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NATIONALBIBLIOTHE
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Österreichische Nationalbibliothek
+Z227305201
1 078 8 – A
Des
Pinzgauer Baners Johann Eder
vom Ebengute in Alm
Pilgerreiſe
nach
Jeruſalem und MTom
im Jahre 1856,
nach Maria Zell
im Jahre 1857.
Zn 2 Abtheilungen.
Nach deſſen Erzählungen und Aufſchreibungen zuſammengeſtellt.
Salzburg, 1862.
Druck der Endl & Penker'ſchen Buchdruckerei,
In halt.
I. Abtheilung.
Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom.
Seite
1. Mein Entſchluß. . . . . . . . . 1
2. Meine beſondere Meinung. . . . . . . . . 2
3. Abſchied von der Heimath. . . . . . . 6
4. Aufenthalt in Salzburg. . . . . . . 9
5. Reiſe nach und Aufenthalt in Linz. . . . . 11
6. Aufenthalt und Betrachtungen in Wien. . . . 14
7. Fahrt von Wien nach Trieſt und auf dem Meere. 20
8. Von Smyrna dem heil. Lande zu. . . . . 27
9. Jeruſalem. • • • • • • • • e. 34
10. Nazareth. . . 46
11. Abreiſe nach Alexandria in Afrika und von da nach Rom. 51
12. Ankunft und Aufenthalt in Rom. . . . .
13. Abreiſe von Rom in die Heimath. . . . . 64
14. Zum Schluſſe. . . . . . 4 . » 71
II. Abtheilung. -
Wallfahrt nach Maria Bell.
I. V er anlaſſung zu dieſer Wallfahrt.
1. Ein Verlobniß. • • • s . . . » 77
2. Meine Anſicht über das Wallfahrten. . . . 77
3. Eintritt in die Steiermark. . . . . . . 80
II. Zuſammenkunft und Geſpräch mit ein cm
proteſtantiſchen Bau er.
1. Diskurs über Oekonomie. . . . . . . 81
2. Uebergang desſelben zur Religion. . . . . 82
3. Das neue Bethhaus mit Thurm und Glocken. . 83
4. Der Religionswechſel. . . . . . . . 84
5. Rückſicht auf Familien-Verhältniſſe. . . . . 86
6. Ob die Proteſtanten das Rechte haben ? . . . 89
7. Ueber Luther's Verbeſſerung. . . . . . 92
Seite
8. Ueber deſſen Angriffe des Papſtes. . . . . 96
9. Allerlei Dinge, die den Proteſtanten an uns Katholiſchen
nicht gefallen: . . . .
a) fünfzehn Gebote Gottes;
b) übertriebene Verehrung Mariä;
c) ebenſo der Heiligen.
10. Ueber die Gelehrſamkeit der katholiſchen und proteſtantiſchen
Geiſtlichen. e » . . . . . . . 105
11. Ueber den Stolz der katholiſchen Geiſtlichen. . . 110
12. Trennung vom Weggefährten. . . . . 113
III. Betrachtungen.
1. Ueber die letzten Worte meines Weggefährten. . 114
2. Ueber den Unglauben der Proteſtanten an die Gegenwart
Chriſti im allerheil. Altarsſakramente außer dem Empfange
desſelben. . . . . . . . . . 116
3. Ueber den Mangel des heil. Meßopfers bei ihren Gottes-
dienſten. . . . . . . . . . . . . 121
4. Allerlei Einfälle : . . . . . . . . 127
a) Warum manche Hochſtudirte nicht zum katholiſchen
Glauben gelangen ?
b) Warum die Proteſtanten eine größere Beredſamkeit
haben als die Katholiſchen ?
c) Das glückliche Leben der Andersgläubigen in der Welt?
d) Ob ihnen ihre guten Werke nicht in den Himmel ver-
d s» d e"
helfen ?
5. Die Ketten Petri. . . . . . . . . 135
IV. Maria Zell.
1. Dorf und Kirche. . . . . . . . . 136
2. Die Schatzkammer. . . . . . . . . 139
3. Die Wallfahrten. . . . . . . . . 141
4. Schlußpunkt. . . . . . . . . . 143
1. Abtheilung.
Pilgerreiſe
nach Jeruſalem und Rom
im Jahre 1856.
1. Mein Entſchluß.
Seit vielen Jahren hatte ſich meiner die Sehn-
ſucht bemächtigt, als Pilger die heiligen Orte, Je-
ruſalem und Rom, zu beſuchen; und ſie ſtarb im
Verlaufe der Zeit nicht nur nicht ab, ſondern wurde
immer lebendiger.
Im vorigen Jahre den 29. Mai am Pfingſt-
dienſtage kam der Hochw. Herr Joh. A. Kaltner,
Pfarrkurat im löbl. St. Johanns-Spitale zu Salz-
burg, als Pilger auf ſeiner Rückreiſe von Jeruſalem
hieher nach Alm, und hielt in unſerer Vikariatskirche, wo
der letzte Tag des 40ſtündigen Gebetes gefeiert wurde,
das hl. Hochamt und Nachmittags den Schluß der
Andacht mit Predigt, Vesper und Prozeſſion. Die-
ſes Hochwürdigen Herrn glücklich vollendete Pilger-
reiſe trug nicht wenig bei, daß ſich in mir der völlige
Entſchluß entwickelte, die Pilgerfahrt bei nächſter Ge-
legenheit zu unternehmen.
Als daher für das heurige Jahr der Aufruf zur
Pilgerreiſe nach Jeruſalem von dem löbl. Severinus-
Vereine zu Wien in öffentlichen Blättern erſchien,
machte ich meine Schritte zur Ausführung meines
Vorhabens. '
Ich berieth mich vor Allem mit meinem Herrn
Seelſorger, der mir Alles, wie es ſich gebührte, vor-
ſtellte. Hieraus ergab ſich, daß mein Entſchluß feſt
1
– 2 –
ſei, daß durch die Pilgerreiſe in meinen Lebensver-
hältniſſen auch nicht eine Rechts- oder Liebespflicht
verletzt werde, und daß man zuverläſſig annehmen
könne, es ſei der Wille Gottes.
Mit warmer Theilnahme war mir der gnädige
Herr Bezirksvorſteher zu Saalfelden, Martin Zehrer,
zu allem Nothwendigen und Nützlichen verhilflich, und
bereitwilligſt ward mir vom Centrale des löbl. Se-
verinus-Vereines die Aufnahme in die Pilgergeſell-
ſchaft zugeſagt. Mit dem Nothwendigſten verſehen,
traf ich zur Reiſe keine weitläufigen Vorbereitungen;
ich zog mein Pinzgauer-Feſtkleid an, worüber ich ſpäter
nicht ſelten die Beobachtung machte, daß ich in meiner
Nationaltracht in fernen Ländern und Städten keine
unliebſame Erſcheinung war.
2. Meine beſondere Meinung
bei der Pilgerfahrt.
Als ich beſchloſſen hatte, in's heilige Land zu
pilgern, da kommen meine Freunde rings umher und
fragen? „Was drängt dich denn, eine ſo gefährliche
und weite Reiſe zu machen?“ Ich kann ihnen nichts
anders antworten, als: „Sehet, ich habe dieſe Reiſe
ſchon 14 Jahre im Herzen – es drängt mich dazu
Sehnſucht und Dankbarkeit gegen Gott und ſeinen
eingebornen Sohn Jeſus Chriſtus und deſſen unbe-
fleckte und jungfräuliche Mutter Maria – und ich
– 3 –
bitte euch, meine lieben Freunde! um euer Gebeth,
und verſpreche auch euch Allen das meinige.“
Weil ihr euch nun damit ſchon zufrieden gebt,
und mir herzlich die Hand drücket, ſo muß ich euch
doch auch noch meine geheime Abſicht und beſondere
Meinung ſagen, die ich nach meiner bäueriſchen Weiſe
bei dieſer Pilgerfahrt habe: Ich denke und verlange,
daß ich der hl. Familie auf ihrer Flucht nach Egypten
den Eſel abgeben köunte.
Heißt es ja dort und da in der Welt: „Du dum-
mer Bauerneſel.“ Und ja! mein guter alter Schul-
lehrer, Gott hab' ihn ſelig! hat mich ſchon als Schul-
buben ſo titulirt, und ich nehm es ihm nicht übel,
denn damals habe ich anfangs gar nichts erlernt, und
erſt, nachdem ich eine Wallfahrt nach Embach zu
Maria im Elend verlobt hatte, iſt es beſſer gegangen,
und habe doch das Wenige erlernt, was ich jetzt kann.
Mir ſteht nichts beſſer zu und an, als der Pflug,
die Senſe und die Hacke, die von Gott in meine
Hände gelegt worden ſind – und ſo denke ich, möchte
mich doch die heil. Familie, Jeſus, Maria und Joſeph,
auf meiner Pilgerreiſe als ihr Laſtthier, als ihren
Eſel brauchen können.
Wie aber, meine lieben Freunde! kömmt euch
dieſes als ein gar zu eſelhaftes Verlangen vor?
Was iſt aber mehr, wenn der Menſch für Gott
ein Eſel wird, oder wenn Gott für den Menſchen
Menſch wird?
Ich halte dieſes Verlangen, daß mich die hl. Fa-
milie zu ihrem Eſel annehme, nicht für gering, ſon-
dern für etwas Großes; und ich für nur es wird
Z
– 4 –
nicht erfüllt, wenn ihr, meine Freunde! nicht recht und
beſtändig für mich betet.
Die heil. Familie kann kein ſtolzes und ſich bäu-
mendes Pferd brauchen, ſondern einen ſanften und
demüthigen Eſel. Aber wie wenig erlerne ich Sanft-
muth und Demuth! Die Demuth, von welcher der
heilige Auguſtin ſagt: daß ſie das Erſte, das
Zweite und das Dritte in unſerer heiligen Religion
iſt. O ich möchte den Eſel beneiden um dieſe
ſeine Eigenſchaften, die ſo nothwendig ſind für meine
unſterbliche Seele, und um der heil. Familie zu ge-
fallen!
Als ſich tiefes Schweigen verbreitete, und die
Nacht in der Mitte ihres Laufes war, und die Gna-
dengeburt geſchah, von der geſchrieben ſteht:
„Und ſie (Maria) gebar ihren erſtgebornen
Sohn, wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine
Krippe, weil in der Herberge kein Platz für ſie war“,
da hörte man keinen Kanonenſchuß und ſah auch
nicht eine andere weltliche Feierlichkeit; aber den Ju-
belton vom Himmel vernahmen die Hirten: „Ehre
ſei Gott in der Höh' und Friede den Menſchen auf
Erde, die eines guten Willens ſind“: und ein Eſel
wurde gewürdiget, das neugeborne Kind zu bedienen,
und es mit ſeinem Athem zu erwärmen.
O wie ſelten und wenig erwärme ich meinen
Jeſus, den Sohn Gottes und Mariä, mit meinen
Liebesſeufzern und mit den Werken der Nächſtenliebe.
Da die hh. drei Könige von der Anbetung des
Kindes Jeſu hinweggezogen waren, ſiehe da erſchien
der Engel des Herrn dem Joſeph im Schlafe und
– 5 –
ſprach: „Steh auf und nimm das Kind und ſeine
Mutter, und flieh nach Egypten, und bleib allda bis
ich dir's ſage. Denn es wird geſchehen, daß Herodes
das Kind ſuchet, um es zu tödten.“ Und er ſtand
auf, nahm das Kind und ſeine Mutter bei der Nacht,
und zog fort nach Egypten.
Heiliger Joſeph! wenn du da einen Menſchen
- gebeten hätteſt um ſeine Begleitung und Dienſte,
würden nicht unter zehn neun geſagt haben: ich kann
mit euch nicht ſo weit hinziehen; ihr ſeid arm und
könnt mir nichts oder nicht genug geben – oder
vielleicht gar: müßte ich mich nicht ſchämen, mit
einer ſolchen Familie zu reiſen, die ſich aus dem
Lande flüchten muß und dergl.: – und ſiehe, das
Eſelein geht mit, trägt das Kind und ſeine Mutter,
und hat keine Rückſichten, Hinderniſſe und Ein-
wendungen.
O du furchtſames und in die Welt vernarrtes
Menſchenherz, wie oft läßt du dich von der Liebe
Gottes und des Nächſten, von dem Dienſte Jeſu
und Mariä abhalten. Mußt du dich nicht ſchämen
vor dem Eſel auf der Flucht der hl. Familie nach
Egypten?
Selbſt als der Herr ſeinen feierlichen Einzug
nach Jeruſalem halten wollte, ſchickte er zwei Jünger
ab, daß ſie einen Eſel losbänden und ihm zuführen.
O Jeſus! laſſe auch mich losbinden und mich dir
zuführen. Losbinden von meinen Sünden, losbinden
von aller unordentlichen Liebe zur Welt und ihren
eitlen Dingen, damit ich nur in und mit dir in
Jeruſalem einziehe.
– 6 –
Darum, liebe Freunde! betet für mich recht und
beſtändig, daß ich als Eſel der hl. Familie meine
Pilgerfahrt vollbringe. Aber nicht bloß um einen ſol-
chen Einzug ins irdiſche, ſondern auch wenn der Herr
ruft, ins himmliſche Jeruſalem. Ich verſpreche euch,
wenn es Gottes Wille iſt, daß ich in das hl. Land
gelange, euerer an den geheiligten Stätten in aller
Liebe zu gedenken. Gelobt ſei Jeſus Chriſtus, in
Ewigkeit, Amen. Und
O Maria!
Auf der Wallfahrt zum hl. Land
Reiche mir Pilger die Mutterhand;
Und wenn mit Maria ich gehe,
Sie liebend als Mutter erſehe,
Dann ſchenket der Glaube
Dem Pilger den Stab,
Dann ſteigt er mit Liebe
Und Hoffnung in's Grab.
3. Abſchied von der Heimath.
Bei den Beſuchen von nah und fern vor meiner
Abreiſe, welche mir beinahe Tag und Nacht keine
Ruhe ließen, erhielt ich ſo viele Empfehlungen, Ge-
betserbittungen, Küſſe und Grüße für Jeruſalem und
das hl. Land mit, daß ich müßte ein wunderbares
Gedächtniß gehabt haben, um ſie alle einzeln zu be-
wahren. Ich ſchloß Alles in mein Herz ein, und legte
es in den Schooß Mariä, erfreut über ſo rege und
– 7 –
fromme Theilnahme, und geſtärkt durch die Zu-
ſicherung des Gebetes für mich. Endlich kam der
1. Februar, der beſtimmte Tag zur Abreiſe.
Gegen 6 Uhr früh ging ich mit meiner Schwe-
ſter Katharina in meine Mutterkirche, um der hl.
Pilgermeſſe beizuwohnen, die hl. Kommunion zu em-
pfangen, und den kirchlichen Pilgerſegen, wie er im
Rituale vorgeſchrieben iſt, zu erhalten. Darauf be-
gleitet mich der Herr Vicar zur Todtenkapelle, um auch
von den Lieben jenſeits chriſtlichen Abſchied zu neh-
men, und beſchloß das Ganze mit einem Bruderkuſſe
im Herrn.
Nach eingenommenem Frühſtück im Vicariats-
hauſe, und nachdem ich meine gute Schweſter, die
ſich von mir nicht zu trennen können glaubte, beinahe
mit Gewalt hätte zurückweiſen müſſen – was mir
ſehr ſchwer fiel –begab ich mich bei heftigem Schnee-
geſtöber aus meinem heimathlichen Thale nach Schloß
Farmach zu dem Herrn Bezirksvorſteher. Dieſer lie-
benswürdige Herr machte mir mit Weihwaſſer an
dem Finger das Zeichen des Kreuzes auf die Stirne,
wie ein Vater ſeinem Sohne, und ſprach die aufrich-
tigſten Glückwünſche über mich aus. Es ermuthigte
mich dieſes recht ſehr, denn ich konnte nun überzeugt
ſein, daß mich nicht nur der Segen der geiſtlichen,
ſondern auch der weltlichen Obrigkeit begleite. Neuer-
dings ſprach es mir zu: Gehe, gehe, es iſt Gottes
Wille.
Nun eilte ich in die Pfarrkirche zu Saalfelden,
wo auch noch insbeſondere für mich eine hl. Meſſe
– 8 –
geleſen wurde, und begab mich dann von da hinweg
völlig unbemerkt nach Schörhof, einem Wirthshauſe
an der Landſtraße. Dort ereilte mich ein guter
Freund, Johann Herzog, Beſitzer des Ritzen-Gutes
in Saalfelden; und es kam auch Herr Frühmeſſer
Gutfelder daſelbſt mit unſerm Herrn im a. h. Al-
tarsſakramente an, um den alten Wirth zu verſehen.
Bei dem Segen, den uns der Prieſter mit dem Al-
lerheiligſten gab, gedachte ich der Jünger, die nach
Emaus gingen und denen ſich der Herr beigeſellte.
Freudigen Dank empfand mein Herz für dieſe
unerwartete Gnade auf dem Wege, und in dieſer Ge-
müthsſtimmuug ging es nun den Hohlwegen zu,
welche aber alſo mit vielem Schnee belegt waren, daß
ich nur langſam vorwärts kam, und deßwegen auch
erſt bei der Nacht den Wallfahrtsort Kirchenthaler-
reichen konnte, wo mich Titl. Herr geiſtl. Rath und
Regens Joſeph Bruggev mit Freuden aufnahm und
über Nacht behielt. Es wurde aber wenig geſchla-
fen, denn ein großer Theil der Nacht verging
unter Pilgergeſprächen, beſonders mit Herrn Wall-
fahrtsprieſter Nik. Scharler.
Tags darauf – am Maria-Lichtmeßfeſte –
wohnte ich in Kirchenthal dem hl. Gottesdienſte bei,
und kam dann beilich um 10 Uhr nach Lofer, wo ich
den Stellwagen beſtieg.
Auf dieſem erhielt ich mitunter auch einen welt-
lichen Herrn zum Geſellſchafter, in deſſen Aeußerun-
gen und Bemerkungen über meine Pilger-Reiſe ich
ſchon nicht mehr die Spuren der lieben und frommen
Theilnahme meiner heimathlichen Herren fand. Doch
– 9 –
dieß brachte mich nicht aus der Faſſung – ich ge-
dachte der Worte des Pſalmiſten: „Wie ein Schild
umgibt dich die Wahrheit des Allerhöchſten. Du
darfſt nicht fürchten nächtlichen Schrecken; nicht den
Pfeil, der am Tage fliegt; nicht das Ding, ſo im
Finſtern wandelt; nicht den Anfall des mittägigen
Teufels . . . . Auf Nattern und Baſilisken wirſt du
wandeln und zertreten Löwen und Drachen.“
Abends kamen wir in Salzburg an, wo ich bei
meinem Freunde Franz Reiſchl, Parapluimacher,
übernachtete.
4. Aufenthalt in Salzburg.
Am 3. Februar übergab ich ein Schreiben von
meinem Hochw. Herrn Vikar, Leopold Kravogl, dem
Hochwürdigſten Fürſterzbiſchofe Maximilian, unſerm
allgeliebten Oberhirten, Höchſtwelcher mich liebevollſt
aufnahm, wie ein Vater ſein Kind; und den Herrn
Pfarrer Kaltner rufen zu laſſen geruhte, um mit die-
ſem über meine vorhabende Pilgerreiſe zu ſprechen.
Wenn ſich die niedern und hohen Herren alſo ver-
einigen, um einen Bauern nach Jeruſalen auf Er-
den zu bringen: wer kann ihre Thätigkeit bemeſſen,
uns ins himmliſche Jeruſalem hineinzubringen?
Auf Mittag war ich von dem hochverehrten Herrn
Hepperger geladen, wo auch deſſen Herren Söhne zu-
gegen waren, von denen der Jüngere k. k. Rittmeiſter
und der Aeltere k. k. Hauptmann iſt. Dieſer Herr,
der k. k. Hauptmann, ſchenkte mir ſeine Seiten-
taſche, welche er bei den feindlichen Gefechten und
Schlachten in Ungarn umhangen hatte, zu meiner
Pilgerfahrt nach Jeruſalem, die mich unausſprechlich
erfreut, und die ich, ſo Gott will, nach Hauſe
bringen und als einen Hausſchatz bewahren werde.
O wie war mir einfältigem Pinzgauer-Bauern bei
dieſer anſehnlichen Familie gut! Mich verwirrte
nicht das Herrliche, denn es leuchtete aus Allem die
Liebe in Chriſto heraus, welche hoch und nieder
vereiniget und erfreut.
Bei dem hochw. Herrn Chorvicar v. Zehendter
und Herrn Pfarrer Kaltner war ich ebenfalls und
mehrmal eingeladen, und letzterer Herr verſchaffte
mir als St. Johanns-Spitals-Seelſorger gegen mein
mich überkommenesUnwohlſein die trefflichſten Arzeneien.
Da um dieſe Jahreszeit – den Faſchingtagen
der Welt – gerade das Stundgebet in der Colle-
giumskirche gefeiert wurde, erhielt ich durch den Be-
ſuch desſelben vielen Troſt in meinem kränklichen
Zuſtande und Stärkung zu meinem großen Vor-
haben. Ich ſuchte, und fand. Wie man es doch bei
der Anbetung des heiligſten Altarsſakramentes er-
fährt, daß unſer Herr Jeſus Chriſtus treu in ſeiner
Verheißung iſt: „Kommet zu mir Alle, die ihr müh-
ſelig und beladen ſeid, ich will euch erquicken.“
Am 5. Februar hatte ich das Glück, bei dem
Hochwürdigſten Fürſterzbiſchofe in längerem Ge-
ſpräche zu verweilen, welches Hochderſelbein ſolchen
liebevollem Ernſte mit mir zu führen geruhte, daß es
mich an das Geſpräch des Herrn mit Nikodemus er--
innerte. Ich weiß wohl, daß Nikodemns kein Bauer
war, aber ich weiß auch, daß dieſer Rathsherr da-
– 11 –
mals nicht viel Wiſſenſchaft und Rath in den Din-
gen des Heiles beſaß. -
Am 9. Februar wurde ich durch den hochw. Herrn
v. Zehendtner zum Herrn Guggenbichler geladen. Auf
dieſen alten Herrn machte ich als Pilger einen freu-
digen Eindruck, den er dadurch zeigte, daß er ſich
mehrere Stunden Zeit nahm, mit mir zu ſprechen;
daß ich mit ihm die Leiche des ſeligen Domherrn und
Konſiſtorial-Rathes Joh. Nep. Wolf zu Grabe be-
gleiten mußte; daß er in der Franziskaner-Kirche eine
hl. Meſſe um glückliche Reiſe für mich beſtellte und
mir als Pilgergabe einen Dukaten ſchenkte, deſſen
Nichtannahme ihn beleidiget haben würde.
Am 10. Februar, dem erſten Faſtenſonntag, kam
ich zum letzten Male zu unſerm Hochwürdigſten
Fürſterzbiſchofe, nachdem Hochdieſelben ſich früher
ſchon viermal zur Unterredung mit mir herabgelaſſen
hatten. Ich erhielt auch von Sr. Hochfürſtlichen
Gnaden Maximilian, Höchſtwelcher mit aller Umſicht
für mich beſorgt waren, wie eine Mutter bei der
Ausſtattung ihres Sohnes zu einer weiten Rieſe, ein
hohes Empfehlungsſchreiben und zuletzt den mir un-
vergeßlichen oberhirtlichen Segen.
An dieſem letzten Tage meines Aufenthaltes in
Salzburg mußte ich mich noch einmal beim hochw.
Herrn Pfarrer Kaltner einfinden.
5. Reiſe nach und Aufenthalt in Salzburg.
Am 11. Februar, Montags um halb 5 Uhr früh
wurde in der Franziskaner-Kirche von dem Hochw.
P. Guardian die für mich, wie oben erwähnt wor-
– 12 –
den, angegebene hl. Meſſe geleſen, wobei ich die hl.
Communion empfing. Herr Guggenbichler und Herr
Georg Wimmer, fürſterzbiſchöflicher Kammerdiener,
begleiten mich bis zum Traubenwirth. Herr Wim-
mer ließ mir Kaffee geben. Endlich kam die Abfahrts-
zeit. Um ein Viertel nach 5 Uhr beſtieg ich mit gerühr-
tem Herzen, aber voll Vertrauen den Wagen, der
nach Lambach fuhr. Mein Gott! welche Gefühle
durchkreuzten da nicht mein Herz ! aber alle be-
herrſchte die Zuverſicht, daß mich als Salzburger der
Segen meines hl. Landespatrones Rupertus, den
ich durch ſeinen Nachfolger Maximilian erhalten, be-
gleiten und führen werde, wie Raphael den Tobias,
in allen Ländern und bei Allem, was da kommen mag.
Am 12. Februar früh zu Lambach las ich in mei-
nem Tagzeitenbüchlein die Worte: „Verlaß dein Va-
terhaus und Alles, meine Seele! denn der König
wird nach dir verlangen.“ Der Wirth und ſeine zwei
Töchter kamen zu mir und fragten mich, was ich
da leſe? Ich legte ihnen die wiederholten Worte
in Anwendung auf mein Vorhaben aus. Dieſe guten
Perſonen zeigten herzliche Freude und Theilnahme
und wir nahmen freundlichſten, ja wie aus einem
lange geliebten Hauſe Abſchied.
Von Lambach wurde die Reiſe auf der Eiſen-
bahn fortgeſetzt, und um 11 Uhr kamen wir in
Linz an, gerade zur rechten Zeit, um einem h. Amte
bei ausgeſetztem hochwürdigſten Gut beiwohnen zu
können. Ich wurde dadurch ſehr gerührt, daß dabei
alles Volk ſang, welche Uebung in unſerem Erzbis-
thume nicht Statt findet.
– 13 –
Nach dem Wunſche meines hochw. Herrn Vi-
kars zu Hauſe beſuchte ich den Hochw. und gnädi-
gen Herrn Joſeph Strigl, Domherrn und Direktor
des Prieſter-Seminars alldort, welcher mich auf die
freundlichſte Weiſe aufnahm, zum Mittagsmal ein-
lud, und mich über Nacht behielt. Iſt man der
Geiſtlichkeit empfohlen, ſo kömmt man richtig in
keine Fremde. -
Am 13. Februar verlebte ich den Tag mit Auf-
enthalt bei dieſem Hochw. Herrn, welcher Pilger-
Präſes iſt für dieſes Jahr. Seiner Baſe gab ich
ein Muttergottesbild von Alm, meiner Heimath;
und ſie nahm es freudig an. Ich hatte darüber ein
heiliges Vergnügen.
Am 14. Februar ging ich mit einem Herrn Prie-
ſter-Alumnes, Gotthard Landerl, auf den Berg Ma-
riens, wo ein neues Jeſuitenkloſter und ein Knaben-
Collegium ſich befindet, errichtet vom Erzherzog Ma-
ximilian. Es wurde ein großes Bild gezeigt, nach
welchem die Aufrührer im I. 1848 in ihrer ſchreck-
lichen Wuth ſtachen, und ſtatt dem abgebildeten Je-
ſuiten einen Engel trafen. Nach einem ausgezeichnet
freundlichen Empfange wurde daſelbſt ein für mich
Pilger paſſendes Lied geſungen. Abends kam ich mit
Hochw. Herrn Alumnus, meinem bereitwilligſten Be-
gleiter zurück in das löbl. Prieſterhaus. Hier erlebte
ich eine große Freude; denn ich war eingeladen wor-
den, das wunderſchöne Transparent zu ſchauen und
die rührendſten Abſchiedslieder anzuhören, welches
Alles zur Verehrung des geliebten Herrn Prieſter-
haus-Direktors Strigl bei deſſen naher Abreiſe als
Pilger-Präſes nach Jeruſalem veranſtaltet war.
Ich als Pinzgauer - Bauer mitten unter die-
ſen Herrn und Herrlichkeiten kam mir ſelber etwas
ſonderbar vor; und ich meinte, ich ſei damit zu
meiner Pilgerfahrt auch ein wenig eingeweiht worden.
Des andern Tages, 15. Februar, war ich wieder
auf Mittag zur Pilger-Abſchiedstafel im löbl. Prie-
ſterhauſe geladen, wobei die Herren Alumnen ein
überaus ſchönes Lied ſangen. Nachmittags ging ich
auf Anrathen des Titl. Herrn Pilger-Präſes zum
Hochwürdigſten Herrn Biſchofe. Hochderſelbe nahm
mich mit aller Freundlichkeit auf, ſegnete mich, gab
mir ein Hirtenſchreiben und ein Bild. Darnach
wohnte ich der Abendandacht bei, welche hier in der
Faſten täglich um 4 Uhr mit Predigt und hl. Segen
mit dem hochwürdigſten Gute gehalten wird.
Es iſt der letzte Tag meines Aufenthaltes in
Linz. Dieſe ſchöne Stadt an der Donau gefiel mir
ſehr wohl; ſie wird mir aber auch deßwegen unver-
geßlich bleiben, weil ich in ihr ſo viele Liebe, Freude
und Auferbauung gefunden habe. Vergelte es Gott!
6. Aufenthalt und Betrachtungen in Wien.
Samstags den 16. Februar fuhren wir mit dem
Dampfſchiffe nach Wien. Ich konnte nicht genug
ſchauen; und unter lauter Schauen iſt mir die ganze
Fahrt kurzweilig vorgekommen, als es hieß: „nun iſt
es die letzte Station und zum Ausſteigen“.
Mit einem Fiaker fuhren wir zum Matſchagger-
hof. Die Herren gingen in das Abſteige-Quartier
– 15 –
hinein; mir Unbehiflichen und Langſamen aber kam
es vor, als ſei kein Platz mehr für mich – und ich
ſtand in der großen Kaiſerſtadt, bei der Nacht, allein,
verlaſſen, verblüfft und ängſtlich da. So aber konnte
ich doch nicht bleiben, und nahm mir endlich den
Muth, in das große Gebäude hineinzugehen. Ich
kam über zwei Stiegen hinauf. Da begegnete mir ein
Bedienter und fragte mich, was ich wolle. Ich er-
klärte ihm, daß ich zur Pilgergeſellſchaft gehöre und
dabei ſein will, ſollte ich auch auf dem Boden lie-
gen müſſen. Nach dieſer Aufklärung wies mir der
Mann lächelnd und mit aller Freundlichkeit ein herr-
liches Zimmer an.
Zuletzt entwickelte ſich die Sache ſo, daß Herr
Dr. med. Riedlinger kein Nachtquartier habe, und
derſelbe froh ſein mußte, wenn ich ihn aufnähme,
worüber die ganze Geſellſchaft herzlich lachen mußte.
Der Doktor und der Bauer aber wurden gute Freunde.
Am 17. Februar (2. Faſtenſonntag) begaben wir
uns zu Sr. Eminenz dem Hochwürdigſten Cardinal
und Fürſt - Erzbiſchofe Rauſcher. In liebevollſter
Herablaſſung ſprach dieſer hohe Kirchenfürſt unter
anderm auch, daß in Jeruſalem ein Pilgerhaus er-
baut werde, was anfangs auf Hinderniſſe ſtieß, indem
der Patriarch in Jeruſalem ſelber nicht einſtimmig
geweſen, zu welchem ſchönen und edlen Vorhaben
aber nach der Hand der hl. Vater in Rom geholfen habe.
Am 18. Februar beſuchten wir das großartig
neu erbaute Zeughaus, wo die verſchiedenſten Ma-
ſchinen zu ſehen ſind: das war mir ja eine fremde
Welt, ich verſtand nichts davon.
Von da weg begab ich mich zu dem Herrn
Miniſterial- Concipiſten Joſ. Vorderegger, an den
ich von Herrn Dechant in Taxenbach gewieſen war.
Abends zurück in den Matſchaggerhof. -
Voll Erſtaunen war ich überall in Wien, beſon-
ders aber über die Größe der Stadt, über die Menge
der Bewohner, welche die Zahl der Einwohner des
ganzen Salzburger-Landls dreimal übertreffen ſoll,
und über die Schnelligkeit uud Thätigkeit der Wie-
ner, durch die ich mich in meinem Gebirgs-Schritt
kaum zurecht zu finden wußte.
Da hatte ich den Wunſch, daß alle Einwohner
dieſer großen Kaiſerſtadt unſern geliebteſten Kaiſer ſo
liebevoll und getreu umgeben und unter ihm ſein
möchten, wie der Bienenſchwarm ſeine Königin um-
gibt und unter ihr thätig iſt. Es fiel mir aber auch
dabei ein, was ich geleſen habe: „Wenn die
Menſchenkinder nicht für Gott thätig ſind, ſo gleichen
fie einem Ameiſenhaufen, wo alle Thierlein in größter
Einigkeit ſind und hin und her eilen, und zuletzt
doch nichts zuſammenbringen als einen großen Ameiſen-
haufen, Wenn ich von dem Anſchauen und Bewun-
dern des vielen Großen und Schönen dieſer Stadt
ausruhte, da erſt drehte ſich alles in meinem Bauern-
kopf herum, und ich konnte eigentlich nichts rechtes
für mich erwiſchen.
Herzlich danke ich dem lieben Gott, daß er mich
zu dem niedrigen Banernſtande berufen hat. Gerne
will ich ſeine Ausſprüche befolgen: Im Schweiße
– 17 –
deines Angeſichtes ſollſt du dein Brod eſſen . . . mit
vieler Arbeit ſollſt du eſſen. Gerne will ich dem Volks-
ſpruche, den die Voreltern im Munde führten, nach-
kommen: „Eine treue Arbeitshand nährt mit dem
Segen Gottes zehn Perſonen.“
Vom Theater, wir nennen es Komödie, hörte
ich Mancherlei. Da dachte ich bei meinem Verlangen,
der Eſel für die hl. Familie auf der Flucht nach
Egypten ſein zu können: Du willſt ja auch eine Rolle
ſpielen? Wenn du nun in der Stadt herumgingeſt
und ausrufeu oder von Haus zu Haus den Theater-
zettel tragen würdeſt mit der Ankündigung: „Mor-
gen wird ein Stück aufgeführt, worüber der Himmel
ſtaunt und die Hölle zittert, und das die Menſchen
nicht begreifen“; ſo würden ſich gewiß viele Neu-
gierige einfinden. Wenn nun aber nach aufgezogenem
Vorhange die hl. Familie auf der Flucht nach Egyp-
ten zum Vorſcheine käme mit dem Eſel – auf wel-
chem in dem Kindlein der König Himmels und der
Erde, und in ſeiner Mutter die reinſte und unbefleckte
Jungfrau ſitzt, die ihr Nährvater der keuſche Zim-
mermann begleitet, würden da nicht manche ſich auf-
geklärt dünkende Geiſter die Köpfe hängen laſſen, Ei-
ner uach dem Andern davongehen, und ſagen, oder
vielleicht gar empört lärmen: „Das iſt ein Stück für
Kinder und Narren, und nicht für gebildete und ver-
nünftige Menſchen. So etwas paßt für eine Bauern-
Komödie, und nicht für ein Stadt-Theater“. Trotz
allem Dieſen glaube ich, daß der Ausſpruch des
Herrn die Großen wie die Kleinen, die Gebildeten
wie die Ungebildeten, die Landleute wie die Städter,
2
– 18 –
kurz alle Chriſten angehe: „Wahrlich ſag' ich euch,
wenn ihr euch nicht bekehret, und nicht werdet wie die
Kinder, ſo werdet ihr nicht in das Himmelreich ein-
gehen.“
Ganz erfüllt war Wien auch vom Geſpräche über
das Concordat. Verſtand ich auch das Wort nicht, ſo
verſtehe ich doch deſſen Sinn, nämlich: Unſer aller-
gnädigſter Kaiſer will in Uebereinſtimmung mit deut
hl. Vater, dem Papſte, als dem ſichtbaren Oberhaupte
der katholiſchen Kirche, zur Ehre Gottes und zum
Heile ſeines Volkes regieren. Wie liebenswürdig
iſt unſer Kaiſer!
Es ſtand einmal ein Herrſcher als großer Prah-
ler auf, der da ſprach, im Himmel regiere Gott, auf Er-
den regiere er. Und was erfolgte? Er wurde das
erſte Weh' genannt. Wenn nun wieder ein ſolcher
Prahler aufſtünde, der würde wohl das zweite Weh'
genannt werden müſſen, welches ärger als das erſte
iſt. Unſer Kaiſer verlachet nicht mit den Weltgeiſtern
die Einige, Heilige, Allgemeine und Apoſtoliſche
Kirche Chriſti; und ſo droht uns auch nicht das
Strafgericht, daß Gott bei unſerem Untergange lachen
wird. Wie getroſt iſt unter dem Szepter unſers Kai-
ſers zu leben!
Unſer Kaiſer maßt ſich nicht an, der Felſen-
Mann in der Kirche Chriſti zu ſein, ſondern er ſieht
und ehret ihn in dem rechtmäßigen Nachfolger des
hl. Petrus, in dem hl. Vater. Was iſt das für ein
Stern am Firmamente Oeſterreichs, der uns hell-
leuchtend hinweiſet, wo wahrhaft Chriſtus gefunden
wird? Wer kann da noch zögern, dieſem glänzenden
– 19 –
Geſtirne zu folgen und mit Liebe und Aufopferung
in dieſem Lichte zu wandeln?
Man ſagt, daß Kaiſer Konſtantin der Große das
erſte Concordat mit dem Papſte geſchloſſen habe, nach-
dem er vorher auf wunderbare Weiſe am Himmel ein
glänzendes Kreuz mit der Umſchrift ſah: „In dieſem
Zeichen wirſt du ſiegen;“ wodurch dann die Kirche
in ſeinem Reiche frei wurde. Aber eben durch dieſen
Friedensſchluß, ſagt man, ſei auch zum erſten Male
aller Miſt und Koth in die Kirche gekommen, weil
kein Martertod mehr zu ſcheuen war. Bis dahin ſei
die katholiſche Kirche heilig geweſen, von da an aber
nicht mehr.
Doch jeder katholiſche Bauer weiß, daß die unheili-
gen Mitglieder der katholiſchen Kirche die katholiſche
Kirche ſelbſt nicht entheiligen können, und daß es
nicht in der Gewalt der Unſittlichen liegt, die gött-
liche Wahrheit der Lehre zu ſtören, oder ihren Gnaden-
mitteln die göttliche Kraft zu nehmen; ſo wenig der
vom Himmel geſtürzte Lucifer den Himmel und die
treuen Engel ſchwarz machen, der gefallene Salomon
die Bücher der Weisheit in Reden des Thoren ver-
kehren, und der Verräther Judas das Apoſtelamt
aufheben konnte.
Jeder kath. Bauer weiß auch und führt den
Spruch im Munde, daß es keinen unſittlichen und
ungerathenen kath. Chriſten geſchenkt bleibt, einſtens
ſeine Hant ſelber zum Lederer tragen zu müſſen.
Was nun aber immer die Schlangen der Bos-
heit und der Verläumdung gegen die katholiſche Kirche
geziſcht und geſpieen haben – der Ker hat ihnen
2
– 20 –
durch das Concordat die Köpfe abgeſchlagen! Wie
herrlich, o Franz Joſeph, glänzt das Kreuz in Deiner
Majeſtät auf unſer liebes Oeſterreich herab!
7. Fahrt von Wien nach Trieſt und auf dem Meere.
Die Abfahrt von Wien nach Trieſt war beſtimmt
und erfolgte am 19. Februar auf der Eiſenbahn.
Es ging Tag und Nacht fort. Am nächſten Tage
kamen wir ermüdet in Trieſt an, denn wir hatten
durch Schnee zu watten. Dennoch wurde geſungen;
mich aber befiel heftiges Unwohlſein. In Metter-
nich'ſchen Hofe bekamen wir ſehr gutes Quartier.
Am 21. früh gingen wir in die Kirche, wo vier-
zigſtündiges Gebet gehalten wurde. Alles Volk ſang,
wie mir die Herren ſagten, in italieniſcher Sprache.
Darnach begaben wir uns auf eine Anhöhe, um
die Stadt genau anzuſchauen, denn bei unſerer An-
kunft, welche Abends geſchah, ſahen wir nicht viel
davon. Wo wir immer hinkamen, fanden wir überall
gute Aufnahme. Dieſe Stadt, welche in der Tiefe
von Bergen umgeben am Meere liegt, überraſchte
mich; beſonders aber zog das Gewoge der zu- und
abfahrenden Schiffe meine Aufmerkſamkeit an.
Ich und mein lieber Doktor gingen auch die
Kirchen beſuchen.
Am 22. Februar Freitags um 7 Uhr früh gin-
gen wir in der Pfarrkirche St. Antonio vecchio
zur Beicht und Communion. Titl. Herr Pilger-Prä-
ſes, Domherr Strigl, las die hl. Meſſe; dann hielt
er am Speiſegitter eine kurze ergreifende Anrede über:
– 21 –
„Sehet, wir ſteigen hinauf nach Jeruſalem“ 2c. Zu-
letzt empfing er von Jedem einzeln den Handſchlag
mit dem Gelöbniſſe des Gehorſames bei der Pil-.
gerfahrt.
Abends um halb 5 Uhr nahm uns das Dampf-
ſchiff, „Europa“ mit Namen, auf dem Meere in Em-
pfang. Das Meer war unruhig.
Am 23. Februar waren ich und Herr Doktor
ſchon von der Seekrankheit befallen. Da wir uns
eines und desſelben Geſchirres bedienten, mußten wir
ſelbſt bei all unſerem Uebelſein doch auch noch lachen.
Der erſte Maſchiniſt, Herr Teller aus England,
hatte für mich heftigſt von der Seekrankheit Geplag-
ten eine wahrhaft liebevolle Theilnahme, die ich in
meinem Leben nicht mehr vergeſſen werde. Dieſer
Herr ſchüttete etwas aus einer Flaſche in ein Gläs-
chen, zündete es an, und gab es mir ſo zu nehmen –
und es wurde beſſer mit mir.
Abends wurde der Marianiſche Pſalter gebetet,
und das Salve Regina.
Am 24. Februar, 3. Faſtenſonntag ſchön und
heiter. Die Sonne ſcheint aus dem Meere aufzu-
gehen mit blendender Pracht. Es war kein Berg
mehr zu ſehen. Um 9 Uhr hatten wir hl. Gottes-
dienſt. Es wurde das Vaterunſer geſungen, und
Hochw. Herr Dr. Salfinger hielt eine Predigt.
Ich war nun wieder in der Faſſung, mich als
Pilger betrachten zu können; und ich gedachte, daß
wir Alle auf dieſer Welt nichts anders ſind, als Pil-
ger und Fremdlinge. Denn was haben wir auf dieſer
Welt, ſtreng genommen, für ein Beſitzthum? Unſer
– 22 –
Leib gehört zur Erde, unſer Geiſt gehört in die
Hände Gottes; weßwegen auch der Prieſter bei dem
Begräbniß ſpricht: Nimm Erde, was dein iſt, nehme
Gott, was ſein iſt. Der Leib iſt von der Erde gebildet,
der Geiſt iſt von oben eingehaucht. Das übrigblei-
bende Geld und Gut gehört der Welt, oft ohne
Dank. Ja die guten Werke hätten wir, aber auch
dieſe nur durch die Gnade Gottes. Ach, die Sünden
gehören unſer; dieſe ſchreien uns nach: „Wir ſind
euere Kinder.“ Und wie kurz iſt des Menſchen Pil-
gerfahrt durch dieſes Leben! Vor Gott iſt des Menſchen
Leben nicht einmal, wie ein Tag. Denn tauſend Jahre,
ſagt der Pſalmiſt, ſind vor den Augen Gottes, wie
der geſtrige Tag, der vergangen, und wie eine Wache
in der Nacht. Tauſend Jahre hat aber kein Menſch
gelebt. Adam nicht, Seth nicht, Jareth nicht, Noe
nicht, ſelbſt Mathuſalem nicht. Auf welchen kurzen
Zeitraum ja, wie auf einer Stunde ſchwindet da
ein Lebensalter ſelbſt von 60, 70 und 80 Jahren
zuſammen? Und wie viele ſind, die nicht einmal
60 Jahre alt werden? und wenn man davon die
Kinderjahre abzieht und die Zeit, welche im Schlafe
vergeht, wie kurz iſt das Leben?
Es iſt kein Wunder, daß die Heiligen ihre Lebens-
zeit ſo viel als wie Nichts anſahen, wenn ihr er-
leuchteter Geiſt die Ewigkeit betrachtete, und daß ſie
viele Nachtwachen vollbrachten, weil ihnen die Tage
ihres Lebens, um Gutes zu wirken, zu kurz ge-
weſen ſind.
Nachmittags tauchten die Berge von Corfu auf.
Mit Freuden ſchauten wir alle von ferne das Land.
– 23 –
Es kamen viele Seevögel – ſie ſind weiß und haben
braune Flugfedern. Wir ſahen auch die Gebirge Al-
baniens, ſieben Stunden von Corfu entfernt.
Bei der Freundlichkeit, welche allenthalten auf
dem Schiffe waltete, wurde auch das Dampfſchiff
ſelbſt alſo beſprochen, wenn ich nicht falſch ver-
ſtand: Es hat 282 Fuß Länge, 34 Fuß Breite.
Die Maſchine wirkt mit 260 Pferdekraft. Es nimmt
Ladung von 12,400 Zentnern. Zwei Kohlenmagazine
enthalten 2520 Centner Steinkohlen. Die Maſchine
hat bewegliche Cylinder; der Durchmeſſer 4 11“
engl. Maß; Hub 4. Der Dampfkeſſel hat zwölf
Feuer und verbraucht alle Stunden 23 Centner
Kohlen. Die Bedienſteten bei der Maſchine ſind
15 Mann: 3 Maſchiniſten, I. der genannte Herr
Teller aus England, II. Meiſter Meyteff aus
England, III. Maſchiniſt Wurm aus Köſſen, Be-
zirksgerichtes Kitzbichl in Tirol; 12 Heizer und 1
Maſchinenjunge. Ein Dampfſchiff bei der Reiſe von
Trieſt nach Conſtantinopel und zurück verdient ſich
20 bis 38 Tauſend Gulden in 26 Tagen. Jeden
Freitag fährt ein ſolches Dampfſchiff von Trieſt
ab. Jede Woche fährt eines von Conſtantinopel
nach Paläſtina und Alexandria.
Am 25. Februar waren wir bei der Juſel Corfu.
In der mondhellen Nacht war der Anblick der
Stadt und Feſtung wunderſchön. Es begrüßte uns
ein herrlicher Morgen. Die engländiſche Militär-
Muſik hörten wir auf unſerm Schiff. Das Militär
hatte rothe Uniform. Gegen 8 Uhr fuhren wir in
die Stadt hinein, wo die Herren Prieſter die hl.
– 24 –
Meſſe laſen. Der Hochwürdigſte Herr Erzbiſchof
dort verrichtete Meßnerdienſte.
Vor einigen Tagen hatten wir ſchuhtiefen Schnee
zu durchwaten jenſeits des Karſtes, hier fanden wir
ſchon ſpannhohes friſches Gras und die herrlichſten
Früchte. Um 20 kr. CM. kauften wir 30 zwei
Fauſt große Pomeranzen. Ein Mann dort ſprach
mit mir ſehr freundlich. Die Berge von Griechen-
land waren noch mit Schnee bedeckt. Man ſieht
hier größteutheils Oelbäume. Hier kamen Arbeits-
leute, 125 Mann, auf das Schiff, die nicht gar
freundlich ausſahen: es waren Montenegriner mit
langen Meſſern.
Ai 26. Februar Nachmittags 1 Uhr verließen
wir Corfu. Ein türkiſcher Conſul und deſſen Frau
auf dem Schiffe redeten mich öfters an, denn ſie
verſtanden, wie man mir ſagte, 6 Sprachen. Wir
kamen zur Inſel Zanta, wo eine Stunde Zeit An-
fer geworfen wurde. Links Griechenland, rechts nichts
als Meer. Da tönte uns die Ave Maria - Glocke
zu. Wir ſahen Navarin, eine geſchleifte Feſtung,
deren Lage ſehr ähnlich mit der Feſtung in Salzburg
iſt. Gegen Abend kam mäßiger Regen.
Am 27. Februar fuhren wir in den Golf von
Aegina oder Athen ein und landeten gegen halb 11
Uhr bei dem ſchönſten Wetter im Hafen von Pyräus,
und zwar auf Barken oder kleineren Schiffen. Nach-
dem wir das feſte Land betreten, fuhren wir mit klei-
nen flinken Roſſen in die eine kleine Meile entfernte
Stadt Athen. Wir beſuchten dort den Areopagus,
d. h. den Hügel des Gottes Mars der Heiden, ein
– 25 –
erhabener Ort unter freiem Himmel, wo der oberſte
Gerichtshof ſich verſammelte, Staatsgeſchäfte ge-
ſchlichtet wurden, und öffentliche Verkündigungen an
das Volk geſchahen. Auf dieſer Stelle las der Hochw.
Herr Cooperator Aigner aus der Apoſtelgeſchichte die
Predigt vor, welche und wo ſie der hl. Paulus vor
1800 Jahren von dem unbekanuten Gott gehalten
atte.
h Die heidniſchen Gebäude ſind merkwürdig: es
ſtehen da 70 Säulen, und Eine ſolche hat vier
Mannes - Umgriffe. -
Gerne hätte ich das Glück gehabt, den König
Otto von Griechenland zu ſehen als einen Prinzen
des Königs Ludwig von Bayern, und einen ge-
bornen Salzburger, aber es ward mir nicht zu Theil.
Beinahe jeder Grieche und Türke ſpielt ſich mit
einem Roſenkranze von ſteinernen Kügelchen.
Ich wußte nicht, was dieß bei ihnen bedeute
und fragte auch nicht nach, denn es ging mich nichts
an; aber ich dachte: „zu einem Spielzeug nehmen
wir kath. Bauern unſern Roſenkranz nicht aus der
Taſche, ſondern um damit eine beſtimmte Anzahl
der Gebete des Herrn und des engliſchen Gruſſes
zu merken und Geheimniſſe des Lebens und Leidens
Jeſu einzulegen, was der heil. Vater Dominikus
eingeführt hat, damit auch die weltlichen Leute eine
Art Pſalmen und Chorgebet haben.
Um 2 Uhr kehrten wir zu unſerem Schiffe zurück,
Eine Viertelſtunde darnach durchſchifften wir den Hafen
von Pyräus, der ganz mit Häuſern umgeben iſt;
dann kamen wir zwiſchen den Inſeln Zea und Ther-
– 26 –
mia durch gegen Syra. Auf dem Schiffe trafen wir
den aus Athen zurückkehrendeu öſterreichiſchen Conſul
von Syra, Herrn von Hahn, ein geborner Heſſen-
Homburger, die Freundlichkeit ſelbſt.
Um 11 Uhr Nachts näherten wir uns der Inſel,
und während dem wurde vom Herrn Pilger-Präſes
vorgetragen und allgemein angenommen, daß jeder
Pilger nach glücklicher Rückkehr in die Heimath den
andern 13 Gefährten ſchreibe. Die 14 Mitglieder
der Pilgergeſellſchaft aber waren:
1. Titl. Herr Präſes Domherr Strigl. - -
2. Baron Otto v. Recum in Kreuznach, Rhein-
Preußen.
3. Joſeph Hrabovsky, Pfarrer zu Szina, Ka-
ſchauer Diöceſe in Ungarn.
4. Franz Schönberger, Kaplan in Graz.
5. Dr. Salfinger aus Enns.
6. Karl Aigner, Kaplan in Stadt Steyer.
7. Heinrich Kaldewey aus St. Tönis in Pren-
ßen, Kaplan daſelbſt.
8. Meszen Joſef Ovari Plebanos, Magyar.
9. Franz Marcinek, Pfarrer in Benkowitz, Preu-
ßiſch-Schleſien.
10. Dr. der Medizin Riedlinger.
11. Herr Prieſter Lindinger.
12. Herr Prieſter Neiſſer.
13. Müller aus Wien.
14. Johann Eder, Bauer aus Alm
Am 28. Februar waren wir im Hafen von
Syra. Die ſtufenförmig aus einer Unzahl Häuſer
erbaute Stadt mit der katholiſchen Domkirche an der
– 27 –
oberſten Spitze iſt ſehr ſchön. Um halb 8 Uhr
Morgens kamen wir in die Stadt und begaben uns
hinauf in die Domkirche, wo die Hochw. Herren
die heil. Meſſe laſen und ich zum erſten Male
miniſtrirte, aber wohl unbehilflich genug. Der Hoch-
würdigſte Herr Biſchof dort war ſehr freundlich,
lud uns zu Kaffee ein, und machte viele Kreuz-
zeichen über uns. Dann beſuchten wir den öſter-
reichiſchen Herrn Conſul, mit dem wir im Garten
ſpazieren gingen, und dieſer Herr gab mir eigen-
händig türkiſches Honig in den Mund.
In Syra waren wir in der letzten Stadt auf
unſerm Welttheile Europa. -
8. Von Smyrna dem hl. Lande zu.
Um 4 Uhr Nachmittags ſind wir auf der Fahrt
nach Smyrna der erſten Stadt in Aſien, und welche
zum türkiſchen Reiche gehört. Am 29. Februar
12 Uhr Mittags kamen wir in den Hafen derſelben.
Ich war wieder ſehr heftig von der Seekrank-
heit befallen, denn wir hatten Meeresſturm, und
es war fürchterlich. Dennoch dachte ich, ſo ein Sturm
iſt doch nicht ſo ſchaudervoll, als jener Sturm der
böſen Leidenſchaften, von dem ſich der Menſch herum-
peitſchen läßt, denn im Meeresſturme kann ja der
Menſch nur dem Leibe nach untergehen, im Sturm
der Leidenſchaften aber droht ihm der Untergang mit
Leib und Seele. Ja die Südwinde der böſen Leiden-
ſchaften erregen den fürchterlichſten Sturm. Doch
o Herr! du haſt uns dagegen vier ſtarke Anker gege-
– 28 –
ben: die Demuth, den Glauben, die Hoffnung, die
Liebe. Wenn wir dieſe auswerfen, ſo halten ſie uns
feſt im Sturme, daß wir nicht untergehen. Und
ſollten wir auch wirklich ſchon im Sinken ſein, ſo wirfſt
du uns auch noch das Brett der Buße zu, um uns zu
retten, wie der hl. Auguſtin ſagt.
Bei dem Meeresſturme habe ich auch erſt recht
verſtehen gelernt, warum die Mutter Gottes Maria
von unſerer hl. Kirche der Meeresſtern genannt wird.
Ja bei dem liebenden Andenken an dich, leuchteſt du
herein in die finſtere Nacht, winkeſt uns Muth zu in
den Gefahren, und Vertrauen auf deinen göttlichen
Sohn, dem da gegeben iſt alle Gewalt im Himmel
uud auf Erden.
In Smyrna, auf einem andern Welttheile aus-
geſtiegen, wurde ich bei den ehrwürdigen Patres
Franziskanern einquartirt, welche ſehr freundlich mit
mir waren.
Am 1. März Samstags war noch Muſik und
gewaltiger Faſchingslärm. Wir gingen herum, die
Stadt zu beſehen. Da ſah ich die erſten Moſcheen,
d. ſ. türkiſche Bethhäuſer; die erſten Neger oder
Menſchen mit ſchwarzer Hautfarbe, und die erſten
mehreren Türken zuſammen. Die Stadt hat eine
Feſtung auf einem Berg, und iſt ſehr bevölkert.
Es gibt hier viele katholiſche Chriſten im türkiſchen
Anzuge. Man kennt ſie als ſolche ſchon in ihrem Be-
nehmen. Wir ſahen hier auch acht Bäume aufgeſtellt,
oben mit einer vergoldeten Laterne, zum Zeichen, daß
hier ein Conſul wohne. Hier iſt kein Wagen mehr zu
ſehen, ſondern nur bepackte Kameelekommen. Einem unter.
– 29 –
Wir kamen auch zu den barmherzigen Schwe-
ſtern, welche hier eine Mädchen - Erziehungsanſtalt
haben. Die würdige Frau Oberin führte uns überall
hin, und wir konnten die vortreffliche Anordnung
nicht geuug bewundern. Im oberen Stockwerke waren
ſchwarze Mädchen, Negerinen, einige jüngere, aber auch
etwas ältere. Sie kamen uns entgegen, küßten uns die
Hand, und legten die Stirne auf unſere Hand, zum
Zeichen, wie die Oberin ſagte, des Dankes, daß ſie durch
weiße Menſchen das Licht des Glaubens erhalten
haben. Die Frau Oberin ſagte auch von ihnen, daß
ſie lebendige Heilige zu nennen ſeien wegen ihres
Glaubens und ihrer Herzensreinigkeit.
In dieſer Stadt vernahmen wir auch von einigen
Negern den Ausſpruch: „Seit wir Gott kennen ge-
lernt haben, ſind wir auch voll Hoffnung beim Ster-
ben.“ Dieſe Rede trieb uns die Thränen in die
Augen, und nahe lag der Gedanke an die Ausſprüche
der hl. Schrift: „Als ſie durſteten, dieſe in unſern
Augen Armen, riefen ſie dich an , o Gott! und
ihnen ward Waſſer gegeben aus einem ſehr hohen
Felſen, und ſie löſchten den Durſt aus harten
Steinen.“ „Deine Gerechtigkeit und Macht erkennen
iſt die Wurzel der Unſterblichkeit.“
Um 4 Uhr Nachmittags fuhren wir, aber auf
einem andern Dampfſchiffe, mit Namen „Fiume“, ab.
Am 2. März, 4. Faſtenſonntag, ſind wir zwiſchen
Smyrna und Rhodus. Ich hatte wieder mit der
Seekrankheit zu kämpfen. Ziemlich nahe kamen wir
an der Inſel Pathmos vorüber, wo der hl. Evangeliſt
Johannes die geheime Offenbarung geſchrieben hat.
– 30 –
In dieſer Gegend ſind eine Menge türkiſcher Inſeln.
Rechts die große Stadt Cos, jetzt Stanchio.
- Am 3. März halb 7 Uhr früh wird der Anker
im Hafen von Rhodus geworfen, wo wir uns, wie
der Herr Kapitän anfangs meinte, auf vier Stunden
ausſchiffen können. Allein es kam Sturm und wir
konnten nicht an's Land. Vom Meere aus ſahen
wir auf dem Gebirge Taurus noch Schnee.
Am 4. März Dinstag früh ſehen wir nichts
als über uns den blauen Himmel und auf allen
Seiten Waſſer. Ich bin immer krank. Das Schiff
iſt voll mit Türken, Griechen, Juden, Arabern und
uns Katholiken aus Oeſterreich – das iſt ein Durch-
einander. Wir haben ſchon wieder Sturm. Es
drängt Alle zu Gott zu beten.
Am 5. März ein furchtbarer Sturm. Es wirft
die Wellen über das Schiff; das Waſſer kömmt zum
Bett. O Herr! zu dir nehmen wir unſere Zuflucht,
dir allein gehorchen Winde und Meere.
Am 6. März landeten wir in Alexandrette, und
beſuchten den Conſul. Dieſer Herr, in Rom gebür-
tig, iſt im dritten Orden des hl. Franziskus, was
mich ſehr erfreute. Er ſprach: Hier iſt nicht gut ſein,
denn man kennet Gott nicht, und hat keinen Doktor.
Es wurde dieſes auch von dem beſtätiget, was
wir ſahen; denn beinahe Alles war häßlich. Todte
Thiere liegen in der Stadt herum; und hier ſchwebte
mir der Katechismus vor Augen mit der Frage:
„Welche ſind die merkwürdigſten Geſchöpfe Gottes?“
und der Antwort darauf: „Die merkwürdigſten Ge-
ſchöpfe ſind die Engel und die Menſchen.“ Ja, dachte
– 31 –
ich mir, wenn Gott mit ihnen iſt, und ſie mit Gott
ſind. Denn die Engel ohne Gott oder wider Gott
ſind zu Teufeln geworden; und die Menſchen, welche
nicht in der Erkenntniß und Liebe Gottes leben, ſind
nicht nur nicht die vornehmſten, ſondern die arm-
ſeligſten Geſchöpfe, welche von der Welt zu Grunde
gerichtet werden, und von dem Fleiſche das Verderben
ernten.
Wir ſahen hier über 300 Kameele. Noch immer
richtet das Schneegebirge, der Taurus, ſeinen Blick
auf uns. Abends fuhren wir ab. -
Am 7. März auf dem Meere. Am 8. März
kamen wir auf die Inſel Cypern. In Larnaca, einer
ſchönen Stadt, trafen wir einen deutſchen Franziskaner,
P. Eduard Vonderſtraßen aus Tirol, der mich
ſogleich an meiner Kleidung als einen Tiroler-Nach-
bar erkannte, auf mich zuging, und mir die Hand
drückte. Wir gingen in die neu gebaute Kloſterkirche
und in das ſchön errichtete Kloſter. Da ſieht man,
was der gute Wille bei den Katholiken vermag, deren
in dieſer Stadt nur 300 ſind; aber auch die Früchte
des löbl. Leopoldinen-Vereines in Oeſterreich. Ein
Paar Ochſen mit Wagen kauft man hier um
200 Piaſter, à 5 kr. CM, alſo um 16 fl. 40 kr.
CM. Bei ſolchem Preis des Viehſtandes müßten wir
Pinzganer-Bauern wohl Alle zu Grunde gehen. Hier
habe ich den beſten Wein getrunken. -
Am 9. März, Paſſionsſonntag, auf dem Meere.
Dieſer Tag begrüßte uns mit der Anſicht des ſchönen
Libanon gegen Sonnenaufgang, oben mit Schnee
bedeckt, in der Niedere mit Holz bewachſen. -
-
Am 10. März um 10 Uhr kamen wir in Beirut
an. Die geiſtlichen Herren laſen bei den PP. Fran-
ziskanern die hl. Meſſe, und wir blieben auch dort
im Quartier. Unſer erſter Gang war zu dem Hoch-
würdigſten Herrn Erzbiſchof, wo wir Zederholz vom
Libanon bekamen, und auch unſere Namen zum An-
denken an unſere Pilgerreiſe einſchrieben. In dieſer
Stadt ſahen wir ſehr ſchöne Gärten. Es ſtehen hier
auch noch 13 Zedernbäume aus der Zeit vor Chriſti
Geburt. Wir müſſen hier bis in den dritten Tag
verweilen.
Auf unſern Spaziergängen, welche uns einen
ſehr fröhlichen Tag verſchafften, hatten wir unter
andern auch den beſondern Auftritt, daß ſieben
Weiber in einem Friedhofe ſtanden, welche gemein-
ſchäftlich ihren verſtorbenen Mann beweinten.
Deutſches fanden wir hier nichts – nur die
Schwalben, die Spatzen und die Märzenkatzen hatten
auch hier die in aller Welt bekannte Sprache.
Dinstags den 11. März gingen wir Alle in die
Kirche; dann unternahmen wir einen Ausflug auf
den Berg Libanon. Beim Zurückgehen ſahen wir
etwas Schaudervolles: ein Schiff ging vor unſern
Augen unter. Wir ſahen Anfangs nichts mehr davon,
aber, da es nicht weit vom Ufer geſchah, ſo wurden
endlich doch Alle, wie wir hörten, gerettet. Nach vier
Stunden, wie es neuerdings beſtimmt worden, etwa
um 4 Uhr Abends, ſollten wir auf die nämliche
Stelle fahren, wo dieſer entſetzliche Untergang geſchah.
Bei mir meldete ſich ſchon wieder das Unwohlſein.
– 33 –
Am 12. März gewaltiger Sturm. Wir befinden
uns bei Caifa. Es iſt unmöglich zu landen. Caifa
ſoll von Kaiphas erbaut worden ſein. Erſt um
10 Uhr Nachts ging es vorwärts unter noch immer
heftigem Sturme. Wir ſahen den Berg Carmel. Ich
bin ſehr ſeekrank und es iſt mir auch ſonſt ſehr bange.
Am 13. März früh kamen wir endlich nach
Jaffa. Jaffa oder Joppe ſoll ſchon vor der Sünd-
fluth beſtanden haben, da hier Noé in die Arche
geſtiegen ſein ſoll. Wir beſuchten zuerſt den Predigt-
ſtuhl des heil. Paulus, gingen dann an den Berg
Carmel, wo der Prophet Elias war und die Mutter
Gottes das erſte Scapulier gegeben hat; dann an
den Ort, wo der Fiſch den verſchluckten Propheten
Jonas ans Land ſpie; und wo der hl. Petrus das
todte Mädchen Tabitha auferweckte.
Merkwürdig war es, daß die Pilgergeſellſchaft
aus Frankreich gerade hier mit uns zuſammentraf.
Wir waren ſchon auf dem Boden des hl. Landes,
und die Reiſe hatten wir nun zu Pferde fortzuſetzen.
Es ging anf Ramla zu, in deſſen Wegesſtrecke viele
beachtenswerthe Erinnerungspunkte vorkamen, unter
denen mich aber am meiſten anſprachen: der Ort,
wo die hl. Familie, Jeſus, Maria und Joſeph,
auf ihrer Flucht nach Egypten ausruhte, der mir
meine oben angegebene beſondere Meinung bei der
Pilgerfahrt mit Thränen im Auge ins Leben rief;
und der Thurm der 40 Martyrer.
Vor Ramla habe ich Bauer aus Pinzgau einem
Bauern im hl Lande ackern geholfen. Dort in der
Heimath iſt ein anderer Pflug!
– 34 –
Abends war ich im Hauſe und Kloſter des Joſef
von Arimathäa, und auch über Nacht. In dieſem
Hauſe ſind ſchöne Gewölbe. Wir bekamen hier den
heil. Segen.
Am 14. März, dem Feſte Mariä 7 Schmerzen,
traten wir ſchon um 5 Uhr die Reiſe an. Wir
kamen zu den Brunnen, wo ſchon die Patriarchen
ihre Heerden tränkten; dann zu der alten Kirche,
eigentlich Haus des Propheten Jeremias, und auch
zu dem Orte, wo David als Hirtenknabe die fünf
glatten Steine ſammelte, um damit gegen den Rieſen
Goliath im Kampf zu gehen. Endlich der Anblick von
9. Jeruſalem.
O Jeruſalem! O Jeſus, mein Herr und Gott,
du Erlöſer der Welt! o Maria, Mutter Gottes!
An einem Freitage, Nachmittags um 3 Uhr, am
Freitage, dem Feſte der 7 Schmerzen Mariä, ſehe
ich Jeruſalem! Jeruſalem !
Mein Herz kann nicht aufzählen, was es empfin-
det. Es glaubt, es hofft, es liebt, es bereut, es um-
ſchließet alle Menſchen, und beſonders diejenigen,
welche im Geiſte mit mir reiſen, und mir Grüße und
Küſſe und Gebetserbittungen nach Jeruſalem und
ſeine geheiligten Stätten mitgaben.
Wenn aber ſchon ein treuer Hund durch den Ge-
ruch der Fußtritte ſeines entfernten Herrn alſo an-
gezogen wird, daß er ſie laufend verfolgt und ſich
durch nichts irre machen läßt, bis er zu ſeinem Herrn
gekommen iſt: was iſt es nun da Großes, wenn
die Fußſtapfen des göttlichen Erlöſers meine Chriſten-
ſeele bis nach Jeruſalem hinziehen?
O heilige Familie, Jeſus, Maria und Joſeph,
würdiget mich, daß ich als euer Eſel, den ihr auf der
Flucht nach Egypten hattet, in Jeruſalem einziehe.
Samstag am 15. März erwachte ich, das Herz
vom Jubel voll. Der erſte Gang war in die heilige
Grabeskirche und in das hl. Grab. Ich hielt mich
nicht für würdig, dieſen heiligen Boden zu betreten,
und was ich da empfunden, iſt unbeſchreiblich.
O Jeſu! erbarme dich meiner, erbarme dich un-
ſer! O Jeſu, dir leb' ich, o Jeſu, dir ſterb' ich,
o Jeſu, dein bin ich todt und lebendig. Amen. Da-
von war meine ganze Seele erfüllet.
Bei der Kapelle der Kreuzannaglung empfing ich
die hl. Communion. Darnach gingen wir zu dem
Hochwürdigſten Partriarchen, wo wir recht freundlich
empfangen wurden, und von da weg zu dem Herrn
Conſul.
Um 2 Uhr war feierliche Prozeſſion in der heil.
Grabeskirche, wozu auch ich eine brennende Kerze be-
kam, die ich, wie jeder Pilger, nach Hauſe nehmen
kann. Das Rührende und Auferbauliche dabei kann
nur Der empfinden, welcher gegenwärtig iſt. Dar-
nach kamen wir bei dem Hochwürdigſten Patriarchen
zum Handkuſſe zu, den er uns auf einem Thronſeſſel
ſitzend geſtattete.
Die Griechen und Armenier hielten auch Prozeſ-
ſion aber dabei war mein Herz kalt. Wir gingen
auch noch den ganzen Kreuzweg ab. ::
Z
– 36 –
Am 16. März, Palmſonntag, begaben wir uns
in die heilige Grab- Grotte, wo wir die vom Patri-
archen geweihte Palme in die Hand bekamen, und
machten die Prozeſſion mit. Nachmittags gingen
wir nach Bethlehem und in das Hirtenfeld, wo wir
übernachteten.
Am 17. März um 5 Uhr früh war ich in der
Grotte der Geburt Chriſti, und empfing die hl. Com-
munion. Da war ich ſelig in Anbetracht der Hirten
und der Weiſen aus dem Morgenlande, denn dieſe
konnten nur ſehen, glauben und anbeten; ich aber
konnte auch empfangen den Heiligſten !
Ich kam auch in die Grotte des hl. Hieronymus,
wo dieſer Heilige wohnte und ſeine Schriften verfaßte.
Da gedachte ich deſſen, was erzählt wird, nämlich:
daß dieſer Heilige immer bei der Krippe ſeufzte:
„O Herr, ich möchte dir ein Opfer bringen, aber was
ſoll ich dir zum Opfer bringen? Mein Leben will
ich für dich geben, aber es iſt nichts für dich;“ wor-
auf dann einmal das Kindleiu aus der Krippe ſprach:
„Hieronymus, gib mir deine Sünden,“ und worüber
dann der Heilige in Thränen ausbrach. O wie tröſt-
lich iſt das auch für mich Pilger, der ich nichts habe
als meine Sünden! Sprich auch zu mir: Gib mir
deine Sünden! Ja nimm ſie von mir, du biſt ja
auch meinetwegen geboren und geſtorben; ich will
nicht mehr ſündigen.
Auch in die ſogenannte Milchgrotte begab ich
mich, wo die jungfräuliche Mutter das heiligſte Kind
ſäugte, und nahm von dieſem Orte einige Steine mit.
Darnach kamen wir zu den Quellen oder vielmeher
– 37 –
Teichen Salomons; an den Ort, wo der Herr dem
Abraham das Strafgericht über Sodoma offenbarte,
und ſahen auch hin wo Loth wohnte; dann ging es
Hebron zu. - - *
Auf dieſem Wege gingen wir vorbei, wo Philip-
pus den Kämmerer taufte, und kamen zur alten
Eiche, genannt Abrahams Baum, unter welchem die-
ſer Patriarch die drei Männer bewirthete, und ſie von
da aus begleitete. Dieſer Baum hat eine Dicke von
fünf Umgriffen. -
Am 18. März in Hebron. Wir hatten in Ge-
zelten übernachtet, und zwar auf dem türkiſchen Fried-
hofe. Nach der hl. Meſſe gingen wir in die Stadt,
in welcher keine Kirche war. In Hebroniſt der Begräbniß-
ort der Patriarchen, welcher als ſolcher ſtets heilig
geachtet wurde. Hier waren wir auch am weiteſten von
unſerer Heimath entfernt; man rechnete 1100 Stun-
den. Aus der dortigen Erde ſoll der erſte Menſch,
Adam, gebildet worden ſein. Ich nahm ſolche Erde
mit mir.
Dann kamen wir nach St. Johann, dem Ge-
burtsorte des hl. Johannes des Täufers. Im Hauſe
des Zacharias war ich über Nacht.
Am 19. März – zu Hauſe Feſt des Nährvaters
Joſeph – beſuchten wir die Grotte der Heimſuchung
Mariä, wo ich die hl. Communion empfing.
Wir erreichten nun wieder Jeruſalem, nach-
dem wir an den Orten vorübergegangen waren, wo
die Bundeslade einſt geſtanden, und das Holz zum
Kreuze Chriſti gewachſen iſt. Die hl. Trauermetten
– 38 –
und Ceremonien dauerten lange. Abends gingen wir
zur hl. Beicht.
Am 20. März in Jeruſalem – Gründonners-
tag. In der Frühe bekamen wir Alle von dem Hoch-
würdigſten Herrn Patriarchen die hl. Communion, bei
deren Empfang Jeder deſſen biſchöflichen Ring zu
küſſen hat. Es iſt ſehr feierlich. Nachmittags die hl.
Trauermetten bis ſpät Abends. In dieſer Nacht
bin ich in der hl. Grabkirche geblieben, wo das hoch-
würdigſte Gut ausgeſetzt iſt.
Am 21. März – Charfreitag. Am Charfreitag auf
dem Calvarienberg und im heil, Grabe zu Jeruſalem
ſein – wer könnte ausſprechen, was ein Chriſtenherz
empfindet! Ein heiliger Schander durchzucket Mark
und Gebeine. Auf dem Calvarienberg, wo die h. Ce-
remoniengehalten wurden, und viele Lichter brannten,
war es ergreifend feierlich. Unter Andern durften
wir auch die Geißlungs-Säule küſſen.
Nachmittag gingen unſer Drei bei ſehr ſtürmi-
ſchem Wetter, welches auch Schnee brachte, auf den
Oelberg. Der Weg zum Beſuche des Kreuzweges
war voll Koth; ich dachte: Katharina Emerich hat
recht geſehen bei der Beſchreibung dieſes Weges in
Jeruſalem. Die Abendandacht war überaus ſchön.
Es wurden ſieben Predigten gehalten, jede in einer
andern Sprache. Beſonders rührend für mich war
die Vorſtellung der Kreuzabnahme. Das Bewußtſein:
du ftehſt jetzt hier auf dem Platze, wo Chriſtus ge-
kreuziget wurde, ergreift mich alſo, daß ich die Puls-
ſchläge meines Herzens, aber auch die Worte des ge-
kreuzigten Herrn Jeſu Chriſti zu hören glaubte: „Va-
– 39 –
ter verzeihe ihnen, denn ſie wiſſen nicht, was ſie
thun;“ „Wahrlich, ſag' ich dir, heute wirſt du mit
mir im Paradieſe ſein;“ „Weib, ſiehe, dein Sohn!
Siehe, deine Mutter“;“ „Mein Gott, mein Gott,
warum haſt du mich verlaſſen!“ „Mich dürſtet“ (nach
euren Seelen); „Es iſt vollbracht“; „Vater, in deine
Hände befehle ich meinen Geiſt“. Beſonders das
Wort: „Siehe deine Mutter“ zog mich zur heiligſten
unbefleckten jungfräulichen Mutter des Sohnes Got-
tes, welche unter dem Kreuze als die Königin der Mar-
tyrer ſtand hin, und ich empfahl ihrer Fürbitte,
ihrem Schutz und Schirm alle Menſchen, die ganze
Welt und insbeſonders Oeſterreich, Salzburg, Pinz-
gau und Alm.
Am Charſamstage den 22. März gingen wir
zum Hochwürdigſten Patriarchen, von Hochwelchem
Jeder ein Andenken erhielt. Die Nacht brachte ich
abermals in der hl. Grabkirche zu, wo um 11 Uhr
(Nachts) von dem Hochwürdigſten Patriarchen ſelbſt
die hl. Metten gehalten wurde. O heil. Nacht bei dem
ausgeſetzten Hochwürdigſten Gut im heil Grabe!!
Am hl. Oſterſonntag findet keine beſondere Feier-
lichkeit ſtatt. Um 2 Uhr begaben ſich unſer Zwei
auf den Oelberg. Abends waren ich und Müller
aus Wien bei dem Herrn Conſul eingeladen, wo
wir uns gut unterhielten und herrlich bewirthet wur-
den. Am hl. Oſtermontag, 24. März, empfing ich
die hl. Communion bei dem Altare, wo der Herr
nach ſeiner Auferſtehung zum erſten Male ſeiner
heil. Mutter erſchienen iſt.
Nachmittags gingen wir in das Thal Joſaphat,
kamen in die Burg Davids und in den Saal, wo
der Herr das letzte Abendmahl gehalten hat. Dieſer
Saal iſt ganz leer, was auf mich einen traurigen
Eindruck machte. Ich nahm von da einen Stein
mit mir.
Am hl. Oſterdinstag, Mariä Verkündigungsfeſt,
empfing ich in der Grotte, wo der Herr Blut ge-
ſchwitzt hatte, die hl. Communion. Dann gingen wir
zur Grotte, wo das Grab Mariä, der Mutter Got-
tes iſt; von da weg in den Garten Gethſemane,
wo ich den Kreuzweg abbetete. Darnach kamen wir
in das griechiſche Kloſter St. Sabas, welches in
Felſen wie eingezwängt iſt, noch von vielen Mönchen
bewohnt wird, und einſt von mehr als 500 bewohnt
worden ſein ſoll. Es iſt hier eine mittelmäßig große
aber ſchöne Kirche, und oben auf dem Berge das
Grab des hl. Johannes Damascenus, tief unten
aber das Grab des hl. Sabas. Wir blieben hier
über Nacht.
Am nächſten Tage, 26. März, reſeten wir zum
Jordanfluß und todten Meere. Im Jordanfluß ha-
ben wir uns gebadet, und lagerten an der nämlichen
Stelle, wo der göttliche Heiland von dem hl. Jo-
hannes getauft wurde. Der Pater, welcher bei uns
war, goß mir Waſſer auf den Kopf im Namen
des Herrn. Von dort hatte ich mir einen Pilgerſtab
abgeſchnitten. Abends kamen wir nach Jericho. Von
dieſer ehemals großen Stadt ſind kaum mehr Trümmer
übrig, man ſieht nur zerſtreute Bauernhütten. Wir
ſchlugen die Gezelte auf, um zu übernachten. Vor
– 41 –
dem Schlafengehen hatten wir das Schauſpiel eines
Beduinen-Tanzes, bei welchem ein Höllen-Lärm wie
Pferdegewiher und Zähneknirſchen geſchah, und zwei
ſich als Teufel darſtellten, indem ſie ihr ſchwarzes
Angeſicht mit Mehl beſtaubt, und ihre Schuhe als
Hörnerzeichen an den Kopf gebunden hatten. Donners-
tags am 27. März ritten wir auf Pferden Bethania
zu. Außer Jericho kamen wir zu der Stelle, wo der
Herr den Blinden ſehend machte, und wo der Pro-
phet Eliſäus ſchmackhaftes Waſſer erbeten hatte. Hier
trieben Hirten ihre Heerden auf die Weide; das
erinnerte mich an eine Alpe in der Heimath. Wir
ſahen auch bei 100 Kameele in der Wüſte. Dann
kamen wir zu dem Brunnen des Eliſäus in der
Wüſte, wo Jeſus und Johannes gefaſtet haben, und
wo der Herr von dem Teufel verſucht wurde, daß
er aus Steinen Brot mache. Die vielen Brotförmi-
gen Steine dahier, die wir ſonſt nirgends fanden,
waren uns ſehr auffallend. Auch trafen wir die Orte
des barmherzigen Samaritans, des Aufenthaltes des
Eliſäus, und den Brunnen, wo der Herr und die
Apoſtel öfters getrunken hatten. Bald erreichten wir
Bethania, wo Martha dem Herrn entgegen kam.
Hier iſt eine Kapelle, in welcher zuweilen auf einem
Tragaltar die hl. Meſſe geleſen wird.
Hier ſahen wir das Grab des Lazarus, den
der Herr von dem Todten auferweckte. Einige Stufen
hinab ſtand ich auf der Stelle, wo der Herr
geſtanden als er rief: „Lazarus komm hervor.“
Nur einige Stufen von da hinab lag der Leichnam des
Lazarus. Die Auferweckung des Lazarus machte die
– 42 –
hohen Prieſter und Schriftgelehrten viel murren,
und uns ſchalten einige Weibsperſonen, die in dem
nahen Garten arbeiteten, aus, und nannten unſern
Glauben den Eſelsglauben. Ich bin froh um dieſen,
und ging damit gerne auf den Oelberg.
Am 28. März Freitags in Jeruſalem. Unſer
4 Mann, darunter auch ein Prieſter gingen zum
zweitenmale nach Bethlehem, wo ich auch zum zweiten-
male in der Geburtsſtätte unſers Herrn die heilige
Communion empfing. Der hochwürdige P. Quardian
gab mir die heil., Reliquien, denn in dieſer Grotte
rückwärts liegen viele Heilige begraben; eine heil.
Mutter mit ihrer heil. Tochter, dann von den un-
ſchuldigen Kindern und den heil. Hieronymus. Ich
habe überall hingeſehen. Der Weg nach Bethlehem
iſt überaus lieblich und angenehm. Auf demſelben
zeigt man den Ort, wo der Stern den drei Weiſen
wieder erſchienen iſt, und wo der Prophet Elias
unter einem Oelbaume auf einem Steine geruhet hat.
Mittags kamen wir nach Jeruſalem zurück und
fanden das Stadtthor geſchloſſen. Es glauben die
Türken an eine Prophezeihung, daß die Chriſten an
einem Freitag um die Mittagszeit kommen und Je-
ruſalem einnehmen werden, darum ſperren ſie jeden
Freitag von 11 bis 1 Uhr die Stadt. Wir gingen
nun in das Thal Joſaphat, wo der hl. Stephanus
geſteiniget wurde, zu den Gräbern der Könige und
zur Grotte Mariä, zu deren Grab 50 Stufen
hinabführen. Es ſind auch dort der heil. Joſeph,
Joachim und Anna begraben. Auch kam uns zu
Beſuch die Blutſchwitzungs-Grotte in dem Garten
– 43 –
Gethſemane, und indem wir die Stationen des
Kreuzweges auf unſerm Gange innehielten, kamen
wir zurück. Heute noch kaufte ich einen alten Fuß-
teppich aus dem hl. Grabe zum Einpacken nach
Hauſe. Dieſer Tag war mir beſonders lieb und
erfreulich.
Am Samstag 29. März ging ich in die Kirche
und beſuchte dann allein den Kreuzweg Darauf
hatte ich noch einen Beſuch bei der gnädigen Frau
des Herrn Conſuls abzuſtatten, welche mir ein
Stationskreuz zu ſchicken verſprach, wofür ich ihr
einen Thaler geben wollte, den ſie aber nicht annahn.
Es nahte ſich nun der
Abſchied von der heil. Stadt.
Am 30. März, erſten Sonntag nach Oſtern,
empfing ich noch einmal auf dem Calvarienberg die
heil. Communion. Um 12 Uhr reiſten wir ab.
Meine Seele beſchäftigte ſich mit manchen Rückblick
auf Jeruſalem. Beſonders aber war ſie von Dank
erfüllet für die Gnade, daß mich der liebe Gott
gewürdiget hat, in dieſe heil. Stadt und zu ihren
für ein Chriſtenherz unermeßlichen Schätzen zu ge-
langen. Doch ich dachte auch dabei: in den hl. Evan-
gelien, die uns alle Sonn- und Feiertage vorgeleſen
werden, wird ein jedes auf Jeruſalem und das
heil. Land hingewieſen, und wer dieſen glaubt, kann
im Geiſte, wie ich hier mit dem Leibe, Jeruſalem
und das heil. Land durchpilgern, und ſein ganzes
Leben mit Jeſus im heil. Lande zubringen.
– 44 –
Mit Wemuth gedachte ich, daß Jeruſalem die
Hauptſtadt des gelobten Landes ſei, von dem es
einſt geheißen: „Wo Milch und Honig fließt.“ Ach
es iſt nicht mehr ſo. Jede chriſtkatholiſche Gemeinde
verdient weit mehr den Namen des gelobten Landes,
wo Milch und Honig fließt, als hier; in geiſtiger
und leiblicher Hinſicht. In jeder chriſtkatholiſchen
Gemeinde fließt ſchon für die Kinder die Milch
der göttlichen Lehre unſers Herrn Jeſu Chriſti und
das Honig der Gnaden durch die heil. Sakramente;
was hier ſo viele verſchmähen, weil ihnen nur um
die Milch und das Honig der Welt iſt. Und wie
ſchön iſt dort das Grün und die Fruchtbarkeit des
Landes und der Berge, während hier ſo viele Wüſte
und Oede iſt! wie fließen dort die Bächlein ſo reich-
lich, und ſprudeln ſelbſt auf den höchſten Gebirgen
die Quellen hervor, um den durſtigen Wanderer,
Arbeiter und Aelpler und die Thiere zu laben; und
hier iſt ſo viel Dürre, ſo viel brennender unzuſtil-
lender Durſt. Welche Wohlthat iſt auch das Waſſer.
O mein Jeſus! erhalte die chriſtkatholiſchen Ge-
meinden bei deiner heil. Kirche und führe die, ſo
draußen ſind, in deine heil. Kirche, und ſie ſind im
gelobten Lande, wo Milch und Honig fließt! Auf
unſerer Reiſe von Jeruſalem weg, kamen wir an
den Ort, wo Maria und Joſeph zuerſt wahrnah-
men, daß ihr heil. Knabe nicht bei ihnen ſei. Ge-
rade auf dem Platze, wo der Patriarch Jakob im
Schlafe die Himmelsleiter ſah, ſchlugen wir die
Gezelte auf, um über Nacht zu bleiben. Möchte mir
und Jedem in der Sterbſtunde die Himmelsleiter
– 45 –
erſcheinen, und die Heiligen Gottes und die Engel
des Herrn entgegen kommen der Seele des Sterben-
den, ſie aufnehmen und hinbringen vor das Ange-
ſicht des Allerhöchſten! -
Montags, am 31. März kamen wir nach Bethel,
wo Samuel und Heli wohnten und eine zeitlang
die Bundeslade ſtand. Wir ſahen das Grab des
egyptiſchen Joſephs und den Jakobsbrunnen. Früher
war eine Kirche dort. Der Brunnen iſt jetzt ohne
Waſſer. Bei der Stadt Sichem ſchlugen wir die
Gezelte auf, um zu übernachten. Unſer drei ſuchten
die Samariten auf, deren noch bei 200 hier ſind.
Wir ſahen ſie auf dem Platze in rother Kleidung.
In ihre Synagoge gingen wir nicht. (In dieſem
Orte brach am zweiten Tage nach unſerer Abreiſe
eine blutige Revolution aus.) Von Sichem reiſeten
wir nach dem alten Samaira, wo wir die Spuren
von den herrlichen Säulengängen, die Herodes er-
baut hatte, ſahen. In der verfallenen Kirche ſoll
der heil. Johannes der Täufer begraben worden
ſein. Samaria iſt jetzt ein Dorf. Von da kamen
wir nach Bethulien, wo Judith dem Holofernes das
Haupt abſchlug. Ich nahm von da Steine mit.
Dieſer Ort ſchien mir der ſchönſte, den ich in Judäa
und Samaria geſehen habe.
Unſer Nachtquartier hatten wir wieder unter
Gezelten, und zwar bei Dſchenin, dem Orte, wo
der Herr die zehn Ausſätzigen geheilet hat.
Von Dſchenin am 2. April ab war das Ziel
unſerer Tagreiſe Nazareth. Auf dieſem Wege hinab
ſind viele Schlachten zwiſchen Türken und Kreuz-
– 46 –
fahrern geſchehen. Wir ſahen die Berge Gelböes,
von denen ſchon David ſagt: „nicht Thau, nicht
Regen falle fürder auf euch, noch ſollt ihr frucht-
bare Aeker haben“, und es iſt ſo. Dann aber die
wunderſchöne Gegend von Galiläa. Bald erblickten
wir den Berg Thabor, und es ging nun Nazareth
hinauf. Wir kamen zu den Brunnen Mariä und
zum Tiſche Joſephs, wo Jeſus und die Apoſtel
auch nach ſeiner Auferſtehung geſpeiſet hatten.
Bei unſerer Annäherung kamen uns Schulkinder
mit ihrem Lehrer entgegen uns zu begrüßen, was
mich ſehr rührte.
Donnerstag den 3. April in
10. Uazareth.
Am demſelben Orte, wo die ſeligſte Jungfrau
Maria den Sohn Gottes von dem heil. Geiſte em-
pfangen hatte, wo alſo das Wort iſt Fleiſch gewor-
den, empfing ich die heil. Communion. O mein
Gott! ich lobe und preiſe dich, und ſage dir unend-
lichen Dank für deine Menſchwerdung. Wahrlich
dieſe verſöhnet mich mit der erbärmlichen Menſchen-
natur, deren Armſeligkeit jeder ſelbſt empfindet, und
die ſich beſonders einem Pilger im heil. Land unter
vielen traurigen Geſtalten zeigt. Schon Job hat über
das Elend des Menſchen bitter geklagt, indem ſchon
das neugeborne Kind durch ſein Weinen zu erkennen
gibt, daß es in das Jammerthal eingeht; Und eint
anderer Heiliger ſeufzt: ich verzweifle nicht an Gott,
ſondern an mir ſelbſt; indem der Menſch ſich ge-
gen Gott durch Uebertretung ſeines heiligſten Wil-
lens empöret; es begegnen uns Menſchen mit
einem Sein, Leben und Treiben, bei denen es zu
verſtehen iſt, wie Gott einſt ſprechen konnte: es reut
mich den Menſchen erſchaffen zu haben: und bei
allem dem nimmt der Sohn Gottes aus Maria der
ſel. Jungfrau die Menſchennatur an, und iſt uns in
Allem gleich geworden außer der Sünde. O Arm-
ſeligkeit der Menſchennatur, du ſpanneſt unſere Arme
aus, daß wir die Menſchwerdung des Sohnes Gottes
mit aller Liebe umfangen.
In der Menſchwerdung des Sohnes Gottes er-
kenne ich den eigentlichen Neujahrstag für die Men-
ſchen, an welchem ſich Gott in Maria mit der gan-
zen Menſchheit vereiniget hat, und die Grundfeſten
zu einem neuen Jeruſalem ſowohl auf Erden als
auch im Himmel gelegt worden ſind.
Und das Wort iſt Fleiſch geworden und hat
unter uns gewohnt. Selig iſt der Leib, der dich ge-
tragen hat, und ſelig ſind die Brüſte, die du ge-
ſogen haſt, und ſelig ſind, welche das Wort Gottes
hören und dasſelbe beobachten.
Wir beſuchten heute den Geburtsort der heil.
Apoſtel Jakobus und Johannes, und auch den Berg,
wo Maria getrauert hat, weil die Einwohner Jeſum
dort hinabſtürzen wollten.
Am 4. April, Freitags, kamen wir in die Werk-
ſtätte des hl. Joſeph, wo mir als einem Handarbeits-
menſchen die hl. Communion gereicht wurde.
Darnach gingen wir nach Cana, wo der Herr
bei einer Hochzeit auf die Fürbitte Mariä das erſte
– 48 –
Wunder gewirkt hat. Ich ſah die Quelle, aus welcher
Waſſer geſchöpft wurde, welches der Herr in den
beſten Wein verwandelt hat. Dort war auch das
Haus des hl. Apoſtels Bartholomäus.
Durch das ſogenannte Apoſtelfeld, wo die Jünger
einige Aehren abſtreiften, und was man ihnen als
eine Sabath-Entheiligung auslegte, kamen wir auf
den Berg der acht Seligkeiten, und an den Ort der
wunderbaren Brotvermehrung. Ich war nun aller-
dings an dem Orte der wunderbaren Brotvermeh-
rung, aber ich bekam nichts.
Da hatte ich eine Sehnſucht nach meiner heimat-
lichen Kirche, denn ich erkannte, daß ich dort nie,
wenn ich wollte, ohne dem Brote Jeſu in ſeiner hl.
Lehre und in ſeinem allerheiligſten Leibe mich mußte
befunden haben. O, die Kanzel, der Beichtſtuhl und
der Altar in der chriſtkatholiſchen Kirche ſind viel
beſſere Orte, als es gegenwärtig der Ort der wunder-
baren Brotvermehrung iſt, auf dem ich ſtand. Hier
gilt im gewiſſen Sinne: „Er iſt nicht mehr hier“,
und es wird Einem öde, wenn ihn auch eine wunder-
ſchöne Gegend anlachet. Weiters kamen wir an den
See Geneſareth bei Tiberias, wo wir abermals die
Gezelte aufrichteten, um zu übernachten. Hier iſt
nur ein einziger katholiſcher Chriſt – ein Prieſter.
Am 5. April miniſtrirte ich und hätte die heil.
Communion empfangen können, wenn eine kleine
Hoſtie vorhanden geweſen wäre. Welche Armuth an
Gläubigen und an Brot!
An dieſem See ſprach der Herr zu Petrus:
„Von nun an wirſt du Menſchen fangen“, aber
– 49 –
man ſieht, hier ging das nicht an; Petrus mußte
hierzu auf das Meer der Welt – nach Rom.
Auf dieſem See ſprach Petrus: In deinem Namen,
o Herr! will ich das Netz auswerfen. Ohl. Petrus,
wie freut es mich, daß ich auch als ein Fiſchlein
in dein Netz gekommen bin!
Wir begaben uns nach dem Berg Thabor.
Kapharnaum, Bethſaida u. a. m. ſahen wir nur
von Ferne. Es gibt in dieſen Orten nicht viel mehr
zu ſehen, als Trümmer. Auch auf dem Berge Thabor,
dem Berg der Verklärung Chriſti, iſt kein Mangel
an dergleichen. Das Gedenken deſſen, was einſt hier
geſchah, ergriff mich ſehr, und ich ſprach auch mit
Petrus: „Herr! hier iſt gut ſein, wir wollen 3
Hütten bauen“. Aber nicht auf dem Boden, ſondern
in meinem Herzen durch Glaube, Hoffnung und
Liebe des Vaters, des Sohnes und des hl. Geiſtes,
damit der dreieinige Gott in uns wohnen könne.
Wir dürfen dieß auch verlangen und ſollen ſo bauen,
denn der Herr hat ja ſelbſt geſagt: „Wenn mich
jemand liebt, ſo wird er mein Wort halten und
mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu
ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Abends kamen wir in Nazareth an. Plötzlich
hörten wir einen ungeheuern Lärm von Trommel-
ſchlägen, Händegeklatſch und lautem wilden Geſchrei.
Dann ſahen wir auch brennende Pechfackeln, und
was war das Alles? das war die Vorfeier einer
Hochzeit.
Am 6. April war die Hochzeit ſelbſt. Wir be-
gegneten auf unſern Pferden dem seits Und
– 50 –
mußten aus dem Wege, um ihm nicht hinderlich
zu ſein. Mich rührte dieſe Feierlichkeit ſehr, und
nicht bloß deßwegen, weil ich dachte, daß Maria
und Joſeph auch in Nazareth Hochzeit hatten, ſon-
dern weil auch die 15jährige Braut auf ihrem
Eſelein und in dem Schleier ſo ſittſam und an-
muthig ſich ausnahm. Man ſagt, daß hierorts die
Mädchen manchmal ſchon mit 8 Jahren heirathen.
Das konnte ich doch nicht glauben, und wird
wohl auch von dem Eheverlobniß zu verſtehen ſein.
An dem Orte, wo der Engel des Herrn Mariä
die Bothſchaft brachte, empfing ich die hl. Commu-
nion. Es iſt vielleicht das letzte Mal im hl. Lande.
Mit Wehmuth und Dankbarkeit nahm ich Ab-
ſchied von Nazareth. Noch einmal küßte ich den
heil. Boden, und nun ging es dem Berge Carmel
zu. Auf dieſem Wege ſah ich gute Weideplätze
und einmal 240 Kühe, was mir Gebirgsbauern
Freude machte; denn die Viehzucht iſt unſer Erwerb.
Am 7. April waren wir im Kloſter, welches
neu, ſchön und großartig gebaut iſt, eine herrliche
Ausſicht hat, und wo wir uns Alle ſehr gut und
fröhlich befanden.
Nachmittags gingen wir zwei Stunden Weges
in ein Thal hinein, zu dem Elias-Brunnen,
welcher in ganz Paläſtina das beſte Waſſer hat.
Der Prophet Elias wohnte dort einige Zeit in einer
Höhle. Ueberhaupt findet man hier von dieſem
Propheten und auch von andern noch viele Spuren.
Am 8. April Dinstag waren 13 heil. Meſſen
und ich empfing die heil. Kommunion. Zum Ab-
ſchied wurde allgemein das „Te Deum laudamus“
geſungen, und dann hieß es, ſich zum Meere zu
begeben. Aber der Dampſer war noch nicht da, und
ſollte auch ſobald nicht kommen. Wir mußten wieder
in's Kloſter zurück.
Am 9. 10. 11. und 12. April waren wir noch
immer hieher gebannt. Obwohl es uns Allen gut
geht, und ich die Zeit verwende zum Beſuche der
hl. Gottesdienſte, zum öfteren Beſuche der Stadt
Caifa, die unten am Berge liegt, zum Aufſuchen
von Meer-Muſcheln, zum Gebrauche des Seebades
u. dgl. ſo wurde ich dennoch des langen Wartens bei-
nahe überdrüſſig, und es iſt auch koſtſpielig und
wenn wir nur nicht auch den Bewohnern des Kloſters
läſtig werden. Endlich am 13. April, den 3. Sonn-
tag nach Oſtern kam es zur -
11. Abreiſe nach Alerandria in Afrika und von da
nach Rom
Es waren wieder 13 hl. Meſſen und ich em-
pfing die hl. Kommunion. Mit Wemuth küßte ich
den Boden der Kirche und vor der Betretung des
Schiffes auch noch den Boden des hl. Landes und
begab mich in Gottes Namen, und den Schutz und
Schirm Mariä anrufend nun wieder auf das Meer.
Schon in der erſten Stunde war ich wieder von
der Seekrankheit befallen. Ein Schiffherr, ein Wiener,
war ſo gut, und überließ mir ſein eigenes Bett.
Gott vergelte es ihm. 4”
::
– 52 –
Der 14. April auf dem Meere war ein trauri-
ger Tag für mich. Ich konnte gar nichts eſſen,
und bei dem immerwährenden Schaukeln und Schwan-
ken des Schiffes litt ich furchtbar, ſo daß ich mich
bereits darein gab, es nicht mehr aushalten zu
können. Hr. Dr. Riedlinger und ich begaben uns
in die zweite Claſſe der Reiſenden. -
Am 15. April bei der Nacht ging die Fahrt
wieder zurück gegen Caifa, und wir mußten dort auf
dem Meere bleiben. So ſehr mich dieß traurig machte
bei meiner Seekrankheit und wohl auch, weil die Un-
koſten anwuchſen, ſo ſah ich doch an unſerer Rückfahrt
und unſerm Nichtweiterkommen ein treffliches Bild
von einem rückfälligen Sünder, der durch die öfters
wiederholten Sünden ſtatt zu ſeinem Ziele zu Gott
zu kommen, ſich immer weiter davon entfernt.
Am 16. April kamen wir in Jaffa an. Nachdem
bei den PP. Franziskanern die hl. Meſſen geleſen
waren, gingen wir auf dem Marterplatz des hl. Geor-
gius, von wo ich einige Steine ſammelte, und dann
zum Herrn Conſul, welcher mit uns im Garten
ſpazieren ging. Hier hatte ich eine ſehr große Freude,
denn die gnädige Frau des Herrn Conſuls von
Jeruſalem hatte mir ein Kreuz bis hieher nachge-
ſchickt. Abends mußten wir wieder auf das Schiff.
Mit dem Untergange der Sonne ſah ich das hl. Land
zum letzten Male!
Am 17. April nichts zu ſehen, als Himmel und
Waſſer; aber Gott ſei Dank! ſchönſtes Wetter und
ruhiges Meer. Man nimmt es nicht wahr, wie ſchnell
das Schiff geht, und doch legt es in kurzer Zeit die
– 53 –
weiteſten Stellen zurück. So iſt es auch mit unſerer
Lebenszeit auf Erden: ſie ſcheint langſam zu gehen;
aber wie ſchnell ſind große Abſchnitte unſerer Lebens-
zeit zurückgelegt, – die Kinderjahre, die Jünglings-
jahre, die Mannesjahre, die Greiſenjahre – und
wie bald wird die ganze Lebenszeit vorüber ſein, auf
die das Gericht und die Ewigkeit kömmt.
Am 18. April Freitags auf dem Meere fangen
wir an die Gegegend des Welttheiles Afrika zu ſehen.
Wir nähern uns dem heißen Egypten. Nachmittags
kamen wir in der Stadt Alexandrien an, wo die h.
Jungfrau Katharina die Wahrheit der chriſtlichen
Religion gegen die heidniſchen Weltweiſen zwar ſieg-
reich vertheidiget hatte, aber dennoch gemartert wurde.
Bei den hochw. P. P. Franziskanern wurden wir
ſehr freundlich aufgenommen. Ein Pater iſt auch
hochwürdigſter Biſchof.
Alexandrien iſt eine große Stadt mit über 100.000
Einwohnern, worunter bei 8000 Chriſten, hat eine
ſchöne katholiſche Kirche, und dieſe Stadt ſoll ſchon
bei 4000 Jahre beſtehen.
Am 19. April nach dem Beſuche der heiligen
Meſſen und dem Empfange der h. Communion ver-
wendete ich die Zeit hauptſächlich zur Verehrung der
h. Familie und ihrer Flucht nach Egypten; denn nur
8 Stunden bin ich entfernt von dem Orte, wo die
h. Familie ſich aufhielt.
Am 20. April 4. Sonntag nach Oſtern währten
die hl. Meſſen bis 10 Uhr. Nachmittags kamen wir in
den Palaſt des Paſcha. So ſehr ich über die Pracht
– 54 –
dahier, die mir unbeſchreiblich iſt, erſtaunte, ſo iſt
ſie mir doch wie Nichts im Vergleiche mit unſerm
Herrn Jeſus Chriſtus am Kreuze.
Unter der Erde waren 40 alte Säulen zu ſehen,
voran ein Altar.
In dieſer Stadt hatte ich Leid zu erfahren, denn
ich vermißte jene Dinge unter meinem Gepäcke,
welche mir die liebſten waren, die ich aus Jeruſalem
heimbringen wollte, im Werthe beilich von 60 fl.
Am 21. April auf dem etwas ſtürmiſchen Meere
war ich wieder ſo unwohl, daß ich kaum zu Mittag
aufſtehen konnte. Nicht viel beſſer ging es mir am
nächſt folgenden Tage, wo wir in der Nähe der
Inſel Creta ſchifften und den Berg Ida ſahen.
Am 23. April erblickten wir von einem ver-
ſunkenen Schiffe nur noch den Maſtbaum und Segel
aus dem Meere hervorragen. Wahrlich ein ſchauder-
voller Anblick!
Nachts kamem wir zur Inſel Corfu.
Am 24. April früh ſtiegen wir an's Land.
Es wurde dort der Gründonnerstag gefeiert, und ſo
hatten wir die Feierlichkeiten der Charwoche zum
zweiten Male in dieſem Jahre vor uns.
Am 25. April, an welchem wir das Feſt des
hl. Markus feiern, war hier Charfreitag. Mir kam
dieß zwar ſeltſam vor; erbaute mich aber dennoch
ſehr, als auch ich eine Kerze in der Hand mit der
Prozeſſion ging, und bei dem Hochwürdigſten Gute
über 100 Lichter brennen ſah.
Auf meine Nachfrage, woher denn dieß komme,
daß die Griechen ſo ſpät erſt die Charwoche feiern,
erhielt ich zur Antwort, weil ſie ſich noch immer
an die alte unrichtige Zeitrechnung halten, und die
neue d. h. im Monat Oktober 1582 verbeſſerte
Zeitrechnung nicht annehmen, weil ſie von einem
Papſte, nämlich vom Papſt Gregor XIII. beſorgt
worden iſt. So etwas, dachte ich, nennt man bei
uns in der Pinzgauer-Sprache: „Doxen ſein.“
Ich hatte hier zwei freudenvolle Tage, und der
Schmerz über meinen Verluſt hat ſich gemindert.
Nachmittags um 3 Uhr gingen wir zu Schiff,
das uns nach Rom führt. Auf dieſem Schiffe waren
von der Pilgergeſellſchaft nur mehr unſer Drei.
Herr Dr. Salfinger, Herr Dr. Riedlinger und ich.
Es war uns ſehr gut.
Am 26. April auf dem Meere ſahen wir, da
das Schiff ſich in der Nähe der neapolitaniſchen
Küſte hielt, auch die Landſchaft, auf welcher der
hl. Alphons von Liguorio lebte. Zwei Stunden Zeit
konnten wir auf dem Lande zubringen, und begaben
uns in die Domkirche der Stadt, wo wir zwei
heil. Segen erhielten. Mich hat es herzlich erfreut
im Bereich des Lebens und Wirkens dieſes Heiligen,
welcher ſo auferbauliche Bücher auch für den ge-
meinen Menſchen verfaßt hat, und der Stifter, der
für die Ehre Gottes und Mariä und für das Heil
auch der größten Sünder ſo eifrigen Congregation
des a. hl. Erlöſers iſt, ſehen und betreten zu können.
Am 27. April 5. Sonntag nach Oſtern waren
mit uns auf dem Schiffe auch ein Biſchof und zwei
Prieſter. Der Biſchof ſegnete uns liebreich.
Abends kamen wir nach Ancona. -
Am 28. April verrichteten wir da in der
wunderſchönen Domkirche unſere Andacht, und reiſeten
dann mit einem eigenen Fuhrwerke nach Loretto.
Auf dieſer Wegesſtrecke ſieht man lauter Frucht-
bäume und mitunter auch Getreidefelder, und die
ganze Gegend iſt wie ein ſchöner Garten. So ſehr
mich dieſes erquickte, ſo erinnere ich mich doch auch
wehmüthig an das hl. Land; denn dort iſt eine
Wüſte größtentheils, und hier ein Paradies. O wie
würde vielleicht auch dieſes herrliche Italien ausſehen,
wenn es die Füſſe der Türken tragen müßte, oder
wenn von den Thürmen der Halbmond ſtatt dem
Kreuze herabſchaute? Es drängte mich zu denken und
zu erkennen: „O mein Jeſus! dir verdanken wir
auch das zeitliche Glück.“
Am 29. April Bittdinstag in Loretto. In dem
h. Hauſe empfing ich die hl. Communion. Daß
dieſes in dem h. Hauſe, wo die hl. Familie ſelber
ſo oft geſpeiſet hat, mir zu Theil wurde, war für
mich etwas unbeſchreiblich Auferbauliches. Auf den
Abend kamen wir nach Como nuovo und des
andern Tages am 30. April nach Aſſiſi.
In der Portiunkula-Kirche ſahen wir das kleine
Häuschen, in welchem der hl. Franziskus geſtorben
iſt, dann der Ort, wo er gebüßt hat, und die Dornen,
auf welchen er zur Abtödtung ſich hinſtreckte, und
die noch heut zu Tage immer nachwachſen. In dem
Kloſter, wo der Heilige begraben iſt, ſahen wir deſſen
Gruft und Sarg. Es ſind dort drei Kirchen über-
einander gebaut. Wir begaben uns auch in ſein väter-
liches Haus, welches jetzt eine Kirche iſt, und ſahen
– 57 –
da den Viehſtall, wo er geboren wurde, weil man
dorthin ſeine Mutter, welche lange in Kindesnöthen
lag auf den Rath eines unbekannten Bettlers gebracht
hatte; ſahen auch den Kerker, wo er von ſeinem Vater,
der ihn mit Gewalt zum Handelsſtand bringen
wollte, eingeſperrt war; und ſahen ebenſo auch das
Zimmer, wo er wohnte. Auch die Kirche der hl. Clara
beſuchten wir, und ſahen ihre Begräbnißſtätte und
ihre Leiche. In dem Kloſter wurden wir freundlich
aufgenommen und über Nacht behalten.
Am 1. Mai, Chriſti Himmelfahrtsfeſt empfing
ich in der Gruft des hl. Franziskus die hl. Commu-
nion. Es iſt darüber ein Altar, auf welchem jährlich
nur einmal von dem Vorſteher die hl. Meſſe geleſen
wird. Nach vielen genoſſenen Freuden ging unſere
Reiſe weiter und in einem tiefen Thale blieben wir
über Nacht.
Am 2. Mai kam uns auf unſerer Fahrt nichts
Beſonderes unter. Ich erfreute mich an der ſchönen
Gegend und dankte und lobte Gott, daß ich von
dem Meere und Schifffahren los geworden bin.
12. Ankunft und Aufenthalt in Rom.
3. Mai. Schon 6 Stunden vor Rom ſieht
man die Peterskirche. Um 4 Uhr Nachmittags er-
reichten wir pochenden Herzens die Hauptſtadt der
Chriſtenheit, die nicht umſonſt ſo genannt wird.
Wir kamen in das deutſche Pilgerhaus dell
anima, und erhielten Aufnahme.
– 58 –
4. Mai, 6. Sonntag nach Oſtern. Wir beſuchten
die Kirche, und ich konnte bei dem Anblicke ihrer
Schönheit, Größe und Pracht u. ſ. w. nichts anders
als ſtaunen, daß es nur ſo etwas geben kann.
Die Peterskirche wird vor dem Himmel, den
mir Gottt verleihen wolle, für mich das Schönſte
ſein, was ich geſehen habe und ſehen werde! Ich
habe mich darin das erſte Mal gar nicht zurecht
finden können. -
5. Mai Vormittags nichts als Kirchenbeſuch.
Nachmittags kamen wir in das Coloſſeum, ein
ſchauderliches Rieſengebäude, wo viele Tauſend
Martyrer ihr Leben verloren haben, und wo eine
alte Römerſtadt 3 Klafter tief unter der Erde zu
ſehen iſt.
Wir kamen auch an den Ort, der die Kunſt-
arbeiten der Maler und Bildhauer enthält. Was
ich da beobachtete und empfand bin ich aufzuſchrei-
ben nicht im Stande. Ueber alles dieſes ergriff mich
aber heute jener Platz, auf welchem der hl. Petrus
am umgekehrten Kreuze den Martertod erlitt.
Am 6. Mai Vormittag Kirchenbeſuch. Nach-
mittags nahm der hl. Vater Weihen vor. Ebenſo
am 7. Mai Vormittags, Nachmittags aber beſuchte
ich die bezeichneten Kirchen zur Ablaßgewinnung,
und auch Grüfte der hl. Leiber.
Am 8. Mai Donnerstag ſtieg ich zur Kuppel
der St. Peterskirche und in den oberſten Knopf
hinauf. Da iſt eine kleine Wohnung, von wo aus
man die ganze Stadt Rom überſchaut. Darnach
gingen wir wieder an den Ort der Kunſtarbeiten
– 59 –
von Malern und Bildhauern und Abends zur
Maiandacht.
Am 9. Mai Freitags ging ich in der St. Peters-
kirche zur hl. Beicht und Communion. Dann be-
ſuchte ich die 7 Ablaßkirchen, welche ſo weit von
einander entfernt ſind, daß ihr Beſuch zur Ablaß-
gewinnung einen ganzen Tag erfordert. Mein Beſuch
geſchah auf folgende Weiſe: 1. St. Paulus, 2.
St. Sebaſtian, 3. St. Laurentius, 4. Maria
Schnee, 5. Maria Maggiore, 6. Johannes Lateran,
7. St. Peterskirche, wo ich Abends ankam, und
auch noch der Maiandacht beiwohnen konnte.
In der Kirche Maria Schnee ſieht man Etwas
von dem Leibe des hl. Hieronymus, und bei Johannes
Lateran den Tiſch vom hl. Abendmahl.
Wir kamen auch zu den Grüften der erſten
Chriſten hinab, wohin ihnen durch eine Mauer-
Oeffnung das a. h. Altarsſakrament gereicht wurde.
Rom am 10. Mai Pfingſtſamstag. Seit
80 Jahren hatte keine Ordens-General-Wahl der
Franziskaner ſtattgefunden, wie heute Vormittag in
der Kirche Ara coeli auf dem Capitol. Es waren
dazu die Ordensprovinziale aus der ganzen Welt
bei 200 verſammelt. Der hl. Vater fuhr in einem
Prachtwagen mit 6 ſchwarzen Pferden, deren Geſchirr
mit Gold und Silber verziert war bis zu den
30 Stufen vor, welche zur Kirchthür hinaufführten.
Ueber dieſe ging der hl. Vater, und hier kam ich
in höchſt deſſen Nähe, und habe von ihm die Bene-
diktion erhalten. Da während der Wahl Niemand
außer den Berufenen in die Kirche eingelaſſen wurde,
ſo ſah ich die Pracht dieſer Kirche erſt nach geſchehe-
ner Wahl. Dieſe fiel auf den hochwürdigſten Pater
Cuſtos des hl. Grabes in Jeruſalem, was auch mich
erfreute, da ich dieſen liebenswürdigen Mann Gottes
erſt vor Kurzem in Jeruſalem kennen gelernt hatte.
Am 11. Mai, Pfingſtſonntag, bin ich in die
päpſtliche Kapelle gegangen, wurde aber hinausge-
wieſen, weil nur den Geiſtlichen und Vornehmen zu
ſein geſtattet war – und bin auch gern gegangen.
Nachmittags beſuchte ich das Stundgebeth in St. Jo-
hann Lateran, und Abends ging ich noch ganz allein
nach St. Paul.
Am 12. Mai Pfingſtmontag gingen wir zum
Stundgebet in St. Johann Lateran, und dann
machten wir den Beſuch der Ablaßkirchen. In
St. Laurentius ſah ich Steine, womit der hl. Stephanus
den Martertod erlitten haben ſoll; ſah auch das
Gefäß, womit der hl. Laurentius getauft hat, auch
die Eiſenthüre des Kerkers unſers Herrn, und auch
ein Handgroßes Loch, durch welches den Chriſten
einſt das a. h. Sakrament gereicht wurde.
Am 13. Mai Pfingſtdinstag gingen wir nach
St. Peter, wo heute der Anfang des 40ſtündigen
Gebetes iſt. Was ich da für eine Pracht und Herr-
lichkeit ſah, kann ich nicht beſchreiben. Die Mon-
ſtranze iſt mannshoch. Lichter ſind bei 260. Eine
Prozeſſion von Geiſtlichen ſo groß und auferbaulich,
wie ſie mein Auge nie ſah. Mir wurden der Ein-
drücke beinahe zu viel, und ich mußte aus der Kirche
gehen, um mich durch eine Schale Kaffee zu erquicken.
Und ſiehe da, als ich durch Deuten zu erkennen gab,
– 61 – -
bezahlen zu wollen, wurde ich verſtändigt, daß ſchon
ein Herr, mir gänzlich fremd und unbekannt, für
mich bezahlt habe. So gibt's überall gute Leute.
Am 14. Mai verweilte ich Vormittags beim
Stundgebete. Nachmittags aber ging ich zu meiner
Erholung einige Zeit ſpazieren. Ich zählte da, daß
vor der St. Peterskirche 10 Reihen Säulen ſind
und jede Reihe wieder aus 70 Säulen beſtehe. Als-
dann begab ich mich wieder in die Kirche. Das Hoch-
würdigſte Gut iſt Tag und Nacht ausgeſetzt.
Am 15. Mai um 10 Uhr früh war in St. Peter
die Einſetzung; in Maria Schnee aber wieder die
Ausſetzung. Wahrlich Gelegenheit genug, wenn man
ſie benützen will, um ſeinen Geiſt zu nähren und zu
ſtärken und in Vereinigung mit dem Herrn zu wandeln.
Den 16. und 17. Mai benützte ich zur Be-
ſichtigung der Stadt, nachdem ich vorher das Stund-
gebet beſucht hatte, und auch zum Einkaufe ver-
ſchiedener Dinge, um in der Heimath meinen Lieben
und Bekannten Andenken geben zu können.
In der Kirche dell' anima war eine große
Reliquie vom hl. Johannes von Nepomuk, deſſen
Feſt hier am 17. gefeiert wird, zu ſehen.
Am 18. Mai hl. Dreifaltigkeitſonntag empfing
ich in der Kirche dell' anima die hl. Communion,
und hörte eine Predigt, welche Herr Dr. Salfinger
hielt. -
Nachmittags ging ich viel herum und beſonders
zu mehreren Prieſtern, um einen heil. Leib für
meine Heimathskirche zu bekommen; was mir ſehr
anliegt, aber auch ſehr viel braucht; denn vorge-
– 62 –
fallene Mißbräuche in dieſer Sache erſchweren jetzt
ſehr die Erfüllung ſolchen Verlangens.
Der 19. Mai, Montag war für mich ein ſehr
glücklicher und freudenvoller Tag. In der Frühe
kam ich in die Gruft der hh. Apoſtel Petrus und
Paulus. Zwei Biſchöfe laſen daſelbſt die hl. Meſſe
und ich erhielt die hl. Communion. Nachmittags hatte
ich viele Gänge und Geſchäfte, um einen hl. Leib
zu erhalten, wozu mir endlich der deutſche Beicht-
Vater zu verhelfen verſprach.
Gegen Abend kam ich zum Fußkuße bei dem
hl. Vater zu. Und der Stellvertreter unſers Herrn
Jeſu Chriſti, der Nachfolger des hl. Petrus, der
heil. Vater Papſt Pius IX. gab mir eigenhändig
eine Medaille und weihte für mich eine Statue des
heil. Petrus. Und noch nicht genug, auch den Hand-
kuß geſtattete mir der hl. Vater, wozu Hr. Dr. Ried-
linger die Veranlaſſung gab. O welch ein Tag der
Freude und des Jubels für mich.
Am 20. Mai beſuchte ich den Ort der Ent-
hauptung des hl. Paulus, und ſah die 3 Quellen,
welche bei dem dreimaligen Aufhüpfen des abge-
ſchlagenen hl. Hauptes des Weltapoſtels entſtanden.
Sie ſind nicht die Ausbrüche eines und desſelben
verborgenen Waſſers, ſondern ſie ſind urſprüngliche
Quellen.
Auch heute begab ich mich zu mehreren Herren
in der Angelegenheit Einen oder Zwei hl. Leiber zu
bekommen; aber das eine Mal wurde mir Hoffnung
gemacht, und das andere Mal wurde ich wieder ab-
gewieſen. Wenn mir nur mein ſo wichtiges Empfeh-
– 63 –
lungsſchreiben nicht abhanden gekommen wäre, dann
ginge die ganze Sache beſſer!
Den 21. Mai Mittwoch brachte ich mit dem
Beſuche der Ablaßkirchen zu, und ich war im Geiſte
mit Allen denen in der Heimath vereiniget, die ſich
in meiner Pilgerfahrt empfohlen hatten, wie immer.
Am 22. Mai Frohnleichnamsfeſt. Der hl. Vater
wird ſammt dem hochwürdigſten Gute getragen.
Dieſe Feierlichkeit, die mir ſo zu ſagen mit heiliger
unwiederſtehlicher Gewalt zurief: „Kommet, laſſet
uns anbeten und niederfallen und weinen vor dem
Herrn,“ wird nie aus meinem Andenken verſchwinden.
Am 23. Mai erhielt ich in St. Johann Lateran
einen hl. Meſſe - Stein. Auf dieſen Tag war auch
unſere Abreiſe von Rom beſtimmt. Bei dieſem Vor-
haben drängte ſich nun noch alles in Rom Geſehene
und Erlebte auf ein Mal vor meine Seele; und
ſollte dieß Alles aber aufgezählt werden, ſo müßte
ich ein geübterer Denker und Schreiber ſein. Ich bin
froh doch Einiges mir zur beſtändigen Erinnerung
und Erneuerung der freudigen Eindrücke angemerkt
zu haben; uud füge davon nur noch 3 Dinge an,
die mich in Rom ſehr angeſprochen haben, nämlich:
der Stuhl Petri, die Triumphpforte des Titus, auf
welchem der ſiebenfache Leuchter, der einſt im Tempel
von Jeruſalem ſtand, abgebildet iſt, und der Ort,
wo Chriſtus dem fliehenden Petrus begegnete.
Der Stuhl Petri, auf dem der hl. Petrus einſt
wirklich ſaß, iſt vom gewöhnlichem Holze, nun aber
mit Gold und Edelſteinen überzogen, was mich an
den niedrigen Anfang der hl. Kirche und an ihre
allmälige Verherrlichung erinnert.
Der ſiebenfache Leuchter iſt mir ein Zeichen,
wie nicht nur ein einzelner Menſch, ſondern ein
ganzes Land und Volk um den wahren Glauben
kommen kann durch das Widerſtreben der Gnade
Gottes.
Daß Chriſtus der Herr dem aus Rom fliehenden
Petrus begegnete, erinnerte mich an die Flucht des
heil. Vaters Pius IX. aus ſeinem empörten Rom,
und wie es aber der Herr vermittelt hat, daß der
Nachfolger des hl. Petrus wieder ſiegreich in ſeinem
Rom einzog, und dadurch ein Zeugniß gab, daß
ſelbſt die Pforten der Hölle ſeine heil. Kirche nicht
überwältigen können.
13. Abreiſe von Rom in die Heimath.
Wir reiſeten wirklich am 23. Mai von Rom ab,
und auf die mir liebgewordene Stadt, die mir ge-
wiſſer Maſſen ſchon wie meine Heimath vorkam,
ſchaute ich auf der Brücke über den Tiberfluß, wo
Rom noch einen ſchönen Anblick gewährt, mit dem
Schmerz zurück, ſie verlaſſen zu müſſen.
24. Mai Reiſetag der Heimath zu.
Am 25. Mai, 2. Sonntag nach Pfingſten,
ſtanden wir in Foligno auf. Mir machte auch das
Fahren zu Land Ueblichkeiten, und ich mußte aus-
ſteigen, obwohl ich auch zum Gehen ſehr ſchwach
war. Kinder haben uns Steine nachgeworfen. Wir
ſahen hie und da Perſonen in Ketten vorüberführen.
– 65 –
Manche Verachtung der Italiener gegen die Deutſchen
nahmen wir wahr; doch ſind nach dem die Italiener
nicht zu beurtheilen. Ich fand viele Gute.
Am 26., 27. und 28. Mai hatten wir ſehr
ſtarke Fußreiſen zu machen. An dieſem Tage kam
ch ſehr ſpät in Loretto an. Tags darauf, Frohn-
leichnamsoktav, empfing ich in dem hl. Hauſe die
hl. Kommunion; konnte auch die Schüſſel küſſen,
auf welcher Maria unſerm Herrn Speiſen gab. Es
wurden auch Roſenkränze geweiht, und Abends war
feierliche Prozeſſion.
Am 30. Mai kam ich glücklich in Ancona an,
aber Abends mußte ich wieder auf das Schiff, was
ich meiner ſonderbaren Geneigtheit zur Seekrankheit
wegen ſehr fürchtete.
Am 31. Mai landeten wir in Trieſt. Da mir
in der Nacht der Herr Maſchiniſt aus Güte ſein
eigenes Bett überließ, und ſtärkendes Getränk gab,
ſo erhielt ich mich geſund. Ich habe beſonders an den
Herren Maſchiniſten der Dampfſchiffe, auf welchem
ich zu fahren und zu leiden hatte, äußerſt barmherzige
Männer gefunden; und möge auf mein Gebet der
liebe Gott ſie ſegnen in ihren gefahrvollen Geſchäften
und Reiſen, und ihnen vergelten, was ſie einem
Bauern aus Pinzgau ſo liebevoll erwieſen haben.
Am 1. Juni, 3. Sonntag nach Pfingſten,
mußte ich ſehr früh auf das Schiff, welches nach
Venedig fuhr. Darauf war ich ganz allein von der
anfänglichen Pilgergeſellſchaft gekommen, denn Hochw.
Herr Dr. Salfinger wählte den Landweg, und Herr
Dr. Riedlinger als Botaniker den s über die
– 66 –
Gebirge Krains, Kärnthens und Salzburgs. Abends
kam das Schiff in Venedig an, wo ich im Franziskaner-
Kloſter ſehr gut aufgenommen wurde.
Den 2. und 3. Juni hielt ich mich in dieſer
weltberühmten Stadt auf, und zwar gerne; denn
es gab mir eine eigenen Troſt, daß ſie dem öſterr.
Vaterland angehört. Ich benützte meinen Aufenthalt
zum Beſuche der ſchönen Kirchen und zur Beſichtigung
anderer Merkwürdigkeiten, *,
Ich ſah das Haupt des hl. Stephanus; ein
Gebein des hl. Georgius; ein Stück Holz, an
welchem Chriſtus unſer Herr beim Hauſe des Pilatus
angebunden war, ebenſo die erſte Kirche des Kapu-
ziner-Ordens und den Saal, in welchem Papſt
Pius VII. erwählt worden iſt. Eine kleine Kirche
war ganz voll mit hl. Leibern, deren ich zehn ſah,
und Reliquien, und die Wände waren von unten
bis oben mit Gold, Silber und Edelſteinen verziert.
In dem ſchönen Mechitariſten-Kloſter ſah ich
eine Mumie von einer Perſon, die ſchon vor 4000 Jah-
ren geſtorben ſein ſoll. Unter Mumie aber verſteht
man einen einbalſamirten ausgetrockneten menſchlichen
Leib. Auch in dem heißen Sande der Wüſte kommen
ſolche vor.
Ich beſtieg auch den hohen Thurm der St. Markus-
kirche, von wo aus man die ganze Stadt, das Meer
und das Land in der Entfernung, zu welcher über
das Meer die Eiſenbahn führt, überſchauen kann.
In dem Franziskaner-Kloſter traf ich einen Pater,
der zu Seekirchen im Salzburg'ſchen geboren iſt, und
nach Jeruſalem reiſet. Das war eine große Freude
und veranlaßte viele Unterredung.
In Venedig findet man bei 300 Brücken, denn
wie in anderen Städten die Fahrwege durch die Gaſſen
für Wägen ſind, ſo ſind hier Waſſerſtraſſen, oder
Canäle, für kleine Schiffe, Gondeln genannt. Nur
an der Häuſerreihe befinden ſich mehr oder minder
breite Gehwege.
Eines fiel mir beſonders in dieſer Stadt auf,
nämlich, daß mich die Leute in meinem Pilger-
aufzuge gar ſo ſehr und faſt von unten bis oben
betrachteten, und ich konnte es mir nicht erklären,
für was ſie mich anſchauten. Ich mußte lächeln -
darüber.
Am 4. Juni, Mittwoch, ging es auf der Eiſen-
bahn nach Padua. Dort beſah ich die Zunge des
hl. Antonius und den Stein, worauf er geſtorben
iſt; dann den Daumen des hl. Laurentius, und drei
Dörner von der Krone Chriſti, nebſt vielen andern
hl. Reliquien. Bei den hochw. P. P. Franziskanern
übernachtete ich.
Am 5. Juni gelangte ich nach Trient in Be-
gleitung des hochw. Franziskaner Paters Laurentius
Juſtinianus von Innsbruck, bei deſſen Anverwandten
in Trient ich ein herrliches Nachtquartier erhielt,
und wofür ich immer danken werde: „vergelte es
Gott.“
Am 6. Juni ſtieg ich in Neumarkt aus dem
Wagen und ging nach Kaltern, wo mich die aller-
orts liebreichen Patres Franziskaner auf das freund-
lichſte und gaſtlichſte aufnahmen und # den Antrag
– 68 –
machten, die merkwürdige Maria Möhrl zu beſuchen,
den ich auch freudig annahm. – Dieſe Perſon ſehen
macht den Menſchen denken. – Sie gab mir einige
Bilder. – Von da weg begab ich mich nach Bozen.
Am 7. Juni über Brixen nach Sterzing. Da
hab ich ein ſehr gutes Wirthshaus getroffen.
Die Leute dort zeigten eine große Freude an mir
als Pilger. Die alte Frau Mutter blieb lange mit
mir im Geſpräche bei einem Seitel Wein, und es
ging uns das Geſpräch von hl. Dingen, Orten und
Perſonen nicht aus.
Am 8. Juni, 4. Sonntag nach Pfingſten, hörte
ich um 5 Uhr die hl. Meſſe, und ging dann fort bis
Innsbruck. Gott Lob und Dank! immer näher
meiner lieben Heimath.
Am 9. Juni empfing ich in Abſam die hl. Com-
munion. In Hall ſah ich heil. Reliquien und die
große Monſtranze, welche 25 Pfund im Gewicht
hat, und nach alt gothiſcher Form gemacht iſt.
Zu Rattenberg blieb ich über Nacht.
Am 10. Juni, Dinstags Abends kam ich nach
St. Johann zu dem gnädigen Herrn Dechant Rupert
Mayr, der mich allſogleich über Nacht zu bleiben ein-
lud. Ich beſprach mich lang und viel mit den geiſt-
lichen Herren und wir unterhielten uns in aller Freund-
lichkeit ſehr gut. Es wurden keine beſondern Compli-
mente erfordert und auch nicht gemacht.
Am 11. Juni begab ich mich nach Kitzbichl und
über den Paß Thurn nach Uttendorf, wo ich den hochw.
Herrn Proviſor Hackſteiner beſuchte, und auch, nach-
dem wir die halbe Nacht zu reden hatten, übernachtete.
– 69 –
Am 12. Juni konnte ich von Uttendorf beinahe
nicht loskommen; denn es umringten mich viele gut
bekannte Bauern, mit denen es viel zu reden gab;
aber auch ſolche, die mich ſonſt gut, jetzt aber in meiner
Pilgerkleidung und mit dem bebarteten Geſichte nicht
ſogleich erkannten, was manchen Spaß abſetzte. Ich
nahm dort noch bei dem Herrn Proviſor das Mit-
tagmal ein, und dann aber ging ich in das Franzis-
kaner Hoſpiz Hundsdorf, wo am andern Tage das
Feſt des hl. Antonius traf. Die hochw. Paters
nahmen mich mit Freuden auf, und behielten mich
über Nacht.
Am 13. Juni fand ich dort gut bekannte geiſt-
liche Herren und andere Leute, und beſonders den
gnädigen Herrn Dechant Embacher, der ſich zur
Vollbringung meiner Pilgerreiſe ſo thätig und wirk-
ſam verwendet hat. Es war für mich ein unbeſchreib-
licher Freudentag. Da auch mein guter Freund
Joſeph Klingler von Alm bei dem Feſte anweſend
war, ſo konnte ich durch dieſen meiner Schweſter
und meinem Herrn Vikar die Nachricht ſchicken, daß
ich Morgen den 14. Juni nach Alm heimkommen
werde, und daß mir meine Schweſter bis Kammer
oder Prielau entgegen gehen möchte.
Von Hundsdorf hinweg ging ich nach Mais-
hofen und blieb dort bei dem hochw. Herrn Bene-
fiziaten Joſeph Kolberer über Nacht,
Am 14. Juni Samstag kam wirklich meine gute
Schweſter mir entgegen. Mit ihr ging ich von Mais-
hofen nach Schloß Farmach zum gnädigen Herrn
Bezirks-Amts-Vorſteher Martin Zehrer, welcher
ſchon bei der Unternehmung meiner Pilgerreiſe ſo
warmen Antheil nahm. Dieſer Herr empfing mich
mit der größten Freude und Herzlichkeit, als wenn
ihm ein Sohn aus allen Gefahren zu Land und
Meer zurückgekommen wäre.
Augenblicklich ſchickte er einen eigenen Bothen ab,
um meinem hochw. Herrn Vikar beſtimmte Nachricht
von meiner Ankunft zu geben, wie es dieſe beiden
Herrn ſchon früher unter ſich abgeredet hatten. Bei-
lich um 4 Uhr entließ mich der gnädige Herr Be-
zirksamtsvorſteher, und ſiehe! der alte Herr Franz
Pimpl von Saalfelden, und mein guter Freund Joſeph
Klingler von Alm warteten ſchon auf mich. Als wir
ſo Alm zugingen begegneten uns auf einmal mein
hochw. Herr Vikar, Schullehrer Johann Lackner und
noch Jemand, über deſſen Anweſenheit ich ſtaunte,
ja bei deſſen Anblick ich beinahe erſchrack, in der
Meinung, es ſei deſſen Geiſt. Und dieſer Jemand
war mein lieber Dr. Riedlinger, mein Pilgergefährte
nach Jeruſalem und Rom, und der, obwohl wir
uns in Trieſt getrennt hatten, und er über Görz
den hl. Berg Luſchari, h. Blut und das Fuſcherthal
ging, in derſelben halben Stunde, wie ich in meiner
Heimath ankam, ohne daß wir vorher eine Spur
des Einen von dem Andern hatten. Ich betrachtete
dieſes Zuſammentreffen und Wiederſehen als eine
von Gott uns eigens beſcheerte Freude.
Der Herr Vikar führte nun zwei Pilger in die
Kirche zu Alm ein, wo er uns Beiden, die wir auf
den Stufen des Altares knieten, den Segen der
Kirche ertheilte, den ſie über die aus dem hl. Lande
zurückgekehrten Pilger zu geben vorſchreibt. Es waren
viele Leute anweſend, und die ganze Handlung ſehr
rührend.
Ueber Nacht zu bleiben waren wir bei Herrn
Vikar eingeladen.
Am 15. Juni, 5. Sonntag nach Pfingſten em-
pfing Hr. Dr. Riedlinger und ich in meiner Mutter-
kirche die hl. Communion. Auch zu Mittag mußten
wir, Herr Doktor und ich, und auch meine Schweſter
Katharin bei Herrn Vikar ſpeiſen. Vorher aber be-
ſuchte ich noch mit Herrn Doktor mein heimathfiches
Bauernhaus.
14. Bum Schluſſe.
So wie mich allenthalben meine lieben und guten
Freunde mit den Worten begrüßten: „Gott Lob
und Dank, daß du dort geweſen und nun wieder
da biſt,“ ſo habe auch ich Herz und Mund voll
von dem: „Großer Gott, wir loben dich,“ was wir
ſo oft auf unſerer Pilgerfahrt nach einer überſtandenen
Gefahr und erlebten Freude geſungen haben. Wahr-
lich hätte mich dieſe Pilgerreiſe noch ſo viel, ja
Alles Irdiſche gekoſtet, hätte ich noch ſo viel zu
leiden gehabt, ſie reuete mich nicht. Immer aber
ſchweben mir jetzt die Worte des hochw. Herrn
Pfarrers Kaltner vor: Eine Pilgerfahrt, Gottlob!
überſtanden, ſie bleibe mir ein Vorſchub zur Voll-
bringung der Andern – in's himmliſche Jeruſalem.
Am Feſte des hl. Johannes des Täufers, an
meinem Namenstage wurde darüber geprediget, wie
– 72 –
die kath. Kirche einen aus dem hl. Lande zurückge-
kehrten Pilger aufnimmt, und erklärt, daß die Kirche
vorausſetzt:
a) der Pilger habe ſeine Pilgerreiſe im Geiſt
der Buße unternommen, -
b) er habe den Frieden der Seele erlangt,
c) und die Gemeinde werde ihn als einen Bothen
des Herrn betrachten, der deſſen Ankunft zum Ge-
richte verkündet.
Möge ich mit der Gnade Gottes Etwas zur
Vorbereitung auf das Gericht beitragen, damit es
uns ein guädiges werde!
Weil die Pinzgauer alle Ereigniſſe, traurige und
freudige, gerne beſingen, ſo ſetzten mir auch meine
guten Freunde zu meiner Rückkehr nachſtehendes Lied
auf und ſangen es mir vor:
Gelobt ſei Jeſus Chriſtus!
1.
Wir laſſen heut' ein Lied erſchallen
Gottes Lob und Dank vor Allen,
aß er den Pilger aus dem heil'gen Land
Hat heimgeführt mit ſeiner ſtarken Hand.
Wir unſern Bruder Ebner meinen,
Erwählt von Jeſus zu dem Seinen,
Der hingelange in die Stätten dort,
Wo er gewandelt einſt von Ort zu Ort.
2
Der ſah den Stall, wo er geboren,
Den armen Ort, den er erkoren,
Damit ins Thränenthal er gehe ein
– 73 –
Und könne gleich, wie wir ein Wandrer ſein;
Der tief Ä im Liebesherzen
So manchen von des Heilands Schmerzen,
Die ihn gepeiniget als Sündenlaſt,
Die du, o Menſch! auf ihn geladen haſt.
3.
Der ſah den Ort, wo vor dem Ende
Der Herr ſich ſetzt im Teſtamente:
Der ſah den großen Liebes Speiſeſaal
Wo er mit Seinen aß das Abendmahl;
Dort hat ein Schauder ihn befallen,
Er ſpricht als Pilger zu uns Allen:
O ehrt den Thron des heilg'ſten Sakrament,
Und hochgelobt ſei Jeſus ohne End! !
4.
Der ſah die Stadt, wo er gelitten
Und mit dem ſtarken Feind geſtritten,
Wo heil'gſtes Blut auf harte Felſen rann,
Und was dort Gottes Sohn für uns gethan,
Wo er ſich geißeln ließ und krönen
Mit Dörnern und am Kreuz verhöhnen,
An dem er ſtarb verlaſſen ganz und gar,
Und gab ſein Leben für uns Sünder dar.
5.
Der ſah, wo Chriſti Leib gelegen,
Und dort die Andacht konnte pflegen;
Und ſah, wo auferſtanden, aufgefahr'n
Der Herr einſt iſt vor achtzehnhundert Jahr'n;
Dort hob ſein Herz ſich hoch nach Oben,
Um ewig Gottes Sohn zu loben,
Der mit dem Vater und dem Geiſt zugleich
Mit Herrlichkeit regiert im Himmelreich.
Eh' aber wir das Lied beſchließen
Wir Alle fallen zu den Füßen
Dj Ägjrj Äund Preis
Für die Begleitung auf der Pilgerreiſ;
Und freudig rufen wir zuſammen:
Gelobt ſei Gottes heil'gſter Namen,
Und glücklich unſern Bruder heimgeführt!
Des höchſten Herrn, der Alles wohl gert,
2. Abtheilung.
Wallfahrt nach Maria-Zell
im Jahre 1857.
– 77 –
1. Veranlaſſung zu dieſer Wallſahrt.
1. Auf meiner gefahrvollen Pilgerreiſe nach
Jeruſalem, bei welcher ich von der Seekrankheit
Vieles leiden mußte, hatte ich mir vorgenommen,
wenn ich wieder glücklich nach Hauſe komme, meinen
Dank der Mutter Gottes durch eine Wallfahrt ent-
weder nach Alt-Oetting oder Maria-Zell zu bezeigen.
Daß ich wohlbehalten, freudig und ſogar feierlich
in meine Heimath zurückkehrte, ſteht ſchon im erſten
Theil dieſes Büchleins beſchrieben; und daß die
jungfräuliche Mutter Gottes mein Meeres-Stern
geweſen iſt, der mich glücklich hin- und hergeleitet
hat, blieb meine feſte Ueberzeugung. Ich dachte nun
wohl auch ernſtlich an die Ausführung meines Vor-
habens, aber ſie verzog ſich, weil auch ein Bauer
nicht allzeit, wann er will vom Hauſe weggehen kann.
Da wurde nun auf Einmal ſicher bekannt, daß
in dem weitberühmten Wallfahrtsorte Maria-Zell
in Steiermark das Säculum gefeiert werde, und
dieſe Nachricht war für mich der ſtärkſte Antrieb,
jetzt meine Wallfahrt dorthin zu unternehmen und
damit mein Verſprechen zu erfüllen, verband aber
auch die Neben-Abſicht, auf der Rückreiſe die mir
liebgewordenen einſtigen Mitpilger nach Jeruſalem,
den Hochwürdigen Herrn Schönberger in Graz und
Dr. der Medizin Riedlinger in Gmunden zu beſuchen.
2. Während ich darauf meine Sachen ein wenig
zuſammenrichtete, konnte ich mich der Betrachtung
nicht erwehren, daß wohl auch jetzt Einige, wie ſie
ſchon meine Pilgerreiſe und überhaupt meine Vor-
– 78 –
liebe zu Wallfahrten nicht günſtig beurtheilt hatten,
ſich werden vernehmen laſſen: „Der Ebner läuft
immer herum, von Einer Wallfahrt zur Andern,
könnte er nicht zu Hauſe auch beten? Und das Geld,
welches er dazu braucht; wäre es nicht beſſer, er
würde dieſes den Armen geben?“
Doch dergleichen Gerede konnte mich nicht davon
abwendig machen, denn ich habe einmal eine Wall-
fahrt verſprochen gehabt, und alſo mußte ich ſie auch
verrichten. Verſprechen macht halten im Weltlichen
und Geiſtlichen. Dann, bin ich nicht verheirathet;
die Hauswirthſchaft iſt auch in meiner Abweſenheit
gut beſorgt; es hat Niemand einen Schaden zu
leiden, und auch den Armen entgehet deßwegen
Nichts, und daß meine Vorliebe zum Wallfahrten
eine blinde oder unnütze ſei, konnte ich mir ſchon gar nicht
denken. Denn wenn ich zur Ehre Gottes, der ſel.
Jungfrau Maria oder anderer Heiligen eine Wall-
fahrt verrichte, bin ich da blind? Wenn ich im
Bußgeiſte das Müdewerden, das Faſten, die Ent-
behrung des gewohnten Lebens und der häuslichen
Bequemlichkeit, Hitze, Kälte, Näſſe, Hunger, Durſt,
unters Gewitter kommen, keine rechte Unterkunft
finden, den Anfall unverſchämter Bettler und andere
Mühſeligkeiten und Gefährlichkeiten mit dem Leiden
Chriſti vereinige, und damit, wie mit einem Kreuze
beladen, dem Herrn auf ſeinem Kreuzwege nachfol-
gen will, bin ich denn da blind?
Und wenn meine Seele ſich ſchon durch den Ent-
ſchluß zu einer Wallfahrt, und noch mehr auf dem
Wege, viel freier von der irdiſchen Laſt, und heiliger
– 79 –
geſtimmt zum Guten empfindet, und es wird ihr am
hl. Orte ſelbſt eine innigere Andacht, ein eifriger
und würdiger Empfang der hl. Sakramente zu Theil,
und ſie geht geſtärkt im geiſtlichen Leben und im
Frieden mit Gott, mit ſich ſelbſt und dem Nächſten
von dannen, iſt das etwas Unnützes? Geld der Welt
iſt es freilich nicht, aber das Gold vor Gott und
die Perle für die Seele iſt es!
Und wenn eine Vorliebe für das Wallfahrten
blind und unütz wäre, warum ſind ſie dann doch
auch von Kaiſern und Kaiſerinen, Königen - und
Königinen, Fürſten und Grafen u. ſ. w. geſchehen,
deren koſtbare und herrliche Opfer man ſehen kann,
und werden noch immer vollbracht?
Ja auf ſolche Wallfahrten, die man gleichſam
zu einem Gewerbe macht, oder womit man böſe
Abſichten verbindet, womit z. B. ein zerrütteter Ehe-
gatte dem andern einmal davonlaufen will; unge-
rathene Kinder oder liederliche Dienſtbothen vom
Hauſe kommen wollen, um ihren böſen Wegen
nachzugehen; auf ſolche Wallfahrten, womit man
ſeinen Gewohnheitsſünden und der Verſtocktheit im
Böſen, ſo zu ſagen, ein heiliges Pflaſter auflegen
will, und nach welchen Wallfahrten gar keine Buße
und Beſſerung des Lebens erfolgt, und die Leute
darnach wie vorher die nämlichen Geizhälſe, Hoch-
müthigen, Unkeuſchen, Zornigen und Unfriedlichen,
kurz die nämlichen Sünder ſind, auf ein ſolches
Wallfahrten halte ich auch nichts, und ſage auch mit
den Andern: Solche thun beſſer, wenn ſie zu Hauſe
bleiben, damit nicht auch noch durch ſie der Gräuel
am hl. Orte vermehret werde.
Doch ich will auch für Solche um die Gnade
bitten, daß ſie recht wallfahrten.
3. So nun mit guter Meinung und hoffent-
lich in der Liebe Gottes und des Nächſten trat ich
meine Wallfahrt nach Maria-Zell an; und ſie ging
über Radſtadt und Schladming bis zu dem hl. Gnaden-
Orte glücklich von Statten. -
Die Freundlichkeit der Bewohner Steiermarks
hat mich ſehr erfreut, und in ihren Gotteshäuſern
erbaute mich beſonders das langſame deutliche Beten,
wobei man jedes Wort verſteht; und das rührende
gemeinſchäftliche Singen des Volkes mit dem Chore,
welches mich auf den Gedanken brachte, dadurch
werde ja doch der Zorn Gottes beſänftiget, die
Verzeihung erfleht, die Strafen geſchenkt und dafür
ein Lohn gegeben werden, wenn das Alles ſo wahr
im Herzen iſt, was der Geſang ausdrückt.
Aber wahrhaftig ein wehmüthiges Etwas ergriff
mich, als ich erfuhr, daß in dieſen auferbaulichen
Chriſtengemeinden ſich auch viele Proteſtanten befin-
den, und ich danke Gott, daß es in meinem Heimath-
lande nicht ſo iſt, und bat den Herrn, als das unſicht-
bare Oberhaupt der katholiſchen Kirche, er wolle es
nicht zugeben, daß es etwa auch einmal ſo bei uns
werde; ſondern dafür Allen die Gnade verleihen
wolle, bei der h. Mutter, der apoſtoliſchen Kirche zu
bleiben, oder zu ihr wieder zurückzukehren.
– 81 –
2. Buſammenkunft und Geſpräch mit einem prote-
ſtantiſchen Bauern.
1. Wie gewöhnlich einem Wanderer auf dem
Wege und in den Ortſchaften, wo er einkehrt, ver-
ſchiedene Leute und Dinge unterkommen, ſo traf
auch ich einen proteſtantiſchen Bauern, welcher ſich
zu mir geſellte; und wie überhaupt zwei Bauern
von Nichts lieber reden als von ihrer Oekonomie,
ſo war auch unſer erſter Discurs von dieſer und
ihren verſchiedenen Sachen in Steyermark und in
Pinzgau. Als ich unter Anderm vorbrachte, daß es
da in ſeiner Heimath beſſer ſein müſſe, als in meiner,
indem hier ein ſchöner Viehſtand und viele Hammer-
werke ſeien, bei denen man ſich Viel mit den Pferden
und der Holzarbeit verdienen könnte, und er mir
darauf entgegnete: Ja bei euch iſt wohl noch ein
beſſerer Viehſtand, und ihr ziehet ja Pferde auf,
die weitum geſucht und um den höchſten Preis be-
zahlt werden, antwortete ich: Allerdings wird ſich
Pinzgau mit ſeiner Bauerſchaft aufrecht erhalten,
wenn Gott den Viehſtand geſund erhält, und der-
ſelbe wenigſtens in einem Mittelpreiſe bleibt, aber,
wenn ihr ſehen würdet, wie bei uns oft mitten
im Hochſommer nicht nur auf die Alpen, ſondern
auch in die Niederungen und ſogar auf die Felder
der Schnee kömmt, wo dann der Baner mit den
Knechten und Buben Vieh ſuchen gehen, es auch
manchmal heimtreiben, und dort und da ein von
einer Höhe abgefallenes oder abgerutſchtes Stück
6
– S2 –
Vieh aus einer Steinkluft herauswürgen oder aus
einem Abgrunde heraufſeilen muß; wenn ihr ſehen
würdet, wie man bei uns die Gräſerei oſt lebens-
gefährlich zuſammenzubringen hat, und bei allem An-
tragen, wegen langer Dauer des Winters, doch nicht
beſteht, und zuletzt froh ſein muß, wenn man nur
ein Futter für das Vieh zu kaufen bekömmt, koſte
es was immer, ſo würdet ihr mir gewiß Recht
geben, wenn ich ſage: Ja, der Viehſtand trägt etwas,
aber die Mühe und Koſten ſind auch Etwas.
Doch darüber will ich nicht klagen, denn in
Schweiße des Angeſichtes ſollſt du dein Brod eſſen,
und jeder Tag hat ſeine Plag, und ſchon ſeit der
Schule her habe ich mir den Vers gemerkt:
„Wer Honig will ſammeln und Roſen will brechen,
Muß leiden, daß Bienen und Dörner ihn ſtechen.“
Unſer Oekonomie-Diskurs und Vergleich zwiſchen
Steyermark und Pinzgau beſchloſſen wir endlich in
der einſtimmigen Anſicht, daß mit dem Segen Gottes
und eigener Arbeitſamkeit und Genügſamkeit hier
und dort zu leben ſei, daß aber auf dem Lande
der faulen und genußſüchtigen Leute überall nur
Diſteln und Dornen wachſen.
2. So freundſchäftlich im Ganzen und ſtandes-
gemäß, d. h. hier: bäueriſch, unſer Geſpräch ver-
lief, ſo hatte ich doch theilweiſe wahrzunehmen, daß
mein Weggefährte hie und da unliebſame Trümpfe
gegen mein Katholiſch ſein ausſpielte. Es machte
mich dieß allzeit warmt, erregte aber nicht den Zorn,
ſondern ein geheimes Mitleid, brachte mich aber
– 83 –
doch zu dem Entſchluſſe: Wenn du nicht nachlaſſeſt
unich herauszufordern, ſo werde ich nicht ſtille ſein,
denn wir ſind da allein und du biſt auch nur ein
Bauer, wie ich, und ſollteſt nicht meinen, daß ich
dir Recht gebe und dich in deinem Irrthum be-
ſtärke. Ich wußte wohl, daß es den gemeinen un-
gelehrten katholiſchen Chriſten verboten ſei, ſich mit
Irrgläubigen in einen Disput einzulaſſen; weil man
einen ſolchen ſchon nicht recht führen kann; dann auch,
weil man bei ihnen ſelbſt mit den beſten Vorſtel-
lungen nichts Gutes bewirkt; indem ihnen mehr um
das Streiten, und um die Herabſetzung der kath.
Kirche zu thun iſt, als um den wahren Glauben;
und dann, weil ſie im Disputiren viel pfiffiger
ſind und dazu ſchon von Jugend auf ſind abgerichtet
wordeU.
Doch in dieſem Falle glaube ich mich nicht gegen
das Gebot zu verfehlen, wenn ich da als katholiſcher
Bauer dem proteſtantiſchen Bauern unter unſern
vier Augen und unter dem Auge Gottes Rede und
Antwort gebe.
3. Unterdeſſen erblickte ich einen Marktflecken,
in welchem mir eine Kirche und ein großes Haus
auffiel, welchem ein neuer ſchöner Thurm mit Glocken
angebaut war. Er nannte es ein evangeliſches Beth-
hans. So bemerkte ich, braucht ihr wegen dem
Evangelium ein eigenes Bethhaus? Das Evangelium
könntet ihr auch in jeder katholiſchen Kirche von der
Kanzel ableſen hören. Und ihr fändet ja auch da
viel Mehr im Geiſtlichen, als in enern Bethhäuſern,
wo man euch einen Glauben veräne , der nicht
6
– S4 –
einmal unſern Herrn im a. h. Altarsſakramente da
ſein läßt, keine rechte Bußanſtalt und keine Prieſter
hat. So ein Bethhaus habe ich auch daheim auf meinem
Bauerngut, aber ich habe noch nie in meiner Haus-
kapelle denken können, daß ſie eine Kirche ſei, auch
noch nie gehört, daß das Aermere am Heiligen
beſſer iſt.
Und einen neuen ſchönen Thurm mit Glocken
habt ihr jetzt auch! Nun das bringt mich auf den
Gedanken, als wolltet ihr immer näher zu den
katholiſchen Kirchen herankommen und ihr immer
ähnlicher werden? Und die Glocken, läuten ſie euch
nicht auch, wie uns, zum Gebete des engliſchen
Gruſſes, womit wir uns dreimal des Tages an
die Menſchwerdung des Sohnes Gottes aus Maria
der Jungfrau dankbarſt erinnern.
O vielleicht läuten auch die Glocken zur Ruh
und zum Frieden mit uns und zur gänzlichen
Vereinigung mit der katholiſchen Kirche!
„O mein Menſch! ſprach er, dieſes wird nicht
geſchehen, denn es ſoll ein jeder Menſch in dem
Glauben bleiben, in welchem er geboren iſt.“
4. So ſagſt du? Aber wird denn der Menſch
ſchon in dem Glauben geboren? Dieß glauben wir
katholiſche Chriſten nicht; ſondern, daß der Menſch,
und wenn er auch von chriſtlichen Eltern herkömmt,
in der Erbſünde geboren werde, und daß er erſt
durch die hl. Taufe den Glauben erhält, der ihm
das ewige Leben gibt, wenn er die Gebote Gottes
hält. Du wirſt vielleicht mit deinem Ausſpruche
haben ſagen wollen: Jeder Menſch ſoll bleiben in
dem Glauben, in welchem er durch ſeine Eltern oder
zufällige Lebens-Unſtände gekommen iſt.
Wenn aber dieß allzeit und in Allem eine
Geltung gehabt hätte, ſo hätten ja der hl. Johannes
der Täufer und Chriſtus ſelber unrecht gethan, daß
ſie die Leute zur Bekehrung aufgefordert haben;
eben ſo auch die Apoſtel, daß ſie das verdorbene
Judenthum verlaſſen und dem Herrn nachgefolgt
ſind; nicht minder auch die vielen Tauſende, welche
ſich auf die erſte Predigt des hl. Petrus bekehret
haben, und alle Juden und Heiden, welche von
jeher den chriſtlichen Glauben angenommen haben.
Und wenn es nach deinem Ausſpruche immer ge-
gangen wäre, ſo würde noch Steyermark und Pinzgau
von Heiden bewohnt ſein; denn ſolche waren vor
der Verbreitung des Chriſtenthums die Bewohner
unſerer beiderſeitigen Heimath. Und wenn du ſo
Viel auf ein ſolches Bleiben halteſt, muß es dich
an euerm Luther ſelbſt nicht bitter verdrießen, daß
er es am wenigſten beobachtet hat? Denn der
Luther iſt auch nicht als Proteſtant geboren worden,
ſondern hatte katholiſche Eltern, iſt katholiſch aufer-
zogen worden, hat auf katholiſchen Schulen ſtudirt,
weil es vor ihm noch keine proteſtantiſchen Volks-
ſchulen und auch keine proteſtantiſchen Hochſchulen
gegeben hat; ferner iſt Luther ein katholiſcher Mönch
und Prieſter und Profeſſor geworden, und erſt da
iſt Etwas über ihn gekommen, das ihn zum Feind
der katholiſchen Kirche gemacht, zum Abfall von der-
ſelben und dazu getrieben hat, daß er einen Stein
in den Garten der Kirche geworfen hat, den ſie
– SG –
nicht ſo leicht werden herausbringen. Ich habe
einmal gehört, daß die ganze traurige Geſchichte mit
dem Luther unterblieben wäre, wenn ihn der Papſt
zum Kardinal gemacht hätte, weiß aber nicht, ob
etwas Wahres daran ſei.
Mußt du aber nun nicht zugeben, daß der Luther
am wenigſten gethan hat, was du vorgebracht haſt,
daß man thun ſoll, und daß dieß überhaupt keine
Regel ſein kann? „Meinetwegen“ ſprach er.
5. Aber was würde das für eine Uneinigkeit
mit den Eltern, Nachbarn und Befreundeten, und
für eine Schande ſein, wenn man zu den Katholiſchen
überginge? Das geſchieht nicht“
Mein lieber Freund! Bei uns zu Hauſe im
Pinzgau ſagt man:“ Der Menſch ſoll nichts ver-
reden,“ und man will damit ſagen: der Menſch ſoll
nie zu feſt meinen, daß dieß und jenes nicht auch
noch im menſchlichen Lebenslaufe mit ihm geſchehen
könne.“ Der Menſch denkt, Gott lenkt. Und wie
Viele von euerem Bekenntniſſe, die da auch gemeint
haben, es wäre eine Unmöglichkeit, oder ſie ließen
ſich lieber erſchießen, als daß ſie katholiſch werden,
ſind es doch geworden, nachdem ihnen Gott das
wahre Licht hat leuchten laſſen; und ſie haben dann
keine zeitlichen Rückſichten mehr gehabt, auch nichts
mehr nach der Uneinigkeit mit den Eltern und Be-
freundten, ja ſelbſt nach Weib und Kinder deßwegen
nichts mehr gefragt; und haben es ſchon in dieſem
ihren Leben auf Erden erſahren, und werden es auch
wenn ſie bereits geſtorben ſind, in der Ewigkeit er-
fahren haben, wie wahr der Herr geſprochen mit
– S7 –
den Worten: „Niemand iſt, der Haus, oder Eltern,
oder Brüder, oder Weib, oder Kinder um des Reiches
Gottes Willen verlaſſen hat, der nicht viel mehr dafür
erhält in dieſer Zeit, und in der künftigen das ewige
Leben. Und ſo könnte es auch noch mit dir geſchehen,
verſtehſt mich? Wer hat den Sinn des Herrn erkannt?
Und du könnteſt auch ſogar berufen ſein, mit dem
göttlichen Gnadenlichte allen deinen Angehörigen
vorzuleuchten zur Rückkehr in die katholiſche Kirche.
Und was du von der Uneinigkeit mit deinen
Leuten befürchteſt, iſt dieß nicht etwa eine leere Furcht?
Wer weiß, ob deine Leute ſo auf ihren Glauben ver-
ſeſſen ſind, daß es wegen deinem Katholiſch werden
zu einer Uneinigkeit käme? Die Furcht iſt oft größer
als das Uebel. Und wenn ſie es auch jetzt wären, ſo
würden ſie es gewiß nicht bleiben, wenn ſie einmal
das Wahre von dem katholiſchen Glauben hören oder
leſen könnten; und nicht blos immer, wie es ſo häufig
geſchieht, nur die Lügen und Schmähungen und Ver-
läumdungen darüber als eine eckelhafte Speiſe zu ge-
nießen bekämen.
Und was du endlich von der Schande ſagſt, die
es wäre, wenn du katholiſch würdeſt, das kann ich
Dir gar nicht zugeben. Ich habe einmal gehört, daß
ein proteſtantiſcher Oberkirchenrath bei der Heirath
einer proteſtantiſchen Prinzeſſin, die zur katholiſchen
Religion hat übertreten müſſen, das öffentliche und
feierliche Urtheil abgegeben hat, ſie könne dieſes ohne
Sorge um den Verlurſt ihres Seelenheiles thun,
da man auch im katholiſchen Glauben ſelig werden
kann, wenn man darnach lebt. Wie, iſt dieß nicht
– 88 –
eine ehrenvolle Erklärung für den katholiſchen Glauben?
Und wer kann da alſo noch von einer Schande reden,
wenn nuan einen Glauben annimmt, den eure höchſten
geiſtlichen Behörden ſelbſt in Ehren haben? Und geht
denn nicht bei euch Proteſtanten der Spruch unter dem
Volke herum: „Bei den Proteſtanten iſt leichter zu
leben, bei den Katholiſchen leichter zu ſterben.“ Iſt
das nicht auch ein Ehren-Spruch?
Und ſind denn von euch nur lauter dumme und
gemeine und Bettelleute zur katholiſchen Kirche zurück-
gekehrt? Ich habe immer ſagen gehört, die Proteſtanten
erwiſchen in dieſer Hinſicht nichts Nutzes, aber zu der
katholiſchen Kirche kehren die gelehrteſten frömmſten
uud vornehmſten Proteſtanten zurück. Auf welcher Seite
iſt alſo die Schande?
„Beeifere dich doch nicht ſo und denke, es treten
ja von euch nicht ſelten Geiſtliche, Prieſter zum
proteſtantiſchen Glauben über.“ -
Und von euch treten Paſtoren zur katholiſchen
Kirche zurück. Das hebt ſich alſo auf; und iſt nur
zu betrachten, daß die Paſtoren, welche katholiſch werden,
gewöhnlich von Gott erleuchtete, und von ſeiner
Gnade geleitete Männer ſind, hingegen die katholiſchen
Prieſter, welche zum proteſtantiſchen Glauben über-
gehen, gewöhnlich ſich ſchon zu viel von dem Leib-
Liedlein des Luthers gemerkt hatten:
„ Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang,
Der bleibt ein Narr ſein Leben lang.“ -
„Geh, höre auf, du biſt ein ſtockkatholiſcher Bauer,
und übertreibſt die Sache, indem du Alles ſo ſchlecht
heraus bringſt, was bei uns iſt, und zu uns kömmt !
– 89 –
6. Wir Proteſtanten meinen auch, daß wir das
Rechte haben, ſind beruhigt in unſerm Glauben
und getrauen uns in demſelben zu ſterben; und
wenn es damit gar ſo weit gefehlt wäre, ſo würden
ſie nicht auch in allen Städten und auch in Salz-
burg ſein, und immer mehr werden? -
Weißt du was, guter Freund! ich bin kein
Miſſionär und Proteſtanten-Bekehrer, habe hiezu
auch keinen Beruf, und zu wenig Kenntniſſe, daß
ich dir mit der Lehre Alles auseinander lege, in
wieferne ihr Recht und nicht Recht habt; aber im
Diskurs darüber muß ich bemerken, daß es die beſten
und gründlichſten Bücher hierüber gibt, wo ihr das
Wahre finden könntet, wenn ihr es ſuchen wolltet,
oder man ſie euch gäbe. Ich habe immer gehört, daß
die Proteſtanten kein einziges Buch herausgegeben
haben, in welchem ſie den katholiſchen Glauben
widerlegt hätten, ſondern daß bei allen ihren Büchern
es auf Nichts anders hinausgehe, als auf das
Schimpfen über die katholiſche Kirche, ſogar auf
die Verfälſchung der heil. Schrift und auf das, daß
das ganze Chriſtenthum nichts als eine Fabel und
Einbildung iſt. Das iſt doch nicht das Rechte!
Aber die guten Bücher kommen euch nicht zu,
denn ſie ſind keine Hauſir-Waare, wie man von
eurer Seite alle möglichen ſchlechten Bücherfetzen
um einen Spottpreis (ſie verdienen keinen andern
Namen) herumträgt, verſchenkt, und ſogar aufzwingt
Gingeſt du einmal zu einem Biſchof, oder Dechant,
oder Pfarrer der kath. Kirche mit guter Meinung,
die würden dir ſchon ſagen, ob und wie du recht
daran biſt. Doch zu einem kathol. Prieſter gehen,
das dürft ihr nicht. Ich habe einmal geleſen, daß
ein ſolcher auf einer Geſundheitsreiſe in einem
proteſtantiſchen Bauernhof zugekehrt iſt, und um
ein wenig Milch erſucht hat. Die Bewohner dieſes
Hauſes erkannten ihn als einen kathol. Prieſter, und
da hatte die Bäuerin zwar Milch gebracht, aber ſie
mit ihren Kindern, die ſchon zuerſt ſcheu geworden,
haben dabei immer unter den Tiſch geſchaut, ob ſie
nicht an dem Gaſte den Bocksfuß ſehen; daß euch
auch ener Glaube beruhige, mag wohl ſein, wenn
ihr nicht weiter denkt. Mir aber wäre bei einem
ſolchen chriſtlichen Glauben, der keinen Papſt hat,
keinen Prieſter, kein hl. Meßopfer, die 7 hl. Sakra-
inente und vieles Andere nicht mehr hat, was doch
immer in der Kirche Chriſti geweſen iſt, und noch
neben dem proteſtantiſchen Glauben beſteht, öde und
langweilig in meine Seele hinein, und es käme mir
vor bei euch, als ſäſſe ich auf den Trümmern einer
eingefallenen Kirche,
Und wenn ich denken müßte: „meine proteſtantiſche
Kirche iſt erſt etwas über 300 Jahre alt“, da
hinge wohl auch der Gedanke daran, daß Chriſtus
doch nicht mit ſeiner Kirche in den Himmel auf-
gefahren iſt, ſondern, ehe dieſes von ihm allein ge-
ſchehen, zu Petrus ſprach: Du biſt Petrus, und
auf dieſem Felſen will ich meine Kirche bauen, und
die Pforten der Hölle werden ſie nicht überwältigen.
Und wenn nun die proteſtantiſche Kirche die rechte
iſt, wo iſt ſie denn ſo lange geblieben? Fünfzehn
Hnndert Jahre war ſie nicht da! So etwas käme
– 91 –
mir ſchon verdächtig vor, und könnte mich nicht
beruhigen, und beſonders nicht, wenn ich eine Kirche
neben meiner wüßte, deren Urſprung von Chriſtus
und deren Beſtehen ſeit Chriſtus durch die Reihen-
folge der Päpſte bis zum Petrus hinauf und der
Biſchöfe bis zu den Apoſteln nachgewieſen iſt.
Ein Geiſtlicher hat mir's geſagt, daß der Luther
ſelber bei ſeiner ganzen Streiterei oder Kirchen-
Verbeſſerung, wie er ſein Treiben am liebſten nannte,
keine Beruhigung gefunden hat, und daß er einmal
wegen dem Sektirer Zwingli, der ihm feſt zuſetzte,
ganz offen und aufrichtig dem damaligen Herzog
von Preußen geſchrieben habe: „Es iſt gefährlich,
ja ſchrecklich, etwas zu hören und zu glauben, das
wider das einſtimmige Zeugniß, den Glauben und
die Lehre der geſammten heiligen Kirche Chriſti iſt,
welche ſie ſchon über 1500 Jahre für die ganze
Welt gegeben hat.“ Mußte er das nicht auch für
ſich vor Augen haben?
Und was das betrifft, daß ihr euch in euerm
Glauben zu ſterben getraut, ſo ſei euch allen Gott
gnädig, der da geſagt hat: „Mein iſt das Gericht.“
Aber es iſt weit öfter vorgekommen, daß ſterbende
Proteſtanten um einen kath. Prieſter geſendet haben,
ſterbende Katholiken um einen proteſtantiſchen
Paſtor. –
Daß es, wie du geſagt haſt, in allen Städten
Proteſtanten gibt und auch in Salzburg; ja nun,
ſie ſind einmal da, und ſie können auch nicht alle
auf dem Lande oder in Wäldern oder auf euern
ſteieriſchen Gebirgen wohnen und hauſen; aber wenn
mir die Proteſtanten in Salzburg ein Beweis ſein
ſollen, daß ihr recht daran ſeid, und wir nicht,
das wüßte ich nicht wie? Und ich muß dir ſchon
ſagen, wenn auch viele, viele Proteſtanten ſich in
Salzburg anſiedeln, und es käme auch für ſie ein
hoher Geiſtlicher, z. B. ein Superintendent dahin
und ſie baueten ſich auch das ſchönſte Bethhaus
oder einen herrlichen Tempel, ſo könnte mich dieß
alles nicht zur Ueberzeugung bringen, daß jetzt erſt
die rechtgläubigen Chriſten, das apoſtoliſche Oberhaupt
und das Beth- oder Gotteshaus im wahren Sinne
in Salzburg aufgekommen ſei, und daß alle kath.
Bewohner Salzburgs ſeit den Zeiten des hl. Rupert
mit ihren Biſchöfen und Erzbiſchöfen, von denen
der gegenwärtige hochverehrte Fürſterzbiſchof Maxi-
milian der 67. iſt, auf dem Holzweg gegangen ſeien,
und man in dem altehrwürdigen Dom das Jrrige
gelehrt und das Falſche geſpendet habe. Zu einem
ſolchen Glauben bringen mich Hundert Tauſend
Proteſtanten und alle Superintendenten und Paſtoren
und alle alten und neuen Bethhäuſer nicht.
7. Ja, als kath. Bauer mußt du halt ſo denken,
aber du würdeſt es auch anders, wenn du wüßteſt,
wie wir, daß die Katholiſche Kirche in den erſten
Jahrhunderten ſchon recht geweſen, aber hernach von
dem wahren Glauben abgefallen iſt, und der Luther
ſie wieder auf ihr urſprüngliches Beſtehen zurück-
geführt, und das Evangelium ans Licht geſetzt hat.
Nimm es nicht übel, wenn ich darauf antworte, daß
mir dieſes wie ein Blendwerk vorkömmt. Wenn, wie
ihr ſelbſt zugebet, die kath. Kirche in den erſten
Jahrhunderten die rechte geweſen, ſo war ſie alſo
diejenige, welcher der Herr verſprochen hat, daß ſie
die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden,
und welche der hl. Paulus eine Säule und Grund-
feſte der Wahrheit nennt. Hat dieß der Herr und
Paulus etwa nur auf einige Jahrhunderte für ſeine
Kirche verſtanden, und ſie dann verlaſſen, uud als
die Säule der Wahrheit umfallen und als die Grund-
feſte derſelben verſinken laſſen? So etwas von dem
Herrn zu denken, ſchiene mir eine Läſterung zu ſein,
um ſo mehr, da der Herr gleichſam im letzten
Augenblicke vor ſeiner Himmelfahrt den unter dem
Petrus verſammelten Oberhirten ſeiner Kirche das
Lehramt übergab, und ihnen ſeinen göttlichen Bei-
ſtand alle Tage bis ans Ende der Welt zuſicherte.
Und wenn die Kirche nach euern eingebildeten
Jahrhunderten von dem wahren Glauben abgefallen
wäre, ſo hätte ja dieſes entweder auf einmal und
im Ganzen, oder nach und nach und theilweiſe ge-
ſchehen müſſen. In der kath. Kirche ſind allerdings
von jeher verſchiedene falſche Propheten, Irrlehrer
und Verführer aufgeſtanden, wie es unſer Herr
ſelbſt vorhergeſagt hat, daß dieß geſchehen werde;
aber wenn dieſe Leute, und waren es auch Könige
und Fürſten mit ſammt ihren Ländern, ſich durch
alle Güte und liebevollen Ernſt nicht haben zur
Erkenntniß ihres Irrthums und zur Annahme des
wahren Glaubens bringen laſſen, dann hat ſie die
kath. Kirche von ſich abgetrennt und ausgeſchieden,
wie man einen dürren Aſt von einem Baume und einen
faulen Theil vom Leibe ſchneidet; und hat eben
– 94 –
dadurch verhütet, daß der wahre Glaube in der
kath. Kirche Schaden leide, und in ihr nach und
nach und theilweiſe ein Abfall vom wahren Glauben
ſtattfinde. Und wenn dieſer in der kath. Kirche auf
Ein Mal und im Ganzen in irgend einer Zeit
geſchehen wäre, ſo würde das ein Weltereigniß ge-
weſen ſein, und es ſtünde in allen Geſchichts-
büchern, wie die Zerſtörung in Jeruſalem. Haſt
du aber das als eine Welt - Begebenheit gehört und
geleſen, daß die kath. Kirche in dem und dem Jahre
und ſo und ſo auf Einmal von dem wahren Glau-
ben abgefallen ſei? -
Daß ferners der Luther die kath. Kirche auf
ihr urſprüngliches Beſtehen zurückgeführt habe, wie
du geſagt haſt, das iſt nicht wahr. Zu allen Zeiten
iſt in der kath. Kirche der Papſt geweſen, und ſie
wäre ohne dieſen wie ein Leib ohne Kopf; der
Luther aber hat geſagt, es brauche keinen Papſt,
und hat ihn mit Schimpfnamen titulirt, die der
gröbſte Bauer auszuſprechen ſich ſchämt. Schon int
Anfange iſt in der kath. Kirche das hl. Meßopfer
gefeiert worden, Luther hat es abgeſchafft. Immer
ſind in der kath. Kirche 7 Sakramente geglaubt
und ausgeſpendet worden, Luther hat nur zwei mehr
haben wollen. Ebenſo war in der kath. Kirche von
je her die Verehrung Mariens und der Heiligen
und der Glaube an das Fegefeuer, das Alles und
noch manches Andere hat der Luther weggenommen.
Heißt dieß die kath. Kirche auf ihr urſprüngliches
Beſtehen zurückgeführt haben? Das heißt bei mir
Ein- und Wegreiſſen, nicht aber das urſprüngliche
– 95 –
Beſtehen herſtellen. Und was hat er dann Beſſeres
gemacht und gegeben, als von jeher die kath. Kirche
hatte und gab. Jch habe einmal gehört, daß er ſein
Glaubens- Bekenntniß aus lauter ſchon längſt ver-
worfenen Sätzen der Irrlehrer fabrizirt hat, nur
un nicht mit der kath. Kirche übereinzuſtimmen.
Für einen ſolchen Wiederherſteller, der mir das
Gute nimmt und Nichts oder Schlechteres dafür
gibt, da danke ich. –
Und der Luther ſoll das Evangelium an's Licht
geſetzt haben? Ja wohl, nach ſeinen Auslegungen
und wie viel ihm davon gefiel, und in ſeinem Geiſte
hat er es gelehrt, gepredigt und darüber geſchrieben,
aber dabei nichts darnach gefragt, oder auch mit Fleiß
etwas anders geſetzt von dem, wie es alle recht-
gläubigen Chriſten in der kath. Kirche von jeher
und überall geglaubt und verſtanden haben. Daraus
iſt nun das lutheriſche Evangelium entſtanden. Was
iſt es denn aber Vornehmes, wenn er ſein Evangeliun.
an's Licht geſetzt, und dafür das ungleich beſſere
Licht des alten echten und wahren Evangeliums
ausgelöſcht hat?
Ein Studirter hat mir einen Ausſpruch des
Luthers ſelbſt über ſein eigenes Evangelium vor-
geleſen, mit dem er, der Luther ſelbſt ſagt:
„Habe ich euch nicht mit hellen deutſchen Worten
geſagt, was meine Lehre und mein Evangelium für
einen ſchlimmten Grund, Urſprung und Anfang
habe, daß nämlich Hans Huß (nicht Chriſtus) der
Kern, Saamen oder das Weizenkörnlein geweſen
ſei. Dieſer hat müſſen ſterben und in die Erde
– 96 –
begraben werden, darum wächſt es mit Gewalt
daher. Sind das nicht meine Worte, als ich vom
Urſprung des wiedergebornen Evangeliums ſprach.
Johannes Huß, der war der Kern, oder der Saamen.
Wer das nicht begreifen will, der laß' es. Aber
wenn ihr das nicht verſteht, daß aus einer Ketzerei
die Andere hervorkömmt,
So ſoll man Euch peitſchen
Ihr lieben Deutſchen.
8. Ihr Katholiſchen ſeid ſchon ſo, und laſſet
dem Luther gar keine Ehre; und hauptſächlich des-
wegen nicht, weil er dem Papſte ſtark zugeſetzt hat.
Der Papſt aber iſt ja auch ein Menſch, und kann
ſich daher auch irren.
Wir Katholiſchen wiſſen ſehr wohl, daß der
Luther viele Talente gehabt hat, die ihm Gott gab,
und daß er viel Gutes hätte ſtiften können, wenn
er ſie recht gebraucht hätte; daß er aber ein Feind
der kath. Kirche geworden, den größten Unfrieden
bei den Fürſten untereinander und gegen den Kaiſer
und das Reich angerichtet und vieles andere Ueble,
das ehren wir freilich nicht, und daß er als abge-
fallener Mönch eine entſprungene Kloſterfrau ge-
heirathet hat, das beſonders macht uns Baueru
vollends ſcheu vor ihm. So oft der Bauer an Luther
erinnert wird, ſo oft denkt er auch an deſſen Kathl,
und kömmt ihm dazu der Ausſpruch in den Sinn:
An den Früchten erkennt man den Baum. Ihr
ſelbſt werdet ihn deßwegen nicht ehren und dieſe
Sache zu vertuſchen ſuchen, aber es geht nicht,
denn es iſt und bleibt ein Spektakl und eine Ge-
– 97 –
ſchichte vor der ganzen Welt, und ein Aergerniß,
das kein Einziger aus allen, ſelbſt den mißrathenen
Päpſten je gegeben hat.
Wir ließen dem Luther keine Ehre, weil er dem
Papſte ſtark zugeſetzt hat, ſagſt du. Sag vielmehr,
weil er den Papſt geſchimpft und verläumdet hat, wie
es nur möglich iſt. Und ſollte uns das nicht be-
leidigen, da wir in dem Papſte den Stellvertreter
Chriſti auf Erden, das ſichtbare Oberhaupt der
Kirche und den hl. Vater anerkennen und ehren?
Wären das nicht ungerathene Kinder, die gleich-
gültig wären, oder ſich freuten, oder gar lachten und
dazuhelfen würden, wenn man ihren Vater ſchimpft?
Aber der Papſt, ſagſt du weiters, iſt ja auch
ein Menſch, und kann ſich daher auch irren.
Wie aber, iſt nicht der Luther auch ein Menſch,
und hat ſich der vielleicht nicht irren können? Mir
kömmt vor, es ſind unzählig mehr Zeugen und
Zeugniſſe, welche beweiſen, daß der Luther ſich in
dem geirrt hat, daß er von der römiſch katholiſchen
Kirche, zu der er gehörte, abgefallen iſt, und ſich
einen neuen Glauben zuſammengemacht hat, als da-
für, daß der Papſt ſich geirrt habe und irre.
Wir Katholiken behaupten auch nicht, daß der
Papſt ſich als Menſch und für ſich nicht irren
könne, aber das behaupten wir, daß er als Papſt
und Stellvertreter Chriſti in Angelegenheiten des
Glaubens und der Lehre für die ganze Kirche nicht
irre, denn dieß verhütet der göttliche Beiſtand,
den er von Chriſtus hat als Nachfolger des
hl. Petrus.
7
– 98 –
Und ſo hat man allzeit geglaubt und ſich darnach
gerichtet, und wenn irgendwo eine neue, falſche und
verdächtige Lehre aufgeſtanden iſt, hat man ſich nach
Rom an den Papſt gewendet; und wenn ſich dieſer
verworfen hat, ſo hat kein gläubiger Chriſt geſagt:
der Papſt habe ſich geirrt, ſondern, der neumodiſche
Lehrer hat ſich geirrt.
So viel ich weiß, hat ſich ja Luther ſelbſt mit
ſeinen Angelegenheiten zuerſt gar demüthig und voll
Complimente in einem Schreiben an den Papſt ge-
wendet, und iſt erſt hernach völlig auseinander ge-
kommen, als man ihm widerſtand und widerſtehen
mußte.
Uebrigens danke ich, daß man auch einen Menſchen
und Chriſten, der zu einem Papſte zu brauchen iſt,
und ſich nicht ſelbſt dazu gemacht hat, ſondern ge-
wählt worden iſt, auch als Menſch und Chriſt
glauben dürfe, mehr als Andern; und kömmt mir
immer vor, daß beſonders von Denjenigen, die den
Papſt mißachten oder ihn ſchmähen, kein Einziger
iſt, der ihm die Schuhriemen aufzulöſen würdig
wäre. Ich habe ihn ſelbſt geſehen und geſprochen,
der hl. Vater Papſt Pins IX. und ſeine Heilig-
keit und Liebe hat mich alſo ergriffen, daß ich
dachte, ſo iſt kein zweiter Menſch auf Erden; und
wer dem nicht glaubt und den nicht liebt, der iſt
Ä todt, und den bewegt nichts mehr auf der
elt.
Nun, weil du ſelbſt bei dem Papſte geweſen
biſt, ſo wirſt du wohl auch ſeinen Fuß oder Pan-
toffel geküßt haben? Iſt aber das nicht ein Stolz,
– 99 –
daß ſich der Papſt ſo etwas thun läßt, und eine
Abgötterei, wenn man ſo etwas thut?
Vor einiger Zeit hat man aus den Zeitungen
geleſen, daß die aſiatiſchen Geſandten, ich weiß nicht
mehr von Siam oder Anam, durch einen ungeheuer
langen Gang, an deſſen Ende die Königin von Eng-
land auf den Thron ſaß, auf allen Vieren zu ihr
hingekrochen ſind, um ihre Aufwartung zu machen,
und kein Menſch hat es der Königin von England
als einen Stolz ausgerechnet, daß ſie ſo etwas ge-
ſtattete; dem Papſte aber wird es als Stolz aus-
gelegt, wenn ihm, dem hl. Vater, ſeine ihn lieben-
den Kinder mit Freude und Rührung den Fuß
küſſen. Iſt das nicht parteiiſch? Ferners mußt du
wiſſen, daß nicht die Päpſte ſelbſt dieſen Gebrauch
eingeführt, ſondern, daß ihm dieß thun zu dürfen,
die Gläubigen und ſelbſt Kaiſer und Könige ſich
erbeten haben.
Und dann gibt der Papſt ſelbſt zu erkennen,
daß der Fußkuß nicht ſeiner Perſon gelte, ſondern
Chriſto dem Herrn und Gott; denn auf dem ſeide-
nen Schuh des Papſtes iſt ein goldenes Kreuz ge-
ſtickt, das er zum Kuſſe darbiethet, und nicht den
- Namenszug oder das Portrait oder das Wappen des
Papſtes. -
9. Aber ihr Katholiſchen habt ſonſt auch allerlei
Dinge, die mir gar nicht eingingen.
Nun, was wären dann dieß für Dinge zum
Beiſpiel?
a. „Ihr habt ja 15 Gebothe Gottes und haltet
die 10 nicht, die Gott gegeben.“ 7
– 100 –
Dieß habe ich das erſte Mal von dir da ge-
hört, und bin doch weit herumgekommen, daß wir
Katholiſchen 15 Gebothe Gottes haben. Wenn es
nur geredet iſt! Schau hinein in einen kath. Kate-
chismus oder frage ein Schulkind des kath. Glaubens
und du wirſt leſen und hören, daß auch wir 10 Ge-
bothe Gottes haben, wie ihr. Aber wir haben auch
5 Gebothe der Kirche, die das Recht von Chriſtus
hat, ihren Gläubigen Gebothe zu geben; und die
wir aber nicht ſo anſehen, als wenn die Kirche
damit hätte nachtragen wollen, was der liebe Gott
bei der Ertheilung ſeiner Gebothe vergeſſen hätte, ſon-
dern als Anweiſungen wie, und Nachhilfen, daß die Ge-
bothe Gottes gehalten werden. Und dieſe hh. Kirchenge-
bothe ſind ja nur für uns kath. Chriſten, euch gehen ſie
ja gar nichts an, und verlangt kein Papſt und kein
Biſchof von euch, daß ihr ſie haltet, was habt ihr denn
da über unſere Kirchengebothezukritteln und zuſpötteln?
Es werden auch gewiß ſelten kath. Chriſten zu euch
darüber zu klagen gekommen ſein!
Daß aber von vielen kath. Chriſten die 10 Ge-
bothe Gottes nicht gehalten werden das iſt leider
wahr; aber daran iſt nicht der kath. Glaube Schuld;
und von allen kann man dieß auch nicht behaupten;
und wer weiß, wie es bei euch ausſieht?
Mir kömmt vor, daß jetzt die Uebertretung
der Gebothe Gottes auch unter uns Katholiſchen
immer mehr zunimmt, daran ſei der Luther nicht
wenig ſchuld mit ſeiner argen Behauptung, als wenn
es möglich wäre, die Gebothe Gottes zu halten,
mit ſeinem alleinigen Glauben und ſeinem Sprüch-
– 101. –
lein darnach: „Sündige tapfer und glaube feſt;
denn nach ſolchen Lehren ſchnappen begierig alle Die-
jenigen, welche der Sinnlichkeit zu viel erlauben,
und mit der Gnade Gottes nicht mitwirken wollen,
oder gar nicht einmal darum bitten.
Was wäre denn noch für ein Ding, das dir
bei uns nicht einginge?
b. Ihr verehret auch Maria, die Mutter Jeſu
zu viel; denn wenn ſie ſo rein und heilig geweſen
wäre, wie ihr glaubet, ſo würde ſie nicht auch zur
Reinigung in den Tempel gegangen ſein, wie die
anderen jüdiſchen Weiber.
Im dritten Glaubensartikel heißt es, daß Jeſus
der Sohn Gottes empfangen iſt von dem hl. Geiſte
und geboren aus Maria der Jungfrau. Nach dieſem
verehren wir Maria als die jungfräuliche Mutter
Gottes, und wenn euch dieß zu viel iſt, ſo müſſet
ihr dem 3. Glaubensartikel die Schuld geben. Zu-
dem verehren wir Maria als die unbefleckt oder
ohne Mackel der Sünde empfangene Jungfrau,
weil eine ſolche Mutter der heiligſten Menſchwerdung
des Sohnes Gottes beſſer anſteht als eine Mutter, die
einmal der Sünde unterworfen war. -
Daß du aber der ſeligſten Jungfrau wegen
ihres Opfers der Reinigung Unheiliges und Un-
reines an ihr zumutheſt, iſt nicht richtig gedacht;
denn es iſt gar Vieles in der Welt, welches man,
für ſich genommen, nicht ſtreng zu thun verpflichtet
wäre, und doch zu geſchehen hat, um Andern keinen
Anſtoß und ein gutes Beiſpiel zu geben. Und deß-
wegen konnte ja auch die reinſte und heiligſte Jung-
– 102 –
frau das Opfer der Reinigung vollbracht haben,
ohne daß ſie es für ſich bedurft hat.
Die meiſten Juden wußten nichts von dem,
daß ſie die Mutter des Sohnes Gottes geworden
ſei, aber alle die ſie kannten, wußten, daß ſie über-
haupt Mutter geworden war und hielten ihren Sohn
für den Sohn des Zimmermanns Joſeph. Wenn
ſie nun das vorgeſchriebene Opfer nicht dargebracht
hätte, würden nicht alle dieſe daran einen Anſtoß
genommen haben? Und hat ſie dieſes nicht auch
zum Beiſpiele für alle chriſtlichen Mütter thun
können? Zudem war bei dieſer heil. Handlung ein
gewiß zuverläßiger Zeuge in Simon zugegen, der
allen, die hören, leſen und verſtehen wollen, deutlich
zu erkennen gibt, daß Maria nicht wie ein anderes
jüdiſches Weib das Opfer der Reinigung gebracht
hat, ſondern als die Mutter des Heiles.
Auch habe ich gehört, daß die Mutter Gottes
damit den Weibern in allen hat ähnlich werden
wollen, auſſer der Sünde; ſo wie der Sohn Gottes
den Menſcheu in allem ähnlich werden wollte, äuſſer
der Sünde. Jetzt möchte ich aber doch auch wiſſen,
was euch Proteſtanten die Mutter Gottes gethan
hat? Ihr laſſet doch Maria als der Mutter Jeſu
des Sohnes Gottes einige Ehre, warum ſollte ſie
denn von euch nicht alle haben, die ihr gebührt?
Man darf ja ſelbſt einen gewöhnlichen Menſchen
nicht herabwürdigen. Und warum murret ihr immer
über unſere kath. Verehrung der Mutter Gottes?
Bringt euch denn dieſe einen Schaden? und wir
drängen ſie euch ja auch nicht auf, und iſt denn
– 103 –
dieſes zu viel und unrecht, wenn wir zu ihr beten:
Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns arme
Sünder jetzt und in der Stunde unſers Abſterbens,
Amen? - -
c. „Ja ſchau! Wir Proteſtanten ſind zufrieden,
wenn wir bei Gott Gnade finden, und darum
brauchen wir euere Heiligen nicht.“
Und wir Katholiſchen ſuchen auch nichts anders
als Gnade bei Gott und ſeinen Segen; aber eben
durch die Heiligen, als Freunde Gottes und unſere
Fürbitter; darum heißt es in den kirchlichen Ge-
beten zu Gott: „Herr erbarme dich unſer,“ und zu
einem Heiligen: „bitt für uns.“ Wenn ihr Prote-
ſtanten von einem großen Herrn gerne etwas hättet,
ſo verſchmähet ihr es nicht, euch hinter einen Freund
oder geehrten Diener desſelben zu ſtecken; warum
wollet ihr denn euere Angelegenheiten vor Gott
nicht auch durch deſſen Freunde und geehrten Diener,
welche die Heiligen im Himmel, in der Freude
ihres Herrn ſind, vorbringen laſſen? Ich zweifle
keinen Augenblick, daß uns Jeſus Chriſtus ſelbſt
in der Begebenheit mit dem Hauptmann und deſſen
kranken Knecht das Rechte und Wirkſame von der
Fürbitte der Heiligen bei ihm zu erkennen gege-
ben hat.
Wenn auch der Luther, über den ich gehört
habe, daß er ganze Kapitel ja ſogar ganze Bücher
aus den hl. Schriften des alten und neuen Bundes
ausgemuſtert und abgewieſen hat, vielleicht doch noch
das Evangelium ließ, ſo müßtet ihr daraus mit uns
erkennen, daß der Hauptmann aus Demuth ſich
– 1 04 –
nicht getraut hat, zu Jeſu zu kommen d. h. erhielt
ſich nicht für würdig zu ihm zu gehen, vor ihm zu
erſcheinen, mit ihm zu reden, und ſich von ihm
eine Gnade zu erbitten. Deßwegen ſandte er zweimal
Fürbitter zu dem Herrn, von denen er meinte, daß
ſie würdiger ſeien als er, und ſo auch leichter die
gewünſchte Gnade erlangen werden. Ferners müßtet
ihr mit uns erkennen, daß das Benehmen des
Hauptmannes dem Herrn ſo wohl gefallen hat, daß
er ihm nicht nur gegeben hat, was er geſucht, ſondern
ihn auch lobte.
Wenn wir Katholiſchen nun auch nach dem Bei-
ſpiele des Hauptmanns uns an die Heiligen als
Fürbitter um die Gnade und den Segen Gottes
wenden, wird das der Herr übel nehmen, wie ihr
uns dieſes übel nehmet?
Gewiß, wenn der Herr euerer Meinung über
unſere kath. Heiligen-Verehrung und Anrufung ge-
weſen wäre, ſo hätte er ſicherlich die Abgeſandten
und Fürbitter des Hauptmannes bei ihm abgewieſen
und ihnen geſagt, der Hauptmann ſoll nur ſelber
kommen, und ſich die Gnade erbitten, die er will.
Du haſt es zwar nicht ausgeſprochen, aber mir
ſcheint es liegt dir auf der Zunge, daß auch du
uns wie andere Proteſtanten es thun, gerne Ab-
götterer nennen möchteſt, deßwegen weil wir nicht
blos zu der ſeligſten Jungfrau, oder zu irgend
einem Heiligen beten: bitt für uns, ſondern auch
hie und da: Heilige Maria hilf! oder erbarme dich
unſer! oder hl. Sebaſtian c. erbarme dich. Das
heißt aber bei uns nichts anders, als: Maria, hilf
– 105 –
uns durch deine Fürbitte bei deinem lieben Sohne,
oder hl. Sebaſtian, erbarme dich, daß du für uns
fürbitteſt. Wer kann das für eine Abgötterei an-
ſehen, wenn man die Heiligen anruft, ſie ſollen
helfen und ſich erbarmen, ſo viel ſie können? Wir
finden ja auch in der hl. Schrift, daß Job ſeine
Freunde angeredet habe: Erbarmet euch meiner, er-
barmet euch meiner, wenigſtens ihr meine Freunde,
denn die Hand des Herrn hat mich berührt; fer-
ners, daß der reiche Praſſer in der Hölle gerufen:
„Vater Abraham, erbarme dich meiner.“ Waren ſie
deßwegen Abgötterer? Und wenn zu dir ein armer
Menſch kömmt, und ſpricht dich an: „o guter Bauer!
erbarme dich meiner in meiner Noth und ſchenke
mir dieß und das und hilf mir; wirſt du ihn für
einen Abgötterer halten; indem du ihm zumutheſt,
er bitte dich, als wäreſt du Gott?
10. „Ich meine, wir brechen jetzt unſern Discurs
über die beſondern Glaubensſachen ab, die bei uns
und bei euch ſind denn ſonſt kommen wir weiß
Gott wohin. Aber dieß muß ich dir noch ſagen,
daß unſere Paſtoren und evangeliſchen Kirchenvor-
ſteher hochſtudirte und gelehrte Männer ſind, die uns
wohl zu lehren wiſſen werden, was zum chriſtlichen
Glauben und Leben gehört.“
Und bei uns ſind der Papſt und die Cardinäle
und die Biſchöfe und die Domherrn, die Dechante
und Pfarrer bis auf den letzten Hilfsprieſter herab
auch nicht unſtudirte oder ungelehrte Männer, und
wirſt mir da bei einem Vergleich nichts voraus
haben können; und wenn wir erſt, nach der Mehr-
– 106 –
heit der Simmen für den katholiſchen und evangeli-
ſchen Glauben zählen wollten, da würdeſt du weit
zu kurz kommen - -
Jch Pinzgauer-Bauer verſtehe es am wenigſten,
über die Gelehrſamkeit der Geiſtlichen zu urtheilen,
und wenn einer derſelben nur ein braver Prieſter
iſt, ſo iſt er mir gelehrt genug; obwohl ich vor
ihnen Reſpect habe nicht nur bei unſern, ſondern
auch bei euern Geiſtlichen. Doch wenn ich von der
Gelehrſamkeit reden höre, ſo denke ich allzeit auch
an jene, von welcher der hl. Paulus ſagt, daß die
Gelehrſamkeit aufbläht d. h., zur Prahlerei verleitet,
in welcher ſich dann Jemaud etwas zu wiſſen dünkt,
aber noch nicht erkennt auf welche Weiſe er wiſſen
ſoll, und daher von ſeiner Einſicht keinen rechten
Gebrauch macht.
Dem Saulus nachher Paulus, wird gewiß Nie-
mand die Gelehrſamkeit abſprechen, aber ehe ihm
nicht unſer Herr Jeſus Chriſtus, ſo zu ſagen, in
ſeiner hl. Kirche hineingeleucht hat, was war es
mit ſeiner Gelehrſamkeit? Sie konnte ihn nicht ab-
halten die Kirche Gottes zu verfolgen, was er immer
ſehr betrauerte, und ſich deswegen den geringſten
unter den Apoſteln und eine unzeitige Geburt nannte.
Dieſer hl. Apoſtel hat es auch ganz offen ge-
ſagt: „(Nicht durch die Gelehrſamkeit, ſondern) durch
die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und ſeine
Gnade iſt in mir nicht unwirkſam geblieben; denn
ich habe mehr als ſie alle gearbeitet, doch nicht ich,
ſondern die Gnade Gottes mit mir.
– 107–
Von jeher hat die Kirche Chriſti mit den jüdiſchen
Schriftgelehrten den heidniſchen Weltweiſen und auch
mit ſolchen, die ſich in ihrem eigenen Schooße mit
ihrem Verſtande und ihren Kenntniſſen verſtiegen
hatten, die ſchwerſten Kämpfe zu beſtehen gehabt;
aber ſie hat nie den Sieg verloren, und nicht ſelten -
ereignete es ſich, daß nicht ein weltberühmter Gottes-
gelehrter einen Goliath der Weltweisheit und des
Scharfſinnes niedergeworfen und ihm den Kopf ab-
geſchlagen hat, ſondern ein einfacher und unſtudirter,
aber gläubiger und frommer David.
So weiß ich dir eine wahre und wirkliche Be-
gebenheit aus der Kirchengeſchichte zu erzählen. Sie
iſt nicht lang und langweilig. -
Um das Jahr 325 nach Chriſti Geburt wurde
unter Kaiſer Conſtantin das erſte Concilium d. h.
eine allgemeine Kirchenverſammlung gehalten, be-
ſonders wider den Ketzer Arius, welcher die Gott-
heit Chriſti leugnete; und zwar zu Nicäa. Der
Vorwitz heidniſcher Philoſophen oder Weltweiſen
trieb einige derſelben an, dorthin zu reiſen, und die
Geſellſchaft von Männern zu beobachten, die ein
großer Kaiſer vom Morgenlande und Abendlande
zur Beantwortung von Fragen, welche die unſicht-
bare Welt betroffen, herbeigerufen hatte.
Einer der Philoſophen ließ ſich in Geſellſchaft
von Geiſtlichen, welche vielleicht in frommen Werken
geübter waren, als in künſtlicher Rede, mit ihnen
in ein Geſpräch über die Religion ein. Da trat
ein alter Laie hinzu, d. h. ein Greis weltlichen
Standes und nahm das Wort. Einige der Chriſten
– 108 –
hatten ihre Freude an ſeiner Kühnheit, den Geiſt-
lichen aber wurde bange, daß der gute alte Mann
die heilige Lehre gegen einen gewandten Philoſophen
zu vertheidigen wenig geeignet ſein möchte: gleich-
wohl ließen ſie ihn reden, weil ſie ihn verehrten als
einen in der Verfolgung geprüften edelmüthigen Be-
kenner Jeſu Chriſti.
Da ſagte er zum Weltweiſen: „Philoſoph, ich
beſchwöre dich bei Jeſu Chriſto, mich anzuhören !
„Es iſt nur ein Gott, der den Himmel, die Erde,
und alles, was wir ſehen durch die Kraft ſeines
Wortes erſchaffen und allen Dingen Beſtand gege-
ben hat durch die Heiligkeit ſeines Geiſtes. Das
Wort, welches wir den Sohn Gottes nennen, er-
barmte ſich des Irrſals der Menſchen, in welchem
ſie umhergetrieben wurden, wie das unwiſſende Vieh.
Er ließ es ſich gefallen, geboren zu werden von
einem Weibe, zu leben unter den Menſchen und
zu ſterben für ihr Heil. Wiederkommen wird er
dereinſt, jeden zu richten nach dem, was er im
Leben wird gethan haben. Mit Einfalt glauben
wir das; wolle nicht vergeblich Wahrheiten beſtreiten,
welche nur der Glaube begreifen kann. Sage mir
nur, ob du glaubſt?“
Ergriffen von der allmächtigen Gnade antwortete
der Philoſoph: „Ja ich glaube.“ Dann dankte er
dem wackern Greiſe, ihn beſiegt zu haben, erklärte
daß er durch göttliche Eingebung zum Glauben ge-
führt ſei, und gab ſeinen Freunden den Rath, ihm
zu folgen.
Und nun noch eine kurze Erzählung.
– 109 –
Derſelbe Kaiſer Conſtantin der Große gab den
Chriſten zuerſt die Freiheit zur Ausübung ihrer
heil. Religion, und verhalf ihnen auch dazu, indem
er die meiſten ſeiner neuern Provinzen mit chriſtlichen
Statthaltern verſah, und denjenigen, die noch Heiden
waren, den Götzen zu opfern verboth; indem er
durch mancherlei Verfügungen den Götzendienſt über-
haupt beſchränkte, mit Eifer die Verbreitung der
heiligen Lehre beförderte, den Bau neuer Kirchen
auf öffentliche Unkoſten betrieb und dazu in Briefen
die Statthalter und Biſchöfe ermunterte.
Mißfiel auch den Heiden dieſer thätige Eifer
des Kaiſers für die Religion, ſo befanden ſie ſich
doch glücklich unter dem Scepter dieſes großen und
weiſen Fürſten, und manche wurden durch den
offenbaren Schutz Gottes, welcher über Conſtantin
waltete, auf ernſte Betrachtungen geführt und der
heiligen Lehre zugewandt. Andere hingegen klagten
oder murrten über den Sturz des Götzendienſtes.
Als Conſtantin einſt nach Byzanz kam, machten
Philoſophen ihm Vorſtellungen darüber, daß die
alte Religion der Väter einer neuen weichen ſollte,
und begehrten von ihm zu veranſtalten, daß der
Biſchof der Stadt, welches der heil. Alexander war,
ſich mit ihnen in eine Unterredung über dieſen
Gegenſtand einlaſſen möchte. Alexander nicht ge-
wohnt, im Wortſtreit zu glänzen, nahm die Auf-
forderung gleichwohl an, und verlangte, ſie möchten
einen ausſuchen, der ihre Sache führen ſollte. Als
ſie das gethan hatten, wandte ſich Alexander gegen ihn
mit den Worten: „Ich befehle dir im Namen
– 110 –
Jeſu Chriſti: ſchweig.“ Der Menſch verſtummte,
und der Geſchichtsſchreiber bemerkt, es möge wohl
als ein großes Wunder angeſehen werden, daß ein
Weltweiſer zum Schweigen gebracht worden.“
Aus Dieſem wirſt du erſehen, daß der Herr zur
Verkündigung und Vertheidigung ſeiner göttlichen
Lehre nicht gerade hochſtudirter und gelehrter Männer
bedürfe, wie er dieſes ſchon bei der Wahl und
Sendung ſeiner Apoſtel gezeigt und es beinahe aus-
geſprochen hat mit den Worten zu ihnen: „ . . . Vor
Statthalter und vor Könige werdet ihr geführet werden
um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeug-
niß (daß meine Lehre eine göttliche und ihre Wider-
ſetzlichkeit nicht zu entſchuldigen ſei.) Wenn ſie euch
aber überliefern, ſo ſinnet nicht nach, wie oder was
ihr reden ſollet; denn es wird euch in jener Stunde
gegeben werden, was ihr reden ſollet.
11. Ich habe aber auch gehört, daß die kath.
Geiſtlichen ſtolze Männer ſind.
Dieß kann, und will ich auch nicht beurtheilen;
denn ich ſehe nicht in ihr Herz hinein, und kenne
nicht alle. Aber bei dieſer deiner Beſchuldigung der-
ſelben denke ich, daß unſere Geiſtlichen doch auch
haben ſtudiren müſſen, wie die eurigen. Iſt einer
ein ſtolzer Student und dabei ein guter oder gar
ausgezeichneter, ſo hat er die Welt im Kopf, und
trägt auf was Höheres in derſelben an, als auf den
geiſtlichen Stand, welcher von jeher der Welt zu-
wider war, und es ihr beſonders jetzt iſt. Selbſt die
Auszeichnung und höchſten Einkünfte ſind trübe und
klein. Und da man Niemand zum geiſtlichen Stande
– 1 1 1 –
- zwingt, ſo wird ſchon ein ſtolzer Student nicht
Geiſtlicher werden wollen, und in den geiſtlichen
Stand kommen. Und würde es ein ſolcher auch
wollen, ſo läßt man ihn nicht dazu eintreten. Ein
alter Geiſtlicher hat mir erzählt, daß einſt ein
ausgezeichnet guter Student, der ſich aber ſehr viel
darauf einbildete, zur Aufnahme in den Prieſter-
ſtand ſich gemeldet habe. Als er nun bei der ent-
ſcheidenden Prüfung hiezu die Aufgabe erhielt, das
Daſein Gottes nachzuweiſen, ſchien ihm dieß für
ſeine Talente und Kenntniſſe viel zu leicht, und in
einiger Aufgeregtheit ſprach er zu dem Vorſitzenden
bei der Prüfung: „Der Löwe fängt keine Mücken.“
Dieſer antwortete ſchnell darauf: „Und die Kirche
verwirft die Stolzen.“ Und er wurde auch richtig
nicht aufgenommen.
Im geiſtlichen Stande ſelbſt, ſo kömmt mir vor,
haben unſere katholiſchen Prieſter wohl keine Urſache,
ſtolz zu werden oder ſtolz zu ſein, ſie mögen hin-
ſchauen wo ſie wollen, die Pfarrer nicht und noch
viel weniger die Hilfsprieſter. Alles, Alles, ihre
zeitlichen Verhältniſſe, ihre prieſterlichen Handlungen
ihre geiſtlichen Geſchäfte rufen ihnen oſt und oft
den Ausſpruch des Herrn zu: „Ich bin nicht ge-
kommen, um bedient zu werden, ſondern um zu
dienen.“
Manchen mögen unſere Geiſtlichen ſtolz vor-
kommen, weil dieſe ſich von dem Treiben der
Welt zurückziehen, auch wohl dagegen auftreten,
darüber zurechtweiſen und dieß und das verhindern,
was dem Gelüſte des Böſen gefällig wäre. Aber
– 112 –
das iſt ja ihr Beruf, und nicht Stolz. Das thun
ja auch alle geſetzten Männer und insbeſonders
rechtſchaffene Hausväter, ſind ſie deßwegen ſtolz?
So viel ich unſere Geiſtlichen kennen gelernt
habe, und das ſind Viele, ſo habe ich wohl nichts
vom Stolz an ihnen finden können, und am aller-
wenigſten davon an unſern höchſten Geiſtlichen,
unſern Erzbiſchöfen und Domherren. Kein noch ſo
einfacher Bauersmann, auch nicht der ärmſte An-
leger und Bettler hat zu fürchten, vor ihren Thüren
zurückgewieſen zu werden und darf verſichert ſein,
daß ſie ihn, wie ich es ſelbſt zu Duzendenmalen
erfahren habe, in jedem Anliegen mit Geduld an-
hören und ihm in Rath und That beiſtehen werden.
Unvergeßlich iſt mir, wie der vorige Erzbiſchof
Cardinal und Fürſt Schwarzenberg bei ſeinen
Kirchen-Viſitationen auf dem Lande allzeit um die
Kranken gefragt, und ſie dann auch in dem niedrig-
ſten Häuslein und ärmlichſten Kämmerlein beſucht
hat. Dasſelbe geſchieht auch von dem jetzigen gelieb-
teſten Fürſterzbiſchof Maximilian v. Tarnoczy –
und von Höchſtdieſem habe ich, der Ebner-Bauer,
vorzüglich zwei Beweiſe der Herablaſſung in meinem
Herzen, die mir Niemand herausreiſſen kann. Den
erſten darin, daß der geliebte Oberhirt Höchſtſelbſt
mir ſo liebevoll und väterlich zu meiner Pilgerreiſe
nach Jeruſalem und Rom verholfen hat, und den
zweiten darin, daß Hochderſelbe einſt auf einer Reiſe
in das Pinzgau in das Seitenhal Alm hineingefahren
iſt, um unſern ſchon lange kranken Herrn Pfarrer
zu beſuchen, und bei dieſer Gelegenheit auch in
– 113 –
mein eine halbe Stunde von der Kirche entferntes
heimathliches Bauernhaus zu kommen, und alle meine
heiligen Sachen, die ich von meiner Pilgerfahrt mit-
brachte, und in meiner Hauskapelle, die leider auf
dem Dachboden iſt, aufſtellte, zu beſehen geruhte.
Wie nun, wirſt du noch glauben, daß unſere
Geiſtlichen ſtolz ſind?
Es heißt freilich, die hohen Herren ſeien herab-
laſſender, als die niedrigen Herrn; die großen Geiſter
ſeien demüthiger, als die Kleingeiſter; mit den
Herrſchaften ſei viel leichter auszukommen, als mit
ihrem Bedienten-Volk; allzeit beſſer ſei der Schmid,
als das Schmidl u. dgl., und ſo könnte es wohl
ſein, daß ſich auch unter den Geiſtlichen bei
uns hie und da ein ſtolzer befinde; aber alle euere
Paſtoren werden wohl auch nicht demüthige Männer
ſein? Und wenn ich von ſtolzen Leuten und auch
Geiſtlichen höre, ſo denke ich allzeit an jene in die
Höhe geſchoſſenen Halme auf meinen Getreidefeldern,
die weit über die andern hinausſchauen und ihre
Aehren in die Höhe richten, wenn man aber um die
Frucht ſchaut, beinahe Nichts darin haben.
12. Unterdeſſen kamen wir zu einem Bauern-
hauſe und da ſprach er: Jetzt, mein Freund! muß
ich dich verlaſſen, denn hier iſt meine Heimath;
und ich wünſchte, daß ich noch weiter mit dir hätte
gehen können. Ich drückte ihm zum Abſchiede feſt
die Hand, und bath ihn nur noch, mir zu zeigen,
welcher Gegend zu Maria Zell liege. Er ſprach
und deutete: dort rechts hinaus kömmſt du dahin,
und du mußt durch dieſes Thal und über die
8
– 114 –
hohen Berge dort hinüber. Hiemit trennten wir uns,
und ich hatte ein wehmüthiges Gefühl bei dem Ge-
danken, daß wir wohl nimmer mehr auf dieſer Welt
noch einmal zuſammenkommen und mitſammen gehen
und ſprechen werden.
III. Betrachtungen.
1. Ich war nun einſam auf dem Wege nach
Maria-Zell. Daß mich mein früherer proteſtantiſcher
Weggefährte in die Kenntniß geſetzt hat, ich müſſe
durch dieſes Thal und über die hohen Berge hinüber,
um nach Maria-Zell zu kommen, ſchreckte mich nicht;
und ich dachte: Jedes Thal will ich durchwandeln
und jeden Berg überſteigen, um zu dieſem Gnaden-
orte zu gelangen, wenn mir nur Gott die Kräfte
dazu gibt, und nicht will, daß ich auf dem Wege
erliege. Aber ſtärker klangen dieſe letzten Worte
meines Gefährten: „Dort rechts hinaus kömmſt du
nach Maria-Zell,“ dieſe Worte klangen ſtärker in
meinen Ohren und gingen mir zu Herzen. Alſo
er weiß den Weg, und zeigt ihn mir, und geht ihn
ſelber nicht. Was hält dieſen gutmüthigen Mann
davon ab? ich meine, dieſen hält nichts davon ab
als die Irrlehre. O alte Schlange! die dir glauben
umſchlingeſt du, und verleiteſt ſie, mit dir der
Mutter Gottes wenigſtens in die Ferſe zu ſtechen,
weil du ihr anders nicht ſchaden kannſt!
Dieſer Mann hat mir den Weg gezeigt, und
geht ihn ſelber nicht; darum kam er mir vor, wie
ein Meilenzeiger an der Landſtraße, der dem
Wanderer die Orte angibt, wo ſie hinkommen,
– 115 –
ſelbſt aber immer auf dem alten Flecke bleibt, bis
er abfault; und dieß brachte mich zur Erneuerung
meines Vorſatzes, als Mitglied der Herz Maria
Bruderſchaft täglich fleißig die Gebethe um die Be-
kehrung der Sünder, Irr- und Ungläubigen zu
verrichten, und insbeſondere aber die Mutter Gottes
vor ihrem Gnadenbilde in Maria - Zell um ihre
Fürbitte anzuflehen, daß dieſer Mann, der ſo be-
reitwillig den Wallfahrtern den Weg zu ihr zeigt,
nicht als ein unbeweglicher Meilenzeiger an der
Straße bleibe, ſondern auch zu ihr komme, ſie ſuche,
und von ihr an- und aufgenommen werde. „O Maria,
ohne Mackel empfangen, du Zuflucht der Sünder,
bitt für uns.“
Immer noch klangen mir die Worte: „Dort rechts
hinaus“ in meinen Ohren und gingen mir zu
Herzen. -
Mein Gefährte ging eine lange Wegesſtrecke
neben mir, und bei der Scheidung gehe ich rechts
hinaus, er aber bleibt links in ſeiner Heimath.
O Gott! was drängt ſich hier für ein Gedanke
hervor? Sollte ich dieſes als ein Vorbild deſſen
erkennen, was bei der Scheidung durch den Tod
mit den Katholiſchen und Nichtkatholiſchen geſchieht,
die oft die ganze Wegesſtrecke ihreszeitlichen Lebens
mitſammen und nebeneinander gehen als Manu
und Weib, als Eltern und Kinder, als Vorgeſetzte
und Untergebene oder als Geſchäftsleute. Doch der
Herr hat es zwar ausgeſprechen: „Wer nicht glaubt,
der iſt ſchon gerichtet; aber er hat mich nicht auf-
geſtellt, auf irgend Jemand dieſes urteil anzuwen-
8
– 116 –
den, und die katholiſche Kirche ſelbſt entſchuldiget
alle Nichtkatholiſchen, welche nicht wiſſentlich und
freiwillig und hartnäkig in dem Irrthum verharren.
Allein ſchon in dieſem Leben ſcheinen mir die
Nichtkatholiſchen auf die linke Seite geſtellt und die
Zurückgeſetzten zu ſein, da ihnen in geiſtiger Hin-
ſicht Vieles nicht zu Theil wird, was wir Katholiſche
haben z. B. die heiligen Sakramente, und das
heiligſte Meßopfer, und darum bedauere ich ſie.
Dabei gab es mir einen Stich durchs Herz,
denn ich dachte, welch ein ſchweres Gericht über
jene Katholiſchen ergehen wird, welche bei allen
Gnadenmitteln und Heilsanſtalten ein unchriſtliches
ja oft ein viel ausgelaſſeneres Leben führen, als
die Nichtkatholiſchen.
2. Viel beſchäftigte ich mich im Gedanken mit
dem, daß die Proteſtanten an die Gegenwart Chriſti
im Abendmahle bei dem Empfange desſelben glau-
ben, auſſerdem aber nicht; ſo, daß ſie die Hoſtie
nicht zur Anbethung ausſetzen, ſie auch nicht in einem
Ciborium aufbewahren und zu den Kranken tragen.
Das dachte ich mir, kann ja doch nichts anders
ſein, als ein halber Glaube. Denn als der Herr
beim letzten Abendmahle das Brod in ſeinen aller-
heiligſten Leib verwandelte, ſo hatte er ja dieſen in
Geſtalt des Brodes doch wenigſtens einige Augen-
blicke in ſeinen Händen, ehe er ihn hingab, oder es
hatten ihn die Jünger einige Augenblicke in ihren
Händen ehe ſie ihn genoſſen, und dieß muß mir
ja anzeigen, daß der allerheiligſte Leib ſchon alſo
– 117 –
auch außer dem Empfange da war und iſt. Und
was haben denn etwa die Proteſtanten für eine
Bibelſtelle, womit ſie beweiſen, daß Chriſtus
im Abendmahle nur während des Empfanges gegen-
wärtig ſei, außerdem aber aus der Hoſtie verſchwinde?
Ich fürchte, ich früchte, oder ich bin vielmehr
überzeugt, ſie haben den Leib des Herrn und ſomit
das allerheiligſte Altarsſakrament gar nicht, – denn
ihre Geiſtlichen ſind ja keine Prieſter, die da dem
Befehle des Herrn nachkommen könnten: „Dieß
thut zu meinem Andenken.“
Dabei kam mir das Evangelium auf den 19. Sonn-
tag nach Pfingſten in den Sinn, wo es heißt, daß
der König zu ſeinen Knechten, welche die geladenen
Gäſte vergebens zur Hochzeit gerufen hatten, ſprach:
„Gehet auf die Straſſen und ladet zur Hochzeit,
wen ihr findet.“
Und ich dachte mir: o mein Jeſus! wenn ich
dich wieder einmal im allerheiligſten Altarsſakramente
anbethe, und empfange, und das geſchieht, ſobald
ich kann; gib mir auch den Befehl, als deinem
Knechte, daß ich den proteſtantiſchen Weggefährten,
den ich ſo zu ſagen, auch auf der Straſſe gefunden
habe, zu dir im allerheiligſten Altarsſakramente
führen ſoll, wenn wir Katholiſchen dich in demſelben
feierlich anbethen, und laſſe ihn dich ſehen, wie der
König, oder ſag' es ihm gerade heraus, wie du es
einſt den verblendeten Juden geſagt haſt, daß du
der Sohn Gottes und im allerheiligſten Altarsſakra-
mente zugegen biſt, nicht blos beim Empfange des-
– 118 –
ſelben, ſondern ſo lange die Geſtalt des geweihten
Brodes dauert, und das kleinſte Stücklein davon
übrig iſt.
Doch ich weiß, mein Jeſus! du brauchſt mich
armen Knecht nicht, wenn du in deiner Barmherzig-
keit den genannten Mann bei deinem Gaſtmahle
haben willſt. Damit die Menſchen aus der weiteſten
Entfernung, ja von einem Welttheile zum andern
recht ſchnell, ja gleichſam wie von Mund zu Mund
ſich verſtändigen können, dient ihnen der Telegraphen-
draht, und es gränzt dieſe Anſtalt, der man bei-
nahe überall begegnet, für mich Bauern an das
Wunderbare und flößt mir Hochachtung für den
menſchlichen Verſtand ein; aber dieß brauchſt du
Alles nicht zur Verſtändigung des Mannes, für den
ich dich, o Jeſus bitten will. Dein Licht, Dein Wort
und Deine Kraft hat ja auch den Saulus auf
dem Wege nach Damaskus plötzlich erreicht und
bekehrt! Ich las einmal von Tertullian, der zuerſt
ein ausgezeichneter Schriftſteller der kath. Kirche war,
hernach aber hartnäckig einem Irrthume anhing,
und der im 2. Jahrhunderte nach Chriſti Geburt
lebte, daß er erzählt, zu ſeiner Zeit ſei es der Ge-
brauch geweſen, daß man den Gläubigen das aller-
heiligſte Altarsſakrament mit nach Hauſe gegeben
habe, damit ſie es zu gelegener Zeit, und beſonders,
wann ihnen das Marterthum bevorſtand, was damals
alle Tage und Stunden ſein konnte, zu ſich nehmen
könnten. Da habe nun einmal ein Weib das Gefäß,
in welchem ihr das allerheiligſte Altarsſakrament mit-
gegeben wurde mit unreinen Händen zu öffnen ver-
– 119 –
ſucht, und es ſei daraus Feuer hervorgebrochen,
worüber ſie entſetzlich erſchrack.
Auch von dem hl. Franz von Sales las ich die
Erzählung folgender Begebenheit: „In einer Stadt
Frankreichs war es Gebrauch, an einem gewiſſen
Tage des Jahres in der Kirche auf einem hölzernen
mit Tapeten und Lichtern geſchmackvoll gezierten
Gerüſte das allerheiligſte Sakrament in der Mon-
ſtranze auszuſetzen, und auch die ganze Nacht ſo ſtehen
zu laſſen. Da ereignete es ſich, daß, als ſich die
Gläubigen entfernt hatten, und der Sakriſtan ein-
geſchlummert war, eine Tapete Feuer fing, und das
ganze Gerüſte zuſammenbrannte. Was geſchah aber
mit dem Hochwürdigſten Gnt? Iſt es auch ver-
brannt? Nein; es blieb unverletzt, und ſtand frei in
der Luft von Mitternacht bis zum Morgen. Die
ganze Stadt lief herbei. Der Prieſter wollte das
Hochwürdigſte Gut ehrerbietig auf den Hochaltar
zurücktragen, war es aber nicht im Stande.
Er hielt nun das Hochamt, und als das Sank-
tus vorüber war, ſiehe, da erhob ſich die Monſtranze,
ſchwebte langſam auf den Hochaltar hin, und ſtellte
ſich ſelbſt auf ihren gewöhnlichen Platz; zugleich
hörte man hoch in der Luft den Klang eines Silber-
glöckleins. Das Volk ſah es, hörte es, fiel anbethend
auf die Knie und rief: „Hochgelobt ſei Jeſus im
heiligſten Altarsſakrament.“ Jährlich wurde an die-
ſem Tage ein Hochamt zur dankbaren Erinnerung an
dieſes Wunder in derſelben Kirche abgehalten, und
dabei das heiligſte Sakrament in der Monſtranze aus-
geſetzt. Sobald das Sanktus vorüber war, ertönte
– 120 –
das Silberglöcklein in der Luft, das hochwürdigſte
Gut erhob ſich, ſchwebte hin an die Stelle, an der
es an jenem Tage der Feuersbrunſt geſtanden, und
blieb frei in der Luft ſtehen, nach der Communion
aber ſchwebte es wieder auf den Altar zurück. Dieſes
geſchah viele Jahre und wurde von Tauſeuden geſe-
hen. Der h. Franz von Sales wallfahrtete ſelbſt zu
dieſer wunderbaren Hoſtie.
O mein Gott! ſind denn das nicht wunderbare
Zeichen zum Zeugniß, daß unſer Herr nicht blos
im Empfange des allerheiligſten Altarsſakramentes,
ſondern auch außer demſelben zugegen iſt; und müßte
denn dieſes nicht auch die Proteſtanten davon über-
zeugen, aber ſie kommen halt nicht herzu, das iſt
das Traurigſte ! .
Doch ich will mich nicht mit den Proteſtanten
ſo beeifern, daß ich darüber auf mich ſelber vergeſſe, ſon-
dern durch dieſe Betrachtung angeregt, den Vorſatz er-
neuern, meinen eigenen Glauben an das allerheiligſte
Altarsſakrament mit dem zu erwecken, daß ich denke
oder ſpreche: „O Jeſus, du ewige Wahrheit! feſt
und ungezweifelt glaube ich, daß du im allerheilig-
ſten Sakramente mit Gottheit und Menſchheit, mit
Fleiſch und Blut, mit Leib und Seele, wahrhaft,
wirklich und weſentlich gegenwärtig biſt. Zwar ſehen
dich meine leiblichen Augen nicht; auch vermag es
mein Verſtand nicht zu begreifen, wie unter den ein-
fachen Geſtalten des Brodes und Weines Du ganz
als wahrer und lebendiger Gott und Menſch zuge-
gen ſein könneſt. Gerne aber gebe ich meine Sinne
und meinen Verſtand gefangen, denn du haſt es ſelbſt
– 121 –
geſagt: „Dies iſt mein Leib; dies iſt mein Blut.“
Dein Wort trügt nicht: denn du biſt die Wahrheit
und dein Wort iſt allmächtig, und vermag mehr zu
wirken, als alle Geſchöpfe zu begreifen vermögen. Es
war ja nur Deine Weisheit und Liebe, die Dich in die
einfachen Brod- und Weingeſtalten gehüllt hat, da-
mit der Glanz Deiner Majeſtät uns nicht zurück-
ſchrecke, und es Dir möglich würde, Dich aufs In-
nigſte mit uns zu vereinigen. Darum glaube ich, was
ich nicht ſehe, und dieß ſo feſt, daß ich für dieſen
meinen Glauben jede Stunde bereit bin, mein Le-
ben zu opfern. O Jeſus, du Urheber und Vollen-
der des Glaubens, erhalte, ſtärke und vermehre mei-
nen Glauben Amen.“ Ich leſe dieß aus dem ſchönen
Gebethbuch der Marianiſchen Geſellſchaft in Inns-
bruck, und wahrlich es iſt ganz aus der Seele geſprochen.
3. Völlig betrübt dachte ich weiter, daß die Pro-
teſtanten das heiligſte Meßopfer nicht haben; alſo
bei ihnen ein Gottesdienſt iſt ohne öffentliches feier-
liches Opfer. So ein Gottesdienſt aber kömmt mir
höchſt mangelhaft vor, wenn ich betrachte, wie ſchon
Abel, Noe und Abraham bei ihren Gottesdienſten
Opfer dargebracht haben, und beſonders Melchiſedech
Brod und Wein opferte, und zwar, wie wir Katho-
liſche wiſſen, als ein Vorbild des Opfers im neuen
Bunde: wenn ich betrachte, was im moſaiſchen Geſetze
Alles von Gott beſtimmt und angeordnet worden
iſt in Beziehung ſowohl auf die Wahl des rechten
Opfers, als auch auf die Weiſe recht zu opfern;
wenn ich betrachte, daß die Propheten nicht nur von
dem blutigen Opfer Chriſti am Kreuze, ſondern von
– ! 22 –
ihm auch als dem Hohenprieſter nach der Ordnung
des Melchiſedechs, der in Brod und Wein opferte,
geweiſſagt haben, und Einer derſelben es ganz deut-
lich ausgeſprochen hat, daß an allen Orten vom Auf-
gang der Sonne bis zum Untergange dem Herrn der
Herrſcharren ein reines Ofer wird dargebracht wer-
gen, ein reines Opfer welches nie unrein wird, we-
der durch den opfernden Prieſter noch durch die dem
Opfer beiwohuende Gemeinde; und von welchem
Ausſpruche alle katholiſchen Lehrer predigen, daß er
in dem Opfer der h. Meſſe in Erfüllung gegangen ſei.
Auch war ja von jeher in der kath. Kirche das
hl. Meßopfer der Glanzpunkt des öffentlichen feierlichen
Gottesdienſtes; und nur dem Luther im 16. Jahr-
hundert und ſeinem Anhange war auf einmal das
hl. Meßopfer nicht mehr recht. Was aber alle kath.
Chriſten zu allen Zeiten und an allen Orten ge-
glaubt und gehabt haben, das wird ja doch wegen
der Einbildung oder des Eigenſinnes eines einzelnen
oder auch mehrerer Menſchen nicht plötzlich zu Nichts
werden?
Ich habe auch gehört, daß der Luther das Eine
Mal gelehrt habe, es ſei ein gottloſer Gebrauch in
der Kirche, anzunehmen, daß die Meſſe ein gutes
Werk und ein Opfer ſei; und ein Anderes Mal
wieder ſich auf die Beſtätigung der ganzen Kirche
berufen habe, daß die Meſſe für Lebende und Ver-
ſtorbene kräftig ſei. Wem könnte ſo etwas verläßlich
vorkommen?
Auch habe ich noch gehört, daß der Luther längere
Zeit in Ungewißheit und Zweifel geweſen iſt, ob er
–- 1 23 –
in ſeinem neuen Glauben die Meſſe abſchaffen oder
beibehalten ſoll, bis ihm, wie er ſelber es aus-
ſprach, endlich der Teufel eingeſprochen hat, er ſolle
ſie abſchaffen. Wo hat man denn doch gehört, daß
ein Chriſtenmenſch den Teufel als den Urheber und
Träger der Wahrheit aufgeſtellt hat, von dem doch
Jedermann weiß, daß er der Vater der Lüge iſt,
und der Feind Gottes und der Menſchen? Nein!
da bleibe ich bei dem Glauben meiner heiligen kath.
Kirche, die ihn nicht von dem Teufel, ſondern vom
heiligen Geiſte hat, und leſe gerne wieder einmal,
was der Katechismus zu mir vom heil. Meßopfer
ſagt, und ſchreibe es gleich hieher, weil es Niemand
ſchaden wird, wenn er es auch mit mir liest:
Von der heiligen Meſſe.
a) Was die heil. Meſſe iſt und was in derſelben
geſchieht.
Die heil. Meſſe iſt das unblutige Opfer des
neuen Teſtamentes, das immerwährende Denkmal
des blutigen Opfers, welches Jeſus Chriſtus am
Kreuze vollbracht hat. Die hl. Meſſe nennt man ein
Opfer, weil in derſelben Gott dem Allmächtigen,
der Leib und das Blut Jeſu Chriſti auf dem Altare
dargebracht wird. Sie heißt ein unblutiges Opſer,
weil in derſelben kein Blut vergoſſen wird, wie es
am Kreuze geſchehen iſt.
Jeſus Chriſtus hat das heil. Meßopfer im letzten
Abendmahle eingeſetzt.
– 124 –
1. Er nahm das Brod und den Kelch mit
Wein.
2. Er ſegnete beides, und ſprach über das Brod:
Das iſt mein Leib; und über den Kelch: Dieß iſt
der Kelch meines Bluttes.
3. Er gab beides den anweſenden Apoſteln zu
genießen.
4. Er befahl: Das thut zu meinem Andenken.
Jeſus Chriſtus hat das heil. Meßopfer eingeſetzt:
1. Um in ſeiner Kirche ein wahres und eigent-
liches Opfer bis an das Ende der Welt zu hinterlaſſen.
2. Um das immerwährende Andenken des bluti-
gen Opfers am Kreuze in ſeiner Kirche zu erhalten.
3. Um uns ein beſonderes Merkmal ſeiner un-
endlichen Liebe zu geben.
In der heil. Meſſe opfert unſichtbarer Weiſe
Jeſus Chriſtus ſich ſelbſt ſeinem himmliſchen Vater
für uns anf; ſichtbarer Weiſe aber verrichtet dieſes
Opfer der Prieſter.
Das heilige Meßopfer iſt eben dasſelbe Opfer,
welches Jeſus Chriſtus am Kreuze vollbracht hat,
nur in der Weiſe zu opfern iſt ein Unterſchied. Am
Kreuze vergoß Jeſus Chriſtus ſein Blut, in dem
hl. Meßopfer wird kein Blut vergoßen.
Der Prieſter verrichtet das heil. Meßopfer ſo,
daß er eben das thut, was Jeſus Chriſtus im letzten
Abendmahle that.
1. Er nimmt das Brod und den Kelch mit
Wein.
2. Er ſegnet beides und ſpricht darüber eben
dieſelben Worte Jeſu Chriſti, durch welche die Ver-
– 125 –
wandlung des Brodes und Weines in den Leib und
das Blut Jeſu Chriſti geſchieht. -
3. Er ſelbſt genießt den Leib und das Blut
Jeſu Chriſti, und gibt beides unter der Geſtalt des
Brodes auch den Gläubigen, wenn ſie communiciren
wollen, zu genießen.
Der Prieſter verrichtet das heil. Meßopfer:
1. Um Gottes oberſte Herrſchaft, und die höchſte
Gewalt, die er über alle Geſchöpfe hat, zu bekennen.
2. Um Gott für alle ſeine Wohlthaten zu danken.
3. Um von Gott die Vergebung der Sünden zu
erlangen.
4. Um von Gott alle diejenigen Gnaden, deren
wir bedürftig ſind, zu erbitten.
Das heilige Meßopfer wird und kann nur Gott
allein geopfert werden. Es wird auch wohl zu Ehren
und zum Andenken der Heiligen abgehalten, allein
da opfert der Prieſter nicht den Heiligen, ſondern
Gott allein. Es wird zu Ehren der Heiligengehalten:
1. Um Gott für die Gnaden zu danken, welche
er den Heiligen erwieſen hat.
2. Um die Heiligen anzurufen, damit ſie ihre
Fürbitte bei Gott mit unſerm Gebethe vereinigen.
Es wird von dem Prieſter für Lebendige und Todte
geopfert.
b. Wie man die heil. Meſſe hören ſoll.
Man ſoll die hl. Meſſe ganz hören, keinen be-
trächtlichen Theil derſelben aus eigener Schuld ver-
ſäumen; es iſt nicht genug, nur gegenwärtig zu ſein,
– 126 –
da dieſelbe geleſen wird, man muß ſie 1. aufmerk-
ſam, 2. ehrerbietig, 3. andächtig hören.
Die heil. Meſſe aufmerkſam hören heißt: keine
freiwillige Zerſtreuung haben, auf die Theile der hl.
Meſſe Achtung geben, ſeinen Geiſt mit Gott be-
ſchäftigen.
Die hl. Meſſe ehrerbiethig hören heißt: der h.
Meſſe mit einer anſtändigen Leibesſtellung und mit
auferbaulichen Geberden beiwohnen. Man ſoll
1. wenn das Evangelium geleſen wird, ſtehen und
ſich mit dem Kreuze bezeichnen. Man ſoll
2. bei der Wandlung niederknieen, dabei ſowohl,
als bei der hl. Commnnien an die Bruſt klopfen.
3. Man ſoll bei der hl. Meſſe ſich nicht vor-
witzig umſehen.
4. Man ſoll auch alle andern Unanſtändigkeiten
als Schwätzen, Lachen u. dgl. meiden.
Die hl. Meſſe andächtig hören heißt: während
der hl. Meſſe, beſonders bei den vornehmſten Theilen
derſelben, Gott vom Herzen mit Demuth anbethen,
und ihm für die empfangenen Wohlthaten danken.
Die vornehmſten Teile der hl. Meſſe ſind:
das Evangelium, Offertorium, die Wandlung und
Communion.
Bei dem Evangelium ſoll man ſich erinnern,
daß es eine Schuldigkeit iſt, die Lehre des Evangeliums
zu erkennen, auch vor der ganzen Welt zu bekennen,
zu vertheidigen und darach zu leben.
Bei dem Offertorium ſoll man ſeine Meinung
mit der Meinung des Prieſters vereinigen und ſich
Gott aufopfern.
– 127 –
Bei der Wandlung ſoll man Jeſum Chriſtum
unter den Geſtalten des Brodes und Weines an-
bethen, und indem man an die Bruſt klopft, bekennen,
daß unſere Sünden am Tode Chriſti Schuld ſind.
Man ſoll ſeine Sünden bereuen, Glaube, Hoffnung
und Liebe erwecken.
Bei der Communion des Prieſters, wenn man
nicht wirklich communicirt, ſoll man es geiſtlicher
Weiſe thun, das iſt, man ſoll ein Verlangen haben,
den Leib Jeſu Chriſti würdig zu empfangen.
Bei dem bleibe ich mit der Gnade Gottes,
mag kommen was immer; und ich ſage, daß mir
davon jeder Punkt und jedes Wort lieber iſt, als
das proteſtantiſche Nichts von der hl. Meſſe.
Betrübt aber bei dieſer Betrachtung war ich
deßwegen, weil ich die armen Leute in dem pro-
teſtantiſchen Glauben bedauere, daß ſie Chriſten ſein
ſollen und doch das Höchſte, das hl. Meßopfer ent-
behren müſſen.
4. Nach dieſem drängten ſich erſt recht allerlei
Einfälle in meinen Sinn, wie ein verworrener Knäuel,
und ich hatte Mühe, wenigſtens Einige abzuwickeln.
So fiel mir ein:
a. Woher kommt denn das, daß die vielen ge-
ſcheidten, hochſtudirten und hochgelehrten Männer
bei den Proteſtanten den katholiſchen Glauben nicht
erkennen und nicht dazu kommen; ja, daß ſelbſt
unter ſolchen Katholiſchen Manche nur dem Namen
nach katholiſch ſind, im Grunde aber weder an Gott,
noch an den Teufel glauben, und ſo noch ſchlechter
als Letzterer ſind, der doch an Gott glaubt und
– 128 –
zittert? Ich dachte da hin und her, und auf ein
Mal an den Sturz der Engel. Dieſe waren hohe
Geiſter, welche Gott in ſeiner Gnade und mit vielen
Vollkommenheiten erſchaffen. Aber viele Engel haben
die Gnade Gottes durch die Sünde der Hoffahrt
verloren. Sie gaben Gott nicht die Ehre, und wollten
ſelbſt ſein wie Gott. Gott hat aber auch der Engel,
die geſündigt haben, nicht verſchonet, ſondern mit
hölliſchen Stricken ſie zur Hölle hinabgezogen, und
zur Peinigung übergeben, damit ſie zum Gerichte
aufbehalten werden. Dieſe Sünde der Hoffahrt nun
wird wohl auch bei hohen Geiſtern in menſch-
lichen Leibern eine Urſache ſein, daß ſie ſich von
Gott und ſeinem eingebornen Sohne Jeſus Chriſtus
und deſſen Kirche nicht führen und leiten laſſen wollen.
Dann dachte ich auch an Salomon, welcher
weiſe König durch ſeine unſinnige Weiberliebe um
den Glauben an den wahren Gott gekommen iſt,
und daß ſo etwas auch bei vielen Hohen, Weiſen
und Klugen der Welt eine Urſache ſein könnte, daß
ſie am hellen Mittag die Sonne nicht ſehen, und
die hl. kath. Kirche nicht erkennen, die doch der Herr,
um von allen geſehen werden zu können, wie eine
Stadt auf einen Berg gebaut hat.
Ich war jetzt hierüber für mich ſchon mehr im
Klaren, und brach die weitere Verfolgung dieſes
Einfalles ab; dachte aber dafür: „Bauer! wenn
du meinſt du habeſt einen beſſeren Glauben und
lebeſt vielleicht auch mehr darnach, als manche Andere;
ſo danke Gott dafür, verachte deßwegen Niemand,
bewahre dieſen deinen Glauben in einem guten Ge-
– 129 –
wiſſen, und bethe beſonders da fleißig mit, wenn
der Prieſter nach der Predigt beim pfarrlichen Gottes-
dienſte im Namen der ganzen Gemeinde zu Gott
ruft: „Vermehre uns den Glauben, ſtärke unſere
Hoffnung, entzünde in uns die göttliche Liebe.“
Dabei konnte ich mich des Gedankens nicht er-
wehren: Wenn doch Alle, die der Weisheit und
Wiſſenſchaft der Welt ihre Kräfte, ihren Fleiß und
oft auch ihr Leben opfern, auf den 3 Hochſchulen
ſtudiren möchten, welche das Chriſtenthum zu Bet-
lehem, zu Nazareth und zu Jeruſalem hat. Auf
der Hochſchule zu Betlehem wäre zu lernen, daß
wir im gutmüthigen Glauben den menſchgewordenen
Sohn Gottes, wie die Hirten anbethen; auf der
Hochſchule zu Nazareth wäre zu lernen, daß wir zu-
nehmen ſo wie an Alter, ſo auch an Weisheit und
Gnade bei Gott und den Menſchen, und auf der
Hochſchule zu Jeruſalem wäre zu lernen, daß wir
unſer Leben und Alles in demſelben in dem Glau-
ben und der Liebe zu dem gekreuzigten Erlöſer voll-
bringen. Und warum ſollten wir dieß nicht thun,
hat er ja auch Alles für uns hingegeben.
b. Ferners fiel mir ein: Woher kömmt denn
das, daß die Proteſtanten zur Geltendmachung ihres
Glaubens und in der Herabſetzung der katholiſchen
Kirche, häufig ein viel beſſeres Mundſtuck haben,
wie man ſagt, und viel mehr Lärm machen, als die
Katholiſchen in der Vertheidigung ihres Glaubens,
und die Katholiſchen oft überſchreien, ſo, daß es her-
ſieht, dieſe müſſen ſchweigen, und die Proteſtanten
haben Recht?
9
– 130 –
Da dachte ich an die beiden Weiber, von denen
ich aus der mir unvergeßlichen bibliſchen Geſchichte
in der Schule geleſen hatte, daß ſie für ihren Streit
wegen eines im Schlafe erdrückten Kindes die Ent-
ſcheidung bei dem Könige Salomon ſuchten; und
wie die falſche Anklägerin zuerſt vor dem Könige
das Wort ergriff, und ihm ein Langes und Breites
vortrug, während dem die unſchuldig Angeklagte ein-
fach darauf antwortete: „Es iſt nicht alſo, wie du
ſagſt, ſondern dein Sohn iſt todt, und der meinige
lebt.“
Auch dachte ich an unſern Herrn vor dem Hohen-
prieſter Caiphas, wo die Schriftgelehrten und Ael-
teſten ſich verſammelt hatten. Was machten dieſe für
Umtriebe, damit ſie falſches Zeugniß wider Jeſum
fänden und auch wirklich zu Stande brachten? Jeſus
aber ſchwieg ſtill.
Und als unſer Herr dem Hohenprieſter geſagt
hatte, daß er Chriſtus der Sohn Gottes ſei, und der
Hoheprieſter darauf dieß als eine Gottesläſterung er-
klärte, was ward erſt da für ein Toben wider Je-
ſum? Sie ſpieen in ſein Angeſicht und ſchlugen ihn
mit Fäuſten. Mit welcher Sanftmuth aber benahm
ſich und redete Jeſus. Selbſt zu dem Diener, der
ihm einen Backenſtreich gegeben hatte, ſprach er nur:
Habe ich unrecht geredet, ſo beweiſe, daß es Unrecht
ſei; habe ich aber recht geredet, warum ſchlägſt du
mich?
Jeſus alſo, der keine Sünde beging und in deſ-
ſen Mund kein Betrug gefunden ward, ſchalt nicht,
als er geſcholten ward, drohte nicht, da er litt, ſon-
– 131 –
dern überließ ſich dem, der ihn ungerecht verurtheilte
und ſtellte es Dem anheim, der gerecht richtet. Und
iſt das nicht das rechte Beiſpiel für die Katholiken
gegenüber dem Wortſchwall und Ungeſtüm mancher
Andersgläubiger? Sich andern vordrängen, ihnen
vorſchreien oder ſie überſchreien, iſt noch kein Zeug-
niß des Rechtes und der Wahrheit.
Dieß finden wir ja auch unter uns Bauern oft,
wenn Einer den Andern bei Gericht anklagt. Ge-
wöhnlich ſpricht und ſchreit der mehr, welcher Unrecht
hat, als der, welcher recht hat; und finden dieß auch
auf unſern Viehmärkten; wenn Einer ein Pferd oder
eine Kuh mit irgend einem Tadel oder Fehler ver-
kaufen will, da macht er gewiß mehr Lärm und Re-
dens als ein ſolcher, der etwas Rechtes zum Kaufe
bietet. Und was machen Einem erſt die ſogenann-
ten Marktſchreier und Händler mit allerlei Dingen
vor ? Nach ihren Reden und Anpreiſungen gebe es
ja oft in der ganzen Welt nichts Beſſeres, nichts
Wohlfeileres, nichts Geſünderes, nichts Schöneres,
als was ſie haben, wenn man aber dieß Alles für
Wahrheit nimmt, ſo iſt man gewiß angeführt, d. h.
betrogen.
So dachte ich, könnte es auch auf dem beſſern
Mundſtuck und den größeren Lärm der Proteſtan-
ten in der Geltendmachung ihres Glaubens ſein;
und dieß beruhigte mich.
c. Noch ein Einfall war da, nämlich: Die an-
dersgläubigen haben auch, und die meiſten, gut auf
der Welt zu leben, und viel beſſer oft, als die Ka-
tholiſchen; und wenn man betrachtet, wie die größ-
4 9
– 132 –
ten und mächtigſten Reiche der Welt, und die geſeg-
netſten, fruchtbarſten und reichſten Länder der Erde
der katholiſchen Kirche nicht nur nicht anhängen, ſon-
dern von ihr nichts wiſſen wollen, und ihre Mit-
glieder verfolgen, und ſogar dort, wo die katholiſche
Kirche bereits Wurzel gefaßt hat, ſie auszurotten
ſuchen; wo findet man denn da die beſondere Gunſt
und Vorſorge des Himmels für die Katholiſchen?
Doch dieſes Bedenken verſchwand, als ich an
die Worte des Herrn dachte: „Mein Reich iſt nicht
von dieſer Welt“ und an die Worte zu ſeinen Jün-
gern: „Wahrlich, wahrlich ſag' ich euch: ihr werdet
weinen und wehklagen, aber die Welt wird ſich er-
freuen. In der Welt werdet ihr Bedrängniß haben;
aber vertraut, ich habe die Welt überwunden“ –
und auch ihr überwindet ſie im Glauben an mich;
und als ich noch daran dachte, daß die wahre Kirche
Chriſti in einem Stalle und in der Armuth angefan-
gen, unter den ſchrecklichſten Gewaltthätigkeiten der
Tyrannen gewachſen, und unter Kreuz und Noth
groß und ſtark geworden iſt. Dieſer Weg zum Siege
und in den Himmel hat der Herr ſeiner Kirche und ihren
Mitgliedern vorgezeigt, und wer in ihr die Befrie-
digung der Habſucht, der Fleiſchesluſt und der Hof-
fart des Lebens ſucht, hat nicht Chriſti Geiſt. Daß
die Andersgläubigen eben ſo zeitlich glücklich, oder es
noch mehr ſind als die Katholiſchen, davon verſchwand
das Bedenken, wie eine Seifenblaſe, als ich an den
Ausſpruch des Hausvaters im Evangelium dachte:
„Laſſet beides zuſammen wachſen bis zur Ernte,“ und
mich erinnerte, was ich einmal in einer Predigt ge-
hört hatte, daß Gott oft die natürlichen Tugenden der
Menſchen durch zeitliches Glück belohnt. Ich dachte
weiters: Wenn Wohlſtand und Reichthum, ſchwung-
hafter Handel und glückliche Geldgeſchäfte das Kenn-
zeichen der wahren Religion wären, ſo müßten wir
uns alle vor den Juden verſtecken, und das Juden-
thum als den wahren Glauben betrachten, was aber
doch weder wir Katholiſchen noch die Proteſtanten zu-
geben werden.
d. An meinem frühern Weggefährten hatte ich
einen gutmüthigen, in ſeinem Glauben eifrigen, men-
ſchenfreundlichen und dienſtfertigen Proteſtanten kennen
gelernt, und wie viele ſolche und noch tugendhaftere
wird es unter ihnen geben? Es iſt bekannt, daß ſich
die Proteſtanten, was freilich beſonders von Gegen-
den gilt, wo ſie mit Katholiken vermiſcht leben, durch
Werke der Nächſtenliebe auszeichnen. Auch habe ich
öfters gehört, daß, wenn hie und da auch auf dem
Lande ein Handwerker einen Geſellen proteſtantiſcher
Religion aufnimmt oder bekommt, der Meiſter mit
einem ſolchen Geſellen wegen deſſen Kenntniſſen, ruhi-
gem und beſcheidenem Benehmen, Artigkeit und Inne-
haltung der Hausordnung oft mehr zufrieden geweſen
iſt, als mit manchem katholiſchen. Wie nun, werden
den Proteſtanten und überhaupt Andersgläubigen ihre
Tugenden uud guten Werke nicht auch in den Him-
mel verhelfen?
Dieſen Knopf bei der Abwickelung meiner Ein-
fälle auf dem Wallfahrtswege konnte ich nicht auf-
löſen, und dachte, dieß wird der liebe Gott in ſeiner
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit recht machen; nahm
– 134 –
mir aber vor, darüber einmal einen Geiſtlichen um
Aufſchluß zu erſuchen.
Das ſittſame Betragen vieler Proteſtanten aber
gab mir die Ermahnung ein, daß wir Katholiſchen den
Proteſtanten nicht nur im Glauben ſollen voraus ſein
wollen, was auch wirklich iſt, ſondern auch im chriſt-
lichen Leben und Ausübung der Tugenden, oder in der
Nachfolge Chriſti, Maria und der Heiligen voraus
ſein ſollen, indem ja ein ausgelaſſenes Leben der Ka-
tholiſchen der größte Widerſpruch ihres Glaubens iſt,
und ein Aergerniß für alle Andersgläubigen.
Bei dieſem Einfalle über die guten Werke der
Proteſtanten ſah ich mich aber auch um, was mich
als Katholiken der Katechismus von den guten Werken
und denſelben Verdienſten lehrt, und da las ich:
Gute Werke eines Chriſten ſind Handlungen,
welche Gott gefällig und für den Chriſten, der ſie
ausübet, verdienſtlich ſind. Gute Werke ſind zur Se-
ligkeit nothwendig, denn der Glaube ohne gute Werke
iſt todt. Durch gute Werke verdient man vor Gott
die Vermehrung der heiligmachenden Gnade, ewige und
zeitliche Belohnungen, welche Gott aus bloßer Gnade
denen verſprochen hat, die Gutes thun.
Gute Werke, die zur Seligkeit nothwendig und
bei Gott verdienſtlich ſind, kann der Menſch nicht aus
eigenen Kräften, ſondern nur mit dem Beiſtand der
göttlichen Gnade thun.
Gute Werke, welche bei Gott des ewigen Lebens
verdienſtlich ſein ſollen, müſſen vollbracht werden:
1. Im Stande der Gnade;
2, freiwillig;
– 135 –
3. nicht blos aus natürlichen oder eitlen Bewe-
gungsgründen, ſondern vorzüglich wegen Gott.
Nach dieſer Leſung kam mir mein Einfall über
die guten Werke der Proteſtanten völlig wie ein Vor-
witz vor, und ich kehrte ihn in den Vorſatz um, auf
mich ſelber zu ſchauen, und mit der Gnade Gottes
gute Werke zu thun, und ſie ſo zu thun, wie es da
ſteht, damit die guten Werke auch verdienſtlich bei
Gott ſeien.
5. Bei der fortwährenden Wahrnehmung bald
einer katholiſchen bald einer proteſtantiſchen Gemeinde
in dem lieben Steiermark dachte ich ſonderbarer Weiſe,
wie wir Bauern überhaupt oft fonderbare Gedanken
haben, an die Ketten des hl. Petrus, nämlich an jene
zwei, mit welchen er gefeſſelt im Kerker zu Jeruſalem
zwiſchen zwei Soldaten lag, die aber durch himmliſche
Kraft, die die Kirche durch unabläſſiges Gebeth für ihn
erfleht hatte, ihm von den Händen fielen; und an
jene Kette, welche dieſer hl. Apoſtel zu Rom im Ker-
ker zu tragen hatte, aus welchem er unter Kaiſer Nero
zum Martyrertode geführt wurde. Dieſe letztere Kette
ward in Rom aufbewahrt, jenes erſtere Paar Ketten
aber, oder wenigſtens Eine derſelben, in Jeruſalem,
und nach und nach aus Verehrung gegen den heiligen
Apoſtel mit Edelſteinen und Perlen beſetzt.
Als die Gemahlin des Kaiſers Theodoſius, Eu-
doxia, eine Wallfahrt nach Jeruſalem machte, erhielt
ſie dieſe zum Geſchenke, welche ſie aber hernach ihrer
Tochter Eudoxia nach Rom überſchickte. Dieſe ver-
ehrte ſie dem Papſte. Dabei ließ der Papſt ihr die
Kette zeigen, womit der hl. Petrus unter Nero be-
– 136 –
laſtet war. Als man nun beide, die zu Rom und die
von Jeruſalem war, mit einander verglich, ſchloſſen
ſie ſich zuſammen, ſo daß aus den zwei Ketten. Eine
ward.
Unter der Kette vom fernen Jeruſalem dachte ich
mir die Proteſtanten, unter der Kette in Rom die
Katholiken, und ich ſeufzte von Grund des Herzens
zu Gott, bei dem kein Ding unmöglich iſt, um die
Gnade, auf daß alle Chriſten auf der Welt, und be-
ſonders in Deutſchland und Oeſterreich, durch die Einig-
keit im Glauben zu Einer Kette ſich aneinander ſchlie-
ßen, welche Petrus zu Rom an ſeiner Hand trägt.
Und ich nahm mir vor, darum zur Mutter Got-
tes in Maria Zell zu bethen, daß ſie dieſe Einigkeit
im Glauben vermittle, wie einſt fromme Frauen in
kaiſerlicher Würde den Anſchluß der Ketten des hei-
ligen Petrus veranlaßt hatten.
IV. Maria Bell.
1. So ſinnend und betrachtend, bethend und manch-
mal auch ſeufzend, aber frohen Muthes kam ich end-
lich über Berg und Thal in das Gebirgsdorf Maria
Zell. Dieſes Dorf zählt 104 Häuſer, und liegt auf
einem grünen, abgeplatteten Hügel, der Sandbühel
genannt. Vom Marktplatze aus liegen die Häuſer an
drei Straßen, welche ſich in drei Thäler hinabziehen.
Am oberſten Ende des Ortes ſteht die Kirche,
zu welcher eine ſtufenreiche Treppe hinaufführt.
Die Kirche iſt die größte im ganzen Gebirgslande,
denn ſie hat 201 Fuß Länge, 67 Fuß Breite und
– 137 –
90 Fuß Höhe, und iſt mit drei Thürmen und einer
Kuppel geziert.
Der Mittelthurm iſt wunderſchön im gothiſchen
Style gebaut, und iſt noch von der alten, durch den
frommen König Ludwig gebauten Kirche ſtehen geblie-
ben. Gerade in der Mitte der Kirche, dem Hauptthore
gegenüber ſteht die Gnadenkapelle. Sie iſt im gothi-
ſchen Style aus Quaderſteinen gebaut, und bereits
über 600 Jahre alt. Sie iſt ziemlich geräumig, am
Gewölbe mit einer großen Oeffnung verſehen, inwen-
dig blau gemalt, und mit goldenen Sternen geziert,
von außen aber in Folge des hohen Alters von ſchwärz-
licher Farbe.
Hier nun ſteht auf einem ſilbernen Altare die Gna-
denſtatue. Sie iſt aus einem Stück Lindenholz ge-
ſchnitzt, 18 Zoll hoch, mit Oelfarben bemalt, und ſtellt
die Mutter des Heilandes ſitzend vor, wie ſie das Je-
ſuskind auf ihrem Schooße mit der rechten Hand
ſtützet, ihm mit der linken Hand eine Birne reicht,
und von demſelben dagegen einen Apfel empfängt.
Die Farben, obwohl ſie ſchon ſtark abgefallen ſind,
kann man noch ziemlich gut unterſcheiden. Das Kind
hat goldgelbe Haare, und ein weißes, goldverbrämtes
Hemdchen. Das Unterkleid der Mutter Gottes iſt ein
weißes, am Halſe goldgeſäumtes, in der Mitte
des Leibes durch eine goldene Binde zuſammengehal-
tenes Hemd, und ein ebenfalls weißes, über die Schul-
ter und das Haupt faltig gehülltes Tuch. Das Ober-
kleid iſt ein blauer, von den Schultern bis an die
Schuhe reichender Mantel mit rothem Unterfutter und
einem Goldſaume.
– 138 –
Der ſilberne Altar beſteht aus zwölf an beiden
Enden vergoldeten Säulen, welche eine ſchön gewölbte
etwas in die runde Oeffnung der Kapelle hinaufragende
Kuppel tragen. Dieſe Säulen ſind von Wolken durch-
zogen, auf welchen ſich mehrere Engelfiguren be-
finden.
In der Mitte wie von Wolken getragen, ſteht
ein reicher Baldachin. Unter dieſem pranget die in
koſtbare Kleider gehüllte Gnadenſtatue, das Haupt der
Mutter Gottes und des Jeſukindes mit goldenen von
Edelſteinen funkelnden Kronen geziert. Hinter dem
Gnadenbilde breiten ſich vergoldete Strahlen aus.
Unter dem Baldachin halten zwei Engel einen von Edel-
ſteinen ſchimmernden Kranz, unter welchem zwei mit
Edelſteinen beſetzte goldene Herzen zu ſehen ſind. Unter
dem Gnadenbilde ſteht der Tabernakel, und daneben
knien zwei große Engel von Silber, mit Leuchtern in
Form von Lilien, 47 Mark ſchwer (1 Mark hat
16 Loth). Zwiſchen denſelben und dem Tabernakel
ſind noch zwei Engel neben heiligen Reliquien.
Den ganzen Altar ließ das Stift St. Lambrecht
im J. 1727 aus den ſilbernen Votivopfern in Augs-
burg verfertigen, wozu die Fürſtin von Montecucculi
26,900 Gulden beiſteuerte. Er ſoll, als er noch mehr
Verzierungen hatte, 12 Zentner gewogen haben. Auf
dem Gnadenaltare ſtehen 6 ſilberne Leuchter. Das
200 Mark ſchwere ſilberne Antependium opferte im
Jahre 1706 Franz Adam Fürſt von Schwarzenberg.
In der Mitte der Kapelle hängt eine ſilberne ver-
goldete Lampe in Form von acht Herzen, von einem
Adler an zwei Ketten gehalten, 31 % Mark ſchwer,
– 139 –
ein Geſchenk der Kaiſerin Maria Thereſia. Außer
dieſer hängen noch vier ſilberue Lampen, ſämmtlich
Geſchenke frommer Verehrer Mariens, in der Kapelle.
Die ganze Kapelle iſt durch ein großes ſilbernes
Gitter geſchloſſen, welches 400 Mark wiegt. Kaiſer
Franz I. und Maria Thereſia opferten es, wie die In-
ſchrift anzeigt, nach erhaltenen mehreren Kindern an
die Stelle des im Jahre 1679 vom Kaiſer Leopold I.
geopferten leichteren und ſchon ganz zerbrochenen, bei
Gelegenheit der ſechsten Jubelfeier dieſes Gnadenortes
im Jahre 1757.
Vorn iſt die Kapelle mit einem marmornen Ge-
länder umgeben; außerhalb desſelben ſtehen zwei große
verſilberte Engel, die, wie ein dritter fliegender Engel,
vergoldete Lampen halten. Uralte Steinbilder in den
Bögen des Eingangthores zur Kirche ſinnbilden die
Geſchichte der Kirche: rechts knieet in Andacht verſun-
ken Heinrich, Markgraf von Mähren, der die Kapelle
gebaut, links der Ungarn-König Ludwig I , welcher
1363 zum Danke für eine gewonnene Schlacht die
große Kirche gebaut hat, welche aber im Jahre 1827
durch einen fürchterlichen Brand zerſtört wurde. Die
gegenwärtige Kirche wurde im Jahre 1830 vollendet.
2. Erſtaunlich reich iſt die Schatzkammer. Sie
bildet eine Kapelle, in welcher öfters die heilige Meſſe
geleſen wird. Der Altar hat die Geſtalt eines Zeltes,
das früher von Silber war, jetzt aber aus Seide und
und Sammt beſteht. In der Mitte desſelben befin-
det ſich das auf Holz gemalte Bild U. L. Frau, wel-
ches König Ludwig von der gebenedeiten Mutter Got-
fes empfangen hat, das Schatzkammerbild genannt.
– 140 –
Zwei ſilberne Engel tragen dieß geſchmückte in Silber-
und Goldrahmen gefaßte Bild, und zwei halten einen
Blumenkranz über dasſelbe.
Auf jeder Seite des Altares ſind zwei Reliquien-
tafeln mit vielen Edelſteinen und guten Perleu beſetzt.
Zwiſchen den 6 Amethiſt - Säulen des Tabernakels
ſteht ein ſchönes, vor mehr als hundert Jahren von
einer Gräfin Eſterhazy geopfertes Kreuz. Sechs kry-
ſtallene Leuchter vom Kaiſer Karl VI. und zwei vier-
armige ſilberne, von dem Könige Dom Miguel aus
Portugal geopferte Leuchter zieren den Altar. Das
Antependium des Altares iſt von gediegenem Silber,
300 Mark ſchwer, und enthält in 37 vergoldeten
Bruſtbildern die Stammbäume des k. k. Habsburgs-
Lothringiſchen und des k. neapolitaniſchen Herrſcher-
hauſes. Kaiſerin Maria Thereſia hat es geopfert,
und ihre Tochter Maria Karolina hat es 1803 von
Neuem errichtet, und mit ihrem eigenen Stammbaum
vermehrt.
Neben dem Altare reihen ſich rechts und links
mehrere Schränke an. Da ſieht man die prachtvollen,
mit Edelſteinen und Perlen bedeckten Kleider U. L.
Frau, goldene und ſilberne Monſtranzen und Kelche
von größtem Werthe, Krnzifixe aus Gold und Silber
und Elfenbein, Meßgewänder von Gold geſtickt, Lam-
pen von Gold und Silber, und eine Menge ſilberner
Votivgeſchenke, vergoldete Krücken, Gliedmaſſen von
Silber, Bilder mit goldenen Rahmen und Edelſteinen,
Statuen der Mutter Gottes von Gold und Silber,
die Brautkleider, welche König Ludwig I. von Ungarn
und ſeine Gemahlin getragen; das Schwert, die
– 1 4 1 –
Sporen und Steigbügel dieſes Königs neben einer
Fahne und ein großes Kreuz von Ebenholz auf wel-
chem Chriſtus und Gott Vater in Mannsgröße von
Silber, 600 Mark ſchwer, dargeſtellt ſind.
3. Die Wallfahrten zur Gnadenkapelle Maria
Zell in großen Prozeſſionen dauern nur vom Mai
bis Oktober. Die meiſten Ein- und Auszüge geſchehen
in Begleitung von Prieſtern und unter Glockengeläute
und Muſik. Gewöhnlich beginnen mit Kränzen ge-
zierte Jungfrauen den Zug, dann folgen die Männer;
die Weiber mit einem Pack, in welchem ſich die Lebens-
mittel für die Reiſe befinden, ſchließen den Zug. Bei
einigen aus Oberöſterreich kommenden Wallfahrer-
zügen beginnen die Jünglinge mit Kränzen um das
Haupt die Prozeſſion. – Alle ſingen. Der gewöhn-
liche Geſang iſt bei den Einzügen die Frauen-Litanei,
wobei die Wallfahrer oft auf die Kniee fallen und
weinen. In neuerer Zeit darf man jährlich über
100,000 Wallfahrer rechnen. -
Im Jahre 1857 kam der jugendliche und ritter-
liche Kaiſer von Oeſterreich Franz Joſeph I. mit ſei-
ner frommen Gemahlin Eliſabeth zum h. Gnadenort,
um für ſeines Volkes Wohl die Fürbitte U. L. Frau
anzurufen, und ſich ſein Haus und ſeine Länder unter
ihrem mächtigen Schutz zu ſtellen, wie es alle ſeine
frommen Vorfahren gethan.
Nicht lange darauf zog eine Prozeſſion von 18,000
Pilgern aus Ungarn, an ihrer Spitze der Fürſtpri-
mas Erzbiſchof von Gran, die Biſchöfe und Magna-
ten des großen Landes nach Maria Zell, und brach-
ten unter Anderm eine prachtvolle Muttergottes-Statue
– 142 –
zum Opfer. Wenn ſo alle Jahre im Sommer die
Schaaren von Pilgern mit Kreuz und fliegenden Fahnen
die Straßen nach Maria Zell ziehen, dann iſt das
ſonſt ſo einſame Thal ungemein belebt. Kopf an Kopf,
Fahne hinter Fahne wallen die Tauſende in ihren ver-
ſchiedenen Trachten die Straßen dahin, und der Zug
ſcheint kein Ende zu nehmen. Beim Anblick der Gna-
denkirche fallen Alle auf die Kniee, beten ſtill in tief-
ſter Rührung, ſtimmen dann einen weithin ſchallenden
Lobgeſang auf U. L. Frau an, und ordnen ſich zur
Prozeſſion in deu heiligen Ort. Voran die große
Fahne, dann die Jungfrauen mit Blumen bekränzt,
hieranf die Prieſter in goldgeſtickten Gewanden, Chor-
knaben mit Kreuz und Fähnlein, Männer, Weiber und
Kinder, Greiſe, Soldaten und Bauern, Reiche
und Arme, ſchreiten ſie mit geſenktem Haupte, den
Roſenkranz in der Hand, betend und ſingend hinauf
zur Kirche. Es iſt eine unbeſchreibliche Empfindung,
welche von dem geiſtigen, ewigen Leben angeregt iſt,
und auch dorthin gehört, wenn man die Schaaren ver-
ſchiedener Nationen ſich vor der Gnadenkirche ſammeln,
die Stufen der Treppe küſſen, und mit Thränen in
den Augen in die Kirche einziehen ſieht. Dreimal
umgehen ſie feierlich die heil. Kapelle, fallen dann in
tiefſter Ehrfurcht nieder vor dem Gnadenbilde, beten
zu Gott und bitten um Vergebung ihrer Sünden,
geloben reumüthig Beſſerung, klagen der Mutter Got-
tes ihre geheimen Leiden und Gebrechen, und erwar-
ten im feſten Glauben Hilfe von ihrer mildreichen
Fürbitte bei Gott, oder danken ihr aus dem Inner-
ſten ihres Herzens für die Hilfe, die ſie in ihren Nö-
– 143 –
then bereits durch ihre Barmherzigkeit und Macht
gefunden.“
Was da von dem Gnadenorte Maria Zell ſteht,
habe ich größtentheils ſelbſt geſehen, es mitgelebt, bin
dabei mitgegangen, habe mitgebetet und auch mitge-
weint, und das mit einer unausſprechlichen Rührung
des Herzens, da ja bei dem Säcular Alles in der
größten Feierlichkeit und Auferbauung geſchah; aber
beſchrieben habe ich's nicht aus mir, ſondern nach dem
ſchönen Buche mit dem Titel: Marianum, von dem
hochwürdigen Herrn Pfarrer Georg Ott, bei Friedrich
Puſtet in Regensburg 1859. Ich habe mir dieß zu
thun erlaubt, weil ich es unmöglich hätte getreuer
und würdiger vorbringen können, und ich immer vor
Augen haben muß, daß meine Stimme rauh, meine
Zunge ſchwer, und mein Verſtand nicht klar iſt, um
würdig das Lob der Mutter Gottes zu verkünden,
und keine Zunge aber von der Himmelskönigin Leicht-
fertiges oder Unwürdiges reden ſoll.
4. Mit der Vollbringung dieſer Wallfahrt nach
Maria Zell glaubte ich erſt meine Pilgerreiſe nach
Jeruſalem und Rom vollendet zu haben, denn ſie
hieng ja mit dieſer durch ein Verlöbniß zuſammen.
Darum habe ich auch bei der zweiten Auflage meines
Büchleins „Pilgerfahrt nach Jeruſalem und Rom“
„die Wallfahrt nach Maria Zell“ als die zweite Ab-
theilung geſetzt. Ich wollte hiedurch nichts anders
erzielen, als ein Weihrauchkörnlein in die Liebesgluth
der Mutter Gottes zu legen, damit es mit Wohlge-
ruch zu dem dreieinigen Gott aufſteige, und einen
– 144 –
ſolchen auch bei den gutmüthigen Seelen der chriſt-
lichen Gemeinden verbreite.
Und wenn mich jetzt zum Schluſſe Jemand fragt:
Wie, Pinzgauerbauer, wirſt du noch keine Ruhe ge-
ben mit deinen Pilgerreiſen und Wallfahrten, und
kömmt nicht vielleicht wieder bald ein Büchlein von
dir über eine Wallfahrt, etwa nach Altötting oder
Maria Einſiedeln oder gar nach Compoſtella in Spa-
nien oder mit einer in Polen u. ſ. w. zum Vorſchein?
ſo kann ich nicht anders antworten, als: ich weiß es
nicht, denn unſichtbar und geheim und doch plötzlich
wirkſam iſt oft der Zug zu einem ſolchen Unternehmen.
Darum ſage ich: „ich weiß es nicht;“ aber das weiß
ich, daß mir alle meine Pilgerreiſen und Wallfahrten
nicht in den Himmel helfen würden, wenn nicht all-
zeit auch mein Geiſt ſuchet, was droben iſt, wo Chri-
ſtus iſt, der zur Rechten Gottes ſitzt. Und dazu mir
zu verhelfen, bitte ich um das Gebeth eines Jeden
meiner Mitchriſten, und bitte auch zuletzt noch Jeder-
mann, ſich den Kauf nnd das Leſen dieſes Büchleins
nicht gereuen zu laſſen, lebe ein Jeder wohl in der
Gnade Gottes!
Druckverbeſſerung: Auf Seite 11 unter Nr. 5 ſoll es
heißen: Reiſe nach und Aufenthalt in Linz.