walter der Habenichts (Sansavoir), fiel, vom sieben Pfei-
len durchbohrt, und neben ihm Rainold von Bruis, und
Fulker von Carnot. Walter von Breteuil aber und Gottfried
Burel begannen mit den Ihrigen den Rückzug. Sogleich
*) Das Jahr der Eroberung Nicäa's ist nicht ausgemittelt, nur so
viel ist gewiss, dass die Stadt zu Anfang der Regierung von Wi-
kephorus Botoniates (i JA1o78) noch in den Händen der Griechen,
zu Ende derselben , d. i drey Jahre später, schon verloren war.
Du Cange in den Noten zur Alexia und Cedrenus II. p. 866.
TO2
- ergriff den Rest des christlichen Heeres der Schrecken
der Niederlage und die Verwirrung der Flucht. Sie ris-
sen sich auf dem schmahlem Wege*), den sie vom Lager
hergekommen, rechts vom See, links vom Gebirge ein-
geengt, gegen Civitotſort"), und dréy deutsche Meilen
lang (d.i. die Länge des Sees) wüthete der Feinde Schwert
in ihrem Nacken, den engen Pfad durch Leichenhauſen
noch verengend. So schritten die Türken über Leichen
verfolgend bis in's wehrlose Lager bey Civitot fort, in
welchem Greise und unmündige Kinder, Mönche und
Matronen, ohne Unterschied, niedergemetzelt, und
nur zarte Mädchen, hübsche Nonnen, unbärtige Jüng-
linge und schöne Knaben in's Harem nach Nicäa fortge-
schleppt wurden“). Von dem ganzen Heere der fünf
und zwanzigtausend Wallbrüder warfen sich nur drey
tausend in ein altes, unmittelbar ober Civitot gelegenes,
Schloss (das vermuthlich an der Stelle des Dorfes Umur-
köi stand); da die Thore fehlten, warfen sie ihre Schil-
der vor, von hinten mit Steinen verrammelt, und ver-
theidigten sich mit Pfeilen und Steinwürfen, bis die Tür-
ken, von der Herbeyeilung eines vom griechischen Kai-
*) A silvis et montanis ih clamore et alta vociferatione procede-
bant, tunc primum Soleimaniacies medios campis intuentes et
eos ad proelium apperientes. Albert. Aq u. Gesta dei per
Franco s. Hano via e pag. 192.
-
*) Universi in Jugem versi sunt, accelerantes iter versus Civitot
eadem via, qua venerant. Albert. A qu. -
**) Solummodo puellasteneras et moniales, quarum facies et for-
ma oculis eadem placere videbatur, juvenesque inberbes et vultu
venustos abduxerunt, pecuniam, vestes, mulos, equos et omnia
pretiosioria, cum ipsistentoriis Wicaeam asportarent. Albert.
Aqu. 193.
1o3
ser gesammten Heeres vom Turkopolen, abliessen und sich
nach Nicäa zurückzogen *).
So bezeichnete den Weg, den wir von Kemlik (C-
vitot) gekommen, das Blut von mehr als zwanzig tau-
send Wallbrüdern, deren erste unglückliche Unterneh-
mung vor Nicäa bald durch die zweyte glückliche, nähm-
lich durch die Eroberung dieser Stadt, gerächt werden
sollte.
Schon im folgenden Jahre (1o97) zogen Gotfried von
Bouillon und Tancred über Nicomedien nach Nicäa, vor
dessen Mauern sich das christliche Heer im May auf-
stellte. Boemund, der zu Constantinopel zurück geblie-
ben war, um die Zufuhr der Lebensmittel in Ordnung
*) In Wilken's Geschichte der Kreutzzüge I. Th. S. 93 wird Helle-
nopolis oder Drepanum, das auf der südlichen Seite des nikome-
dischen Meerbusens lag, mit Kibot verwechselt. „Nicht völlig
drey tausend Schritte bey Hellenopolis fing ein grosser Wald
an, durch welchen die Kreutzfahrer zogen; auch das türkische
Heer war im Anzuge gegen Hellenopolis und zog zu gleicher Zeit
in den Wald." Diess ist der Bergwald, der rechts auf der Strasse
von Kemlik nach Nicäa, wie der See, links läuft. Auch Guibert
der Abt nennt ausdrücklich die Stadt Kios, und beschreibt ihre
Lage als Vorbollwerk oder Hafenstadt Nicäa's unverkennbar. Is
(Gualterius) itaque Civiz um civitatem quandam, quae Niceae
urbi secundum loci praeminere dicitur, cum suo illo dementierer-
citu properabat attingere. Gest a Dei pag, 484. Gelegenheit-
lich sey hier auch bemerkt, dass das Schloss Exorogorgum, aus
dem die Deutschen wieder so grausam heraus genöthiget wurden,
nicht gar so nahe bey Nicäa gelegen seyn konnte, indem es vier
Tage über Nicomedien hinaus lag: et quatuor dierum itinere N-
chomediam praetergressi inter eundem castrum offendere quod-
dam, quod auctori placito nomine vocatur Exorogorgum Rech-
net man zwey kleine Märsche von Nicomedien bis Kios, und zwey
weiter an, so dürfte dieses Schloss vielleicht'Aksu hinter dem
Olympos gewesen seyn, das in dem Thale gleiches Nahmeus liegt.
1o
zu bringen, folgte später, und als er damit in dem Ha-
fen von Kibotos (Kemlik) angelangt war, wurde die Stadt,
am Himmelfahrtstage, von drey Seiten (die vierte schütz-
te der See) berennt. Boemund und Tancred waren vor
der ersten Fronte, d. i. auf der Nordseite, gelagert,
Gottfried von Bouillon umzingelte vom Osten die Land-
seite (dem See gerade entgegen). Auf der Westseite
(als der, von wo am meisten Ankunft des Entsatzes zu
fürchten war) hatten Hugo der Grosse und Robert von
Flandern, Raimund von S. Gilles und der Bischof Ademar
ihre Streitkräfte vereint, zu denen später noch die Ro-
bert's des Grafen der Normandie und Stephan's von Car-
not stiessen, in dessen Geleite sich Felker von Carnot, der
Geschichtsschreiber, als Augenzeuge befand *).
Also gerade hier, auf der Südseite der Stadt, auf
*) Robert der Mönch verkehrt, indem er die Stellung der Belagerer
angibt, die ganze Lage der Stadt, indem er die Westseite der-
selben, wo sie vom See gebadet wird, zur Südseite macht. Ab au-
stro veronulla pars /it it, quia lacus magnus ibi praesidio fuit,
und einige Zeilen darauf widerspricht er sich selbst, indem er
von dorther die Belagerten den Entsatz erwarten, und die Bela-
gerer das südliche Thor (das der See wusch) besetzen lässt.
Eben so beschreibt er als Klosterbruder, und nicht als Soldat,
wenn er die stärkste Macht desshalb vor der letzten Landfronte
zusammengedrängt glaubt, weil sie die stärkste sey, indem Belage-
rer ja umgekehrt die schwächste angreifen. Übrigens stimmt
die Ordnung, in der er die verschiedenen Corps auf einander
folgen lässt, mit der von Guibert dem Abt angegebenen über-
ein: Boemundus urbem obsedit a fronte, et Tancredus a latere,
tertio loco dux Gottofredus, quarto Flandrensium Comes, quin-
to Comes Normanicus, sexto Sancti Egidii Comes et Padiensis
Episcopus. Aus der verwirrten Weise, wie Albert von Aachen
- (L. II. 22 et 25) die Anführer der Belagerer aufzählt, ist gar keine
Ordnung abzunehmen.
105
welcher wir nun derselben nahen, waren diese sechs
Fürsten des christlichen Heeres gelagert, und von hier
aus wollte Kilidsch Arslan, mit einem Heere von fünfzig
tausend Mann in den Gebirgen des Olympos und Ar-
ganthonios versteckt, die Stadt entsetzen, oder wenig-
stens in dieselbe neue Streitkräfte werfen. Der Tag war
auf den Sonnabend nach Christi Himmelfahrt festgesetzt.
Doch Raimund und Ademar hiervon durch Kundschafter
gewarnet , besetzten eiligst das Thor (durch das unser
Weg führt) und warfen sich dann mit ihren Truppen dem
vom Gebirge herabstürmenden Vortrabe Kilidsch Arslans,
der zum Glücke nur aus zehn tausend Reitern bestand,
entgegen. Umsonst war des Sultans Andrang auf dieser,
umsonst auf der nächsten Seite der Stadt, wo Gottfried
von Bouillon die Belagerung leitete. Nach zweytägigem
Kampfe zog er sich in's Gebirg zurück, erschreckt durch
die Löwenwuth der Wallbrüder und ihre Zahl, die jetzt
bis auf sechs Mahl hundert tausend angewachsen war.
Nicht weniger barbarisch als die Türken, wider welche
sie kämpften, schleuderten die Belagerer die abgehaue-
men Köpfe der Erschlagenen durch ihre Wurfmaschinen
in die Stadt, und sandten die übrigen in Säcken dem
Kaiser, der zu Pelekan windfeyernd lag. Er gewährte
den christlichen Fürsten die Bitte, Schiffe auf Schlei-
fen mittels Ochsen durch die Thalschlucht vom Kemlik
bis an den See schleppen zu lassen *), und so wurde in
-
*) Nicht über das Gebirge und bis ins Lager, wie Haken I. S. 206
meint, denn auf dem Wege von Kemlik (Kibitos) nach dem See
von Nicäa stand kein Gebirg am Wege, und das Lager der
Kreutzfahrer war vor Nicäa an dem östlichen Ende des Sees,
und nicht sechs Stunden davon entfernt am westlichen Ende.
O
1 o6
einer Nacht eine Flotte von Böten ooo Schritte weit
von Civitot bis an das Ufer des Sees geschleppt *).
Die Belagerung ging unterdessen mit ungeheueren
Bemühungen vorwärts, besonders auf der Südseite, als
der Hauptseite des Angriffs, und ward so durch die Stär-
ke der Festungswerke und Zahl der Belagerer und Be-
lagerten, als durch ihre Anstrengung, neue Maschinen
des Angriffs und der Vertheidigung zu erfinden, die be-
rühmteste der Kreutzzüge. Die Belagerer ersannen neue
Ballisten und Manganen, um Felsenstücke in die Stadt
zu schleudern, und Brustwehren, um ihre Mauerngrä-
ber zu decken. Die Belagerten gossen siedendes Öhl und
griechisches Feuer herab, und unvermuthet stürzten
von den Mauern eiserne Hände herunter, welche die Be-
lagerer packten, in die Höhe zogen und dann todt oder
verstümmelt wieder fallen liessen. Zur Untergrabung
der Mauer wurden besondere Thürme und Gebäude auf-
geführt. Eines derselben, der Fuchs genannt, aus dicken
Eichenbalken gezimmert, worin zwanzig Mann Platz
hatten, zerbrach unter eigener Last, oder unter der
auf dasselbe geschleuderten Felsenmasse, und erschlug
die zwanzig Gefährten des Erfinders Heinrich von Aische.
Das Hauptaugenmerk Raimund's von St. Gilles und des
Erzbischofs von Pui, welche das Belagerungscorps der
Südseite leiteten, war gegen einen Thurm gerichtet,
der, weil er schon in einigen vorigen Belagerungen (als
/
**) Diese 7ooo Schritte entsprechen genau der Entfernung von
vierthalb Stunden, in denen Kemlik vom Ufer des Sees liegt,
eine halbe Stunde bis Omurkoi, eine Stunde die Länge der
Schlucht, dann zwey Stunden bis an den See.
1o7
der Anführer Durus den griechischen Feldherrn Manuel
hier umzingelt hielt) der Macht der Wurfmaschinen ge-
wichen und gekrümmt war, seitdem den Nahmen des
Kniebeugenden erhalten hatte. Um denselben vollends
zur Erde nieder zu bringen, vereinten die beyden ge-
nannten Heerführer wider denselben alle Kraft der da-
mahligen Minirkunst. Von einem hölzernen Dache
(Schildkröte genannt, von der Form des Daches wie der
Fuchs von dem Graben der Minirer) geschirmt, rissen
die Gräber die Steine mit Haken und Krampen los, und
ersetzten dieselben jedes Mahl mit hölzernen Blöcken
und Dielen *); als man schon durch Ritzen den Tag von
dem Innern der Stadt heraussah, als die Grundschichte
der Mauer auf diese Art zerstört und mit Holz, welches
noch den Obertheil stützte , ersetzt war, ward Feuer
angelegt; das Holz ging in Flammen auf und der Knie-
beugende stürzte rasselnd und prasselnd platt auf's Feld.
Dieser kniebeugende Thurm Nicäa's ist in der Be-
lagerungsgeschichte der Kreutzfahrer nicht minder be-
rühmt, als es andere Thürme in den Belagerungen von
Antiochia , Acco und Jerusalem; zu Antiochia der Thurm
der drer Schwestern, dessen Vertheidigung dem Verrä-
ther Pyrrhus übergeben war; zu Acco (Ptolomais) der ver-
fluchte Thurm, der damahls so lange Zeit die Streitkräfte
Richards des Löwenherzen und Philipps höhnte (wie in um-
seren Tagen ein anderer Thurm, derselben Veste zuerst
*) Destruendorum moenium artem callentes, qui harpagonibus
molientes, atque uncis instrumentisque id. genus /erreis, quibus
quosevellebant lapides pro iis singulis codices aut tibicines i-
gneos moli sustinendae interim supponebant, Alexias Commen a XI.
Eut. pag, 311.
O 2
108
den Siegerlauf des neuen Pharao Napoleon's brach. Zu
Jerusalem endlich der Thurm Davids, dessen, so wie des
von Siloe und Libanon schon die Bibel gedenkt. Nachdem
derselbe nun gefallen, nachdem die zu Land in den See
heraufgetaute Flotte , vom Kaiser mit Turkopulen, denen
er eine grosse Anzahl von Fahnen und Trompeten und
Pauken mitgab, bemannt war, erschien dieselbe am
Tage des Hauptsturmes auf ein Mahl im See zum Schre-
cken der Belagerten, in deren Augen und Ohren das
Gewimmel der Fahnen, das Getöse der Heeresmusik
die Zahl der Bemannung vervielfachte. Zugleich hatte
der Kaiser zwey tausend Turkopulen zu Lande abgeord-
met, die - von Taticius und Tzitas befehligt, sich auf der
Landseite zwischen Raimund's und Ademars Truppen zum
Sturme aufstellten *). Während nun der Sturm im vol-
len Feuer glühte, unterhandelte Butumites, der Befehls-
haber der griechischen Flotte, treulos mit den Belager-
ten, ihnen Sicherheit und freyen Abzug versprechend,
wenn sie die Stadt lieber dem Kaiser als den fränkischen
Barbaren übergeben wollten. Suleiman nahm den Vor-
schlag an und liess die Griechen von der Seite des Sees
ein, während die Kreutzfahrer auf der Landseite frucht-
*) Haken stellt den Taticius ganz willkührlich zwischen Tancred
und Raimund, indessen Alexias ihn ausdrücklich auf die Seite
stellt, wo der Hauptangriff war, wo der Thurm fiel, d. i. auf
der Landseite, wo Raimund und Ademar den Befehl hatten Die
Art und Weise, wie Butumites vom See aus in die Stadt gelas-
sen werden konnte, ohne dass es die Belagerer auf der Laud-
seite merkten, ist ebenfalls von Alexias der Östlichkeit gemäss
sehr genau angezeigt, von den neuen Geschichtschreibern der
Kreutzzüge aber nicht deutlich genug beschrieben worden.
K 09
los Sturm liefen, und davon erst abliessen, als zu ihrem
Erstaunen des Kaisers, ihres Verbündeten, Fahnen VOM.
den Mauern wehten, und Butumites, der griechische Feld-
herr, auf der Höhe des Thurmes erschien und erklärte,
dass er die Festung im Nahmen des Kaisers seines Herrn
im Besitz genommen habe.
So fiel Nicäa, die Gränzfestung des asiatischen Rei-
ches der Seldschuken, am 28. Junius 1o97 nach sieben
Wochen der angestrengtesten Belagerung abermahls in
die Hände der Griechen im sechszehnten Jahre der Re-
gierung des Kaisers Alerius, der sie schon neun Jahre
darnach (11o6 durch abgesonderten Friedensschluss, als
er sich von den Kreutzfahrern trennte, und sich wider
dieselben mit ihren Feinden verband), an den Fürsten
der Seldschuken zurückstellte. So blieb sie nun im Rü-
cken der Kreutzfahrer, die unterdessen in Syrien festen
Fuss gefasst, in der Stirne ihrer Brüder, die ihnen noch
aus Europa folgen sollten, der grösste Stein des Anstos-
ses. Nach Verlauf eines Jahrhundertes kam dieselbe
abermahls in den Besitz der Kommenen, und zu Anfang
des dreyzehnten, nach der Eroberung Constantinopels
durch die Franzosen und Venediger, schlug Theodoros
Lascaris hier den Thronsitz des Reiches auf. Geburts-
stadt des Nicetas Choniates, des byzantinischen Geschicht-
schreibers, dessen zierlicher aber auch gezierter Styl
doch von allen Byzantinern dem classischen des Alter-
thumes am erfolgreichsten nacheifert, ward sie auch sei-
ne Grabstätte, indem er hier zwölf Jahre, nachdem er
sich von der Eroberung Constantinopels hierher geflüch-
tet, und hier deren Gräuel derselben beschrieben hatte,
1 iO
im zwölften Jahre der Regierung des Theodor Lascaris
(1226) sein Leben beschloss"). Mit dem Beginn des vier-
zehnten Jahrhunderts, als die Dynastie der Osmanen
auf den Trümmern des Throns der Seldschuken sich er-
hob, war Nicäa schon unter Osman's Regierung, wie
Brussa und Nicomedien, hart von den Türken bedrängt,
aber erst von Orchan (1. J. 133o) durch Überfall ohne
Belagerung erobert **).
vor den Thoren stehen wir nun dieser alten Veste,
der mächtigen Schutzwehr und Landmarke des bithymi-
schen und byzantinischen, des turkomanischen und os-
manischen Reichs, und gerade von der Südseite ziehen
wir in dieselbe ein, wo die grösste Macht des Heeres
der VVallbrüder aufgestellt war, wo die Mauern und
Thürme unter den neu erfundenen Maschinen der Bela-
gerungs- und Minirkunst vor dem hohen Muthe der Be-
lagerer kniebeugend sanken, und sich niederwerfend
auf die Erde stürzten. Der hohe Anblick der hohen Fe-
stungsmauern aus Quadersteinen stimmt mit den Erin-
nerungen an die Grossthaten der Vorzeit vollkommen
zusammen, und man erwartet immer den noch wohl er-
haltenen Mauern eine noch wohl erhaltene Stadt zu er-
blicken. VWir ziehen ein durch das noch von Römerzeit
als Triumphbogen gewölbte Stadtthor; aber wo ist die
Stadt? Keine Palläste, keine Tempel, keine Strassen,
keine Gebäude halten den erstaunten Blick auf, der zwi-
schen schlecht bebauten Gärten, Schutthaufen und ei-
migen Baumgruppen ungewiss herumirrt. Wer möchte
*) Stritter.
**) Pachymeres.
1 I 1
glauben, dass er sich im Umfange einer Stadt befinde,
und nicht vielmehr in dem Bezirke eines vernachlässig-
ten Parkes von ungeheueren Mauern umgeben. Der Rei“,
sende sucht Nicäa in Nicäa selbst, und die Ruinen der
verschwundenen Stadt immer den noch wohl erhaltenen
Mauern. Wenige verfallene Städte stellen ein betrübte-
res Gemählde von Verheerung und gänzlicher Verwü-
stung dar, und diess Ruinengemählde springt durch den
Rahmen der noch stehenden Mauern um so mehr in
-
das Auge.
Es gibt wenige Orte, wo Geist und Leib des Rei-
senden mehr zu Boden gedrückt werden, als inner den
Mauern des elenden Nicäa's, wo er unter Schutthaufen
und Brandstätten eine brennende, fieberschwangere,
durch die Ausdünstungen der Moräste am See vergifte-
te Luft einathmet. Es befiel uns ein unerträgliches Ge-
fühl von körperlichem Unbehagen und von tiefer Seelen-
schwermuth. Wir zogen zwischen Schutthaufen und
Gartenhecken bis zum Dorfe Isnik fort, das immer dem
Ringmauern der alten Stadt am nördlichen Winkel der-
selben liegt. Das türkische neue Isnik war ganz aus den
Ruinen des alten römischen und byzantinischen Nicäa
entstanden. Zur Zeit der Seldschuken erhob sich hier
ihr Herrscherpallast (den Alexias Commena Sultanikon
nennt) von wo aus die Frau und Schwester Suleiman's
während der Belagerung ihren freyen Abzug mit Butu-
mites unterhandelten. Unter den Osmanen blühten hier
Schulen und Fabriken, und an der Seite von Moscheen
und Serajen standen Waarenlager und Bäder. Heute
sind auch alle diese Gebäude in Schutt verfallen, und
I 12
die osmanische Stadt Isnik ist zu einem elenden Dorfe
von beyläufig 2oo Häusern herabgesunken, unter denen
zwey Moscheen und eine griechische Kirche noch halb
erhalten sind; und von dem byzantinischen Nicäa ste-
hen bloss die Mauern im Vierecke von beyläufig einer
Stunde oder 16 Stadien im Gevierten, wie es schon
Strabo beschreibt, jede Seite vier Stadien, oder beyläufig
eine Viertelstunde lang, und innerhalb dieses Vierecks
nichts als ein trauriges Schauspiel der Verwüstungen
der Zeit, der Kriege, des Fiebers und des Despotismus!
Bisher gaben sich die Reisenden fruchtlose Mühe,
in den Schutthaufen Nicäas die alte griechische Kirche
aufzufinden, wo das erste Consilium gehalten wurde.
Mit Recht bezweifelten sie, dass die dermahlige grie-
chische Kirche Ismik's die Zahl der zu Nicäa versammel-
ten Väter enthalten konnte. Pococke glaubt sogar, dass
die Kirche, deren Dom geborsten und zertrümmert,
und auf deren Boden noch hie und da Mosaikpflaster
sichtbar ist, in eine spätere Zeit als in die Constantin's
gehöre. Dieser Vermuthung widerspricht das musivische
Gemählde in dem Peristyle der Kirche und ober dem
Eingange derselben nicht, das einen Kaiser vorstellt,
den die mit Gold musivisch eingelegte Inschrift ") Kon-
stantinos nennt. Wahrscheinlich war es Constantin VII.,
der Porphyrogenete, dessen Nahme mit dem seines Vaters
auch auf einem Thurme der Stadt als Erneuerer und
Wiedererbauer derselben genennt wird *). Wo aber
die alte Kathedrale und der Ort der heiligen Synode zu
*) Siehe die Inschrift, Nr. 6.
**) Siehe die Inschrift, Nr. 4.
1 13
suchen sey, darüber lassen türkische Geographen und
Historiker keinen Zweifel übrig, indem sie uns beleh-
ren, dass Orchan, der Eroberer der Stadt, die Haupt-
kirche derselben, wo das Consilium gehalten ward, in
die Moschee verwandelt habe, die noch heute seinen
Nahmen trägt").
Wir bahnten uns also den Weg in den Umfang der
alten, heute in Ruinen liegenden Moschee Sultan Or-
chan's durch Distelm und Dornengebüsche, durch Schutt-
und Steinhauſen, die den Eingang verwehrten. Unser
Führer musste über die Mauer steigen, um die Steine
weg zu wälzen, womit von innen das Thor verrammelt
war. Ober diesem Thore ist das Tughra , d. i. der ver-
schlungene Nahmenszug Sultan Orchan's in Stein ausge-
hauen. Die Mauern der sehr geräumigen, im Vergleich
mit der heutigen griechischen Kirche noch ein Mahl so
grossen, alten Kathedrale, in welcher die Versammlung
der Väter Platz genug hatte, stehen noch aufrecht, und
sind mit türkischen und arabischen Inschriften bedeckt,
aber das Dach ist ganz eingestürzt, und seine Trümmer
sind mit denen des Pflasters vermischt, die vielleicht
zu gleicher Zeit ein Erdbeben aufrüttelte. An dem bey-
den Seiten des Hauptaltars, der in der Mitte einer sich
stufenweise erhebenden amphitheatralischen Rotonde
stand, waren zwey Capellen angebracht, ganz auf die-
selbe Weise, wie die dermahlige griechische Kirche ge-
*) So die Erdbeschreibung Hadschi Chalfa's Dschihannuma, S. 657
und in der Geschichte der Osmanen Hiseht Bilischt, d. i. die
acht Paradiese, in der achten Erzählung der Begebenheiten der
Regierung Sultau Orchans.
P
A 14
bauet ist. Hier ist also die ehrwürdige Stätte, wo drey-
hundert und achtzehn Bischöfe, unter denen mehrere
Kirchenväter, Heilige und Märtyrer, aus dem Morgen-
und Abendlande versammelt, in des Kaisers eigener Ge-
genwart das grosse oikumenische Consilium bildeten,
von dem das Glaubensbekenntniss der katholischen Kir-
che, die Verdammniss der arianischen Lehre, die Be-
stimmung des Osterfestes und der Grundriss der Kir-
chenzucht ausging. Hier stritten mit Arius für seine ke-
tzerische Lehre: dass der Sohn nicht gleicher Wesen-
heit mit dem Vater sey, noch sieben zehn andere Bi-
schöfe, worunter zwey Eusebius (der von Nicomedien
und von Cäsarea, der berühmte Geschichtschreiber),
wurden aber von den drey hundert anderen überstimmt,
zur Unterschrift des micäischen Glaubensbekenntnisses
und zur Ablegung ihrer Irrlehre durch Androhung der
Absetzung und Landesverweisung gezwungen *). Hier
erschienen der heilige Alexander und der heilige Atha-
nasius, dieser noch in der Blüthe seines Alters als Dia-
con, jenen als Bischof begleitend, und von ihm, als er
in der Folge auf dem Bischofsstuhle Alexandriens SaSS ,
noch Sohn genannt. Hier sprachen die Heiligen Spiridion
und Paphnutius, jener Bischof in Cypern, und dieser in
Ober-Thebais, mit mildernder Nachsicht über die Auf-
rechthaltung der Kirchen- und Zuchtgesetze, und ihr
fürsprechendes Wort zu Gunsten anderer hatte so grös-
seres Gewicht, als ihre Strenge gegen sich selber allge-
mein bekannt war. Spiridion hatte einem Gaste an einem
*) Stollberg's Geschichte der Religion Christi und Fleury's. Kir-
chengeschichte. -
115
Fasttage, wo weder Brot noch Mehl zu Hause war,
Schweinfleisch aufgesetzt, und als dieser daran Ärger
nahm, ihm sein Ärgerniss mit den Worten der Schrift
verwiesen, dass dem Reinen alles rein sey *). Paphnutius
eiferte wider den Vorschlag der Väter des Conciliums,
dass Bischöfe, Priester und Diaconen sich von ihren
Weibern trennen sollten "). Hier sassen sie also diese
beyden ehrwürdigen Bischöfe, welche noch heute die
griechische und koptische Kirche unter dem ersten ihrer
Heiligen verehrt *“). Hier küsste Kaiser Constantinus
die Narben der Märtyrer, die in den vorhergehenden
Verfolgungen der Christen unter Licinius und Maxen-
tius die Lehre Christi mit ihrem Blute und dem Ver-
luste ihrer Glieder bezeuget hatten. So küsste er die
Augenhöhle des heiligen Paphnutius, dem das rechte Auge
ausgerissen worden, und die Hände des heiligen Paulus,
Bischofs von Neu-Cäsarea am Euphrates, dessen Ner-
ven mit glühenden Eisen gelähmt waren.
Nicht mindere Ehrfurcht als den Blutzeugen bewies
er den Bischöfen überhaupt, indem er die, ihm bey sei-
ner Ankunft zu Nicäa wider dieselben eingereichten An-
klagen zusammengerollt, mit seinem Ringe versiegelt
und ungelesen verbrannte, die Ankläger belehrte, dass
*) Sozomenes Hist. eccl. I. 11.
**) Sozomenes Hist eccl. 1. 28.
*) Der heilige Paphnutius war ein Waffengefährte des heiligen
Onophrius und des heiligen Schnulius, in deren Gesellschaft
er die Blemyrer an den Glänzen der Thebais mit Krieg überzog.
Siehe: Memoires, geographiques et historiques sur l'Egypte, ee
sur quelques contrées voisines. Par Monsieur Quatremere. Tom. I.
Pag, 146. 15o.
P 2-
1 16
dem Volke die Sünden seiner Hirten, des Ärgernisses
willen, nicht kundgemacht werden dürften, und sie ver-
sicherte, dass er den Ehebruch eines auf der That er-
tappten Bischofs mit dem kaiserlichen Purpur verhüllen
würde. Endlich erhöhte er die Feyer des Schlusses der
Kirchenversammlung, indem er am selben Tage (25. Ju-
lius 325) die Feyer seiner zwanzigjährigen Regierung
beging, alle Bischöfe zu einem grossen Gastmahle lud,
und nach demselben reichlich beschenkt entliess.
Dichtgeschart drängen sich hier die Erinnerungen an
die Heiligkeit der Stätte und die Ehrwürdigkeit der
Stadt auf, welche auch von den Führern des Kreutzzuges
benützt wurden, die Wallbrüder mit heiligem Enthu-
siasmus zur Eroberung Nicäa's zu begeistern *). Wie
würden die hier versammelten Väter der Kirche und der
Gründer des byzantinischen Reichs, der grosse Constan-
tin, dem Seher angestaunt haben, der, in die Zukunft
schauend, ihnen verkündet hätte, dass nach drey Jahr-
hunderten schon in Arabien der Prophet aufstehen wür-
de, dessen Lehre durch das Schwert von der Meerenge
von Suez über die von Gibraltar und Byzanz hinaus bis
an die Donau und Wolga verbreitet, die christliche Kir-
che unter ihr Joch beugen; dass Nicäa mit wechselndem
Kriegsglücke von Arabern und Türken, von Franken und
Griechen genommen und verloren, ein halbes Jahrhundert
lang der Sitz der aus ihrer Residenz vertriebenen grie-
chischen Kaiser seyn; dass nach tausend Jahren der An-
*) Tandem venere Nicaeam, quae totius Romaniae Metropolis est,
civitas Bethaniaeque caput, trecentrum decem et octo Putrum Sy-
nodo clar«, sed Omouston assertione, et Arii damnatione prae-
clarior Guiberti Cap. III.
1 17
führer einer Türkenhorde (Osman) in dieser Gegend auf
den Trümmern des byzantinischen das osmanische Reich
gründen, und sein Sohn und Nachfolger (Orchan) Ni-
cäa erobern, und die Kirche der heiligen Synode in eine
Moschee verwandeln sollte! - -
Wenn die hier versammelten Väter, statt wie die
heiligen Siebenschläfer nur anderthalb Hundert Jahre
zu schlafen, nach einem Schlafe von anderthalb Tausend
Jahren heute wieder hier vereint wären, wie würden
sie die Veränderung der Zeit und des Orts und die Um-
wälzungen der Lehren und Begriffe bestaunen! – Statt
des heiligen Dunkels der byzantinischen Kirchen, das sie
dem der hellenischen Tempel nachgeahmt, fällt der volle
Tag durch das eingestürzte Dach auf die Trophäen der
verwüstenden Zeit; statt der goldenen, in lazurnem Felde
musivisch eingelegten Sterne des Platfonds scheinen vom
lazurmen Dome des Himmels die goldenen Strahlen der
Sonne herunter. Das Gitterwerk und die Bilderwand
des Allerheiligsten ist verschwunden, statt biblischen
Sprüchen reden die Verse des Korans von dem Wänden
herab, und die Stätte der in allen griechischen Kirchen
über dem Kreutze prangenden Inschrift: „In diesem Zei-
chen wirst du siegen !" nimmt das islamitische Glaubens-
bekenntniss ein: „Es ist kein Gott als Gott, und Moham-
med ist sein Prophet !" Das islamitische Glaubensbekennt-
niss statt des nicäischen an die Wände der alten Kirche
selbst geschrieben, wo dieses verfasst ward, wie viel
Stoff zum Denken möchte es den Vätern geben, die hier
über die Art und Weise, wie der Sohn aus dem Vater
hervorging, und über ihre gleiche Wesenheit stritten!
118
um wie viel nachsichtiger wären dadurch die beyden
Alexander von Byzanz und Alexandrien wider die bey-
den Eusebius von Nicomedien und Cäsarea, um wie viel
duldsamer Arius gegen Athanasius gestimmt! Wenr die
Bischöfe aus Griechenland und Ägypten, aus Persien
und Armenien auf ihren Sitzen die Muftis und Mollas,
die Kadis und Irmame , welche dieselben heute einneh-
men, und der Christusliebende Constantin auf seinem
Throne den Sultan als Nachfolger der Chalifen erblickte,
wie müssten sie verstummen in dem Gefühle der Nich-
tigkeit aller menschlichen Weisheit und Grösse, oder
laut bekennen die Wahrheit jenes arabischen Spruches
auf der Wand:
Aller Menschen harrt die Stunde ,.
Alle Reiche gehn zu Grunde;
Ihn, den Ew'gen, Alllebendigen -
Kann der Tod, die Zeit nicht bändigeu.
Wir besahen die drey triumphbogenartig gebauten
Thore der alten Stadt, die schon Pococke und Dallawar
beschrieben haben, nähmlich: das ven Jenischehr (durch
welches wir von der Südseite eingezogen); das von Con-
stantinopel und das Landthor, beyde auf der Nordseite.
Beym Ausgange durch das letzte sieht man auf der
linken Seite halb erhabene Steinarbeit eingemauert. Diese
Basreliefs stellen ein Opfer vor. Noch lässt sich daran
eine bey den Haaren gezogene weibliche Gestalt erken-
nen, umgeben von Gruppen bewaffneter Krieger, wel-
che dem Opfer zusehen, so dass es vielleicht das Opfer
Iphigenia's auf Aulis vorstellet. Gleich darneben ist eine
christliche Bildhauerarbeit, ein Heiliger oder eine Hei-
M 19
lige mit der Strahlenglorie um's Haupt. So stehen die
Gegenstände des Cultus zweyer Religionen, zwischen
denen Jahrtausende liegen, und die dreyhundert Jahre
lang harten Kampf gegen einander bestanden, hier fried-
lich in denselben Mauern neben einander. Die barbari-
sche Hand, so diese Mauern erbauet oder vielmehr her-
gestellt, verwandte Basreliefs, Altäre, Säulen und Grab-
seine statt Quadern, und dieser Barbarey machten sich
nicht nur die letzten Eroberer der Stadt, die Osmanen,
sondern schon die ersten Eroberer und Hersteller der
Mauern Constantinopels und Nicäa's schuldig; denn
hier, wie dort, sind die Stadtmauern und Thürme an
vielen Orten nichts als eine aufgeschichtete Masse von
Ruinen altgriechischer oder römischer Kunst. Säulen,
die ehemahls Hallen trugen, liegen wagerecht über ein-
ander als Mauermbänder; Altäre, auf denen die Flamme
des Opfers loderte, sind umgestürzt, und von den Bil-
dern der Götter und Heroen nur die Rümpfe einge-
ImaUeTt.
Der Anblick so vieler Denkmähler der Andacht, der
Dankbarkeit und des Ruhms zu Mauersteinen herabge-
sunken und entweiht, erfüllt den Schauenden mit einem
gerechten Unwillen wider den Verwüstungsgeist Con-
stantin's und der ersten christlichen Kaiser, welche an
dem Tempeln der alten Religion die Verfolgung der
neuen Kirche verheerend rächten. Die Klagen, welche
Nicetas und andere byzantinische Geschichtschreiber mit
Recht wider den barbarischen Verwüstungsgeist der
Franken, als Eroberer Constantinopels, erheben, trifft
nicht viel minder die Erbauer und Hersteller der Mauern,
12O
und im Vergleiche mit Beyden erscheinen die Türken,
über deren Zerstörungswuth Reisende so oft gerechte Kla-
gen erhoben haben, weit duldsamer, weniger verfolgend
und minder des Verbrechens beleidigter Majestät der
Kunst und Religion schuldig. Sie haben zwar in eroberten
Städten einige Kirchen in Moscheen verwandelt, und In-
schriften weggemeisselt, die sie nicht verstanden; aber
in vielen Moscheen (wie in der grossen und kleinen So-
phiakirche zu Constantinopel) sind selbst diese Inschrif-
ten noch erhalten, und viele Kirchen haben sie unange-
rührt stehen gelassen. Die byzantinischen Kaiser hinge-
gem haben die römischen Tempel und Götterhallen bis
auf ihre Grundfeste niedergerissen, und Nichts kann
den fanatischen Eifer rechtfertigen, womit sie die Denk-
mahle des Alterthums, in der Sprache ihrer Väter den
Göttern geweiht, vernichteten. Die Barbaren! Sie ha-
ben jene luftigen Hallen und Säulengänge durch riesen-
hafte Mauern aus ungeheueren Steinblöcken, und die
eingestürzten Triumphbögen mit Gewölben von nieder-
drückender Schwere zu ersetzen geglaubt; sie haben
die umgestürzten Altäre in Zinnen, und die Säulen in
Wartsteine verwandelt; sie haben die Sarkophage zer-
trümmert, und die Inschrifttafeln einwärts gekehrt, wie
babylonische Ziegeln, deren thoneingebrennte Inschrif-
ten immer gegen das Innere, dem Blicke und Wetter
unzugänglich, eingemauert sind. Die Barbaren! sie ha“
ben mit den Mauern Babylons zu wetteifern und sich Um-
Sterblichkeit zu erwerben gewähmt, indem sie ihre Nah-
"en an die Stirne der Thürme schrieben, aus den Resten
der schönen Jahrhunderte des Alterthums erbauet.
121
Nichts melancholischer, aber auch Nichts mahler-
scher als der Anblick dieser Mauern und Thürme, von
unten bis oben mit üppigem Grün überwachsen und von
den Zweigen der Bäume beschattet, die aus den Grund-
festen hervorgipfeln und auf den Plattformen wurzeln.
Einer der schönsten und am besten erhaltenen Thürme
erhebt sich auf der Nordseite, das ist also gerade auf der
entgegengesetzten, von der die Stadt die letzten Belage-
rungen aushielt, von wo aber früher, wie es die wohl
erhaltene Inschrift sagt, die Saracenem fruchtlos anstürm-
ten und an dem Fusse desselben Schimpf und Tod fan-
den. Dieser noch stehende Thurm auf der Nordseite ist
das merkwürdige Gegenstück von jenem berühmten Knie-
beugenden auf der Südseite, der, nachdem er einmahl
vor dem Feinde die Knie gebeugt, bald auf das Feld
hingestürzt ward, während dieser, welcher der Feinde
Muth ungebeugt verhöhnte, noch nach neun Jahrhun-
derten als Todes - und Siegesdenkmahl derselben auf-
recht da steht und den Sinnspruch gewählt zu haben
scheint: Ich werde gebrochen aber nicht gebeugt, (Frangor
non flector). Die merkwürdige Inschrift belehrt den Le-
ser daher, dass er von Leo (dem Armenier) und seinem
Mitherrscher Constantin (der im Purpur Geborne genen-
net), den Herstellern der Stadt, mit dem Aufwandesie-
benjähriger Arbeit und eines Centner Goldes, erbauet
worden sey *).
Das hergeleitete Wasser, womit das alte Nicäa ver-
sehen ward, geht noch heute nach Isnik durch das Com-
*) Siehe die Inschrift im Anhange.
1 22
stantinopolitanerthor, wo es, den in der Mauer einge-
schlossenen Röhren entrinnend, in langen Cascaden den
Wall herunter fällt. Die gewölbte Wasserleitung, in
der es von aussen der Stadt zugeführt wird, läuft durch
die Begräbnissstätte, und endet, oder beginnt vielmehr
am Fusse des gegen Osten der Stadt gelegenen Berges.
Hier steht auf der Hälfte eines Felsenabhanges ein un-
geheuerer Sarkophag, aus einem einzigen Steine ge-
hauen; Pococke , der denselben beschreibet, zweifelt,
ob diese Steinmasse nicht hierher geschafft worden sey,
wie der monolithische Granittempel von Sais aus der In-
sel Elephantine. Aber wenn man nun um sich schaut,
erblickt man rund umher ungeheuere Felsenmassen, so
die Zeit von dem Gipfel des Berges gelöset hat, und die
durch Wetter oder Erdbeben heruntergestürzt, hie und
da auf kleinem Flächen stehen geblieben sind. Einen die-
ser ungeheueren Steinblöcke hat die Kunst in einem Sar-
kophag umgebildet, der durch Menschenhände hierher
gestellt worden zu seyn scheint. Die durch die Zeit fast
ganz verwischte Inschrift, die Pococke für Hebräisch hielt,
dürfte wohl eher eine phönicische gewesen seyn. Für
diese Vermuthung spricht der Styl des Denkmahls, ganz
derselbe wie der der phönicischen in Felsen gehaue-
mem Grabmahle auf Cypern und der benachbarten asia-
tischen Küste. Auf der gegen Osten gerichteten Vorder-
seite, wo auch die Inschrift stand, scheint eine Sonne
gewesen zu seyn, die gegen Aufgang schaute, vielleicht
als Symbol der Auferstehung zum ewigen Lichte, wel-
cher der Staub im Sarge entgegen harrt.
Dieser ungeheuere Sarkophag, den die Araber den
123
Yater der Särge nennen würden, beherrscht von seiner Fel-
senhöhe die weiten Grabstätten, die sich zu seinen Füssen
bis an die Stadt him dehnen , und die ein besonderes In-
teresse einflössen, weil fast alle Grabmahle schöne Re-
ste von Denkmahlen alter Kunst sind. Die Grabpfeiler
(Cippi), welche die Türken zu den Füssen und am Ko-
pfe ihrer Todten aufstellen, sind eben so viele Säulen,
Architraven oder Piedestale. Es scheint als sey hier das
Thal Josaphat der Denkmahle alter Architektur, deren
zerstreute Steinglieder sich von allen Seiten aus der Er-
de erheben, um in ein harmonisches Ganzes versam-
melt zu werden, als sey hier die Auferstehung, nicht
der Todten, sondern der Gräber.
Wiewohl Nicäa's Mauern auf der Westseite vom See
bespühlt sind, so haben seine Einwohner doch nie das
salniterschwangere Wasser desselben zum Trinken be-
nützt, denn ausser dem Bergstrome, der durch die Was-
serleitung in die Stadt fliesst, springen auf der Nord-
seite der Stadt noch Quellen eines vortrefflichen Was-
sers, der Fürstenbrunnen (Beibunari) genannt, welche
den Fuss der Mauern auf der Seite des Landthors wa-
schen, und dann in den See fliessen. Man sieht daraus,
dass wenn das heutige Wasser der Stadt matt und schlecht
ist, die Schuld nicht an dem Mangel eines besseren in
der Nähe liegt. An der Bergquelle ist es gut, verschlim-
mert sich aber in der Wasserleitung, die seit undenk-
lichen Zeiten nicht gereiniget worden zu seyn scheint.
Dass das VWasser des, übrigens sehr fischreichen, Sees
nicht das beste zum Trinken, liegt vielleicht in der Ur-
sache eines alten und undenklichen Erdsturzes, wenn es
Q2
124
wahr ist, was die Bewohner und auch die Geschicht-
schreiber Edris und Seadeddin versichern, dass , bey
trockener Zeit und seichtem Wasser, man unter dem-
selben die Ruinen einer versunkenen Stadt erblicket,
und dass Taucher manchmahl metallenes Haus- und Kü-
chengeräthe daraus heraufgehohlt haben sollen *).
Gegründeter als die Sage ist die Überlieferung von
den grossen Fabriken persischen Poréellans, welche hier
unter der Regierung osmanischer Sultane ausser den
Mauern der Stadt gegen die Seeseite blühten, und deren
Reste heute Dschineuvislik heissen; ein Nahme, der, wie-
wohl er vom chinesischen Porcellan hergenommen scheint,
dennoch von einer genuesischen Niederlassung herstam-
men und den historischem Grund haben dürfte, dass
schon zu Zeiten des byzantinischen Reichs eine Colonie
dieses speculativen Handelsstaats sich in der Vorstadt
Nicäa's, wie in denen Constantinopels, angesiedelt hat-
te, und hier Fayence oder persisches Porcellan verfer-
tigte. So viel ist gewiss, dass die schönsten Arbeiten
dieser Kunst, die lazurnen Felder mit silberweissen Im-
schriften, womit die grossen Moscheen aus der schön-
sten Zeit des osmanischen Reichs ausgeschmückt sind,
hier verfertigt wurden **). Diese Kunst, welche heute
wenigstens in der Türkey ganz verloren zu seyn scheint,
blühte im XIV. und XV. Jahrhunderte gleichzeitig in
Persien, in der Türkey und in Ägypten, wo die schön-
sten Moscheen und Akademien, zur Zeit der letzten mam-
*) Heschtbescht, d. i. die acht Paradiese, die achte Erzählung
von Sultan Orchan's Regierung, und Seadeddini, J.755.
**) Fagºyſiuritschin, chinesisches Porcellau.
125
lukischen Sultane, mit solchen Porcellaninschriften aus-
getafelt worden *). Heut zu Tage ist zu Isnik weder
von der Werkstätte noch von ihren Producten eine Spur
vorhanden. Weder an den Moscheen, noch an den be-
rühmten Collegien Orcham's sind dergleichen Porcellan-
inschriften zu sehen. Dieses Collegium, von dem heute
nur der Nahmen und die Ruinen bestehen, war das erste
im osmanischen Reiche“) noch vor denen zu Brussa und
Nicomedia von Sultan Orchan gestiftet, und an demsel-
ben lehrte der berühmte Scheich Dawid Kaissari die VVis-
senschaften des Gesetzes. Ausserdem stiftete Orchan noch
eine Armenküche, und seinem Beyspiele folgte später
Eschrefsade , dessen Kloster und Grabstätte ein besuch-
ter Wallfahrtsort war ***).
VI.
Der Weg von Nicäa nach Nicomedia.
Eine Viertelstunde weiter an, als der oben erwähnte
Fürstenbrunnen, und auf einer kleinen Anhöhe des Berg-
abhanges ist eine herrliche Grotte von der Natur in der
Richtung von Nordosten gegen Südosten in den Felsen
gewölbt, deren keiner der Reisebeschreiber unserer Vor-
*) Seadeddin.
*) Seadeddin i. J. 751.
*) Dschihannüma bey Isnik. S. 662.
126
gänger erwähnt. Sie ist beyläufig 2oo Schuhe hoch und
auf beyden Seiten offen, wie ein ungeheuerer Triumph-
bogen. Die Türken heissen dieses Naturwunder ganz
einfach Deliklitasch , d. i. den durchlöcherten Stein. Indem
man längs des Fusses dieses Berges (von den Türken auch
Katirli tagh , wie der Arganthonios, gewöhnlicher aber
Samanli genannt) in der Richtung von Osten gegen We-
sten fortzieht, gelangt man in der Entfernung einer Stun-
de von der Stadt zu einem herrlichen Lusthain mit Cy-
pressen von wunderbarer Höhe und mit ungeheueren
Platanen bepflanzt, welche in kleinen Wasserfällen her-
unter schäumend, das klare Bergwasser Kespikli su ge-
nannt umkreiset und dann gegen den See fortsprudelt.
Etwas weiter auf der Strasse hin in der Ebene er-
hebt sich ein dreyeckiger Obelisk, dem Andenken des
Cajus Philiskus errichtet; er besteht aus dem Fussge-
stelle und fünf Steinlagen; die sechste, welche den Gi-
pfel formte, ist durch die Zeit herunter gestürzt. Statt
der Landstrasse zu folgen, welche erst längs des Sees
von Nicäa und dann über Basarkoi landeinwärts in acht-
zehn Stunden über das Gebirge nach Nicomedien führt,
vertieften wir uns gleich hier in die Schluchten der ho-
hen Gebirgskette Samanli, die sich zwischen dem See von
Nicäa und dem Meerbusen von Nicomedien erhebt. So
kürzten wir den Weg um mehrere Stunden ab, indem
wir auf Steigen der Holzhauer, von gewöhnlichen Rei-
senden unbetreten, über das Gebirg durch dichte Wäl-
der und längs des Thalweges von Bergwässern zogen ,
von einem Führer begleitet, den wir der besonderem
Gefälligkeit des türkischen Befehlshabers von Nicäa dank-
12
ten. Das erste Dorf, an der Mündung der "sº
gelegen, durch die wir einzogen, heisst Elbeili, und ist
nur eine kleine Viertelstunde vom Obelisken entfernt.
Es besteht aus beyläufig 15o Häusern, alle von Moslimen
bewohnt. Ein Bach, der einer ergiebigen Quelle im
Berge entsprudelt, läuft durch das Dorf von Norden nach
Süden gerade nach dem See. Nun fingen wir an, den
Berg zu erklimmen, und fanden nach einer Stunde auf
unserem Wege das Dorf Kirmisli, von Holzhauern mit-
ten in Wäldern bewohnt. Von hier ritten wir sechs Stun-
den lang, ohne irgend eine menschliche Wohnstätte an-
zutreffen, durch majestätische Buchen- und Eichenwäl-
der, die ganz gewiss den herrlichsten Wäldern des eu-
ropäischen Nordens nicht nachstehen. Hier wird ein gros-
ser Theil des für die osmanischen Werfte nöthigen Schiffs-
bauholzes gefällt. Wir sahen Ribben und Querhölzer
ganz fertig behauen, um von hier nach den Werften
von Nicomedien, oder vielleicht von Constantinopel,
fortgeschafft zu werden. Drey Stunden lang ging der
Weg aufwärts, und mehr als ein Mahl über den Berg-
strom , welcher von der dunkeln Farbe seiner Fluthen
Kara su, d. i. das schwarze JPYasser - genannt, in langen
Umwegen über die Bergabhänge und durch die Schluch-
ten unwillig in die Ebene hinaus nach dem See von Ni-
cäa geht. Wir zogen an mehreren Waldwiesen von ei-
ner seltenen Schönheit vorbey, die mitten in der Hitze
der Hundstage das schönste, frischeste Grün behalten,
und von denen dieser Theil des Gebirgs Tschairlitagh,
d. i. Wiesenberg, heisst. Ihr smaragdenes Licht sticht
wunderbar von dem dunkeln Grün der Wälder ab. Dann
128
geht es drey andere Stunden bergabwärts gegen den
Meerbusen von Nicomedien, dessen Meerantlitz hie und
da durch Thalmündungen und Waldöffnungen herein-
schaut, bis zum Dorfe Baghdschedschik, das in der Ent-
fernung einer Stunde vom Ufer des Busens noch im Ge-
birge liegt. Nachdem wir in gerader Linie zum Meeres-
ufer hinab gestiegen, wandelten wir längs desselben
zwey Stunden ſort, ehe wir nach Nicomedien kamen,
das nicht im innersten Grunde des Busens, sondern ein
wenig darüber hinaus auf der nördlichen Seite dessel-
ben gelegen ist. In der innersten Tiefe des Busens führt
eine Brücke über das Flüsschen Kirschenwasser (Kiras su),
nicht zu verwechseln mit dem auf der andern Seite im
den See von Nicäa ausfliessenden Karasu (Schwarzwasser).
Es entspringt sechs oder sieben Stunden von seiner Mün-
dung gegen Südosten im Berge Göktag, d. i. Himmelsberg,
der nur eine Fortsetzung der zwischen Nicäa und Nico-
medien gelegenen Bergkette ist.
Hier ist der Ort, den mehrmahl erneuerten Vorschlag
der Vereinigung des Pontus mit dem astakenischen Meer-
busen , d. i. des schwarzen Meeres mit dem Busen von
Nicomedien mittelst eines Landsees , mit der Fackel ört-
licher Kritik näher zu beleuchten. Hier ist die Stelle,
durch topographische Beweise die Unrichtigkeit der bis-
her in alten Geographien und classichen Commentaren
gang und gäben Behauptung, dass Plinius willens ge-
wesen, den See Ascanius , d. i. den von Nicäa, mit dem
astakenischen Meerbusen , d. i. mit dem von Nicomedien,
mittelst eines Camals zu verbinden. Dieser handgreifliche
Irrthum, den zuerst Philologen durch die Verwechslung
129
den Nahmen von zwey verschiedenen Seen in Gang
brachten, ward von nachbethenden Geschichtschreibern
wiederhohlt , und auf ihren Glauben von Erd- und Rei-
sebeschreibern, die entweder nie an Ort und Stelle ge-
wesen, oder die, wenn sie hier waren, es nicht der
Mühe werth hielten, mit eigenen Augen zu sehen, in
allgemeinen Credit gesetzt. Wir wollen zur Berichtigung
desselben die Briefe des Plinius, in denen von dieser
Vereinigung die Rede ist, mit Aufmerksamkeit, und die
topographische Beschreibung, die sie enthalten, mit
der Örtlichkeit des Landstriches, den wir so eben durch-
wanderten, vergleichen, und es wird daraus klar her-
vorgehen, dass von allen dem, was Plinius sagt, Nichts
auf dem See von Nicäa anwendbar ist. Damm wollen wir
den See, wovon Plinius spricht, aufsuchen, und wir
werden denselben ohne Schwierigkeit in der Nähe von
Nicomedien mit allen den örtlichen Umständen der Brie-
fe genau zusammenstimmend finden *). Hören wir also
*) Was die Absurdität betrifft, von der Vereinigung des Sees von
Nicäa mit dem Meerbusen von Nicomedien, welche von einan-
der durch eine hohe Bergkette getrennt sind, über die der kür-
zeste Weg 11 bis 12 Stunden beträgt, so ist diese Absurdität
so gross und auffallend, dass sie jedem, der nur die Karten an-
schaut, in die Augen springt, und die Führung eines Canals
über dieses Gebirg wäre gerade eben so ausführbar gewesen,
als die Übertragung zu Lande der Belagerungsſlotte der Kreutz-
fahrer bis an den See von Nicäa , wenn Civitot (wie die Karten
von Michaud und Haken es angeben) am astakenischen Meerbu-
sen, statt am askanischen gelegen gewesen wäre. Wenn die Rei-
sebeschreiber wenigstens von einer Vereinigung des Sees von
Nicäa mit dem Meerbusen von Modania (die aber ohne diess,
wenn gleich nicht schiffbar, besteht) gesprochen hätten, so wä-
ren sie zu entschuldigen gewesen, Aber wie kounten die Kreutz-
R
A
15o
den römischen Statthalter Bithyniens mit seinen eigenen
Worten: -
Plinius macht dem Kaiser den Vorschlag, einen Ver-
bindungscanal zwischen dem Meere und einem grossen
in der Nachbarschaft gelegenen See zu eröffnen. Ehe er
die Ausführung dieser Unternehmung versuchen will,
hält er es für nothwendig, den Grund mit der Wasser-
wage abzumessen, um sich nicht der Gefahr auszusetzen,
dass der See ganz in das Meer ausfliesse. Es wird nicht
nöthig seyn , sagt er. den Canal in der ganzen Strecke
vom Ufer des Sees bis an das des Meeres zu führen, weil
es genug seyn wird, denselben mit einem Flusse in Ver-
bindung zu setzen, den er auf dem Wege antreffen wird,
und der in's Meer geht; und was die Arbeit ungemein
erleichtern wird, ist ein alter Graben, von den bithy-
mischen Königen angelegt, sey es, um den benachbar-
ten Feldern die überflüssige Feuchtigkeit zu entziehen,
sey es in der nähmlichen Absicht, den See mit dem
Flusse zu vereinigen.
fahrer achtzehn Stunden lang auf der gewöhnlichen Strasse von
Nicäa nach Nicomedien über das Gebirg, das diese beyden
Städte, und die Meerbusen, an denen sie liegen, trennt, die
Schiffe ziehen ? wie konnte man von einer Vereinigung des Sees
von Nicäa mit dem Meerbusen von Nicomedien sprechen? Ähnliche
Irrthümer gibt es noch viele in der Geographie zu berichtigen,
und sie können nur durch Reisende berichtiget werden, die lie-
ber mit ihren eigenen Augen prüfen, als mit fremden ohne Prü-
fung sehen wollen.
*) C. Plinius Traiano Imp. S.
Intuentimihi et fortunae tuae et animi magnitudinem, con-
venientissimum videtur, demonstrare opera non minus aeterni-
tate tua , quam gloria digna, quantumque pulchritudinis, tan-
tum utilitatis habitura. Estin Nicomedensium finibus anplissi-
131
Da aber der Kaiser wider die unmittelbare Verbin-
dung des Sees mit dem Flusse den Einwurf der Furcht
macht, dass der See nicht ganz abfliesse, so schlägt Pli-
nius einen Canal in gerader Linie, bis auf eine kleine
Entfernung vom Flusse, vor, so dass man die Ladung
der auf dem Flusse angekommenen Schiffe mit geringer
Mühe über die kleine, zwischen dem Fluss und dem
Canal stehen gebliebene Erdzunge von jenem in diesen
hinüber schaffen könnte. Übrigens hofft Plinius nicht,
zu diesem Mittel Zuflucht nehmen zu dürfen, weil der
See Überfluss an Wasser habe, und aller Übe, fluss ge-
rade nach der entgegengesetzten Seite abgehe. Würde
jener Ausleiter (Emissaire) verdämmt, und das bisher
wo anders hin abgeflossene Wasser in den Fluss gelei-
tet, so würde das Wasser dieses natürlichen Überschus-
ses um so mehr zum vorgeschlagenen Canale hinreichen,
als dasselbe auf dem Wege selbst durch hineingeleitete
Bäche vermehrt werden könnte. Ubrigens glaubt er (hier-
mus lacus; per hunc marmora, fructus, ligna , materia, et sum-
tu modico et labore, usque ad viam navibus, inde, magnola-
bore , majore impedio, vehiculis ad mare devehuntur. Sed hoc
opus multas manus poscit , at hae pro re non des unt. Nam
et in agris magna copia est hominum, et maxima in civitate :
certaque spes omnes libentissime adgressuros opus omnibus fruc-
tuosum. Superest, ut tu libratoren ve! architectum, sitibi vi-
debitur, mittas, qui diligenter exploret, sitne lacus altior mari,
quem artifices regionis hujus quadraginta cubitis altiorem esse
contendunt. Ego per eadem loca invenio fössam a rege percus-
sam: sed incertum, utrum ad colligendum humorem circumja-
centium agrorum, an ad comunittendum flumini lacum; est enim
imperfecta: hoc quoque dubium, intercepto rege mortalitate, an
desperato operis effectu. Sed hoc ipso (fères enim ne ambitio-
sum) pro tua gloria incitor et accendor, ut cupiam peragi ute,
guaetantum coeperant reges. -
R 2.
13a
im freylich irrig), dass, wenm der Camal im's Meer aus-
flösse, der Amdrang der Meeresfluth das aus dem See
fliessemde Wasser aufhaltem , umd dasselbe vielmehr im
dem See zurückdrängem werde *).
Was vom alle dem kömnte wohl auf dem See vom Ni-
cäa amgewemdet werdem ? Wir haben gesehem, dass der
Überfluss seiner Wässer durch einem kleinem Bach wirk-
lich in's Meer abfliesst , umd micht im eimer, wie Plinius
sagt, dem Meere entgegemgesetztem Richtumg. Wo war
die Nothwemdigkeit , eimem Camal gegem das Meer zu öff-
nem, wemm derselbe schom wirklich bestamd? Aus dem
*) C. Plinius Traiano Imp. S.
Tu quidem, Domine, providentissime vereris, ne commissus
flumini, atque ita mari, lacus effluat : sed ego in re praesenti
invenisse videor, quemadmodum huic periculo occurrerem, Pot-
est enim lacus fossa usque ad flumen adduci, nec tamen in flu-
men emitti, sed relicto quasi margine contineri pariter et dirimi:
sio consequemur, ut nec vicino videatur flumini mixtus, et sit
perinde ac si misceatur. Erit enim facile per illam brevissimam
terram , quae interiacebit , advecta fossa onera transponere in
flumen. Quod ita fiet, si necessitas coget; et, spero, non coget. Est
enim et lacus ipse altus , et nunc in contrariam partem flumen
emittit; quod interclusum inde, et quo volumus aversum, sine
ullo detrimento, lacui tantum aquae, quantum nunc portat ad-
fundet. Praeterea per id spatium, per quod fossa facienda est,
incidunt rivi : qui si diligenter colligantur, augebunt illud, quod
lacus dederit. Enim vero si placeat fossam longius ducere, et
arcius pressum mari aequare, nec in flumen, sed in ipsum ma-
re emittere, repercussus maris servabit et reprimet quidquid a
lacu veniet. Quorum si nihil nobis loci natura praestaret, expe-
ditum tamen erat , cataractis aquae cursum temperare. }'erum
et haec et alia multo sagatius conquiret, explorabitque librator,
quem plane, Domine, debes mittere , ut polliceris. Est enim res
digna et magnitudine tua et cura. Ego interim Calpurnio Mar-
eo, clarissimo viro , auctore te , scripsi, ut librato rem quams
maxime idoneum mitteret.
133
See des Plinius floss ein Fluss in einer dem Meere ent-
gegengesetzten Richtung; aus dem See von Nicäa fliesst
aber, ausser dem erwähnten Ableiter, kein Wasser aus,
sondern auf dem, dem Meere entgegengesetzten Ufer,
an dem wir von Nicäa her vorbey zogen, fliessen die
Bergwässer in den See. Endlich war noch ein anderer
Fluss da, der gegen das Meer floss, und mit welchem
die Verbindung durch den Canal mit dem See hergestellt
werden sollte, sey es unmittelbar, sey es durch eine
schmale Erdzunge, die zwischen dem Fluss und Ca-
mal stehen geblieben wäre. Aber zwischen dem See von
Nicäa und dem Meere gibt es keinem andern Fluss, ja,
was noch mehr ist, konnte hier niemahls ein Fluss (aus-
ser dem Ableiter) seinen Lauf genommen haben, indem
der Grund der Thalschlucht, die gegen das Meer hin-
ausläuft, so enge ist, dass im Thalwege kaum für den
Wasserfaden Platz ist, der den Überschuss des Sees
abführt.
»Estin Nicomedensium finibus lacus amplissimus. Es liegt
an den Gränzen der Nicomedier ein sehr grosser See." An den
Gränzen der Nicomedier, und nicht im Mittelpuncte
des Gebieths von Nicäa unmittelbar vor dieser Stadt.
Warum , wenn Plinius vom See von Nicäa hätte spre-
chem wollen, warum hätte er demselben nicht mit seinem
gewöhnlichen Nahmen, Ascanius, genannt?
„Ad committendum flumini lacum. Um den See mit dem
Flusse zu verbinden." Mit welchem Flusse ? es gibt keinen,
wie wir gesehen, zwischen Nicäa und dem Meere, in
das nur der Ableiter durch die Schlucht abfliesst.
»Est enim lacus ipse satis altus, et nunc in contrariam
134
partem flumen emittit. Denn der See selbst ist hoch genug
gelegen, und sendet in entgegengesetzter Richtung einen
Fluss aus.“ Der See von Nicäa hat keinen andern Abfluss
als den erst erwähnten; er ist überall (die Meerseite aus-
genommen) vom hohen Bergen umgeben, die ihre Was-
ser dahin abliefern. Sie begränzen denselben der Länge
nach wie Felsenwälle, und laufen an dem östlichen und
westlichen Erde in ein Amphitheater aus. Auf der West-
seite fliesst der Ableiter ab, und auf der Ostseite flies-
sen alle Bergbäche hinein; der See könnte daher auch
nie einen Ableiter nach einer andern Seite haben, weil
das VWasser bergan geflossen seyn müsste.
Nachdem auf diese Art augenscheinlich dargethan
worden, dass Plinius nichts vom See zu Nicäa gespro-
chen haben konnte, so bleibt noch zu untersuchen übrig,
welcher denn der See sey, auf den alle diese örtlichen
Umstände anwendbar sind, und wir finden denselben im
See von Sabandscha *), den er mit dem Meerbusen von
Nicomedien verbinden wollte.
„Estin Nicomediensium finibus amplissimus lacus. Es liegt
an den Gränzen der Nicomedier ein sehr grosser See." Der See
von Sabandscha ist nur eine halbe Tagreise von Nico-
medien entfernt, was eher den Gränzen der Nicomedier
(in finibus) zusagt, als der See von Nicäa, welcher andert-
*) Der See von Sabandscha hat in der Länge 15 Miglien, die
Strasse geht hart an demselben durch den dichten Wald Baum-
meer genannt, und eine halbe Meile lang, sogar im See, so
dass das Wasser hoch an den Steigbügel reicht. Die Entfernung
dieses Sees vom Meerbusen von Nicomedien ist eine halbe Tag-
reise - und auf der Ostseite ist der Fluss Sakaria das Dritttheil
einer Tagreise entfernt. Dschihannuma, S. 666.
135
halb Tagreisen von Nicomedia entfernt ist. Amplissimus,
sehr gross, indem er 15 Meilen in der Länge hat.
»Nam et in agris magna copia est hominum et maxima
in civitate. Denn auf den Feldern ist grosse Menschenmenge,
und die grösste in der Stadt." Nähmlich zu Nicomedia,
wo Plinius als Statthalter residirte. Wie wären denn
den Bewohnern dieser Stadt die Arbeiten des Canals zur
Hand gelegen gewesen, wenn es sich um den See von
Nicäa gehandelt hätte?
»Ego per eadem loca imoenio fossam a Rege percussam ,
an ad committendum flumini lacum. Ich finde auf derselben
Strecke einen von einem Könige geführten Graben, vielleicht,
um den See mit dem Flusse zu vereinigen.“ Da wir über
Nicomedien nicht gegen die Strasse von Sabandscha hin-
ausgekommen, so konnten wir nicht bewähren, ob die
Spuren dieses alten Grabens noch heute sichtbar seyen;
aber im Grunde des Busens fanden wir den Fluss, der
mit dem See in Verbindung gebracht werden sollte. Die-
ser ist das Kirschenwasser, das von Südosten kommt,
und das wir mittelst der Brücke übersetzten. Da der See
Sabandscha östlich vom Meere liegt, so würde ein Ca-
mal, von Nordosten nach Südosten geführt, gerade auf
den Fluss getroffen, und dadurch die gerade Führung
des Canals vom See bis zum Meere erspart haben.
„Potest enim lacus fossa usque adflumen adduci, necta-
men in flumen emmitti, sed relicto quasi margine contineri
pariter et dirimi. Denn der See kann durch den Graben bis
zu dem Flusse geführt - und doch nicht in denselben einge-
lassen, sondern durch einen Rand (Erdzunge) zusammen
gehalten und vom Flusse getrennt werden.“ Nichts stand der
136
Ausführung dieses Vorschlags entgegen, denn das Land
gab Raum genug, um den Canal entweder bis zum Flusse,
oder nur bis auf eine kleine Entfernung von seinem Ufer
zu führen.
„Et nunc in contrariam partem flumen emmittit. Er sen-
det nun in einer entgegengesetzten Richtung einen Fluss aus."
Ungeachtet alles Nachfragens über diesen Ableiter des
Sees konnte von uns nichts anders erhoben werden, als
dass der See einen Ableiter habe; nach welcher Rich-
tung derselbe aber fliesse, bleibt künftigen Reisenden
zu bestimmen übrig. Dass derselbe in einer dem Meer-
busen von Nicomedien entgegengesetzten Richtung ab-
fliesse, ist gewiss, und dass er nicht in den Sakaria (San-
garis) falle, wird aus dem weiter unten folgenden Be»
richte der türkischen Feldmesser klar.
»Enim vero si placeat fossam longius ducere , nec in flu-
men, scd in ipsum mare emmitteret. Wollte man den Canal
weiter führen, so Jösse das Wasser nicht in den Fluss, son-
dern in das Meer.“ Da den Meerbusen von Nicomedien
landeinwärts eine geraume Ebene, und nicht wie den
von Nicäa eine enge Bergschlucht aufnimmt, so war
keine Schwierigkeit vorhanden, dem Canal, wenn man
wollte, gerade bis an's Meer fortzuführen, ohne densel-
ben in den Fluss zu leiten. Derselbe würde alsdann,
statt sich mit dem Flusse zu vereinigen, längs demsel-
ben hergelaufen seyn, und neben demselben im Meerbu-
sengemündet haben. Der Fluss und der Canal, jener von
»Südosten und dieser von Osten herkommend, würden in
zwey sich unter einem spitzen Winkel zusammenlaufen-
der Linie einander genähert haben, was in der engen
- 137
Bergschlucht bey Kemlik, wo nur für den Ableiter kaum
Raum genug, vollends unmöglich gewesen wäre. So ist
es denn durch den Augenschein der Örtlichkeit erwie-
sen, dass der See des Plinius unmöglich der von Nicäa
seyn konnte, sondern der See von Sabamdscha war es,
der mit dem Meerbusen von Nicomedien verbunden wer-
den sollte.
Eine Unternehmung, viel grösser, weit aussehender
und viel folgereicher als die von den Königen Bithy-
niems und dem römischen Statthalter in Vorschlag ge-
brachte Vereinigung des nicomedischen Meerbusens mit
dem See von Sabandscha, ist in der Geschichte des os-
manischen Reichs, die in dem Zwischenraume von drey
Jahrhunderten zwey Mahl im Vorschlag gebrachte, zwey
Mahl als ausführbar bewiesene, und dennoch zwey Mahl
hintertriebene Vereinigung des Sees Sabandscha, micht
nur mit dem nicomedischen Meerbusen gegen Westen,
sondern auch mit dem Flusse Sakaria gegen Osten, und
mittelst dieser Vereinigung die Herstellung einer inlän-
dischen Wasserverbindung des weissen mit dem schwar-
zen Meere. Dieser grosse und leicht auszuführende Ge-
danke, dem bisher nur die natürliche Trägheit und Sorg-
losigkeit türkischer Regierung entgegen stand, ist für
die hydraulische Kenntniss des umliegenden Landes und
für die inländische Schifffahrt der Gegend zwischen der
Mündung des Sakaria (Sangaris) und dem nicomedischen
Meerbusen zu wichtig und merkwürdig, als dass wir
nicht einen Augenblick bey der geschichtlichen Erinne-
rung derselben verweilen, und den schon durch verflos- -
sene Jahrhunderte schläfrigen Regierungen gegebene"
S
138 -
Fingerzeig nicht für künftige Zeiten zum Nutzen kom-
mender Geschlechter hier verfolgen sollten.
Ostwärts von Nicomedien, in der Entfernung von
zwey geographischen Meilen, liegt der See von Saband-
scha, 15 Meilen im Umfang, und hinter demselben, um
die Hälfte näher, als der Meerbusen von Nicomedien,
strömt der Sakaria, oder Sangaris der Alten, dem schwar-
zen Meere zu. Weder Berg noch felsiger Grund dämmt
auf der Strecke vom See zum Meerbusen unübersteig-
bares Hinderniss entgegen, der natürliche Abfall auf der
ganzen Linie von 72oo Klaftern beträgt deren zehen,
und die Unebenheit des Grundes erfordert überall nicht
mehr als die Abgrabung von ein Paar Klaftern Erdreichs,
um damit den tiefer liegenden Grund auszufüllen.
Noch mindere Schwierigkeit steht der Herstellung
der Verbindung des Sees mit dem Sakaria entgegen, de-
ren Entfernung von einander nur 16oo Klafter beträgt.
Das Ufer des Sangaris ist zwar ein Paar Klafter hoch,
senkt sich aber bald wieder, und schon in der Entfer-
nung von nicht ganz zwey tausend Klaftern trifft die Ver-
einigungslinie des Camals auf das Flüsschen Saridere,
das in derselben Richtung dem See zuläuft, und dessen
Rinnsal nur etwas erweitert und vertieft werden dürfte,
um die inländische Wasserstrasse von einem Meere zum
andern mit geringen Kosten und ohne Beeinträchtigung
der Individuen zum allgemeinen Besten herzustellen.
Ausser dem Nutzen der inländischen Schifffahrt könnten
am See von Sabandscha die Schiffswerften des Reichs an-
gelegt, und die ungeheueren Wälder der Gegend zum
grössten Vortheil des Schiffbaues gelichtet werden,
139
Diesen Vorschlag machte schon i. J. 909 der Hed-
schira (1503) unter Sultan Bajasid's I. Regierung der
Gross – Admiral Sinan Pascha, der Eroberer von Tripo-
lis. Das Gutachten der Erd- und Wassermesser, der Ar-
chitekten und Astronomen erwies, laut vorgenommener
Messung der Wasserfläche und Erdhöhe, die Ausführ-
barkeit des Vorschlages, welcher dennoch (wie es im
Dschihannüma ausdrücklich gesagt wird), durch Beste-
chung hintertrieben ward *).
Dritthalb hundert Jahre später, im Jahr d. H. (11/2)
erneuerte der grosse Grosswesir Raghib denselben Vor-
schlag gleich zu Anfang der Regierung Sultan Mu-
stafa's III., um das Murren des Volkes zu stillen und
die unzufrieden aufgelegten Gemüther durch eine grosse
gemeinnützige Unternehmung zu besänftigen.
Die Ernte war fehlgeschlagen und die Zufuhr des -
Getreides war von den Stürmen des schwarzen Meeres
verschlungen worden. Mehr als zwey hundert Korn-
schiffe hatten zur Zeit der Herbst-Tag- und Nachtgleiche
an der felsigen Mündung des Bosphoros gescheitert. Die
Theurung des Brotes war ungeheuer, oder vielmehr man
fand gar keines. Der Sultan und sein weiser Minister,
welche die Erneuerung der noch frisch im Gedächtniss
schwebenden Aufruhrsscenen des Thronsturzes Ah-
med III. fürchteten, brachten den Vorschlag des Canals
auf das Tapet, durch dessen Ausführung die Getreide-
zufuhr gesichert und forthin micht mehr den Stürmen des
schwarzen Meeres preisgegeben würde. Zugleich war
*) Siehe die oberstes des Vortrags in der rückwärts folgenden
Beylage. -
S 2
14o
die Ergreifung dieses Unternehmens der schönste Vor-
wand für den Augenblick, Geld unter das Volk zu brin-
gen, die murrenden Milizen und Innungen der Haupt-
stadt zu beschäftigen. Alle militärischen und bürgerli-
chen Vereine wurden aufgebothen, Mann für Mann den
Rollen eingeschrieben, um an dem Canalbau zu arbei-
ten und für die Reisekosten im voraus mit Handgeld ver-
sehen. Der damahls zu Constantinopel in französischen
Diensten angestellte Baron Tott erhielt den Auftrag, sich
auf der Stelle nach Nicomedien zu begeben, und die
Leitung der Arbeiten des Canalbaues zu übernehmen.
Der augenblickliche Zweck, den sich das Ministerium
vorgesetzt, wurde erreicht, die Masse des Volkes, be-
zahlt und in der Hoffnung beschäftigt, blieb ruhig.
Unterdessen kamen Kornladungen aus der Krim an,
die Theurung verschwand und mit derselben der Canal-
bau, der nur noch in der Reichsgeschichte dieser Zeit
eine pomphafte Rolle spielt *).
Sonderbar ist, dass noch zwey andere grosse hydrau-
lische Unternehmungen von zu verbindenden Meeren -
deren die osmanische Geschichte erwähnt, fast im diesel-
ben früheren und späteren Zeiten fallen, als die oben
erwähnte, zwey Mahl in Vorschlag gebrachte, Vereini-
gung des schwarzen und weissen Meeres.
Unter Selims II. Regierung im Jahre 975 (1567)
brachte Mohammed Sokolli, der Eroberer von Siget, ei-
*) Memoires du Baron de Tott. Amsterdam 1785. I. p. 97. was
er erzählt, bestätigte uns ein Augenzeuge, der selige Tooke,
der verdienstvolle Agent der ostindischen Gesellschaft in Con-
stantinopel; den officiellen Bericht des Reichslistoriographen
siehe in der Beylage.
141
ner der grössten Grosswesire des osmanischen Reichs,
der unter drey Sultanen (Suleiman, Selim II. und Mu-
rad III.) die höchste Würde begleitet hatte, die Vereini-
gung des schwarzen Meeres mit dem kaspischen, mittelst
eines zwischen dem Dnieper und der Wolga nur sechs
Meilen lang zu grabenden Canals, in Vorschlag, und
legte auch sogleich Hand daran. Die ganze Bevölkerung
der Landschaft Kºfa in der Krim wurde mit Hauen und
Spaten aufgebothen, die nöthigen Werkzeuge und Le-
bensmittel herbeygeschafft. Sie zogen über Astrakan hin-
aus, und 30,ooo noghaische Tataren gesellten sich zu
ihnen, und ein Drittel dieses Canals wurde wirklich ge-
graben. Die Furcht aber vor der Kälte des Winters,
und noch mehr die Furcht der Tataren, dass durch
diese Verbindung den Osmanen der Weg zur weiteren
Eroberung ihrer Steppen gebahnt würde, zerstreuten
die Arbeiter eben so schnell, als sie gesammelt worden
waren, und der Sultan verhielt den Grosswesir zum Er-
satze der verursachten Kosten *).
Der zweyte Vorschlag von der Vereinigung des mit-
telländischen Meeres mit dem rothen, durch die Abgra-
bung der Meerenge von Sues, war nur ein Scheinwol-
len Sultan Mustafa's, wie jener Canalbau von Nicome-
dien, und blieb, wie jener, auf dem Papiere unter den
Planen Tott's **). So blieb denn, was Selim, Murad und
Mustafa wünschten, aber nicht ernstlich wollten, die
Vereinigung von vier Meeren, des kaspischen (welches
*) In der osmanischen Geschichte Betschewi's, d. i. des Fünf-
kirchner, eines gebormen Ungars.
**) Memoires du Baron de Tott. III. p. 15o.
142
die Morgenländer das blaue, wie das mittelländische
das weisse nennen) mit dem schwarzen, des schwarzen
durch einen inländischen Helespont mit dem weissen --
und dieses mittelst eines nach Sues geführten Camals mit
dem rothen Meere dem hohen Muthe und kräftigen Wol-
len künftiger Regierungen und Völker vorbehalten.
- VII.
Nicomedia und die Ufer des Meerbusens.
Wenn uns die Geschichte des Camals vor dem Thoren
Nicomedia's, wie die der Belagerung vor denen Nicäa's
einige Zeit aufgehalten, so betreten wir dem durch clas-
sische Erinnerungen geheiligten Grund nun mit so grös-
serer Wärme und Vorliebe. Nicomedia, von den Türken
heute Isnikmid (wie Nicäa Isnik) genannt, auf einem Berg-
abhange gelegen, stellt ein zauberisches Gemählde dar.
Auf dem Gipfel erblickt man dem Rest der Mauern des
alten Nicomedia's (nicht des alten Olbia's, wie einige
Reisebeschreiber geglaubt, indem dieses gerade gegen-
über an dem südlichen, wie Nicomedien hier an dem
nördlichem Winkel des Busems stand). Wir erklimmten
die Höhe und nahmen unsern Rückweg durch das Ol-
venviertel der Stadt, um die Reste der grossen, von Po-
coke beschriebenen Cisterne von Imbaba zu sehen. Zur
Zeit ihres Flors unter der Herrschaft der Osmanen zähl-
te Isnikmid drey und zwanzig Viertel, wovon drey von
143
Christen, eines von Juden und neunzehn von Moslimen
bewohnt waren.
Die älteste Moschee ist die auf dem Marktplatze, die
ehemahlige griechische Kirche, welche Sultan Orchan
bey der Eroberung in eine Moschee verwandelte. Die
schönste, die Perteupascha's , hart am Meere, von einem
Wesire Suleiman's des Grossen, während der sieben
Jahre, die er als Statthalter in Nicomedien zubrachte,
erbaut. Sie ist ganz im grossen Style, zur Zeit des gröss-
ten Herrschers des osmanischen Reichs vom grössten Ar-
chitekten desselben, von Sinan erbaut, der gleichzeitig
hier auch den Bau der Moscheen dreyer Bege (nähmlich
Mohammedbeg's - Alaeddinbegs und Abdosselambeg's), des
schönen Bades Rostem Pascha's - und des grossen Kara-
wanserais Perteupascha's leitete. Da uns der Eingang in
die Moschee verwehrt war, hatten wir so mehr Musse,
den Bau des herrlichen Karawanserai's, worin wir das
Nachtlager genommen, zu bewundern. Alles fester Stein,
und die Stätten der Reisenden auf der, ein Stockwerk
hoch, offen herumlaufenden Gallerie wie Logen, die
keine Zwischenräume trennt. Siebzig Reisende, oder
vielleicht eben so viele reisende Familien, haben hier
ihrem durch eben so viele steinerne Nischen bezeichneten
besonderen Feuerherd. In der Mitte des Karawanserai,
das auch hier, wie überall in den grossen türkischen
Städten, Chan genannt wird, ist ein kleiner abgesonder-
ter Köschk, wo wir, da er von vornehmen türkischen
Reisenden unbesetzt war, unser Lager aufschlugen. Das
ganze ist mit Bley gedeckt; die Chane sind so zahlrei-
cher, fester und bequemer gebaut, als die Stadt der
14
erste oder letzte grosse Rastort auf der östlichen Strasse
von oder nach Constantinopel ist, und nicht wie andere
grosse Handels- oder Stapelstädte kein besonderes Bese-
stan oder gedeckten Waarenmarkt hat. Dafür sind aber
am Ufer des Meeres grosse Niederlagen für das Schiff-
bauholz angelegt, das aus den Wäldern des Argantho-
nios und aus denen des Baummeeres auf dem Wege nach
dem See von Sabandscha gefällt und behauen wird, und
dessen wohlfeile Lieferung einer der grössten Vortheile
der Verbindung des Sees von Sabandscha mit dem nico-
medischen Meerbusen wäre. Das kaiserliche Arsenal,
das hier stand, so wie der schöne, von Murad IV. am-
gelegte Pallast, sind ein Raub der Zeit und zahlreicher
Feuersbrünste geworden. An den Gärten desselben,
welche mit denen von demselben Sultane zu Skutarian-
gelegten an Schönheit wetteiferten, waren zwey hundert
Bostandschi mit ihrem Officiere, Usta, d. i. Meister, ge-
nannt, angestellt. Heute ist von den Pallästen Murad IV.
zu Isnikmid und Iskudar keine Spur mehr, wohl aber
das Andenken an diesen kriegerischen Herrscher übrig,
dessen Eroberungsgeist, stets gegen Persien gekehrt, in
Skutari, als dem Aufbruchshaven, und in Nicomedia , als
der ersten grossen Stadt auf dem Wege nach Osten,
Palläste und Gärten schuf, um durch seine nächste Ge-
genwart dem Marsch der hier durchziehenden Heere zu
beſeuern.
In der ältesten Zeit die Residenz der bithynischen
Könige war Nicomedia auch später die der byzantini-
schen Kaiser. Constantin, so wie Justinian der Grosse
14 O
schmückten dieselbe mit Palästen aus, welche durch
zahlreiche Erdbeben bald im Schutt versanken.
Der erste endete in der Nähe Nicomediens sein tha-
tenvolles Leben. Hier war es auch, wo der Wüthrich
Valens im Jahre 37o eine Gesandtschaft von achtzig
rechtgläubigen Bischöfen empfing, die er statt aller Ant-
wort, mit dem Schiffe, worauf sie sich befanden, ver-
brennen liess, so dass das Schiff mit seinen Schlacht-
opfern von den Flammen und Winden weit hinaus in
das Meer bis gegen Dakison (das heutige Gebise) getrie-
ben ward, bis die Fluth die Asche der Märtyrer kühlte *).
Die Kommenen residirten wechselsweise zu Nicäa und
Nicomedien nach der Eroberung Constantinopels durch
die Franken, so wie vor der Eroberung desselben durch
die Osmanen, die ersten Sultane derselben. Hier wurde
der byzantinische Feldherr Muzelon zu Anfang des vier-
zehnten Jahrhunderts (27. July 13o2) unter der Regie-
rung des ältern Andronicus geschlagen "), und acht
und zwanzig Jahre später, unter der Regierung des
jüngern Andronicus, erlag Nicomedien im selben Jahre
wie Nicäa (133o) ***) den siegreichen Waffen Sultan
Orchan's, der seinem Sohne Suleiman Pascha die Statt-
halterschaft übertrug. Sie ward in der Folge bey der
*) Theophanes editio Lutet. p. 5o.
*) Pachymeres IV. p. 25.
*) Nach Hadschi Chalfa Edris setzt die Eroberung zwey Jahre
später an; eiue für die Verstümmelung griechischer Nahmen im
Sinne türkischer Worte chrakteristische Sage leitet den Nah-
men Isnikmid davon ab, dass Sultan Orch an dem Kodschabeg
die Erlaubniss, wider diese Stadt auszuziehen, mit den Worten
ertheilte: 1snim war git, d. i. Meine Erlaubniss hast du ; geh?
T
146
unter Sultan Mohammed II. angestellten Landesbeschrei-
bung der Hauptort des Sandschak's Kodscha Ili, das sei-
nen Nahmen von Aktsche Kodscha , d. i. Silbergreis, einem
der Siegesgefährten Sultan Osman's, erhielt.
Die Sandschake vom Kodscha Ili und Sighla , deren
Hauptorte die zwey Hafenstädte Nicomedien und Smyrna
sind, sammt dem von Bigha, das den classischen Boden
von Cyzikus bis Troja umschliesst, gehörten nach der
alten Eintheilung des Reichs dem Kapudan Pascha zum
Unterhalt des Seewesens, und zu Smyrna sowohl als auf
Cyzikus und zu Nicomedien waren Magazine für Schiff-
bau- Materialien und Schiffwerften. Nach dem Kanun-
name Sultan Suleiman's betrugen die Einkünfte des Sand-
schaks vom Nicomedien, das gewöhnlich Paschen von
zwey und drey Rossschweifen als Arpalik, d. i. Zuschuss
ihres Einkommens verliehen ward, 26526 Aspern. Von
demselben hangen 25 grosse Lehen (Siamet) und 187
kleine (Timar) ab. Der Richter ist mit 3oo Aspern ange-
stellt. Im Durchschnitt dürfen die Einkünfte des Rich-
ters auf fünftausend Piaster, die des Begs auf das Fünf-
fache dieser Summe angeschlagen werden. Die Obrig-
keiten sind die Bestellten der Janitscharen und Sipahi,
nähmlich der Jenitscher Serdari und Sipah Kajajeri. Die
Officiere der Lehenstruppen, der Oberste und sein Stell-
vertreter, d. i. der Alaibeg und Tscheribaschi, und die
beyden Würden des Gesetzes der Mufti und Nakibole-
schraf oder Vorsteher der Emire. Das Militär besteht
meistens nur aus in die Ruhe versetzten Janitscharen
(Oturak), Waldübergehern (Kurudschi) und einigen Bos-
14
tandschi, welche die Überreste der Gartenwachen
ehemahligen kaiserlichen Gärten zu seyn scheinen. So
lange diese blühten, war Nicomedien auch überhaupt
durch seine Gärten berühmt, und noch stehen seine weis-- *
sen Kirschen und rothen Äpfel im Rufe vorzüglicher
Güte. Als Wallfahrtsort ist die Grabstätte Scheichsade
Mohammed Efendis , eines Scheichs, aus dem Orden
der Chalveti, auf der Westseite der Stadt merkwürdig.
So hat sich heute in der alten Residenz der Könige Bi-
thyniens und der römischen Statthalter, wo Plinius leb-
te und Constantin starb, wo die Kommenen und die Sul-
tane der Osmanen thronten, nur das Andenken eines
Derwisches im Angedenken des Volkes erhalten.
Da Nicomedien weiter nichts Merkwürdiges darbie-
thet, unsere Aufmerksamkeit zu verweilen, so wollen
wir dieselbe nun ganz den Küsten des Meerbusens, und
zwar mit so grösserer Sorgfalt zuwenden, je mehr die
genaue Ortsbeschreibung derselben (ungeachtet der mäch-
sten Nachbarschaft von Constantinopel) bisher im Reise-
beschreibungen und auf Landkarten vernachlässiget wor-
den ist. Längs der nördlichen Küste führt die Landstrasse
nach Constantinopel zurück; aber auch die südliche, der
entlang wir nicht gekommen sind, soll nach dem ver-
lässlichsten hier, und aus türkischen Erd- und Reisebe-
schreibungen, eingehohlten Angaben beschrieben werden.
Der Meerbusen , ehemahls von der alten Stadt Asta-
kus, der astakenische, und heute von Isnikmid genennt,
ist, wenn man denselben auf der Karte betrachtet,
gleichsam ein doppelter, indem er zuerst nur schmahl
T 2
148
sich öffnet, dann sich auf ein Mahl sehr verengt, und
dann wieder bis ans Ende auf beyden Seiten sehr weit aus
einander läuft. Die beyden äussersten Vorgebirge, welche
denselben begränzen, sind: das vom Laternengarten (Fa-
nar bagdschessi, bey Ptolomaeus Akritas, bey Plinius Leuka-
tes, in der Nähe von Skutari, zugleich das Ende der asiati-
schen Küste des Bosphorus dann Bosburun (ehemahls Po-
sidonium)*), das Ende der südlichen Küste des Meerbu-
sens. Die beyden mittleren Puncte der beyden Küsten, wo
sie am engstem zusammenlaufen, und wo Reisende, wel-
che nicht nach Nicomedien, sondern gerade nach Nicäa
wollen, überfahren, sind auf der südlichen Küste der
Vorsprung von Hersek (das alte Pronectus), und auf der
nördlichen die Landzunge Dil, deren alter Nahme un-
bekannt. In den beyden landeinwärts gelegenen Win-
keln des Busens hatte am nordöstlichsten, wo heute Ka-
ramussal steht, das alte Olbia oder Astakus; und am süd-
östlichsten Winkel, an der Stelle von Isnikmid, das
alte Nicomedia gestanden. Nach diesen beyden, an den
beyden äussersten Landwinkeln des Meerbusens gelege-
nen Städten erhielt derselbe seinen Nahmen, so dass er
nach der ersten Astakus, in der älteren Zeit der astake-
nische, nach der zweyten, in der neuesten, der nicome-
dische oder der von Isnikmid genennt wird. Zwischen die-
sen beyden Städten, in der grössten Tiefe des Busens,
mündet der Fluss Kiras, den wir auf unserem Wege
mittelst Brücke übersetzten, und der also der mittelste
*) Man bemerke, wie auch hier der Türke die Sylbe Posi als An-
fang des Wortes in das türkische Bos, welches Eis bedeutet,
verwandelt hat.
149
Punct des Busens ist, von dem das Auge aber nur die
Küsten bis an die Puncte der grössten Enge, rechts bis
Dil, links bis Hersek, erblickt und durch dieselben den
Busen für geschlossen hält. Nach diesem Umrisse des
Meerbusens und seiner vorzüglichsten Gränzpuncte wol-
len wir den Periplus seiner Küste vom südlichsten bis
zum nördlichsten Ende beschreiben, indem wir vom
Vorgebirge Bosborun (Posidonium) ausgehen, die Küste
über Hersek (Pronectus) nach Karamussal, bis zur Mün-
dung des Flüsschens Kiras su in der Tiefe des Busens
verfolgen, dann von hier über das schon beschriebene
(Astakus gegenüber liegende) Nicomedia und die Land-
zunge Dil, unserm Weg bis zu dem nördlichsten Vorge-
birge und Ende des Busens Fanarbagdschessi(Akritas oder
Leukates) fortsetzen, und am Ende desselben, welches
zugleich den Meerbusen und den Bosphoros beschliesst,
auch die Beschreibung unseres Ausflugs von den Ufern
des Bosphoros nach Brussa , Nicäa und .Nicomedia be-
schliessen.
Bosborun, d. i. Eisgebirg (Posidonium), dem vom Fa-
narbagdschessi (Akritas) gegenüber gelegen, ist der äus-
serte Punct zweyer Meerbusen , nähmlich des kianischen
und astakenischen, oder wie sie heute heissen , der von
Modania und von Isnikmid (Nicomedia). Da das davon
Bekannte schon bey der Beschreibung des micäischen
Meerbusens gesagt worden - so ziehen wir sofort nach
dem der Mündung des Meerbusens am nächsten gelege-
nen Dorfe Samanli; ein Flecken mit einem Chane und
Bade , das um so wohlfeiler geheitzt werden kann, als
das meiste Holz für die Bäder Constantinopels, in dem
15o
Gebirge Sammanli geschlagen, hier geladen und mach
Constantinopel verführt wird. Der Weg vom Samanli
nach Nicäa geht über Kurla nach dem drey Stunden da-
von am Ufer des Sees gelegenen Basarkoi.
Weit merkmürdiger ist der weiter gegen Osten am
Ufer gelegene Ort Jalaikabad, gewöhnlich Kara Jalo-
vadsch genannt, welcher durch seine drey Stunden
davon gelegenen warmen Bäder und Heilquellen, bey
den Bewohnern von Bysanz, so wie bey denen von
Istambul bekannt, dennoch der Aufmerksamkeit der
neuern Reise – und Erdbeschreiber so sehr entgangen
isi , dass sie in demselben das alte Drepanum oder Suga,
(später nach den von Helene hier angelegten Gebäuden
auch Helenopolis geheissen und in der Geschichte der
Kreutzzüge häufig genannt), nicht gefunden haben *).
Der Ort selbst heisst Karai Jalowadsch; das Thal , wo
die Bäder, Jailakabad oder Jali owa. Diese Bäder ste-
hen noch heute, ungeachtet ihrer Nachbarschaft vom
Brussa , ihrer grösseren Nähe willen in grossem Anse-
hen bey dem Bewohnern Constantinopels, welche die-
selben im Sommer häufig besuchen, und hier im schat-
tigen Thale die vierzigtägige Badecur, oder auch bloss
*) In Mannerts Geographie der Griechen und Römer, VI. Theil
3. Heft S. 584 stehen diese Bäder als andere landeinwärts gele-
gene, die Paul Lukas beschrieben; doch führt Mannert selbst
ehrlich wider seine Meinung an, dass sie an der Küste lagen,
indem beym Ammianus, Marcellinus (XXVI. 8.) ein Feldherr
bey Drepanum, jetzt Helenopolis, landet, und von da aus Ni-
cäa überſallt; eine andere für die Lage von Helenopolis am
Meere beweisende, von Mannert nicht angeführte, Stelle findet
sich in der Comnena XY. pag. 463, wo gesagt wird, dass die
Kaiserinn zu Helenopolis gelandet habe.
151
ein Paar Wochen in der Kirschenzeit zur Erheiterung
zubringen. Die alten Kuppeln, welche die warmen Quel-
len decken, schreibt die Sage noch heute der griechi-
schen Kaiserinn Helene, welche die türkischem Geschicht-
und Reisebeschreiber Eline , die Tochter Janko's, nen-
nen, zu, die hier selbst vom Aussatze geheilt worden
seyn soll *); und noch sieht man Spuren anderer Ge-
bäude, vermuthlich der Spitäler und Palläste Constan-
tin's und Helenen's "). Historisch gewiss ist es, dass
Helene bey ihrer Rückkunft von Jerusalem den Flecken
Suga oder Drepananon mit Gebäuden verschönerte, und
dass Constantin denselben seiner Mutter zu Ehren unter
dem Nahmen Helenopolis zu einer Stadt erhob. Er selbst
besuchte die Heilquellen dieses Orts öfter gegen das En-
de seines Lebens, das er in Nicomedien beschloss ***).
*) Ewlia's Reisebeschreibung.
*) Procopius de aedificiis Y. 2. und Theophanes. Eodem anno
(327) Drepanum in honorem Luciani ibi Martyrii consummati
restaurans Helenopolim de matris nomino appellavit.
*) Malala XIII.
*) Da Helenopolis eine starke Tagreise von Nicäa liegt, so ist
klar, dass der auf dem Wege von Civitot (Kemlik) liegende
Wald, worin das Heer von Walther den Sarazenen begegnete,
nicht, wie in Wilken's Geschichte der Kreutzzüge I S. 95 ge-
sagt ist, 5ooo Schritte von hier beginnen konnte.
An diesem Irrthum ist Alexia Komnena Schuld, welche selbst die
Scene der ersten unglücklichen Schlacht verwechselt, indem sie
dieselbe auf dem Wege zwischen Helenopolis und Nicäa, statt
zwischen Civitot und Nicäa verlegt, und auch darin irrt, dass
sie Peter den Einsiedler zugegen seyn lässt, während alle andere
Geschichtschreiber der Kreutzzüge und Augenzeugen bey der Be-
lagerung Nicäa's ausdrücklich Civitot nennen, und die gehörige
Entfernung dieser Stadt vom See von Nicäa (7.ooo Schritte) au-
geben; Helenopolis liegt aber von Nicäa zehn gute Stunden
entfernt.
I O2
Hierher (nach Helenopolis) hatte sich das erste Heer
der Kreutzfahrer, von Peter dem Einsiedler und Wal-
ther dem Habenichts angeführt, von Nicäa zurückgezo-
gen, um die Verbindung mit der nördlichen Küste be-
quemer zu unterhalten, und von hier zogen auch die
nachfolgenden Verstärkungen der Kreutzfahrer zur Be-
lagerung Nicäa's aus.
In der Nähe von Helenopolis wurden die Gebeine
der erschlagenen Kreutzfahrer von den Sarazenen als
Thurm und Pyramiden aufgeschichtet; ein Denkmahl,
nicht an der Barbarey des Sinnes, wohl aber an Umfang
übertroffen von jenen späteren Gebeinthürmen, welche
Timur zu Samarkand und Issfahan vom 7o bis 8o,ooo Kö-
pfen erschlagener Feinde aufführte, und gegen welche
die Beinhäuser von Murten und an der Laa nur Karten-
häuser kriegspielender Kinder sind. Da diese Sitte, aus
den Gebeinen der Besiegten Trophäen zu errichten,
von je her die Sitte barbarischer Sieger im Orient war,
so ist diese von der Alerias Komnena erzählte Nachricht
der Natur der Sache angemessen und glaubwürdig; aber
unnatürlich und unglaublich ist, was sie zugleich von
der Barbarey der Kreutzfahrer erzählt, dass dieselben,
als sie in der Nähe des Schlachtfeldes, wo Walther der
Habenichts und die 25,ooo Mann seines Heeres fielen,
einen Ort mit Mauern umzingelten, die Schedel als
Bausteine gebrauchten, und zerstossene Gebeine dem
Mörtel beymischten, so dass der Wall zugleich Grab-
mahl den Todten und Schutzwehr den Lebendigen war;
eine Bauart, die an Barbarey die Festungsbauart der
Byzantiner freylich noch um Vieles übertrifft, indem hier
- 155
nur Altäre und Säulen, dort Schedel und Beine als Zin-
nen und Wartthürme von den Mauern herab drohten.
Zwischen Jalowa (Helenopolis) und der Landzunge
von Hersek (Pronectus) mündet der kleine Fluss Kirkget-
schid, d. i. die vierzig Fuhrten, dessen türkischer Nah-
men, wie ehemahls sein griechischer Drako, d. i. der
schlangenförmige, die zahlreichen Umschweife bezeich-
net, mit denen er sich durch das Gebirg in der Gegend
Nicäa's herab windet. Die Morgenländer, welche, wie
schon früher bemerkt worden, die Zahl 4o als eine be-
stimmte, statt einer unbestimmten, lieben, und daher
die Ruinen von Persepolis die 4o Säulen, wie die Quel-
len des Mänanders die 4o Quellen heissen , nennen auch
diesen Fluss die 4o Fuhrten, während Prokopius die
Hälfte dieser Zahl als historische Wahrheit angibt *).
*) Proxime urbem (Helenopolim) labitur fluvius, quem indigenae
ob ipsius formam draconem denominarunt. Etenim per anfrac-
tus errat sinuosos utroque versum et in se recurrit wortices vol-
vens, at multiplici flexu modo addexleram modo ad sinistram sese
contorquit prorsus ut iter illac facientibus vic i es et amplius ip-
sum transire necesse sit. Pro c opius de a e di fic iis. L. Y.
C. 2. Die hier angegebene Zahl von vicies et amplius stimmt
genau mit der Angabe neuer Reisenden überein, dass von Ni-
v cäa nach Nicomedien durch das Gebirg ein Flüsschen mit so
vielen Wendungen fliesst, dass man dasselbe vier und zwanzig
Mahl passiren muss; dasselbe Flüsschen heisst beym Ammianus
Marcellinus Gallus, in der Nähe von Nicäa, worunter er ver-
muthlich denselben Fluss und nicht den südlicheren, versteht.
Man denke einen Augenblick auf die Unternehmung der Belage-
rer von Nicäa, welche ihre Flotte 7ooo Schritte weit von Ci-
vitot bis zum See hinauf schleppten, und man muss die Idee,
dass Civitot bey Helenapolis gelegen gewesen, mit der Möglich-
keit dieser Operation auf die Eutfernung einer Tagreise über's
Gebirge sogleich aufgeben.
U
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Dieses Flüsschen bezeichnete die Gränzen des byzam-
tinischen Reiches gegen das der Seldschuken, als Alexius
Commemus, auf der Westseite des Reiches vom Norma-
nenfürsten Robert Guichard bedroht, auf der Ostseite mit
Suleiman, dem Fürsten der Seldschuken, Frieden zu
schliessen gezwungen ward, wodurch er ihm alle Er-
oberungen von Nicäa her bis an den Fluss Drako über-
liess, so dass von Nicomedien her nur die schmahle
Landzunge der Küste, deren Periplus wir beschrieben,
bis an die Mündung dieses Flusses unnmittelbar unter dem
heutigen Hersek vorbehalten blieb *).
-
*) Nach der Alexias Comnena stiessen die Kreutzf.hrer bey ihrer
ersten unglücklichen Unternehmung von Helenopols aus zuerst
bey diesem Flüsschen auf die Türken, die hier im Hinterhalt
lagen, was abermahls im gänzlichen Widerspruche des Terrains
mit den Beschreibungen der Geschichtsschreiber in den Gestis
Dei per Francos ist, nach denen die Türken, sobald sie die
Franken im Walde gewahr wurden, sich aus demselben hinaus
in die Ebene zogen, wo sie ihre Cavallerie mit Vortheil ge-
brauchen konnten. Hätte diess hier Statt gehabt, so wären sie
statt auf eine Fläche immer mehr in's Gebirg hinein gekommen;
auch ist nirgends bey den Verfassern der Gesta Dei von einem
Flüsscheu, sondern nur von engem Wege durch den Wald die
Rede, der unmittelbar dorthin, woher sie gekommen waren,
nach Civitot (Kios, Kemlik) zurück führte. Accelerantes iter ver-
sus Civitot eadem via, quavenerunt. Albert. Aquit. Es scheint,
dass Alexias Comnena zwey verschiedene Treffen mit einander
verwechselt habe, und dass, wenn die grosse Schlacht unter
Walther von Habenichts ohne Zweifel auf dem Wege von Civi-
tot nach Nicäa gefochten ward, ein Thcil des Heeres unter Pe-
ters Anführung auf dem Wege von Helenopolis nach Nicäa von
den Türken am Flusse Drako aus dem Hinterhalt&überrumpelt
und zurückgeschlagen ward, so dass Peter, der, laut dem
Zeugnisse der Geschichtsschreiber der Gesta Dei, bey dem
Treffen, wo Walther der Habenichts blieb, nicht zugegen war,
sich nach Helenopolis zurückzog. Petrus cum paucis Helenopo-
lim se recepit. Anna Comnena.
155
Hersek heisst der an dem vorspringenden Lande ge-
legene Flecken, wo der Busen sich so sehr verengt, dass
die Entfernung nach der gerade gegenüber auslaufenden
Erdzunge vom Dil nicht mehr als fünf Miglien beträgt.
Hier ist also die Hauptüberfuhr des Meerbusens für alle
Reisende, welche , ohne Nicomedien zu berühren, den
kürzesten Weg nach Nicäa verfolgen wollen. Den Nah-
men hat der Ort von dem wahrhaft grossen Grosswesire
Herseksade Ahmed Pascha erhalten, welcher hier einen
Chan, ein Bad und eine Moschee erbaute. In Hersegowina*)
geboren, war er schon unter Mohammed II., der Her-
sek im J. d. H. 862 (1457) erobert hatte, Statthalter von
Anatolien, wo er auf die erwähnten Anlagen dieser Über-
fahrt den Nahmen seines Vaterlandes verpflanzte. Unter
Bajasid II. und Selim I. begleitete er zwey Mahl die
Würde des Gross–Admiralem (Kapudan Pascha), und
vier Mahl die des Grosswesirs, in allem sieben Jahre
lang; bis er in Ungnade gefallen, seine thatenreiche Lauf-
bahn in Anatolien, wo er dieselhe begonnen, als Be-
fehlshaber von Brussa endigte. Hersek gehört zum Sand-
schak von Kodschaili; der Beg derselben hat die Oblie-
genheit, die Pilgercarawane nach Mekka, von hier nach
Nicäa und von da bis Akschehr zu begleiten.
Nächst an Hersek (dem alten Pronectus) liegt der
Flecken Kara-Mursal, von einem der ersten Siegesge-
fährten Sultan Osman's so genannt, von denen auch die
*) Bosnien und Albanien gab dem osmanischen Reiche mehrere
der thätigsten und tapfersten Grosswesire und Statthalter, auch
Mohammed Sokolli, der Eroberer Sigets, war aus Bosnien ge-
bürtig. -
U 2
156
schon genannten Orte Kara Jalowadsch und Samanli ih-
ren Nahmen erhielten, so dass die südliche Küste den
Osmanen lauter grosse Erinnerungen aus den ältesten
Zeiten ihres Reiches durch die Nahmen der tapfern Käm-
pfer Samanli, Kara Jalowadsch und Kara Mursal, und
durch den des Grosswesirs Hersek – Ahmedsade ins Ge-
dächtniss zurück ruft.
Dass der auf Karamursal an der Küste zunächst fol-
gende Ort Eregli, wenn nicht an der Stelle des alten Eri-
bolon oder Eriboca steht, scheint um so wahrscheinli-
cher, als ausser dem an der Küste gelegenen Flecken
Eregli noch hinter demselben und näher bey Kara-
mursal oben auf dem Berge ein Ort liegt, der Gaur
Ereglissi, d. i. das Eregli der Ungläubigen heisst. Ob die-
ses nun auf die heutige griechische Bevölkerung im Ge-
gensatze mit der türkischen des an der Küste gelege-
nen Eregli's verstandeu werden müsse, oder ob es einen
alten, von den Zeiten der Ungläubigen her erhaltenen Ort
bezeichne, müssen künftige Reisende durch Selbstan-
sicht entscheiden. Ober Eregli geht der Weg von der
Küste weg, in einiger Entfernung von derselben, über
die Dörfer Kandscha , Haladra , Dermen deressi, Seraili,
bis er wieder bey Juvadschik"), d. i. das kleine Nest ,
*) Die Beschreibung und Lage der obbenannten Orte der südli-
chen Küste ist durch Evlia und Dschihannuma, die beyden be-
sten geographischen Werke der Osmanen, verbürgt. Die folgende
Angabe, in der, wenn nicht die Nahmen, doch einige Entfer-
nungen unrichtig scheinen, erfragten wir von Reisenden im Ka-
rawanserai zu Isnikmid in umgekehrter Ordnung: von Isuikmid
nach Juvadschik 3 Stunden, Seraili im Gebirg 1 Stunde, Dermen-
deressi auf der Höhe St., Haladra auf dem Berg 1 St., Kond-
157
(von andern Reisenden Ovadschik, d. i. das kleine Thal ,
genannt) an das Ufer des Meerbusens im südöstlichen
Winkel desselben heraustritt. Hier , gegenüber von Ni-
comedien, muss dás Olbia (später Astakus geheissen),
gestanden haben, von welchem der ganze Meerbusen
der astakenische hiess, so wie er heute von dem gegen-
über gelegenen Isnikmid der nicomedische heisst. Und
hier endet also der Periplus der südlichen Küste, von
dem wir nur zu dem der nördlichen, längs welcher un-
ser Weg nach Constantinopel zurückführt, übergehen.
Der Busen ist hier (am nördlichsten Ende desselben)
so seicht, dass die Holzschiffe zu Isnikmid gar nicht an
der Stadt landen können, sondern dass auf die Länge
von 1oo bis 5oo Schritten hölzerne Treppen in das Meer
hinausgebaut sind, auf denen das Holz in die Schiffe
geschafft wird.
Gleich ausser der Stadt beginnen Gärten, und links
am Wege liegt der armenische Kirchhof. Alterthumsfor-
scher und Inschriftenliebhaber dürfen auf ihren Reisen
im Morgenlande keine Grabstätte unbemerkt lassen, in-
dem gewöhnlich die Reste griechischer und römischer
Denkmahle zu Mahlen der Gräber verwendet sind. In-
dem wir in dieser Hoffnung zwischen den Gräbern der
Armenier wandelten, fanden wir nicht nur einige alte
Inschriften, dergleichen wir vermuthet hatten, sondern
scha liegt an der Küste 1 St. , Eregli 1 St., Karamursal 1 (?) St.
Zwischen beyden liegt im Gebirg Gaur Eregli; Hersek 2 St-,
Deveburni 2 St., Jalova 2 St., Binardschik 2 St., Koron 2 St.
Kodscha deressi 2 St., Katirli 3 St., Bosborun 4 St.
1 58
auch einige neuere, doch immer historisch wichtige,
ganz unvermuthet. 1.
Das Grabmahl Tökelis nähmlich, mit seinem Wa-
pen auf dem Sarkophage und einer lateinischen In-
schrift. Er endete seine unruhige Laufbahn in seinem
Blumengarten am nicomedischen Meerbusen, wie Raco-
czy wenige Jahre später zu Rodosto auf der gegenüber
liegenden Küste der Propontis. Ungarische Edle, voll
Ehrgeitz und Thatenkraft, die unter dem Nahmen von
Freyheit nach Herrschaft strebend, aufgelehnt wider ih-
ren rechtmässigen Herrn, dem österreichischen Zepter die
osmanische Herrscherkeule vorzogen, und vom Waffen-
glück begünstigt, als peitschenführende und bügelhal-
tende Paschen oder Wesire ihr Vaterland und Volk der
Willkühr des grossen Sultans unterjochen wollten.
Nicht fern von Rakoczy-’s Grabmahl ist die römische
Grabinschrift eines Armeniers zu lesen, der hier , fern
vom Vaterlande, seinen Tod fand, und den der VVech-
sel der Zeiten so begünstigte, dass nach Verlauf von
mehr als einem Jahrtausend sein Grabmahl wieder un-
ter seinen Landsleuten, nähmlich auf dem heutigen ar-
menischen Kirchhofe, seinen Platz einnimmt.
Die Karawanenstrasse von Nicomedien nach Com-
stantinopel läuft mit wenigen Abschnitten von Krüm-
mungen des Gestades fast immer längs derselben fort.
Wir zogen dieselbe fünf Stunden lang, ohne einem Orte
zu begegnen, Jarimdsche ausgenommen, das halben We-
ges zwischen Nicomedien und dem Chan von Haraka
rechts auf der halben Höhe des Berges hängt.
Der Chan von Haraka ist ein Karawanserai zum Be-
159
sten der Reisenden erbaut. Die Mauern eines alten by-
zantinischen Schlosses laufen vom Berge bis zum Meere
hinab, im Style der alten byzantinischen oder genuesi-
schen Schlösser, welche an der Mündung des Bospho-
rus oder (um an ein, dem Österreicher näheres Vorbild
zu erinnern) wie die Mauern des alten Schlosses Düren-
stein zur Donau herablaufen, deren romantische Ufer
dort mit denen der Mündung des Bosphoros an Schön-
heit der Umgebung wetteifern. Der Nahme Harala *)
dürfte aus dem von Ankyron, einer alten, nicht weit von
Nicomedien gelegenen Villa, verstümmelt seyn, und
da Constantinus der Grosse nahe bey Nicomedien, als
er sich eben zum Feldzug wider die Perser rüstete, den
Geist aufgab, so dürfte wahrscheinlich hier die Villa
Ankyron und der Ort seines Todes zu suchen seyn. Ein
klarer Bach stürzt sich vom Berge über Mühlen weghü-
pfend durch die Brücke, worüber die Strasse führt, ins
Meer; Bautentrümmer und andere Reste alter Baukunst
bezeugen das verschwundene Daseyn alter Herrlichkeit,
und dass hier nicht nur eine Bergfeste zur Schutzwehr
des Gestades, sondern auch eine Villa zur Verschöne-
rung desselben stand. Unmittelbar vor dem heutigen
Chan macht das Gestade fast einen rechten Winkel.
Eine Stunde weiter schaut auf einem Vorgebirge
Tawschandschil weit ins Meer hinaus; ein grosser, auf
der Höhe sehr schön gelegener und sehr wohl unterhal-
tener Ort, unstreitig von allen auf dieser Strasse ange-
bauten Dörfern das schönste und mahlerischste. Diesen
-*) Harake steht auf Le Chevalier's Karte als Karake, und heisst
bey Pococke, wo oft die Nahmen verstümmelt sind, Cot/un.
16o
Wohlstand dankt es hauptsächlich den trinkbaren Heil-
quellen, die sich in der Entfernung einer halben Stunde
vom Meere befinden, und die in der schönen Jahres-
zeit, besonders in der zweyten IIälfte des Augusts, als
der gewöhnlichen Curzeit, eine Menge Menschen vom
allen Classen der Hauptstadt herbey ziehen. Man ge-
braucht dieselben als Reinigungsmittel vor den auf der
herüberschauenden Küste gelegenen warmen Bädern
von Jalova, und zwar nach folgender diätetischer Vor-
schrift: drey Tage enthält man sich von allen gesalze-
nen Speisen und von allem Fleische, am vierten wird
früh eine Schale des Gesundbrunnens getrunken und
der Leib warm gehalten, und diess drey Tage lang; die
drey folgenden wird das Wasser drey Mahl des Tages
getrunken und nichts als ein Huhn im gekrüllten Reis,
doch ungesalzen, gegessen. Nachdem dasselbe vierzehn
oder fünfzehn Mahl abgeführt, trinkt man Limonade
oder mit Limonie gesäuerte Suppe, welche sogleich die
durch das Wasser hervorgebrachten oberen und unteren
Ausleerungen stillt. Zur Curzeit lagert sich hier der Ki-
redschdchi baschi , d. i. der Aufseher der Kalköfen, unter
dessen Aufsicht die Gesundbrunnen stehen, sammt ei-
nigen Bostandschis , d. i. Gartenwachen, zur Erhaltung
der öffentlichen Ordnung, während der Kir Agassi, d. i.
der Vorsteher der Heiden , nmit seinen Leuten den Kuru-
dschi, d. i. Uebergehern der Helden, die benachbarten
Höhen durchstreift.
Oft verbindet man mit dem Gebrauche dieser Ge-
sundheitsquellen, statt der gegenüber gelegenen Bäder
von Jalova (Helenopolis), den der hiesigen Sandbäder
161
mit der oben vorgeschriebenen Diät vom gesottenen
Huhn in ungesalzenem Reis. Viele der Brunnengäste
sind unter Zelten am Gestade gelagert; die meisten woh-
nen äber doch oben in Tauschandschil, das binnen der
vierzehn Tage dieser Curzeit, d. i. in der zweyten Hälfte
des Augusts, wo wir eben vorüber zogen, ausserordent-
lich belebt ist. Possenreisser, Taschenspieler, Tanzkna-
ben, Musikanten, Kafſehhausredner und Mährchener-
zähler geben ihre Talente und Künste des Abends vor den
Kaffehhäusern den auf dem Marktplatze versammelten
Brunnengästen Preis. Die türkischen Weiber, selbst von
der Hauptstadt, weichen hier von dem strengeren Ge-
setze der Sitte ab, die ihnen verbiethet sich entschleyert
zu zeigen (besonders wenn sie sich unbeachtet von Tür-
ken glauben). Wir fanden einige derselben am Gestade,
die entschleyert uns zuriefen und sich ins Gespräch ein-
liessen, das aber bald durch die Erscheinung von Män-
nern unterbrochen ward. Je zuvorkommender die Wei-
ber am Gestade des Meeres in freundschaftlichem Ge-
spräche, desto unfreundlicher begegneten uns die Ein-
wohner des Orts, welche das Abschreiben der griechi-
schen Inschrift an der Fontaine des Marktplatzes hin-
derm wollten. Es war um so mühsamer, dieselbe abzu-
schreiben, als der Stein ganz umgekehrt eingemauert
ist, und diese Mühe ward noch durch die Beleuchtung
erschwert, indem (da wir vor TagesAnbruch aufbre-
chen wollten) bey der nach Sonnen-Untergang gemach-
ten Entdeckung der Inschrift, dieselbe zuerst bey Later-
nenlicht, und als gewaltsame Hindernisse dagegen vom
Seite der Einwohner eintraten, dann mach Mitternacht
X
162
erst beym Lichte des Vollmondes ganz abgeschrieben
werden musste.
Eine halbe Stunde weiter von Tawschandschil ist die
Erdzunge (auch im Türkischen Dil, d. i. dieZunge, genannt),
welche hier sehr weit in's Meer hinaus läuft, und von
wo, als dem, der gegenüber liegenden Küste am näch-
sten gelegenen Puncte, die Überfahrt nach Hersek Statt
findet. Diese Erdzunge-heisst die vom Gebise , so wie die
gegenüber liegende die vom Hersek heisst. Dem Ursprung
der ersten erzählt die türkische Sage in folgender Le-
gende: Zur Zeit Orchan's wollte ein frommer Derwisch
von dieser Seite desMeerbusens nach dem jenseitigen Ufer
übersetzen, und rief desshalb den Schiffern, die hier
weilten, zu. Diese, keine Bezahlung vermuthend, ga-
ben seinem Rufe kein Gehör. Da füllte der fromme
Mann seine Schürze mit Sand vom Gestade - und streu-
te, den Fuss in das Meer setzend, den Sand vor sich
hin, und sogleich breitete sich derselbe vor ihm als eine
Landzunge aus, auf welcher er im's Meer hinein wan-
delte. Erschrocken sahen ihn die Schiffer so Sand aus-
streuend und Landzungen schaffend fortwandeln, als sie,
aus Furcht, dass er, ganz trockenen Fusses bis hinüber
wandelnd, den Meerbusen zudämme und ihnen das Brot
der Überfahrt raube, ihm zuriefen und ihn mit vielem
Bitten, in ihr Schiff zu kommen, nöthigten. Er erhörte
dieselben erst, nachdem er ein Paar Tausend Schritte
fortgewandelt war, was die Länge der heutigen Zunge
beträgt. Zur Bestätigung der Legende zeigt man noch
an dem Landungsplatze von Dil das Grab dieses frommen
Derwisches Dil baba, d. i. der Zungenvater, genannt. Ei-
163
nige Chane und Stallungen, ein Paar Brot- und Gemüs-
läden sind für die Bequemlichkeit der Reisenden erbaut,
welche aber selten hier, und lieber in den schöneren
und bequemeren, gegenüber vom Grosswesir Hersek Ah-
med sade erbauten, übernachten. Die Inschrift auf der
Fontaine lehrt, dass dieselbe von Mustafa dem Bostan-
dschi Baschi, S. Murad des III., im J. 1 o48 (1638) erbauet
worden sey, um Reisenden kühle Labung, wie die Fluth
des Paradiesesquells Kewsser, zu strömen. Eine Stunde
weiter als Dil, und anderthalb Stunden vom Meere ent-
fernt, liegt auf der Strasse Mahalletol aalime , d. i. das
Quartier der Almen (so heissen die in allen Künsten wol-
lüstiger Mimik ausgelernten ägyptischen Tänzerinnen),
und eine Stunde weiter Gebise, dessen Nahme aus dem
des alten Libyssa, wo Hannibal begraben ward, ver-
stümmelt ist. Der Haven vom Gebise war ehemahls von
den Bysantinern durch ein festes Schloss geschützt, von
dem die Legende Geistersagen erzählt. Geister von al-
len Beschreibungen wandeln hier in mitternächtlichem
Grauen, nur nicht der Geist Hannibals, der längst mit
Grauen aus dieser Gegend und aus dem hohen Grabes-
hügel, der oben bey Gebise seine Gebeine deckt, ge-
wichen ist. Die Einwohner wussten uns michts als von
dieser Geistersage und von der trefflichen Jagdbarkeit
zu erzählen, indem hier ein Überfluss von Repphüh-
mern, wie auf der andern Seite ein Überfluss yon Fasa-
nen ist. Zu Gebise, das Sultam Orchan eroberte, steht
eine Moschee, die Tschoban Mustafa Pascha , unter Su-
leiman des Grossen Regierung, gestiftet. Für den Was-
sermangel des Orts sorgte Schischman Jbrahim Pascha,
»
X 2
16
durch Grabung der Brunnen, welche auch das Bad ver-
sehen. Hier sind Faslullah Pascha und der fromme Der-
wisch Scheich Elias , vom Orden der Chalweti, begra-
ben. Von Gebise aus geht der Weg landeinwärts, doch
immer so, dass man das Meer nicht aus dem Gesichte
verliert. Eine Stunde von Gebise liegt am Meere Dari-
dscha, ein festes Schloss aus byzantinischer Zeit, erst im
Jahre d. H.827 (1423) von S. Mohammed II. erobert. Hier
residirt der Aufseher der Kalköfen, welcher zugleich die
öffentliche Ordnung an den oberwähnten Gesundbrun-
nen bey Tawschandschil und an denen eine Stunde wei-
ter gelegenen von Tusla erhält. Diese heissen, wie je-
ne, Itschme, d. i. trinkbare Quellen, und sind als Rei-
migungscur für die griechischen und arabischen Bewoh-
mer der Hauptstadt, was die von Tawschaudschil für die
islamitischen. Sie besuchen dieselben zur Reinigung des
Leibes und Erheiterung des Geistes. Pentik (das alte Pan-
tichium) liegt eine Stunde von Gebise und Kartal eine
Stunde von Pendik. Hier ist das erste Nachtlager der
von Constantinopel ausziehenden Pilgercarawane. Längs
dieser Küste sind mehrere kleine Inseln so nahe dem
Lande, dass man dieselben von ferne für Vorgebirge
desselben ansieht, und mehrere kleine Vorgebirge mit
dem Lande durch so flache Zungen verbunden, dass man
dieselben von ferne für Eilande hält. Diese Inseln heis-
sen die Esels-Inseln, auf griechisch Gaiduria , auf tür-
kisch Eschek adalari. Eine halbe Stunde weiter als Kar-
tal, ist ein Hügel und ein ansehnliches Dorf Maldepe ,
d. i. Schatzhügel, genannt, berühmt durch die Sagen von
hier vergrabenen Schätzen und fruchtlosen Bemühungen
165
dieselben zu heben. Einen Beytrag dazu lieferte auch
unser umsonst gewagter Versuch, das Säulentrum mit
einer sehr verderbten römischen Inschrift, das vor der
griechischen Kirche liegt, weg zu schaffen. Maldepe ,
d. i. Schatzhügel, heisst die ganze Hügelreihe, welche
sich von hier bis nach Tusla an's Ufer hinab zieht, und
wo häufig umsonst aufgegrabene Stellen, wiewohl sie
die Sage zu Lüge strafen, dennoch den Credit des Orts-
nahmens bestätigen. Da Maldepe, gerade vier Stunden
von Skutari und drey von Chalcedom entfernt, ein klei-
mer Marsch eines morgenländischen Heeres ist, so ward
von je her hier der erste Rasttag der von Constantino-
pel nach Asien ziehenden Heere gehalten, und es ist da-
her vermuthlich das Pelekanum *) der Kreutzfahrer, wo
Alexius, als an dem näher bey Chalcedon gelegenen Orte
(und es liegt kein anderer inzwischen), den Erfolg der
Unternehmung gegen Nicäa windfeyernd abwartete. Das
nah vor Chalcedon gelegene Vorgebirg Fanarbaghdschessi,
d. i. der Garten des Leuchtthurmes , wo an der Stelle des
alten Aphroditen geweihten Tempels sich zwischen lieb-
lichen Baumpflanzungen ein Leuchtthurm erhebt, be-
schliesst dem nicomedischen Meerbusen und unsere Reise.
Als Opfer für die glückliche Vollendung desselben
sey hier, wo sich der alte Tempel der See-Yenus (Ye-
nus Marina) erhob, und nun der Leuchtthurm steht, der
*) Ganz unrichtig setzt Michaud auf seiner Karte Pelecanum an die
Mündung des Bosphorus, als ob der Kaiser, um den Kreutzfah-
rern, die vor Nicäa lagen, näher zu seyn, sechs Stunden in ent-
gegengesetzter Richtung nach dem schwarzen Meere gewandert
wäre !
166
Reisestab aufgehangen und die, dieser Göttinn von Ho-
raz gedichtete Weihe als Votivtafel hierher gesetzt.
„Nunc arma defunctumque bello
Barbiton hic paries habebit,
Laevum marinae qui Veneris latus
Custodit. Hic, hic ponite lucida
Funalia.
Nun hier die Waffen und die Lerer,
Müde des Kampfs , an die Wand gehänget,
Die links der Wogenherrscherinn Venus Seit'
Einschliesset. Hier - hier leget die leuchtenden
Windfakeln.“
III. Buch 2o. nach Voss.
167
Be y la g e.
A.
Aus dem Dschih an nüma. S. 666.
Vortrag des Grosswesirs Sinanpascha im J. 9o9 (15o3) über die
Vereinigung des Flusses Sakaria mit dem See von Sabandscha und
dem nicomedischen Meerbusen erstattet.
Da der kaiserliche Wille dahin geht, dass der Fluss
Sakaria in den See von Sabandscha , und dieser in den
Meerbusen von Nicomedien geleitet werde, so sind
kraft des an den Sandschakbeg von Kodscha Ili und die
Richter dieses Sandschaks erlassenen allerhöchstem Be-
fehls der Hofarchitekt, der Hofastronom , die Baumei-
ster Tschausch und Suleiman, die Wasserbaumeister Jus-
suf und Ali, der Wasserübernehmer und andere zur Er-
örterung der Frage bestimmt und ernennt worden, ob
die Ausführung dieser Vereinigung möglich sey? Nach-
dem sie die Tiefen erforscht, erstatteten sie darüber ſol--
genden Bericht:
Der Baumeister, Erdmesser und andere ortkundige
Leute sagten aus, dass die Höhe des Sakaria's von der
Wasserfläche bis auf die Oberfläche der Erde, (d. i. die
Höhe seiner Ufer) 17*) Siraas (die Siraa zu 2 Schuh) be-
trage. Auf die weitere Frage, ob sich nicht oberhalb noch
ein anderer Ort befinde, ward bekräftiget, dass es am bes-
ten und vorzüglichsten sey, den Fluss eine Meile (geogra-
phische) oberhalb an der Stelle Kum Aghsi (Sandmund)
genannt, einzudämmen und abzuleiten. Nach vorgenom-
menem Nivellement fand sich (auf der ersten Stelle) die
Höhe des Sakaria's von der VVasserfläche bis auf die Ober-
fläche der Erde (d. i. die Höhe seiner Ufer) siebzehn Si-
*) Durch einen Druckfehler steht hier Oniki statt On jedi, d. i.
12 statt 17.
168
raas; an dem Orte aber, dem der alte Baumeister an-
gezeigt hatte, fünf und eine halbe Siraa. Die Länge
der Strecke vom Sakaria bis zum See 96oo Sir. Diese
Linie traf nach eilf hundert Siraas mit dem (in den See
laufenden) Flüsschen Saridere (Gelbthal) zusammen.
Von den siebenzehntausend Siraas der Uferhöhe des
Sakaria gehen sechzehn wieder bis dahin, wo die Linie
auf den Saridere stösst, verloren, so dass der Ort der
Ableitung des Flusses, und der Ort, wo die Linie des
Canals auf die in dem See laufende (des Flüsschens) trifft,
mit einander auf derselben Fläche sich befinden *).
Da der Saridere ohnediess in den See fliesst, dürfte
derselbe nur etwas erweitert und tiefer gegraben wer-
den; und nähme man den vom alten Baumeister gege-
benen Punct an (wo die Uferfläche nur 5 Sir. betrug),
so würde über die Hälfte (fast zwey Drittel) in Arbeit
erspart werden. - -
Nachdem auf diese Art die Möglichkeit der Ablei-
tung des Sakaria in den See erwiesen worden war, ver-
fügte man sich an den nicomedischen Meerbusen, und
nach doppelt vorgenommenem genauen Nivellement fand
sich, dass die Entfernung vom See bis zum Busen 22,ood
Siraas betrage, dass sich auf dem Wege weder Berg
noch Felsen, sondern nur in der Mitte ein VVald befin-
de. Das Nivellement dieser Strecke gab, vom See an-
gefangen, an Tiefe auf
die ersten Tausend Siraa 7
2 - - - - - - 9é
3 - - - - - - 1o
4 - - - - - - 6
5 - - - - - - 15
6 - - - - - - 17
7 – – – – – – 18.
8 - - - - - - 26
die 9. *) Tausend Siraas 3e
1o - - - - - - 25
11 - - - - - - 26
12 - - - - - - 17
15 - - - - - - 2o
14 - - - - - - 9
Von dem Reste des Grundes, nähmlich der folgen-
dem 8ooo Siraas, sollte das Erdreich sechs Siraas tief
abgegraben werden. Dasselbe steigt zwar, vom See an-
gefangen, ein wenig, nimmt aber dann wieder ab, und
auf dem Puncte, wo die 14,ooo") Siraas aus sind, ist die
Oberfläche desselben mit der Oberfläche des Sees gleich.
Auf diese Weise fand sich, dass die noch übrigen
14,ooo Siraas bis zum Meere 3o Siraas enthalten,
nähmlich: .
Differenz also vom Nullpuncte
der Wasserebene gleich mit
dem See.
von vierzehn Tausend am 8 8
von 15,ooo - - - - 1 o. 2F
16,ooo – – – – 11? 1
17,ooo - - - - 17 5.
18,ooo – – – – 18 1.
19,ooo - - - - 2o 2 ***)
2o,ooo - - - - 28 Z
21,ooo - - - - 30 2
3o. ***)
*) Durch einen Druckfehler ist dieser Posten zwey Mahl angesetzt,
so dass 15,ooo statt 24 ooo herauskommen.
*) Durch einen andern Druckfehler ist hier 1ooo ausgelassen, und
es steht on dort statt on dort bin.
*) Hier ist derselbe Druckfehler wie oben, dass der Posten 20
zwey Mahl, und also um ein Mahl zu viel gedruckt ist.
**) Hier ist um eine halbe Siraa zu viel, die auch einem Druck-
oder Messungsfehler zuzuschreiben ist.
Y
27o
Da auf diese Weise der Abfall (von dem Nullpuncte
der See-Oberfläche an) bis zu dem Busen von Nicome-
dien 3o Siraas beträgt, so senkt sich nach geschehener
Grabung der Grund zehn Siraas von dem See *), und
derselbe würde wie ein Mühlbach einher strömen.
Die zu grabende Strecke des Camals vom Fluss an,
würde nur eine Meile (11,ooo Siraas) **) betragen.
Die allgemeine Bestätigung der Beauftragten geht
also dahin, dass die Vereinigung des Sakaria mit dem
See, und dieser mit dem Meere möglich und ausführ-
bar sey, dass der Canal auf seinem Laufe keinen Meyer-
hof und keine anderen Grundbenützungen treffe. In die-
sem Sinne sind an die hohe Pforte unterschriebene und
untersiegelte Anzeigen und Berichte erstattet worden.
Der Beginn des Werkes ist nun ganz dem hohen Muthe
meines allergnädigsten Kaisers und seinen edlen Befeh-
len anheimgestellt.
*) Diese Senkung von zehn Siraas ist vermuthlich so zu verstehen,
dass wenn die 3o Siraas Abfall auf die gauze Linie des Canals
vom See an bis zum Meere eingetheilt werden, derselbe von dem
Puncte an, wo die 14,ooo Siraas aus sind, und wo der dermahli-
ge Punct Null, d. i. gleich mit der Oberfläche des Sees ist, von
hier aus die Senkung gegen das Meer nur 4o Siraas betragen wür-
de, was so ziemlich herauskommen wird, indem 14,ooo fast
zwey Drittel von 24,ooo sind, und auf das letzte Drittel, nähm-
lich die übrigen 8ooo, auch ein Drittel des ganzen Abfalls, uähm-
lich von 3o Siraas zehn kommen.
*) Die Senkung des Flusses Sakaria gegen den See wird wohl von
dem natürlichen Abfall des Flüsschens Saridere zu verstehen seyn,
das im Laufe von 85oo Siraas wohl einen Abfall von mehr als 1o
Siraas haben mag, denn vom Sakaria bis zum Saridere ist offen-
bar kein anderer Abfall als der, der 16 Siraas von 17 der Ufer-
höhe des Sakaria. 1 1,ooo Siraas sind 22,ooo Schuh, d. i. 36,ooo
Klafter, und also fast richtig eine geographische Meile.
171
Aus der Reichsgeschichte Wassifs, im Jahre der Hedschira 1172
(1758), I. Theil, S. 162.
Im Jahre der H.909 (15o5) hatte schon Sinan Pascha den
Vorschlag gemacht, den von Nicomedien drey Tagrei-
sem entlegenen Fluss Sakaria mit dem See von Sabandscha,
und diesen mit dem Meere zu vereinigen, wodurch gros-
ser Vortheil entstehen, und besonders die Zufuhr des
für Constantinopel möthigen Holzes erleichtert werden
würde. Es erging damahls in dem Sinne des Vortrags
ein kaiserlicher Befehl; der Hofarchitekt und Hofastro-
mom und die Wasserbaumeister und Wasserübergeher
wurden um die Möglichkeit der Ausführung befragt;
diese verfügten sich an Ort und Stelle und berichteten,
mach geschehener Abmessung der Erdfläche, dass der
See von Sabandscha in den Meerbusen vom Nicomedien
geleitet werden könne, und dass die Entfernung davon
22,ooo Siraas betrage; dass sich auf dem Wege weder
Berg noch Felsen befinde, und dass der Augenschein
die leichte Ausführung dieses Vorschlags zeige; dass
auf diese Weise das Holz der herumliegenden Gebirge
gefällt, und auf leichte Weise zum allgemeinen Besten
verführt werden könne; dass endlich, wenn an dem See
zu Sabandscha für die kaiserlichen Galeeren ein Arsenal
erbaut würde, nicht nur für das Ärarium der grösste
Vortheil erwachsen, sondern auch die Zufuhr der Le-
bensmittel nach Constantinopel ungemein erleichtert
werden würde, indem sowohl Holz – als Mundvorrath
auf Flössen leicht im den See , und von da in dem Meer-
busen geschafft werden könnten. Dieses leicht auszufüh-
rende Unternehmen wurde aber damahls, verschiedener
wichtiger Geschäfte willen, auf andere Zeiten verschoben.
Darauf bestellte im J. 1o64 d. H. (1653) S. Mohammed IV.
einen gewissen Hindi oghli, der nach eingenommenem
Augenscheine berichtete, dass, wenn gleich der Aus-
Y 2
172
führung dieses Unternehmens von Seite des Grundes
keine Hindernisse entgegenständen, so erfordere doch die
Reinigung des Erdreichs allzu grosse Mühe, und es wür-
den dadurch noch überdiess die Gründe und Meyerhöfe
verschiedener Dörfer beeinträchtiget.
Nachdem S. M. der Kaiser diese näheren Umstände
vernommen hatten, wallte das Meer des allerhöchsten
Unternehmungsgeistes mit dem Willen auf, die Vereini-
gung des gedachten Flusses (mit dem See und Meerbu-
sen) zu Stande zu bringen, und es wurde zur Einneh-
mung des Augenscheines der Kiajabeg (Minister des In-
nern), der Reissol-Kuttab (Minister der auswärtigen Ge-
schäfte), der Dschebedschi baschi (General des Munitions-
wesens), der als Erdmesser ausgezeichnete Professor
Kiridi Ahmed Efendi, und andere sachkundige, erfahrne
Männer an Ort und Stelle abgeordnet. Sie fingen ein
wenig zu graben an; da sie aber Wasser fanden und
der Winter mahete, so kehrten sie zurück; nach Ver-
lauten aber sollen sie, von einigen Grundbesitzern der
Gegend gewonnen, Mittel gefunden haben, dieses nütz-
liche Unternehmen auf weiteres hinaus zu schieben. *)
*) Dieses Actenstück bestätigt die unter drey osmanischen Kai-
sern (Bajasid II., Mohammed IV. und Mustafa) drey Mahl
unternommene und drey Mahl verunglückte Canalführung von
Nicomedien nach dem See von Sabandscha. Früher war dieselbe
von einem alten Könige und von Plinius versucht worden. Eine
sehr merkwürdige Stelle der Alexias (Lib. X. p. 282) belehrt uns
aber, dass auch zwey byzantinische Kaiser, nähmlich Anasta-
sius und Alexius dieselbe Vereinigung auszuführen gedachten
und unterliesseu. Diese Stelle ist um so merkwürdiger als sie
den alten Nahmen des Sees von Sabandscha enthält, nähnlich
Ba2»a (woraus der heutige entstanden). Welcher Regierung ist
es vorbehalten, diese, aus historischen Zeugnissen schon siebeu
Mahl vereitelte nützliche Unternehmung der Vereiuigung des
Sees von Sabandscha mit dem Meerbusen von Nicomedien end-
lich auszuführen.
/
73
Be y la g e.
B.
Geographische Auszüge aus dem Dschi-
h an nüma. -
Die Gegend um Brussa im Sandschak Chodawendkar. S. 658.
Zur Gerichtsbarkeit von Brussa gehören zwey Districte:
Akssu nahijessi, d. i. der District von Weisswasser, und
Ova nahiessi, der Thaldistrict. Der erste, der im Gebirge
liegt, hat einige schöne Dörfer und Flecken; der Haupt-
ort desselben liegt eine Tagreise von Brussa auf dem
Wege nach Kutaja , in dem Thale, wo das Flüsschen
Akssu vorbey geht. Der zweyte District wird vom Nilufer
bewässert, und liegt unmittelbar vor der Ebene von
Brussa. - ,
Der District von Kete , fünf Stunden südlich von
Brussa, enthält einige Dörfer, gegenüber von dem Di-
stricte von Modania, von dem er durch eine Bergreihe
getrennt wird. Die Richter dieser beyden Districte hal-
tem sich zu Brussa auf. Von Modania nach Brussa geht
der Weg etwas bergauf.
Adranos, südlich eine Tagreise von Brussa, im Ge-
birge des Olympos , hat mehrere Dörfer.
Gökdschetagh, d. i. der himmlische Berg, ist der Nah-
me einer Gerichtsbarkeit auf der Westseite von Brussa.
Chirmendschik, ein Flecken in der Gegend von Adra-
mos, ehemahls dem Michal gehörig, der auch Chirmen-
kiar genannt ward. -
Sindschan, westlich von Adranos, zwischen demsel-
ben und dem vorigen Orte gelegen.
Modania , 12o Miglien von Constantinopel, am süd-
lichen Ufer des Meerbusens von Kemlik dem Haven von
174 -
Brussa, hat einige Bäder und Moscheen. Hier finden
sich eine Menge Pferdevermiether für die Reisende, so
nach Brussa gehen, und welche dort die Pferde wieder
abgeben. Die (erste) Brücke über den Nilufer ist die
Hälfte Weges, sechs Stunden von Brussa. Zu diesem
Orte gehören 24 Dörfer, und einer der angesehensten
dazu gehörigen Districte ist der von Trilia, wo meistens
Olivenpflanzungen sind; auch in Modania sind deren.
Der gute Boden trägt auch Granatäpfel und Limonen,
aber die Einwohner sind schlecht; die Hälfte Moslimen
und die andere Hälfte Christen leben unter einander in
beständigem Hader.
Kemlik liegt am Ende des Meerbusens, dem es dem
Nahmen gibt. Man findet hier schöne Granatäpfel. Der
Meerbusen hat die folgenden Gränzen: Er fängt bey Bos-
burun (Eis-Vorgebirg) an, wo ein Cham und eine Mo-
schee ist, und von wo man mit einem bestimmten VVin-
de (gerad Nord oder Süd) aufbrechen kann. Des Meer-
busens Tiefe läuft gerade nach Osten. An dem Gestade
liegen die Örter Amrudli (d. i. das Birnenreiche), Fisti-
kli (das Pistazienreiche), und Kumli, gegenüber von
Modania. Die grösste Tiefe ist zu Kemlik; von hier
aus läuft er weiter fort in der Richtung gegen Osten
(Süden), und es folgen die Orte Kurschunli, d. i. das
bleyerne; Altuntasch , Goldstein; Modania - Trilia - und
endet dann mit dem Bosborun gegenüber liegenden Vor-
gebirge. Da die Richtung des Ufers südwestlich geht,
so ist die Mündung des Canals sehr gross.
Basarkoi, eine Tagreise von Samanli; man kömmt
von Kemlik dahin, indem man längs dem Gebirge Sa-
manli fortzieht. Ostlich vom Basarkoi liegen Kemlik und
Enguridschik , und nördlich ist ein Wasser, das von Je-
nischehr herfliesst. Der Ort hat viele Spaziergänge und
Unterkünfte für Reisende, mit einem wöchentlichen Mark-
te. Zwischen Brussa und Basarkoi liegt der Ort Katirli,
175
mit Moschee und Cham. Enguridschik , das Gurkendorf,
am Ufer des Meerbusens von Kemlik, zwischen Ken-
dscheli und Kemlik, hat schöne Gurken, Kendschel ist
nicht weit von Modania entfernt. Bilbandschik , westlich
von Kete, am Nilufer. Jarhissar , zwischen Brussa, Je-
mischehr und Ainegöl, mit Moschee und Bad auf dem
Wege, von Jarhissar nach Kutaja eine Tagreise. Jeni-
schehr, mordöstlich von Brussa, und südlich von Nicäa,
gerade im Süden von Lefke gelegen. Westlich davon
und vor Biledschik liegt Akbiik, zwey Tagreisen von
Brussa, im Thale, das auch das von Jenischehr heisst.
Seinen Nahmen, Weissen Schnurbart, hat es, weil Os-
man, der Sohn Ertoghrul's, zuerst hier Moschee und
Bad baute und sich hier aufhielt. Akjasi, auf dem Weg-
von Nicomedia und Sabandscha, eine Gerichtsbarkeit,
deren Hauptort Chandak , d. i. der Graben, heisst.
Die Gegend um Nicomedien im Sandschak Kodscha Ili. S. 662.
Gerichtsbarkeiten des Sandschaks Kodscha Ili, öst-
lich durch das vom Boli, nördlich durch das schwarze
Meer und den Canal von Constantinopel, südlich durch
den von Nicomedien begränzt. Gerichtsbarkeiten: Is-
nikmid , Isnik , Uskudar, Akjasi , Akhissar , Basarkoi,
Saritschair , Sabandscha , Kija , Jailakabad, Kurla , Joris,
Karamursal, Samanli, Karassu - Kandu , Schila , Ba-
sarsuji. -
Beschreibung von Isnikmid (Nicomedien).
Es liegt am Ende des Meerbusens, der sich 1oo Mi-
glien von Constantinopel ins Land hineindehnt. Sein Ha-
ven ist als der einer grossen Handelsstadt berühmt. Aus-
ser Moscheen und Chamen ist hier ein kaiserl. Pallast und
Garten, und da Isnikmid der Hauptort des Sandschaks
176
vom Kodscha Ili ist, so residirt der Beg hier. Der Meer-
busen von Isnikmid fängt nahe bey Fanarbaghdchessi (Fa-
malgarten) an, und geht in folgender Ordnung: Pendik
und Kartal, zwey Dörfer am Ufer. Tusla , ein griechi-
sches Dorf, wo das Uſer einen grossen Bogen macht.
Seitunburni, das Olivenvorgebirg, unmittelbar unter
Gebise. Dil, wo der Canal durch eine sandige, weit ins
Meer hinauslaufende Erdzunge sehr verengt wird. Ni-
comedien ist das Ende des nördlichen Ufers, welches
nach einigen Krümmungen gen Westen läuft. Tarli, ein
griechisches Dorf, im Winkel von Bosburun, gerade
gegenüber vom Fanarbagdsche (d.i. der unterste Punct
auf desselben Linie, von dem es vierzig Meilen entfernt
ist). Das Ufer dreht sich nun gegen Westen, wo Kara-
mursal, und daneben Hersek gerade gegenüber von Dil
liegt, mit einem Cham, Bade und Moschee, vom Hersek
Ahmedsade Pascha erbaut. Hier ist die Überfahrt von Dil,
wozu besondere Fahrzeuge bestimmt sind. Hier ist die
See meistens stürmisch; die Entfernung beträgt fünf
Miglien. Von hier gelangt man zu den Gerichtsbarkei-
ten von Jailakabad (Jalova) und Kurla, dann zu denen
vom Samanli und Katirli, in der Entfernung einer Fara-
sange von einander. Hier wird im Gebirge Holz gefällt
für die Bäder zu Constantinopel. Diese Berge heissen
die Berge von Samanli und Katirli *).
Der Weg von Samanli nach Basarkoi geht über die-
ses Gebirg. Kurla , in der Nähe von Basarkoi, drey Stun-
den davon, in der Nähe von Kemlik , ein Ort und Ge-
richtsbarkeit. Gebise (Libyssa), zwischen Nicomedien
und Constantinopel auf der Höhe des Landes, so dass
es fast zwey Stunden vom Meere entfernt liegt. Mustafa
Pascha, der Grosswessir Sultan Suleiman's, stiftete hier
*) Dieses Katirli ist nicht mit dem am Arganthonios gelegenen zu
verwechseln, weil dasselbe auch den Nahmen Katirli hat.
177
eine Moschee, Collegium, Bad , Armenküche und zahl-
reiche Chane.
Isnik war zu Zeiten der (byzantinischen) Kaiser eine
berühmte Stadt; jetzt sind die Mauern derselben im
Verfalle. Hier versammelten sich 318 Mönche, die christ-
lichen Dogmen festzusetzen. Ausser dieser ersten Ver-
sammlung wurden noch mehrere andere hier gehalten.
Heut hat es noch Bäder, Moscheen, Collegien, Armen-
küchen, und das Porcellan von Rum wird hier in eini-
gen Fabriken verfertigt. Orchan verwandelte die Haupt-
kirche Isnik's in eine Moschee, und baute eine Armen-
küche dazu. Die Moschee und das Kloster von Eschref-
sede ist ein VWallfahrtsort.
Sabandscha liegt am westlichen Ufer des gleichnah-
migen Sees in der Ebene; ein offener Ort ohne Mauern.
Isnikmid liegt von hier eine Station gegen Westen. Die-
ser Ort ist ein berühmter Durchzug mit Moschee, Bad
und Markt. Rostem Pascha baute hier Cham und Imaret
(Freyküche). Der Ort ist von Saatfeldern umgeben, aber
der Rand des grossen Waldes, Agatsch denisi (Baum-
meer) genannt, beginnt nicht fern von hier.
Karamursal, am Ufer des micomedischen Meerbusens,
trägt unvergleichliche Granatäpfel, wo sich der Busen
von Nicomedien zum ersten Mahle schliesst, am Ende
südlich von Nicomedien.
Jailakabad , in der Mitte des südlichen Ufers des ni-
comedischen Meerbusens. Hier ist eine abführende war-
me Heilquelle, die man im Monathe August als Cur zu
brauchen pflegt. Der Ort, wo diese Heilquelle ist, heisst
auch Jalova. - ,
Samanli, westlich von Jalova, am Ufer des Meer-
busens von Isnikmid, mit einem artigen Chan, Bad und
Moschee, nahe an der Mündung des Meerbusens. Von
hier wird das Holz zur Feuerung der Bäder verführt.
.
-
Z
Be y la g e.
O
C.
Bestimmung von Ortslage mit dem Compass
ohne Abweichung.
1. Vom Gipfel des Olympos.
Kutahia 23- sw. Semautagh 12° NW. Taghalti 32-
NVW. Adranos 85“ SVV. Kalolimmi 38–35° NW. Bos-
burun 22“ NW. Die zwey Gipfel des Argamthonios 3o –
33° NO. Der See von Jenischehr 65° NO. Das Gebirg
Tomanidsch von 12 – 8 SW. Der See von Nicäa
469 NO.
2. Von der Alpe Tombaktschukuri (Tombakgrube).
Der erste niedere Gipfel des Olympos 16° SO. Der
zweyte höhere 5° SO. Der dritte 16- SW. Der vierte
2o“ SW. Der Arganthonios 21 – 23“ NO. Die grosse
Insel des Sees von Apollonia 74° SW. Der Fels der
Hirten 85° SO.
3. Von Jaridsche, im Meerbusen von Nicomedieſ.
Die Erdzunge Dil 83• NW. Die Landspitze Tschem-
berek burni, gerade West. Das Vorgebirg Seitunbu-
runi 800 NW.
4. Von der Anhöhe von Tawschandschil.
Das Vorgebirg Seitunburuni 65° SO. Die Spitze vor
Hereke, gerade Ost. Die Ruine von Hereke 7o° SO.
Die Zunge Dil am Anfang und Ende 65–7o" SW. Die
Spitze von Jalova 85• SW. Die Spitze des Gesundbrun-
mens Itschme, gerade West.
179
5. Von der Fontaine der Perser, beym Eingange Brussas.
Die Stadt liegt SO. Der Olympos SO. Der Argan-
thomios zwischen O. und ONO. Gemlik NO. Die An-
höhe von Tschekirdsche gerade gegen Süden, und die
Berge des Niluferthales gerade gegen Norden.
6. Von dem Landungsplatze neben der Moschee Pertewpascha's zu
Nicomedien.
Der Gipfel des Gögtagh 15° SO.
Entfernungen, erfragt in den Karawanserais und von den Weg-
weisern.
Der Nilufer fällt bey Eskele , das zwey Stunden vom
Meere liegt, in den Rhyndakus. Man rechnet von Brussa
nach Kutahia 24, nach Eskischehr 26 Stunden, vom Ku-
taja nach Eskischehr 12. Vom Triglia (dem Ende des Meer-
busens von Modania) nach Michalidsch 8, von Micha-
lidsch nach Panormo 12 Stunden. Von Brussa mach Aine-
göl 13 St., nach Michalidsch 12; von Michalidsch nach
Belikesseri 12 , von da mach Edremid 18 St.
Von Nicäa nach Jemischehr 6, von da nach Biledschik
. 8, vom da nach Eskischehr 1o Stunden. Von Nicäa mach
Jenischehr 6, von da nach Aimegöl 8, und von da nach
Tschekurdsche 8, und von da nach Kutahia 8 Stunden.
Von Brussa nach Akssu 4, von da nach Aimegöl 4 St.
Von Kemlik nach Aimegöl 18–14, von Nicäa nach Aine-
göl 12 Stunden.
Von Sabandscha nach Kerpe am schwarzen Meere 1o,
von Uskub bis ans Ufer des schwarzem Meeres 6 St. Die
nächste Entfernung des Flusses Sakaria von Eskischehr 8
St. Von Eskischehr nach Sivrihissar 12 – 14 St. Die Quel-
len des Sakaria 6 Stunden ober Sivrihissar im Emirtagh,
der sich von Konia bis Adana ausdehnt. Der Fluss Sari-
lar bey Sivrihissar fliesst in den Sakaria.
Die Entfernung von Nicomedien nach Schila am schwar-
Z 2
18o
zen Meere 8 St. Von Sabamdscha an das Ufer des Saka-
ria 4 St. Der Ort Sabandscha liegt etwa 2 Stunden vom
See dieses Nahmens entfernt. Dieser hat fünf Stunden
im Umfange und ist drey Stunden breit. Eschme liegt
gegenüber Sabandscha; Derekoi eine Stunde weiter.
Tschepum 5 St. von Sabandscha. Man rechnet von Nico-
medien 8 St. mach Sabandscha.
Von Nicomedien nach dem Dorfe Baghdschedik3 St.;
eine Stunde weiter unterhalb Ermenikoi. Jawadschik, 3
St. von Nicomedien.
Von Bosborun nach Fistikli 1 St.; von danach Kapakli
1 St.; von da nach Kumla 2 St.; von da nach Kemlik
2 Stunden.
1, Wege und Strassen aus dem Dschihannuma.
Von Skutari nach Pendik 5 Stunden; eine Strasse
vom Skutari bis Gebise und Dil; von da nach Gebise
5 St. Carawanen und Heere nehmen das erste Nacht-
lager zu Maldepe (eine Stunde von Pendik, das zweyte
auf der Sultanswiese vor Gebise). Zu Gebise trennt sich
der Weg, der eine geht nach Nicomedien längs des Ufers,
der andere über die Zunge Dil nach dem gegenüber ge-
legenen Hersek, wo die Überfahrt nur das Drittel einer
Stunde beträgt. -
2. Strasse von Dil nach der Ebene von Brussa -
über Hersek, Samanli und das Gebirg gleichen Nahmens
nach Basardschik (Basarkoi), Katirlitagh (Arganthonion)
nach Bilbandsiek, Ulubad u. s. w.
5. Strasse von Dil nach Eskischehr über Hersek
nach dem Passe Derbend 6 St.; von da nach Nicäa 6 St.;
von da nach Lefke 12 St.; von da nach Sogud 1 1 St.
Zwischen Sogud und Lefke baute der grosse Koprili Mo-
hammed im Jahre 1o7o eim Carawanserai im Thale Tschel-
tuklik; von hier liegt Eskischehr 12 Stunden.
181
4. Strasse von Gebise nach Nicomedien.
Der zweyte Weg, der von Gebise ausgeht, führt nach
Hereke 4. St., und von da nach Nicomedien 5 St.; zwi-
schen beyden liegt die Platanenwiese (Tschinar tschairi).
Hier trennt sich abermahls die Strasse, die eine links
(nach Sabandscha), die andere gerade nach Eskischehr.
5. Strasse von Nicomedien nach Konia;
nähmlich von Nicomedien , Kasikli 4# St., und von hier
zum Obelisken bey Nicäa 1o Stunden; oder vom Kasikli
über's Gebirg nach Kuschdschilar 7 St., und von da
nach Nicäa. Dann weiters nach Penbedschik, und von
da nach Jenischehr 3 St.; oder von obbenanntem Obe-
lisken aus bis an das östliche Ende des Sees 24 St., und
von da nach Jenischehr 5 St.; von Jenischehr, wo sich
diese beyden Strassen (die sich zu Kasikli getrennt) wie-
der vereinen, nach Akbiik bey Sogud 4 St., Basardschik
5 St., Busojuk 4 St., Eskischehr 6 St., Akwiran 3 St.,
Sidighasi 3 St., Bertaklu 5 St., Chosrewpascha'5 St.,
Bulawadin 8 St., Ishakli 5 St , Akschehr 5 St. , Arka-
dschan 4. St., Ilghin 24 St., Balkanussar, oder die Brücke
darüber, auch die von Balis genannt, 2. St.; Sengi suji
und dann Komia.
6. Strasse von Nicomedien nach Kutahia.
Über Nicäa und Jenischehr, über Aidin , Akbiik,
Achirdschik, Bosojuk, Sulikoi, Gendscheli (wo warme
Bäder) nach Kutahia.
7. Strasse von Nicomedien auf dem Wege gegen Sabandscha nach
Boli. -
Die Entfernung vom Sabandscha beträgt neunthalb
Stunden; man setzt dann über den Fluss Sakaria und
Moderni, kommt nach Chariwakdusdschebasari, einem
Passe von Kerpe, und längs des Gebirgs nach Boli, oder
man setzt über den nicht fern von Sabandscha gelege-
182
nen Sakaria, bis wohin man 8 Stunden rechnet, von da
nach Kiwa 9 St., Tarakli 9 St., Goinik 5 St. , Moder-
ni 9 St. , Boli 15 St.
8. Strasse von Nicomedien nach Angora.
Sabandscha; Köpri, nahe bey Kiwa (der Geburts-
stadt der Köprilis), Tarakli, Torbali, Goinik, die zwey
Chame Nassuh pascha's, eine Tagreise von einander; Sa-
rilar, Begbasari, Ajasch, Ustumus, Angora.
9. Strasse von Brussa nach Bergama.
Kara agatsch, der See von Ulubad, Omar, Balikess-
ri, Bardakdschi, Tarhala, David, Beludschik, Bergama.
1o. Strasse von Brussa nach Smirna.
Michalidsch nach Ilibat, Susighirlighi, wo ein Fluss
übersetzt wird, der Pass von Mendhuria , Kurigöle-
dschik, Basch Kulumber, Balamut, Magnesia, Smyrna.
11. Strasse von Brussa nach Kutahja.
Akssu, das Thal des schönen Wassers dieses Nah-
mens; Aimegöl, auf einer weiten Fläche, oder nach
dem Chan von Kurschunli, Gümisch, und dann längs
des Gebirgs bey Tomamidsch nach Kuahja.
12. Strasse von Brussa nach den Dardanellen. Heeresstationen.
Von Brussa nach der Wiese Begliktschairi 3 Stunden;
hier beginnt der See von Ulubad, die Gärten von Kara
aghadsch 6 St. , die Brücke von Ulubad 24 St. nahe bey
Michalidsch. Saribeg, mahe bey Kermasti, 4 St.; Sal-
dir, mahe bey Biledschik; Agatsch, nahe bey Manias,
4. St.; dann zur hölzernen Brücke bey Körpe. Budian,
nahe bey Kuman, 4 z St.; die Brücke bey Gögerdschin-
lik 6 St; Dimitoka 3 St., vom Meere entfernt 6z St.;
Kurudere 4. St.; Kuredschi, nahe beym Meere, 6 St.;
Tschartak, gegenüber von Gallipolis, 4 St.; Borghas
4 St.; Sultania, das Schloss der Dardanellen - 5 St.
I n s c h r if t e n.
I.
Zu W i c ä a.
1.
An dem Thore von Jenischehr auf einem Steinblocke.
ATTOKPA.TOPIKAI>APIMAPKILATPHAI (2
KAITHIEP42TNTKAHTM2KAI 24HMMEIIITor
TIIATIKOTOTEAEIOTMAPKE MAINOT.
Aöroxpá?op Kaigap Mäpx69 AUpyAico
Kai 7y 1épä ZuyxAjr. wa 76 4hutz ex rv
Trarxv OöeAsiv MapxeAAivv.
Dem Selbstherrscher Cäsar Marcus Aurelius
und dem heiligen Senat und dem Volke
unter dem Consularen Velejus Marcellinus.
2.
An dem Landthore, wo das Wasser in die Stadt fliesst.
Ill69IKOTIGEOTNEPOTAAIIOTONM2TIIIIIIANM2.
(IIap)Sxv Gev Nepova Axoyovao Tpanavao
Dem Sohn des Parthischen (Trajans)
Enkel des göttlichen Nerva, dem Trajanus (Hadrianus).
- -
- - 3. -
-
Eben da hoch in der Mauer.
XELA1APxoN4Er. 14. TEMIN.
xelaarxon 4erie. Enttr
TaN.SEB. EnApxE42TAAA42 .
AKTITANIKH S. EITIKHN SQN
EHITP. En4pxEIASMrSIA-
TH> H.ATMN. EIIITP. EIIAPX EIA S.
IINAHH> . EIIITP. z/OTH. EITAP
X EIA S. z/A-17/TATIA-F. HAII STPI
>'. EIIITP. AOTHHNAPION
A_1_ME>> ANZ/PLA2TOTIZIOT"
-MOTO Y"
AOTHHNO SAPXE-1AO STON
q5LMON.
X1A1apyov Asy. 1ö. *) yeuv.
XAapyov Asy. e. *). Exzpoxor
7aov séßarcov éxapye1as TuAAaas
Axvarav1xys Err1 xyvsov
Ex17poxov erapYeas Mvsas
7ys xarco Errpoxov exapxenas
– vaxys Ex17porov zJouxyvapov Exap
Xias 4a Apuaraas zaa Ispas
Ex17porov zuxyvaplov
AAAessavöpnas 7b 1óus
Zloyv
T. Avxyvos ApyeAaos rov
P1Aov. -
*) Die XIV. Legion war eine der wichtigsten unter oto- Regie-
rung. Tacit. Anal. II. 54, 56, worein er seine grösste Stärke
setzte. Tacit. Anal. III. 15. et praecipua /ama quartadecima.
An. II. 11. auch 27. 1oo. IY. 79. Y. 14.
Domitores Brittaniae quartadecimanos. Y. 18, 19.
**) Die XV. Legion war in Pannonien gelagert; et quintadecima
legio e Pannonia adjecta est. Tacit. An XY 26. und zog unter
Nero wider die Perser. S. auch Tacit. Annal. I, 41, 55.
Den Obersten der XIV. Legion Gemina,
Obersten der XV. Legion. Vorsteher (Präfecten)
der kaiserlichen Provinz
des aquitanischen Galliens zur Eintreibung der Steuern,
Vorsteher der Provinz des unteren Mysiens,
Vorsteher der Provinz von –
Vorsteher und Ducenarius *)
der Provinz Dalmatien und Istrien,
Vorsteher Ducenarius
Allessandria's, den Freund
hat auf seine eigene Rechnung (hier aufgestellt)
Cajus Ducenus Archelaus.
4.
Auf einem Thurm der Stadtmauer gegen Norden, von innen.
ENGAG9EEIHHPOTPOJIAIONT/2NEX69PM2NIXAIAI> XTN
- - eHP, SAP
EF EIOI q5LM (2XPI>TOIHM (2 NBA S. MEM2NP.F (2N>TANT1.
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KAINH > ANT(2THINIIO MINHAIANANETEIPANTM2ZIATH>
TOTEPTOT
EIIII. MI>E(2>FEI KHIIQNANA STH SANTAI> IITPTONHE
NTINAPIQ
KAIMOX6)./2EIITAHTPQIIIIIIANAL1O2SIIANETZITATPIII.
KOPOTA A A
EvSaôe e. «ypo7porarov 7aov sySpcov 2a. aszyrzypov S a-
p a x ) v Gov
Exeº on p?loyp137o ju«ov ßas Ass Aeov 2a Kovray-ºos ava
*) Ducenarius hiessen die Statthalter (Procuratores) des Kaisers
mit ordentlicher Installirung. Ornamenta Consularia etian pro-
curatoribus Ducenariis indulsit, Suet. Tib. 24.
Aa 2
188
xavysavzo 7yv roAv xa avaveye.pavro da rys rv epys
exxAussos Ex xyrov avaryGavres rupyov xevrºvapco –
xa uoxSo erray7po (exraere) – ava Aos IIavevê rarpuxus
- Kopos ave 9 yx ev.
Hier ist das Todesdenkmahl der Feinde, der unverschämten Saracenen.
Hier haben unsere Christliebenden Kaiser, Leon und Constantinos
die Stadt erneuert und von neuem wieder aufgerichtet, indem
sie wegen des Werkes Verfall diesen Thurm aus den Gärten
wieder herstellten mit einem Centner Gol des *) und siebenjähri-
ger Arbeit.
– anailos Paneuz, der Sohn des Patrikios, erhaute denselben.
5.
Auf dem Obelisken ausser der Stadt.
T. KA S>IO >'qb IAI>
KO>T.PA>>IOTA 2F
KAHIIIOZ/OTOTYTIO>
ZH > A SETHIII"
T. Kaganos pAus
xos T. Ka6G1b
AsxAyzroöorv vios
ëygas ery xy.
Cassius Philiskos
Sohn des T. Cassios Asclepiodotos
lebte 85 Jahre **).
*) Centinarius hiessen mehrere Thürme in den byzantinischen Fe-
stungen, vermuthlich weil ein-Centner Goldes beym Baue auf-
gewendet worden seyn sollte. Ein solcher Thurm, Centenarius,
befand sich auch in der Acropolis zu Constantinopel, den Con-
stantin der Grosse erbaut hatte. Du Cange Constantinopolis
Christiana l. p. II. 124. -
*) Des Vaters erwähnt Tacitus als eines der reichsten Bewoh-
ner Bithyuiens. Idem dies honestum exemplum talis Cassii As-
189
6.
In der Kirche der Vorsicht zu Nicäa, musivisch eingelegt.
ANAZHPATAIO Sº
ZJE>IIOTI> KONTTANTINO S
MONHNIIPONOIA.EAZH
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Aeororys Kovravºruvos
puovyv rpovomas
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69uxAeS rarpuxugo
BvAyry oxvpos
ey reöCo.
-
Der mächtige Kaiser und
Herrscher Konstantinos
hat das ehrwürdige Kloster
der Vorsicht allhier
zum Geschenk gegeben
dem Patrikier Thykles
und Rathsherrn als
Herr des Grundes.
elepiodoti, qui magnitudine opum praecipuus inter Bithrnos quo
obsequio florentem oranum. celebaverat labentem non dese-
ruit. Annal. XAVI. 33.
19e
- 7.
ET(2Z1EFAIZ/E>ITOI
NANEIZ/IAHIONA TOTTON
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Eyo öe xa 4egrova -
Neuöna zenova rou7ov
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os ösGrory öe xupa
7ys o1x1as
Eypaazo AupuGºv
Nxypopos IIapSeviv. "
Ich und die Frau
Neidia haben diese Säule
und den Hauptaltar
hineingesetzt für uns beyde.
Sie als Frau und Herrinn
des Hauses.
Gemahlt (musivisch eingelegt) von
Ammon Nicephoros dem Sohn des Parthenios.
191
II.
AVicom edia.
8.
Auf einem in der Mauer eines Hauses auf dem Berge einge-
mauerten Steine.
AEIO>AEIOTZH> A2 ETHKHTE MEYTH SA SENIIOT(2
Aeos 4ev myGas ery xy 7eAeurycas ev roro. .
Deios, Sohn des Deios, lebte 28 Jahre und starb beym Mahle.
9.
Auf einem gespaltenen Steine nächst der Moschee Orchans.
MATIOIXPI>TININOIT2KAIXPLSTO>INTOEME6A.
IO.
Auf dem armenischen Kirchhafe.
K.KOTPTIO>NEIKOMH„JH2A2INNIAIOTKOTNAH
THA4EA PHZH2A SIETHNBXAIPETE.
K. Kép7uos Nexoujöys Asivvia Ivxévöy
ri äösApj Sy3ägyery vß Yapere.
Quintus Curtius Nicomedes der Asin.ia Jucunda
Seiner Schwester, die 52 Jahre gelebt. Lebt wohl!
1 1.
Eben allda.
HOCINLOCOEYPYALVSTEGITVROPIVND VSEX
ARMIEN s
192
IAIS VIXITANNOSP.MXXV. CVIVSIDEPATRIA
EROSCIVISMI. PIETATEMCVSTODIENSTITVLVM
STATVIT.
Hoc in loco Euryalus tegitur oriundus ex Armenia.
Is vixit annos plus minus 25. Cujus de patria
Eros Civis Majorum pietatem custodiens titulum statuit.
Allhier wird Euryalus (von der Erde) bedeckt.
Aus Armenien gebürtig lebte er beyläufig 25 Jahre.
Eros, sein Landsmann und Mitbürger, hat nach der
Vorfahren frommem Gebrauch ihm dieses Denkunahl errichtet.
I 2.
In einer Gartenmauer, dem Kirchhqfe gegenüber.
CLAVIDIASIATICISEP.VIVOS MONVMEN.SIBIET
SVIS.
Claudii Asiatici Servus Vivos monumentum sibi et suis.
Des Claudius Asiaticus Diener setzte lebend dieses Denkmahl sich
und den Seinigen.
13.
Auf dem Sarkophage Tökelis im armenischen Kirchhofe. -
Hic requiescit ab heroicis laboribus Celsissimus Dominus
Emericus Thökely de Kaesmark Hungariae ac Transyl-
vaniae
Princeps, vir a rebus pro asserenda patria libertate
fortiter
gestis tota Europa celebris - post varios fortunae casus
tandem.
193
extorris inter ipsam renascentis hungaricae libertatis
spem exiit,
simul et vitae finem fecit. In Asia ad Nicomedensem
Bithymiae sinum in suo florum campo. Obiit anno Salutis
17o5 Aet. 47. die 13 Septembris.
-
- III.
Auf der Fontaine zu Tauschandschil.
14.
oEONTO>THNITTEAONE6HKA
IIIKATPO PIMOTATPHAIA
IIINA HAITHTTNAIHIMOTAINA
AHAIBOT MOMAINMETATOHA
KAITHN STNBION/MOT/MHLME
ATATE69HNAIEIZ/ETI>
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MEIo4 KAITH
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Ošovros ryv xveAov e9yxa
–xa 7popy pub AvpyAna
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ara reSyva. Euös rus
– dºse *rposro
7auerov raAavrov * ap xa 7y (roAen)
zov –avov) avº erne.
B b
194
Ich Oxontos habe dieses Grabmahl hierher gesetzt
Für mich und meine Amme (Mutter) Aurelia
und mein Weib Aina, und will darin
mit den Kindern und der Meleatis, die mit mir lebt *),
geleget werden. Wenn jemand anderer
hineingelegt werden sollte, zahle er dem Ärarium
und der Stadt der –aner 15oo"Talente alle Jahre. *
IV.
Zu Mesembria am schwarzen Meere.
15.
Auf einem Altare.
ATAGHTYXH
ATAO>ENE>ATAO>ENO>
AIIOAAM2NITIIEPTH>EATTOP>QTH
PIA SHAITM2NIAIM2NA VIIIE MQNEIII
AKPANETXAPI> TEIANANE69HKEN.
AyaSy Tvyy
AvAoGeves AvAogevos
AroAAov örep 7ys éavrv sory
pnas «an rov önov aureAov ern -
axpav evyapreiav aveSyxev.
Mit gutem Glücke.
Aulosenes, des Aulosenes Sohn
*) Ob diese Meleatis eine Beyschläferinn oder eine andere Haus-
genossinn des Grabmahlsetzers gewesen, ist aus der Iuschrift
nicht klar. -
hat dem Apollo für seine Rettung
und für die seiner Weingärten
zu höchstem Danke dieses gesetzt.
16.
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ACTHCEMAT- Arys spuavru –
EIZ/ETI>– enöe ris –
Z(22SEIIIPO>- öogen rpos
MEIM2ll EKAT. rapuenao" exarov.
Auriolisis
der Bürger meiner selbst willen,
Und wenn wer anderer hier begraben werden wollte,
zahle er als Strafe Talente hundert.
V.
Zu Sºpolis am schwarzen Meere,
auf der Höhe.
17.
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–öpovos Tevépuys Hpop1Av 2ooëopuevos
IovoxareAys Kopvuros Kopvuru.
Carneades Hera –
dea –odoros Sohn; Liknaphoros
des –donos S.; Orobucolos
des – ekis S.; Posedonis, des Estiai – S.;
Nikephos Alexandros, des Aristaenetos S.;
Crateriacos Tertius, des Christus des Archimysius Sohn;
Hermodoros, des Edosos S.;
Dionysos, des Cassius S.;
Polyxenos und Paralion, des Apollonios Söhne;
Demetris, des Protimos Sohn;
Kakleides Papaquadratus, des Telephorus S.;
Philotimos Polykarpos, des Alexandros S.;
Dionysos –os des Kakleides Sohn;
Onesimos Pononostatos Cajus, des Neauders Sohn;
Exochos, des Hermaphilos Sohn;
Zopyros, des Hermes Sohn;
Tejos, des Harpocrates Sohn;
Galarroichis, des Tesatyros Sohn;
Der Archibessarabier Klemyronos Kiotaphiros Tristissimos,
des Telephoros Sohn;
Apollonis, des Artemidoros Sohn;
Lukisandros, des Apollonios Sohn;
Telemachos, der Sohn des ––
Genemes, des Herophilos Sohn;
Sozomenos, des – Sohn;
Kornutos, des Kornutos Sohn.
-
a98
VI.
Inschrjften in der katholischen Kirche
- zu Rodosto.
18.
Hic requiescit, Framciscus Rakoczy Dei gratia electus
Transylvamiae Princeps , partium Regni Humgariae Do-
mimus et Siculorum Comes
aetatis suae XII. a matre avulsus miro Divimae Providen-
tiae ordine per carceres, per exilia , et per varia vitae
discrimima ductus, hic requiescenti matri per mortem
redditus quietem, quam, vivus ignoravit , in Domino im-
vemit.
Ammo Salutis M.D.CC.XXXV. 8. Aprilis aetatis suae LIX.
19.
Sta viator
Et mirare sub hoc pedali lapide, magni cordis heroem
in sago , alti consilii sematorem in toga, praestantem
patriae civem im regmo. Im Ecclesia Dei Religios. Catho-
licum, In exilio fidelissimum Principis sui Achatem ,
Illust. et Excell. Comit. Nicolaum Bercsemi , qui olim
im Hungaria Serem! Primcipis Francisci II. Rakoczii ,
Confoederatorum Regni Hungariae Statuum Ducis Lo-
cumtemens et Exercituum Supremus Gemeralis, Primus
Semator et Comitatus de Unghwar Sup. Comes. Tot titu-
lis clarus, tot meritis gloriosus, mumc alieno sub pu-
gillo terrae tectus, et mortuus exulat.
199
Himc disce viator.
vicissitudinis humanae conditionem esse mil fixum, mil
perenne in exilio suo habere. Mortuus est mundo om-
nibus mumitus ecclesiae sacramentis Rodosti de Riuos.
anno MDCCXXV. aet. LXI. Sed quod vivit coelo, ejus
exemplaris pietas in vita, generosa aequanimitas in exi-
lio, longa patientia in morbo, brevis sed fortis cum pie-
tate luctus in morte, luculentum testimonium relinquit
posteris.
Abi viator.
nom immemor pie defunctiac meditare, his armis non-
nisi expugmari coelum.
2O.
Hic in terra extranea, post varios fortunae casus re-
quiescit Dominus Nicolaus Sebrik de Szarvaskend. Nob.
Hungarus, Serenissº Francisci II: Rakoczii, Transyl-
vaniae Principis Aulae Praefectus. In adversis, sicut in
prosperis, constanter inconstantem ejus sortem secutus,
exul cum exule Domino, anno VIP: ab ejus obitu mense
post gravem V. annorum infirmitatem LXII. circiter an-
nos natus, occubuit Rodostii ad Propontidem VII. Oct.
MIDCCXXXV.
21.
* -
Hicjacet Comes Antonius Eszterhazy de Galantha; Prin-
cipum Pauli Eszterhazy Hungariae Proregis et Emerici
Tökely non degener nepos. Qui primum Imperii duce
aquila Ottomanam lunam impetens, casu fatali captus
in turrim byzantinam carcere celebrem ductus est. Inde
ubi obscurabatur, ut splendidior assurgeret eluctatus,
2oo .
Framcisco II. Ragoczio Transylvamiae Principi adversus
Leopoldum I. Imperatorem adhaesit pro libertate Hum-
gariae vindicanda, invicto animo , . sorte tamem hic quo-
que sibi minus aequa dimicavit, quem vis potestatis ex-
torrem patriae , exulem Thraciae accolam fecit, fugien-
tem fortunam secutus im Propomtidis littore stetit gra-
dum , ubi alternamtibus fugitivi mumdi bonis ac malis
eruditus , veraciter agmovit militiam esse vitam hominis
super terram. Expleto Belliducis munere , ad promerita
durae militiae praemia suscipiemda a Domino Exercituum
et Primcipe Regum terrae educatus obiit ammo aet. XLVI.
salut MDCCXXII. 4. Aug. Hoc peremme filialis obser-
vantiae Monumentum posuit
' Comes Valentimus Eszterhazi.
- - - – Grabdenkmale. Baeder.
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Andere m erkwürdige Orte.
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z. 7 Zo-z. ..zc/ºzzzz// /es We//osse.
% Z / zzzzzzzzz. /z/%zsze, zzaz zz/azzze
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% & ZDzzzzzea/czz / MZ.zez-
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Alpen der Turkomaren Jaila
z. / z%z% zzazzeºzze z.
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Z. ... Aeza/ L//zzzzz// % / sºzzzzzzz /-
Cº. Zzz%%/ / Jazzez /
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YON NICONCED N UND NODANIA .
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§ - - - - ** - Ze/a&see
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