--- title: Z227305201 author: source: publication-date: layout: narrative --- >< N VAVEN NATIONALBIBLIOTHE 818 7 0 Österreichische Nationalbibliothek +Z227305201 1 078 8 – A Des Pinzgauer Baners Johann Eder vom Ebengute in Alm Pilgerreiſe nach Jeruſalem und MTom im Jahre 1856, nach Maria Zell im Jahre 1857. Zn 2 Abtheilungen. Nach deſſen Erzählungen und Aufſchreibungen zuſammengeſtellt. Salzburg, 1862. Druck der Endl & Penker'ſchen Buchdruckerei, In halt. I. Abtheilung. Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom. Seite 1. Mein Entſchluß. . . . . . . . . 1 2. Meine beſondere Meinung. . . . . . . . . 2 3. Abſchied von der Heimath. . . . . . . 6 4. Aufenthalt in Salzburg. . . . . . . 9 5. Reiſe nach und Aufenthalt in Linz. . . . . 11 6. Aufenthalt und Betrachtungen in Wien. . . . 14 7. Fahrt von Wien nach Trieſt und auf dem Meere. 20 8. Von Smyrna dem heil. Lande zu. . . . . 27 9. Jeruſalem. • • • • • • • • e. 34 10. Nazareth. . . 46 11. Abreiſe nach Alexandria in Afrika und von da nach Rom. 51 12. Ankunft und Aufenthalt in Rom. . . . . 13. Abreiſe von Rom in die Heimath. . . . . 64 14. Zum Schluſſe. . . . . . 4 . » 71 II. Abtheilung. - Wallfahrt nach Maria Bell. I. V er anlaſſung zu dieſer Wallfahrt. 1. Ein Verlobniß. • • • s . . . » 77 2. Meine Anſicht über das Wallfahrten. . . . 77 3. Eintritt in die Steiermark. . . . . . . 80 II. Zuſammenkunft und Geſpräch mit ein cm proteſtantiſchen Bau er. 1. Diskurs über Oekonomie. . . . . . . 81 2. Uebergang desſelben zur Religion. . . . . 82 3. Das neue Bethhaus mit Thurm und Glocken. . 83 4. Der Religionswechſel. . . . . . . . 84 5. Rückſicht auf Familien-Verhältniſſe. . . . . 86 6. Ob die Proteſtanten das Rechte haben ? . . . 89 7. Ueber Luther's Verbeſſerung. . . . . . 92 Seite 8. Ueber deſſen Angriffe des Papſtes. . . . . 96 9. Allerlei Dinge, die den Proteſtanten an uns Katholiſchen nicht gefallen: . . . . a) fünfzehn Gebote Gottes; b) übertriebene Verehrung Mariä; c) ebenſo der Heiligen. 10. Ueber die Gelehrſamkeit der katholiſchen und proteſtantiſchen Geiſtlichen. e » . . . . . . . 105 11. Ueber den Stolz der katholiſchen Geiſtlichen. . . 110 12. Trennung vom Weggefährten. . . . . 113 III. Betrachtungen. 1. Ueber die letzten Worte meines Weggefährten. . 114 2. Ueber den Unglauben der Proteſtanten an die Gegenwart Chriſti im allerheil. Altarsſakramente außer dem Empfange desſelben. . . . . . . . . . 116 3. Ueber den Mangel des heil. Meßopfers bei ihren Gottes- dienſten. . . . . . . . . . . . . 121 4. Allerlei Einfälle : . . . . . . . . 127 a) Warum manche Hochſtudirte nicht zum katholiſchen Glauben gelangen ? b) Warum die Proteſtanten eine größere Beredſamkeit haben als die Katholiſchen ? c) Das glückliche Leben der Andersgläubigen in der Welt? d) Ob ihnen ihre guten Werke nicht in den Himmel ver- d s» d e" helfen ? 5. Die Ketten Petri. . . . . . . . . 135 IV. Maria Zell. 1. Dorf und Kirche. . . . . . . . . 136 2. Die Schatzkammer. . . . . . . . . 139 3. Die Wallfahrten. . . . . . . . . 141 4. Schlußpunkt. . . . . . . . . . 143 1. Abtheilung. Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom im Jahre 1856. 1. Mein Entſchluß. Seit vielen Jahren hatte ſich meiner die Sehn- ſucht bemächtigt, als Pilger die heiligen Orte, Je- ruſalem und Rom, zu beſuchen; und ſie ſtarb im Verlaufe der Zeit nicht nur nicht ab, ſondern wurde immer lebendiger. Im vorigen Jahre den 29. Mai am Pfingſt- dienſtage kam der Hochw. Herr Joh. A. Kaltner, Pfarrkurat im löbl. St. Johanns-Spitale zu Salz- burg, als Pilger auf ſeiner Rückreiſe von Jeruſalem hieher nach Alm, und hielt in unſerer Vikariatskirche, wo der letzte Tag des 40ſtündigen Gebetes gefeiert wurde, das hl. Hochamt und Nachmittags den Schluß der Andacht mit Predigt, Vesper und Prozeſſion. Die- ſes Hochwürdigen Herrn glücklich vollendete Pilger- reiſe trug nicht wenig bei, daß ſich in mir der völlige Entſchluß entwickelte, die Pilgerfahrt bei nächſter Ge- legenheit zu unternehmen. Als daher für das heurige Jahr der Aufruf zur Pilgerreiſe nach Jeruſalem von dem löbl. Severinus- Vereine zu Wien in öffentlichen Blättern erſchien, machte ich meine Schritte zur Ausführung meines Vorhabens. ' Ich berieth mich vor Allem mit meinem Herrn Seelſorger, der mir Alles, wie es ſich gebührte, vor- ſtellte. Hieraus ergab ſich, daß mein Entſchluß feſt 1 – 2 – ſei, daß durch die Pilgerreiſe in meinen Lebensver- hältniſſen auch nicht eine Rechts- oder Liebespflicht verletzt werde, und daß man zuverläſſig annehmen könne, es ſei der Wille Gottes. Mit warmer Theilnahme war mir der gnädige Herr Bezirksvorſteher zu Saalfelden, Martin Zehrer, zu allem Nothwendigen und Nützlichen verhilflich, und bereitwilligſt ward mir vom Centrale des löbl. Se- verinus-Vereines die Aufnahme in die Pilgergeſell- ſchaft zugeſagt. Mit dem Nothwendigſten verſehen, traf ich zur Reiſe keine weitläufigen Vorbereitungen; ich zog mein Pinzgauer-Feſtkleid an, worüber ich ſpäter nicht ſelten die Beobachtung machte, daß ich in meiner Nationaltracht in fernen Ländern und Städten keine unliebſame Erſcheinung war. 2. Meine beſondere Meinung bei der Pilgerfahrt. Als ich beſchloſſen hatte, in's heilige Land zu pilgern, da kommen meine Freunde rings umher und fragen? „Was drängt dich denn, eine ſo gefährliche und weite Reiſe zu machen?“ Ich kann ihnen nichts anders antworten, als: „Sehet, ich habe dieſe Reiſe ſchon 14 Jahre im Herzen – es drängt mich dazu Sehnſucht und Dankbarkeit gegen Gott und ſeinen eingebornen Sohn Jeſus Chriſtus und deſſen unbe- fleckte und jungfräuliche Mutter Maria – und ich – 3 – bitte euch, meine lieben Freunde! um euer Gebeth, und verſpreche auch euch Allen das meinige.“ Weil ihr euch nun damit ſchon zufrieden gebt, und mir herzlich die Hand drücket, ſo muß ich euch doch auch noch meine geheime Abſicht und beſondere Meinung ſagen, die ich nach meiner bäueriſchen Weiſe bei dieſer Pilgerfahrt habe: Ich denke und verlange, daß ich der hl. Familie auf ihrer Flucht nach Egypten den Eſel abgeben köunte. Heißt es ja dort und da in der Welt: „Du dum- mer Bauerneſel.“ Und ja! mein guter alter Schul- lehrer, Gott hab' ihn ſelig! hat mich ſchon als Schul- buben ſo titulirt, und ich nehm es ihm nicht übel, denn damals habe ich anfangs gar nichts erlernt, und erſt, nachdem ich eine Wallfahrt nach Embach zu Maria im Elend verlobt hatte, iſt es beſſer gegangen, und habe doch das Wenige erlernt, was ich jetzt kann. Mir ſteht nichts beſſer zu und an, als der Pflug, die Senſe und die Hacke, die von Gott in meine Hände gelegt worden ſind – und ſo denke ich, möchte mich doch die heil. Familie, Jeſus, Maria und Joſeph, auf meiner Pilgerreiſe als ihr Laſtthier, als ihren Eſel brauchen können. Wie aber, meine lieben Freunde! kömmt euch dieſes als ein gar zu eſelhaftes Verlangen vor? Was iſt aber mehr, wenn der Menſch für Gott ein Eſel wird, oder wenn Gott für den Menſchen Menſch wird? Ich halte dieſes Verlangen, daß mich die hl. Fa- milie zu ihrem Eſel annehme, nicht für gering, ſon- dern für etwas Großes; und ich für nur es wird Z – 4 – nicht erfüllt, wenn ihr, meine Freunde! nicht recht und beſtändig für mich betet. Die heil. Familie kann kein ſtolzes und ſich bäu- mendes Pferd brauchen, ſondern einen ſanften und demüthigen Eſel. Aber wie wenig erlerne ich Sanft- muth und Demuth! Die Demuth, von welcher der heilige Auguſtin ſagt: daß ſie das Erſte, das Zweite und das Dritte in unſerer heiligen Religion iſt. O ich möchte den Eſel beneiden um dieſe ſeine Eigenſchaften, die ſo nothwendig ſind für meine unſterbliche Seele, und um der heil. Familie zu ge- fallen! Als ſich tiefes Schweigen verbreitete, und die Nacht in der Mitte ihres Laufes war, und die Gna- dengeburt geſchah, von der geſchrieben ſteht: „Und ſie (Maria) gebar ihren erſtgebornen Sohn, wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für ſie war“, da hörte man keinen Kanonenſchuß und ſah auch nicht eine andere weltliche Feierlichkeit; aber den Ju- belton vom Himmel vernahmen die Hirten: „Ehre ſei Gott in der Höh' und Friede den Menſchen auf Erde, die eines guten Willens ſind“: und ein Eſel wurde gewürdiget, das neugeborne Kind zu bedienen, und es mit ſeinem Athem zu erwärmen. O wie ſelten und wenig erwärme ich meinen Jeſus, den Sohn Gottes und Mariä, mit meinen Liebesſeufzern und mit den Werken der Nächſtenliebe. Da die hh. drei Könige von der Anbetung des Kindes Jeſu hinweggezogen waren, ſiehe da erſchien der Engel des Herrn dem Joſeph im Schlafe und – 5 – ſprach: „Steh auf und nimm das Kind und ſeine Mutter, und flieh nach Egypten, und bleib allda bis ich dir's ſage. Denn es wird geſchehen, daß Herodes das Kind ſuchet, um es zu tödten.“ Und er ſtand auf, nahm das Kind und ſeine Mutter bei der Nacht, und zog fort nach Egypten. Heiliger Joſeph! wenn du da einen Menſchen - gebeten hätteſt um ſeine Begleitung und Dienſte, würden nicht unter zehn neun geſagt haben: ich kann mit euch nicht ſo weit hinziehen; ihr ſeid arm und könnt mir nichts oder nicht genug geben – oder vielleicht gar: müßte ich mich nicht ſchämen, mit einer ſolchen Familie zu reiſen, die ſich aus dem Lande flüchten muß und dergl.: – und ſiehe, das Eſelein geht mit, trägt das Kind und ſeine Mutter, und hat keine Rückſichten, Hinderniſſe und Ein- wendungen. O du furchtſames und in die Welt vernarrtes Menſchenherz, wie oft läßt du dich von der Liebe Gottes und des Nächſten, von dem Dienſte Jeſu und Mariä abhalten. Mußt du dich nicht ſchämen vor dem Eſel auf der Flucht der hl. Familie nach Egypten? Selbſt als der Herr ſeinen feierlichen Einzug nach Jeruſalem halten wollte, ſchickte er zwei Jünger ab, daß ſie einen Eſel losbänden und ihm zuführen. O Jeſus! laſſe auch mich losbinden und mich dir zuführen. Losbinden von meinen Sünden, losbinden von aller unordentlichen Liebe zur Welt und ihren eitlen Dingen, damit ich nur in und mit dir in Jeruſalem einziehe. – 6 – Darum, liebe Freunde! betet für mich recht und beſtändig, daß ich als Eſel der hl. Familie meine Pilgerfahrt vollbringe. Aber nicht bloß um einen ſol- chen Einzug ins irdiſche, ſondern auch wenn der Herr ruft, ins himmliſche Jeruſalem. Ich verſpreche euch, wenn es Gottes Wille iſt, daß ich in das hl. Land gelange, euerer an den geheiligten Stätten in aller Liebe zu gedenken. Gelobt ſei Jeſus Chriſtus, in Ewigkeit, Amen. Und O Maria! Auf der Wallfahrt zum hl. Land Reiche mir Pilger die Mutterhand; Und wenn mit Maria ich gehe, Sie liebend als Mutter erſehe, Dann ſchenket der Glaube Dem Pilger den Stab, Dann ſteigt er mit Liebe Und Hoffnung in's Grab. 3. Abſchied von der Heimath. Bei den Beſuchen von nah und fern vor meiner Abreiſe, welche mir beinahe Tag und Nacht keine Ruhe ließen, erhielt ich ſo viele Empfehlungen, Ge- betserbittungen, Küſſe und Grüße für Jeruſalem und das hl. Land mit, daß ich müßte ein wunderbares Gedächtniß gehabt haben, um ſie alle einzeln zu be- wahren. Ich ſchloß Alles in mein Herz ein, und legte es in den Schooß Mariä, erfreut über ſo rege und – 7 – fromme Theilnahme, und geſtärkt durch die Zu- ſicherung des Gebetes für mich. Endlich kam der 1. Februar, der beſtimmte Tag zur Abreiſe. Gegen 6 Uhr früh ging ich mit meiner Schwe- ſter Katharina in meine Mutterkirche, um der hl. Pilgermeſſe beizuwohnen, die hl. Kommunion zu em- pfangen, und den kirchlichen Pilgerſegen, wie er im Rituale vorgeſchrieben iſt, zu erhalten. Darauf be- gleitet mich der Herr Vicar zur Todtenkapelle, um auch von den Lieben jenſeits chriſtlichen Abſchied zu neh- men, und beſchloß das Ganze mit einem Bruderkuſſe im Herrn. Nach eingenommenem Frühſtück im Vicariats- hauſe, und nachdem ich meine gute Schweſter, die ſich von mir nicht zu trennen können glaubte, beinahe mit Gewalt hätte zurückweiſen müſſen – was mir ſehr ſchwer fiel –begab ich mich bei heftigem Schnee- geſtöber aus meinem heimathlichen Thale nach Schloß Farmach zu dem Herrn Bezirksvorſteher. Dieſer lie- benswürdige Herr machte mir mit Weihwaſſer an dem Finger das Zeichen des Kreuzes auf die Stirne, wie ein Vater ſeinem Sohne, und ſprach die aufrich- tigſten Glückwünſche über mich aus. Es ermuthigte mich dieſes recht ſehr, denn ich konnte nun überzeugt ſein, daß mich nicht nur der Segen der geiſtlichen, ſondern auch der weltlichen Obrigkeit begleite. Neuer- dings ſprach es mir zu: Gehe, gehe, es iſt Gottes Wille. Nun eilte ich in die Pfarrkirche zu Saalfelden, wo auch noch insbeſondere für mich eine hl. Meſſe – 8 – geleſen wurde, und begab mich dann von da hinweg völlig unbemerkt nach Schörhof, einem Wirthshauſe an der Landſtraße. Dort ereilte mich ein guter Freund, Johann Herzog, Beſitzer des Ritzen-Gutes in Saalfelden; und es kam auch Herr Frühmeſſer Gutfelder daſelbſt mit unſerm Herrn im a. h. Al- tarsſakramente an, um den alten Wirth zu verſehen. Bei dem Segen, den uns der Prieſter mit dem Al- lerheiligſten gab, gedachte ich der Jünger, die nach Emaus gingen und denen ſich der Herr beigeſellte. Freudigen Dank empfand mein Herz für dieſe unerwartete Gnade auf dem Wege, und in dieſer Ge- müthsſtimmuug ging es nun den Hohlwegen zu, welche aber alſo mit vielem Schnee belegt waren, daß ich nur langſam vorwärts kam, und deßwegen auch erſt bei der Nacht den Wallfahrtsort Kirchenthaler- reichen konnte, wo mich Titl. Herr geiſtl. Rath und Regens Joſeph Bruggev mit Freuden aufnahm und über Nacht behielt. Es wurde aber wenig geſchla- fen, denn ein großer Theil der Nacht verging unter Pilgergeſprächen, beſonders mit Herrn Wall- fahrtsprieſter Nik. Scharler. Tags darauf – am Maria-Lichtmeßfeſte – wohnte ich in Kirchenthal dem hl. Gottesdienſte bei, und kam dann beilich um 10 Uhr nach Lofer, wo ich den Stellwagen beſtieg. Auf dieſem erhielt ich mitunter auch einen welt- lichen Herrn zum Geſellſchafter, in deſſen Aeußerun- gen und Bemerkungen über meine Pilger-Reiſe ich ſchon nicht mehr die Spuren der lieben und frommen Theilnahme meiner heimathlichen Herren fand. Doch – 9 – dieß brachte mich nicht aus der Faſſung – ich ge- dachte der Worte des Pſalmiſten: „Wie ein Schild umgibt dich die Wahrheit des Allerhöchſten. Du darfſt nicht fürchten nächtlichen Schrecken; nicht den Pfeil, der am Tage fliegt; nicht das Ding, ſo im Finſtern wandelt; nicht den Anfall des mittägigen Teufels . . . . Auf Nattern und Baſilisken wirſt du wandeln und zertreten Löwen und Drachen.“ Abends kamen wir in Salzburg an, wo ich bei meinem Freunde Franz Reiſchl, Parapluimacher, übernachtete. 4. Aufenthalt in Salzburg. Am 3. Februar übergab ich ein Schreiben von meinem Hochw. Herrn Vikar, Leopold Kravogl, dem Hochwürdigſten Fürſterzbiſchofe Maximilian, unſerm allgeliebten Oberhirten, Höchſtwelcher mich liebevollſt aufnahm, wie ein Vater ſein Kind; und den Herrn Pfarrer Kaltner rufen zu laſſen geruhte, um mit die- ſem über meine vorhabende Pilgerreiſe zu ſprechen. Wenn ſich die niedern und hohen Herren alſo ver- einigen, um einen Bauern nach Jeruſalen auf Er- den zu bringen: wer kann ihre Thätigkeit bemeſſen, uns ins himmliſche Jeruſalem hineinzubringen? Auf Mittag war ich von dem hochverehrten Herrn Hepperger geladen, wo auch deſſen Herren Söhne zu- gegen waren, von denen der Jüngere k. k. Rittmeiſter und der Aeltere k. k. Hauptmann iſt. Dieſer Herr, der k. k. Hauptmann, ſchenkte mir ſeine Seiten- taſche, welche er bei den feindlichen Gefechten und Schlachten in Ungarn umhangen hatte, zu meiner Pilgerfahrt nach Jeruſalem, die mich unausſprechlich erfreut, und die ich, ſo Gott will, nach Hauſe bringen und als einen Hausſchatz bewahren werde. O wie war mir einfältigem Pinzgauer-Bauern bei dieſer anſehnlichen Familie gut! Mich verwirrte nicht das Herrliche, denn es leuchtete aus Allem die Liebe in Chriſto heraus, welche hoch und nieder vereiniget und erfreut. Bei dem hochw. Herrn Chorvicar v. Zehendter und Herrn Pfarrer Kaltner war ich ebenfalls und mehrmal eingeladen, und letzterer Herr verſchaffte mir als St. Johanns-Spitals-Seelſorger gegen mein mich überkommenesUnwohlſein die trefflichſten Arzeneien. Da um dieſe Jahreszeit – den Faſchingtagen der Welt – gerade das Stundgebet in der Colle- giumskirche gefeiert wurde, erhielt ich durch den Be- ſuch desſelben vielen Troſt in meinem kränklichen Zuſtande und Stärkung zu meinem großen Vor- haben. Ich ſuchte, und fand. Wie man es doch bei der Anbetung des heiligſten Altarsſakramentes er- fährt, daß unſer Herr Jeſus Chriſtus treu in ſeiner Verheißung iſt: „Kommet zu mir Alle, die ihr müh- ſelig und beladen ſeid, ich will euch erquicken.“ Am 5. Februar hatte ich das Glück, bei dem Hochwürdigſten Fürſterzbiſchofe in längerem Ge- ſpräche zu verweilen, welches Hochderſelbein ſolchen liebevollem Ernſte mit mir zu führen geruhte, daß es mich an das Geſpräch des Herrn mit Nikodemus er-- innerte. Ich weiß wohl, daß Nikodemns kein Bauer war, aber ich weiß auch, daß dieſer Rathsherr da- – 11 – mals nicht viel Wiſſenſchaft und Rath in den Din- gen des Heiles beſaß. - Am 9. Februar wurde ich durch den hochw. Herrn v. Zehendtner zum Herrn Guggenbichler geladen. Auf dieſen alten Herrn machte ich als Pilger einen freu- digen Eindruck, den er dadurch zeigte, daß er ſich mehrere Stunden Zeit nahm, mit mir zu ſprechen; daß ich mit ihm die Leiche des ſeligen Domherrn und Konſiſtorial-Rathes Joh. Nep. Wolf zu Grabe be- gleiten mußte; daß er in der Franziskaner-Kirche eine hl. Meſſe um glückliche Reiſe für mich beſtellte und mir als Pilgergabe einen Dukaten ſchenkte, deſſen Nichtannahme ihn beleidiget haben würde. Am 10. Februar, dem erſten Faſtenſonntag, kam ich zum letzten Male zu unſerm Hochwürdigſten Fürſterzbiſchofe, nachdem Hochdieſelben ſich früher ſchon viermal zur Unterredung mit mir herabgelaſſen hatten. Ich erhielt auch von Sr. Hochfürſtlichen Gnaden Maximilian, Höchſtwelcher mit aller Umſicht für mich beſorgt waren, wie eine Mutter bei der Ausſtattung ihres Sohnes zu einer weiten Rieſe, ein hohes Empfehlungsſchreiben und zuletzt den mir un- vergeßlichen oberhirtlichen Segen. An dieſem letzten Tage meines Aufenthaltes in Salzburg mußte ich mich noch einmal beim hochw. Herrn Pfarrer Kaltner einfinden. 5. Reiſe nach und Aufenthalt in Salzburg. Am 11. Februar, Montags um halb 5 Uhr früh wurde in der Franziskaner-Kirche von dem Hochw. P. Guardian die für mich, wie oben erwähnt wor- – 12 – den, angegebene hl. Meſſe geleſen, wobei ich die hl. Communion empfing. Herr Guggenbichler und Herr Georg Wimmer, fürſterzbiſchöflicher Kammerdiener, begleiten mich bis zum Traubenwirth. Herr Wim- mer ließ mir Kaffee geben. Endlich kam die Abfahrts- zeit. Um ein Viertel nach 5 Uhr beſtieg ich mit gerühr- tem Herzen, aber voll Vertrauen den Wagen, der nach Lambach fuhr. Mein Gott! welche Gefühle durchkreuzten da nicht mein Herz ! aber alle be- herrſchte die Zuverſicht, daß mich als Salzburger der Segen meines hl. Landespatrones Rupertus, den ich durch ſeinen Nachfolger Maximilian erhalten, be- gleiten und führen werde, wie Raphael den Tobias, in allen Ländern und bei Allem, was da kommen mag. Am 12. Februar früh zu Lambach las ich in mei- nem Tagzeitenbüchlein die Worte: „Verlaß dein Va- terhaus und Alles, meine Seele! denn der König wird nach dir verlangen.“ Der Wirth und ſeine zwei Töchter kamen zu mir und fragten mich, was ich da leſe? Ich legte ihnen die wiederholten Worte in Anwendung auf mein Vorhaben aus. Dieſe guten Perſonen zeigten herzliche Freude und Theilnahme und wir nahmen freundlichſten, ja wie aus einem lange geliebten Hauſe Abſchied. Von Lambach wurde die Reiſe auf der Eiſen- bahn fortgeſetzt, und um 11 Uhr kamen wir in Linz an, gerade zur rechten Zeit, um einem h. Amte bei ausgeſetztem hochwürdigſten Gut beiwohnen zu können. Ich wurde dadurch ſehr gerührt, daß dabei alles Volk ſang, welche Uebung in unſerem Erzbis- thume nicht Statt findet. – 13 – Nach dem Wunſche meines hochw. Herrn Vi- kars zu Hauſe beſuchte ich den Hochw. und gnädi- gen Herrn Joſeph Strigl, Domherrn und Direktor des Prieſter-Seminars alldort, welcher mich auf die freundlichſte Weiſe aufnahm, zum Mittagsmal ein- lud, und mich über Nacht behielt. Iſt man der Geiſtlichkeit empfohlen, ſo kömmt man richtig in keine Fremde. - Am 13. Februar verlebte ich den Tag mit Auf- enthalt bei dieſem Hochw. Herrn, welcher Pilger- Präſes iſt für dieſes Jahr. Seiner Baſe gab ich ein Muttergottesbild von Alm, meiner Heimath; und ſie nahm es freudig an. Ich hatte darüber ein heiliges Vergnügen. Am 14. Februar ging ich mit einem Herrn Prie- ſter-Alumnes, Gotthard Landerl, auf den Berg Ma- riens, wo ein neues Jeſuitenkloſter und ein Knaben- Collegium ſich befindet, errichtet vom Erzherzog Ma- ximilian. Es wurde ein großes Bild gezeigt, nach welchem die Aufrührer im I. 1848 in ihrer ſchreck- lichen Wuth ſtachen, und ſtatt dem abgebildeten Je- ſuiten einen Engel trafen. Nach einem ausgezeichnet freundlichen Empfange wurde daſelbſt ein für mich Pilger paſſendes Lied geſungen. Abends kam ich mit Hochw. Herrn Alumnus, meinem bereitwilligſten Be- gleiter zurück in das löbl. Prieſterhaus. Hier erlebte ich eine große Freude; denn ich war eingeladen wor- den, das wunderſchöne Transparent zu ſchauen und die rührendſten Abſchiedslieder anzuhören, welches Alles zur Verehrung des geliebten Herrn Prieſter- haus-Direktors Strigl bei deſſen naher Abreiſe als Pilger-Präſes nach Jeruſalem veranſtaltet war. Ich als Pinzgauer - Bauer mitten unter die- ſen Herrn und Herrlichkeiten kam mir ſelber etwas ſonderbar vor; und ich meinte, ich ſei damit zu meiner Pilgerfahrt auch ein wenig eingeweiht worden. Des andern Tages, 15. Februar, war ich wieder auf Mittag zur Pilger-Abſchiedstafel im löbl. Prie- ſterhauſe geladen, wobei die Herren Alumnen ein überaus ſchönes Lied ſangen. Nachmittags ging ich auf Anrathen des Titl. Herrn Pilger-Präſes zum Hochwürdigſten Herrn Biſchofe. Hochderſelbe nahm mich mit aller Freundlichkeit auf, ſegnete mich, gab mir ein Hirtenſchreiben und ein Bild. Darnach wohnte ich der Abendandacht bei, welche hier in der Faſten täglich um 4 Uhr mit Predigt und hl. Segen mit dem hochwürdigſten Gute gehalten wird. Es iſt der letzte Tag meines Aufenthaltes in Linz. Dieſe ſchöne Stadt an der Donau gefiel mir ſehr wohl; ſie wird mir aber auch deßwegen unver- geßlich bleiben, weil ich in ihr ſo viele Liebe, Freude und Auferbauung gefunden habe. Vergelte es Gott! 6. Aufenthalt und Betrachtungen in Wien. Samstags den 16. Februar fuhren wir mit dem Dampfſchiffe nach Wien. Ich konnte nicht genug ſchauen; und unter lauter Schauen iſt mir die ganze Fahrt kurzweilig vorgekommen, als es hieß: „nun iſt es die letzte Station und zum Ausſteigen“. Mit einem Fiaker fuhren wir zum Matſchagger- hof. Die Herren gingen in das Abſteige-Quartier – 15 – hinein; mir Unbehiflichen und Langſamen aber kam es vor, als ſei kein Platz mehr für mich – und ich ſtand in der großen Kaiſerſtadt, bei der Nacht, allein, verlaſſen, verblüfft und ängſtlich da. So aber konnte ich doch nicht bleiben, und nahm mir endlich den Muth, in das große Gebäude hineinzugehen. Ich kam über zwei Stiegen hinauf. Da begegnete mir ein Bedienter und fragte mich, was ich wolle. Ich er- klärte ihm, daß ich zur Pilgergeſellſchaft gehöre und dabei ſein will, ſollte ich auch auf dem Boden lie- gen müſſen. Nach dieſer Aufklärung wies mir der Mann lächelnd und mit aller Freundlichkeit ein herr- liches Zimmer an. Zuletzt entwickelte ſich die Sache ſo, daß Herr Dr. med. Riedlinger kein Nachtquartier habe, und derſelbe froh ſein mußte, wenn ich ihn aufnähme, worüber die ganze Geſellſchaft herzlich lachen mußte. Der Doktor und der Bauer aber wurden gute Freunde. Am 17. Februar (2. Faſtenſonntag) begaben wir uns zu Sr. Eminenz dem Hochwürdigſten Cardinal und Fürſt - Erzbiſchofe Rauſcher. In liebevollſter Herablaſſung ſprach dieſer hohe Kirchenfürſt unter anderm auch, daß in Jeruſalem ein Pilgerhaus er- baut werde, was anfangs auf Hinderniſſe ſtieß, indem der Patriarch in Jeruſalem ſelber nicht einſtimmig geweſen, zu welchem ſchönen und edlen Vorhaben aber nach der Hand der hl. Vater in Rom geholfen habe. Am 18. Februar beſuchten wir das großartig neu erbaute Zeughaus, wo die verſchiedenſten Ma- ſchinen zu ſehen ſind: das war mir ja eine fremde Welt, ich verſtand nichts davon. Von da weg begab ich mich zu dem Herrn Miniſterial- Concipiſten Joſ. Vorderegger, an den ich von Herrn Dechant in Taxenbach gewieſen war. Abends zurück in den Matſchaggerhof. - Voll Erſtaunen war ich überall in Wien, beſon- ders aber über die Größe der Stadt, über die Menge der Bewohner, welche die Zahl der Einwohner des ganzen Salzburger-Landls dreimal übertreffen ſoll, und über die Schnelligkeit uud Thätigkeit der Wie- ner, durch die ich mich in meinem Gebirgs-Schritt kaum zurecht zu finden wußte. Da hatte ich den Wunſch, daß alle Einwohner dieſer großen Kaiſerſtadt unſern geliebteſten Kaiſer ſo liebevoll und getreu umgeben und unter ihm ſein möchten, wie der Bienenſchwarm ſeine Königin um- gibt und unter ihr thätig iſt. Es fiel mir aber auch dabei ein, was ich geleſen habe: „Wenn die Menſchenkinder nicht für Gott thätig ſind, ſo gleichen fie einem Ameiſenhaufen, wo alle Thierlein in größter Einigkeit ſind und hin und her eilen, und zuletzt doch nichts zuſammenbringen als einen großen Ameiſen- haufen, Wenn ich von dem Anſchauen und Bewun- dern des vielen Großen und Schönen dieſer Stadt ausruhte, da erſt drehte ſich alles in meinem Bauern- kopf herum, und ich konnte eigentlich nichts rechtes für mich erwiſchen. Herzlich danke ich dem lieben Gott, daß er mich zu dem niedrigen Banernſtande berufen hat. Gerne will ich ſeine Ausſprüche befolgen: Im Schweiße – 17 – deines Angeſichtes ſollſt du dein Brod eſſen . . . mit vieler Arbeit ſollſt du eſſen. Gerne will ich dem Volks- ſpruche, den die Voreltern im Munde führten, nach- kommen: „Eine treue Arbeitshand nährt mit dem Segen Gottes zehn Perſonen.“ Vom Theater, wir nennen es Komödie, hörte ich Mancherlei. Da dachte ich bei meinem Verlangen, der Eſel für die hl. Familie auf der Flucht nach Egypten ſein zu können: Du willſt ja auch eine Rolle ſpielen? Wenn du nun in der Stadt herumgingeſt und ausrufeu oder von Haus zu Haus den Theater- zettel tragen würdeſt mit der Ankündigung: „Mor- gen wird ein Stück aufgeführt, worüber der Himmel ſtaunt und die Hölle zittert, und das die Menſchen nicht begreifen“; ſo würden ſich gewiß viele Neu- gierige einfinden. Wenn nun aber nach aufgezogenem Vorhange die hl. Familie auf der Flucht nach Egyp- ten zum Vorſcheine käme mit dem Eſel – auf wel- chem in dem Kindlein der König Himmels und der Erde, und in ſeiner Mutter die reinſte und unbefleckte Jungfrau ſitzt, die ihr Nährvater der keuſche Zim- mermann begleitet, würden da nicht manche ſich auf- geklärt dünkende Geiſter die Köpfe hängen laſſen, Ei- ner uach dem Andern davongehen, und ſagen, oder vielleicht gar empört lärmen: „Das iſt ein Stück für Kinder und Narren, und nicht für gebildete und ver- nünftige Menſchen. So etwas paßt für eine Bauern- Komödie, und nicht für ein Stadt-Theater“. Trotz allem Dieſen glaube ich, daß der Ausſpruch des Herrn die Großen wie die Kleinen, die Gebildeten wie die Ungebildeten, die Landleute wie die Städter, 2 – 18 – kurz alle Chriſten angehe: „Wahrlich ſag' ich euch, wenn ihr euch nicht bekehret, und nicht werdet wie die Kinder, ſo werdet ihr nicht in das Himmelreich ein- gehen.“ Ganz erfüllt war Wien auch vom Geſpräche über das Concordat. Verſtand ich auch das Wort nicht, ſo verſtehe ich doch deſſen Sinn, nämlich: Unſer aller- gnädigſter Kaiſer will in Uebereinſtimmung mit deut hl. Vater, dem Papſte, als dem ſichtbaren Oberhaupte der katholiſchen Kirche, zur Ehre Gottes und zum Heile ſeines Volkes regieren. Wie liebenswürdig iſt unſer Kaiſer! Es ſtand einmal ein Herrſcher als großer Prah- ler auf, der da ſprach, im Himmel regiere Gott, auf Er- den regiere er. Und was erfolgte? Er wurde das erſte Weh' genannt. Wenn nun wieder ein ſolcher Prahler aufſtünde, der würde wohl das zweite Weh' genannt werden müſſen, welches ärger als das erſte iſt. Unſer Kaiſer verlachet nicht mit den Weltgeiſtern die Einige, Heilige, Allgemeine und Apoſtoliſche Kirche Chriſti; und ſo droht uns auch nicht das Strafgericht, daß Gott bei unſerem Untergange lachen wird. Wie getroſt iſt unter dem Szepter unſers Kai- ſers zu leben! Unſer Kaiſer maßt ſich nicht an, der Felſen- Mann in der Kirche Chriſti zu ſein, ſondern er ſieht und ehret ihn in dem rechtmäßigen Nachfolger des hl. Petrus, in dem hl. Vater. Was iſt das für ein Stern am Firmamente Oeſterreichs, der uns hell- leuchtend hinweiſet, wo wahrhaft Chriſtus gefunden wird? Wer kann da noch zögern, dieſem glänzenden – 19 – Geſtirne zu folgen und mit Liebe und Aufopferung in dieſem Lichte zu wandeln? Man ſagt, daß Kaiſer Konſtantin der Große das erſte Concordat mit dem Papſte geſchloſſen habe, nach- dem er vorher auf wunderbare Weiſe am Himmel ein glänzendes Kreuz mit der Umſchrift ſah: „In dieſem Zeichen wirſt du ſiegen;“ wodurch dann die Kirche in ſeinem Reiche frei wurde. Aber eben durch dieſen Friedensſchluß, ſagt man, ſei auch zum erſten Male aller Miſt und Koth in die Kirche gekommen, weil kein Martertod mehr zu ſcheuen war. Bis dahin ſei die katholiſche Kirche heilig geweſen, von da an aber nicht mehr. Doch jeder katholiſche Bauer weiß, daß die unheili- gen Mitglieder der katholiſchen Kirche die katholiſche Kirche ſelbſt nicht entheiligen können, und daß es nicht in der Gewalt der Unſittlichen liegt, die gött- liche Wahrheit der Lehre zu ſtören, oder ihren Gnaden- mitteln die göttliche Kraft zu nehmen; ſo wenig der vom Himmel geſtürzte Lucifer den Himmel und die treuen Engel ſchwarz machen, der gefallene Salomon die Bücher der Weisheit in Reden des Thoren ver- kehren, und der Verräther Judas das Apoſtelamt aufheben konnte. Jeder kath. Bauer weiß auch und führt den Spruch im Munde, daß es keinen unſittlichen und ungerathenen kath. Chriſten geſchenkt bleibt, einſtens ſeine Hant ſelber zum Lederer tragen zu müſſen. Was nun aber immer die Schlangen der Bos- heit und der Verläumdung gegen die katholiſche Kirche geziſcht und geſpieen haben – der Ker hat ihnen 2 – 20 – durch das Concordat die Köpfe abgeſchlagen! Wie herrlich, o Franz Joſeph, glänzt das Kreuz in Deiner Majeſtät auf unſer liebes Oeſterreich herab! 7. Fahrt von Wien nach Trieſt und auf dem Meere. Die Abfahrt von Wien nach Trieſt war beſtimmt und erfolgte am 19. Februar auf der Eiſenbahn. Es ging Tag und Nacht fort. Am nächſten Tage kamen wir ermüdet in Trieſt an, denn wir hatten durch Schnee zu watten. Dennoch wurde geſungen; mich aber befiel heftiges Unwohlſein. In Metter- nich'ſchen Hofe bekamen wir ſehr gutes Quartier. Am 21. früh gingen wir in die Kirche, wo vier- zigſtündiges Gebet gehalten wurde. Alles Volk ſang, wie mir die Herren ſagten, in italieniſcher Sprache. Darnach begaben wir uns auf eine Anhöhe, um die Stadt genau anzuſchauen, denn bei unſerer An- kunft, welche Abends geſchah, ſahen wir nicht viel davon. Wo wir immer hinkamen, fanden wir überall gute Aufnahme. Dieſe Stadt, welche in der Tiefe von Bergen umgeben am Meere liegt, überraſchte mich; beſonders aber zog das Gewoge der zu- und abfahrenden Schiffe meine Aufmerkſamkeit an. Ich und mein lieber Doktor gingen auch die Kirchen beſuchen. Am 22. Februar Freitags um 7 Uhr früh gin- gen wir in der Pfarrkirche St. Antonio vecchio zur Beicht und Communion. Titl. Herr Pilger-Prä- ſes, Domherr Strigl, las die hl. Meſſe; dann hielt er am Speiſegitter eine kurze ergreifende Anrede über: – 21 – „Sehet, wir ſteigen hinauf nach Jeruſalem“ 2c. Zu- letzt empfing er von Jedem einzeln den Handſchlag mit dem Gelöbniſſe des Gehorſames bei der Pil-. gerfahrt. Abends um halb 5 Uhr nahm uns das Dampf- ſchiff, „Europa“ mit Namen, auf dem Meere in Em- pfang. Das Meer war unruhig. Am 23. Februar waren ich und Herr Doktor ſchon von der Seekrankheit befallen. Da wir uns eines und desſelben Geſchirres bedienten, mußten wir ſelbſt bei all unſerem Uebelſein doch auch noch lachen. Der erſte Maſchiniſt, Herr Teller aus England, hatte für mich heftigſt von der Seekrankheit Geplag- ten eine wahrhaft liebevolle Theilnahme, die ich in meinem Leben nicht mehr vergeſſen werde. Dieſer Herr ſchüttete etwas aus einer Flaſche in ein Gläs- chen, zündete es an, und gab es mir ſo zu nehmen – und es wurde beſſer mit mir. Abends wurde der Marianiſche Pſalter gebetet, und das Salve Regina. Am 24. Februar, 3. Faſtenſonntag ſchön und heiter. Die Sonne ſcheint aus dem Meere aufzu- gehen mit blendender Pracht. Es war kein Berg mehr zu ſehen. Um 9 Uhr hatten wir hl. Gottes- dienſt. Es wurde das Vaterunſer geſungen, und Hochw. Herr Dr. Salfinger hielt eine Predigt. Ich war nun wieder in der Faſſung, mich als Pilger betrachten zu können; und ich gedachte, daß wir Alle auf dieſer Welt nichts anders ſind, als Pil- ger und Fremdlinge. Denn was haben wir auf dieſer Welt, ſtreng genommen, für ein Beſitzthum? Unſer – 22 – Leib gehört zur Erde, unſer Geiſt gehört in die Hände Gottes; weßwegen auch der Prieſter bei dem Begräbniß ſpricht: Nimm Erde, was dein iſt, nehme Gott, was ſein iſt. Der Leib iſt von der Erde gebildet, der Geiſt iſt von oben eingehaucht. Das übrigblei- bende Geld und Gut gehört der Welt, oft ohne Dank. Ja die guten Werke hätten wir, aber auch dieſe nur durch die Gnade Gottes. Ach, die Sünden gehören unſer; dieſe ſchreien uns nach: „Wir ſind euere Kinder.“ Und wie kurz iſt des Menſchen Pil- gerfahrt durch dieſes Leben! Vor Gott iſt des Menſchen Leben nicht einmal, wie ein Tag. Denn tauſend Jahre, ſagt der Pſalmiſt, ſind vor den Augen Gottes, wie der geſtrige Tag, der vergangen, und wie eine Wache in der Nacht. Tauſend Jahre hat aber kein Menſch gelebt. Adam nicht, Seth nicht, Jareth nicht, Noe nicht, ſelbſt Mathuſalem nicht. Auf welchen kurzen Zeitraum ja, wie auf einer Stunde ſchwindet da ein Lebensalter ſelbſt von 60, 70 und 80 Jahren zuſammen? Und wie viele ſind, die nicht einmal 60 Jahre alt werden? und wenn man davon die Kinderjahre abzieht und die Zeit, welche im Schlafe vergeht, wie kurz iſt das Leben? Es iſt kein Wunder, daß die Heiligen ihre Lebens- zeit ſo viel als wie Nichts anſahen, wenn ihr er- leuchteter Geiſt die Ewigkeit betrachtete, und daß ſie viele Nachtwachen vollbrachten, weil ihnen die Tage ihres Lebens, um Gutes zu wirken, zu kurz ge- weſen ſind. Nachmittags tauchten die Berge von Corfu auf. Mit Freuden ſchauten wir alle von ferne das Land. – 23 – Es kamen viele Seevögel – ſie ſind weiß und haben braune Flugfedern. Wir ſahen auch die Gebirge Al- baniens, ſieben Stunden von Corfu entfernt. Bei der Freundlichkeit, welche allenthalten auf dem Schiffe waltete, wurde auch das Dampfſchiff ſelbſt alſo beſprochen, wenn ich nicht falſch ver- ſtand: Es hat 282 Fuß Länge, 34 Fuß Breite. Die Maſchine wirkt mit 260 Pferdekraft. Es nimmt Ladung von 12,400 Zentnern. Zwei Kohlenmagazine enthalten 2520 Centner Steinkohlen. Die Maſchine hat bewegliche Cylinder; der Durchmeſſer 4 11“ engl. Maß; Hub 4. Der Dampfkeſſel hat zwölf Feuer und verbraucht alle Stunden 23 Centner Kohlen. Die Bedienſteten bei der Maſchine ſind 15 Mann: 3 Maſchiniſten, I. der genannte Herr Teller aus England, II. Meiſter Meyteff aus England, III. Maſchiniſt Wurm aus Köſſen, Be- zirksgerichtes Kitzbichl in Tirol; 12 Heizer und 1 Maſchinenjunge. Ein Dampfſchiff bei der Reiſe von Trieſt nach Conſtantinopel und zurück verdient ſich 20 bis 38 Tauſend Gulden in 26 Tagen. Jeden Freitag fährt ein ſolches Dampfſchiff von Trieſt ab. Jede Woche fährt eines von Conſtantinopel nach Paläſtina und Alexandria. Am 25. Februar waren wir bei der Juſel Corfu. In der mondhellen Nacht war der Anblick der Stadt und Feſtung wunderſchön. Es begrüßte uns ein herrlicher Morgen. Die engländiſche Militär- Muſik hörten wir auf unſerm Schiff. Das Militär hatte rothe Uniform. Gegen 8 Uhr fuhren wir in die Stadt hinein, wo die Herren Prieſter die hl. – 24 – Meſſe laſen. Der Hochwürdigſte Herr Erzbiſchof dort verrichtete Meßnerdienſte. Vor einigen Tagen hatten wir ſchuhtiefen Schnee zu durchwaten jenſeits des Karſtes, hier fanden wir ſchon ſpannhohes friſches Gras und die herrlichſten Früchte. Um 20 kr. CM. kauften wir 30 zwei Fauſt große Pomeranzen. Ein Mann dort ſprach mit mir ſehr freundlich. Die Berge von Griechen- land waren noch mit Schnee bedeckt. Man ſieht hier größteutheils Oelbäume. Hier kamen Arbeits- leute, 125 Mann, auf das Schiff, die nicht gar freundlich ausſahen: es waren Montenegriner mit langen Meſſern. Ai 26. Februar Nachmittags 1 Uhr verließen wir Corfu. Ein türkiſcher Conſul und deſſen Frau auf dem Schiffe redeten mich öfters an, denn ſie verſtanden, wie man mir ſagte, 6 Sprachen. Wir kamen zur Inſel Zanta, wo eine Stunde Zeit An- fer geworfen wurde. Links Griechenland, rechts nichts als Meer. Da tönte uns die Ave Maria - Glocke zu. Wir ſahen Navarin, eine geſchleifte Feſtung, deren Lage ſehr ähnlich mit der Feſtung in Salzburg iſt. Gegen Abend kam mäßiger Regen. Am 27. Februar fuhren wir in den Golf von Aegina oder Athen ein und landeten gegen halb 11 Uhr bei dem ſchönſten Wetter im Hafen von Pyräus, und zwar auf Barken oder kleineren Schiffen. Nach- dem wir das feſte Land betreten, fuhren wir mit klei- nen flinken Roſſen in die eine kleine Meile entfernte Stadt Athen. Wir beſuchten dort den Areopagus, d. h. den Hügel des Gottes Mars der Heiden, ein – 25 – erhabener Ort unter freiem Himmel, wo der oberſte Gerichtshof ſich verſammelte, Staatsgeſchäfte ge- ſchlichtet wurden, und öffentliche Verkündigungen an das Volk geſchahen. Auf dieſer Stelle las der Hochw. Herr Cooperator Aigner aus der Apoſtelgeſchichte die Predigt vor, welche und wo ſie der hl. Paulus vor 1800 Jahren von dem unbekanuten Gott gehalten atte. h Die heidniſchen Gebäude ſind merkwürdig: es ſtehen da 70 Säulen, und Eine ſolche hat vier Mannes - Umgriffe. - Gerne hätte ich das Glück gehabt, den König Otto von Griechenland zu ſehen als einen Prinzen des Königs Ludwig von Bayern, und einen ge- bornen Salzburger, aber es ward mir nicht zu Theil. Beinahe jeder Grieche und Türke ſpielt ſich mit einem Roſenkranze von ſteinernen Kügelchen. Ich wußte nicht, was dieß bei ihnen bedeute und fragte auch nicht nach, denn es ging mich nichts an; aber ich dachte: „zu einem Spielzeug nehmen wir kath. Bauern unſern Roſenkranz nicht aus der Taſche, ſondern um damit eine beſtimmte Anzahl der Gebete des Herrn und des engliſchen Gruſſes zu merken und Geheimniſſe des Lebens und Leidens Jeſu einzulegen, was der heil. Vater Dominikus eingeführt hat, damit auch die weltlichen Leute eine Art Pſalmen und Chorgebet haben. Um 2 Uhr kehrten wir zu unſerem Schiffe zurück, Eine Viertelſtunde darnach durchſchifften wir den Hafen von Pyräus, der ganz mit Häuſern umgeben iſt; dann kamen wir zwiſchen den Inſeln Zea und Ther- – 26 – mia durch gegen Syra. Auf dem Schiffe trafen wir den aus Athen zurückkehrendeu öſterreichiſchen Conſul von Syra, Herrn von Hahn, ein geborner Heſſen- Homburger, die Freundlichkeit ſelbſt. Um 11 Uhr Nachts näherten wir uns der Inſel, und während dem wurde vom Herrn Pilger-Präſes vorgetragen und allgemein angenommen, daß jeder Pilger nach glücklicher Rückkehr in die Heimath den andern 13 Gefährten ſchreibe. Die 14 Mitglieder der Pilgergeſellſchaft aber waren: 1. Titl. Herr Präſes Domherr Strigl. - - 2. Baron Otto v. Recum in Kreuznach, Rhein- Preußen. 3. Joſeph Hrabovsky, Pfarrer zu Szina, Ka- ſchauer Diöceſe in Ungarn. 4. Franz Schönberger, Kaplan in Graz. 5. Dr. Salfinger aus Enns. 6. Karl Aigner, Kaplan in Stadt Steyer. 7. Heinrich Kaldewey aus St. Tönis in Pren- ßen, Kaplan daſelbſt. 8. Meszen Joſef Ovari Plebanos, Magyar. 9. Franz Marcinek, Pfarrer in Benkowitz, Preu- ßiſch-Schleſien. 10. Dr. der Medizin Riedlinger. 11. Herr Prieſter Lindinger. 12. Herr Prieſter Neiſſer. 13. Müller aus Wien. 14. Johann Eder, Bauer aus Alm Am 28. Februar waren wir im Hafen von Syra. Die ſtufenförmig aus einer Unzahl Häuſer erbaute Stadt mit der katholiſchen Domkirche an der – 27 – oberſten Spitze iſt ſehr ſchön. Um halb 8 Uhr Morgens kamen wir in die Stadt und begaben uns hinauf in die Domkirche, wo die Hochw. Herren die heil. Meſſe laſen und ich zum erſten Male miniſtrirte, aber wohl unbehilflich genug. Der Hoch- würdigſte Herr Biſchof dort war ſehr freundlich, lud uns zu Kaffee ein, und machte viele Kreuz- zeichen über uns. Dann beſuchten wir den öſter- reichiſchen Herrn Conſul, mit dem wir im Garten ſpazieren gingen, und dieſer Herr gab mir eigen- händig türkiſches Honig in den Mund. In Syra waren wir in der letzten Stadt auf unſerm Welttheile Europa. - 8. Von Smyrna dem hl. Lande zu. Um 4 Uhr Nachmittags ſind wir auf der Fahrt nach Smyrna der erſten Stadt in Aſien, und welche zum türkiſchen Reiche gehört. Am 29. Februar 12 Uhr Mittags kamen wir in den Hafen derſelben. Ich war wieder ſehr heftig von der Seekrank- heit befallen, denn wir hatten Meeresſturm, und es war fürchterlich. Dennoch dachte ich, ſo ein Sturm iſt doch nicht ſo ſchaudervoll, als jener Sturm der böſen Leidenſchaften, von dem ſich der Menſch herum- peitſchen läßt, denn im Meeresſturme kann ja der Menſch nur dem Leibe nach untergehen, im Sturm der Leidenſchaften aber droht ihm der Untergang mit Leib und Seele. Ja die Südwinde der böſen Leiden- ſchaften erregen den fürchterlichſten Sturm. Doch o Herr! du haſt uns dagegen vier ſtarke Anker gege- – 28 – ben: die Demuth, den Glauben, die Hoffnung, die Liebe. Wenn wir dieſe auswerfen, ſo halten ſie uns feſt im Sturme, daß wir nicht untergehen. Und ſollten wir auch wirklich ſchon im Sinken ſein, ſo wirfſt du uns auch noch das Brett der Buße zu, um uns zu retten, wie der hl. Auguſtin ſagt. Bei dem Meeresſturme habe ich auch erſt recht verſtehen gelernt, warum die Mutter Gottes Maria von unſerer hl. Kirche der Meeresſtern genannt wird. Ja bei dem liebenden Andenken an dich, leuchteſt du herein in die finſtere Nacht, winkeſt uns Muth zu in den Gefahren, und Vertrauen auf deinen göttlichen Sohn, dem da gegeben iſt alle Gewalt im Himmel uud auf Erden. In Smyrna, auf einem andern Welttheile aus- geſtiegen, wurde ich bei den ehrwürdigen Patres Franziskanern einquartirt, welche ſehr freundlich mit mir waren. Am 1. März Samstags war noch Muſik und gewaltiger Faſchingslärm. Wir gingen herum, die Stadt zu beſehen. Da ſah ich die erſten Moſcheen, d. ſ. türkiſche Bethhäuſer; die erſten Neger oder Menſchen mit ſchwarzer Hautfarbe, und die erſten mehreren Türken zuſammen. Die Stadt hat eine Feſtung auf einem Berg, und iſt ſehr bevölkert. Es gibt hier viele katholiſche Chriſten im türkiſchen Anzuge. Man kennt ſie als ſolche ſchon in ihrem Be- nehmen. Wir ſahen hier auch acht Bäume aufgeſtellt, oben mit einer vergoldeten Laterne, zum Zeichen, daß hier ein Conſul wohne. Hier iſt kein Wagen mehr zu ſehen, ſondern nur bepackte Kameelekommen. Einem unter. – 29 – Wir kamen auch zu den barmherzigen Schwe- ſtern, welche hier eine Mädchen - Erziehungsanſtalt haben. Die würdige Frau Oberin führte uns überall hin, und wir konnten die vortreffliche Anordnung nicht geuug bewundern. Im oberen Stockwerke waren ſchwarze Mädchen, Negerinen, einige jüngere, aber auch etwas ältere. Sie kamen uns entgegen, küßten uns die Hand, und legten die Stirne auf unſere Hand, zum Zeichen, wie die Oberin ſagte, des Dankes, daß ſie durch weiße Menſchen das Licht des Glaubens erhalten haben. Die Frau Oberin ſagte auch von ihnen, daß ſie lebendige Heilige zu nennen ſeien wegen ihres Glaubens und ihrer Herzensreinigkeit. In dieſer Stadt vernahmen wir auch von einigen Negern den Ausſpruch: „Seit wir Gott kennen ge- lernt haben, ſind wir auch voll Hoffnung beim Ster- ben.“ Dieſe Rede trieb uns die Thränen in die Augen, und nahe lag der Gedanke an die Ausſprüche der hl. Schrift: „Als ſie durſteten, dieſe in unſern Augen Armen, riefen ſie dich an , o Gott! und ihnen ward Waſſer gegeben aus einem ſehr hohen Felſen, und ſie löſchten den Durſt aus harten Steinen.“ „Deine Gerechtigkeit und Macht erkennen iſt die Wurzel der Unſterblichkeit.“ Um 4 Uhr Nachmittags fuhren wir, aber auf einem andern Dampfſchiffe, mit Namen „Fiume“, ab. Am 2. März, 4. Faſtenſonntag, ſind wir zwiſchen Smyrna und Rhodus. Ich hatte wieder mit der Seekrankheit zu kämpfen. Ziemlich nahe kamen wir an der Inſel Pathmos vorüber, wo der hl. Evangeliſt Johannes die geheime Offenbarung geſchrieben hat. – 30 – In dieſer Gegend ſind eine Menge türkiſcher Inſeln. Rechts die große Stadt Cos, jetzt Stanchio. - Am 3. März halb 7 Uhr früh wird der Anker im Hafen von Rhodus geworfen, wo wir uns, wie der Herr Kapitän anfangs meinte, auf vier Stunden ausſchiffen können. Allein es kam Sturm und wir konnten nicht an's Land. Vom Meere aus ſahen wir auf dem Gebirge Taurus noch Schnee. Am 4. März Dinstag früh ſehen wir nichts als über uns den blauen Himmel und auf allen Seiten Waſſer. Ich bin immer krank. Das Schiff iſt voll mit Türken, Griechen, Juden, Arabern und uns Katholiken aus Oeſterreich – das iſt ein Durch- einander. Wir haben ſchon wieder Sturm. Es drängt Alle zu Gott zu beten. Am 5. März ein furchtbarer Sturm. Es wirft die Wellen über das Schiff; das Waſſer kömmt zum Bett. O Herr! zu dir nehmen wir unſere Zuflucht, dir allein gehorchen Winde und Meere. Am 6. März landeten wir in Alexandrette, und beſuchten den Conſul. Dieſer Herr, in Rom gebür- tig, iſt im dritten Orden des hl. Franziskus, was mich ſehr erfreute. Er ſprach: Hier iſt nicht gut ſein, denn man kennet Gott nicht, und hat keinen Doktor. Es wurde dieſes auch von dem beſtätiget, was wir ſahen; denn beinahe Alles war häßlich. Todte Thiere liegen in der Stadt herum; und hier ſchwebte mir der Katechismus vor Augen mit der Frage: „Welche ſind die merkwürdigſten Geſchöpfe Gottes?“ und der Antwort darauf: „Die merkwürdigſten Ge- ſchöpfe ſind die Engel und die Menſchen.“ Ja, dachte – 31 – ich mir, wenn Gott mit ihnen iſt, und ſie mit Gott ſind. Denn die Engel ohne Gott oder wider Gott ſind zu Teufeln geworden; und die Menſchen, welche nicht in der Erkenntniß und Liebe Gottes leben, ſind nicht nur nicht die vornehmſten, ſondern die arm- ſeligſten Geſchöpfe, welche von der Welt zu Grunde gerichtet werden, und von dem Fleiſche das Verderben ernten. Wir ſahen hier über 300 Kameele. Noch immer richtet das Schneegebirge, der Taurus, ſeinen Blick auf uns. Abends fuhren wir ab. - Am 7. März auf dem Meere. Am 8. März kamen wir auf die Inſel Cypern. In Larnaca, einer ſchönen Stadt, trafen wir einen deutſchen Franziskaner, P. Eduard Vonderſtraßen aus Tirol, der mich ſogleich an meiner Kleidung als einen Tiroler-Nach- bar erkannte, auf mich zuging, und mir die Hand drückte. Wir gingen in die neu gebaute Kloſterkirche und in das ſchön errichtete Kloſter. Da ſieht man, was der gute Wille bei den Katholiken vermag, deren in dieſer Stadt nur 300 ſind; aber auch die Früchte des löbl. Leopoldinen-Vereines in Oeſterreich. Ein Paar Ochſen mit Wagen kauft man hier um 200 Piaſter, à 5 kr. CM, alſo um 16 fl. 40 kr. CM. Bei ſolchem Preis des Viehſtandes müßten wir Pinzganer-Bauern wohl Alle zu Grunde gehen. Hier habe ich den beſten Wein getrunken. - Am 9. März, Paſſionsſonntag, auf dem Meere. Dieſer Tag begrüßte uns mit der Anſicht des ſchönen Libanon gegen Sonnenaufgang, oben mit Schnee bedeckt, in der Niedere mit Holz bewachſen. - - Am 10. März um 10 Uhr kamen wir in Beirut an. Die geiſtlichen Herren laſen bei den PP. Fran- ziskanern die hl. Meſſe, und wir blieben auch dort im Quartier. Unſer erſter Gang war zu dem Hoch- würdigſten Herrn Erzbiſchof, wo wir Zederholz vom Libanon bekamen, und auch unſere Namen zum An- denken an unſere Pilgerreiſe einſchrieben. In dieſer Stadt ſahen wir ſehr ſchöne Gärten. Es ſtehen hier auch noch 13 Zedernbäume aus der Zeit vor Chriſti Geburt. Wir müſſen hier bis in den dritten Tag verweilen. Auf unſern Spaziergängen, welche uns einen ſehr fröhlichen Tag verſchafften, hatten wir unter andern auch den beſondern Auftritt, daß ſieben Weiber in einem Friedhofe ſtanden, welche gemein- ſchäftlich ihren verſtorbenen Mann beweinten. Deutſches fanden wir hier nichts – nur die Schwalben, die Spatzen und die Märzenkatzen hatten auch hier die in aller Welt bekannte Sprache. Dinstags den 11. März gingen wir Alle in die Kirche; dann unternahmen wir einen Ausflug auf den Berg Libanon. Beim Zurückgehen ſahen wir etwas Schaudervolles: ein Schiff ging vor unſern Augen unter. Wir ſahen Anfangs nichts mehr davon, aber, da es nicht weit vom Ufer geſchah, ſo wurden endlich doch Alle, wie wir hörten, gerettet. Nach vier Stunden, wie es neuerdings beſtimmt worden, etwa um 4 Uhr Abends, ſollten wir auf die nämliche Stelle fahren, wo dieſer entſetzliche Untergang geſchah. Bei mir meldete ſich ſchon wieder das Unwohlſein. – 33 – Am 12. März gewaltiger Sturm. Wir befinden uns bei Caifa. Es iſt unmöglich zu landen. Caifa ſoll von Kaiphas erbaut worden ſein. Erſt um 10 Uhr Nachts ging es vorwärts unter noch immer heftigem Sturme. Wir ſahen den Berg Carmel. Ich bin ſehr ſeekrank und es iſt mir auch ſonſt ſehr bange. Am 13. März früh kamen wir endlich nach Jaffa. Jaffa oder Joppe ſoll ſchon vor der Sünd- fluth beſtanden haben, da hier Noé in die Arche geſtiegen ſein ſoll. Wir beſuchten zuerſt den Predigt- ſtuhl des heil. Paulus, gingen dann an den Berg Carmel, wo der Prophet Elias war und die Mutter Gottes das erſte Scapulier gegeben hat; dann an den Ort, wo der Fiſch den verſchluckten Propheten Jonas ans Land ſpie; und wo der hl. Petrus das todte Mädchen Tabitha auferweckte. Merkwürdig war es, daß die Pilgergeſellſchaft aus Frankreich gerade hier mit uns zuſammentraf. Wir waren ſchon auf dem Boden des hl. Landes, und die Reiſe hatten wir nun zu Pferde fortzuſetzen. Es ging anf Ramla zu, in deſſen Wegesſtrecke viele beachtenswerthe Erinnerungspunkte vorkamen, unter denen mich aber am meiſten anſprachen: der Ort, wo die hl. Familie, Jeſus, Maria und Joſeph, auf ihrer Flucht nach Egypten ausruhte, der mir meine oben angegebene beſondere Meinung bei der Pilgerfahrt mit Thränen im Auge ins Leben rief; und der Thurm der 40 Martyrer. Vor Ramla habe ich Bauer aus Pinzgau einem Bauern im hl Lande ackern geholfen. Dort in der Heimath iſt ein anderer Pflug! – 34 – Abends war ich im Hauſe und Kloſter des Joſef von Arimathäa, und auch über Nacht. In dieſem Hauſe ſind ſchöne Gewölbe. Wir bekamen hier den heil. Segen. Am 14. März, dem Feſte Mariä 7 Schmerzen, traten wir ſchon um 5 Uhr die Reiſe an. Wir kamen zu den Brunnen, wo ſchon die Patriarchen ihre Heerden tränkten; dann zu der alten Kirche, eigentlich Haus des Propheten Jeremias, und auch zu dem Orte, wo David als Hirtenknabe die fünf glatten Steine ſammelte, um damit gegen den Rieſen Goliath im Kampf zu gehen. Endlich der Anblick von 9. Jeruſalem. O Jeruſalem! O Jeſus, mein Herr und Gott, du Erlöſer der Welt! o Maria, Mutter Gottes! An einem Freitage, Nachmittags um 3 Uhr, am Freitage, dem Feſte der 7 Schmerzen Mariä, ſehe ich Jeruſalem! Jeruſalem ! Mein Herz kann nicht aufzählen, was es empfin- det. Es glaubt, es hofft, es liebt, es bereut, es um- ſchließet alle Menſchen, und beſonders diejenigen, welche im Geiſte mit mir reiſen, und mir Grüße und Küſſe und Gebetserbittungen nach Jeruſalem und ſeine geheiligten Stätten mitgaben. Wenn aber ſchon ein treuer Hund durch den Ge- ruch der Fußtritte ſeines entfernten Herrn alſo an- gezogen wird, daß er ſie laufend verfolgt und ſich durch nichts irre machen läßt, bis er zu ſeinem Herrn gekommen iſt: was iſt es nun da Großes, wenn die Fußſtapfen des göttlichen Erlöſers meine Chriſten- ſeele bis nach Jeruſalem hinziehen? O heilige Familie, Jeſus, Maria und Joſeph, würdiget mich, daß ich als euer Eſel, den ihr auf der Flucht nach Egypten hattet, in Jeruſalem einziehe. Samstag am 15. März erwachte ich, das Herz vom Jubel voll. Der erſte Gang war in die heilige Grabeskirche und in das hl. Grab. Ich hielt mich nicht für würdig, dieſen heiligen Boden zu betreten, und was ich da empfunden, iſt unbeſchreiblich. O Jeſu! erbarme dich meiner, erbarme dich un- ſer! O Jeſu, dir leb' ich, o Jeſu, dir ſterb' ich, o Jeſu, dein bin ich todt und lebendig. Amen. Da- von war meine ganze Seele erfüllet. Bei der Kapelle der Kreuzannaglung empfing ich die hl. Communion. Darnach gingen wir zu dem Hochwürdigſten Partriarchen, wo wir recht freundlich empfangen wurden, und von da weg zu dem Herrn Conſul. Um 2 Uhr war feierliche Prozeſſion in der heil. Grabeskirche, wozu auch ich eine brennende Kerze be- kam, die ich, wie jeder Pilger, nach Hauſe nehmen kann. Das Rührende und Auferbauliche dabei kann nur Der empfinden, welcher gegenwärtig iſt. Dar- nach kamen wir bei dem Hochwürdigſten Patriarchen zum Handkuſſe zu, den er uns auf einem Thronſeſſel ſitzend geſtattete. Die Griechen und Armenier hielten auch Prozeſ- ſion aber dabei war mein Herz kalt. Wir gingen auch noch den ganzen Kreuzweg ab. :: Z – 36 – Am 16. März, Palmſonntag, begaben wir uns in die heilige Grab- Grotte, wo wir die vom Patri- archen geweihte Palme in die Hand bekamen, und machten die Prozeſſion mit. Nachmittags gingen wir nach Bethlehem und in das Hirtenfeld, wo wir übernachteten. Am 17. März um 5 Uhr früh war ich in der Grotte der Geburt Chriſti, und empfing die hl. Com- munion. Da war ich ſelig in Anbetracht der Hirten und der Weiſen aus dem Morgenlande, denn dieſe konnten nur ſehen, glauben und anbeten; ich aber konnte auch empfangen den Heiligſten ! Ich kam auch in die Grotte des hl. Hieronymus, wo dieſer Heilige wohnte und ſeine Schriften verfaßte. Da gedachte ich deſſen, was erzählt wird, nämlich: daß dieſer Heilige immer bei der Krippe ſeufzte: „O Herr, ich möchte dir ein Opfer bringen, aber was ſoll ich dir zum Opfer bringen? Mein Leben will ich für dich geben, aber es iſt nichts für dich;“ wor- auf dann einmal das Kindleiu aus der Krippe ſprach: „Hieronymus, gib mir deine Sünden,“ und worüber dann der Heilige in Thränen ausbrach. O wie tröſt- lich iſt das auch für mich Pilger, der ich nichts habe als meine Sünden! Sprich auch zu mir: Gib mir deine Sünden! Ja nimm ſie von mir, du biſt ja auch meinetwegen geboren und geſtorben; ich will nicht mehr ſündigen. Auch in die ſogenannte Milchgrotte begab ich mich, wo die jungfräuliche Mutter das heiligſte Kind ſäugte, und nahm von dieſem Orte einige Steine mit. Darnach kamen wir zu den Quellen oder vielmeher – 37 – Teichen Salomons; an den Ort, wo der Herr dem Abraham das Strafgericht über Sodoma offenbarte, und ſahen auch hin wo Loth wohnte; dann ging es Hebron zu. - - * Auf dieſem Wege gingen wir vorbei, wo Philip- pus den Kämmerer taufte, und kamen zur alten Eiche, genannt Abrahams Baum, unter welchem die- ſer Patriarch die drei Männer bewirthete, und ſie von da aus begleitete. Dieſer Baum hat eine Dicke von fünf Umgriffen. - Am 18. März in Hebron. Wir hatten in Ge- zelten übernachtet, und zwar auf dem türkiſchen Fried- hofe. Nach der hl. Meſſe gingen wir in die Stadt, in welcher keine Kirche war. In Hebroniſt der Begräbniß- ort der Patriarchen, welcher als ſolcher ſtets heilig geachtet wurde. Hier waren wir auch am weiteſten von unſerer Heimath entfernt; man rechnete 1100 Stun- den. Aus der dortigen Erde ſoll der erſte Menſch, Adam, gebildet worden ſein. Ich nahm ſolche Erde mit mir. Dann kamen wir nach St. Johann, dem Ge- burtsorte des hl. Johannes des Täufers. Im Hauſe des Zacharias war ich über Nacht. Am 19. März – zu Hauſe Feſt des Nährvaters Joſeph – beſuchten wir die Grotte der Heimſuchung Mariä, wo ich die hl. Communion empfing. Wir erreichten nun wieder Jeruſalem, nach- dem wir an den Orten vorübergegangen waren, wo die Bundeslade einſt geſtanden, und das Holz zum Kreuze Chriſti gewachſen iſt. Die hl. Trauermetten – 38 – und Ceremonien dauerten lange. Abends gingen wir zur hl. Beicht. Am 20. März in Jeruſalem – Gründonners- tag. In der Frühe bekamen wir Alle von dem Hoch- würdigſten Herrn Patriarchen die hl. Communion, bei deren Empfang Jeder deſſen biſchöflichen Ring zu küſſen hat. Es iſt ſehr feierlich. Nachmittags die hl. Trauermetten bis ſpät Abends. In dieſer Nacht bin ich in der hl. Grabkirche geblieben, wo das hoch- würdigſte Gut ausgeſetzt iſt. Am 21. März – Charfreitag. Am Charfreitag auf dem Calvarienberg und im heil, Grabe zu Jeruſalem ſein – wer könnte ausſprechen, was ein Chriſtenherz empfindet! Ein heiliger Schander durchzucket Mark und Gebeine. Auf dem Calvarienberg, wo die h. Ce- remoniengehalten wurden, und viele Lichter brannten, war es ergreifend feierlich. Unter Andern durften wir auch die Geißlungs-Säule küſſen. Nachmittag gingen unſer Drei bei ſehr ſtürmi- ſchem Wetter, welches auch Schnee brachte, auf den Oelberg. Der Weg zum Beſuche des Kreuzweges war voll Koth; ich dachte: Katharina Emerich hat recht geſehen bei der Beſchreibung dieſes Weges in Jeruſalem. Die Abendandacht war überaus ſchön. Es wurden ſieben Predigten gehalten, jede in einer andern Sprache. Beſonders rührend für mich war die Vorſtellung der Kreuzabnahme. Das Bewußtſein: du ftehſt jetzt hier auf dem Platze, wo Chriſtus ge- kreuziget wurde, ergreift mich alſo, daß ich die Puls- ſchläge meines Herzens, aber auch die Worte des ge- kreuzigten Herrn Jeſu Chriſti zu hören glaubte: „Va- – 39 – ter verzeihe ihnen, denn ſie wiſſen nicht, was ſie thun;“ „Wahrlich, ſag' ich dir, heute wirſt du mit mir im Paradieſe ſein;“ „Weib, ſiehe, dein Sohn! Siehe, deine Mutter“;“ „Mein Gott, mein Gott, warum haſt du mich verlaſſen!“ „Mich dürſtet“ (nach euren Seelen); „Es iſt vollbracht“; „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geiſt“. Beſonders das Wort: „Siehe deine Mutter“ zog mich zur heiligſten unbefleckten jungfräulichen Mutter des Sohnes Got- tes, welche unter dem Kreuze als die Königin der Mar- tyrer ſtand hin, und ich empfahl ihrer Fürbitte, ihrem Schutz und Schirm alle Menſchen, die ganze Welt und insbeſonders Oeſterreich, Salzburg, Pinz- gau und Alm. Am Charſamstage den 22. März gingen wir zum Hochwürdigſten Patriarchen, von Hochwelchem Jeder ein Andenken erhielt. Die Nacht brachte ich abermals in der hl. Grabkirche zu, wo um 11 Uhr (Nachts) von dem Hochwürdigſten Patriarchen ſelbſt die hl. Metten gehalten wurde. O heil. Nacht bei dem ausgeſetzten Hochwürdigſten Gut im heil Grabe!! Am hl. Oſterſonntag findet keine beſondere Feier- lichkeit ſtatt. Um 2 Uhr begaben ſich unſer Zwei auf den Oelberg. Abends waren ich und Müller aus Wien bei dem Herrn Conſul eingeladen, wo wir uns gut unterhielten und herrlich bewirthet wur- den. Am hl. Oſtermontag, 24. März, empfing ich die hl. Communion bei dem Altare, wo der Herr nach ſeiner Auferſtehung zum erſten Male ſeiner heil. Mutter erſchienen iſt. Nachmittags gingen wir in das Thal Joſaphat, kamen in die Burg Davids und in den Saal, wo der Herr das letzte Abendmahl gehalten hat. Dieſer Saal iſt ganz leer, was auf mich einen traurigen Eindruck machte. Ich nahm von da einen Stein mit mir. Am hl. Oſterdinstag, Mariä Verkündigungsfeſt, empfing ich in der Grotte, wo der Herr Blut ge- ſchwitzt hatte, die hl. Communion. Dann gingen wir zur Grotte, wo das Grab Mariä, der Mutter Got- tes iſt; von da weg in den Garten Gethſemane, wo ich den Kreuzweg abbetete. Darnach kamen wir in das griechiſche Kloſter St. Sabas, welches in Felſen wie eingezwängt iſt, noch von vielen Mönchen bewohnt wird, und einſt von mehr als 500 bewohnt worden ſein ſoll. Es iſt hier eine mittelmäßig große aber ſchöne Kirche, und oben auf dem Berge das Grab des hl. Johannes Damascenus, tief unten aber das Grab des hl. Sabas. Wir blieben hier über Nacht. Am nächſten Tage, 26. März, reſeten wir zum Jordanfluß und todten Meere. Im Jordanfluß ha- ben wir uns gebadet, und lagerten an der nämlichen Stelle, wo der göttliche Heiland von dem hl. Jo- hannes getauft wurde. Der Pater, welcher bei uns war, goß mir Waſſer auf den Kopf im Namen des Herrn. Von dort hatte ich mir einen Pilgerſtab abgeſchnitten. Abends kamen wir nach Jericho. Von dieſer ehemals großen Stadt ſind kaum mehr Trümmer übrig, man ſieht nur zerſtreute Bauernhütten. Wir ſchlugen die Gezelte auf, um zu übernachten. Vor – 41 – dem Schlafengehen hatten wir das Schauſpiel eines Beduinen-Tanzes, bei welchem ein Höllen-Lärm wie Pferdegewiher und Zähneknirſchen geſchah, und zwei ſich als Teufel darſtellten, indem ſie ihr ſchwarzes Angeſicht mit Mehl beſtaubt, und ihre Schuhe als Hörnerzeichen an den Kopf gebunden hatten. Donners- tags am 27. März ritten wir auf Pferden Bethania zu. Außer Jericho kamen wir zu der Stelle, wo der Herr den Blinden ſehend machte, und wo der Pro- phet Eliſäus ſchmackhaftes Waſſer erbeten hatte. Hier trieben Hirten ihre Heerden auf die Weide; das erinnerte mich an eine Alpe in der Heimath. Wir ſahen auch bei 100 Kameele in der Wüſte. Dann kamen wir zu dem Brunnen des Eliſäus in der Wüſte, wo Jeſus und Johannes gefaſtet haben, und wo der Herr von dem Teufel verſucht wurde, daß er aus Steinen Brot mache. Die vielen Brotförmi- gen Steine dahier, die wir ſonſt nirgends fanden, waren uns ſehr auffallend. Auch trafen wir die Orte des barmherzigen Samaritans, des Aufenthaltes des Eliſäus, und den Brunnen, wo der Herr und die Apoſtel öfters getrunken hatten. Bald erreichten wir Bethania, wo Martha dem Herrn entgegen kam. Hier iſt eine Kapelle, in welcher zuweilen auf einem Tragaltar die hl. Meſſe geleſen wird. Hier ſahen wir das Grab des Lazarus, den der Herr von dem Todten auferweckte. Einige Stufen hinab ſtand ich auf der Stelle, wo der Herr geſtanden als er rief: „Lazarus komm hervor.“ Nur einige Stufen von da hinab lag der Leichnam des Lazarus. Die Auferweckung des Lazarus machte die – 42 – hohen Prieſter und Schriftgelehrten viel murren, und uns ſchalten einige Weibsperſonen, die in dem nahen Garten arbeiteten, aus, und nannten unſern Glauben den Eſelsglauben. Ich bin froh um dieſen, und ging damit gerne auf den Oelberg. Am 28. März Freitags in Jeruſalem. Unſer 4 Mann, darunter auch ein Prieſter gingen zum zweitenmale nach Bethlehem, wo ich auch zum zweiten- male in der Geburtsſtätte unſers Herrn die heilige Communion empfing. Der hochwürdige P. Quardian gab mir die heil., Reliquien, denn in dieſer Grotte rückwärts liegen viele Heilige begraben; eine heil. Mutter mit ihrer heil. Tochter, dann von den un- ſchuldigen Kindern und den heil. Hieronymus. Ich habe überall hingeſehen. Der Weg nach Bethlehem iſt überaus lieblich und angenehm. Auf demſelben zeigt man den Ort, wo der Stern den drei Weiſen wieder erſchienen iſt, und wo der Prophet Elias unter einem Oelbaume auf einem Steine geruhet hat. Mittags kamen wir nach Jeruſalem zurück und fanden das Stadtthor geſchloſſen. Es glauben die Türken an eine Prophezeihung, daß die Chriſten an einem Freitag um die Mittagszeit kommen und Je- ruſalem einnehmen werden, darum ſperren ſie jeden Freitag von 11 bis 1 Uhr die Stadt. Wir gingen nun in das Thal Joſaphat, wo der hl. Stephanus geſteiniget wurde, zu den Gräbern der Könige und zur Grotte Mariä, zu deren Grab 50 Stufen hinabführen. Es ſind auch dort der heil. Joſeph, Joachim und Anna begraben. Auch kam uns zu Beſuch die Blutſchwitzungs-Grotte in dem Garten – 43 – Gethſemane, und indem wir die Stationen des Kreuzweges auf unſerm Gange innehielten, kamen wir zurück. Heute noch kaufte ich einen alten Fuß- teppich aus dem hl. Grabe zum Einpacken nach Hauſe. Dieſer Tag war mir beſonders lieb und erfreulich. Am Samstag 29. März ging ich in die Kirche und beſuchte dann allein den Kreuzweg Darauf hatte ich noch einen Beſuch bei der gnädigen Frau des Herrn Conſuls abzuſtatten, welche mir ein Stationskreuz zu ſchicken verſprach, wofür ich ihr einen Thaler geben wollte, den ſie aber nicht annahn. Es nahte ſich nun der Abſchied von der heil. Stadt. Am 30. März, erſten Sonntag nach Oſtern, empfing ich noch einmal auf dem Calvarienberg die heil. Communion. Um 12 Uhr reiſten wir ab. Meine Seele beſchäftigte ſich mit manchen Rückblick auf Jeruſalem. Beſonders aber war ſie von Dank erfüllet für die Gnade, daß mich der liebe Gott gewürdiget hat, in dieſe heil. Stadt und zu ihren für ein Chriſtenherz unermeßlichen Schätzen zu ge- langen. Doch ich dachte auch dabei: in den hl. Evan- gelien, die uns alle Sonn- und Feiertage vorgeleſen werden, wird ein jedes auf Jeruſalem und das heil. Land hingewieſen, und wer dieſen glaubt, kann im Geiſte, wie ich hier mit dem Leibe, Jeruſalem und das heil. Land durchpilgern, und ſein ganzes Leben mit Jeſus im heil. Lande zubringen. – 44 – Mit Wemuth gedachte ich, daß Jeruſalem die Hauptſtadt des gelobten Landes ſei, von dem es einſt geheißen: „Wo Milch und Honig fließt.“ Ach es iſt nicht mehr ſo. Jede chriſtkatholiſche Gemeinde verdient weit mehr den Namen des gelobten Landes, wo Milch und Honig fließt, als hier; in geiſtiger und leiblicher Hinſicht. In jeder chriſtkatholiſchen Gemeinde fließt ſchon für die Kinder die Milch der göttlichen Lehre unſers Herrn Jeſu Chriſti und das Honig der Gnaden durch die heil. Sakramente; was hier ſo viele verſchmähen, weil ihnen nur um die Milch und das Honig der Welt iſt. Und wie ſchön iſt dort das Grün und die Fruchtbarkeit des Landes und der Berge, während hier ſo viele Wüſte und Oede iſt! wie fließen dort die Bächlein ſo reich- lich, und ſprudeln ſelbſt auf den höchſten Gebirgen die Quellen hervor, um den durſtigen Wanderer, Arbeiter und Aelpler und die Thiere zu laben; und hier iſt ſo viel Dürre, ſo viel brennender unzuſtil- lender Durſt. Welche Wohlthat iſt auch das Waſſer. O mein Jeſus! erhalte die chriſtkatholiſchen Ge- meinden bei deiner heil. Kirche und führe die, ſo draußen ſind, in deine heil. Kirche, und ſie ſind im gelobten Lande, wo Milch und Honig fließt! Auf unſerer Reiſe von Jeruſalem weg, kamen wir an den Ort, wo Maria und Joſeph zuerſt wahrnah- men, daß ihr heil. Knabe nicht bei ihnen ſei. Ge- rade auf dem Platze, wo der Patriarch Jakob im Schlafe die Himmelsleiter ſah, ſchlugen wir die Gezelte auf, um über Nacht zu bleiben. Möchte mir und Jedem in der Sterbſtunde die Himmelsleiter – 45 – erſcheinen, und die Heiligen Gottes und die Engel des Herrn entgegen kommen der Seele des Sterben- den, ſie aufnehmen und hinbringen vor das Ange- ſicht des Allerhöchſten! - Montags, am 31. März kamen wir nach Bethel, wo Samuel und Heli wohnten und eine zeitlang die Bundeslade ſtand. Wir ſahen das Grab des egyptiſchen Joſephs und den Jakobsbrunnen. Früher war eine Kirche dort. Der Brunnen iſt jetzt ohne Waſſer. Bei der Stadt Sichem ſchlugen wir die Gezelte auf, um zu übernachten. Unſer drei ſuchten die Samariten auf, deren noch bei 200 hier ſind. Wir ſahen ſie auf dem Platze in rother Kleidung. In ihre Synagoge gingen wir nicht. (In dieſem Orte brach am zweiten Tage nach unſerer Abreiſe eine blutige Revolution aus.) Von Sichem reiſeten wir nach dem alten Samaira, wo wir die Spuren von den herrlichen Säulengängen, die Herodes er- baut hatte, ſahen. In der verfallenen Kirche ſoll der heil. Johannes der Täufer begraben worden ſein. Samaria iſt jetzt ein Dorf. Von da kamen wir nach Bethulien, wo Judith dem Holofernes das Haupt abſchlug. Ich nahm von da Steine mit. Dieſer Ort ſchien mir der ſchönſte, den ich in Judäa und Samaria geſehen habe. Unſer Nachtquartier hatten wir wieder unter Gezelten, und zwar bei Dſchenin, dem Orte, wo der Herr die zehn Ausſätzigen geheilet hat. Von Dſchenin am 2. April ab war das Ziel unſerer Tagreiſe Nazareth. Auf dieſem Wege hinab ſind viele Schlachten zwiſchen Türken und Kreuz- – 46 – fahrern geſchehen. Wir ſahen die Berge Gelböes, von denen ſchon David ſagt: „nicht Thau, nicht Regen falle fürder auf euch, noch ſollt ihr frucht- bare Aeker haben“, und es iſt ſo. Dann aber die wunderſchöne Gegend von Galiläa. Bald erblickten wir den Berg Thabor, und es ging nun Nazareth hinauf. Wir kamen zu den Brunnen Mariä und zum Tiſche Joſephs, wo Jeſus und die Apoſtel auch nach ſeiner Auferſtehung geſpeiſet hatten. Bei unſerer Annäherung kamen uns Schulkinder mit ihrem Lehrer entgegen uns zu begrüßen, was mich ſehr rührte. Donnerstag den 3. April in 10. Uazareth. Am demſelben Orte, wo die ſeligſte Jungfrau Maria den Sohn Gottes von dem heil. Geiſte em- pfangen hatte, wo alſo das Wort iſt Fleiſch gewor- den, empfing ich die heil. Communion. O mein Gott! ich lobe und preiſe dich, und ſage dir unend- lichen Dank für deine Menſchwerdung. Wahrlich dieſe verſöhnet mich mit der erbärmlichen Menſchen- natur, deren Armſeligkeit jeder ſelbſt empfindet, und die ſich beſonders einem Pilger im heil. Land unter vielen traurigen Geſtalten zeigt. Schon Job hat über das Elend des Menſchen bitter geklagt, indem ſchon das neugeborne Kind durch ſein Weinen zu erkennen gibt, daß es in das Jammerthal eingeht; Und eint anderer Heiliger ſeufzt: ich verzweifle nicht an Gott, ſondern an mir ſelbſt; indem der Menſch ſich ge- gen Gott durch Uebertretung ſeines heiligſten Wil- lens empöret; es begegnen uns Menſchen mit einem Sein, Leben und Treiben, bei denen es zu verſtehen iſt, wie Gott einſt ſprechen konnte: es reut mich den Menſchen erſchaffen zu haben: und bei allem dem nimmt der Sohn Gottes aus Maria der ſel. Jungfrau die Menſchennatur an, und iſt uns in Allem gleich geworden außer der Sünde. O Arm- ſeligkeit der Menſchennatur, du ſpanneſt unſere Arme aus, daß wir die Menſchwerdung des Sohnes Gottes mit aller Liebe umfangen. In der Menſchwerdung des Sohnes Gottes er- kenne ich den eigentlichen Neujahrstag für die Men- ſchen, an welchem ſich Gott in Maria mit der gan- zen Menſchheit vereiniget hat, und die Grundfeſten zu einem neuen Jeruſalem ſowohl auf Erden als auch im Himmel gelegt worden ſind. Und das Wort iſt Fleiſch geworden und hat unter uns gewohnt. Selig iſt der Leib, der dich ge- tragen hat, und ſelig ſind die Brüſte, die du ge- ſogen haſt, und ſelig ſind, welche das Wort Gottes hören und dasſelbe beobachten. Wir beſuchten heute den Geburtsort der heil. Apoſtel Jakobus und Johannes, und auch den Berg, wo Maria getrauert hat, weil die Einwohner Jeſum dort hinabſtürzen wollten. Am 4. April, Freitags, kamen wir in die Werk- ſtätte des hl. Joſeph, wo mir als einem Handarbeits- menſchen die hl. Communion gereicht wurde. Darnach gingen wir nach Cana, wo der Herr bei einer Hochzeit auf die Fürbitte Mariä das erſte – 48 – Wunder gewirkt hat. Ich ſah die Quelle, aus welcher Waſſer geſchöpft wurde, welches der Herr in den beſten Wein verwandelt hat. Dort war auch das Haus des hl. Apoſtels Bartholomäus. Durch das ſogenannte Apoſtelfeld, wo die Jünger einige Aehren abſtreiften, und was man ihnen als eine Sabath-Entheiligung auslegte, kamen wir auf den Berg der acht Seligkeiten, und an den Ort der wunderbaren Brotvermehrung. Ich war nun aller- dings an dem Orte der wunderbaren Brotvermeh- rung, aber ich bekam nichts. Da hatte ich eine Sehnſucht nach meiner heimat- lichen Kirche, denn ich erkannte, daß ich dort nie, wenn ich wollte, ohne dem Brote Jeſu in ſeiner hl. Lehre und in ſeinem allerheiligſten Leibe mich mußte befunden haben. O, die Kanzel, der Beichtſtuhl und der Altar in der chriſtkatholiſchen Kirche ſind viel beſſere Orte, als es gegenwärtig der Ort der wunder- baren Brotvermehrung iſt, auf dem ich ſtand. Hier gilt im gewiſſen Sinne: „Er iſt nicht mehr hier“, und es wird Einem öde, wenn ihn auch eine wunder- ſchöne Gegend anlachet. Weiters kamen wir an den See Geneſareth bei Tiberias, wo wir abermals die Gezelte aufrichteten, um zu übernachten. Hier iſt nur ein einziger katholiſcher Chriſt – ein Prieſter. Am 5. April miniſtrirte ich und hätte die heil. Communion empfangen können, wenn eine kleine Hoſtie vorhanden geweſen wäre. Welche Armuth an Gläubigen und an Brot! An dieſem See ſprach der Herr zu Petrus: „Von nun an wirſt du Menſchen fangen“, aber – 49 – man ſieht, hier ging das nicht an; Petrus mußte hierzu auf das Meer der Welt – nach Rom. Auf dieſem See ſprach Petrus: In deinem Namen, o Herr! will ich das Netz auswerfen. Ohl. Petrus, wie freut es mich, daß ich auch als ein Fiſchlein in dein Netz gekommen bin! Wir begaben uns nach dem Berg Thabor. Kapharnaum, Bethſaida u. a. m. ſahen wir nur von Ferne. Es gibt in dieſen Orten nicht viel mehr zu ſehen, als Trümmer. Auch auf dem Berge Thabor, dem Berg der Verklärung Chriſti, iſt kein Mangel an dergleichen. Das Gedenken deſſen, was einſt hier geſchah, ergriff mich ſehr, und ich ſprach auch mit Petrus: „Herr! hier iſt gut ſein, wir wollen 3 Hütten bauen“. Aber nicht auf dem Boden, ſondern in meinem Herzen durch Glaube, Hoffnung und Liebe des Vaters, des Sohnes und des hl. Geiſtes, damit der dreieinige Gott in uns wohnen könne. Wir dürfen dieß auch verlangen und ſollen ſo bauen, denn der Herr hat ja ſelbſt geſagt: „Wenn mich jemand liebt, ſo wird er mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ Abends kamen wir in Nazareth an. Plötzlich hörten wir einen ungeheuern Lärm von Trommel- ſchlägen, Händegeklatſch und lautem wilden Geſchrei. Dann ſahen wir auch brennende Pechfackeln, und was war das Alles? das war die Vorfeier einer Hochzeit. Am 6. April war die Hochzeit ſelbſt. Wir be- gegneten auf unſern Pferden dem seits Und – 50 – mußten aus dem Wege, um ihm nicht hinderlich zu ſein. Mich rührte dieſe Feierlichkeit ſehr, und nicht bloß deßwegen, weil ich dachte, daß Maria und Joſeph auch in Nazareth Hochzeit hatten, ſon- dern weil auch die 15jährige Braut auf ihrem Eſelein und in dem Schleier ſo ſittſam und an- muthig ſich ausnahm. Man ſagt, daß hierorts die Mädchen manchmal ſchon mit 8 Jahren heirathen. Das konnte ich doch nicht glauben, und wird wohl auch von dem Eheverlobniß zu verſtehen ſein. An dem Orte, wo der Engel des Herrn Mariä die Bothſchaft brachte, empfing ich die hl. Commu- nion. Es iſt vielleicht das letzte Mal im hl. Lande. Mit Wehmuth und Dankbarkeit nahm ich Ab- ſchied von Nazareth. Noch einmal küßte ich den heil. Boden, und nun ging es dem Berge Carmel zu. Auf dieſem Wege ſah ich gute Weideplätze und einmal 240 Kühe, was mir Gebirgsbauern Freude machte; denn die Viehzucht iſt unſer Erwerb. Am 7. April waren wir im Kloſter, welches neu, ſchön und großartig gebaut iſt, eine herrliche Ausſicht hat, und wo wir uns Alle ſehr gut und fröhlich befanden. Nachmittags gingen wir zwei Stunden Weges in ein Thal hinein, zu dem Elias-Brunnen, welcher in ganz Paläſtina das beſte Waſſer hat. Der Prophet Elias wohnte dort einige Zeit in einer Höhle. Ueberhaupt findet man hier von dieſem Propheten und auch von andern noch viele Spuren. Am 8. April Dinstag waren 13 heil. Meſſen und ich empfing die heil. Kommunion. Zum Ab- ſchied wurde allgemein das „Te Deum laudamus“ geſungen, und dann hieß es, ſich zum Meere zu begeben. Aber der Dampſer war noch nicht da, und ſollte auch ſobald nicht kommen. Wir mußten wieder in's Kloſter zurück. Am 9. 10. 11. und 12. April waren wir noch immer hieher gebannt. Obwohl es uns Allen gut geht, und ich die Zeit verwende zum Beſuche der hl. Gottesdienſte, zum öfteren Beſuche der Stadt Caifa, die unten am Berge liegt, zum Aufſuchen von Meer-Muſcheln, zum Gebrauche des Seebades u. dgl. ſo wurde ich dennoch des langen Wartens bei- nahe überdrüſſig, und es iſt auch koſtſpielig und wenn wir nur nicht auch den Bewohnern des Kloſters läſtig werden. Endlich am 13. April, den 3. Sonn- tag nach Oſtern kam es zur - 11. Abreiſe nach Alerandria in Afrika und von da nach Rom Es waren wieder 13 hl. Meſſen und ich em- pfing die hl. Kommunion. Mit Wemuth küßte ich den Boden der Kirche und vor der Betretung des Schiffes auch noch den Boden des hl. Landes und begab mich in Gottes Namen, und den Schutz und Schirm Mariä anrufend nun wieder auf das Meer. Schon in der erſten Stunde war ich wieder von der Seekrankheit befallen. Ein Schiffherr, ein Wiener, war ſo gut, und überließ mir ſein eigenes Bett. Gott vergelte es ihm. 4” :: – 52 – Der 14. April auf dem Meere war ein trauri- ger Tag für mich. Ich konnte gar nichts eſſen, und bei dem immerwährenden Schaukeln und Schwan- ken des Schiffes litt ich furchtbar, ſo daß ich mich bereits darein gab, es nicht mehr aushalten zu können. Hr. Dr. Riedlinger und ich begaben uns in die zweite Claſſe der Reiſenden. - Am 15. April bei der Nacht ging die Fahrt wieder zurück gegen Caifa, und wir mußten dort auf dem Meere bleiben. So ſehr mich dieß traurig machte bei meiner Seekrankheit und wohl auch, weil die Un- koſten anwuchſen, ſo ſah ich doch an unſerer Rückfahrt und unſerm Nichtweiterkommen ein treffliches Bild von einem rückfälligen Sünder, der durch die öfters wiederholten Sünden ſtatt zu ſeinem Ziele zu Gott zu kommen, ſich immer weiter davon entfernt. Am 16. April kamen wir in Jaffa an. Nachdem bei den PP. Franziskanern die hl. Meſſen geleſen waren, gingen wir auf dem Marterplatz des hl. Geor- gius, von wo ich einige Steine ſammelte, und dann zum Herrn Conſul, welcher mit uns im Garten ſpazieren ging. Hier hatte ich eine ſehr große Freude, denn die gnädige Frau des Herrn Conſuls von Jeruſalem hatte mir ein Kreuz bis hieher nachge- ſchickt. Abends mußten wir wieder auf das Schiff. Mit dem Untergange der Sonne ſah ich das hl. Land zum letzten Male! Am 17. April nichts zu ſehen, als Himmel und Waſſer; aber Gott ſei Dank! ſchönſtes Wetter und ruhiges Meer. Man nimmt es nicht wahr, wie ſchnell das Schiff geht, und doch legt es in kurzer Zeit die – 53 – weiteſten Stellen zurück. So iſt es auch mit unſerer Lebenszeit auf Erden: ſie ſcheint langſam zu gehen; aber wie ſchnell ſind große Abſchnitte unſerer Lebens- zeit zurückgelegt, – die Kinderjahre, die Jünglings- jahre, die Mannesjahre, die Greiſenjahre – und wie bald wird die ganze Lebenszeit vorüber ſein, auf die das Gericht und die Ewigkeit kömmt. Am 18. April Freitags auf dem Meere fangen wir an die Gegegend des Welttheiles Afrika zu ſehen. Wir nähern uns dem heißen Egypten. Nachmittags kamen wir in der Stadt Alexandrien an, wo die h. Jungfrau Katharina die Wahrheit der chriſtlichen Religion gegen die heidniſchen Weltweiſen zwar ſieg- reich vertheidiget hatte, aber dennoch gemartert wurde. Bei den hochw. P. P. Franziskanern wurden wir ſehr freundlich aufgenommen. Ein Pater iſt auch hochwürdigſter Biſchof. Alexandrien iſt eine große Stadt mit über 100.000 Einwohnern, worunter bei 8000 Chriſten, hat eine ſchöne katholiſche Kirche, und dieſe Stadt ſoll ſchon bei 4000 Jahre beſtehen. Am 19. April nach dem Beſuche der heiligen Meſſen und dem Empfange der h. Communion ver- wendete ich die Zeit hauptſächlich zur Verehrung der h. Familie und ihrer Flucht nach Egypten; denn nur 8 Stunden bin ich entfernt von dem Orte, wo die h. Familie ſich aufhielt. Am 20. April 4. Sonntag nach Oſtern währten die hl. Meſſen bis 10 Uhr. Nachmittags kamen wir in den Palaſt des Paſcha. So ſehr ich über die Pracht – 54 – dahier, die mir unbeſchreiblich iſt, erſtaunte, ſo iſt ſie mir doch wie Nichts im Vergleiche mit unſerm Herrn Jeſus Chriſtus am Kreuze. Unter der Erde waren 40 alte Säulen zu ſehen, voran ein Altar. In dieſer Stadt hatte ich Leid zu erfahren, denn ich vermißte jene Dinge unter meinem Gepäcke, welche mir die liebſten waren, die ich aus Jeruſalem heimbringen wollte, im Werthe beilich von 60 fl. Am 21. April auf dem etwas ſtürmiſchen Meere war ich wieder ſo unwohl, daß ich kaum zu Mittag aufſtehen konnte. Nicht viel beſſer ging es mir am nächſt folgenden Tage, wo wir in der Nähe der Inſel Creta ſchifften und den Berg Ida ſahen. Am 23. April erblickten wir von einem ver- ſunkenen Schiffe nur noch den Maſtbaum und Segel aus dem Meere hervorragen. Wahrlich ein ſchauder- voller Anblick! Nachts kamem wir zur Inſel Corfu. Am 24. April früh ſtiegen wir an's Land. Es wurde dort der Gründonnerstag gefeiert, und ſo hatten wir die Feierlichkeiten der Charwoche zum zweiten Male in dieſem Jahre vor uns. Am 25. April, an welchem wir das Feſt des hl. Markus feiern, war hier Charfreitag. Mir kam dieß zwar ſeltſam vor; erbaute mich aber dennoch ſehr, als auch ich eine Kerze in der Hand mit der Prozeſſion ging, und bei dem Hochwürdigſten Gute über 100 Lichter brennen ſah. Auf meine Nachfrage, woher denn dieß komme, daß die Griechen ſo ſpät erſt die Charwoche feiern, erhielt ich zur Antwort, weil ſie ſich noch immer an die alte unrichtige Zeitrechnung halten, und die neue d. h. im Monat Oktober 1582 verbeſſerte Zeitrechnung nicht annehmen, weil ſie von einem Papſte, nämlich vom Papſt Gregor XIII. beſorgt worden iſt. So etwas, dachte ich, nennt man bei uns in der Pinzgauer-Sprache: „Doxen ſein.“ Ich hatte hier zwei freudenvolle Tage, und der Schmerz über meinen Verluſt hat ſich gemindert. Nachmittags um 3 Uhr gingen wir zu Schiff, das uns nach Rom führt. Auf dieſem Schiffe waren von der Pilgergeſellſchaft nur mehr unſer Drei. Herr Dr. Salfinger, Herr Dr. Riedlinger und ich. Es war uns ſehr gut. Am 26. April auf dem Meere ſahen wir, da das Schiff ſich in der Nähe der neapolitaniſchen Küſte hielt, auch die Landſchaft, auf welcher der hl. Alphons von Liguorio lebte. Zwei Stunden Zeit konnten wir auf dem Lande zubringen, und begaben uns in die Domkirche der Stadt, wo wir zwei heil. Segen erhielten. Mich hat es herzlich erfreut im Bereich des Lebens und Wirkens dieſes Heiligen, welcher ſo auferbauliche Bücher auch für den ge- meinen Menſchen verfaßt hat, und der Stifter, der für die Ehre Gottes und Mariä und für das Heil auch der größten Sünder ſo eifrigen Congregation des a. hl. Erlöſers iſt, ſehen und betreten zu können. Am 27. April 5. Sonntag nach Oſtern waren mit uns auf dem Schiffe auch ein Biſchof und zwei Prieſter. Der Biſchof ſegnete uns liebreich. Abends kamen wir nach Ancona. - Am 28. April verrichteten wir da in der wunderſchönen Domkirche unſere Andacht, und reiſeten dann mit einem eigenen Fuhrwerke nach Loretto. Auf dieſer Wegesſtrecke ſieht man lauter Frucht- bäume und mitunter auch Getreidefelder, und die ganze Gegend iſt wie ein ſchöner Garten. So ſehr mich dieſes erquickte, ſo erinnere ich mich doch auch wehmüthig an das hl. Land; denn dort iſt eine Wüſte größtentheils, und hier ein Paradies. O wie würde vielleicht auch dieſes herrliche Italien ausſehen, wenn es die Füſſe der Türken tragen müßte, oder wenn von den Thürmen der Halbmond ſtatt dem Kreuze herabſchaute? Es drängte mich zu denken und zu erkennen: „O mein Jeſus! dir verdanken wir auch das zeitliche Glück.“ Am 29. April Bittdinstag in Loretto. In dem h. Hauſe empfing ich die hl. Communion. Daß dieſes in dem h. Hauſe, wo die hl. Familie ſelber ſo oft geſpeiſet hat, mir zu Theil wurde, war für mich etwas unbeſchreiblich Auferbauliches. Auf den Abend kamen wir nach Como nuovo und des andern Tages am 30. April nach Aſſiſi. In der Portiunkula-Kirche ſahen wir das kleine Häuschen, in welchem der hl. Franziskus geſtorben iſt, dann der Ort, wo er gebüßt hat, und die Dornen, auf welchen er zur Abtödtung ſich hinſtreckte, und die noch heut zu Tage immer nachwachſen. In dem Kloſter, wo der Heilige begraben iſt, ſahen wir deſſen Gruft und Sarg. Es ſind dort drei Kirchen über- einander gebaut. Wir begaben uns auch in ſein väter- liches Haus, welches jetzt eine Kirche iſt, und ſahen – 57 – da den Viehſtall, wo er geboren wurde, weil man dorthin ſeine Mutter, welche lange in Kindesnöthen lag auf den Rath eines unbekannten Bettlers gebracht hatte; ſahen auch den Kerker, wo er von ſeinem Vater, der ihn mit Gewalt zum Handelsſtand bringen wollte, eingeſperrt war; und ſahen ebenſo auch das Zimmer, wo er wohnte. Auch die Kirche der hl. Clara beſuchten wir, und ſahen ihre Begräbnißſtätte und ihre Leiche. In dem Kloſter wurden wir freundlich aufgenommen und über Nacht behalten. Am 1. Mai, Chriſti Himmelfahrtsfeſt empfing ich in der Gruft des hl. Franziskus die hl. Commu- nion. Es iſt darüber ein Altar, auf welchem jährlich nur einmal von dem Vorſteher die hl. Meſſe geleſen wird. Nach vielen genoſſenen Freuden ging unſere Reiſe weiter und in einem tiefen Thale blieben wir über Nacht. Am 2. Mai kam uns auf unſerer Fahrt nichts Beſonderes unter. Ich erfreute mich an der ſchönen Gegend und dankte und lobte Gott, daß ich von dem Meere und Schifffahren los geworden bin. 12. Ankunft und Aufenthalt in Rom. 3. Mai. Schon 6 Stunden vor Rom ſieht man die Peterskirche. Um 4 Uhr Nachmittags er- reichten wir pochenden Herzens die Hauptſtadt der Chriſtenheit, die nicht umſonſt ſo genannt wird. Wir kamen in das deutſche Pilgerhaus dell anima, und erhielten Aufnahme. – 58 – 4. Mai, 6. Sonntag nach Oſtern. Wir beſuchten die Kirche, und ich konnte bei dem Anblicke ihrer Schönheit, Größe und Pracht u. ſ. w. nichts anders als ſtaunen, daß es nur ſo etwas geben kann. Die Peterskirche wird vor dem Himmel, den mir Gottt verleihen wolle, für mich das Schönſte ſein, was ich geſehen habe und ſehen werde! Ich habe mich darin das erſte Mal gar nicht zurecht finden können. - 5. Mai Vormittags nichts als Kirchenbeſuch. Nachmittags kamen wir in das Coloſſeum, ein ſchauderliches Rieſengebäude, wo viele Tauſend Martyrer ihr Leben verloren haben, und wo eine alte Römerſtadt 3 Klafter tief unter der Erde zu ſehen iſt. Wir kamen auch an den Ort, der die Kunſt- arbeiten der Maler und Bildhauer enthält. Was ich da beobachtete und empfand bin ich aufzuſchrei- ben nicht im Stande. Ueber alles dieſes ergriff mich aber heute jener Platz, auf welchem der hl. Petrus am umgekehrten Kreuze den Martertod erlitt. Am 6. Mai Vormittag Kirchenbeſuch. Nach- mittags nahm der hl. Vater Weihen vor. Ebenſo am 7. Mai Vormittags, Nachmittags aber beſuchte ich die bezeichneten Kirchen zur Ablaßgewinnung, und auch Grüfte der hl. Leiber. Am 8. Mai Donnerstag ſtieg ich zur Kuppel der St. Peterskirche und in den oberſten Knopf hinauf. Da iſt eine kleine Wohnung, von wo aus man die ganze Stadt Rom überſchaut. Darnach gingen wir wieder an den Ort der Kunſtarbeiten – 59 – von Malern und Bildhauern und Abends zur Maiandacht. Am 9. Mai Freitags ging ich in der St. Peters- kirche zur hl. Beicht und Communion. Dann be- ſuchte ich die 7 Ablaßkirchen, welche ſo weit von einander entfernt ſind, daß ihr Beſuch zur Ablaß- gewinnung einen ganzen Tag erfordert. Mein Beſuch geſchah auf folgende Weiſe: 1. St. Paulus, 2. St. Sebaſtian, 3. St. Laurentius, 4. Maria Schnee, 5. Maria Maggiore, 6. Johannes Lateran, 7. St. Peterskirche, wo ich Abends ankam, und auch noch der Maiandacht beiwohnen konnte. In der Kirche Maria Schnee ſieht man Etwas von dem Leibe des hl. Hieronymus, und bei Johannes Lateran den Tiſch vom hl. Abendmahl. Wir kamen auch zu den Grüften der erſten Chriſten hinab, wohin ihnen durch eine Mauer- Oeffnung das a. h. Altarsſakrament gereicht wurde. Rom am 10. Mai Pfingſtſamstag. Seit 80 Jahren hatte keine Ordens-General-Wahl der Franziskaner ſtattgefunden, wie heute Vormittag in der Kirche Ara coeli auf dem Capitol. Es waren dazu die Ordensprovinziale aus der ganzen Welt bei 200 verſammelt. Der hl. Vater fuhr in einem Prachtwagen mit 6 ſchwarzen Pferden, deren Geſchirr mit Gold und Silber verziert war bis zu den 30 Stufen vor, welche zur Kirchthür hinaufführten. Ueber dieſe ging der hl. Vater, und hier kam ich in höchſt deſſen Nähe, und habe von ihm die Bene- diktion erhalten. Da während der Wahl Niemand außer den Berufenen in die Kirche eingelaſſen wurde, ſo ſah ich die Pracht dieſer Kirche erſt nach geſchehe- ner Wahl. Dieſe fiel auf den hochwürdigſten Pater Cuſtos des hl. Grabes in Jeruſalem, was auch mich erfreute, da ich dieſen liebenswürdigen Mann Gottes erſt vor Kurzem in Jeruſalem kennen gelernt hatte. Am 11. Mai, Pfingſtſonntag, bin ich in die päpſtliche Kapelle gegangen, wurde aber hinausge- wieſen, weil nur den Geiſtlichen und Vornehmen zu ſein geſtattet war – und bin auch gern gegangen. Nachmittags beſuchte ich das Stundgebeth in St. Jo- hann Lateran, und Abends ging ich noch ganz allein nach St. Paul. Am 12. Mai Pfingſtmontag gingen wir zum Stundgebet in St. Johann Lateran, und dann machten wir den Beſuch der Ablaßkirchen. In St. Laurentius ſah ich Steine, womit der hl. Stephanus den Martertod erlitten haben ſoll; ſah auch das Gefäß, womit der hl. Laurentius getauft hat, auch die Eiſenthüre des Kerkers unſers Herrn, und auch ein Handgroßes Loch, durch welches den Chriſten einſt das a. h. Sakrament gereicht wurde. Am 13. Mai Pfingſtdinstag gingen wir nach St. Peter, wo heute der Anfang des 40ſtündigen Gebetes iſt. Was ich da für eine Pracht und Herr- lichkeit ſah, kann ich nicht beſchreiben. Die Mon- ſtranze iſt mannshoch. Lichter ſind bei 260. Eine Prozeſſion von Geiſtlichen ſo groß und auferbaulich, wie ſie mein Auge nie ſah. Mir wurden der Ein- drücke beinahe zu viel, und ich mußte aus der Kirche gehen, um mich durch eine Schale Kaffee zu erquicken. Und ſiehe da, als ich durch Deuten zu erkennen gab, – 61 – - bezahlen zu wollen, wurde ich verſtändigt, daß ſchon ein Herr, mir gänzlich fremd und unbekannt, für mich bezahlt habe. So gibt's überall gute Leute. Am 14. Mai verweilte ich Vormittags beim Stundgebete. Nachmittags aber ging ich zu meiner Erholung einige Zeit ſpazieren. Ich zählte da, daß vor der St. Peterskirche 10 Reihen Säulen ſind und jede Reihe wieder aus 70 Säulen beſtehe. Als- dann begab ich mich wieder in die Kirche. Das Hoch- würdigſte Gut iſt Tag und Nacht ausgeſetzt. Am 15. Mai um 10 Uhr früh war in St. Peter die Einſetzung; in Maria Schnee aber wieder die Ausſetzung. Wahrlich Gelegenheit genug, wenn man ſie benützen will, um ſeinen Geiſt zu nähren und zu ſtärken und in Vereinigung mit dem Herrn zu wandeln. Den 16. und 17. Mai benützte ich zur Be- ſichtigung der Stadt, nachdem ich vorher das Stund- gebet beſucht hatte, und auch zum Einkaufe ver- ſchiedener Dinge, um in der Heimath meinen Lieben und Bekannten Andenken geben zu können. In der Kirche dell' anima war eine große Reliquie vom hl. Johannes von Nepomuk, deſſen Feſt hier am 17. gefeiert wird, zu ſehen. Am 18. Mai hl. Dreifaltigkeitſonntag empfing ich in der Kirche dell' anima die hl. Communion, und hörte eine Predigt, welche Herr Dr. Salfinger hielt. - Nachmittags ging ich viel herum und beſonders zu mehreren Prieſtern, um einen heil. Leib für meine Heimathskirche zu bekommen; was mir ſehr anliegt, aber auch ſehr viel braucht; denn vorge- – 62 – fallene Mißbräuche in dieſer Sache erſchweren jetzt ſehr die Erfüllung ſolchen Verlangens. Der 19. Mai, Montag war für mich ein ſehr glücklicher und freudenvoller Tag. In der Frühe kam ich in die Gruft der hh. Apoſtel Petrus und Paulus. Zwei Biſchöfe laſen daſelbſt die hl. Meſſe und ich erhielt die hl. Communion. Nachmittags hatte ich viele Gänge und Geſchäfte, um einen hl. Leib zu erhalten, wozu mir endlich der deutſche Beicht- Vater zu verhelfen verſprach. Gegen Abend kam ich zum Fußkuße bei dem hl. Vater zu. Und der Stellvertreter unſers Herrn Jeſu Chriſti, der Nachfolger des hl. Petrus, der heil. Vater Papſt Pius IX. gab mir eigenhändig eine Medaille und weihte für mich eine Statue des heil. Petrus. Und noch nicht genug, auch den Hand- kuß geſtattete mir der hl. Vater, wozu Hr. Dr. Ried- linger die Veranlaſſung gab. O welch ein Tag der Freude und des Jubels für mich. Am 20. Mai beſuchte ich den Ort der Ent- hauptung des hl. Paulus, und ſah die 3 Quellen, welche bei dem dreimaligen Aufhüpfen des abge- ſchlagenen hl. Hauptes des Weltapoſtels entſtanden. Sie ſind nicht die Ausbrüche eines und desſelben verborgenen Waſſers, ſondern ſie ſind urſprüngliche Quellen. Auch heute begab ich mich zu mehreren Herren in der Angelegenheit Einen oder Zwei hl. Leiber zu bekommen; aber das eine Mal wurde mir Hoffnung gemacht, und das andere Mal wurde ich wieder ab- gewieſen. Wenn mir nur mein ſo wichtiges Empfeh- – 63 – lungsſchreiben nicht abhanden gekommen wäre, dann ginge die ganze Sache beſſer! Den 21. Mai Mittwoch brachte ich mit dem Beſuche der Ablaßkirchen zu, und ich war im Geiſte mit Allen denen in der Heimath vereiniget, die ſich in meiner Pilgerfahrt empfohlen hatten, wie immer. Am 22. Mai Frohnleichnamsfeſt. Der hl. Vater wird ſammt dem hochwürdigſten Gute getragen. Dieſe Feierlichkeit, die mir ſo zu ſagen mit heiliger unwiederſtehlicher Gewalt zurief: „Kommet, laſſet uns anbeten und niederfallen und weinen vor dem Herrn,“ wird nie aus meinem Andenken verſchwinden. Am 23. Mai erhielt ich in St. Johann Lateran einen hl. Meſſe - Stein. Auf dieſen Tag war auch unſere Abreiſe von Rom beſtimmt. Bei dieſem Vor- haben drängte ſich nun noch alles in Rom Geſehene und Erlebte auf ein Mal vor meine Seele; und ſollte dieß Alles aber aufgezählt werden, ſo müßte ich ein geübterer Denker und Schreiber ſein. Ich bin froh doch Einiges mir zur beſtändigen Erinnerung und Erneuerung der freudigen Eindrücke angemerkt zu haben; uud füge davon nur noch 3 Dinge an, die mich in Rom ſehr angeſprochen haben, nämlich: der Stuhl Petri, die Triumphpforte des Titus, auf welchem der ſiebenfache Leuchter, der einſt im Tempel von Jeruſalem ſtand, abgebildet iſt, und der Ort, wo Chriſtus dem fliehenden Petrus begegnete. Der Stuhl Petri, auf dem der hl. Petrus einſt wirklich ſaß, iſt vom gewöhnlichem Holze, nun aber mit Gold und Edelſteinen überzogen, was mich an den niedrigen Anfang der hl. Kirche und an ihre allmälige Verherrlichung erinnert. Der ſiebenfache Leuchter iſt mir ein Zeichen, wie nicht nur ein einzelner Menſch, ſondern ein ganzes Land und Volk um den wahren Glauben kommen kann durch das Widerſtreben der Gnade Gottes. Daß Chriſtus der Herr dem aus Rom fliehenden Petrus begegnete, erinnerte mich an die Flucht des heil. Vaters Pius IX. aus ſeinem empörten Rom, und wie es aber der Herr vermittelt hat, daß der Nachfolger des hl. Petrus wieder ſiegreich in ſeinem Rom einzog, und dadurch ein Zeugniß gab, daß ſelbſt die Pforten der Hölle ſeine heil. Kirche nicht überwältigen können. 13. Abreiſe von Rom in die Heimath. Wir reiſeten wirklich am 23. Mai von Rom ab, und auf die mir liebgewordene Stadt, die mir ge- wiſſer Maſſen ſchon wie meine Heimath vorkam, ſchaute ich auf der Brücke über den Tiberfluß, wo Rom noch einen ſchönen Anblick gewährt, mit dem Schmerz zurück, ſie verlaſſen zu müſſen. 24. Mai Reiſetag der Heimath zu. Am 25. Mai, 2. Sonntag nach Pfingſten, ſtanden wir in Foligno auf. Mir machte auch das Fahren zu Land Ueblichkeiten, und ich mußte aus- ſteigen, obwohl ich auch zum Gehen ſehr ſchwach war. Kinder haben uns Steine nachgeworfen. Wir ſahen hie und da Perſonen in Ketten vorüberführen. – 65 – Manche Verachtung der Italiener gegen die Deutſchen nahmen wir wahr; doch ſind nach dem die Italiener nicht zu beurtheilen. Ich fand viele Gute. Am 26., 27. und 28. Mai hatten wir ſehr ſtarke Fußreiſen zu machen. An dieſem Tage kam ch ſehr ſpät in Loretto an. Tags darauf, Frohn- leichnamsoktav, empfing ich in dem hl. Hauſe die hl. Kommunion; konnte auch die Schüſſel küſſen, auf welcher Maria unſerm Herrn Speiſen gab. Es wurden auch Roſenkränze geweiht, und Abends war feierliche Prozeſſion. Am 30. Mai kam ich glücklich in Ancona an, aber Abends mußte ich wieder auf das Schiff, was ich meiner ſonderbaren Geneigtheit zur Seekrankheit wegen ſehr fürchtete. Am 31. Mai landeten wir in Trieſt. Da mir in der Nacht der Herr Maſchiniſt aus Güte ſein eigenes Bett überließ, und ſtärkendes Getränk gab, ſo erhielt ich mich geſund. Ich habe beſonders an den Herren Maſchiniſten der Dampfſchiffe, auf welchem ich zu fahren und zu leiden hatte, äußerſt barmherzige Männer gefunden; und möge auf mein Gebet der liebe Gott ſie ſegnen in ihren gefahrvollen Geſchäften und Reiſen, und ihnen vergelten, was ſie einem Bauern aus Pinzgau ſo liebevoll erwieſen haben. Am 1. Juni, 3. Sonntag nach Pfingſten, mußte ich ſehr früh auf das Schiff, welches nach Venedig fuhr. Darauf war ich ganz allein von der anfänglichen Pilgergeſellſchaft gekommen, denn Hochw. Herr Dr. Salfinger wählte den Landweg, und Herr Dr. Riedlinger als Botaniker den s über die – 66 – Gebirge Krains, Kärnthens und Salzburgs. Abends kam das Schiff in Venedig an, wo ich im Franziskaner- Kloſter ſehr gut aufgenommen wurde. Den 2. und 3. Juni hielt ich mich in dieſer weltberühmten Stadt auf, und zwar gerne; denn es gab mir eine eigenen Troſt, daß ſie dem öſterr. Vaterland angehört. Ich benützte meinen Aufenthalt zum Beſuche der ſchönen Kirchen und zur Beſichtigung anderer Merkwürdigkeiten, *, Ich ſah das Haupt des hl. Stephanus; ein Gebein des hl. Georgius; ein Stück Holz, an welchem Chriſtus unſer Herr beim Hauſe des Pilatus angebunden war, ebenſo die erſte Kirche des Kapu- ziner-Ordens und den Saal, in welchem Papſt Pius VII. erwählt worden iſt. Eine kleine Kirche war ganz voll mit hl. Leibern, deren ich zehn ſah, und Reliquien, und die Wände waren von unten bis oben mit Gold, Silber und Edelſteinen verziert. In dem ſchönen Mechitariſten-Kloſter ſah ich eine Mumie von einer Perſon, die ſchon vor 4000 Jah- ren geſtorben ſein ſoll. Unter Mumie aber verſteht man einen einbalſamirten ausgetrockneten menſchlichen Leib. Auch in dem heißen Sande der Wüſte kommen ſolche vor. Ich beſtieg auch den hohen Thurm der St. Markus- kirche, von wo aus man die ganze Stadt, das Meer und das Land in der Entfernung, zu welcher über das Meer die Eiſenbahn führt, überſchauen kann. In dem Franziskaner-Kloſter traf ich einen Pater, der zu Seekirchen im Salzburg'ſchen geboren iſt, und nach Jeruſalem reiſet. Das war eine große Freude und veranlaßte viele Unterredung. In Venedig findet man bei 300 Brücken, denn wie in anderen Städten die Fahrwege durch die Gaſſen für Wägen ſind, ſo ſind hier Waſſerſtraſſen, oder Canäle, für kleine Schiffe, Gondeln genannt. Nur an der Häuſerreihe befinden ſich mehr oder minder breite Gehwege. Eines fiel mir beſonders in dieſer Stadt auf, nämlich, daß mich die Leute in meinem Pilger- aufzuge gar ſo ſehr und faſt von unten bis oben betrachteten, und ich konnte es mir nicht erklären, für was ſie mich anſchauten. Ich mußte lächeln - darüber. Am 4. Juni, Mittwoch, ging es auf der Eiſen- bahn nach Padua. Dort beſah ich die Zunge des hl. Antonius und den Stein, worauf er geſtorben iſt; dann den Daumen des hl. Laurentius, und drei Dörner von der Krone Chriſti, nebſt vielen andern hl. Reliquien. Bei den hochw. P. P. Franziskanern übernachtete ich. Am 5. Juni gelangte ich nach Trient in Be- gleitung des hochw. Franziskaner Paters Laurentius Juſtinianus von Innsbruck, bei deſſen Anverwandten in Trient ich ein herrliches Nachtquartier erhielt, und wofür ich immer danken werde: „vergelte es Gott.“ Am 6. Juni ſtieg ich in Neumarkt aus dem Wagen und ging nach Kaltern, wo mich die aller- orts liebreichen Patres Franziskaner auf das freund- lichſte und gaſtlichſte aufnahmen und # den Antrag – 68 – machten, die merkwürdige Maria Möhrl zu beſuchen, den ich auch freudig annahm. – Dieſe Perſon ſehen macht den Menſchen denken. – Sie gab mir einige Bilder. – Von da weg begab ich mich nach Bozen. Am 7. Juni über Brixen nach Sterzing. Da hab ich ein ſehr gutes Wirthshaus getroffen. Die Leute dort zeigten eine große Freude an mir als Pilger. Die alte Frau Mutter blieb lange mit mir im Geſpräche bei einem Seitel Wein, und es ging uns das Geſpräch von hl. Dingen, Orten und Perſonen nicht aus. Am 8. Juni, 4. Sonntag nach Pfingſten, hörte ich um 5 Uhr die hl. Meſſe, und ging dann fort bis Innsbruck. Gott Lob und Dank! immer näher meiner lieben Heimath. Am 9. Juni empfing ich in Abſam die hl. Com- munion. In Hall ſah ich heil. Reliquien und die große Monſtranze, welche 25 Pfund im Gewicht hat, und nach alt gothiſcher Form gemacht iſt. Zu Rattenberg blieb ich über Nacht. Am 10. Juni, Dinstags Abends kam ich nach St. Johann zu dem gnädigen Herrn Dechant Rupert Mayr, der mich allſogleich über Nacht zu bleiben ein- lud. Ich beſprach mich lang und viel mit den geiſt- lichen Herren und wir unterhielten uns in aller Freund- lichkeit ſehr gut. Es wurden keine beſondern Compli- mente erfordert und auch nicht gemacht. Am 11. Juni begab ich mich nach Kitzbichl und über den Paß Thurn nach Uttendorf, wo ich den hochw. Herrn Proviſor Hackſteiner beſuchte, und auch, nach- dem wir die halbe Nacht zu reden hatten, übernachtete. – 69 – Am 12. Juni konnte ich von Uttendorf beinahe nicht loskommen; denn es umringten mich viele gut bekannte Bauern, mit denen es viel zu reden gab; aber auch ſolche, die mich ſonſt gut, jetzt aber in meiner Pilgerkleidung und mit dem bebarteten Geſichte nicht ſogleich erkannten, was manchen Spaß abſetzte. Ich nahm dort noch bei dem Herrn Proviſor das Mit- tagmal ein, und dann aber ging ich in das Franzis- kaner Hoſpiz Hundsdorf, wo am andern Tage das Feſt des hl. Antonius traf. Die hochw. Paters nahmen mich mit Freuden auf, und behielten mich über Nacht. Am 13. Juni fand ich dort gut bekannte geiſt- liche Herren und andere Leute, und beſonders den gnädigen Herrn Dechant Embacher, der ſich zur Vollbringung meiner Pilgerreiſe ſo thätig und wirk- ſam verwendet hat. Es war für mich ein unbeſchreib- licher Freudentag. Da auch mein guter Freund Joſeph Klingler von Alm bei dem Feſte anweſend war, ſo konnte ich durch dieſen meiner Schweſter und meinem Herrn Vikar die Nachricht ſchicken, daß ich Morgen den 14. Juni nach Alm heimkommen werde, und daß mir meine Schweſter bis Kammer oder Prielau entgegen gehen möchte. Von Hundsdorf hinweg ging ich nach Mais- hofen und blieb dort bei dem hochw. Herrn Bene- fiziaten Joſeph Kolberer über Nacht, Am 14. Juni Samstag kam wirklich meine gute Schweſter mir entgegen. Mit ihr ging ich von Mais- hofen nach Schloß Farmach zum gnädigen Herrn Bezirks-Amts-Vorſteher Martin Zehrer, welcher ſchon bei der Unternehmung meiner Pilgerreiſe ſo warmen Antheil nahm. Dieſer Herr empfing mich mit der größten Freude und Herzlichkeit, als wenn ihm ein Sohn aus allen Gefahren zu Land und Meer zurückgekommen wäre. Augenblicklich ſchickte er einen eigenen Bothen ab, um meinem hochw. Herrn Vikar beſtimmte Nachricht von meiner Ankunft zu geben, wie es dieſe beiden Herrn ſchon früher unter ſich abgeredet hatten. Bei- lich um 4 Uhr entließ mich der gnädige Herr Be- zirksamtsvorſteher, und ſiehe! der alte Herr Franz Pimpl von Saalfelden, und mein guter Freund Joſeph Klingler von Alm warteten ſchon auf mich. Als wir ſo Alm zugingen begegneten uns auf einmal mein hochw. Herr Vikar, Schullehrer Johann Lackner und noch Jemand, über deſſen Anweſenheit ich ſtaunte, ja bei deſſen Anblick ich beinahe erſchrack, in der Meinung, es ſei deſſen Geiſt. Und dieſer Jemand war mein lieber Dr. Riedlinger, mein Pilgergefährte nach Jeruſalem und Rom, und der, obwohl wir uns in Trieſt getrennt hatten, und er über Görz den hl. Berg Luſchari, h. Blut und das Fuſcherthal ging, in derſelben halben Stunde, wie ich in meiner Heimath ankam, ohne daß wir vorher eine Spur des Einen von dem Andern hatten. Ich betrachtete dieſes Zuſammentreffen und Wiederſehen als eine von Gott uns eigens beſcheerte Freude. Der Herr Vikar führte nun zwei Pilger in die Kirche zu Alm ein, wo er uns Beiden, die wir auf den Stufen des Altares knieten, den Segen der Kirche ertheilte, den ſie über die aus dem hl. Lande zurückgekehrten Pilger zu geben vorſchreibt. Es waren viele Leute anweſend, und die ganze Handlung ſehr rührend. Ueber Nacht zu bleiben waren wir bei Herrn Vikar eingeladen. Am 15. Juni, 5. Sonntag nach Pfingſten em- pfing Hr. Dr. Riedlinger und ich in meiner Mutter- kirche die hl. Communion. Auch zu Mittag mußten wir, Herr Doktor und ich, und auch meine Schweſter Katharin bei Herrn Vikar ſpeiſen. Vorher aber be- ſuchte ich noch mit Herrn Doktor mein heimathfiches Bauernhaus. 14. Bum Schluſſe. So wie mich allenthalben meine lieben und guten Freunde mit den Worten begrüßten: „Gott Lob und Dank, daß du dort geweſen und nun wieder da biſt,“ ſo habe auch ich Herz und Mund voll von dem: „Großer Gott, wir loben dich,“ was wir ſo oft auf unſerer Pilgerfahrt nach einer überſtandenen Gefahr und erlebten Freude geſungen haben. Wahr- lich hätte mich dieſe Pilgerreiſe noch ſo viel, ja Alles Irdiſche gekoſtet, hätte ich noch ſo viel zu leiden gehabt, ſie reuete mich nicht. Immer aber ſchweben mir jetzt die Worte des hochw. Herrn Pfarrers Kaltner vor: Eine Pilgerfahrt, Gottlob! überſtanden, ſie bleibe mir ein Vorſchub zur Voll- bringung der Andern – in's himmliſche Jeruſalem. Am Feſte des hl. Johannes des Täufers, an meinem Namenstage wurde darüber geprediget, wie – 72 – die kath. Kirche einen aus dem hl. Lande zurückge- kehrten Pilger aufnimmt, und erklärt, daß die Kirche vorausſetzt: a) der Pilger habe ſeine Pilgerreiſe im Geiſt der Buße unternommen, - b) er habe den Frieden der Seele erlangt, c) und die Gemeinde werde ihn als einen Bothen des Herrn betrachten, der deſſen Ankunft zum Ge- richte verkündet. Möge ich mit der Gnade Gottes Etwas zur Vorbereitung auf das Gericht beitragen, damit es uns ein guädiges werde! Weil die Pinzgauer alle Ereigniſſe, traurige und freudige, gerne beſingen, ſo ſetzten mir auch meine guten Freunde zu meiner Rückkehr nachſtehendes Lied auf und ſangen es mir vor: Gelobt ſei Jeſus Chriſtus! 1. Wir laſſen heut' ein Lied erſchallen Gottes Lob und Dank vor Allen, aß er den Pilger aus dem heil'gen Land Hat heimgeführt mit ſeiner ſtarken Hand. Wir unſern Bruder Ebner meinen, Erwählt von Jeſus zu dem Seinen, Der hingelange in die Stätten dort, Wo er gewandelt einſt von Ort zu Ort. 2 Der ſah den Stall, wo er geboren, Den armen Ort, den er erkoren, Damit ins Thränenthal er gehe ein – 73 – Und könne gleich, wie wir ein Wandrer ſein; Der tief Ä im Liebesherzen So manchen von des Heilands Schmerzen, Die ihn gepeiniget als Sündenlaſt, Die du, o Menſch! auf ihn geladen haſt. 3. Der ſah den Ort, wo vor dem Ende Der Herr ſich ſetzt im Teſtamente: Der ſah den großen Liebes Speiſeſaal Wo er mit Seinen aß das Abendmahl; Dort hat ein Schauder ihn befallen, Er ſpricht als Pilger zu uns Allen: O ehrt den Thron des heilg'ſten Sakrament, Und hochgelobt ſei Jeſus ohne End! ! 4. Der ſah die Stadt, wo er gelitten Und mit dem ſtarken Feind geſtritten, Wo heil'gſtes Blut auf harte Felſen rann, Und was dort Gottes Sohn für uns gethan, Wo er ſich geißeln ließ und krönen Mit Dörnern und am Kreuz verhöhnen, An dem er ſtarb verlaſſen ganz und gar, Und gab ſein Leben für uns Sünder dar. 5. Der ſah, wo Chriſti Leib gelegen, Und dort die Andacht konnte pflegen; Und ſah, wo auferſtanden, aufgefahr'n Der Herr einſt iſt vor achtzehnhundert Jahr'n; Dort hob ſein Herz ſich hoch nach Oben, Um ewig Gottes Sohn zu loben, Der mit dem Vater und dem Geiſt zugleich Mit Herrlichkeit regiert im Himmelreich. Eh' aber wir das Lied beſchließen Wir Alle fallen zu den Füßen Dj Ägjrj Äund Preis Für die Begleitung auf der Pilgerreiſ; Und freudig rufen wir zuſammen: Gelobt ſei Gottes heil'gſter Namen, Und glücklich unſern Bruder heimgeführt! Des höchſten Herrn, der Alles wohl gert, 2. Abtheilung. Wallfahrt nach Maria-Zell im Jahre 1857. – 77 – 1. Veranlaſſung zu dieſer Wallſahrt. 1. Auf meiner gefahrvollen Pilgerreiſe nach Jeruſalem, bei welcher ich von der Seekrankheit Vieles leiden mußte, hatte ich mir vorgenommen, wenn ich wieder glücklich nach Hauſe komme, meinen Dank der Mutter Gottes durch eine Wallfahrt ent- weder nach Alt-Oetting oder Maria-Zell zu bezeigen. Daß ich wohlbehalten, freudig und ſogar feierlich in meine Heimath zurückkehrte, ſteht ſchon im erſten Theil dieſes Büchleins beſchrieben; und daß die jungfräuliche Mutter Gottes mein Meeres-Stern geweſen iſt, der mich glücklich hin- und hergeleitet hat, blieb meine feſte Ueberzeugung. Ich dachte nun wohl auch ernſtlich an die Ausführung meines Vor- habens, aber ſie verzog ſich, weil auch ein Bauer nicht allzeit, wann er will vom Hauſe weggehen kann. Da wurde nun auf Einmal ſicher bekannt, daß in dem weitberühmten Wallfahrtsorte Maria-Zell in Steiermark das Säculum gefeiert werde, und dieſe Nachricht war für mich der ſtärkſte Antrieb, jetzt meine Wallfahrt dorthin zu unternehmen und damit mein Verſprechen zu erfüllen, verband aber auch die Neben-Abſicht, auf der Rückreiſe die mir liebgewordenen einſtigen Mitpilger nach Jeruſalem, den Hochwürdigen Herrn Schönberger in Graz und Dr. der Medizin Riedlinger in Gmunden zu beſuchen. 2. Während ich darauf meine Sachen ein wenig zuſammenrichtete, konnte ich mich der Betrachtung nicht erwehren, daß wohl auch jetzt Einige, wie ſie ſchon meine Pilgerreiſe und überhaupt meine Vor- – 78 – liebe zu Wallfahrten nicht günſtig beurtheilt hatten, ſich werden vernehmen laſſen: „Der Ebner läuft immer herum, von Einer Wallfahrt zur Andern, könnte er nicht zu Hauſe auch beten? Und das Geld, welches er dazu braucht; wäre es nicht beſſer, er würde dieſes den Armen geben?“ Doch dergleichen Gerede konnte mich nicht davon abwendig machen, denn ich habe einmal eine Wall- fahrt verſprochen gehabt, und alſo mußte ich ſie auch verrichten. Verſprechen macht halten im Weltlichen und Geiſtlichen. Dann, bin ich nicht verheirathet; die Hauswirthſchaft iſt auch in meiner Abweſenheit gut beſorgt; es hat Niemand einen Schaden zu leiden, und auch den Armen entgehet deßwegen Nichts, und daß meine Vorliebe zum Wallfahrten eine blinde oder unnütze ſei, konnte ich mir ſchon gar nicht denken. Denn wenn ich zur Ehre Gottes, der ſel. Jungfrau Maria oder anderer Heiligen eine Wall- fahrt verrichte, bin ich da blind? Wenn ich im Bußgeiſte das Müdewerden, das Faſten, die Ent- behrung des gewohnten Lebens und der häuslichen Bequemlichkeit, Hitze, Kälte, Näſſe, Hunger, Durſt, unters Gewitter kommen, keine rechte Unterkunft finden, den Anfall unverſchämter Bettler und andere Mühſeligkeiten und Gefährlichkeiten mit dem Leiden Chriſti vereinige, und damit, wie mit einem Kreuze beladen, dem Herrn auf ſeinem Kreuzwege nachfol- gen will, bin ich denn da blind? Und wenn meine Seele ſich ſchon durch den Ent- ſchluß zu einer Wallfahrt, und noch mehr auf dem Wege, viel freier von der irdiſchen Laſt, und heiliger – 79 – geſtimmt zum Guten empfindet, und es wird ihr am hl. Orte ſelbſt eine innigere Andacht, ein eifriger und würdiger Empfang der hl. Sakramente zu Theil, und ſie geht geſtärkt im geiſtlichen Leben und im Frieden mit Gott, mit ſich ſelbſt und dem Nächſten von dannen, iſt das etwas Unnützes? Geld der Welt iſt es freilich nicht, aber das Gold vor Gott und die Perle für die Seele iſt es! Und wenn eine Vorliebe für das Wallfahrten blind und unütz wäre, warum ſind ſie dann doch auch von Kaiſern und Kaiſerinen, Königen - und Königinen, Fürſten und Grafen u. ſ. w. geſchehen, deren koſtbare und herrliche Opfer man ſehen kann, und werden noch immer vollbracht? Ja auf ſolche Wallfahrten, die man gleichſam zu einem Gewerbe macht, oder womit man böſe Abſichten verbindet, womit z. B. ein zerrütteter Ehe- gatte dem andern einmal davonlaufen will; unge- rathene Kinder oder liederliche Dienſtbothen vom Hauſe kommen wollen, um ihren böſen Wegen nachzugehen; auf ſolche Wallfahrten, womit man ſeinen Gewohnheitsſünden und der Verſtocktheit im Böſen, ſo zu ſagen, ein heiliges Pflaſter auflegen will, und nach welchen Wallfahrten gar keine Buße und Beſſerung des Lebens erfolgt, und die Leute darnach wie vorher die nämlichen Geizhälſe, Hoch- müthigen, Unkeuſchen, Zornigen und Unfriedlichen, kurz die nämlichen Sünder ſind, auf ein ſolches Wallfahrten halte ich auch nichts, und ſage auch mit den Andern: Solche thun beſſer, wenn ſie zu Hauſe bleiben, damit nicht auch noch durch ſie der Gräuel am hl. Orte vermehret werde. Doch ich will auch für Solche um die Gnade bitten, daß ſie recht wallfahrten. 3. So nun mit guter Meinung und hoffent- lich in der Liebe Gottes und des Nächſten trat ich meine Wallfahrt nach Maria-Zell an; und ſie ging über Radſtadt und Schladming bis zu dem hl. Gnaden- Orte glücklich von Statten. - Die Freundlichkeit der Bewohner Steiermarks hat mich ſehr erfreut, und in ihren Gotteshäuſern erbaute mich beſonders das langſame deutliche Beten, wobei man jedes Wort verſteht; und das rührende gemeinſchäftliche Singen des Volkes mit dem Chore, welches mich auf den Gedanken brachte, dadurch werde ja doch der Zorn Gottes beſänftiget, die Verzeihung erfleht, die Strafen geſchenkt und dafür ein Lohn gegeben werden, wenn das Alles ſo wahr im Herzen iſt, was der Geſang ausdrückt. Aber wahrhaftig ein wehmüthiges Etwas ergriff mich, als ich erfuhr, daß in dieſen auferbaulichen Chriſtengemeinden ſich auch viele Proteſtanten befin- den, und ich danke Gott, daß es in meinem Heimath- lande nicht ſo iſt, und bat den Herrn, als das unſicht- bare Oberhaupt der katholiſchen Kirche, er wolle es nicht zugeben, daß es etwa auch einmal ſo bei uns werde; ſondern dafür Allen die Gnade verleihen wolle, bei der h. Mutter, der apoſtoliſchen Kirche zu bleiben, oder zu ihr wieder zurückzukehren. – 81 – 2. Buſammenkunft und Geſpräch mit einem prote- ſtantiſchen Bauern. 1. Wie gewöhnlich einem Wanderer auf dem Wege und in den Ortſchaften, wo er einkehrt, ver- ſchiedene Leute und Dinge unterkommen, ſo traf auch ich einen proteſtantiſchen Bauern, welcher ſich zu mir geſellte; und wie überhaupt zwei Bauern von Nichts lieber reden als von ihrer Oekonomie, ſo war auch unſer erſter Discurs von dieſer und ihren verſchiedenen Sachen in Steyermark und in Pinzgau. Als ich unter Anderm vorbrachte, daß es da in ſeiner Heimath beſſer ſein müſſe, als in meiner, indem hier ein ſchöner Viehſtand und viele Hammer- werke ſeien, bei denen man ſich Viel mit den Pferden und der Holzarbeit verdienen könnte, und er mir darauf entgegnete: Ja bei euch iſt wohl noch ein beſſerer Viehſtand, und ihr ziehet ja Pferde auf, die weitum geſucht und um den höchſten Preis be- zahlt werden, antwortete ich: Allerdings wird ſich Pinzgau mit ſeiner Bauerſchaft aufrecht erhalten, wenn Gott den Viehſtand geſund erhält, und der- ſelbe wenigſtens in einem Mittelpreiſe bleibt, aber, wenn ihr ſehen würdet, wie bei uns oft mitten im Hochſommer nicht nur auf die Alpen, ſondern auch in die Niederungen und ſogar auf die Felder der Schnee kömmt, wo dann der Baner mit den Knechten und Buben Vieh ſuchen gehen, es auch manchmal heimtreiben, und dort und da ein von einer Höhe abgefallenes oder abgerutſchtes Stück 6 – S2 – Vieh aus einer Steinkluft herauswürgen oder aus einem Abgrunde heraufſeilen muß; wenn ihr ſehen würdet, wie man bei uns die Gräſerei oſt lebens- gefährlich zuſammenzubringen hat, und bei allem An- tragen, wegen langer Dauer des Winters, doch nicht beſteht, und zuletzt froh ſein muß, wenn man nur ein Futter für das Vieh zu kaufen bekömmt, koſte es was immer, ſo würdet ihr mir gewiß Recht geben, wenn ich ſage: Ja, der Viehſtand trägt etwas, aber die Mühe und Koſten ſind auch Etwas. Doch darüber will ich nicht klagen, denn in Schweiße des Angeſichtes ſollſt du dein Brod eſſen, und jeder Tag hat ſeine Plag, und ſchon ſeit der Schule her habe ich mir den Vers gemerkt: „Wer Honig will ſammeln und Roſen will brechen, Muß leiden, daß Bienen und Dörner ihn ſtechen.“ Unſer Oekonomie-Diskurs und Vergleich zwiſchen Steyermark und Pinzgau beſchloſſen wir endlich in der einſtimmigen Anſicht, daß mit dem Segen Gottes und eigener Arbeitſamkeit und Genügſamkeit hier und dort zu leben ſei, daß aber auf dem Lande der faulen und genußſüchtigen Leute überall nur Diſteln und Dornen wachſen. 2. So freundſchäftlich im Ganzen und ſtandes- gemäß, d. h. hier: bäueriſch, unſer Geſpräch ver- lief, ſo hatte ich doch theilweiſe wahrzunehmen, daß mein Weggefährte hie und da unliebſame Trümpfe gegen mein Katholiſch ſein ausſpielte. Es machte mich dieß allzeit warmt, erregte aber nicht den Zorn, ſondern ein geheimes Mitleid, brachte mich aber – 83 – doch zu dem Entſchluſſe: Wenn du nicht nachlaſſeſt unich herauszufordern, ſo werde ich nicht ſtille ſein, denn wir ſind da allein und du biſt auch nur ein Bauer, wie ich, und ſollteſt nicht meinen, daß ich dir Recht gebe und dich in deinem Irrthum be- ſtärke. Ich wußte wohl, daß es den gemeinen un- gelehrten katholiſchen Chriſten verboten ſei, ſich mit Irrgläubigen in einen Disput einzulaſſen; weil man einen ſolchen ſchon nicht recht führen kann; dann auch, weil man bei ihnen ſelbſt mit den beſten Vorſtel- lungen nichts Gutes bewirkt; indem ihnen mehr um das Streiten, und um die Herabſetzung der kath. Kirche zu thun iſt, als um den wahren Glauben; und dann, weil ſie im Disputiren viel pfiffiger ſind und dazu ſchon von Jugend auf ſind abgerichtet wordeU. Doch in dieſem Falle glaube ich mich nicht gegen das Gebot zu verfehlen, wenn ich da als katholiſcher Bauer dem proteſtantiſchen Bauern unter unſern vier Augen und unter dem Auge Gottes Rede und Antwort gebe. 3. Unterdeſſen erblickte ich einen Marktflecken, in welchem mir eine Kirche und ein großes Haus auffiel, welchem ein neuer ſchöner Thurm mit Glocken angebaut war. Er nannte es ein evangeliſches Beth- hans. So bemerkte ich, braucht ihr wegen dem Evangelium ein eigenes Bethhaus? Das Evangelium könntet ihr auch in jeder katholiſchen Kirche von der Kanzel ableſen hören. Und ihr fändet ja auch da viel Mehr im Geiſtlichen, als in enern Bethhäuſern, wo man euch einen Glauben veräne , der nicht 6 – S4 – einmal unſern Herrn im a. h. Altarsſakramente da ſein läßt, keine rechte Bußanſtalt und keine Prieſter hat. So ein Bethhaus habe ich auch daheim auf meinem Bauerngut, aber ich habe noch nie in meiner Haus- kapelle denken können, daß ſie eine Kirche ſei, auch noch nie gehört, daß das Aermere am Heiligen beſſer iſt. Und einen neuen ſchönen Thurm mit Glocken habt ihr jetzt auch! Nun das bringt mich auf den Gedanken, als wolltet ihr immer näher zu den katholiſchen Kirchen herankommen und ihr immer ähnlicher werden? Und die Glocken, läuten ſie euch nicht auch, wie uns, zum Gebete des engliſchen Gruſſes, womit wir uns dreimal des Tages an die Menſchwerdung des Sohnes Gottes aus Maria der Jungfrau dankbarſt erinnern. O vielleicht läuten auch die Glocken zur Ruh und zum Frieden mit uns und zur gänzlichen Vereinigung mit der katholiſchen Kirche! „O mein Menſch! ſprach er, dieſes wird nicht geſchehen, denn es ſoll ein jeder Menſch in dem Glauben bleiben, in welchem er geboren iſt.“ 4. So ſagſt du? Aber wird denn der Menſch ſchon in dem Glauben geboren? Dieß glauben wir katholiſche Chriſten nicht; ſondern, daß der Menſch, und wenn er auch von chriſtlichen Eltern herkömmt, in der Erbſünde geboren werde, und daß er erſt durch die hl. Taufe den Glauben erhält, der ihm das ewige Leben gibt, wenn er die Gebote Gottes hält. Du wirſt vielleicht mit deinem Ausſpruche haben ſagen wollen: Jeder Menſch ſoll bleiben in dem Glauben, in welchem er durch ſeine Eltern oder zufällige Lebens-Unſtände gekommen iſt. Wenn aber dieß allzeit und in Allem eine Geltung gehabt hätte, ſo hätten ja der hl. Johannes der Täufer und Chriſtus ſelber unrecht gethan, daß ſie die Leute zur Bekehrung aufgefordert haben; eben ſo auch die Apoſtel, daß ſie das verdorbene Judenthum verlaſſen und dem Herrn nachgefolgt ſind; nicht minder auch die vielen Tauſende, welche ſich auf die erſte Predigt des hl. Petrus bekehret haben, und alle Juden und Heiden, welche von jeher den chriſtlichen Glauben angenommen haben. Und wenn es nach deinem Ausſpruche immer ge- gangen wäre, ſo würde noch Steyermark und Pinzgau von Heiden bewohnt ſein; denn ſolche waren vor der Verbreitung des Chriſtenthums die Bewohner unſerer beiderſeitigen Heimath. Und wenn du ſo Viel auf ein ſolches Bleiben halteſt, muß es dich an euerm Luther ſelbſt nicht bitter verdrießen, daß er es am wenigſten beobachtet hat? Denn der Luther iſt auch nicht als Proteſtant geboren worden, ſondern hatte katholiſche Eltern, iſt katholiſch aufer- zogen worden, hat auf katholiſchen Schulen ſtudirt, weil es vor ihm noch keine proteſtantiſchen Volks- ſchulen und auch keine proteſtantiſchen Hochſchulen gegeben hat; ferner iſt Luther ein katholiſcher Mönch und Prieſter und Profeſſor geworden, und erſt da iſt Etwas über ihn gekommen, das ihn zum Feind der katholiſchen Kirche gemacht, zum Abfall von der- ſelben und dazu getrieben hat, daß er einen Stein in den Garten der Kirche geworfen hat, den ſie – SG – nicht ſo leicht werden herausbringen. Ich habe einmal gehört, daß die ganze traurige Geſchichte mit dem Luther unterblieben wäre, wenn ihn der Papſt zum Kardinal gemacht hätte, weiß aber nicht, ob etwas Wahres daran ſei. Mußt du aber nun nicht zugeben, daß der Luther am wenigſten gethan hat, was du vorgebracht haſt, daß man thun ſoll, und daß dieß überhaupt keine Regel ſein kann? „Meinetwegen“ ſprach er. 5. Aber was würde das für eine Uneinigkeit mit den Eltern, Nachbarn und Befreundeten, und für eine Schande ſein, wenn man zu den Katholiſchen überginge? Das geſchieht nicht“ Mein lieber Freund! Bei uns zu Hauſe im Pinzgau ſagt man:“ Der Menſch ſoll nichts ver- reden,“ und man will damit ſagen: der Menſch ſoll nie zu feſt meinen, daß dieß und jenes nicht auch noch im menſchlichen Lebenslaufe mit ihm geſchehen könne.“ Der Menſch denkt, Gott lenkt. Und wie Viele von euerem Bekenntniſſe, die da auch gemeint haben, es wäre eine Unmöglichkeit, oder ſie ließen ſich lieber erſchießen, als daß ſie katholiſch werden, ſind es doch geworden, nachdem ihnen Gott das wahre Licht hat leuchten laſſen; und ſie haben dann keine zeitlichen Rückſichten mehr gehabt, auch nichts mehr nach der Uneinigkeit mit den Eltern und Be- freundten, ja ſelbſt nach Weib und Kinder deßwegen nichts mehr gefragt; und haben es ſchon in dieſem ihren Leben auf Erden erſahren, und werden es auch wenn ſie bereits geſtorben ſind, in der Ewigkeit er- fahren haben, wie wahr der Herr geſprochen mit – S7 – den Worten: „Niemand iſt, der Haus, oder Eltern, oder Brüder, oder Weib, oder Kinder um des Reiches Gottes Willen verlaſſen hat, der nicht viel mehr dafür erhält in dieſer Zeit, und in der künftigen das ewige Leben. Und ſo könnte es auch noch mit dir geſchehen, verſtehſt mich? Wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Und du könnteſt auch ſogar berufen ſein, mit dem göttlichen Gnadenlichte allen deinen Angehörigen vorzuleuchten zur Rückkehr in die katholiſche Kirche. Und was du von der Uneinigkeit mit deinen Leuten befürchteſt, iſt dieß nicht etwa eine leere Furcht? Wer weiß, ob deine Leute ſo auf ihren Glauben ver- ſeſſen ſind, daß es wegen deinem Katholiſch werden zu einer Uneinigkeit käme? Die Furcht iſt oft größer als das Uebel. Und wenn ſie es auch jetzt wären, ſo würden ſie es gewiß nicht bleiben, wenn ſie einmal das Wahre von dem katholiſchen Glauben hören oder leſen könnten; und nicht blos immer, wie es ſo häufig geſchieht, nur die Lügen und Schmähungen und Ver- läumdungen darüber als eine eckelhafte Speiſe zu ge- nießen bekämen. Und was du endlich von der Schande ſagſt, die es wäre, wenn du katholiſch würdeſt, das kann ich Dir gar nicht zugeben. Ich habe einmal gehört, daß ein proteſtantiſcher Oberkirchenrath bei der Heirath einer proteſtantiſchen Prinzeſſin, die zur katholiſchen Religion hat übertreten müſſen, das öffentliche und feierliche Urtheil abgegeben hat, ſie könne dieſes ohne Sorge um den Verlurſt ihres Seelenheiles thun, da man auch im katholiſchen Glauben ſelig werden kann, wenn man darnach lebt. Wie, iſt dieß nicht – 88 – eine ehrenvolle Erklärung für den katholiſchen Glauben? Und wer kann da alſo noch von einer Schande reden, wenn nuan einen Glauben annimmt, den eure höchſten geiſtlichen Behörden ſelbſt in Ehren haben? Und geht denn nicht bei euch Proteſtanten der Spruch unter dem Volke herum: „Bei den Proteſtanten iſt leichter zu leben, bei den Katholiſchen leichter zu ſterben.“ Iſt das nicht auch ein Ehren-Spruch? Und ſind denn von euch nur lauter dumme und gemeine und Bettelleute zur katholiſchen Kirche zurück- gekehrt? Ich habe immer ſagen gehört, die Proteſtanten erwiſchen in dieſer Hinſicht nichts Nutzes, aber zu der katholiſchen Kirche kehren die gelehrteſten frömmſten uud vornehmſten Proteſtanten zurück. Auf welcher Seite iſt alſo die Schande? „Beeifere dich doch nicht ſo und denke, es treten ja von euch nicht ſelten Geiſtliche, Prieſter zum proteſtantiſchen Glauben über.“ - Und von euch treten Paſtoren zur katholiſchen Kirche zurück. Das hebt ſich alſo auf; und iſt nur zu betrachten, daß die Paſtoren, welche katholiſch werden, gewöhnlich von Gott erleuchtete, und von ſeiner Gnade geleitete Männer ſind, hingegen die katholiſchen Prieſter, welche zum proteſtantiſchen Glauben über- gehen, gewöhnlich ſich ſchon zu viel von dem Leib- Liedlein des Luthers gemerkt hatten: „ Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang, Der bleibt ein Narr ſein Leben lang.“ - „Geh, höre auf, du biſt ein ſtockkatholiſcher Bauer, und übertreibſt die Sache, indem du Alles ſo ſchlecht heraus bringſt, was bei uns iſt, und zu uns kömmt ! – 89 – 6. Wir Proteſtanten meinen auch, daß wir das Rechte haben, ſind beruhigt in unſerm Glauben und getrauen uns in demſelben zu ſterben; und wenn es damit gar ſo weit gefehlt wäre, ſo würden ſie nicht auch in allen Städten und auch in Salz- burg ſein, und immer mehr werden? - Weißt du was, guter Freund! ich bin kein Miſſionär und Proteſtanten-Bekehrer, habe hiezu auch keinen Beruf, und zu wenig Kenntniſſe, daß ich dir mit der Lehre Alles auseinander lege, in wieferne ihr Recht und nicht Recht habt; aber im Diskurs darüber muß ich bemerken, daß es die beſten und gründlichſten Bücher hierüber gibt, wo ihr das Wahre finden könntet, wenn ihr es ſuchen wolltet, oder man ſie euch gäbe. Ich habe immer gehört, daß die Proteſtanten kein einziges Buch herausgegeben haben, in welchem ſie den katholiſchen Glauben widerlegt hätten, ſondern daß bei allen ihren Büchern es auf Nichts anders hinausgehe, als auf das Schimpfen über die katholiſche Kirche, ſogar auf die Verfälſchung der heil. Schrift und auf das, daß das ganze Chriſtenthum nichts als eine Fabel und Einbildung iſt. Das iſt doch nicht das Rechte! Aber die guten Bücher kommen euch nicht zu, denn ſie ſind keine Hauſir-Waare, wie man von eurer Seite alle möglichen ſchlechten Bücherfetzen um einen Spottpreis (ſie verdienen keinen andern Namen) herumträgt, verſchenkt, und ſogar aufzwingt Gingeſt du einmal zu einem Biſchof, oder Dechant, oder Pfarrer der kath. Kirche mit guter Meinung, die würden dir ſchon ſagen, ob und wie du recht daran biſt. Doch zu einem kathol. Prieſter gehen, das dürft ihr nicht. Ich habe einmal geleſen, daß ein ſolcher auf einer Geſundheitsreiſe in einem proteſtantiſchen Bauernhof zugekehrt iſt, und um ein wenig Milch erſucht hat. Die Bewohner dieſes Hauſes erkannten ihn als einen kathol. Prieſter, und da hatte die Bäuerin zwar Milch gebracht, aber ſie mit ihren Kindern, die ſchon zuerſt ſcheu geworden, haben dabei immer unter den Tiſch geſchaut, ob ſie nicht an dem Gaſte den Bocksfuß ſehen; daß euch auch ener Glaube beruhige, mag wohl ſein, wenn ihr nicht weiter denkt. Mir aber wäre bei einem ſolchen chriſtlichen Glauben, der keinen Papſt hat, keinen Prieſter, kein hl. Meßopfer, die 7 hl. Sakra- inente und vieles Andere nicht mehr hat, was doch immer in der Kirche Chriſti geweſen iſt, und noch neben dem proteſtantiſchen Glauben beſteht, öde und langweilig in meine Seele hinein, und es käme mir vor bei euch, als ſäſſe ich auf den Trümmern einer eingefallenen Kirche, Und wenn ich denken müßte: „meine proteſtantiſche Kirche iſt erſt etwas über 300 Jahre alt“, da hinge wohl auch der Gedanke daran, daß Chriſtus doch nicht mit ſeiner Kirche in den Himmel auf- gefahren iſt, ſondern, ehe dieſes von ihm allein ge- ſchehen, zu Petrus ſprach: Du biſt Petrus, und auf dieſem Felſen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden ſie nicht überwältigen. Und wenn nun die proteſtantiſche Kirche die rechte iſt, wo iſt ſie denn ſo lange geblieben? Fünfzehn Hnndert Jahre war ſie nicht da! So etwas käme – 91 – mir ſchon verdächtig vor, und könnte mich nicht beruhigen, und beſonders nicht, wenn ich eine Kirche neben meiner wüßte, deren Urſprung von Chriſtus und deren Beſtehen ſeit Chriſtus durch die Reihen- folge der Päpſte bis zum Petrus hinauf und der Biſchöfe bis zu den Apoſteln nachgewieſen iſt. Ein Geiſtlicher hat mir's geſagt, daß der Luther ſelber bei ſeiner ganzen Streiterei oder Kirchen- Verbeſſerung, wie er ſein Treiben am liebſten nannte, keine Beruhigung gefunden hat, und daß er einmal wegen dem Sektirer Zwingli, der ihm feſt zuſetzte, ganz offen und aufrichtig dem damaligen Herzog von Preußen geſchrieben habe: „Es iſt gefährlich, ja ſchrecklich, etwas zu hören und zu glauben, das wider das einſtimmige Zeugniß, den Glauben und die Lehre der geſammten heiligen Kirche Chriſti iſt, welche ſie ſchon über 1500 Jahre für die ganze Welt gegeben hat.“ Mußte er das nicht auch für ſich vor Augen haben? Und was das betrifft, daß ihr euch in euerm Glauben zu ſterben getraut, ſo ſei euch allen Gott gnädig, der da geſagt hat: „Mein iſt das Gericht.“ Aber es iſt weit öfter vorgekommen, daß ſterbende Proteſtanten um einen kath. Prieſter geſendet haben, ſterbende Katholiken um einen proteſtantiſchen Paſtor. – Daß es, wie du geſagt haſt, in allen Städten Proteſtanten gibt und auch in Salzburg; ja nun, ſie ſind einmal da, und ſie können auch nicht alle auf dem Lande oder in Wäldern oder auf euern ſteieriſchen Gebirgen wohnen und hauſen; aber wenn mir die Proteſtanten in Salzburg ein Beweis ſein ſollen, daß ihr recht daran ſeid, und wir nicht, das wüßte ich nicht wie? Und ich muß dir ſchon ſagen, wenn auch viele, viele Proteſtanten ſich in Salzburg anſiedeln, und es käme auch für ſie ein hoher Geiſtlicher, z. B. ein Superintendent dahin und ſie baueten ſich auch das ſchönſte Bethhaus oder einen herrlichen Tempel, ſo könnte mich dieß alles nicht zur Ueberzeugung bringen, daß jetzt erſt die rechtgläubigen Chriſten, das apoſtoliſche Oberhaupt und das Beth- oder Gotteshaus im wahren Sinne in Salzburg aufgekommen ſei, und daß alle kath. Bewohner Salzburgs ſeit den Zeiten des hl. Rupert mit ihren Biſchöfen und Erzbiſchöfen, von denen der gegenwärtige hochverehrte Fürſterzbiſchof Maxi- milian der 67. iſt, auf dem Holzweg gegangen ſeien, und man in dem altehrwürdigen Dom das Jrrige gelehrt und das Falſche geſpendet habe. Zu einem ſolchen Glauben bringen mich Hundert Tauſend Proteſtanten und alle Superintendenten und Paſtoren und alle alten und neuen Bethhäuſer nicht. 7. Ja, als kath. Bauer mußt du halt ſo denken, aber du würdeſt es auch anders, wenn du wüßteſt, wie wir, daß die Katholiſche Kirche in den erſten Jahrhunderten ſchon recht geweſen, aber hernach von dem wahren Glauben abgefallen iſt, und der Luther ſie wieder auf ihr urſprüngliches Beſtehen zurück- geführt, und das Evangelium ans Licht geſetzt hat. Nimm es nicht übel, wenn ich darauf antworte, daß mir dieſes wie ein Blendwerk vorkömmt. Wenn, wie ihr ſelbſt zugebet, die kath. Kirche in den erſten Jahrhunderten die rechte geweſen, ſo war ſie alſo diejenige, welcher der Herr verſprochen hat, daß ſie die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden, und welche der hl. Paulus eine Säule und Grund- feſte der Wahrheit nennt. Hat dieß der Herr und Paulus etwa nur auf einige Jahrhunderte für ſeine Kirche verſtanden, und ſie dann verlaſſen, uud als die Säule der Wahrheit umfallen und als die Grund- feſte derſelben verſinken laſſen? So etwas von dem Herrn zu denken, ſchiene mir eine Läſterung zu ſein, um ſo mehr, da der Herr gleichſam im letzten Augenblicke vor ſeiner Himmelfahrt den unter dem Petrus verſammelten Oberhirten ſeiner Kirche das Lehramt übergab, und ihnen ſeinen göttlichen Bei- ſtand alle Tage bis ans Ende der Welt zuſicherte. Und wenn die Kirche nach euern eingebildeten Jahrhunderten von dem wahren Glauben abgefallen wäre, ſo hätte ja dieſes entweder auf einmal und im Ganzen, oder nach und nach und theilweiſe ge- ſchehen müſſen. In der kath. Kirche ſind allerdings von jeher verſchiedene falſche Propheten, Irrlehrer und Verführer aufgeſtanden, wie es unſer Herr ſelbſt vorhergeſagt hat, daß dieß geſchehen werde; aber wenn dieſe Leute, und waren es auch Könige und Fürſten mit ſammt ihren Ländern, ſich durch alle Güte und liebevollen Ernſt nicht haben zur Erkenntniß ihres Irrthums und zur Annahme des wahren Glaubens bringen laſſen, dann hat ſie die kath. Kirche von ſich abgetrennt und ausgeſchieden, wie man einen dürren Aſt von einem Baume und einen faulen Theil vom Leibe ſchneidet; und hat eben – 94 – dadurch verhütet, daß der wahre Glaube in der kath. Kirche Schaden leide, und in ihr nach und nach und theilweiſe ein Abfall vom wahren Glauben ſtattfinde. Und wenn dieſer in der kath. Kirche auf Ein Mal und im Ganzen in irgend einer Zeit geſchehen wäre, ſo würde das ein Weltereigniß ge- weſen ſein, und es ſtünde in allen Geſchichts- büchern, wie die Zerſtörung in Jeruſalem. Haſt du aber das als eine Welt - Begebenheit gehört und geleſen, daß die kath. Kirche in dem und dem Jahre und ſo und ſo auf Einmal von dem wahren Glau- ben abgefallen ſei? - Daß ferners der Luther die kath. Kirche auf ihr urſprüngliches Beſtehen zurückgeführt habe, wie du geſagt haſt, das iſt nicht wahr. Zu allen Zeiten iſt in der kath. Kirche der Papſt geweſen, und ſie wäre ohne dieſen wie ein Leib ohne Kopf; der Luther aber hat geſagt, es brauche keinen Papſt, und hat ihn mit Schimpfnamen titulirt, die der gröbſte Bauer auszuſprechen ſich ſchämt. Schon int Anfange iſt in der kath. Kirche das hl. Meßopfer gefeiert worden, Luther hat es abgeſchafft. Immer ſind in der kath. Kirche 7 Sakramente geglaubt und ausgeſpendet worden, Luther hat nur zwei mehr haben wollen. Ebenſo war in der kath. Kirche von je her die Verehrung Mariens und der Heiligen und der Glaube an das Fegefeuer, das Alles und noch manches Andere hat der Luther weggenommen. Heißt dieß die kath. Kirche auf ihr urſprüngliches Beſtehen zurückgeführt haben? Das heißt bei mir Ein- und Wegreiſſen, nicht aber das urſprüngliche – 95 – Beſtehen herſtellen. Und was hat er dann Beſſeres gemacht und gegeben, als von jeher die kath. Kirche hatte und gab. Jch habe einmal gehört, daß er ſein Glaubens- Bekenntniß aus lauter ſchon längſt ver- worfenen Sätzen der Irrlehrer fabrizirt hat, nur un nicht mit der kath. Kirche übereinzuſtimmen. Für einen ſolchen Wiederherſteller, der mir das Gute nimmt und Nichts oder Schlechteres dafür gibt, da danke ich. – Und der Luther ſoll das Evangelium an's Licht geſetzt haben? Ja wohl, nach ſeinen Auslegungen und wie viel ihm davon gefiel, und in ſeinem Geiſte hat er es gelehrt, gepredigt und darüber geſchrieben, aber dabei nichts darnach gefragt, oder auch mit Fleiß etwas anders geſetzt von dem, wie es alle recht- gläubigen Chriſten in der kath. Kirche von jeher und überall geglaubt und verſtanden haben. Daraus iſt nun das lutheriſche Evangelium entſtanden. Was iſt es denn aber Vornehmes, wenn er ſein Evangeliun. an's Licht geſetzt, und dafür das ungleich beſſere Licht des alten echten und wahren Evangeliums ausgelöſcht hat? Ein Studirter hat mir einen Ausſpruch des Luthers ſelbſt über ſein eigenes Evangelium vor- geleſen, mit dem er, der Luther ſelbſt ſagt: „Habe ich euch nicht mit hellen deutſchen Worten geſagt, was meine Lehre und mein Evangelium für einen ſchlimmten Grund, Urſprung und Anfang habe, daß nämlich Hans Huß (nicht Chriſtus) der Kern, Saamen oder das Weizenkörnlein geweſen ſei. Dieſer hat müſſen ſterben und in die Erde – 96 – begraben werden, darum wächſt es mit Gewalt daher. Sind das nicht meine Worte, als ich vom Urſprung des wiedergebornen Evangeliums ſprach. Johannes Huß, der war der Kern, oder der Saamen. Wer das nicht begreifen will, der laß' es. Aber wenn ihr das nicht verſteht, daß aus einer Ketzerei die Andere hervorkömmt, So ſoll man Euch peitſchen Ihr lieben Deutſchen. 8. Ihr Katholiſchen ſeid ſchon ſo, und laſſet dem Luther gar keine Ehre; und hauptſächlich des- wegen nicht, weil er dem Papſte ſtark zugeſetzt hat. Der Papſt aber iſt ja auch ein Menſch, und kann ſich daher auch irren. Wir Katholiſchen wiſſen ſehr wohl, daß der Luther viele Talente gehabt hat, die ihm Gott gab, und daß er viel Gutes hätte ſtiften können, wenn er ſie recht gebraucht hätte; daß er aber ein Feind der kath. Kirche geworden, den größten Unfrieden bei den Fürſten untereinander und gegen den Kaiſer und das Reich angerichtet und vieles andere Ueble, das ehren wir freilich nicht, und daß er als abge- fallener Mönch eine entſprungene Kloſterfrau ge- heirathet hat, das beſonders macht uns Baueru vollends ſcheu vor ihm. So oft der Bauer an Luther erinnert wird, ſo oft denkt er auch an deſſen Kathl, und kömmt ihm dazu der Ausſpruch in den Sinn: An den Früchten erkennt man den Baum. Ihr ſelbſt werdet ihn deßwegen nicht ehren und dieſe Sache zu vertuſchen ſuchen, aber es geht nicht, denn es iſt und bleibt ein Spektakl und eine Ge- – 97 – ſchichte vor der ganzen Welt, und ein Aergerniß, das kein Einziger aus allen, ſelbſt den mißrathenen Päpſten je gegeben hat. Wir ließen dem Luther keine Ehre, weil er dem Papſte ſtark zugeſetzt hat, ſagſt du. Sag vielmehr, weil er den Papſt geſchimpft und verläumdet hat, wie es nur möglich iſt. Und ſollte uns das nicht be- leidigen, da wir in dem Papſte den Stellvertreter Chriſti auf Erden, das ſichtbare Oberhaupt der Kirche und den hl. Vater anerkennen und ehren? Wären das nicht ungerathene Kinder, die gleich- gültig wären, oder ſich freuten, oder gar lachten und dazuhelfen würden, wenn man ihren Vater ſchimpft? Aber der Papſt, ſagſt du weiters, iſt ja auch ein Menſch, und kann ſich daher auch irren. Wie aber, iſt nicht der Luther auch ein Menſch, und hat ſich der vielleicht nicht irren können? Mir kömmt vor, es ſind unzählig mehr Zeugen und Zeugniſſe, welche beweiſen, daß der Luther ſich in dem geirrt hat, daß er von der römiſch katholiſchen Kirche, zu der er gehörte, abgefallen iſt, und ſich einen neuen Glauben zuſammengemacht hat, als da- für, daß der Papſt ſich geirrt habe und irre. Wir Katholiken behaupten auch nicht, daß der Papſt ſich als Menſch und für ſich nicht irren könne, aber das behaupten wir, daß er als Papſt und Stellvertreter Chriſti in Angelegenheiten des Glaubens und der Lehre für die ganze Kirche nicht irre, denn dieß verhütet der göttliche Beiſtand, den er von Chriſtus hat als Nachfolger des hl. Petrus. 7 – 98 – Und ſo hat man allzeit geglaubt und ſich darnach gerichtet, und wenn irgendwo eine neue, falſche und verdächtige Lehre aufgeſtanden iſt, hat man ſich nach Rom an den Papſt gewendet; und wenn ſich dieſer verworfen hat, ſo hat kein gläubiger Chriſt geſagt: der Papſt habe ſich geirrt, ſondern, der neumodiſche Lehrer hat ſich geirrt. So viel ich weiß, hat ſich ja Luther ſelbſt mit ſeinen Angelegenheiten zuerſt gar demüthig und voll Complimente in einem Schreiben an den Papſt ge- wendet, und iſt erſt hernach völlig auseinander ge- kommen, als man ihm widerſtand und widerſtehen mußte. Uebrigens danke ich, daß man auch einen Menſchen und Chriſten, der zu einem Papſte zu brauchen iſt, und ſich nicht ſelbſt dazu gemacht hat, ſondern ge- wählt worden iſt, auch als Menſch und Chriſt glauben dürfe, mehr als Andern; und kömmt mir immer vor, daß beſonders von Denjenigen, die den Papſt mißachten oder ihn ſchmähen, kein Einziger iſt, der ihm die Schuhriemen aufzulöſen würdig wäre. Ich habe ihn ſelbſt geſehen und geſprochen, der hl. Vater Papſt Pins IX. und ſeine Heilig- keit und Liebe hat mich alſo ergriffen, daß ich dachte, ſo iſt kein zweiter Menſch auf Erden; und wer dem nicht glaubt und den nicht liebt, der iſt Ä todt, und den bewegt nichts mehr auf der elt. Nun, weil du ſelbſt bei dem Papſte geweſen biſt, ſo wirſt du wohl auch ſeinen Fuß oder Pan- toffel geküßt haben? Iſt aber das nicht ein Stolz, – 99 – daß ſich der Papſt ſo etwas thun läßt, und eine Abgötterei, wenn man ſo etwas thut? Vor einiger Zeit hat man aus den Zeitungen geleſen, daß die aſiatiſchen Geſandten, ich weiß nicht mehr von Siam oder Anam, durch einen ungeheuer langen Gang, an deſſen Ende die Königin von Eng- land auf den Thron ſaß, auf allen Vieren zu ihr hingekrochen ſind, um ihre Aufwartung zu machen, und kein Menſch hat es der Königin von England als einen Stolz ausgerechnet, daß ſie ſo etwas ge- ſtattete; dem Papſte aber wird es als Stolz aus- gelegt, wenn ihm, dem hl. Vater, ſeine ihn lieben- den Kinder mit Freude und Rührung den Fuß küſſen. Iſt das nicht parteiiſch? Ferners mußt du wiſſen, daß nicht die Päpſte ſelbſt dieſen Gebrauch eingeführt, ſondern, daß ihm dieß thun zu dürfen, die Gläubigen und ſelbſt Kaiſer und Könige ſich erbeten haben. Und dann gibt der Papſt ſelbſt zu erkennen, daß der Fußkuß nicht ſeiner Perſon gelte, ſondern Chriſto dem Herrn und Gott; denn auf dem ſeide- nen Schuh des Papſtes iſt ein goldenes Kreuz ge- ſtickt, das er zum Kuſſe darbiethet, und nicht den - Namenszug oder das Portrait oder das Wappen des Papſtes. - 9. Aber ihr Katholiſchen habt ſonſt auch allerlei Dinge, die mir gar nicht eingingen. Nun, was wären dann dieß für Dinge zum Beiſpiel? a. „Ihr habt ja 15 Gebothe Gottes und haltet die 10 nicht, die Gott gegeben.“ 7 – 100 – Dieß habe ich das erſte Mal von dir da ge- hört, und bin doch weit herumgekommen, daß wir Katholiſchen 15 Gebothe Gottes haben. Wenn es nur geredet iſt! Schau hinein in einen kath. Kate- chismus oder frage ein Schulkind des kath. Glaubens und du wirſt leſen und hören, daß auch wir 10 Ge- bothe Gottes haben, wie ihr. Aber wir haben auch 5 Gebothe der Kirche, die das Recht von Chriſtus hat, ihren Gläubigen Gebothe zu geben; und die wir aber nicht ſo anſehen, als wenn die Kirche damit hätte nachtragen wollen, was der liebe Gott bei der Ertheilung ſeiner Gebothe vergeſſen hätte, ſon- dern als Anweiſungen wie, und Nachhilfen, daß die Ge- bothe Gottes gehalten werden. Und dieſe hh. Kirchenge- bothe ſind ja nur für uns kath. Chriſten, euch gehen ſie ja gar nichts an, und verlangt kein Papſt und kein Biſchof von euch, daß ihr ſie haltet, was habt ihr denn da über unſere Kirchengebothezukritteln und zuſpötteln? Es werden auch gewiß ſelten kath. Chriſten zu euch darüber zu klagen gekommen ſein! Daß aber von vielen kath. Chriſten die 10 Ge- bothe Gottes nicht gehalten werden das iſt leider wahr; aber daran iſt nicht der kath. Glaube Schuld; und von allen kann man dieß auch nicht behaupten; und wer weiß, wie es bei euch ausſieht? Mir kömmt vor, daß jetzt die Uebertretung der Gebothe Gottes auch unter uns Katholiſchen immer mehr zunimmt, daran ſei der Luther nicht wenig ſchuld mit ſeiner argen Behauptung, als wenn es möglich wäre, die Gebothe Gottes zu halten, mit ſeinem alleinigen Glauben und ſeinem Sprüch- – 101. – lein darnach: „Sündige tapfer und glaube feſt; denn nach ſolchen Lehren ſchnappen begierig alle Die- jenigen, welche der Sinnlichkeit zu viel erlauben, und mit der Gnade Gottes nicht mitwirken wollen, oder gar nicht einmal darum bitten. Was wäre denn noch für ein Ding, das dir bei uns nicht einginge? b. Ihr verehret auch Maria, die Mutter Jeſu zu viel; denn wenn ſie ſo rein und heilig geweſen wäre, wie ihr glaubet, ſo würde ſie nicht auch zur Reinigung in den Tempel gegangen ſein, wie die anderen jüdiſchen Weiber. Im dritten Glaubensartikel heißt es, daß Jeſus der Sohn Gottes empfangen iſt von dem hl. Geiſte und geboren aus Maria der Jungfrau. Nach dieſem verehren wir Maria als die jungfräuliche Mutter Gottes, und wenn euch dieß zu viel iſt, ſo müſſet ihr dem 3. Glaubensartikel die Schuld geben. Zu- dem verehren wir Maria als die unbefleckt oder ohne Mackel der Sünde empfangene Jungfrau, weil eine ſolche Mutter der heiligſten Menſchwerdung des Sohnes Gottes beſſer anſteht als eine Mutter, die einmal der Sünde unterworfen war. - Daß du aber der ſeligſten Jungfrau wegen ihres Opfers der Reinigung Unheiliges und Un- reines an ihr zumutheſt, iſt nicht richtig gedacht; denn es iſt gar Vieles in der Welt, welches man, für ſich genommen, nicht ſtreng zu thun verpflichtet wäre, und doch zu geſchehen hat, um Andern keinen Anſtoß und ein gutes Beiſpiel zu geben. Und deß- wegen konnte ja auch die reinſte und heiligſte Jung- – 102 – frau das Opfer der Reinigung vollbracht haben, ohne daß ſie es für ſich bedurft hat. Die meiſten Juden wußten nichts von dem, daß ſie die Mutter des Sohnes Gottes geworden ſei, aber alle die ſie kannten, wußten, daß ſie über- haupt Mutter geworden war und hielten ihren Sohn für den Sohn des Zimmermanns Joſeph. Wenn ſie nun das vorgeſchriebene Opfer nicht dargebracht hätte, würden nicht alle dieſe daran einen Anſtoß genommen haben? Und hat ſie dieſes nicht auch zum Beiſpiele für alle chriſtlichen Mütter thun können? Zudem war bei dieſer heil. Handlung ein gewiß zuverläßiger Zeuge in Simon zugegen, der allen, die hören, leſen und verſtehen wollen, deutlich zu erkennen gibt, daß Maria nicht wie ein anderes jüdiſches Weib das Opfer der Reinigung gebracht hat, ſondern als die Mutter des Heiles. Auch habe ich gehört, daß die Mutter Gottes damit den Weibern in allen hat ähnlich werden wollen, auſſer der Sünde; ſo wie der Sohn Gottes den Menſcheu in allem ähnlich werden wollte, äuſſer der Sünde. Jetzt möchte ich aber doch auch wiſſen, was euch Proteſtanten die Mutter Gottes gethan hat? Ihr laſſet doch Maria als der Mutter Jeſu des Sohnes Gottes einige Ehre, warum ſollte ſie denn von euch nicht alle haben, die ihr gebührt? Man darf ja ſelbſt einen gewöhnlichen Menſchen nicht herabwürdigen. Und warum murret ihr immer über unſere kath. Verehrung der Mutter Gottes? Bringt euch denn dieſe einen Schaden? und wir drängen ſie euch ja auch nicht auf, und iſt denn – 103 – dieſes zu viel und unrecht, wenn wir zu ihr beten: Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns arme Sünder jetzt und in der Stunde unſers Abſterbens, Amen? - - c. „Ja ſchau! Wir Proteſtanten ſind zufrieden, wenn wir bei Gott Gnade finden, und darum brauchen wir euere Heiligen nicht.“ Und wir Katholiſchen ſuchen auch nichts anders als Gnade bei Gott und ſeinen Segen; aber eben durch die Heiligen, als Freunde Gottes und unſere Fürbitter; darum heißt es in den kirchlichen Ge- beten zu Gott: „Herr erbarme dich unſer,“ und zu einem Heiligen: „bitt für uns.“ Wenn ihr Prote- ſtanten von einem großen Herrn gerne etwas hättet, ſo verſchmähet ihr es nicht, euch hinter einen Freund oder geehrten Diener desſelben zu ſtecken; warum wollet ihr denn euere Angelegenheiten vor Gott nicht auch durch deſſen Freunde und geehrten Diener, welche die Heiligen im Himmel, in der Freude ihres Herrn ſind, vorbringen laſſen? Ich zweifle keinen Augenblick, daß uns Jeſus Chriſtus ſelbſt in der Begebenheit mit dem Hauptmann und deſſen kranken Knecht das Rechte und Wirkſame von der Fürbitte der Heiligen bei ihm zu erkennen gege- ben hat. Wenn auch der Luther, über den ich gehört habe, daß er ganze Kapitel ja ſogar ganze Bücher aus den hl. Schriften des alten und neuen Bundes ausgemuſtert und abgewieſen hat, vielleicht doch noch das Evangelium ließ, ſo müßtet ihr daraus mit uns erkennen, daß der Hauptmann aus Demuth ſich – 1 04 – nicht getraut hat, zu Jeſu zu kommen d. h. erhielt ſich nicht für würdig zu ihm zu gehen, vor ihm zu erſcheinen, mit ihm zu reden, und ſich von ihm eine Gnade zu erbitten. Deßwegen ſandte er zweimal Fürbitter zu dem Herrn, von denen er meinte, daß ſie würdiger ſeien als er, und ſo auch leichter die gewünſchte Gnade erlangen werden. Ferners müßtet ihr mit uns erkennen, daß das Benehmen des Hauptmannes dem Herrn ſo wohl gefallen hat, daß er ihm nicht nur gegeben hat, was er geſucht, ſondern ihn auch lobte. Wenn wir Katholiſchen nun auch nach dem Bei- ſpiele des Hauptmanns uns an die Heiligen als Fürbitter um die Gnade und den Segen Gottes wenden, wird das der Herr übel nehmen, wie ihr uns dieſes übel nehmet? Gewiß, wenn der Herr euerer Meinung über unſere kath. Heiligen-Verehrung und Anrufung ge- weſen wäre, ſo hätte er ſicherlich die Abgeſandten und Fürbitter des Hauptmannes bei ihm abgewieſen und ihnen geſagt, der Hauptmann ſoll nur ſelber kommen, und ſich die Gnade erbitten, die er will. Du haſt es zwar nicht ausgeſprochen, aber mir ſcheint es liegt dir auf der Zunge, daß auch du uns wie andere Proteſtanten es thun, gerne Ab- götterer nennen möchteſt, deßwegen weil wir nicht blos zu der ſeligſten Jungfrau, oder zu irgend einem Heiligen beten: bitt für uns, ſondern auch hie und da: Heilige Maria hilf! oder erbarme dich unſer! oder hl. Sebaſtian c. erbarme dich. Das heißt aber bei uns nichts anders, als: Maria, hilf – 105 – uns durch deine Fürbitte bei deinem lieben Sohne, oder hl. Sebaſtian, erbarme dich, daß du für uns fürbitteſt. Wer kann das für eine Abgötterei an- ſehen, wenn man die Heiligen anruft, ſie ſollen helfen und ſich erbarmen, ſo viel ſie können? Wir finden ja auch in der hl. Schrift, daß Job ſeine Freunde angeredet habe: Erbarmet euch meiner, er- barmet euch meiner, wenigſtens ihr meine Freunde, denn die Hand des Herrn hat mich berührt; fer- ners, daß der reiche Praſſer in der Hölle gerufen: „Vater Abraham, erbarme dich meiner.“ Waren ſie deßwegen Abgötterer? Und wenn zu dir ein armer Menſch kömmt, und ſpricht dich an: „o guter Bauer! erbarme dich meiner in meiner Noth und ſchenke mir dieß und das und hilf mir; wirſt du ihn für einen Abgötterer halten; indem du ihm zumutheſt, er bitte dich, als wäreſt du Gott? 10. „Ich meine, wir brechen jetzt unſern Discurs über die beſondern Glaubensſachen ab, die bei uns und bei euch ſind denn ſonſt kommen wir weiß Gott wohin. Aber dieß muß ich dir noch ſagen, daß unſere Paſtoren und evangeliſchen Kirchenvor- ſteher hochſtudirte und gelehrte Männer ſind, die uns wohl zu lehren wiſſen werden, was zum chriſtlichen Glauben und Leben gehört.“ Und bei uns ſind der Papſt und die Cardinäle und die Biſchöfe und die Domherrn, die Dechante und Pfarrer bis auf den letzten Hilfsprieſter herab auch nicht unſtudirte oder ungelehrte Männer, und wirſt mir da bei einem Vergleich nichts voraus haben können; und wenn wir erſt, nach der Mehr- – 106 – heit der Simmen für den katholiſchen und evangeli- ſchen Glauben zählen wollten, da würdeſt du weit zu kurz kommen - - Jch Pinzgauer-Bauer verſtehe es am wenigſten, über die Gelehrſamkeit der Geiſtlichen zu urtheilen, und wenn einer derſelben nur ein braver Prieſter iſt, ſo iſt er mir gelehrt genug; obwohl ich vor ihnen Reſpect habe nicht nur bei unſern, ſondern auch bei euern Geiſtlichen. Doch wenn ich von der Gelehrſamkeit reden höre, ſo denke ich allzeit auch an jene, von welcher der hl. Paulus ſagt, daß die Gelehrſamkeit aufbläht d. h., zur Prahlerei verleitet, in welcher ſich dann Jemaud etwas zu wiſſen dünkt, aber noch nicht erkennt auf welche Weiſe er wiſſen ſoll, und daher von ſeiner Einſicht keinen rechten Gebrauch macht. Dem Saulus nachher Paulus, wird gewiß Nie- mand die Gelehrſamkeit abſprechen, aber ehe ihm nicht unſer Herr Jeſus Chriſtus, ſo zu ſagen, in ſeiner hl. Kirche hineingeleucht hat, was war es mit ſeiner Gelehrſamkeit? Sie konnte ihn nicht ab- halten die Kirche Gottes zu verfolgen, was er immer ſehr betrauerte, und ſich deswegen den geringſten unter den Apoſteln und eine unzeitige Geburt nannte. Dieſer hl. Apoſtel hat es auch ganz offen ge- ſagt: „(Nicht durch die Gelehrſamkeit, ſondern) durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und ſeine Gnade iſt in mir nicht unwirkſam geblieben; denn ich habe mehr als ſie alle gearbeitet, doch nicht ich, ſondern die Gnade Gottes mit mir. – 107– Von jeher hat die Kirche Chriſti mit den jüdiſchen Schriftgelehrten den heidniſchen Weltweiſen und auch mit ſolchen, die ſich in ihrem eigenen Schooße mit ihrem Verſtande und ihren Kenntniſſen verſtiegen hatten, die ſchwerſten Kämpfe zu beſtehen gehabt; aber ſie hat nie den Sieg verloren, und nicht ſelten - ereignete es ſich, daß nicht ein weltberühmter Gottes- gelehrter einen Goliath der Weltweisheit und des Scharfſinnes niedergeworfen und ihm den Kopf ab- geſchlagen hat, ſondern ein einfacher und unſtudirter, aber gläubiger und frommer David. So weiß ich dir eine wahre und wirkliche Be- gebenheit aus der Kirchengeſchichte zu erzählen. Sie iſt nicht lang und langweilig. - Um das Jahr 325 nach Chriſti Geburt wurde unter Kaiſer Conſtantin das erſte Concilium d. h. eine allgemeine Kirchenverſammlung gehalten, be- ſonders wider den Ketzer Arius, welcher die Gott- heit Chriſti leugnete; und zwar zu Nicäa. Der Vorwitz heidniſcher Philoſophen oder Weltweiſen trieb einige derſelben an, dorthin zu reiſen, und die Geſellſchaft von Männern zu beobachten, die ein großer Kaiſer vom Morgenlande und Abendlande zur Beantwortung von Fragen, welche die unſicht- bare Welt betroffen, herbeigerufen hatte. Einer der Philoſophen ließ ſich in Geſellſchaft von Geiſtlichen, welche vielleicht in frommen Werken geübter waren, als in künſtlicher Rede, mit ihnen in ein Geſpräch über die Religion ein. Da trat ein alter Laie hinzu, d. h. ein Greis weltlichen Standes und nahm das Wort. Einige der Chriſten – 108 – hatten ihre Freude an ſeiner Kühnheit, den Geiſt- lichen aber wurde bange, daß der gute alte Mann die heilige Lehre gegen einen gewandten Philoſophen zu vertheidigen wenig geeignet ſein möchte: gleich- wohl ließen ſie ihn reden, weil ſie ihn verehrten als einen in der Verfolgung geprüften edelmüthigen Be- kenner Jeſu Chriſti. Da ſagte er zum Weltweiſen: „Philoſoph, ich beſchwöre dich bei Jeſu Chriſto, mich anzuhören ! „Es iſt nur ein Gott, der den Himmel, die Erde, und alles, was wir ſehen durch die Kraft ſeines Wortes erſchaffen und allen Dingen Beſtand gege- ben hat durch die Heiligkeit ſeines Geiſtes. Das Wort, welches wir den Sohn Gottes nennen, er- barmte ſich des Irrſals der Menſchen, in welchem ſie umhergetrieben wurden, wie das unwiſſende Vieh. Er ließ es ſich gefallen, geboren zu werden von einem Weibe, zu leben unter den Menſchen und zu ſterben für ihr Heil. Wiederkommen wird er dereinſt, jeden zu richten nach dem, was er im Leben wird gethan haben. Mit Einfalt glauben wir das; wolle nicht vergeblich Wahrheiten beſtreiten, welche nur der Glaube begreifen kann. Sage mir nur, ob du glaubſt?“ Ergriffen von der allmächtigen Gnade antwortete der Philoſoph: „Ja ich glaube.“ Dann dankte er dem wackern Greiſe, ihn beſiegt zu haben, erklärte daß er durch göttliche Eingebung zum Glauben ge- führt ſei, und gab ſeinen Freunden den Rath, ihm zu folgen. Und nun noch eine kurze Erzählung. – 109 – Derſelbe Kaiſer Conſtantin der Große gab den Chriſten zuerſt die Freiheit zur Ausübung ihrer heil. Religion, und verhalf ihnen auch dazu, indem er die meiſten ſeiner neuern Provinzen mit chriſtlichen Statthaltern verſah, und denjenigen, die noch Heiden waren, den Götzen zu opfern verboth; indem er durch mancherlei Verfügungen den Götzendienſt über- haupt beſchränkte, mit Eifer die Verbreitung der heiligen Lehre beförderte, den Bau neuer Kirchen auf öffentliche Unkoſten betrieb und dazu in Briefen die Statthalter und Biſchöfe ermunterte. Mißfiel auch den Heiden dieſer thätige Eifer des Kaiſers für die Religion, ſo befanden ſie ſich doch glücklich unter dem Scepter dieſes großen und weiſen Fürſten, und manche wurden durch den offenbaren Schutz Gottes, welcher über Conſtantin waltete, auf ernſte Betrachtungen geführt und der heiligen Lehre zugewandt. Andere hingegen klagten oder murrten über den Sturz des Götzendienſtes. Als Conſtantin einſt nach Byzanz kam, machten Philoſophen ihm Vorſtellungen darüber, daß die alte Religion der Väter einer neuen weichen ſollte, und begehrten von ihm zu veranſtalten, daß der Biſchof der Stadt, welches der heil. Alexander war, ſich mit ihnen in eine Unterredung über dieſen Gegenſtand einlaſſen möchte. Alexander nicht ge- wohnt, im Wortſtreit zu glänzen, nahm die Auf- forderung gleichwohl an, und verlangte, ſie möchten einen ausſuchen, der ihre Sache führen ſollte. Als ſie das gethan hatten, wandte ſich Alexander gegen ihn mit den Worten: „Ich befehle dir im Namen – 110 – Jeſu Chriſti: ſchweig.“ Der Menſch verſtummte, und der Geſchichtsſchreiber bemerkt, es möge wohl als ein großes Wunder angeſehen werden, daß ein Weltweiſer zum Schweigen gebracht worden.“ Aus Dieſem wirſt du erſehen, daß der Herr zur Verkündigung und Vertheidigung ſeiner göttlichen Lehre nicht gerade hochſtudirter und gelehrter Männer bedürfe, wie er dieſes ſchon bei der Wahl und Sendung ſeiner Apoſtel gezeigt und es beinahe aus- geſprochen hat mit den Worten zu ihnen: „ . . . Vor Statthalter und vor Könige werdet ihr geführet werden um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeug- niß (daß meine Lehre eine göttliche und ihre Wider- ſetzlichkeit nicht zu entſchuldigen ſei.) Wenn ſie euch aber überliefern, ſo ſinnet nicht nach, wie oder was ihr reden ſollet; denn es wird euch in jener Stunde gegeben werden, was ihr reden ſollet. 11. Ich habe aber auch gehört, daß die kath. Geiſtlichen ſtolze Männer ſind. Dieß kann, und will ich auch nicht beurtheilen; denn ich ſehe nicht in ihr Herz hinein, und kenne nicht alle. Aber bei dieſer deiner Beſchuldigung der- ſelben denke ich, daß unſere Geiſtlichen doch auch haben ſtudiren müſſen, wie die eurigen. Iſt einer ein ſtolzer Student und dabei ein guter oder gar ausgezeichneter, ſo hat er die Welt im Kopf, und trägt auf was Höheres in derſelben an, als auf den geiſtlichen Stand, welcher von jeher der Welt zu- wider war, und es ihr beſonders jetzt iſt. Selbſt die Auszeichnung und höchſten Einkünfte ſind trübe und klein. Und da man Niemand zum geiſtlichen Stande – 1 1 1 – - zwingt, ſo wird ſchon ein ſtolzer Student nicht Geiſtlicher werden wollen, und in den geiſtlichen Stand kommen. Und würde es ein ſolcher auch wollen, ſo läßt man ihn nicht dazu eintreten. Ein alter Geiſtlicher hat mir erzählt, daß einſt ein ausgezeichnet guter Student, der ſich aber ſehr viel darauf einbildete, zur Aufnahme in den Prieſter- ſtand ſich gemeldet habe. Als er nun bei der ent- ſcheidenden Prüfung hiezu die Aufgabe erhielt, das Daſein Gottes nachzuweiſen, ſchien ihm dieß für ſeine Talente und Kenntniſſe viel zu leicht, und in einiger Aufgeregtheit ſprach er zu dem Vorſitzenden bei der Prüfung: „Der Löwe fängt keine Mücken.“ Dieſer antwortete ſchnell darauf: „Und die Kirche verwirft die Stolzen.“ Und er wurde auch richtig nicht aufgenommen. Im geiſtlichen Stande ſelbſt, ſo kömmt mir vor, haben unſere katholiſchen Prieſter wohl keine Urſache, ſtolz zu werden oder ſtolz zu ſein, ſie mögen hin- ſchauen wo ſie wollen, die Pfarrer nicht und noch viel weniger die Hilfsprieſter. Alles, Alles, ihre zeitlichen Verhältniſſe, ihre prieſterlichen Handlungen ihre geiſtlichen Geſchäfte rufen ihnen oſt und oft den Ausſpruch des Herrn zu: „Ich bin nicht ge- kommen, um bedient zu werden, ſondern um zu dienen.“ Manchen mögen unſere Geiſtlichen ſtolz vor- kommen, weil dieſe ſich von dem Treiben der Welt zurückziehen, auch wohl dagegen auftreten, darüber zurechtweiſen und dieß und das verhindern, was dem Gelüſte des Böſen gefällig wäre. Aber – 112 – das iſt ja ihr Beruf, und nicht Stolz. Das thun ja auch alle geſetzten Männer und insbeſonders rechtſchaffene Hausväter, ſind ſie deßwegen ſtolz? So viel ich unſere Geiſtlichen kennen gelernt habe, und das ſind Viele, ſo habe ich wohl nichts vom Stolz an ihnen finden können, und am aller- wenigſten davon an unſern höchſten Geiſtlichen, unſern Erzbiſchöfen und Domherren. Kein noch ſo einfacher Bauersmann, auch nicht der ärmſte An- leger und Bettler hat zu fürchten, vor ihren Thüren zurückgewieſen zu werden und darf verſichert ſein, daß ſie ihn, wie ich es ſelbſt zu Duzendenmalen erfahren habe, in jedem Anliegen mit Geduld an- hören und ihm in Rath und That beiſtehen werden. Unvergeßlich iſt mir, wie der vorige Erzbiſchof Cardinal und Fürſt Schwarzenberg bei ſeinen Kirchen-Viſitationen auf dem Lande allzeit um die Kranken gefragt, und ſie dann auch in dem niedrig- ſten Häuslein und ärmlichſten Kämmerlein beſucht hat. Dasſelbe geſchieht auch von dem jetzigen gelieb- teſten Fürſterzbiſchof Maximilian v. Tarnoczy – und von Höchſtdieſem habe ich, der Ebner-Bauer, vorzüglich zwei Beweiſe der Herablaſſung in meinem Herzen, die mir Niemand herausreiſſen kann. Den erſten darin, daß der geliebte Oberhirt Höchſtſelbſt mir ſo liebevoll und väterlich zu meiner Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom verholfen hat, und den zweiten darin, daß Hochderſelbe einſt auf einer Reiſe in das Pinzgau in das Seitenhal Alm hineingefahren iſt, um unſern ſchon lange kranken Herrn Pfarrer zu beſuchen, und bei dieſer Gelegenheit auch in – 113 – mein eine halbe Stunde von der Kirche entferntes heimathliches Bauernhaus zu kommen, und alle meine heiligen Sachen, die ich von meiner Pilgerfahrt mit- brachte, und in meiner Hauskapelle, die leider auf dem Dachboden iſt, aufſtellte, zu beſehen geruhte. Wie nun, wirſt du noch glauben, daß unſere Geiſtlichen ſtolz ſind? Es heißt freilich, die hohen Herren ſeien herab- laſſender, als die niedrigen Herrn; die großen Geiſter ſeien demüthiger, als die Kleingeiſter; mit den Herrſchaften ſei viel leichter auszukommen, als mit ihrem Bedienten-Volk; allzeit beſſer ſei der Schmid, als das Schmidl u. dgl., und ſo könnte es wohl ſein, daß ſich auch unter den Geiſtlichen bei uns hie und da ein ſtolzer befinde; aber alle euere Paſtoren werden wohl auch nicht demüthige Männer ſein? Und wenn ich von ſtolzen Leuten und auch Geiſtlichen höre, ſo denke ich allzeit an jene in die Höhe geſchoſſenen Halme auf meinen Getreidefeldern, die weit über die andern hinausſchauen und ihre Aehren in die Höhe richten, wenn man aber um die Frucht ſchaut, beinahe Nichts darin haben. 12. Unterdeſſen kamen wir zu einem Bauern- hauſe und da ſprach er: Jetzt, mein Freund! muß ich dich verlaſſen, denn hier iſt meine Heimath; und ich wünſchte, daß ich noch weiter mit dir hätte gehen können. Ich drückte ihm zum Abſchiede feſt die Hand, und bath ihn nur noch, mir zu zeigen, welcher Gegend zu Maria Zell liege. Er ſprach und deutete: dort rechts hinaus kömmſt du dahin, und du mußt durch dieſes Thal und über die 8 – 114 – hohen Berge dort hinüber. Hiemit trennten wir uns, und ich hatte ein wehmüthiges Gefühl bei dem Ge- danken, daß wir wohl nimmer mehr auf dieſer Welt noch einmal zuſammenkommen und mitſammen gehen und ſprechen werden. III. Betrachtungen. 1. Ich war nun einſam auf dem Wege nach Maria-Zell. Daß mich mein früherer proteſtantiſcher Weggefährte in die Kenntniß geſetzt hat, ich müſſe durch dieſes Thal und über die hohen Berge hinüber, um nach Maria-Zell zu kommen, ſchreckte mich nicht; und ich dachte: Jedes Thal will ich durchwandeln und jeden Berg überſteigen, um zu dieſem Gnaden- orte zu gelangen, wenn mir nur Gott die Kräfte dazu gibt, und nicht will, daß ich auf dem Wege erliege. Aber ſtärker klangen dieſe letzten Worte meines Gefährten: „Dort rechts hinaus kömmſt du nach Maria-Zell,“ dieſe Worte klangen ſtärker in meinen Ohren und gingen mir zu Herzen. Alſo er weiß den Weg, und zeigt ihn mir, und geht ihn ſelber nicht. Was hält dieſen gutmüthigen Mann davon ab? ich meine, dieſen hält nichts davon ab als die Irrlehre. O alte Schlange! die dir glauben umſchlingeſt du, und verleiteſt ſie, mit dir der Mutter Gottes wenigſtens in die Ferſe zu ſtechen, weil du ihr anders nicht ſchaden kannſt! Dieſer Mann hat mir den Weg gezeigt, und geht ihn ſelber nicht; darum kam er mir vor, wie ein Meilenzeiger an der Landſtraße, der dem Wanderer die Orte angibt, wo ſie hinkommen, – 115 – ſelbſt aber immer auf dem alten Flecke bleibt, bis er abfault; und dieß brachte mich zur Erneuerung meines Vorſatzes, als Mitglied der Herz Maria Bruderſchaft täglich fleißig die Gebethe um die Be- kehrung der Sünder, Irr- und Ungläubigen zu verrichten, und insbeſondere aber die Mutter Gottes vor ihrem Gnadenbilde in Maria - Zell um ihre Fürbitte anzuflehen, daß dieſer Mann, der ſo be- reitwillig den Wallfahrtern den Weg zu ihr zeigt, nicht als ein unbeweglicher Meilenzeiger an der Straße bleibe, ſondern auch zu ihr komme, ſie ſuche, und von ihr an- und aufgenommen werde. „O Maria, ohne Mackel empfangen, du Zuflucht der Sünder, bitt für uns.“ Immer noch klangen mir die Worte: „Dort rechts hinaus“ in meinen Ohren und gingen mir zu Herzen. - Mein Gefährte ging eine lange Wegesſtrecke neben mir, und bei der Scheidung gehe ich rechts hinaus, er aber bleibt links in ſeiner Heimath. O Gott! was drängt ſich hier für ein Gedanke hervor? Sollte ich dieſes als ein Vorbild deſſen erkennen, was bei der Scheidung durch den Tod mit den Katholiſchen und Nichtkatholiſchen geſchieht, die oft die ganze Wegesſtrecke ihreszeitlichen Lebens mitſammen und nebeneinander gehen als Manu und Weib, als Eltern und Kinder, als Vorgeſetzte und Untergebene oder als Geſchäftsleute. Doch der Herr hat es zwar ausgeſprechen: „Wer nicht glaubt, der iſt ſchon gerichtet; aber er hat mich nicht auf- geſtellt, auf irgend Jemand dieſes urteil anzuwen- 8 – 116 – den, und die katholiſche Kirche ſelbſt entſchuldiget alle Nichtkatholiſchen, welche nicht wiſſentlich und freiwillig und hartnäkig in dem Irrthum verharren. Allein ſchon in dieſem Leben ſcheinen mir die Nichtkatholiſchen auf die linke Seite geſtellt und die Zurückgeſetzten zu ſein, da ihnen in geiſtiger Hin- ſicht Vieles nicht zu Theil wird, was wir Katholiſche haben z. B. die heiligen Sakramente, und das heiligſte Meßopfer, und darum bedauere ich ſie. Dabei gab es mir einen Stich durchs Herz, denn ich dachte, welch ein ſchweres Gericht über jene Katholiſchen ergehen wird, welche bei allen Gnadenmitteln und Heilsanſtalten ein unchriſtliches ja oft ein viel ausgelaſſeneres Leben führen, als die Nichtkatholiſchen. 2. Viel beſchäftigte ich mich im Gedanken mit dem, daß die Proteſtanten an die Gegenwart Chriſti im Abendmahle bei dem Empfange desſelben glau- ben, auſſerdem aber nicht; ſo, daß ſie die Hoſtie nicht zur Anbethung ausſetzen, ſie auch nicht in einem Ciborium aufbewahren und zu den Kranken tragen. Das dachte ich mir, kann ja doch nichts anders ſein, als ein halber Glaube. Denn als der Herr beim letzten Abendmahle das Brod in ſeinen aller- heiligſten Leib verwandelte, ſo hatte er ja dieſen in Geſtalt des Brodes doch wenigſtens einige Augen- blicke in ſeinen Händen, ehe er ihn hingab, oder es hatten ihn die Jünger einige Augenblicke in ihren Händen ehe ſie ihn genoſſen, und dieß muß mir ja anzeigen, daß der allerheiligſte Leib ſchon alſo – 117 – auch außer dem Empfange da war und iſt. Und was haben denn etwa die Proteſtanten für eine Bibelſtelle, womit ſie beweiſen, daß Chriſtus im Abendmahle nur während des Empfanges gegen- wärtig ſei, außerdem aber aus der Hoſtie verſchwinde? Ich fürchte, ich früchte, oder ich bin vielmehr überzeugt, ſie haben den Leib des Herrn und ſomit das allerheiligſte Altarsſakrament gar nicht, – denn ihre Geiſtlichen ſind ja keine Prieſter, die da dem Befehle des Herrn nachkommen könnten: „Dieß thut zu meinem Andenken.“ Dabei kam mir das Evangelium auf den 19. Sonn- tag nach Pfingſten in den Sinn, wo es heißt, daß der König zu ſeinen Knechten, welche die geladenen Gäſte vergebens zur Hochzeit gerufen hatten, ſprach: „Gehet auf die Straſſen und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet.“ Und ich dachte mir: o mein Jeſus! wenn ich dich wieder einmal im allerheiligſten Altarsſakramente anbethe, und empfange, und das geſchieht, ſobald ich kann; gib mir auch den Befehl, als deinem Knechte, daß ich den proteſtantiſchen Weggefährten, den ich ſo zu ſagen, auch auf der Straſſe gefunden habe, zu dir im allerheiligſten Altarsſakramente führen ſoll, wenn wir Katholiſchen dich in demſelben feierlich anbethen, und laſſe ihn dich ſehen, wie der König, oder ſag' es ihm gerade heraus, wie du es einſt den verblendeten Juden geſagt haſt, daß du der Sohn Gottes und im allerheiligſten Altarsſakra- mente zugegen biſt, nicht blos beim Empfange des- – 118 – ſelben, ſondern ſo lange die Geſtalt des geweihten Brodes dauert, und das kleinſte Stücklein davon übrig iſt. Doch ich weiß, mein Jeſus! du brauchſt mich armen Knecht nicht, wenn du in deiner Barmherzig- keit den genannten Mann bei deinem Gaſtmahle haben willſt. Damit die Menſchen aus der weiteſten Entfernung, ja von einem Welttheile zum andern recht ſchnell, ja gleichſam wie von Mund zu Mund ſich verſtändigen können, dient ihnen der Telegraphen- draht, und es gränzt dieſe Anſtalt, der man bei- nahe überall begegnet, für mich Bauern an das Wunderbare und flößt mir Hochachtung für den menſchlichen Verſtand ein; aber dieß brauchſt du Alles nicht zur Verſtändigung des Mannes, für den ich dich, o Jeſus bitten will. Dein Licht, Dein Wort und Deine Kraft hat ja auch den Saulus auf dem Wege nach Damaskus plötzlich erreicht und bekehrt! Ich las einmal von Tertullian, der zuerſt ein ausgezeichneter Schriftſteller der kath. Kirche war, hernach aber hartnäckig einem Irrthume anhing, und der im 2. Jahrhunderte nach Chriſti Geburt lebte, daß er erzählt, zu ſeiner Zeit ſei es der Ge- brauch geweſen, daß man den Gläubigen das aller- heiligſte Altarsſakrament mit nach Hauſe gegeben habe, damit ſie es zu gelegener Zeit, und beſonders, wann ihnen das Marterthum bevorſtand, was damals alle Tage und Stunden ſein konnte, zu ſich nehmen könnten. Da habe nun einmal ein Weib das Gefäß, in welchem ihr das allerheiligſte Altarsſakrament mit- gegeben wurde mit unreinen Händen zu öffnen ver- – 119 – ſucht, und es ſei daraus Feuer hervorgebrochen, worüber ſie entſetzlich erſchrack. Auch von dem hl. Franz von Sales las ich die Erzählung folgender Begebenheit: „In einer Stadt Frankreichs war es Gebrauch, an einem gewiſſen Tage des Jahres in der Kirche auf einem hölzernen mit Tapeten und Lichtern geſchmackvoll gezierten Gerüſte das allerheiligſte Sakrament in der Mon- ſtranze auszuſetzen, und auch die ganze Nacht ſo ſtehen zu laſſen. Da ereignete es ſich, daß, als ſich die Gläubigen entfernt hatten, und der Sakriſtan ein- geſchlummert war, eine Tapete Feuer fing, und das ganze Gerüſte zuſammenbrannte. Was geſchah aber mit dem Hochwürdigſten Gnt? Iſt es auch ver- brannt? Nein; es blieb unverletzt, und ſtand frei in der Luft von Mitternacht bis zum Morgen. Die ganze Stadt lief herbei. Der Prieſter wollte das Hochwürdigſte Gut ehrerbietig auf den Hochaltar zurücktragen, war es aber nicht im Stande. Er hielt nun das Hochamt, und als das Sank- tus vorüber war, ſiehe, da erhob ſich die Monſtranze, ſchwebte langſam auf den Hochaltar hin, und ſtellte ſich ſelbſt auf ihren gewöhnlichen Platz; zugleich hörte man hoch in der Luft den Klang eines Silber- glöckleins. Das Volk ſah es, hörte es, fiel anbethend auf die Knie und rief: „Hochgelobt ſei Jeſus im heiligſten Altarsſakrament.“ Jährlich wurde an die- ſem Tage ein Hochamt zur dankbaren Erinnerung an dieſes Wunder in derſelben Kirche abgehalten, und dabei das heiligſte Sakrament in der Monſtranze aus- geſetzt. Sobald das Sanktus vorüber war, ertönte – 120 – das Silberglöcklein in der Luft, das hochwürdigſte Gut erhob ſich, ſchwebte hin an die Stelle, an der es an jenem Tage der Feuersbrunſt geſtanden, und blieb frei in der Luft ſtehen, nach der Communion aber ſchwebte es wieder auf den Altar zurück. Dieſes geſchah viele Jahre und wurde von Tauſeuden geſe- hen. Der h. Franz von Sales wallfahrtete ſelbſt zu dieſer wunderbaren Hoſtie. O mein Gott! ſind denn das nicht wunderbare Zeichen zum Zeugniß, daß unſer Herr nicht blos im Empfange des allerheiligſten Altarsſakramentes, ſondern auch außer demſelben zugegen iſt; und müßte denn dieſes nicht auch die Proteſtanten davon über- zeugen, aber ſie kommen halt nicht herzu, das iſt das Traurigſte ! . Doch ich will mich nicht mit den Proteſtanten ſo beeifern, daß ich darüber auf mich ſelber vergeſſe, ſon- dern durch dieſe Betrachtung angeregt, den Vorſatz er- neuern, meinen eigenen Glauben an das allerheiligſte Altarsſakrament mit dem zu erwecken, daß ich denke oder ſpreche: „O Jeſus, du ewige Wahrheit! feſt und ungezweifelt glaube ich, daß du im allerheilig- ſten Sakramente mit Gottheit und Menſchheit, mit Fleiſch und Blut, mit Leib und Seele, wahrhaft, wirklich und weſentlich gegenwärtig biſt. Zwar ſehen dich meine leiblichen Augen nicht; auch vermag es mein Verſtand nicht zu begreifen, wie unter den ein- fachen Geſtalten des Brodes und Weines Du ganz als wahrer und lebendiger Gott und Menſch zuge- gen ſein könneſt. Gerne aber gebe ich meine Sinne und meinen Verſtand gefangen, denn du haſt es ſelbſt – 121 – geſagt: „Dies iſt mein Leib; dies iſt mein Blut.“ Dein Wort trügt nicht: denn du biſt die Wahrheit und dein Wort iſt allmächtig, und vermag mehr zu wirken, als alle Geſchöpfe zu begreifen vermögen. Es war ja nur Deine Weisheit und Liebe, die Dich in die einfachen Brod- und Weingeſtalten gehüllt hat, da- mit der Glanz Deiner Majeſtät uns nicht zurück- ſchrecke, und es Dir möglich würde, Dich aufs In- nigſte mit uns zu vereinigen. Darum glaube ich, was ich nicht ſehe, und dieß ſo feſt, daß ich für dieſen meinen Glauben jede Stunde bereit bin, mein Le- ben zu opfern. O Jeſus, du Urheber und Vollen- der des Glaubens, erhalte, ſtärke und vermehre mei- nen Glauben Amen.“ Ich leſe dieß aus dem ſchönen Gebethbuch der Marianiſchen Geſellſchaft in Inns- bruck, und wahrlich es iſt ganz aus der Seele geſprochen. 3. Völlig betrübt dachte ich weiter, daß die Pro- teſtanten das heiligſte Meßopfer nicht haben; alſo bei ihnen ein Gottesdienſt iſt ohne öffentliches feier- liches Opfer. So ein Gottesdienſt aber kömmt mir höchſt mangelhaft vor, wenn ich betrachte, wie ſchon Abel, Noe und Abraham bei ihren Gottesdienſten Opfer dargebracht haben, und beſonders Melchiſedech Brod und Wein opferte, und zwar, wie wir Katho- liſche wiſſen, als ein Vorbild des Opfers im neuen Bunde: wenn ich betrachte, was im moſaiſchen Geſetze Alles von Gott beſtimmt und angeordnet worden iſt in Beziehung ſowohl auf die Wahl des rechten Opfers, als auch auf die Weiſe recht zu opfern; wenn ich betrachte, daß die Propheten nicht nur von dem blutigen Opfer Chriſti am Kreuze, ſondern von – ! 22 – ihm auch als dem Hohenprieſter nach der Ordnung des Melchiſedechs, der in Brod und Wein opferte, geweiſſagt haben, und Einer derſelben es ganz deut- lich ausgeſprochen hat, daß an allen Orten vom Auf- gang der Sonne bis zum Untergange dem Herrn der Herrſcharren ein reines Ofer wird dargebracht wer- gen, ein reines Opfer welches nie unrein wird, we- der durch den opfernden Prieſter noch durch die dem Opfer beiwohuende Gemeinde; und von welchem Ausſpruche alle katholiſchen Lehrer predigen, daß er in dem Opfer der h. Meſſe in Erfüllung gegangen ſei. Auch war ja von jeher in der kath. Kirche das hl. Meßopfer der Glanzpunkt des öffentlichen feierlichen Gottesdienſtes; und nur dem Luther im 16. Jahr- hundert und ſeinem Anhange war auf einmal das hl. Meßopfer nicht mehr recht. Was aber alle kath. Chriſten zu allen Zeiten und an allen Orten ge- glaubt und gehabt haben, das wird ja doch wegen der Einbildung oder des Eigenſinnes eines einzelnen oder auch mehrerer Menſchen nicht plötzlich zu Nichts werden? Ich habe auch gehört, daß der Luther das Eine Mal gelehrt habe, es ſei ein gottloſer Gebrauch in der Kirche, anzunehmen, daß die Meſſe ein gutes Werk und ein Opfer ſei; und ein Anderes Mal wieder ſich auf die Beſtätigung der ganzen Kirche berufen habe, daß die Meſſe für Lebende und Ver- ſtorbene kräftig ſei. Wem könnte ſo etwas verläßlich vorkommen? Auch habe ich noch gehört, daß der Luther längere Zeit in Ungewißheit und Zweifel geweſen iſt, ob er –- 1 23 – in ſeinem neuen Glauben die Meſſe abſchaffen oder beibehalten ſoll, bis ihm, wie er ſelber es aus- ſprach, endlich der Teufel eingeſprochen hat, er ſolle ſie abſchaffen. Wo hat man denn doch gehört, daß ein Chriſtenmenſch den Teufel als den Urheber und Träger der Wahrheit aufgeſtellt hat, von dem doch Jedermann weiß, daß er der Vater der Lüge iſt, und der Feind Gottes und der Menſchen? Nein! da bleibe ich bei dem Glauben meiner heiligen kath. Kirche, die ihn nicht von dem Teufel, ſondern vom heiligen Geiſte hat, und leſe gerne wieder einmal, was der Katechismus zu mir vom heil. Meßopfer ſagt, und ſchreibe es gleich hieher, weil es Niemand ſchaden wird, wenn er es auch mit mir liest: Von der heiligen Meſſe. a) Was die heil. Meſſe iſt und was in derſelben geſchieht. Die heil. Meſſe iſt das unblutige Opfer des neuen Teſtamentes, das immerwährende Denkmal des blutigen Opfers, welches Jeſus Chriſtus am Kreuze vollbracht hat. Die hl. Meſſe nennt man ein Opfer, weil in derſelben Gott dem Allmächtigen, der Leib und das Blut Jeſu Chriſti auf dem Altare dargebracht wird. Sie heißt ein unblutiges Opſer, weil in derſelben kein Blut vergoſſen wird, wie es am Kreuze geſchehen iſt. Jeſus Chriſtus hat das heil. Meßopfer im letzten Abendmahle eingeſetzt. – 124 – 1. Er nahm das Brod und den Kelch mit Wein. 2. Er ſegnete beides, und ſprach über das Brod: Das iſt mein Leib; und über den Kelch: Dieß iſt der Kelch meines Bluttes. 3. Er gab beides den anweſenden Apoſteln zu genießen. 4. Er befahl: Das thut zu meinem Andenken. Jeſus Chriſtus hat das heil. Meßopfer eingeſetzt: 1. Um in ſeiner Kirche ein wahres und eigent- liches Opfer bis an das Ende der Welt zu hinterlaſſen. 2. Um das immerwährende Andenken des bluti- gen Opfers am Kreuze in ſeiner Kirche zu erhalten. 3. Um uns ein beſonderes Merkmal ſeiner un- endlichen Liebe zu geben. In der heil. Meſſe opfert unſichtbarer Weiſe Jeſus Chriſtus ſich ſelbſt ſeinem himmliſchen Vater für uns anf; ſichtbarer Weiſe aber verrichtet dieſes Opfer der Prieſter. Das heilige Meßopfer iſt eben dasſelbe Opfer, welches Jeſus Chriſtus am Kreuze vollbracht hat, nur in der Weiſe zu opfern iſt ein Unterſchied. Am Kreuze vergoß Jeſus Chriſtus ſein Blut, in dem hl. Meßopfer wird kein Blut vergoßen. Der Prieſter verrichtet das heil. Meßopfer ſo, daß er eben das thut, was Jeſus Chriſtus im letzten Abendmahle that. 1. Er nimmt das Brod und den Kelch mit Wein. 2. Er ſegnet beides und ſpricht darüber eben dieſelben Worte Jeſu Chriſti, durch welche die Ver- – 125 – wandlung des Brodes und Weines in den Leib und das Blut Jeſu Chriſti geſchieht. - 3. Er ſelbſt genießt den Leib und das Blut Jeſu Chriſti, und gibt beides unter der Geſtalt des Brodes auch den Gläubigen, wenn ſie communiciren wollen, zu genießen. Der Prieſter verrichtet das heil. Meßopfer: 1. Um Gottes oberſte Herrſchaft, und die höchſte Gewalt, die er über alle Geſchöpfe hat, zu bekennen. 2. Um Gott für alle ſeine Wohlthaten zu danken. 3. Um von Gott die Vergebung der Sünden zu erlangen. 4. Um von Gott alle diejenigen Gnaden, deren wir bedürftig ſind, zu erbitten. Das heilige Meßopfer wird und kann nur Gott allein geopfert werden. Es wird auch wohl zu Ehren und zum Andenken der Heiligen abgehalten, allein da opfert der Prieſter nicht den Heiligen, ſondern Gott allein. Es wird zu Ehren der Heiligengehalten: 1. Um Gott für die Gnaden zu danken, welche er den Heiligen erwieſen hat. 2. Um die Heiligen anzurufen, damit ſie ihre Fürbitte bei Gott mit unſerm Gebethe vereinigen. Es wird von dem Prieſter für Lebendige und Todte geopfert. b. Wie man die heil. Meſſe hören ſoll. Man ſoll die hl. Meſſe ganz hören, keinen be- trächtlichen Theil derſelben aus eigener Schuld ver- ſäumen; es iſt nicht genug, nur gegenwärtig zu ſein, – 126 – da dieſelbe geleſen wird, man muß ſie 1. aufmerk- ſam, 2. ehrerbietig, 3. andächtig hören. Die heil. Meſſe aufmerkſam hören heißt: keine freiwillige Zerſtreuung haben, auf die Theile der hl. Meſſe Achtung geben, ſeinen Geiſt mit Gott be- ſchäftigen. Die hl. Meſſe ehrerbiethig hören heißt: der h. Meſſe mit einer anſtändigen Leibesſtellung und mit auferbaulichen Geberden beiwohnen. Man ſoll 1. wenn das Evangelium geleſen wird, ſtehen und ſich mit dem Kreuze bezeichnen. Man ſoll 2. bei der Wandlung niederknieen, dabei ſowohl, als bei der hl. Commnnien an die Bruſt klopfen. 3. Man ſoll bei der hl. Meſſe ſich nicht vor- witzig umſehen. 4. Man ſoll auch alle andern Unanſtändigkeiten als Schwätzen, Lachen u. dgl. meiden. Die hl. Meſſe andächtig hören heißt: während der hl. Meſſe, beſonders bei den vornehmſten Theilen derſelben, Gott vom Herzen mit Demuth anbethen, und ihm für die empfangenen Wohlthaten danken. Die vornehmſten Teile der hl. Meſſe ſind: das Evangelium, Offertorium, die Wandlung und Communion. Bei dem Evangelium ſoll man ſich erinnern, daß es eine Schuldigkeit iſt, die Lehre des Evangeliums zu erkennen, auch vor der ganzen Welt zu bekennen, zu vertheidigen und darach zu leben. Bei dem Offertorium ſoll man ſeine Meinung mit der Meinung des Prieſters vereinigen und ſich Gott aufopfern. – 127 – Bei der Wandlung ſoll man Jeſum Chriſtum unter den Geſtalten des Brodes und Weines an- bethen, und indem man an die Bruſt klopft, bekennen, daß unſere Sünden am Tode Chriſti Schuld ſind. Man ſoll ſeine Sünden bereuen, Glaube, Hoffnung und Liebe erwecken. Bei der Communion des Prieſters, wenn man nicht wirklich communicirt, ſoll man es geiſtlicher Weiſe thun, das iſt, man ſoll ein Verlangen haben, den Leib Jeſu Chriſti würdig zu empfangen. Bei dem bleibe ich mit der Gnade Gottes, mag kommen was immer; und ich ſage, daß mir davon jeder Punkt und jedes Wort lieber iſt, als das proteſtantiſche Nichts von der hl. Meſſe. Betrübt aber bei dieſer Betrachtung war ich deßwegen, weil ich die armen Leute in dem pro- teſtantiſchen Glauben bedauere, daß ſie Chriſten ſein ſollen und doch das Höchſte, das hl. Meßopfer ent- behren müſſen. 4. Nach dieſem drängten ſich erſt recht allerlei Einfälle in meinen Sinn, wie ein verworrener Knäuel, und ich hatte Mühe, wenigſtens Einige abzuwickeln. So fiel mir ein: a. Woher kommt denn das, daß die vielen ge- ſcheidten, hochſtudirten und hochgelehrten Männer bei den Proteſtanten den katholiſchen Glauben nicht erkennen und nicht dazu kommen; ja, daß ſelbſt unter ſolchen Katholiſchen Manche nur dem Namen nach katholiſch ſind, im Grunde aber weder an Gott, noch an den Teufel glauben, und ſo noch ſchlechter als Letzterer ſind, der doch an Gott glaubt und – 128 – zittert? Ich dachte da hin und her, und auf ein Mal an den Sturz der Engel. Dieſe waren hohe Geiſter, welche Gott in ſeiner Gnade und mit vielen Vollkommenheiten erſchaffen. Aber viele Engel haben die Gnade Gottes durch die Sünde der Hoffahrt verloren. Sie gaben Gott nicht die Ehre, und wollten ſelbſt ſein wie Gott. Gott hat aber auch der Engel, die geſündigt haben, nicht verſchonet, ſondern mit hölliſchen Stricken ſie zur Hölle hinabgezogen, und zur Peinigung übergeben, damit ſie zum Gerichte aufbehalten werden. Dieſe Sünde der Hoffahrt nun wird wohl auch bei hohen Geiſtern in menſch- lichen Leibern eine Urſache ſein, daß ſie ſich von Gott und ſeinem eingebornen Sohne Jeſus Chriſtus und deſſen Kirche nicht führen und leiten laſſen wollen. Dann dachte ich auch an Salomon, welcher weiſe König durch ſeine unſinnige Weiberliebe um den Glauben an den wahren Gott gekommen iſt, und daß ſo etwas auch bei vielen Hohen, Weiſen und Klugen der Welt eine Urſache ſein könnte, daß ſie am hellen Mittag die Sonne nicht ſehen, und die hl. kath. Kirche nicht erkennen, die doch der Herr, um von allen geſehen werden zu können, wie eine Stadt auf einen Berg gebaut hat. Ich war jetzt hierüber für mich ſchon mehr im Klaren, und brach die weitere Verfolgung dieſes Einfalles ab; dachte aber dafür: „Bauer! wenn du meinſt du habeſt einen beſſeren Glauben und lebeſt vielleicht auch mehr darnach, als manche Andere; ſo danke Gott dafür, verachte deßwegen Niemand, bewahre dieſen deinen Glauben in einem guten Ge- – 129 – wiſſen, und bethe beſonders da fleißig mit, wenn der Prieſter nach der Predigt beim pfarrlichen Gottes- dienſte im Namen der ganzen Gemeinde zu Gott ruft: „Vermehre uns den Glauben, ſtärke unſere Hoffnung, entzünde in uns die göttliche Liebe.“ Dabei konnte ich mich des Gedankens nicht er- wehren: Wenn doch Alle, die der Weisheit und Wiſſenſchaft der Welt ihre Kräfte, ihren Fleiß und oft auch ihr Leben opfern, auf den 3 Hochſchulen ſtudiren möchten, welche das Chriſtenthum zu Bet- lehem, zu Nazareth und zu Jeruſalem hat. Auf der Hochſchule zu Betlehem wäre zu lernen, daß wir im gutmüthigen Glauben den menſchgewordenen Sohn Gottes, wie die Hirten anbethen; auf der Hochſchule zu Nazareth wäre zu lernen, daß wir zu- nehmen ſo wie an Alter, ſo auch an Weisheit und Gnade bei Gott und den Menſchen, und auf der Hochſchule zu Jeruſalem wäre zu lernen, daß wir unſer Leben und Alles in demſelben in dem Glau- ben und der Liebe zu dem gekreuzigten Erlöſer voll- bringen. Und warum ſollten wir dieß nicht thun, hat er ja auch Alles für uns hingegeben. b. Ferners fiel mir ein: Woher kömmt denn das, daß die Proteſtanten zur Geltendmachung ihres Glaubens und in der Herabſetzung der katholiſchen Kirche, häufig ein viel beſſeres Mundſtuck haben, wie man ſagt, und viel mehr Lärm machen, als die Katholiſchen in der Vertheidigung ihres Glaubens, und die Katholiſchen oft überſchreien, ſo, daß es her- ſieht, dieſe müſſen ſchweigen, und die Proteſtanten haben Recht? 9 – 130 – Da dachte ich an die beiden Weiber, von denen ich aus der mir unvergeßlichen bibliſchen Geſchichte in der Schule geleſen hatte, daß ſie für ihren Streit wegen eines im Schlafe erdrückten Kindes die Ent- ſcheidung bei dem Könige Salomon ſuchten; und wie die falſche Anklägerin zuerſt vor dem Könige das Wort ergriff, und ihm ein Langes und Breites vortrug, während dem die unſchuldig Angeklagte ein- fach darauf antwortete: „Es iſt nicht alſo, wie du ſagſt, ſondern dein Sohn iſt todt, und der meinige lebt.“ Auch dachte ich an unſern Herrn vor dem Hohen- prieſter Caiphas, wo die Schriftgelehrten und Ael- teſten ſich verſammelt hatten. Was machten dieſe für Umtriebe, damit ſie falſches Zeugniß wider Jeſum fänden und auch wirklich zu Stande brachten? Jeſus aber ſchwieg ſtill. Und als unſer Herr dem Hohenprieſter geſagt hatte, daß er Chriſtus der Sohn Gottes ſei, und der Hoheprieſter darauf dieß als eine Gottesläſterung er- klärte, was ward erſt da für ein Toben wider Je- ſum? Sie ſpieen in ſein Angeſicht und ſchlugen ihn mit Fäuſten. Mit welcher Sanftmuth aber benahm ſich und redete Jeſus. Selbſt zu dem Diener, der ihm einen Backenſtreich gegeben hatte, ſprach er nur: Habe ich unrecht geredet, ſo beweiſe, daß es Unrecht ſei; habe ich aber recht geredet, warum ſchlägſt du mich? Jeſus alſo, der keine Sünde beging und in deſ- ſen Mund kein Betrug gefunden ward, ſchalt nicht, als er geſcholten ward, drohte nicht, da er litt, ſon- – 131 – dern überließ ſich dem, der ihn ungerecht verurtheilte und ſtellte es Dem anheim, der gerecht richtet. Und iſt das nicht das rechte Beiſpiel für die Katholiken gegenüber dem Wortſchwall und Ungeſtüm mancher Andersgläubiger? Sich andern vordrängen, ihnen vorſchreien oder ſie überſchreien, iſt noch kein Zeug- niß des Rechtes und der Wahrheit. Dieß finden wir ja auch unter uns Bauern oft, wenn Einer den Andern bei Gericht anklagt. Ge- wöhnlich ſpricht und ſchreit der mehr, welcher Unrecht hat, als der, welcher recht hat; und finden dieß auch auf unſern Viehmärkten; wenn Einer ein Pferd oder eine Kuh mit irgend einem Tadel oder Fehler ver- kaufen will, da macht er gewiß mehr Lärm und Re- dens als ein ſolcher, der etwas Rechtes zum Kaufe bietet. Und was machen Einem erſt die ſogenann- ten Marktſchreier und Händler mit allerlei Dingen vor ? Nach ihren Reden und Anpreiſungen gebe es ja oft in der ganzen Welt nichts Beſſeres, nichts Wohlfeileres, nichts Geſünderes, nichts Schöneres, als was ſie haben, wenn man aber dieß Alles für Wahrheit nimmt, ſo iſt man gewiß angeführt, d. h. betrogen. So dachte ich, könnte es auch auf dem beſſern Mundſtuck und den größeren Lärm der Proteſtan- ten in der Geltendmachung ihres Glaubens ſein; und dieß beruhigte mich. c. Noch ein Einfall war da, nämlich: Die an- dersgläubigen haben auch, und die meiſten, gut auf der Welt zu leben, und viel beſſer oft, als die Ka- tholiſchen; und wenn man betrachtet, wie die größ- 4 9 – 132 – ten und mächtigſten Reiche der Welt, und die geſeg- netſten, fruchtbarſten und reichſten Länder der Erde der katholiſchen Kirche nicht nur nicht anhängen, ſon- dern von ihr nichts wiſſen wollen, und ihre Mit- glieder verfolgen, und ſogar dort, wo die katholiſche Kirche bereits Wurzel gefaßt hat, ſie auszurotten ſuchen; wo findet man denn da die beſondere Gunſt und Vorſorge des Himmels für die Katholiſchen? Doch dieſes Bedenken verſchwand, als ich an die Worte des Herrn dachte: „Mein Reich iſt nicht von dieſer Welt“ und an die Worte zu ſeinen Jün- gern: „Wahrlich, wahrlich ſag' ich euch: ihr werdet weinen und wehklagen, aber die Welt wird ſich er- freuen. In der Welt werdet ihr Bedrängniß haben; aber vertraut, ich habe die Welt überwunden“ – und auch ihr überwindet ſie im Glauben an mich; und als ich noch daran dachte, daß die wahre Kirche Chriſti in einem Stalle und in der Armuth angefan- gen, unter den ſchrecklichſten Gewaltthätigkeiten der Tyrannen gewachſen, und unter Kreuz und Noth groß und ſtark geworden iſt. Dieſer Weg zum Siege und in den Himmel hat der Herr ſeiner Kirche und ihren Mitgliedern vorgezeigt, und wer in ihr die Befrie- digung der Habſucht, der Fleiſchesluſt und der Hof- fart des Lebens ſucht, hat nicht Chriſti Geiſt. Daß die Andersgläubigen eben ſo zeitlich glücklich, oder es noch mehr ſind als die Katholiſchen, davon verſchwand das Bedenken, wie eine Seifenblaſe, als ich an den Ausſpruch des Hausvaters im Evangelium dachte: „Laſſet beides zuſammen wachſen bis zur Ernte,“ und mich erinnerte, was ich einmal in einer Predigt ge- hört hatte, daß Gott oft die natürlichen Tugenden der Menſchen durch zeitliches Glück belohnt. Ich dachte weiters: Wenn Wohlſtand und Reichthum, ſchwung- hafter Handel und glückliche Geldgeſchäfte das Kenn- zeichen der wahren Religion wären, ſo müßten wir uns alle vor den Juden verſtecken, und das Juden- thum als den wahren Glauben betrachten, was aber doch weder wir Katholiſchen noch die Proteſtanten zu- geben werden. d. An meinem frühern Weggefährten hatte ich einen gutmüthigen, in ſeinem Glauben eifrigen, men- ſchenfreundlichen und dienſtfertigen Proteſtanten kennen gelernt, und wie viele ſolche und noch tugendhaftere wird es unter ihnen geben? Es iſt bekannt, daß ſich die Proteſtanten, was freilich beſonders von Gegen- den gilt, wo ſie mit Katholiken vermiſcht leben, durch Werke der Nächſtenliebe auszeichnen. Auch habe ich öfters gehört, daß, wenn hie und da auch auf dem Lande ein Handwerker einen Geſellen proteſtantiſcher Religion aufnimmt oder bekommt, der Meiſter mit einem ſolchen Geſellen wegen deſſen Kenntniſſen, ruhi- gem und beſcheidenem Benehmen, Artigkeit und Inne- haltung der Hausordnung oft mehr zufrieden geweſen iſt, als mit manchem katholiſchen. Wie nun, werden den Proteſtanten und überhaupt Andersgläubigen ihre Tugenden uud guten Werke nicht auch in den Him- mel verhelfen? Dieſen Knopf bei der Abwickelung meiner Ein- fälle auf dem Wallfahrtswege konnte ich nicht auf- löſen, und dachte, dieß wird der liebe Gott in ſeiner Gerechtigkeit und Barmherzigkeit recht machen; nahm – 134 – mir aber vor, darüber einmal einen Geiſtlichen um Aufſchluß zu erſuchen. Das ſittſame Betragen vieler Proteſtanten aber gab mir die Ermahnung ein, daß wir Katholiſchen den Proteſtanten nicht nur im Glauben ſollen voraus ſein wollen, was auch wirklich iſt, ſondern auch im chriſt- lichen Leben und Ausübung der Tugenden, oder in der Nachfolge Chriſti, Maria und der Heiligen voraus ſein ſollen, indem ja ein ausgelaſſenes Leben der Ka- tholiſchen der größte Widerſpruch ihres Glaubens iſt, und ein Aergerniß für alle Andersgläubigen. Bei dieſem Einfalle über die guten Werke der Proteſtanten ſah ich mich aber auch um, was mich als Katholiken der Katechismus von den guten Werken und denſelben Verdienſten lehrt, und da las ich: Gute Werke eines Chriſten ſind Handlungen, welche Gott gefällig und für den Chriſten, der ſie ausübet, verdienſtlich ſind. Gute Werke ſind zur Se- ligkeit nothwendig, denn der Glaube ohne gute Werke iſt todt. Durch gute Werke verdient man vor Gott die Vermehrung der heiligmachenden Gnade, ewige und zeitliche Belohnungen, welche Gott aus bloßer Gnade denen verſprochen hat, die Gutes thun. Gute Werke, die zur Seligkeit nothwendig und bei Gott verdienſtlich ſind, kann der Menſch nicht aus eigenen Kräften, ſondern nur mit dem Beiſtand der göttlichen Gnade thun. Gute Werke, welche bei Gott des ewigen Lebens verdienſtlich ſein ſollen, müſſen vollbracht werden: 1. Im Stande der Gnade; 2, freiwillig; – 135 – 3. nicht blos aus natürlichen oder eitlen Bewe- gungsgründen, ſondern vorzüglich wegen Gott. Nach dieſer Leſung kam mir mein Einfall über die guten Werke der Proteſtanten völlig wie ein Vor- witz vor, und ich kehrte ihn in den Vorſatz um, auf mich ſelber zu ſchauen, und mit der Gnade Gottes gute Werke zu thun, und ſie ſo zu thun, wie es da ſteht, damit die guten Werke auch verdienſtlich bei Gott ſeien. 5. Bei der fortwährenden Wahrnehmung bald einer katholiſchen bald einer proteſtantiſchen Gemeinde in dem lieben Steiermark dachte ich ſonderbarer Weiſe, wie wir Bauern überhaupt oft fonderbare Gedanken haben, an die Ketten des hl. Petrus, nämlich an jene zwei, mit welchen er gefeſſelt im Kerker zu Jeruſalem zwiſchen zwei Soldaten lag, die aber durch himmliſche Kraft, die die Kirche durch unabläſſiges Gebeth für ihn erfleht hatte, ihm von den Händen fielen; und an jene Kette, welche dieſer hl. Apoſtel zu Rom im Ker- ker zu tragen hatte, aus welchem er unter Kaiſer Nero zum Martyrertode geführt wurde. Dieſe letztere Kette ward in Rom aufbewahrt, jenes erſtere Paar Ketten aber, oder wenigſtens Eine derſelben, in Jeruſalem, und nach und nach aus Verehrung gegen den heiligen Apoſtel mit Edelſteinen und Perlen beſetzt. Als die Gemahlin des Kaiſers Theodoſius, Eu- doxia, eine Wallfahrt nach Jeruſalem machte, erhielt ſie dieſe zum Geſchenke, welche ſie aber hernach ihrer Tochter Eudoxia nach Rom überſchickte. Dieſe ver- ehrte ſie dem Papſte. Dabei ließ der Papſt ihr die Kette zeigen, womit der hl. Petrus unter Nero be- – 136 – laſtet war. Als man nun beide, die zu Rom und die von Jeruſalem war, mit einander verglich, ſchloſſen ſie ſich zuſammen, ſo daß aus den zwei Ketten. Eine ward. Unter der Kette vom fernen Jeruſalem dachte ich mir die Proteſtanten, unter der Kette in Rom die Katholiken, und ich ſeufzte von Grund des Herzens zu Gott, bei dem kein Ding unmöglich iſt, um die Gnade, auf daß alle Chriſten auf der Welt, und be- ſonders in Deutſchland und Oeſterreich, durch die Einig- keit im Glauben zu Einer Kette ſich aneinander ſchlie- ßen, welche Petrus zu Rom an ſeiner Hand trägt. Und ich nahm mir vor, darum zur Mutter Got- tes in Maria Zell zu bethen, daß ſie dieſe Einigkeit im Glauben vermittle, wie einſt fromme Frauen in kaiſerlicher Würde den Anſchluß der Ketten des hei- ligen Petrus veranlaßt hatten. IV. Maria Bell. 1. So ſinnend und betrachtend, bethend und manch- mal auch ſeufzend, aber frohen Muthes kam ich end- lich über Berg und Thal in das Gebirgsdorf Maria Zell. Dieſes Dorf zählt 104 Häuſer, und liegt auf einem grünen, abgeplatteten Hügel, der Sandbühel genannt. Vom Marktplatze aus liegen die Häuſer an drei Straßen, welche ſich in drei Thäler hinabziehen. Am oberſten Ende des Ortes ſteht die Kirche, zu welcher eine ſtufenreiche Treppe hinaufführt. Die Kirche iſt die größte im ganzen Gebirgslande, denn ſie hat 201 Fuß Länge, 67 Fuß Breite und – 137 – 90 Fuß Höhe, und iſt mit drei Thürmen und einer Kuppel geziert. Der Mittelthurm iſt wunderſchön im gothiſchen Style gebaut, und iſt noch von der alten, durch den frommen König Ludwig gebauten Kirche ſtehen geblie- ben. Gerade in der Mitte der Kirche, dem Hauptthore gegenüber ſteht die Gnadenkapelle. Sie iſt im gothi- ſchen Style aus Quaderſteinen gebaut, und bereits über 600 Jahre alt. Sie iſt ziemlich geräumig, am Gewölbe mit einer großen Oeffnung verſehen, inwen- dig blau gemalt, und mit goldenen Sternen geziert, von außen aber in Folge des hohen Alters von ſchwärz- licher Farbe. Hier nun ſteht auf einem ſilbernen Altare die Gna- denſtatue. Sie iſt aus einem Stück Lindenholz ge- ſchnitzt, 18 Zoll hoch, mit Oelfarben bemalt, und ſtellt die Mutter des Heilandes ſitzend vor, wie ſie das Je- ſuskind auf ihrem Schooße mit der rechten Hand ſtützet, ihm mit der linken Hand eine Birne reicht, und von demſelben dagegen einen Apfel empfängt. Die Farben, obwohl ſie ſchon ſtark abgefallen ſind, kann man noch ziemlich gut unterſcheiden. Das Kind hat goldgelbe Haare, und ein weißes, goldverbrämtes Hemdchen. Das Unterkleid der Mutter Gottes iſt ein weißes, am Halſe goldgeſäumtes, in der Mitte des Leibes durch eine goldene Binde zuſammengehal- tenes Hemd, und ein ebenfalls weißes, über die Schul- ter und das Haupt faltig gehülltes Tuch. Das Ober- kleid iſt ein blauer, von den Schultern bis an die Schuhe reichender Mantel mit rothem Unterfutter und einem Goldſaume. – 138 – Der ſilberne Altar beſteht aus zwölf an beiden Enden vergoldeten Säulen, welche eine ſchön gewölbte etwas in die runde Oeffnung der Kapelle hinaufragende Kuppel tragen. Dieſe Säulen ſind von Wolken durch- zogen, auf welchen ſich mehrere Engelfiguren be- finden. In der Mitte wie von Wolken getragen, ſteht ein reicher Baldachin. Unter dieſem pranget die in koſtbare Kleider gehüllte Gnadenſtatue, das Haupt der Mutter Gottes und des Jeſukindes mit goldenen von Edelſteinen funkelnden Kronen geziert. Hinter dem Gnadenbilde breiten ſich vergoldete Strahlen aus. Unter dem Baldachin halten zwei Engel einen von Edel- ſteinen ſchimmernden Kranz, unter welchem zwei mit Edelſteinen beſetzte goldene Herzen zu ſehen ſind. Unter dem Gnadenbilde ſteht der Tabernakel, und daneben knien zwei große Engel von Silber, mit Leuchtern in Form von Lilien, 47 Mark ſchwer (1 Mark hat 16 Loth). Zwiſchen denſelben und dem Tabernakel ſind noch zwei Engel neben heiligen Reliquien. Den ganzen Altar ließ das Stift St. Lambrecht im J. 1727 aus den ſilbernen Votivopfern in Augs- burg verfertigen, wozu die Fürſtin von Montecucculi 26,900 Gulden beiſteuerte. Er ſoll, als er noch mehr Verzierungen hatte, 12 Zentner gewogen haben. Auf dem Gnadenaltare ſtehen 6 ſilberne Leuchter. Das 200 Mark ſchwere ſilberne Antependium opferte im Jahre 1706 Franz Adam Fürſt von Schwarzenberg. In der Mitte der Kapelle hängt eine ſilberne ver- goldete Lampe in Form von acht Herzen, von einem Adler an zwei Ketten gehalten, 31 % Mark ſchwer, – 139 – ein Geſchenk der Kaiſerin Maria Thereſia. Außer dieſer hängen noch vier ſilberue Lampen, ſämmtlich Geſchenke frommer Verehrer Mariens, in der Kapelle. Die ganze Kapelle iſt durch ein großes ſilbernes Gitter geſchloſſen, welches 400 Mark wiegt. Kaiſer Franz I. und Maria Thereſia opferten es, wie die In- ſchrift anzeigt, nach erhaltenen mehreren Kindern an die Stelle des im Jahre 1679 vom Kaiſer Leopold I. geopferten leichteren und ſchon ganz zerbrochenen, bei Gelegenheit der ſechsten Jubelfeier dieſes Gnadenortes im Jahre 1757. Vorn iſt die Kapelle mit einem marmornen Ge- länder umgeben; außerhalb desſelben ſtehen zwei große verſilberte Engel, die, wie ein dritter fliegender Engel, vergoldete Lampen halten. Uralte Steinbilder in den Bögen des Eingangthores zur Kirche ſinnbilden die Geſchichte der Kirche: rechts knieet in Andacht verſun- ken Heinrich, Markgraf von Mähren, der die Kapelle gebaut, links der Ungarn-König Ludwig I , welcher 1363 zum Danke für eine gewonnene Schlacht die große Kirche gebaut hat, welche aber im Jahre 1827 durch einen fürchterlichen Brand zerſtört wurde. Die gegenwärtige Kirche wurde im Jahre 1830 vollendet. 2. Erſtaunlich reich iſt die Schatzkammer. Sie bildet eine Kapelle, in welcher öfters die heilige Meſſe geleſen wird. Der Altar hat die Geſtalt eines Zeltes, das früher von Silber war, jetzt aber aus Seide und und Sammt beſteht. In der Mitte desſelben befin- det ſich das auf Holz gemalte Bild U. L. Frau, wel- ches König Ludwig von der gebenedeiten Mutter Got- fes empfangen hat, das Schatzkammerbild genannt. – 140 – Zwei ſilberne Engel tragen dieß geſchmückte in Silber- und Goldrahmen gefaßte Bild, und zwei halten einen Blumenkranz über dasſelbe. Auf jeder Seite des Altares ſind zwei Reliquien- tafeln mit vielen Edelſteinen und guten Perleu beſetzt. Zwiſchen den 6 Amethiſt - Säulen des Tabernakels ſteht ein ſchönes, vor mehr als hundert Jahren von einer Gräfin Eſterhazy geopfertes Kreuz. Sechs kry- ſtallene Leuchter vom Kaiſer Karl VI. und zwei vier- armige ſilberne, von dem Könige Dom Miguel aus Portugal geopferte Leuchter zieren den Altar. Das Antependium des Altares iſt von gediegenem Silber, 300 Mark ſchwer, und enthält in 37 vergoldeten Bruſtbildern die Stammbäume des k. k. Habsburgs- Lothringiſchen und des k. neapolitaniſchen Herrſcher- hauſes. Kaiſerin Maria Thereſia hat es geopfert, und ihre Tochter Maria Karolina hat es 1803 von Neuem errichtet, und mit ihrem eigenen Stammbaum vermehrt. Neben dem Altare reihen ſich rechts und links mehrere Schränke an. Da ſieht man die prachtvollen, mit Edelſteinen und Perlen bedeckten Kleider U. L. Frau, goldene und ſilberne Monſtranzen und Kelche von größtem Werthe, Krnzifixe aus Gold und Silber und Elfenbein, Meßgewänder von Gold geſtickt, Lam- pen von Gold und Silber, und eine Menge ſilberner Votivgeſchenke, vergoldete Krücken, Gliedmaſſen von Silber, Bilder mit goldenen Rahmen und Edelſteinen, Statuen der Mutter Gottes von Gold und Silber, die Brautkleider, welche König Ludwig I. von Ungarn und ſeine Gemahlin getragen; das Schwert, die – 1 4 1 – Sporen und Steigbügel dieſes Königs neben einer Fahne und ein großes Kreuz von Ebenholz auf wel- chem Chriſtus und Gott Vater in Mannsgröße von Silber, 600 Mark ſchwer, dargeſtellt ſind. 3. Die Wallfahrten zur Gnadenkapelle Maria Zell in großen Prozeſſionen dauern nur vom Mai bis Oktober. Die meiſten Ein- und Auszüge geſchehen in Begleitung von Prieſtern und unter Glockengeläute und Muſik. Gewöhnlich beginnen mit Kränzen ge- zierte Jungfrauen den Zug, dann folgen die Männer; die Weiber mit einem Pack, in welchem ſich die Lebens- mittel für die Reiſe befinden, ſchließen den Zug. Bei einigen aus Oberöſterreich kommenden Wallfahrer- zügen beginnen die Jünglinge mit Kränzen um das Haupt die Prozeſſion. – Alle ſingen. Der gewöhn- liche Geſang iſt bei den Einzügen die Frauen-Litanei, wobei die Wallfahrer oft auf die Kniee fallen und weinen. In neuerer Zeit darf man jährlich über 100,000 Wallfahrer rechnen. - Im Jahre 1857 kam der jugendliche und ritter- liche Kaiſer von Oeſterreich Franz Joſeph I. mit ſei- ner frommen Gemahlin Eliſabeth zum h. Gnadenort, um für ſeines Volkes Wohl die Fürbitte U. L. Frau anzurufen, und ſich ſein Haus und ſeine Länder unter ihrem mächtigen Schutz zu ſtellen, wie es alle ſeine frommen Vorfahren gethan. Nicht lange darauf zog eine Prozeſſion von 18,000 Pilgern aus Ungarn, an ihrer Spitze der Fürſtpri- mas Erzbiſchof von Gran, die Biſchöfe und Magna- ten des großen Landes nach Maria Zell, und brach- ten unter Anderm eine prachtvolle Muttergottes-Statue – 142 – zum Opfer. Wenn ſo alle Jahre im Sommer die Schaaren von Pilgern mit Kreuz und fliegenden Fahnen die Straßen nach Maria Zell ziehen, dann iſt das ſonſt ſo einſame Thal ungemein belebt. Kopf an Kopf, Fahne hinter Fahne wallen die Tauſende in ihren ver- ſchiedenen Trachten die Straßen dahin, und der Zug ſcheint kein Ende zu nehmen. Beim Anblick der Gna- denkirche fallen Alle auf die Kniee, beten ſtill in tief- ſter Rührung, ſtimmen dann einen weithin ſchallenden Lobgeſang auf U. L. Frau an, und ordnen ſich zur Prozeſſion in deu heiligen Ort. Voran die große Fahne, dann die Jungfrauen mit Blumen bekränzt, hieranf die Prieſter in goldgeſtickten Gewanden, Chor- knaben mit Kreuz und Fähnlein, Männer, Weiber und Kinder, Greiſe, Soldaten und Bauern, Reiche und Arme, ſchreiten ſie mit geſenktem Haupte, den Roſenkranz in der Hand, betend und ſingend hinauf zur Kirche. Es iſt eine unbeſchreibliche Empfindung, welche von dem geiſtigen, ewigen Leben angeregt iſt, und auch dorthin gehört, wenn man die Schaaren ver- ſchiedener Nationen ſich vor der Gnadenkirche ſammeln, die Stufen der Treppe küſſen, und mit Thränen in den Augen in die Kirche einziehen ſieht. Dreimal umgehen ſie feierlich die heil. Kapelle, fallen dann in tiefſter Ehrfurcht nieder vor dem Gnadenbilde, beten zu Gott und bitten um Vergebung ihrer Sünden, geloben reumüthig Beſſerung, klagen der Mutter Got- tes ihre geheimen Leiden und Gebrechen, und erwar- ten im feſten Glauben Hilfe von ihrer mildreichen Fürbitte bei Gott, oder danken ihr aus dem Inner- ſten ihres Herzens für die Hilfe, die ſie in ihren Nö- – 143 – then bereits durch ihre Barmherzigkeit und Macht gefunden.“ Was da von dem Gnadenorte Maria Zell ſteht, habe ich größtentheils ſelbſt geſehen, es mitgelebt, bin dabei mitgegangen, habe mitgebetet und auch mitge- weint, und das mit einer unausſprechlichen Rührung des Herzens, da ja bei dem Säcular Alles in der größten Feierlichkeit und Auferbauung geſchah; aber beſchrieben habe ich's nicht aus mir, ſondern nach dem ſchönen Buche mit dem Titel: Marianum, von dem hochwürdigen Herrn Pfarrer Georg Ott, bei Friedrich Puſtet in Regensburg 1859. Ich habe mir dieß zu thun erlaubt, weil ich es unmöglich hätte getreuer und würdiger vorbringen können, und ich immer vor Augen haben muß, daß meine Stimme rauh, meine Zunge ſchwer, und mein Verſtand nicht klar iſt, um würdig das Lob der Mutter Gottes zu verkünden, und keine Zunge aber von der Himmelskönigin Leicht- fertiges oder Unwürdiges reden ſoll. 4. Mit der Vollbringung dieſer Wallfahrt nach Maria Zell glaubte ich erſt meine Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom vollendet zu haben, denn ſie hieng ja mit dieſer durch ein Verlöbniß zuſammen. Darum habe ich auch bei der zweiten Auflage meines Büchleins „Pilgerfahrt nach Jeruſalem und Rom“ „die Wallfahrt nach Maria Zell“ als die zweite Ab- theilung geſetzt. Ich wollte hiedurch nichts anders erzielen, als ein Weihrauchkörnlein in die Liebesgluth der Mutter Gottes zu legen, damit es mit Wohlge- ruch zu dem dreieinigen Gott aufſteige, und einen – 144 – ſolchen auch bei den gutmüthigen Seelen der chriſt- lichen Gemeinden verbreite. Und wenn mich jetzt zum Schluſſe Jemand fragt: Wie, Pinzgauerbauer, wirſt du noch keine Ruhe ge- ben mit deinen Pilgerreiſen und Wallfahrten, und kömmt nicht vielleicht wieder bald ein Büchlein von dir über eine Wallfahrt, etwa nach Altötting oder Maria Einſiedeln oder gar nach Compoſtella in Spa- nien oder mit einer in Polen u. ſ. w. zum Vorſchein? ſo kann ich nicht anders antworten, als: ich weiß es nicht, denn unſichtbar und geheim und doch plötzlich wirkſam iſt oft der Zug zu einem ſolchen Unternehmen. Darum ſage ich: „ich weiß es nicht;“ aber das weiß ich, daß mir alle meine Pilgerreiſen und Wallfahrten nicht in den Himmel helfen würden, wenn nicht all- zeit auch mein Geiſt ſuchet, was droben iſt, wo Chri- ſtus iſt, der zur Rechten Gottes ſitzt. Und dazu mir zu verhelfen, bitte ich um das Gebeth eines Jeden meiner Mitchriſten, und bitte auch zuletzt noch Jeder- mann, ſich den Kauf nnd das Leſen dieſes Büchleins nicht gereuen zu laſſen, lebe ein Jeder wohl in der Gnade Gottes! Druckverbeſſerung: Auf Seite 11 unter Nr. 5 ſoll es heißen: Reiſe nach und Aufenthalt in Linz.