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FÖRTEETTER N WIEN 107814-B - Neu- - --- T - TT - - - - - - - | - - - - Sº - - ------- - - - - - - -- - - KÄT - - - , - - - - - - - - . - * - - - - - - / --- - - - - - - - - - - - - / - – – – -- TT Fit "YGN. ELKEE. RNNYX 800. WXSSWRSKAANWSWRWWXMW - WWARNZ. -- - - Eine Sommerreiſe nach Tripolis. Von Wilhelm Heine, Verfaſſer der Reiſe um die Erde nach Japan. Berlin 1860. Verlag von Wilhelm Hertz. (Beſſerſche Buchhandlung.) - London: WILLIAMs & NoRGATE. j 0 84 – B Verfaſſer und Verleger behalten ſich das Recht der Ueberſetzung in fremde Sprachen vor. Der erſten Frau Deutſchlands iſt dieſes Buch gewidmet vom Verfaſſer. Hochverehrte Frau. Der Zeitraum, welchen die Sommerreiſe um ſich faßt, war die erſte Trennung junger Gatten. Als das Buch vollendet, wünſchte ich dasſelbe meiner Lebensgefährtin als Liebesgabe zu widmen. Der unerbittliche Tod hat dieſe Abſicht vereitelt. Das Andenken meiner geliebten Frau glaube ich am beſten zu ehren, wenn die für ſie beſtimmte Gabe ihren Schweſtern dargebracht wird, Verſtatten Sie mir, indem dieſe wenigen Blätter der erſten Frau jener Nation, in deren Sprache dieſelben geſchrieben ſind, zugeeignet werden, das Buch der Frauenwelt zu widmen. Doch noch ein anderer Grund treibt mich zu dieſem Wunſche. Der Zweck der Reiſe war das Sammeln von Stu- dien, um bildlich Schlachten darzuſtellen, welche die Seeleute Amerika's während einer Geſchichtsperiode und unter Umſtänden fochten, die denen ſehr ähnlich ſind, unter welchen ſich jetzt die künftige Marine Deutſchlands entwickelt. Das erſte Schiff, welches für dieſe letztere gebaut ward, der Schooner „Frauenlob“, iſt eine pa- triotiſche Gabe deutſcher Frauen, und dieſes gute Schiff bildet jetzt einen Theil jenes Geſchwaders, das die Intereſſen der Nation in fernen Ländern vertreten ſoll. Auch mir wird die Ehre zu Theil, an der Erfüllung dieſer Aufgabe mitarbeiten zu dürfen. Ich hege die hoffnungsvolle Ueberzeugung, daß ein glücklicher Aus- gang eben ſo gute Folgen für die Marine Deutſchlands haben wird, als die Thaten jener Seehelden ihrem Vater- lande eine achtunggebietende Stellung in den Augen barbariſcher Völker errangen. Möge deshalb auch dieſem unternehmen die Theilnahme deutſcher Frauen nicht ver- ſagt ſein; mögen diejenigen, welche jetzt in die Ferne ziehen, das Bewußtſein mit ſich nehmen, daß die Sym- pathien verwandter Herzen ihnen folgen. Berlin, den 18. Februar 1860. W. Heine. V or r e d e. Die Sommerreiſe nach Tripolis wurde unternommen, um Studien für Darſtellungen aus dem Seekriege der Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Barbarei- ſtaaten in den Jahren 1801–1805 an Ort und Stelle zu machen; da dergleichen für die Säle des Capitols in Waſhington beabſichtigt werden. Der Wunſch, manchem werthen Freunde nach zehnjähriger Abweſenheit die Hand zu drücken, bewog mich den Weg über Deutſchland zu wählen, und ein Brief des hochverehrten Alex. von Hum- boldt im Februar dieſes Jahres befeſtigte meinen Ent- ſchluß: „Ich wünſche ſehr Sie noch einmal zu ſehen ehe ich ſterbe,“ ſchrieb der gütige Greis. „Ich habe mein neunzigſtes Jahr angetreten und erwarte nicht dasſelbe zu vollenden. Zwei meiner Reiſegefährten ſind geſtorben ehe ſie dieſes Alter erreichten, kommen Sie deshalb, wenn Sie können, bald.“ Leider hatten dieſe Worte des Edlen eine nur zu pro- phetiſche Bedeutung. Auf die am Abend meiner Ankunft in Berlin gethane briefliche Bitte, mir die Stunde zu beſtimmen, in der ich meinen Beſuch abſtatten könne, er- – VIII – hielt ich die Antwort: „ Obſchon recht unwohl, wird es mich doch recht freuen Sie übermorgen Freitag Nachmittag um zwei Uhr zu ſehen.“ Im Rathe der Vorſehung war es anders beſchloſſen, das Bett, auf dem er lag, war ein Sterbebett; als ich kam die theuere Hand zu drücken, hatte der Geiſt ſeine irdiſche Hülle verlaſſen und ſchwebte jenen lichten Höhen zu, wo verwandte Seelen ſeiner grüßend harrten. Die Welt verlor einen der edelſten Menſchen, die Wiſſenſchaft einen ihrer erhabenſten Jünger, Deutſchland ſeinen hochherzigſten Patrioten, ich ſelbſt einen väterlichen Freund, und betrübt ſetzte ich meinen Wanderſtab weiter. Die Geſchichte meiner Erlebniſſe bis zur Rückkehr nach Deutſchland iſt in den nachfolgenden Blättern enthalten. Außerdem habe ich die Waffenthaten der amerikaniſchen Seeleute beſchrieben, theils weil dieſelben die Grundlage meiner Reiſe bildeten, theils weil der Entwicklungszuſtand, in denen ſich zu jener Zeit die Marine der Vereinigten Staaten befand, ſehr analog war mit demjenigen, in wel- chen ſich in unſeren Tagen die deutſche Flotte befindet, die ſo hoffe und wünſche ich ſehnlich, ſich auf gleich glänzende Weiſe weiter entwickeln wird. Im Jahre 1800 exiſtirte in den Vereinigten Staaten eine Nationalmarine nur dem Namen nach. Die Thaten der Seehelden des Unabhängigkeitskrieges gehörten ſchon der Vergangenheit an, Namen wie Paul Jones und An- dere lebten nur noch in der Tradition, die Zahl der Kriegs- – IX – ſchiffe war klein, ein großer Theil des Publikums ſah den Nutzen und die Nothwendigkeit einer Nationalmarine nicht ein, die zur Erhaltung derſelben nöthigen Summen wurden karg zugemeſſen, jede Ausgabe bekrittelt, und der auf ſo ungerechte Weiſe unpopulär gemachte Dienſt hatte wenig Anziehungskraft für unternehmende junge Leute. Durch die Erfolge im Kriege mit den Barbareiſtaaten, zum Schutze des amerikaniſchen Handels unternommen, demonſtrirte die Nationalmarine auf glänzende Weiſe die Nothwendigkeit und Nützlichkeit ihrer Exiſtenz, die heroi- ſchen Kämpfe aber, die ihrem Charakter nach mehr der Zeit des romantiſchen Mittelalters anzugehören ſchienen, als der nüchternen Realität moderner Kriege, umgaben die Nationalflagge mit einem glorreichen Nimbus, der auf jugendliche Gemüther einen mächtigen Zauber aus- übte. Namen wie Decatur, Somers, Caldwell, Wads- worth, Iſrael, Preble, Rodgers und Andere wurden zum Kriegsgeſchrei; denn ſie riefen Erinnerungen an Alles, was groß, heldenmüthig und patriotiſch war, wach, und durch jenen Krieg hauptſächlich erhielt die Nationalmarine der Vereinigten Staaten den hohen Charakter, den ſie bis heute bewahrt hat. Bei Gelegenheit meines Aufenthaltes in Malta habe ich der Geſchichte und den Thaten der Johanniterritter vielleicht etwas mehr Raum gewidmet, als die Tendenz dieſes Buches rechtfertigt, wie ſie in dem einfachen Namen „eine Sommerreiſe“ ausgedrückt iſt; allein beinahe jeder Stein jenes hiſtoriſch berühmten Felſens ruft Erinnerungen an Heldenthaten jener begeiſterten ritterlichen Mönche her- – X – auf, überall iſt der Boden mit ihrem Blute getränkt, das im Kampfe gegen den Barbarismus des Oſtens zum Schutz der chriſtlichen Civiliſation vergoſſen wurde, ſo daß ſelbſt der nüchternſte Realiſt nicht unbewegt am Schau- platze ihrer Thaten vorübergehen kann. Die Reiſe hatte die trüben Bilder verſcheucht, die vor Beginn derſelben um meine Seele ſchwebten. Statt der drohenden Kriegswolken, die im Frühjahr ſich von allen Seiten ballten und theils ſchon eingeſchlagen und gezündet hatten, ſtrahlte bei meiner Rückkehr die Sonne des Frie- dens; rollt gleich noch in der Ferne unheilverkündender Donner, ſo hoffe ich und glaube ich, daß der Hauch eines klaren, thätigen, hingebenden Patriotismus, der erfriſchend durch alle Schichten des deutſchen Volkes weht, dasſelbe zum vollen Bewußtſein ſeiner Stärke, ſowie ſeiner Schwächen bringen, zur Selbſterkenntniß und dadurch zu einer ſtarken unüberwindlichen Nationalorganiſation führen wird. Berlin, im October 1859. Wilhelm Heine aus N ew - B or k. U. S. A. In h a lt. I. Von Berlin nach Malta . . . . . . . . . . . S. 1 – 28. Abfahrt. – Heidelberg. – Die Schweiz. – Lyon. – Truppen- transport. – Eine geräuſchvolle Nacht. – Le midi de la France. – Toulon. – Das Arſenal. – Die Docks. – Schiffe und ſchwimmende Batterien. – Kanonenboote. – Gezogene Kanonen. – Galeerenſclaven. – Das Hospital St. Mandrier. – Oeſterreichiſche Gefangene. – Eigen- thümliche Sonntagsfeier. – Abreiſe von Marſeille. – P. O. Companys Dampfer „Ellora“. – Die Küſte. – Notre dame de la garde. – Cháteau d'If. – Die Küſte von Corſika. – Paſſage St. Boniface. – Der Leucht- thurm von Gozo. – Der Hafen von Malta. – Das Victoria-Hötel. – Nachtruhe. II. Rückblicke auf die Geſchichte HUalta's bis zum Er- ſcheinen der Johanniter . . . . . . . . . . S. 29 – 40. Diodorus Nachrichten über Melita (Malta). – Malta von den Römern zu einer römiſchen Provinz gemacht. – Man ſucht die Sym- pathien des Volkes zu gewinnen. – Verſchönerungen durch öffentliche Bauwerke. – Die Gothen. – Von Beliſar vertrieben. – Verfall des früheren Wohlſtandes. – Die Araber. – Ermordung aller Griechen. – Seeräubereien. – Niederlage des Nicetus und Manianus. – Graf Roger. – Sieg über Michael Comnenus. – Unterdrückungen von Aufſtänden. – Die deutſchen Kaiſer. – Manfred. – Karl von Anjou. – Konradin, der letzte Hohenſtaufe. – Schlacht von Aquila. – Peter III. von Arra- gonien. – Die ſicilianiſche Vesper. – Die Franzoſen aus Malta ver- trieben. – Die Inſel verpfändet. – Kaiſer Karl V. – Abtretung der Inſel an den Orden der Johanniter. – XII – III. Wie Johanniter in Malta . . . . . . . . S. 41–59. Verfall des Wohlſtandes der Inſel. – Maßregeln Isle Adams den- ſelben zu heben. – Verfolgungen durch Heinrich VIII. von England. – Tod Isle Adams. – Peter Dupont. – Expedition gegen Tunis. – Didier de Saint Jaille. – Juan d'Omedes. – Selbſtſucht desſelben. – Expedition gegen Algier. – Eroberung von Mehedia. – Angriff der Türken auf Malta. – Upton und De Guimera. – Fruchtloſer Verſuch auf Citta Notabile. – Gozo wird geplündert. – Claude de la Sengle. – Sucht den Orden zu kräftigen. – Vermehrt die Befeſtigungen. – Jean de la Valette. – Bereitet ſich zum Widerſtand gegen die Türken vor. – Ankunft der feindlichen Flotte. – Beginn der Feindſeligkeiten. – Sieg der Ritter. – Ehrenbezeugungen die La Valette ablehnt. – Gründung von Valetta. – Tod und Begräbniß La Valette's. – Peter de Monte. – Schlacht von Lepanto. – La Caſſiera. – De Verdale. – Don Martin Garzez. – Alof de Vignacourt. – De Paula. – Lascaris. – Caſtelard. – Raphael Cotoner. – Hülfe der Malteſer beim Erd- beben von Meſſina. – Verfall des Ordens. – Die Franzoſen be- mächtigen ſich Malta's. – Werden von den Engländern und Portu- gieſen blockirt und ergeben ſich. – Der Wiener Congreß ſpricht den Beſitz der Inſel England zu. IV. Valetta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 61–80. Lage der Stadt. – Fort St. Elmo. – Erbauung. – Belagerung durch die Türken. – Eröffnung der Laufgräben. – Verheerendes Feuer der Belagerungsgeſchütze. – Die Beſatzung bittet um Erlaubniß ſich zurück- zuziehen. – Verweigerung des Großmeiſters. – Verſtärkungen. – Piali Paſcha verwundet. – Muthiger Ausfall. – Ankunft Draguts. – Seine große Energie. – Die Türken erringen Vortheile. – Schwere Verluſte derſelben. – De la Gardamp's Heldentod. – Medſan an den Groß- meiſter geſandt. – La Valette's Strategem, den Muth der Beſatzung an- zuregen. – Dieſe bittet, nicht abgelöſt zu werden. – Feuerreifen bereitet. – Neuer Sturm wird abgeſchlagen. – Verluſte beider Parteien. – Dragut wird verwundet. – Muſtapha Paſcha ſchneidet alle Zuzüge ab. – Vergebliche Verſuche, der Beſatzung Hülfe zu bringen. – Dieſe be- reitet ſich zum Tode vor. – Die letzte Nacht. – Der Todeskampf. – Fall St. Elmo's. V. Oeffentliche Gebäude Valetta's . . . . . . S. 81–95. Kathedrale von St. Johannis. – Gründung durch La Caſſiera. – Plan der Kirche. – Mathias Preti ſchmückt dieſelben mit Frescogemälden. – Der Moſaikfußboden. – Reiche Architektur. – Die Capellen der ver- ſchiedenen Provinzen. – Trophäen der Ritter. – Eine Statue Pradiers. – Die Gräber Isle Adam's und La Valette's. – Kirchen und Klöſter. – Gebäude, den verſchiedenen Ordenscapiteln gehörig. – Functionen der Vorſteher jeder Landsmannſchaft. – Der Palaſt des Großmeiſters. – Darſtellungen berühmter Schlachten. – Rüſtungen Isle Adam's, La Va- lette's, Vignacourt's und La Caſſiera's. – Portraits. – Die Rüſtkammer. – Die Bibliothek. – Das Muſeum. – Phöniciſche Inſchriften. – Statue des Herkules. – Altar der Proſerpina. – Sonderbare Bronce- ſtatue. – Die Wölfin des Romulus. – Tullias und Claudias Bildniſſe. – Büſte der Zenobia. – Todtenmaske La Valette's. – Parta Lascaris. – Capelle von Santiſſimo Sarlvatoe. – Brunnen des Neptun. VI. Das öſtliche Ufer des großen Hafens . S. 97–124. Spaziergang nach Fort St. Johns. – Grabmonumente. – Das öſtliche Ufer des großen Hafens. – Borgo. – Seine Vertheidigung. – Aufforderung zur Uebergabe. – Entſchloſſene Haltung der Beſatzung. – Türken bringen Boote von Marſamucetto. – Der Grieche Lascaris warnt den Großmeiſter. – Verſtärkung der Feſtungswerke. – Vergeblicher Ver- ſuch, die Sperrung des Hafens zu zerſtören. – Angriff des 5. Juli. – Faßbrücke zwiſchen Borgo und St. Angelo. – Ankunft Haſſan's von Algier. – Macht einen vergeblichen Angriff auf St. Michael. – Ein Belagerungsthurm. – Vergebliche Verſuche, denſelben zu zerſtören. – Henry de la Valette's Tod. – Seelengröße des Großmeiſters. – Der Sturm vom 7. Auguſt. – Verzweifelte Anſtrengungen der Belagerer. – Der Gouverneur von Citta Notabile ſendet Hülfstruppen. – Theilweiſe Erfolge der Türken. – La Valette vereitelt die Beſtrebungen der Feinde. – Erfolgloſer Verſuch, Citta Notabile zu nehmen. – Eine Armee aus Sicilien landet. – Niederlage und Flucht der Türken. – La Cotonera. – Fort Ricaſoli. – Froberg's Regiment. VII. Ausflug in den ſüdlichen Theil der Inſel. S. 125–147. Die Caleſſa. – Vignacourt's Waſſerleitung. – Die Gärten von St. Antonio. – Dichtgedrängte Bevölkerung. – Citta Vecchia. – Alt- XIV – üblicher Magiſtrat. – Die Kathedrale. – St. Pauls Kirche und Grotte. – Reliquien. – Die Katakomben. – Chriſtliche Gräber. – Das Ma- donnenfeſt. – Muſik und muſikaliſche Inſtrumente. – Sehenswerthe Punkte in der Umgegend. – Emthaleb. – Boſchetto. – Der Palaſt des Inquiſitors. – Tal Mahluba. – Die Höhlen von Ghar Haſſan. – Die Ruinen von Crendi. – Die Lebensmittel und ihre Preiſe. – Die Bevölkerung. – Coſtüm. VIII. Rückblick über die Urſachen und den Beginn des Krieges der Amerikaner gegen Tripolis. S. 149 – 170. Politiſche Verhältniſſe im Mittelländiſchen Meere am Beginn des Jahrhunderts. – Schwierigkeiten mit den Barbareiſtaaten. – Erſcheinen eines amerikaniſchen Geſchwaders in Gibraltar. – Blockade des Admirals von Tripolis. – Die Eſſex nimmt einen feindlichen Kreuzer. – Com- modore Dale ſchlägt eine Auswechſelung von Gefangenen vor. – Commo- dore Morris trifft mit einem neuen Geſchwader zur Ablöſung ein. – Fehlerhafte Ausrüſtung desſelben. – Gefecht der Conſtellation gegen feindliche Kanonenboote. – Hinderniſſe und Verzögerungen thätiger Ope- rationen. – Die John Adams nimmt die Meſhboha. – Commodore Morris treibt elf feindliche Kauffahrer in Alt-Tripolis ans Ufer. – Lieutenant Porter ſteckt dieſelben in Brand und wird verwundet. – Capitain Rodgers und Lieutenant Hull zerſtören einen feindlichen Kreuzer. – Commodore Morris wird zurückberufen. – Commodore Preble über- nimmt das Commando. – Capitain Bainbridge nimmt die Meſhboha und befreit die amerikaniſche Brigg Celia. – Commodore Preble ſtellt das gute Einvernehmen zwiſchen Marocco und den Vereinigten Staaten wieder her. IX. Die Paſſage nach Tripolis. . . . . . . S. 171–185. Die Gloria Carmeli. – Die Mannſchaft. – Die Paſſagiere. – Die Verpflegung. – Die Abreiſe. – Windſtille. – Günſtiger Wind. – Ankunft. – Das Riff von Tripolis. – Die Philadelphia jagt einen feindlichen Kreuzer. – Geräth auf ein Riff. – Anſtrengungen, das Schiff flott zu machen. – Erſcheinen feindlicher Kanonenboote. – Erfolgloſer Widerſtand. – Das Streichen der Flagge unvermeidlich. – Barbariſche Behandlung der Gefangenen. – Menſchenfreundlichkeit des däniſchen Conſuls. – XV – X. Eine glorreiche Waffenthat . . . . . . . S. 187–204. Die Lage von Tripolis. – Das Wrack der Philadelphia. – Die Türken machen die Fregatte flott und bringen ſie in den Hafen. – Com- modore Preble erſcheint vor Tripolis. – Lieutenant Decatur nimmt eine Priſe. – Sein Plan, die Philadelphia zu zerſtören. – Freiwillige für das Unternehmen. – Ein Sturm verzögert dasſelbe. – Lieutenant De- catur's Anordnungen. – Man nähert ſich dem Feind. – Befehl zum Entern. – Erfolgreicher Angriff. – Die Fregatte in Feuer. – Sieg- reicher Rückzug. XI. Tripolis . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 205 – 239. Hiſtoriſcher Rückblick von Tripolis. – Die Stadt, ihre Straßen und Gebäude. – Der Handel. – Das Leben. – Die europäiſchen Re- ſidenten und europäiſchen Reiſenden. – Clapperton, Lang, Richardſon, . Barth, Vogel. – Betrachtungen über Vogel's Schickſal. – Die Um- gegend von Tripolis. – Agricultur. – Mr. Gaine's Landhaus. – Die ſpaniſche Kathedrale von Tajura. – Gazellenjagd. – Das römiſche Caſtell in Gal-Gariſh. – Frederick Warrington. – Das Volksleben. – Gaſtmahle. – Die Kameele. – Ein türkiſches Bad. – Ein Volksfeſt. XII. Der Krieg der Amerikaner . . . . . . S. 241–264. Commodore Preble's Vorbereitungen. – Die Schiffe. – Die Ka- nonenboote. – Das Bombardement vom 3. Auguſt. – Lieutenant De- catur's Angriff, Heldenmuth, Gefahr und Sieg. – Lieutenant Trippe's Gefahr, Entſchloſſenheit und Erfolg. – Eindruck der verſchiedenen Bom- bardements auf die Türken. – Plan Commodore Preble's einen kühnen Handſtreich auszuführen. – Der Intrepid ein Brander. – Capitain Somers. – Der letzte Abend. – Der Feind. – Die Kataſtrophe. – Trauer um todte Helden. – Paſcha Juſſuf Caramelli und General Eaton. – Ihr gemeinſchaftlicher erfolgreicher Angriff auf Derne. – Ende des Krieges. – Rückkehr nach Malta. XIII. Die Rückkehr . . . . . . . . . . . . . . S. 265–302. In Quarantaine. – »En pratique«. – Abſchied von Malta. – Der Quirinal. – Die Küſte von Sicilien. – Annäherung von Meſſina. – Der Hafen. – Die Polizei. – Cicerone. – Die Stadt. – Die – XVI – Straßen. – Der Schmutz. – Die Kirchen. – Die Umgegend. – Das Landvolk. – Ausſicht vom Gebirge. – Sonntagabend in der Stadt. – Weiterreiſe. – Scylla und Charybdis. – Die lipariſchen Inſeln. – Stromboli. – Ein Gewitter. – Die Bai von Neapel. – Mehr Polizei. – Das Muſeum der pompejaniſchen Alterthümer. – Pompeji. – Die Lava des Veſuvs. – Ein gefährlicher Scherz. – Civita Vecchia. – Livorno. – Ein Ausflug nach Piſa. – Die Kathedrale, das Baptiſte- rium und das Campo Santo. – Der hängende Thurm. – Eine Revo- lution ohne Unordnung. – Elba. – Genua. – Aleſſandria. – Lago Maggiore. – Die Alpenjäger. – Der St. Gotthardtspaß. – Das Ende der Sommereiſe. – Nachwort. I. Von Berlin nach Malta. Abfahrt. – Heidelberg. – Die Schweiz. – Lyon. – Truppen- transport. – Eine geräuſchvolle Nacht. – Le midi de la France. – Toulon. – Das Arſenal. – Die Docks. – Schiffe und ſchwimmende Batterien. – Kanonenboote. – Gezogene Kanonen. – Galeerenſclaven. – Das Hospital St. Mandrier. – Oeſterreichiſche Gefangene. – Eigen- thümliche Sonntagsfeier. – Abreiſe von Marſeille. – P. O. Companys Dampfer „Ellora“. – Die Küſte. – Notre dame de la garde. – Cháteau d'If – Die Küſte von Corſika. – Paſſage St. Boniface. – Der Leucht- thurm von Gozo. – Der Hafen von Malta. – Das Victoria-Hötel. – Nachtruhe. Am 26. Juni 1859, Abends 7 Uhr, verließ ich Berlin. Es war eine traurige, trübe Zeit. – Von allen Seiten rüſtete man, gewaltige Heere ſtanden ſich in der Lombardei feindlich gegenüber, blutige Schlachten waren geſchlagen worden, Tauſende über Tauſende hingeſchlachtet, und kaum wußte man zu ſagen, ob nicht, ehe das Jahr abgelaufen, ganz Europa in Feuer und Blut getaucht ſein werde. Viele fürchteten und wußten nicht zu ſagen, was, wenige hofften und wagten ſich kaum ſelbſt einzugeſtehen, warum. Es war eine trübe und traurige Zeit, und trübe und traurig fühlte ich mich, in dunkler Nacht auf dem Schienen- weg nach Süden zu rollend. Mein erſter Haltepunkt war Heidelberg. Wer kennt nicht das liebe Städtchen am Ausgange jenes lieblichen Thales, zwiſchen ſanften Hügeln eingeſchmiegt, durch die das muntere Flüßchen daherrauſcht, wer kennt nicht die wunderlichen alten Häuſer und Kirchen, die Brücke, die herrliche maleriſche Ruine und die ſchöne Ausſicht auf die Ebenen des Rheinthales, in der Ferne von bläulichen Bergen begränzt, gegen die ſich die Umriſſe des Doms von 1* – 4 – Speyer ſcharf abzeichnen. War es deshalb ein Wunder, daß die düſteren Einflüſſe, die mich drückten, ſchon be- gannen, ihre Kraft zu verlieren, war es befremdlich, daß ich am nächſten Morgen froher und heiterer weiter zog, denn ich hatte den Nachmittag mit einem vou Deutſch- lands beſten Männern zugebracht, hatte im vertraulichen Geſpräch mit einem der weitſichtigſten Staatsmänner un- ſerer Zeit meine eigenen Anſichten berichtigt oder gekräf- tigt und nahm zum Scheidegruß die Abſchiedsworte des Weiſen mit, der hier ſeinen Wohnſitz aufgeſchlagen: „Auf ein baldiges frohes Wiederſehen.“ So zog ich fröhlich weiter, erſt in Baſel für die Nacht anhaltend, dann durch die herrlichen Schweizerberge dem Genferſee zueilend, wo ich am zweiten Abend die Schneegipfel des ſchönen Montblanc im roſigen Licht ſcheinen ſah und am nächſten Morgen meinen Weg durch Frankreich weiter fortſetzte. In Lyon erlitt meine Reiſe eine Unterbrechung von zwölf Stunden, verurſacht durch die fortwährenden Trup- pentransporte nach Italien, und ich ſuchte die mir ſo ge- gebene Friſt beſtmöglichſt zu benutzen und einige Reiſe- epiſteln abzuſenden. Als ich eben meine Briefe ſchloß, füllte ſich der Platz vor dem Fenſter des Reſtaurants (Cours Napoléon) mit Truppen, die auf dem Wege von Paris nach Marſeille hier campirten und denen das ſchwere Feldgepäck eine etwas ungewohnte Laſt ſchien. Auf der Montur und Bewaffnung nebſt Feldkeſſel, Feld- flaſchen 2c. 2c. trugen die Leute je zu drei ein kleines – 5 – Zelt, ſo daß jeder ein Stück Leinewand quer über den Torniſter und eine Zeltſtange längs desſelben auf der linken Seite angeſchnallt hatte, die ausſahen, als trüge ein jeder zwei Gewehre. Außerordentliche Zeichen von Enthuſiasmus waren weder unter den Truppen noch unter der Bevölkerung bemerklich, denn nachdem vielleicht 200.000 Mann vorbei- gezogen waren, hatte das Schauſpiel den Reiz der Neu- heit verloren. Die Truppen ſelbſt ſchienen nicht viel danach zu fragen, wohin ſie gingen, noch ſchien ihnen überhaupt die Zukunft irgendwie ſchwere Herzen zu ma- chen; indeß hat die Erfahrung gezeigt, daß, wenn auf dem Schlachtfelde angelangt, unter der Anſtrengung des Gefechtes und des Pulverdampfes, dieſe Leute ſich bald von einer anderen Seite zeigen. Die folgende Nacht war eine der geräuſchvollſten, die ich je auf einer Eiſenbahn zugebracht. In dem Zuge nach Marſeille befand ſich ein ſtarker Transport von Freiwilligen verſchiedener Regimenter, die ſich auf den Kriegsſchauplatz begaben, um dort ein neues Regiment Zuaven zu bilden. Das waren denn allerdings andere Leute, als die jungen Conſcribirten, die ich am Mittag geſehen. Eine große Anzahl von ihnen war decorirt, be- ſonders war die Victoriamedaille aus dem Krimkriege ſehr ſtark vertreten. Wenn man die langen Reihen dieſer rothhoſigen, rothbemützten Krieger auf den Baluſtraden des ſchönen Bahnhofes des Chemin de fer de la Mé- – 6 – diterranée in Lyon ſitzen ſah, mußte man unwillkührlich an Zweige von Kirſchbäumen, mit ihren rothen Früchten beladen, denken. Die geräuſchvolle Nähe dieſer Reiſe- geſellſchafter, die fortwährend ſprachen, dabei aber wenig zu ſagen hatten, war nicht angenehm, die Moral der Converſation ebenſo ſtörend, als der Geruch des ſchlechten Tabacks, auf den ihre Löhnung von zwei Sous per Tag ſie angewieſen hat; allein meiner Pflicht als beobachtender Reiſender eingedenk, miſchte ich mich unter dieſelben, ſo oft es die Gelegenheit geſtattete, und fuhr eine geraume Strecke in dem vollgedrängten Wagen der dritten Klaſſe, denn vor ſolchen kleinen Opfern perſönlicher Bequemlich- keit darf man ſich nicht ſcheuen, wenn man reiſt, um Welt und Menſchen kennen zu lernen. Da wurden denn nun Schlachten im Voraus geſchlagen und Oeſterreicher zu Tauſenden niedergeſtreckt, denn die Leute waren vor gloire ganz duſelig geworden. Die Siegesnachrichten der Schlacht von Solferino und der ſchlechte Rationswein hatten auf ſie berauſchend gewirkt. Einige waren im Beſitz von Briefen vom Kriegsſchauplatz, die der Geſell- ſchaft zum Beſten gegeben wurden. In dieſen führte man Beſchwerde über den Mangel an Sympathien des Landvolkes für ihre Befreier: „Wenn man etwa ein halbes Dutzend Leute mit einigen italieniſchen Tricoloren in einem Dorfe vorfindet, iſt es viel, und von gaſt- freundlicher Bewirthung iſt ſo wenig die Rede, daß man zur Abwechſelung des ewigen biscuit de ration nur ſelten – 7 – etwas Brod erlangen kann. Frauen ſehen wir faſt gar nicht, denn Alles ergreift die Flucht oder verſteckt ſich.“ Dieſen letzteren Punkt ſchienen ſich unſere Helden ſehr zu Herzen genommen zu haben, denn in dem Transport war auch das ſchöne Geſchlecht mehrfach vertreten, die mit- zogen, „pour faire la guerre en Italie.“ In einem an- deren Theile des Zuges befand ſich ein Detachement, das von Toulouſe zurückkehrte, wohin es einen Transport öſterreichiſcher Gefangener begleitet hatte. Ein alter Ser- geant theilte den militäriſchen Enthuſiasmus weniger. „Il y en a quelques-uns de ces gaillards là qui re- viendront avec des épaulettes et d'autres qui se trou- veront peut-être tantôt sans épaules pour en porter.“ Einen grellen Contraſt zu dieſen kriegeriſchen An- blicken bildete am folgenden Tage die Stadt Marſeille, wo man für das Marienfeſt am Morgen die Straßen mit Blumen und Kirchenfahnen geſchmückt, und an vielen Orten Altäre errichtet hat. So viele literariſche Ergüſſe ſind bereits über den geprieſenen Midi de la France in die Welt geſandt worden, daß ich eine weitläufige Beſchreibung desſelben mir und dem Leſer erſparen zu können glaube. In Avignon ſchaute das graue Schloß der Päpſte aus ſeiner grauen Umgebung ſchläfrig in den grauenden Tag hinein, und weiterrollend auf dem Schienenwege erblickte man immer wieder dieſelbe monotone Farbe, die ſich ſelbſt auf die Bäume erſtreckte. Denn da die Olive einen vorherr- – 8 – ſchenden Platz in der Cultur einnimmt, ſo vereinigt ſich das Graugrüne ſeiner Blätter mit dem lichten Grau der Kalk- und Sandſteinfelſen und dem röthlich grauen heißen Erdboden, höchſtens hie und da von einigen ſpärlichen grünen Reben unterbrochen. Die unendlichen, von rund- lichen Kieſeln bedeckten Ebenen von Craux, in monotoner Langweiligkeit ſich dahinſtreckend, ſahen aus, als ob ſie nur dazu geſchaffen ſeien, um Eiſenbahnen über ihre Fläche zu legen, denn kaum ein Hälmchen Gras war auf denſelben wahrnehmbar. Dennoch ſollen ſie im Winter und Frühjahr einen erträglichen Weideplatz für Schafe abgeben, denn zu jener Jahreszeit keimt hier eine fette, kurzblätterige, kleine Pflanze, ähnlich dem Büffelgras der weſtlichen Ebenen Nordamerikas. Das Land muß wöhl zu jener Zeit, wo Petrarka an ſeine Laura dichtete, an- ders ausgeſehen haben, denn unter gegenwärtigen Um- ſtänden zu ſolchen Verſen angeregt zu werden, erfordert eine poetiſche Ader von ganz ungewöhnlicher Mächtigkeit. Von Marſeille ſegelte ein franzöſiſcher Dampfer am 3ten nach Malta, die engliſche Ueberlandspoſt aber erſt am 6ten. Da ich nun aus verſchiedenen Gründen der engliſchen Flagge den Vorzug gab, ſo beſchloß ich, die mir verbleibenden vier Tage zu einem Beſuch in Toulon zu verwenden, wohin eine Reiſe von 2 Stunde per Eiſen- bahn führt. Dieſe Stadt kann füglich ein großes Marine- Arſenal genannt werden, um das ſich einige Häuſer reihen, denn außer den Beamten, dem Militär und dem Liefe- – 9 – ranten für die Armee und Flotte leben nur wenige Kauf- leute hier. Die ausgedehnten, zum Theil noch von Vauban herrührenden Befeſtigungen, mit ihren weitvorgeſchobenen detachirten Forts, die ſich bis auf die Spitze einer etwa 3 Miles hinter der Stadt gelegenen, dieſelbe halbmond- förmig umgebende Bergkette von 12–1500 Fuß Höhe erſtrecken, machen dieſen Hafen außerordentlich ſtark; von der Seeſeite ſind die militäriſchen Vertheidigungsmaß- regeln von gleich vollkommener Beſchaffenheit. Im Ar- ſenal der Marine herrſchte noch immer eine große Thätig- keit, Mannſchaften, Material, Munitionen und Proviſionen für die Armee in Italien wurden noch immer unausge- ſetzt eingeſchifft; auf der Rhede lagen etwa vierzig Schiffe verſchiedener Größe ſegelfertig, darunter ſechs Linienſchiffe, ebenſo viele Fregatten, das übrige meiſtens Rad-Dampfer für Transportation, in den Docks wurden noch viele andere fertig gemacht, zur See zu gehen, und etwa ein Dutzend oder zwanzig Linienſchiffe liegen entmaſtet und eingehauſet in den verſchiedenen Baſſins „in ordinary“ bis auch an ſie wieder die Reihe kommt, zum Gebrauch herbeigezogen zu werden. Was Geld, Energie und der feſte Wille, eine tüchtige Flotte zu beſitzen, thun können, ſcheint hier geſchehen zu ſein, und wer von einer der be- nachbarten Höhen die muſterhaft angelegten Baſſins, Dock- yards, die langen Reihen von Schiffsrümpfen und die zahlreichen in der Rhede ankernde Coloſſe erblickt, oder an einem ſchönen Abend auf dem Quais, in den Straßen – 10 – die 3 oder 4000 Matroſen ſieht, die ihre Urlaubszeit in verſchiedenen Kaffeehäuſern oder beim Marchand de vin zubringen, auch wohl in dichten Gruppen umherſchlendern, daß die Straßen ſo gedrängt voll von ihnen ſind, als die Linden in Berlin zu Zeiten von Soldaten, dann ſollte man meinen, der Zweck ſei erreicht. Die Mannſchaften ſind gut und reinlich gekleidet und wohl diſciplinirt, ich habe in den Straßen weniger Un- ordnung wahrgenommen als an Orten, wo viele engliſche oder amerikaniſche Seeleute auf Urlaub am Lande waren, allein ich habe ſpäter doch nicht zu der Ueberzeugung kommen können, daß die Sardellenfänger des Mittelmeeres auf dem Salzwaſſer ſo zu Hauſe ſein können, als Wall- fiſchjäger und Kabeljaufänger der nördlichen Meere; Leute, die beinahe auf der See geboren, ſtets da leben und zuletzt darin begraben werden, ſind am Ende doch andere Krebſe. – Es befanden ſich zur Zeit zwölf öſterreichiſche Priſen verſchiedener Größe im Hafen. Wenn ich nicht irre*), war es unter Mr. Thiers Miniſterium, daß die Regierung Frankreichs daran dachte, ſeine effective Seemacht im mittelländiſchen Meere zu ver- größern, jedenfalls wurden im Jahre 1840 bedeutende Erweiterungen des Arſenals von Toulon vorgenommen. Zu jener Zeit begann man den Bau der großen Schmiede- werkſtätte, die drei Jahr ſpäter vollendet ward. Dieſe *) Für mancherlei Auskunft über das Nachſtehende bin ich einem Correſpondenten der London Times verpflichtet. – 11 – enthält jetzt 96 Feuerheerde nebſt vier größeren in einem Nebengebäude, um das Eiſen für den Dampfhammer vor- zubereiten. Die Bälge und der Hammer werden von einer 20 Pferdekraft ſtarken Maſchine getrieben. Der Raum, den das alte Arſenal einnahm, genügte nun nicht mehr, deshalb wurden die Zimmerholz-Niederlagen, die Werfte, die Sägewerkſtätten c. nach der Faubourg de Mourillon an der öſtlichen Seite der inneren Rhede verlegt, und als bald auch dieſer Raum unzulänglich gefunden ward, ſchloß man ein anderes ſüdweſtlich gelegenes Stück Land (Ca- stigneau) in die Mauern des Arſenals ein. An dieſer Stelle befinden ſich die bedeutendſten Ar- beiten, die meiſt aus der Zeit des zweiten Kaiſerreichs datiren. Zur Zeit ſind drei große Docks im Bau be- griffen, deren größter etwa 400 Fuß lang iſt. Die Con- ſtruction dieſer an einer Stelle gelegenen Werke, wo das Ufer ziemlich ſteil iſt, ſo daß am Eingang in dieſelben ſich 40 Fuß Waſſer befinden, folglich genügende Tiefe für die größten Schiffe geben, bot manche Schwierigkeiten dar, da die Ebbe und Fluth im mittelländiſchen Meere nur wenige Fuß beträgt. Der Grund, auf den man zu bauen hatte, erlaubte keine Anwendung der gewöhnlichen Methoden und das Schlagen von Pfahlroſten würde natürlich bedeutende Koſten verurſacht haben; man beſchloß deshalb, ein Ex- periment mit einer Gründung aus Cement zu verſuchen, ähnlich dem bereits in Breſt gemachten. Nachdem zuerſt der leichte Schlamm beſeitigt, legte man eine, mehrere – 12 – Fuß dicke Schicht von Cement und Kies über das ganze Terrain, auf dieſem wurden die Formen der verſchiedenen Docks durch Ausſchüttungen desſelben Materials einge- ſchloſſen, indem man den Grundplan derſelben durch doppelte Reihen Pfähle bezeichnete, die mit Platten be- deckt, die Form für dieſes rohe Mauerwerk bildeten; ſobald dieſe Mauern nun bis über den Waſſerſpiegel erhoben waren, begann man das Waſſer aus dem ſo geformten Baſſin auszupumpen und nun wurden Boden ſowohl als Seiten ſorgfältig mit ſtarken Granitblöcken ausgemauert. Man war gleichfalls beſchäftigt, ausgedehnte Werk- ſtätten verſchiedener Art zu errichten, wie z. B. Hobel- maſchinen, weitere Schmieden mit wenigſtens 50 Heer- den, eine Gießerei 2c. In dieſer letzteren befanden ſich 16 Schmelzöfen, davon jeder 10 Tonnen enthaltend, eine Metallmaſſe von 160 Tonnen auf einmal ſchmelzen, folg- lich für die größten Gußſtücke genügen würde. Die Ankerwerfte ſchien im Verhältniß klein; die vor- handenen Anker waren gleichfalls klein, kaum für ſchwere Fregatten genügend und viele derſelben zerbrochen, ich glaube jedoch, daß das vorhandene Material meiſt für die kaum beendeten Ausrüſtungen verwendet worden war. Der Kohlenvorrath war beträchtlich und täglich brachten Schiffe aus England neue Vorräthe herbei. In den Sälen des Arſenals befanden ſich 52,000 Feuerwaffen, von denen jedoch die meiſten veraltet, kaum – 13 – mehr für den Dienſt anwendbar waren. Es befanden ſich kaum einige Tauſend gezogene Musketen darunter; Säbel, Piſtolen, Beile und Dolche waren in verſchiedener Weiſe zu Decorationen des Saales verwendet, und meiſt war dies Alles, wozu ſie gebraucht werden konnten. Die Zahl der gezogenen Kanonen war beträchtlich und ward täglich vergrößert, da man bereits alle Kanonenboote ſowie die Schiffe, theilweiſe mit dieſen Geſchützen bewaffnet hatte, und in Zukunft durchaus bewaffnen will. Die Kanonen wurden von der Mündung geladen, allein einige wenige nach einem neuen Modell gegoſſene waren aus der Kammer zu laden; die Vorrichtung dazu war jedoch nicht am Rohr befeſtigt und beide Mündungen desſelben wurden ſorg- fältig verſchloſſen gehalten. Am öſtlichen Ufer der Rhede befinden ſich gleichfalls fünf große überdeckte Werfte, in der die Fregatten Gloire und Invincible ihrer Vollendung nahten. Es ſind das ſogenannte „Frégates blindées“ d. h. mit Eiſenplatten überzogen. Die Länge derſelben iſt 250 Fuß, Breite 45 Fuß, Dicke der Seitenwände excluſive der Eiſenplatten 26 Zoll. Balken des Hauptdeckes 16 × 17 Zoll, jede Breitſeite mit 20 Geſchützpforten. Die Seiten ſollten von der Waſſerlinie mit Eiſenplatten bekleidet werden, die 5 Zoll dick, 3 Fuß 6 Zoll breit, und an 4 bis 6 Zoll lang waren, etwa 25 Centner wogen und mittelſt Bolzen be- feſtigt werden ſollten. Außerdem wollte man das Deck durch # Zoll dicke eiſerne Platten, zwiſchen zwei Lagen – 14 – von Pfoſten gelegt, bombenfeſt machen. Ich ſollte denken, daß dieſe ungeheuere Maſſe von Metall über dem Waſſer- ſpiegel das Schiff in einer ſchweren See ſehr unbehülflich machen müßte. Außer den erwähnten fünf überdeckten Werften be- finden ſich noch zehn dergleichen offene auf derſelben Seite, in denen Schiffe verſchiedener Größe in Arbeit begriffen Waren. Unter den auf der Rhede ankernden Schiffen waren beſonders bemerkenswerth die ſchwimmenden Batterien und Kanonenboote. Eine dieſer erſteren war 255 Fuß lang und iſt mit 18 Kanonen, anſcheinend größer als 68 Pfund bewaffnet. Ihre Seiten ſind gleichfalls mit eiſernen Platten bekleidet, im Gefecht werden die Schanz- kleidungen niedergelegt, die Maſten werden niedergelaſſen und die Eſſe ſinkt in den Schiffsraum hinab, ſo daß nichts als der eiſerne Rumpf dem Feinde zum Ziel dient. Die Mannſchaften ſind von allen Seiten gedeckt, und nur der commandirende Officier befindet ſich auf dem Deck, wo auch er durch einen 7 Fuß im Durchmeſſer großen, mit Eiſenplatten bekleideten Cylinder in gewiſſem Grade gedeckt iſt. Leichte Gerüſte für Scharfſchützen kön- nen auf der einen Seite über Bord gehängt werden, ſo daß auch hier die Mannſchaft durch die ganze Breite des Verdecks geſchützt iſt. Dieſe Fahrzeuge gleichen mit ihrem Eiſenpanzer alten Rittern in voller Rüſtung, und ich fürchte, daß, gleich jenen, die Mannſchaft durch Dampf und Hitze nicht wenig beläſtigt wird. Die Kanonenboote ſind mit gezogenen 30pfündigen Kanonen bewaffnet, deren Kugeln einem Zuckerhut gleichen, deſſen Seiten etwa drei Viertheile der Länge gerade ſind. An der Circumferenz des Schwerpunktes befinden ſich drei Plättchen (ailettes), die in die Züge paſſen, 2 Zoll lang und Zoll breit und etwa # Zoll vorſpringend. Dieſe ſind mit Zink überzogen, um die Züge zu ſchonen. Dieſe Bombe wiegt etwa 60 Pfund und wird durch ein Loch in der Spitze gefüllt. Eine bedeutende Zahl ſehr flach gehender Kano- nenboote wird durch Privatunternehmer auf den Werften von La Seyne an der weſtlichen Seite der Rhede gebaut, um ſie baldmöglichſt nach dem Kriegsſchauplatz abzuſenden. Der ganz ebene Boden ſinkt nur zwei Fuß ins Waſſer, die Seiten ſind durch eine ſehr ſtarke Combination von Holz und Eiſen, und das bogenförmige Dach durch eine ähnliche Verbindung von Eiſen, Holz und einer Lage Sand bombenfeſt gemacht. Zwei Geſchütze befinden ſich im Vordertheil, wo das Deck etwas höher iſt, um Ge- ſchütz und Mannſchaft vollkommen zu decken. Das Ganze wird vermittelſt zweier im Hintertheil neben einander ſich drehender Schrauben bewegt, deren jede eine beſondere Maſchine und einen beſonderen Dampfkeſſel hat. Das Ganze iſt je nach Verhältniß der Größe in zehn bis zwölf Sectionen getheilt. Davon bildet die Spitze eine Abtheilung; der unmittelbar dahinter befindliche, höher überdeckte, die beiden Geſchütze enthaltende Theil beſteht – 16 – aus vier Sectionen, die an den Seiten Schießſcharten für Infanterie haben. Die drei oder vier hinter dieſen liegenden Sectionen enthalten die Keſſel, die vermittelſt einer leicht einzuſchraubenden Röhre den Dampf in die in der hinteren Section ſtehenden Maſchinen abgeben. Die letzte Section enthält die Schrauben, die ſich durch wenig Zeitaufwand mit der Maſchine verbinden laſſen, und unterhalb und zwiſchen denſelben befindet ſich das Steuerruder. Jede Section bildet eine Ladung für einen Wagen, von ſechs Pferden beſpannt, und das Ganze kann vermittelſt Schrauben und Muttern ſchnell zuſammengeſetzt oder auseinandergenommen werden. Dieſe Kanonenboote waren zur Belagerung von Mantua und Venedig beſtimmt, und Tag und Nacht arbeitete eine Maſſe von Arbeitern an denſelben, um ſie bald an den Ort ihrer Beſtimmung abzuſenden. In großen, gewölbten, 5 bis 600 Schritt lan- gen, mehrere Etagen hohen Gebäuden waren die Seiler beſchäftigt, das Tauwerk zu beſchaffen, und in jeden ab- geſchloſſenen Theilen arbeiteten Hunderte Tag und Nacht, um die mörderiſchen Geſchoſſe zu bereiten, die bald Tod und Verderben um ſich ſchleudern ſollten. Als paſſende Begleitung zu allen dieſen, Unheil ver- kündenden Vorbereitungen tönt unausgeſetzt das Klirren und Raſſeln der Ketten der Galeerenſklaven, die ent- weder in Gruppen auf verſchiedenen Punkten arbeiten oder in langen Reihen Materialien von einem Ort zum anderen ſchaffen. Welch ein Unterſchied zwiſchen der – 17 – Arbeit freier Menſchen und der von Sträflingen! Kein heiteres Lachen, keine frohen Lieder ſind zu hören, keine Scherze, keine freudigen Geſichter, nichts als der lang- ſame, gemeſſene, von der ſchweren Kette gehemmte Schritt, überall das dumpfe Klirren der ſchweren Ringe. Und die Arbeit ſelbſt, wie langſam geht ſie von ſtatten, denn es iſt nur der Zwang, der die Leute treibt, keine Hoff- nung, kein Troſt für viele derſelben, denen nur der Tod den letzten langen Raſttag bringt. Die Zahl der da- mals in Toulon befindlichen Galeerenſklaven belief ſich auf zwiſchen fünf- und ſechstauſend, denn ſeit die Bagnos in Breſt und Cherbourg abgeſchafft worden ſind, iſt dies der einzige Ort, wohin die Sträflinge in Frankreich ge- ſendet werden. Dieſe Leute waren in Hoſen und Jacken aus grober Leinewand gekleidet; die auf Lebenszeit Ver- urtheilten trugen eine niedrige grüne Filzmütze, während die für eine kürzere Periode hierher Entſandten eine ſack- förmige rothe Mütze trugen. Sie waren paarweiſe an ein- ander geſchloſſen und trugen noch überdies eine Kette von der Hüfte bis zum Knöchel, durch die während der Nacht eine lange eiſerne Stange geſteckt ward, die eine ganze Reihe an einander ſchließt. Ihre Nahrung beſteht aus ſchwarzem Brod, Mehlſuppe und Bohnen; kein Fleiſch, kein Wein und kein Taback wird ihnen geliefert, doch iſt es ihren Freunden erlaubt, ihnen derartige Artikel bis zum monatlichen Betrage von 10 Franken zukommen zu laſſen. Unter dieſen Verurtheilten befinden ſich viele, die 2 – 18 – früher eine hohe Stellung in der Geſellſchaft einnahmen, darunter Col de Cercy, der im Jahre 1851 ein Regi- ment in Marſeille commandirte und aus politiſchen Grün- den hierher geſandt ward; Capitän Doineau, Chef du bureau Arabe, wegen einer Verſchwörung, einen arabi- ſchen Chef zu ermorden; Lieutenant de Mercey, der einen Kameraden betrunken gemacht und ihn in dieſem Zu- ſtande im Duell getödtet; der General-Zahlmeiſter (chef comptable) der Armee in der Krim; ſechs Abbés 2c. Ein Maler von hohem Ruf iſt an dieſelbe Kette mit einem berühmten Advocaten geſchloſſen. Man ſucht die Zahl der hier befindlichen Sträflinge dadurch zu ver- mindern, daß man ſie beredet, nach Cayenne oder Lam- beſſa zu gehen, wo man ihnen die Ketten abzunehmen verſpricht, allein obſchon bereits drei Transporte von je 500 Mann dahin geſendet worden ſind, ſo füllen immer wieder neue Ankömmlinge ihre Plätze. Viele ziehen es vor, trotz der Ketten in Frankreich zu bleiben, weil ſie ſich vor dem baldigen Tode im tropiſchen Klima fürchten oder, wie einer der Wächter ſich ausdrückte: Tous ces assassins et voleurs sont si läches, qu'ils ont peur de mourir. Meine Feier des nächſten Sonntags war eigenthüm- licher Art. In den Kirchen war überall „Te deum“ pour les victoires en Italie, in das ich, trotzdem ich in dieſem Siegen Werkzeuge zu einem baldigen Ende dieſes leidigen Krieges ſah, dennoch nicht einzuſtimmen wünſchte; – 19 – überdies ging mir das Beten in franzöſiſcher Sprache nicht von Herzen, und ſo beſchloß ich von den Werken thätiger chriſtlicher Nächſtenliebe das zu üben, das hier am nächſten lag: das Beſuchen der Gefangenen und Kran- ken. In den Hospitälern, den Forts der Umgegend, ſowie den Feſtungsgräben der Stadt, campirten zu jener Zeit noch einige Tauſend öſterreichiſcher Gefangener, und ich benutzte jede Gelegenheit, mir Zutritt zu denſelben zu verſchaffen; denn ich weiß, wie wohlthuend ſolche Kund- gebungen von Theilnahme wirken, und wünſchte zugleich, durch Geſpräch mit möglichſt Vielen mir ein richtiges Urtheil über die Zuſtände in der Armee Oeſterreichs in Italien zu bilden. Wie ſich denken läßt, waren dieſe Männer etwas niedergeſchlagen, denn trotz der humanen Behandlung iſt es drückend, ſeiner perſönlichen Freiheit beraubt zu ſein. Die Leute beſtanden aus Theilen von beinahe allen In- fanterie-Regimentern, Jägern, Artillerie, allein nur we- nigen Reitern, und waren bei Montebello, Magenta und Melagnano gefangen genommen worden. Alle beſchwerten ſich bitter über den ſchlechten Oberbefehl. Bei Magenta hatte die grenzenloſeſte Verwirrung geherrſcht, alles Com- mando hatte zuletzt ein Ende, jeder focht einzeln oder in kleinen Abtheilungen, aus verſchiedenen Regimentern ge- bildet, wie es nun eben ging, und wurde getödtet, ver- wundet oder gefangen genommen, wo er eben ſtand. Ueber die Stimmung der Leute in Bezug auf den Krieg kann wohl nur wenig Zweifel herrſchen, trotzdem ſie mit einer leicht begreiflichen Rückhaltung ſprachen. Was kann man nun wohl für Reſultate erwarten, wenn Leute ſich theils nur aus Pflichtgefühl ſchlagen, theils aus militä- riſchem Ehrgefühl oder weil ſie eben dazu gezwungen werden. Wer immer die öffentliche Meinung durch unredliche Sophiſtik über den wahren Thatbeſtand irrezuführen be- müht iſt, ladet eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich. Der fühlende Menſchenfreund ſieht ſeine Sympathien auf diejenigen beſchränkt, die die Leiden des Krieges perſön- lich getroffen haben, und aus dieſem Grunde ſuchte ich ſie hier ſo kräftig kundzugeben, als in meiner Macht ſtand. Theilnehmende Geſpräche und kleine Geſchenke von ſolchen Annehmlichkeiten, wie Früchte, Taback 2c. waren leider faſt Alles, was ich zu geben vermochte, und lebhaft bedauerte ich, nicht eine jener Bibelgeſellſchaften zur Hand zu haben, um mich mit Material zu verſehen, denn hier war ein dankbares Feld; allein ein jeder hilft ſo gut, als er kann, deshalb ward eine kleine Taſchen- bibel und ein Gebetbuch, in viele Stücke zerriſſen, vertheilt. Alle meine Fragen über die Behandlung wurden mit großer Zufriedenheit über erwieſene Humanität beant- wortet, beſonders war für die Verwundeten gut geſorgt worden. Nur ein vereinzelter Fall war in Magenta vorgekommen, wo die vom Streit erhitzten Turcos in ein Hospital gefeuert hatten, ſonſt hatte man ſich ihrer – 21 – überall mit großer Leutſeligkeit angenommen. Im Hos- pital St. Mandrier waren noch etwa 200 Verwundete, viele andere aber ſchon als geheilt entlaſſen worden. Trotzdem die am ſchwerſten Verwundeten in Italien ge- blieben waren, gab das ſchnelle und vortreffliche Heilen der Wunden Zeugniß ſowohl für die Trefflichkeit des Klimas von Toulon, als auch für die ärztliche Behand- lung und Pflege. Ich fand Leute, die bei Melegnano, alſo vor etwa vier Wochen verwundet worden, entweder bereits geheilt oder weit in der Beſſerung vorgeſchritten. Einem Mann war eine Flintenkugel quer durch den Backen und zum Hals herausgegangen, die Wunde war bereits geſchloſſen und der Verband abgenommen; einem Anderen war ein Bajonnetſtich durch die Bruſt gegangen, er ging luſtig umher; einem Dritten hatte eine Kugel, in großer Nähe abgefeuert, am Oberſchenkel und an der Hüfte ein großes Stück abgeriſſen, die Wunde heilte vor- trefflich und der Mann begann bereits umherzugehen. Selbſt gefährlichere Verwundungen, wie Knochenbrüche durch die Miniékugeln, die, wenn ſie die Knochen einmal berühren, dieſelben auch faſt zerſtören, heilten auf über- raſchende Weiſe. Dieſe Beweiſe von Humanität verurſachten mir die wohlthuendſten Gefühle, und es gewährt mir große Freude, dieſe Beobachtungen bekannt zu machen, damit man ſieht, daß die, wie zu hoffen ſteht, gleich milde Behandlung ge- fangener Franzoſen, entſprechend wiedervergolten wird. – 22 – Die einzige Beſchwerde, welche die Gefangenen aus- ſprachen, war über Mangel an Beſchäftigung, und da die Leute Gelegenheit wünſchten, ſich durch irgend eine Arbeit etwas zu verdienen, ſo ſetzte ich ihnen auf ihren Wunſch zu dieſem Zweck ein Schreiben an den Commandanten auf; ich beſuchte dieſen letzteren auch ſelbſt und erhielt von ihm die beruhigende Verſicherung, daß, ſobald von den betreffenden Departements die erbetene Erlaubniß ein- treffen werde, die Leute bei öffentlichen Arbeiten beſchäftigt werden ſollten. Es hat mir innige Freude bereitet, auf dieſe Weiſe ſtammverwandten Menſchen ſelbſt in ſo ge- ringem Grade nützlich zu ſein. Finden ſie erſt Beſchäfti- gung, ſº verbeſſert ſich auch wohl ihre moraliſche Stim- mUM9- Man hatte von den bei Solferino Gefangenen wiederum 6000 Mann nach Toulon dirigirt, die in den nächſten Tagen erwartet wurden. In den Hospitälern hatte man proviſoriſche Gebäude von großer Ausdehnung errichtet, und die Geſunden ſollten weiter ins Innere nach Toulouſe, Bourges c. geſanº werden, wo bereits viele Erlaubniß erhalten hatten ſich zum Feldbau um Tagelohn zu ver- 6. Juli 7 uhr Morgens verließ der P. O. Camp. Ellora“ ſeine Ankerſtätte im Hafen von Mar- die von England nach Oſtindien und wählen dazu gewöhnlich die kühleren wo die Acclimatiſation leichter Dampfern ſeille. Perſonen, China überſiede" Herbſt- und Wintermonate, – 23 – wird; aus dieſem Grunde ſind die während des Sommers nach dem Orient ſegelnden Packetboote weniger frequentirt, und im gegenwärtigen Falle belief ſich die Zahl ſämmt- licher Paſſagiere auf etwa fünfzehn bis zwanzig, wodurch ein jeder den Vortheil hatte, eine beſondere Cabine für ſich einnehmen zu können. Sobald man den Hafen verlaſſen, kann man ſich ſicht- bar verdeutlichen, weshalb bei ſonſt gleichen Wetterver- hältniſſen die Atmoſphäre von Toulon angenehmer und leichter erſcheint, als die von Marſeille. Beide liegen in einer tiefen Bai, beide ſind von ungefähr gleich hohen Bergen eingeſchloſſen, allein da die Bai von Marſeille tiefer eingebogen, die Berge ſelbſt bis an die Enden des Halbkreiſes ſich nicht abflachen, ſondern ſteil in die See abfallen, überdies auch mehrere hohe Felſeninſeln den Durchmeſſer dieſes Halbcirkels einſchließen, ſo wird die reinere Seeluft ausgeſchloſſen und der dunſtige Qualm, der in ſich ſelbſt bedeutend größeren Stadt, verdickt von dem Rauche vieler Werkſtätten und Dampfmaſchinen, breitet ſich wie ein dunkles Tuch über Stadt und Bai, an heißen Tagen oft die Baſis der Berge verhüllend, und ſich in einer dünnen Lage ſelbſt bis in das reine Blau der See hinausdehnend. An der öſtlichen Seite des Hafeneinganges auf einer ſteilen Bergſpitze ſteht die Capelle Notre dame de la garde, und eine Treppe von vielen Stufen führt über die grauen heißen Kalkſteinfelſen zu ihr hinauf. Auf dem Gipfel angelangt, lohnt eine weite Ueberſicht über Land und Meer für gehabte Mühe. Aber was für wunderliche Leute das doch ſind, die ihre Kirchen an ſo abgelegenen Orten bauen, daß ſie nur ſelten beſucht werden! Man ſollte doch meinen, daß, je näher die Menſchen den Tempel Gottes haben, je beſſer ſie in demſelben Zuflucht finden können. An der Seite der alten kleinen Capelle erbaut man jetzt eine andere von prätentiöſeren Dimen- ſtonen. - Zwiſchen dem Felſenvorſprung, auf dem dieſe Capelle ſteht und der Inſel Dieu-donnée, die ſich quer vor dem Eingang des Hafens ſtreckt, befindet ſich auf einem gleich den übrigen weißgrauen und zackigen Kalkſteinfelſen das Chateau d'If, romantiſchen Andenkens des Monte Chriſto. Einige Batterien, zur Zeit ohne Kanonen, einige Gebäude und ein viereckiger Thurm an der Südſeite bilden das Ganze, das ohne den Umſtand, daß es das Theater von A. Dumas vielgeleſenem Roman iſt, kaum ſehr beachtet werden würde. Noch im Jahre 1848 bis 49 verwahrte man hier politiſche Gefangene, und auf den Mauern der Plattform befinden ſich eine Menge Inſchriften, wie Vive la République, mort aux Tyrans etc. mit vielen Namen darunter, deren Eigenthümer vielleicht noch in Cayenne ſchmachten, wenn nicht ſchon der Tod ſie einer anderen Exiſtenz zugeführt, wo diejenigen von ihnen, die den po- litiſchen Bewegungen, deren Opfer ſie wurden, durch Streben nach höheren Ideen, und nicht durch das Ver- – 25 – brechen zugeführt wurden, zur Einſicht gelangt ſein werden, daß nichts in der Natur ſich in Sprüngen bewegt, und daß die geiſtige Entwickelung des Menſchengeſchlechtes durch Perioden, wo Leidenſchaften die Urtheilskraft ſchwächen und den klaren Blick über das Ganze verdunkeln, nur aufgehalten werden kann. Ein Caſtellan zeigt gegen ein Trinkgeld dem gläubigen Publikum den Kerker Monte Chriſtos, des Abbees, den Ort, wo er ins Meer geworfen wurde 2c. Während der ganzen Paſſage kräuſelte nur ſelten ein leiſes Lüftchen die See, der Himmel blickte ruhig im reinſten Blau hernieder, der Dampfer bewegte ſich ruhig und geräuſchlos weiter, ſo daß es eines Blickes in das azurblaue Waſſer bedurfte, um ſich zu überzeugen, daß wir nicht im Hafen vor Anker lagen. Am 7ten vor Tagesanbruch befanden wir uns an der Küſte von Corſika und ſteuerten durch die Paſſage von St. Bonifacio. Die Küſten waren von wunderlichen barrock geformten Felſengebirgen eingeſchloſſen, zackig, grau und an der Baſis mit gewaltigen, oft excentriſch geſtal- teten Felsbrocken beſtreut, faſt gänzlich baumlos und nur ſelten in den Thälern und an den niedrigen Hügelhängen einige Vegetation zeigend, während die Ferne in zartes durchſichtiges Grau gekleidet war. Hin und wieder, in langen Zwiſchenräumen von einander, wurden zerſtreute Fiſcherhütten ſichtbar, oder ein Trupp Ziegen oder Schafe; in der That, das Land ſcheint in dieſer Gegend zu wenig – 26 – mehr nützlich zu ſein, als Fiſchfang zu treiben, Ziegen zu hüten, und zum Zeitvertreib etwas Vendetta zu üben. Dann folgte wieder blaues ruhiges Waſſer, das ſich bis zum Horizont hin ausdehnte, auf dem zu Zeiten einige Schiffe träge und faſt bewegungslos ſchwammen. Man hätte es für eine „gemalte See“ mit „gemalten Schiffen“ halten können, hätte ſich nicht hin und wieder eine Heerde von Porpoiſen gezeigt, die in munteren Sprüngen ent- weder vor und um das Schiff her ſpielten, oder in ſüd- weſtlicher Richtung ſich entfernend, den aus jener Himmels- gegend zu erwartenden Wind verkündend. Am 8ten ward die Küſte von Sicilien in der Ferne ſichtbar, der Aetna zeigte für eine kurze Zeit ſein ſchnee- bedecktes Haupt. Die Porpoiſen hatten ſich als gute Wetterpropheten erwieſen, ein leichter Südweſtwind, juſt genug um die Segel zu ſchwellen, wehte daher, brachte aber zugleich einen feinen Nebel mit ſich, der zu Zeiten das Schiff einhüllte und es nöthig machte mit der Glocke und Dampfpfeife anderen Fahrzeugen das übliche War- nungsſignal zu geben. Gegen Mittag war See und Luft wieder ſo rein, als bisher und um 7 Uhr des Abends zeigte der Leuchtthurm von Gozo ſein Wechſellicht. Es war eine herrliche Mondnacht, wir konnten uns der wohl- bekannten Küſte mit unveränderter Schnelligkeit nähern, um 10 Uhr hatten wir die beiden Leuchtthürme am Hafen- eingang von La Valette in Sicht, ein blaues Licht nebſt einigen Raketen ward gezeigt, vom Lootſen am Ufer er- – 27 – wiedert und um Mitternacht ankerten wir im Quaran- taine-Hafen. Eine Menge Boote mit bunten Laternen drängte ſich alsbald um das angekommene Schiff, das Gepäck ward in eines derſelben hinabgeſandt, der Rei- ſende folgte und in wenigen Minuten landet man auf dem berühmten Felſen, der während mehr als fünf Jahr- hunderte der chriſtlichen Welt als Bollwerk gegen den Barbarismus des Oſtens diente. Die Zollbeamten machen in der Regel wenig Schwierigkeit mit Durchſuchung des Gepäckes, im gegenwärtigen Falle vertrat die einfache Frage nach verzollbaren Gegenſtänden und die verneinende Antwort die Stelle des Durchſuchens. Am Ufer war eine dienſtfertige Menge von Laſtträgern bereit, Koffer und Nachtſäcke nach dem Hötel zu bringen; man nimmt ihre Dienſte an, ſchreitet über eine Zugbrücke über einen langen gewölbten Gang und befindet ſich nach einigem mühſeligen Bergaufſteigen in der Strada reale, wo das Victoria-Hôtel den Wanderer gaſtlich aufnimmt. Die Straßenbeleuchtung von La Valette iſt übel be- ſtellt, eine einzige Lampe an jeder anderen Straßenecke iſt alles was geleiſtet wird, und kommt einem nicht wie im gegenwärtigen Falle der klare Mondſchein zu Hülfe, ſo iſt man in Gefahr Hals und Bein zu brechen. Die Stadt iſt in und auf dem Felſen gebaut, und obſchon die Straßen rechtwinklich angelegt ſind, ſo macht dennoch das unregelmäßige Terrain ein fortwährendes Auf- und Ab- ſteigen nöthig. In der That ſind in den meiſten Fällen – 28 – die Seitenpfade mit Stufen verſehen, was den Verfaſſer jenes, der Abſchied von Malta benannten, irrthümlich Lord Byron zugeſchriebenen Gedichtes zu dem Ausruf veranlaßte: „Adieu, ye cursed Streets of Stairs.“ In vielen Straßen findet man unter den Thorwegen und entlang der Häuſer Gruppen von Schlafenden, die in eine leichte Decke eingehüllt das harte Pflaſter zum Bett gewählt haben, denn der ewig heitere Himmel der Sommermonate und das milde Klima erlauben ihnen ſich des Luxus eines Obdaches zu entſchlagen. Das Hôtel ſah erträglich reinlich aus, der mit Stein- platten belegte Fußboden und das Plätſchern eines Brun- nens im Hofe unterſtützten eine gutwillige Phantaſie ſich in der drückenden Atmoſphäre das Gefühl von Friſche und Kühle vorzuſtellen; nach einer ſorgfältigen Inſpection der Bettwäſche und der Mosquitovorhänge giebt man ſich der Hoffnung hin ſein Lager nicht mit unerbetener Ge- ſellſchaft theilen zu müſſen und ſo legt man ſich denn zur Ruhe mit gutem Gewiſſen, Vertrauen in Gott und in die beſſere Natur des Menſchen. II. Rückblicke auf die Geſchichte Malta’s bis zum Erſcheinen der Johanniter. Diodorus Nachrichten über Melita (Malta). – Malta von den Römern zu einer römiſchen Provinz gemacht. – Man ſucht die Sym- pathien des Volkes zu gewinnen. – Verſchönerungen durch öffentliche Bauwerke. – Die Gothen. – Von Beliſar vertrieben. – Verfall des früheren Wohlſtandes. – Die Araber. – Ermordung aller Griechen. – Seeräubereien. – Niederlage des Nicetus und Manianus. – Graf Roger. – Sieg über Michael Comnenus. – Unterdrückungen von Aufſtänden. – Die deutſchen Kaiſer. – Manfred. – Karl von Anjou. – Konradin, der letzte Hohenſtaufe. – Schlacht von Aquila. – Peter III. von Arra- gonien. – Die ſicilianiſche Vesper. – Die Franzoſen aus Malta ver- trieben. – Die Inſel verpfändet. – Kaiſer Karl V. – Abtretung der Inſel an den Orden der Johanniter. Da bei einer Tour durch die Inſel ſich dem Rei- ſenden überall geſchichtliche Rückerinnerungen aufdrängen, ſo dürfte es am Platze ſein, hier einen kurzen hiſtoriſchen Rückblick einzuſchalten. Ein claſſiſcher Autor (Diod. Sic. lib. V. c. 12) giebt uns die folgende Nachricht über dieſe Inſel: „Die Inſel „Melite (Malta) beſitzt viele ſehr vorzügliche Häfen, und „ſeine Einwohner ſind reich, denn es befinden ſich unter „ihnen eine große Anzahl verſchiedener Handwerker, unter „denen ſich beſonders die Weber einer ſehr feinen und „weichen Leinwand auszeichnen. Ihre Häuſer ſind ſtatt- „lich, mit vorſpringenden Dächern und Tünchwerkkunſt- „reich verziert. Die Inſel iſt eine Colonie von Phöni- „ziern, die, als Kaufleute bis nach dem weſtlichen Ocean „ Handel treibend, dieſes Eiland wegen ſeiner guten Häfen „und paſſenden maritimen Lage zur Einkehr benutzten. „Durch dieſe Vortheile wurden die Einwohner bald reich „an Schätzen und Ruhm.“ Hieraus ergiebt ſich, daß die Phönizier, wenn nicht die erſten Bewohner, doch unter den frühſten Anſiedlern – 32 – der Inſel waren. Alle übrigen Nachrichten, die wir über die Geſchichte Maltas bis zur Zeit des erſten puniſchen Krieges beſitzen, erſcheinen ſo nebelhaft, daß ſie nicht ohne vorheriges gründliches Studium, wozu die Materialien zu ſammeln, zur Zeit unendlich ſchwierig, wenn nicht unmöglich iſt, wiedergegeben werden können. So viel ſcheint jedoch gewiß, daß die Karthager zu gewiſſen Pe- rioden wenigſtens die Inſel im Beſitz hatten. So groß war der Wohlſtand Maltas unter der Herr- ſchaft der Karthager geworden, daß es nach Beendigung des erſten puniſchen Krieges die Habſucht des eroberungs- ſüchtigen Roms auf ſich zog. Zweimal ward die Inſel geplündert, zuerſt unter dem Conſul Attilius Regulus und ſpäter unter Cajus Cornelius. Beim Beginn des zweiten puniſchen Krieges ward es nebſt Sicilien von den Rö- mern unter dem Conſul Titus Sempronius erobert. Durch Decret des Senates ward Malta zu einer römiſchen Statthalterſchaft gemacht, ſein Präfect ſtand unter den Befehlen des Prätors von Sicilien, und Mar- cus Marcellus ließ dieſen für die Vertheidiguug Italiens und Siciliens ſo wichtigen Hafen befeſtigen. Die Römer unterließen nichts was die, den Kartha- gern noch warmanhängenden Einwohner mit ihren neuen Herrſchern verſöhnen konnte. Sie ließen ihnen die un- veränderte Ausübung ihrer Geſetze, und ermuthigten die Manufacturen die ſie verſtanden, beſonders die von Baum- wolle die ſo berühmt war, daß uns Cicero meldet, ſie – 33 – werde ſelbſt in Rom als ein Luxus-Artikel betrachtet. Außerdem war es den Malteſern geſtattet ihre eigenen Münzen zu prägen, ihre eigenen Richter zu wählen, das Stimmrecht als römiſche Bürger ward ihnen zugeſtanden, und ſie durften im Tempel des Jupiter Capitolinus opfern. Die in Malta befindlichen Tempel des Hercules und der Juno wurden von den Römern erweitert und ver- ſchönert, man erbaute dem Apollo und der Proſerpina gleichfalls Tempel und ebenſo ein Amphitheater, deſſen Trümmer noch in der Nähe von Citta Nottabile ſichtbar ſind. Römiſche Münzen werden noch jetzt auf der Inſel gefunden, und verſchiedene Inſchriften bezeugen die Pri- vilegien die die Malteſer in jener Periode genoſſen. Die Gothen, nachdem ſie Italien und Sicilien mit Krieg überzogen, und Karthago geplündert hatten, kamen etwa um das Jahr 506 nach Chr. in Malta an und nach einem Beſitz von ſieben und dreißig Jahren wurden ſie von einer Armee Juſtinians unter Beliſar vertrieben. Ein Denkmal aus der Zeit der Gothen befindet ſich in der Bibliothek und in und um Citta Nottabile befinden ſich mehrere Inſchriften aus jener Periode. Bis zum Ende des neunten Jahrhunderts blieb Malta unter der Herrſchaft des öſtlichen Kaiſerreichs, allein da eine falſche Politik die Einwohner jener Privilegien be- raubt hatte, die ſie zu Zeiten der Römer genoſſen, ſo gerieth der frühere Wohlſtand in Verfall. - 3 – 34 – Ungefähr um das Jahr 879 während der Regierung des Kaiſers Baſil, gelang es den Arabern die zu jener Zeit bereits Spanien, Portugal, Italien und einen Theil Frankreichs erobert hatten auf der Inſel Gozo zu landen, wo ſie alle daſelbſt befindlichen Griechen umbrachten. Von hier ſetzten ſie über die Straßen die Gozo von Malta trennen und griffen letztere Inſel an, die geraume Zeit erfolgreichen Widerſtand leiſtete, allein zuletzt der Ueber- macht unterlag. Es ſcheint, daß die Griechen, die auf Beliſar gefolgt waren, ſich durch ihre Unterdrückungen den Haß der Einwohner zugezogen hatten, die jetzt hofften unter neuen Gebietern ihren Zuſtand zu verbeſſern. Nachdem die Araber Beſitz von der Inſel ergriffen, ermordeten ſie alle Griechen und verkauften ihre Frauen und Kinder in die Sklaverei, die Eingeborenen aber wur- den mit großer Milde behandelt und ihre früheren Vor- rechte ihnen zurückerſtattet. Da den neuen Herrſchern bald die Wichtigkeit des Beſitzes ſo vieler vortrefflicher Häfen für ihre piratiſchen Expeditionen einleuchtete, ſo errichteten ſie zum Schutz des großen Hafens an der Stelle von Fort St. Angelo Befeſtigungswerke und ver- ſtärkten Citta Nottabile, das damals Medina (arabiſche Stadt) genannt ward. Während der Regierung der Kaiſer Nicephorus und Michael Paphlagon wurden die Raubzüge der Araber nach Italien und dem ganzen oſtrömiſchen Reich ſehr läſtig, und deshalb rüſtete man eine Expedition unter – 35 – den Admiralen Nicetas und Manianes aus, die aber wegen Mangel an Eintracht zwiſchen den Befehlshabern fehlſchlug. Die Araber ließen als Zeichen ihrer Herrſchaft Spuren ihrer Sprache zurück, denn der heutige Dialekt der auf Gozo und in den verſchiedeneu Caſſals oder Dörfern Maltas geſprochen wird, iſt dem Arabiſchen näher verwandt als irgend einer anderen Sprache. Nachdem die Araber während 220 Jahren im unge- ſtörten Beſitz der Inſel geblieben, wurden ſie vom Grafen Roger, Sohn des berühmten Tancrede de Hauteville, in Gemeinſchaft mit ſeinem Bruder, aus Sicilien, Neapel Und Malta vertrieben. Die Einwohner trugen dem Sieger die Oberherrſchaft über dieſe Inſeln an, die von ihm angenommen ward, ſo daß trotz des Widerſtrebens des Papſtes und des Kaiſers in Konſtantinopel ſeine Krönung als König von Sicilien und Malta ſtattfand. Michael Comnenus ſuchte die Oberherrſchaft über die Inſeln des mittelländiſchen Meeres wiederzugewinnen, und entſendete zwei mächtige Flotten unter Alexis Comnenus und Conſtantin Angelo. Roger beſiegte beide und machte ſie zu Gefangenen, trug den Krieg in des Kaiſers eigenes Gebiet und kehrte beladen mit den Schätzen von Theben und Korinth zurück, nachdem er Michael gezwungen ſeine Rechte an- zuerkennen. - Roger, dem Geiſte ſeiner Zeit folgend, gründete und bereicherte viele Kirchen in Malta; wo, obſchon er einige – 36 – Verſuche machte die zurückgebliebenen Araber zum Chriſten- thum zu bekehren, er dieſelben dennoch mit großer Milde behandelte, und ihnen ſogar geſtattete, eine kleine Gold- münze zu prägen, die auf einer Seite die Inſchriſt: „Es iſt kein Gott außer Gott, Mohamed iſt ſein Prophet“ und auf der anderen Seite „König Roger“ führte. Nichts- deſtoweniger fanden mehrere Aufſtände ſtatt und im Jahre 1120 ſuchten die Araber des Diſtrictes Kalat-el Bahrich die vorzüglichſten Einwohner der Inſel zu ermorden, ſo daß der König genöthigt war ſeinen Sohn abzuſchicken, um Ordnung wiederherzuſtellen. Nach dem Tode Rogers trat ſeine Tochter, Gemahlin Kaiſer Heinrich VI., die Inſeln Malta und Sicilien an die Krone der ſchwäbiſchen Kaiſer ab, oh. "achtet des Einſpruches Tancred's, der ſich mittlerweile des Thrones ſeines Vaters bemächtigt hatte; allein der frühzeitige Tod Tancred's und ſeines unglücklichen Sohnes machte dieſem Streit bald ein Ende. Unter Heinrich VI. und ſeinen Sohn Friedrich III. zeichneten ſich die Malteſer zur See aus. Unter dem Befehl ihres eigenen Admirals zerſtörten ſie ein Geſchwader der Piſaner, die gekommen waren Syracus zu belagern und eroberten die Inſel Candia von den Venetianern, nachdem ſie deren Flotte zerſtört und ihren Admiral An- drea Dandalo zum Gefangenen gemacht. Während der nächſten 72 Jahre blieb Malta unter der Oberherrſchaft der deutſchen Kaiſer, bis Manfred, – 37 – der natürliche Sohn Friedrichs II., den ſchändlichen Plan faßte, ſeinen Vater zu vergiften und ſich zum Herrſcher ſeines Reiches zu machen. Die grauſamen Unterdrückun- gen des Uſurpators riefen einen Aufſtand der Sicilianer und Malteſer hervor und beſtimmten zuletzt den Papſt Urban IV., alle ſeine Unterthanen des Gehorſams gegen ihn zu entbinden. Um ſich vor den Folgen dieſes Edictes zu ſchützen, bot er die Hand ſeiner Tochter Conſtance an Peter, Sohn König Jacob's von Aragonien, an, allein dieſe Maßregel hatte keine anderen Folgen, als die Feind- ſchaft Urban's gegen Manfred zu ſteigern, und ohne ein anderes Recht, als welches ſich ſeine Vorgänger angemaßt, ernannte Erſterer Karl von Anjou, König Frankreichs, zum Herrſcher über Sicilien, Neapel und die dazu ge- hörigen Inſeln. Sein Nachfolger Clemens IV. beſtätigte ebenſo unbefugterweiſe dieſe Ernennung, bedang ſich aber den Beſitz der Herzogthümer Benevento und Ponte-Corvo in Neapel, nebſt einem jährlichen, am St. Petersfeſt zahl- baren Tribut von tauſend Kronen. Eine Schlacht, die zwiſchen den Heeren Karl's und Manfred's am 6. Februar 1268 in den Ebenen von Benevento ſtattfand, gab dem Erſteren den Sieg, Man- fred fand auf dem Schlachtfelde ſeinen Tod, ſein Weib und ſeine Kinder aber fielen dem Sieger als Gefangene in die Hände. Mittlerweile ſchickte ſich Konradin, der legitime Sohn Friedrichs II., in Gemeinſchaft des Herzogs von Oeſter- reich an, ſeines Vaters Reich aus den Händen Karl's wiederzuerobern. Es gelang ihnen, bis nach Aquila in den Abruzzen vorzudringen, wo in den Ebenen von Lis, in der Nähe des Celano-Sees, eine Schlacht ſtattfand, in der Karl abermals Sieger war; bald darauf fiel auf dem Marktplatz von Neapel das Haupt des letzten Hohen- ſtaufen und ſeines Freundes Friedrich von Oeſterreich. Die Tochter Manfred's, deren Gatte unter dem Namen Peter III. König von Aragonien geworden, bot jetzt Alles auf, um dieſen zu vermögen, ſein Recht auf das Königreich Sicilien in Anſpruch zu nehmen. Die Tyrannei Karls von Anjou hatte bereits alle Gemüther gegen ihn gekehrt, und die bekannte ſicilianiſche Vesper brachte allen im Lande befindlichen Franzoſen den Tod. Peter von Aragonien ward in der Kathedrale von Palermo zum König von Sicilien gekrönt. Karl befand ſich zu jener Zeit in Toskana, und ſo- bald ihn die Nachricht jener Empörung traf, begann er augenblicklich, zur Wiedereroberung des Landes Anſtalten zu treffen, allein ſeine Flotte unter dem Commando des Dauphin ward von derjenigen der Aragonier unter Ad- miral Rogero geſchlagen. Hierauf ſegelte Rogero nach Malta, das von den Franzoſen unter Guillaume Cornèr beſetzt war. Nach einem blutigen Gefecht zwiſchen den Flotten beider Parteien ſah ſich Letzterer zur Uebergabe genöthigt, und ſo gerieth die Inſel unter aragoniſche Oberherrſchaft. Trotz der feierlichen Verſprechungen, daß Malta für alle Zeiten als unzertrennlich von der Krone Siciliens betrachtet werden ſollte, ward es dennoch zweimal ver- pfändet, zuerſt an Don Antonio de Cordova und ſpäter an Don Gonſalvo de Monvai. Ueber die Maßen von dem Drucke, den ſie unter dieſen Umſtänden zu dulden hatten, bedrängt und ermüdet, ihre Beſchwerden ohne Reſultat vor den Thron zu brin- gen, beſchloſſen die Malteſer, die Summe von 30,000 Gul- den, für die ſie verpfändet waren, zu bezahlen, und ſeit jener Zeit wurden ihnen neue außerordentliche Privile- gien zu Theil. Im Jahre 1516 fiel das ganze Königreich an Kaiſer Karl V. als Erben aller ſpaniſchen Beſitzungen. – Um jene Zeit war Rhodus nach langer heldenmüthiger Ver- theidigung dem Orden der Johanniterritter entriſſen wor- den, die Ritter unter ihrem heldenmüthigen edlen Groß- meiſter Isle Adam irrten obdachlos von einem Lande zum anderen, vergeblich ein Aſyl ſuchend, und ſchon drohte eine gänzliche Auflöſung dem Orden, als ihnen die Inſeln Malta und Gozo nebſt Tripolis auf dem Feſt- lande Afrikas zur Heimath angewieſen wurden. Lange erwog der Großmeiſter im Rathe mit der Ritterſchaft dieſe Frage, allein angeſichts des traurigen Looſes der Templer, die in Frankreich ihren Untergang gefunden, entſchloß er ſich, auf dieſem entlegenen Felſen Sicherheit für den Orden zu ſuchen, der ſo lange das Bollwerk der – 40 – Chriſtenheit gegen den von Oſten herandrängenden Islam geweſen. Die Schenkungs-Urkunde iſt datirt: Caſtel Franco, Boulogne, den 23. März 1520, und das Document, in welchem das Ordenscapitel die Annahme desſelben kund- gab, vom 25. April desſelben Jahres. III. Die Johanniter in Malta. Verfall des Wohlſtandes der Inſel. – Maßregeln Isle Adams den- ſelben zu heben. – Verfolgungen durch Heinrich VIII. von England. – Tod Isle Adams. – Peter Dupont. – Expedition gegen Tunis. – Didier de Saint Jaille. – Juan d'Omedes. – Selbſtſucht desſelben. – - Expedition gegen Algier. – Eroberung von Mehedia. – Angriff der Türken auf Malta. – Upton und De Guimera. – Fruchtloſer Verſuch auf Citta Notabile. – Gozo wird geplündert. – Claude de la Sengle. – Sucht den Orden zu kräftigen. – Vermehrt die Befeſtigungen. – Jean de la Valette. – Bereitet ſich zum Widerſtand gegen die Türken vor. – Ankunft der feindlichen Flotte. – Beginn der Feindſeligkeiten. – Sieg der Ritter. – Ehrenbezeugungen die La Valette ablehnt. – Gründung von Valetta. – Tod und Begräbniß La Valette's. – Peter de Monte. – Schlacht von Lepanto. – La Caſſiera. – De Verdale. – Don Martin Garzez. – Alof de Vignacourt. – De Paula. – Lascaris. – Caſtelard. – Raphael Cotoner. – Hülfe der Malteſer beim Erdbeben von Meſſina. – Verfall des Ordens. – Die Franzoſen bemächtigen ſich Malta's. – Werden von den Engländern und Portugieſen blockirt und ergeben ſich. – Der Wiener Congreß ſpricht den Beſitz der Inſel England zu. Zu der Zeit, wo der Orden in Malta anlangte, war die Inſel durch langen Druck ſo von ihrem vormaligen blühenden Zuſtand herabgeſunken, daß im Jahre 1516 die ganzen öffentlichen Einkünfte, die der kaiſerliche Statt- halter erpreſſen konnte, ſich nur auf einundzwanzig Du- caten belief. Des edlen Isle Adam Charakterſtärke wurde auf eine ſchwere Probe geſtellt, als er den ſteilen, dünn bevölkerten Felſen erblickte, auf den ſein hartes Schickſal ihn geworfen. Die herrlichen Ländereien von Rhodus, ſein Korn, Wein, Oel, Wälder, ſeine Städte und Flotten ſtanden im grellſten Contraſt zu dem neuen Aufenthaltsort, der außer einer alten halbzerfallenen Feſtung und einigen elenden Fiſcherhütten kaum ein Obdach darbot. Nichts- deſtoweniger hatte er bereits zu viele Wechſel des Schick- ſals erfahren, um ſich hier der Verzweiflung hinzugeben. Er ließ ſogleich einige Feſtungswerke um den elenden Flecken errichten, der unter dem Schutz der Kanonen von St. Angelo entſtanden war, und begann die Lage der neuen Hauptſtadt abzuſtecken. – 44 – Auf dieſe Weiſe erhielten im Jahre 1530, ſieben Jahre nachdem ſie aus Rhodus vertrieben worden waren, die Johanniterritter eine neue Heimath in Malta, und von jener Zeit wurden ſie gewöhnlich als Malteſerritter be- zeichnet. Die vielen Sorgen und Mühen, die jetzt wiederum auf dem edlen Großmeiſter laſteten, waren eine ſchwere Bürde für ſeine Greiſenjahre; dazu kamen fortwährende innere Zerwürfniſſe und zuletzt die offene Feindſeligkeit Heinrichs VIII. von England, der den Orden ſeiner Be- ſitzthümer in England beraubte und mehrere der vor- nehmſten Ritter enthaupten ließ. Sein graues Haupt ward in Sorge zu Grabe gebeugt. Ein heftiges Fieber ſchwächte die wenigen noch übrigen Kräfte ſeines Körpers, und am 21. Auguſt 1534 ſtarb Isle Adam, einer der hochherzigſten und berühmteſten Großmeiſter, die der Orden je beſeſſen. Seine dreizehnjährige Regierung war eine unausgeſetzte Reihe von Gefahren und Widerwärtigkeiten, allein ſein Muth, ſeine Weisheit, ſeine Stärke, ſeine Barmherzigkeit und ſeine Hingebung für den Orden überwanden alle. Die Ritter begruben ihn mit tiefer Wehmuth, und ſein Grab ward durch das einfache Epitaph bezeichnet: „Hier liegt Tugend, ſiegreich über Unglück, begraben.“ Unter der Regierung Peter Dupont's, eines piemon- teſiſchen Ritters, bekam allmählich der Orden neue Kräfte, und im Jahre 1535 war man bereits im Stande, mit vier Galeeren, achtzehn Brigantinen und neun großen – 45 – Karaken Theil an einer Expedition Karl's V. gegen Tunis zu nehmen, wo ſich die Ritter bei Erſtürmung der Breſche von Goletta auszeichneten. Es befanden ſich zu jener Zeit in Tunis etwa 10,000 chriſtliche Gefangene, zu deren Vernichtung durch eine unter ihren Gefängniſſen angelegte Mine man bereits Anſtalten getroffen hatte. Unter den Gefangenen befand ſich ein Malteſerritter Namens Paul Simeoni, der ſich bereits bei der Belagerung von Rhodus ausgezeichnet hatte. Dieſer fand Mittel, zwei der Gefangen- wärter zu beſtechen, die Gefangenen zu befreien, die alsbald das Arſenal erſtürmten, die Garniſon der Citadelle nieder- hieben und ſo im Stande waren, dem Kaiſer durch eine weiße Flagge anzuzeigen, daß die Stadt gewonnen ſei. Karl V., voll Bewunderung ſo ſeltenen Muthes, um- armte Simeoni und dankte ihm vor dem verſammelten Heere für ſeine Tapferkeit, die den Sieg gewann und neuen Ruhm auf den Orden zurückſtrahlte. Nach dem Tode Dupont's regierte Didier de Saint Jaille für eine kurze Zeit und auf ihn Juan de Omedes, ein aragoniſcher Ritter, deſſen Tugenden leider nicht der hohen Würde, die er bekleidete, entſprachen. Unter ſeiner Regierung nahm der Orden Theil an jener bekannten un- glücklichen Expedition Karl's V. gegen Algier. Ein fran- zöſiſcher Ritter, Ponce de Savignac, der Standartenträger des Ordens, verfolgte hier einen Haufen flüchtiger Feinde bis ans Thor der Stadt, und ſeinen Dolch in dasſelbe ſtoßend, ließ er denſelben zurück als Zeichen, daß nichts – 46 – als Schloß und Riegel ihn am weiteren Vordringen ver- hindert habe; die Ritter und Truppen zeichneten ſich aus, indem ſie den unglücklichen Rückzug deckten, und die mal- teſiſchen Galeeren wurden von ihren entſchloſſenen und tüchtigen Mannſchaften in einem Sturm vor dem Unter- gang bewahrt, der einen großen Theil der Flotte ereilte. Bei einem Verſuch, die Stadt Mehedia zu gewinnen, das alte Adonmetum, zwiſchen Tunis und Tripolis gelegen, gewannen die Ritter unter Befehl des Großprofoſſen de la Sengle neue Lorbeeren durch den Muth, mit dem ſie ſich dem Feinde entgegenwarfen, und der Aufopferung, mit der ſie die Kranken und Verwundeten pflegten, und indem ſie ſo im hohen Grade zur endlichen Eroberung dieſer Stadt beitrugen, zogen ſie die vollſte Wuth des berüchtigten Corſaren Dragut auf den Orden, ſo daß, von verſchiedenen Seiten beeinflußt, der Kaiſer Soliman ſich zu einer Belagerung Maltas vorbereitete. Leider war der Großmeiſter zu ſehr mit ſeinen ſelb- ſtiſchen Plänen beſchäftigt, um der Sicherheit und Auf- rechthaltung des Ordens die genügende Aufmerkſamkeit zu ſchenken, und ſelbſt der Commandeur de Villegagnon, der aus Frankreich herbeieilte, um gegen die nahende Ge- fahr zu warnen, vermochte nicht, ihn aus ſeiner Lethargie zu erwecken. - Am 16. Juli 1551 erſchien plötzlich ein türkiſches Ge- ſchwader vor Malta und ankerte im Port Musceit, dem heutigen Quarantaine-Hafen, weſtlich von Valetta. Malta beſaß zu jener Zeit nur zwei Feſtungen, die einen erfolgreichen Widerſtand zu leiſten vermochten, Borgo, das durch die Kanonen vom Fort St. Angelo vertheidigt ward und Citta Notabile, die Hauptſtadt im Innern der Inſel gelegen. Beide Plätze füllten ſich alsbald mit Flücht- lingen vom Lande, die, da die Häuſer ſie nicht alle faſſen konnten, genöthigt waren, in den Straßen zu bivouaquiren. Ungeachtet des paniſchen Schreckens, der die Ein- wohner ergriffen, und trotz der blosgeſtellten Lage, in die ſie ſich durch die Nachläſſigkeit ihres Großmeiſters ver- ſetzt ſahen, bereiteten ſich dennoch die Ritter vor, einen energiſchen Widerſtand zu leiſten. Ein braver engliſcher Ritter, der Commandeur Upton, begleitet von 30 Rittern und 400 Freiwilligen von den Eingeborenen, die eine Reiterſchaar bildeten, beſetzte den Theil der Küſte, wo die Türken zu landen gedachten, während Commandeur de Guimera ſich mit 100 Rittern und 300 Arquebuſieren zwiſchen den Felſen von Movent Serberras, wo jetzt Valetta ſteht, in den Hinterhalt legte, wo er geraume Zeit erfolgreichen Widerſtand leiſtete, bis er von der Uebermacht in die Feſtung zurückgedrängt wurde. Sinam Paſcha, der türkiſche Oberbefehlshaber, fand es nicht rathſam, Borgo anzugreifen, ſondern zog es vor, ſich gegen Citta Notabile zu wenden, auf dem Wege Alles mit Schwert und Feuer verheerend. Dieſe Stadt ſtand unter Befehl George Adorno's, eines Genueſen, war aber nur ſchwach garſoniſirt, und obſchon viele Landleute der Umgegend, die ſich hierher geflüchtet hatten, zur Ver- theidigung beitragen konnten, ſo fehlte es dennoch an Rittern, um ſie zu diſcipliniren und zu führen. Adorno ſandte an den Großmeiſter ein Geſuch um Hülfe, der mit ſeiner gewöhnlichen Selbſtſucht dieſelbe verweigerte, und nur, als Villegagnon ihm im offenen Rathe Vor- würfe machte, erlaubte er dieſem, nebſt ſechs anderen Rittern ſich in die bedrängte Stadt zu werfen. Vor Tagesanbruch unter den Mauern angelangt, ward die kleine Schaar von den Belagerten an einem Seile hinauf- gezogen. Dieſe großmüthige Selbſtaufopferung der Ritter belebte den Muth der Garniſon, ebenſo wie die Nachricht, daß Verſtärkung in die Stadt gelangt war, die Türken entmuthigte; da überdies durch falſche Nachrichten, daß eine gewaltige chriſtliche Heeresmacht von Sicilien zum Entſatz herbeieilte, die Beſtürzung derſelben vermehrt wurde, und ſie zur Aufgabe der Belagerung beſtimmte. Um den Unwillen ſeiner Truppen über das mißlungene Unternehmen zu beſänftigen, erlaubte Sinam Paſcha die Plünderung der Inſel Gozo, deren einzige Vertheidigung in einen alten Thurm beſtand, der von dem Gouverneur Galatin de Seſſa nach einer ſchwachen Vertheidigung übergeben ward. Ueber 6000 Chriſten wurden bei dieſer Gelegenheit in die Sklaverei geſchleppt. - Später ſegelte das ganze türkiſche Geſchwader nach Tripolis, landete am Cap Tajura Truppen, und entriß nach kurzer Belagerung dieſe Stadt dem Orden, da die – 49 – die Garniſon bildenden geworbenen Truppen in Meuterei ausbrachen, und den Belagerern die Thore öffneten. Dieſer unheilvolle Beſuch hatte zur Folge, daß den Befeſtigungen Malta's etwas mehr Aufmerkſamkeit ge- ſchenkt ward, und da zu jener Zeit die Caſſe des Ordens noch zu ſchwach war, um große Auslagen zu rechtfertigen, ſo erbauten verſchiedene Ritter aus eigenen Mitteln die Befeſtigungen in Mont St. Julien, ſo wie Fort St. Elmo, das bei einer ſpäteren Belagerung eine ſo wichtige Rolle ſpielte. Nach d'Omedes Tode, im Jahre 1553, ward Claude de la Sengle zum Großmeiſter erwählt, und unter ſeiner Regierung begann der Orden wieder in ſeinem alten Glanz zu ſcheinen. Die Tochter Heinrichs VIII., Mary von England, erſtattete den Rittern das von ihrem Vater confiscirte Eigenthum zurück, und über größere Geldmittel gebietend, dachte der neue Großmeiſter auf das angelegent- lichſte daran, die Arſenale zu füllen, Truppen zu werben und die mangelhaften Befeſtigungen auszudehnen und zu verſtärken. Die erweiterten Befeſtigungen von St. Elmo und St. Angelo ſtammen aus jener Zeit, und die Halb- inſel St. Michael ward gleichfalls in den Bereich der Vertheidigung gezogen, und nach dem Großmeiſter Isle de la Sengle genannt. Um jene Zeit erſcheint der Name de la Valette als Admiral der malteſiſchen Galeeren, der bald zum Schrecken der türkiſchen und mauriſchen Corſaren wurde, und ſo 4 – 50 – begrüßen wir zum erſten Male den Helden, deſſen uner- ſchütterlicher Feſtigkeit der Orden für ſein Fortbeſtehen ebenſo verpflichtet war, wie dem hochherzigen Isle Adam. Die Verwaltung de la Sengles diente dazu, die Miß- griffe ſeines Vorgängers zu verbeſſern und für ſeinen Nachfolger die Mittel zu beſchaffen, einem neuen von Oſten heraufziehenden Sturm zu begegnen. Er ſtarb am 17. Auguſt 1557 und Jean de la Valette ward einſtimmig zum Großmeiſter erwählt. Von dem Tage, wo er in dem Orden aufgenommen, hatte dieſer ergebene Streiter un- ausgeſetzt die Inſel zn ſeiner Heimath gemacht, wenn ihn nicht die Dienſtpflicht auf andere Poſten der Gefahr rief, und war ſo langſam von Würde zu Würde empor- geſtiegen, bis ſeine ritterlichen Tugenden ihm die höchſte Stelle errungen hatten. Mit Schmerzen hatte er die vielen Mißgriffe ſeiner Vorgänger beobachtet und kaum ſah er die Zügel der Regierung in ſeinen Händen, als er Alles aufbot um den zugefügten Schaden zu erſetzen, vorhandene Mängel auszugleichen, und dem Orden mög- lich zu machen ſeine hohe Miſſion zu erfüllen, die chriſt- liche Welt des Weſtens als Bollwerk gegen den von Oſten herandrängenden Islam zu dienen. Es war hohe Zeit, denn ſchon bereitete Sultan Soly- man eine mächtige Flotte unter den Befehlen der Paſchas Muſtapha und Piali vor, zu denen ſpäter der algiriniſche Corſar Dragut ſtoßen ſollte. – 51 – Die Ritter waren für ihre Vertheidigung meiſt auf ſich ſelbſt verwieſen, denn mit Ausnahme Spaniens, das eine unbedeutende Truppenmacht ſendete, und des Papſtes der 10.000 Kronen beitrug, zeigte ſich keiner der übrigen europäiſchen Staaten bereit die geringſte Hülfe zu lei- ſten; Frankreich war von blutigen Bürgerkriegen erfüllt, Deutſchland zitterte für ſeine eigene Grenze und England fühlte kein Intereſſe mehr in dem Kampfe zwiſchen Kreuz und Halbmond. Das Bewußtſein ihrer vereinzelten Lage diente jedoch nur dazu, den Muth der Ritter auf das Höchſte zu ſteigern. Mehrere Hunderte derſelben die in den verſchiedenen Provinzen zerſtreut waren, eilten auf den Ruf des Großmeiſters herbei, um im Verein mit ihren Ordensbrüdern die Miliz der Inſel zu organiſiren, und diejenigen, welche durch Alter oder Krankheit ver- hindert waren ſelbſt zu kommen, trugen den größten Theil ihrer Einkünfte zur Ordenscaſſe bei. Das feſteſte Bollwerk jedoch war der Großmeiſter ſelbſt, der, in Weis- heit, in Muth, militäriſchen Kenntniſſen und Feuereifer den glorreichſten Führern nicht nachſtand, und in dieſem kritiſchen Augenblick hätte die oberſte Gewalt in keinen beſſeren Händen ruhen können, als in denen Jean de la Valette's. Die verſchiedenen Würden mit denen er über- häuft worden war, hatten, ſtatt ſein Herz von den harten Pflichten ſeines Berufs abzuwenden, nur dazu gedient, ſeine höchſten Beſtrebungen dahin zu lenken, ſich unter allen Umſtänden als ein wahrhaft chriſtlicher Ritter zu – 52 – zeigen. Es erſchien ihm leichter den Tod auf den Wällen ſeiner Feſtung zu ſuchen, denn ſich die Möglichkeit vor- zuſtellen, daß das Banner, unter dem er ſteht, durch die Hände des Feindes in den Staub gebeugt werde. Er erfüllte zu gleicher Zeit die Pflichten des Hospitaliters, des Soldaten, des Ingenieurs, des Artilleriſten und des Heerführers der Schaaren. In einer Stunde beſuchte er die Spitäler, in der nächſten inſpicirte er die neuerrich- teten Feſtungswerke, und mit derſelben Hand, die die Pläne der Verſchanzungen entworfen, ergriff er nicht ſelten Hacke und Schaufel, um die Arbeiter anzueifern. In voller Verſammlung richtete er eine feierliche An- rede an die Ritter: „Ein gewaltiger Feind naht ſich, gleich einer Gewitterwolke und muß das Banner des Kreuzes vor den Ungläubigen ſtellen, ſo laßt uns be- denken, daß dies ein Zeichen iſt, daß der Himmel unſer Leben, das wir ſeinem Dienſt gewidmet von uns ver- langt. Wer für dieſe heilige Sache ſtirbt, leidet einen beneidenswerthen Tod, um uns auf einen ſolchen vorzu- bereiten, laßt uns auf den Stufen des Altars jene Ge- lübde erneuern, die uns nicht nur dem Tode furchtlos ins Auge blicken laſſen, ſondern uns im Kampfe unbe- ſiegbar machen werden.“ Die erhabene Feierlichkeit, die hierauf folgte, war wohl geeignet die Ritter mit dem feurigſten Eifer zu be- ſeelen. Von ihren Sünden gereinigt nahmen alle gemein- ſchaftlich das Abendmahl, und entſagten allen weltlichen – 53 – Gedanken bis ihr großes Werk vollbracht ſei. Privat- ſtreitigkeiten wurden beſeitigt, jeder ſuchte den Anderen durch doppelte Hingebung zu ſtärken und in ergebener Bruderliebe vor dem Symbol ihres Glaubens niederkniend, ſchworen ſie den letzten Blutstropfen zu vergießen, um dasſelbe vor Entweihung zu ſchützen. Bei einer allgemeinen Muſterung ſeiner Streitkräfte fand La Valette, daß dieſelben aus 700 Ritteru und etwa 8500 Soldaten, zuſammengeſetzt aus den Mann- ſchaften der Galeeren, fremden Hülfstruppen, ſo wie der Miliz der Inſel beſtand. Gleichwie bei der Belagerung von Rhodus unter Isle Adam war jede Landmannſchaft mit der Vertheidigung eines gewiſſen Punktes beauftragt, und der dadurch verurſachte Wetteifer war ſo groß, daß man ſich um die gefährlichſten Poſten ſtritt. Am 18. Mai 1565 gewahrten die Schildwachen des Fort St. Elmo die Annäherung der türkiſchen Flotte, die aus 190 Kriegsſchiffen beſtand, bemannt von 30,000 Kern- truppen des türkiſchen Heeres, meiſt Janitſcharen und Spahis, und von zahlreichen Transportſchiffen beladen mit den Geſchützen und Pferden des Heeres gefolgt war. Im Laufe der Nacht gelang es trotz der Wachſamkeit des Gouverneurs, 3000 Türken in St. Thomas zu landen, und am nächſten Morgen ward der Reſt des Heeres in der entfernten Bai von Marſa Sirocco ausgeſchifft. Der Beginn der Feindſeligkeiten war von übler Vorbedeutung für den Orden, ein portugieſiſcher Ritter auf Kundſchaft – 54 – ausgeſendet, fiel durch eine Kugel aus feindlichem Hinter- halt und ſeinem Freunde de la Riviere, der ſeine Leiche retten wollte, ward das Pferd unter dem Leibe erſchoſſen, er ſelbſt aber zum Gefangenen gemacht. Der türkiſche Befehlshaber ließ ihn foltern, um durch ihn den ſchwächſten Punkt der Befeſtigungen zu erfahren, und La Riviere nannte ihm die Baſtion von Caſtilien; allein kaum hatte der Paſcha die mächtigen Werke der- ſelben erblickt, als er voll Zorn ſich hintergangen zu ſehen, den Gefangenen mit eigener Hand umbrachte. Dieſe grau- ſame Handlung, ſo wie die in allen Theilen der Inſel angerichteten Verheerungen wurden vom Großmeiſter ſelbſt gerächt, der mit einem fliegenden Corps 1500 feindliche Marodeurs niederhieb, wobei er ſelbſt achtzig Soldaten und einen Ritter verlor. Die weiteren Details dieſer denkwürdigen Belagerung werden am paſſenden Ort er- wähnt werden. Kaum war dieſe dringende Gefahr durch die Feſtig- keit des Ordens abgewandt, als alle Fürſten, die bisher mit Händen im Schooß zugeſchaut hatten, die lauteſten Beifallszeichen gaben, ganz Europa ſtrahlte von Freuden- feuern, überall erklangen Dankeshymnen und ſoweit der chriſtliche Glaube reichte, war der Name La Valettes mit Ruhm erfüllt. Philipp II. von Spanien ſendete dem Groß- meiſter, als Zeichen ſeiner Bewunderung, ein prachtvolles Schwert und einen Dolch, deren Griffe von Gold, reich mit Diamanten beſetzt waren, und der Papſt bot ihm – OO – einen Cardinalshut an, eine Würde, die jedoch der ehren- werthe Soldat, als unvereinbar mit ſeiner Pflicht, be- ſcheiden ablehnte. Soliman wüthete über das Fehlſchlagen ſeines Planes, und bereitete eine neue Expedition unter ſeiner eigenen Führung vor, die jedoch ſein Tod nicht zur Ausführung kommen ließ. La Valette gründete noch die nach ihm benannte Stadt auf Mount Sceberras, allein ſeine letzten Tage wurden gleichfalls durch innere Zerwürfniſſe, ſo wie durch Streitig- keiten des Ordens mit dem Papſt und anderen Potentaten getrübt. Um ſich zu zerſtreuen, unternahm er einen Aus- flug in die Umgegend, ſich ſeinem Lieblingsvergnügen der Falkenjagd hinzugeben, allein die große Hitze des Monats Juli zog ihm einen Sonnenſtich zu und nach einer Krank- heit von drei Wochen, die er mit der Ergebung eines Martyrs ertrug, beſchloß er ſein glorreiches Leben am 21. Auguſt 1568. Die Beerdigung dieſes ausgezeichneten Kriegers fand mit großer Feierlichkeit ſtatt; ſeine Leiche die vorläufig in der Capelle von St. Marie de Phileome in Borgo beigeſetzt war, wurde in Uebereinſtimmung mit ſeinem letzten Wunſche nach der Kirche St. Marie de la Victoire in der neuen Stadt gebracht; die Galeere des Admirals, ihrer Maſten und Kanonen beraubt, trug den Sarg, die beiden Galeeren, die ſie im Schlepptau hatten, waren mit ſchwarzen Stoffen bedeckt, und ſchleppten verſchiedene – 56 – türkiſche Feldzeichen im Waſſer hinter ſich her, und zwei dem Verſtorbenen gehörige Galeeren, auf denen ſich die Großwürdenträger des Ordens befanden, folgten. In dieſer feierlichen Ordnung ſegelte der Leichenzug langſam dem Mount Sceberras entlang nach Port Musceit, wo der Sarg wieder gelandet ward. Hier erwarteten die Diener des Verſtorbenen in tiefe Trauer gekleidet, mit Fackeln in den Händen die Leiche, die unter Grabgeſängen von Prieſtern nach der ihr beſtimmten Gruft getragen ward, über der die den Ungläubigen entriſſenen blutigen Banner aufgehangen wurden. Unter Peter de Monte, dem Nachfolger La Valette’s, zeichneten ſich die Galeeren der Malteſer in der Schlacht von Lepanto aus, ſpäter aber unter La Caſſiere trübten wiederum unwürdige Streitigkeiten das Gedeihen des Ordens und unter de Verdale und Don Martin Garzez fielen nur einige unbedeutende Seegefechte vor. . Alof de Vignacourt, ein Mann von großen Talenten, der 1601 die Regierung antrat, wußte zwar den dro- henden Verfall für einige Zeit aufzuhalten, und ſeine Nachfolger de Paula, Paul Lascaris, Caſtelard und Ra- phael Cotoner folgten ſeinen Beſtrebungen mit mehr oder weniger Geſchick und Glück, allein der hohe Geiſt, der dieſe kriegeriſche Brüderſchaft früher beſeelt, war gewichen, und die thätige Hülfe, die der Orden im Jahre 1783 den Einwohnern der durch Erdbeben zerſtörten Städte Meſſina und Reggio brachte, vergoldete, wie ein letzter – 57 – Sonnenſtrahl, die dahinſcheidende Pracht dieſer dem Unter- gange gewidmeten Inſtitution. Der franzöſiſchen Nation, die dem Orden ſo viele hervorragende Mitglieder zugeführt, war es vorbehalten denſelben zu vernichten. Die erſte Maßregel war ein Decret der Republik, die jedem franzöſiſchen Ordens- Mitglied ſeiner Nationalität verluſtig erklärte, und ſpäter erfolgte die Confiscation des in Frankreich befindlichen Eigenthums des Ordens. Nicht lange darauf entwarf Na- poleon Bonaparte den Plan ſeines Feldzuges in Aegypten, Malta erſchien eine paſſende Zwiſchenſtation und mußte deshalb in Beſitz genommen werden. Am 9. Juni 1789 erſchien die franzöſiſche Flotte vor Valetta, am Abend desſelben Tages landeten franzöſiſche Truppen in der Bai von Sta. Maddalena und nahmen Fort St. George ohne einen Mann zu verlieren. Am folgenden Tage trafen Verſtärkungen ein und bemächtigten ſich beinahe aller wichtigen Poſten außerhalb der Stadt. Der Groß- meiſter Hompeſch, ein Oeſterreicher, der ſeine Wahl mehr dem politiſchen Einfluß ſeines Geburtslandes, als ſeiner eigenen Fähigkeit zu verdanken hatte, beſaß ſelbſt nicht die nöthige Energie, um wenigſtens ruhmvoll unterzugehen, und übergab die Stadt an die Sieger. Kaum ſahen ſich dieſe im Beſitz der Inſel, als ſie allen Rittern befahlen, binnen drei Tagen das Land zu verlaſſen, wozu ihnen etwa 70 Thlr. Reiſegeld gegeben wurden. Dem Groß- meiſter ward eine jährliche Penſion von 300.000 Franken – 58 – verſprochen. Doch genoß er dieſelbe nur kurze Zeit, ſchon im Jahre 1804 ſtarb er in Montpellier. Ein Theil der Ritter ſuchte und fand in Rußland eine Zuflucht, der Kaiſer Paul ward zum Großmeiſter des Ordens erwählt, und einige Verſuche gemacht den Orden zu reorganiſiren, allein eine veränderte Politik des Kaiſers lenkte bald ſeine Aufmerkſamkeit nach einer anderen Richtung und ſo fiel der Orden in Vergeſſenheit. Die franzöſiſche Flotte verließ Malta am 19. Juni, und General Vaubois blieb mit einer Garniſon von 4000 Mann zurück. Unter der neuen Regierung begann ein Syſtem der ſchamloſeſten Plünderung, der öffentliche Schatz nebſt allen Seltenheiten, die man im Arſenal und den Kirchen fand, wurden eingeſchifft; ein Theil derſelben ging in der Fregatte Orient verloren, die bei Aboukir in die Luft flog, der Reſt ward in der Fregatte Senſible wieder erobert. Das Leihhaus von Valetta ward nicht nur allen Geldes, ſondern ſelbſt der darin befindlichen Pfänder beraubt, und Ungerechtigkeiten aller Art verübt. Dieſe vielfachen Unterdrückungen verurſachten zuletzt einen Ausbruch des lange verſtohlen gehegten Unwillens der Eingeborenen. Bei einem Verſuch die Kathedrale von Citta Nottabile ihrer Schätze zu berauben, entſtand ein Volksauflauf, der bald einen ſo gefährlichen Charakter annahm, daß der Commandant Moſſon Verſtärkung zu ſenden hatte, allein ehe dieſe anlangte, war er und ſein Detachement niedergemetzelt worden; der Aufſtand ver- – 59 – breitete ſich über die ganze Inſel und bald darauf ſahen ſich die Franzoſen in der Stadt eingeſchloſſen. Um dieſe Zeit erſchien eine engliſch portugieſiſche Flotte und forderte Vaubois auf, ſich zu ergeben, und auf ſeine Weigerung ließ man das portugieſiſche Geſchwader zur Blockade zurück. Dieſe dauerte gegen ein Jahr und das Elend der Belagerten erreichte bald einen hohen Grad, ſo daß Schweinefleiſch 8 Franken das Pfund koſtete, und ſelbſt Hunde, Katzen, Pferde, Eſel und Maulthiere ge- geſſen wurden. Verſchwörungen fanden unter den Ein- geborenen ſtatt, und in einer dunklen Nacht gelang es zweihundert Malteſern ſich den Mauern ſo weit zu nähern, daß nur eine vorzeitige Entdeckung das Gelingen des Ueberfalls vereitelte; 44 dieſer Leute wurden ſtandrechtlich erſchoſſen. Als zuletzt die zurückgekehrte engliſche Flotte die Transportſchiffe genommen, auf deren Ankunft man die letzte Hoffnung geſetzt hatte, capitulirte die Stadt am 8. September 1800 und General-Major Pigot im Verein mit Commadore Martin nahmen für England Beſitz von der Inſel. Der Wiener-Congreß des Jahres 1814 be- ſtätigte dieſen Beſitz und ſeit jener Zeit iſt Malta unter engliſcher Oberherrſchaft geblieben. IV. P a lett a. Lage der Stadt. – Fort St. Elmo. – Erbauung. – Belagerung durch die Türken. – Eröffnung der Laufgräben. – Verheerendes Feuer der Belagerungsgeſchütze. – Die Beſatzung bittet um Erlaubniß ſich zurück- zuziehen. – Verweigerung des Großmeiſters. – Verſtärkungen. – Piali Paſcha verwundet. – Muthiger Ausfall. – Ankunft Draguts. – Seine große Energie. – Die Türken erringen Vortheile. – Schwere Verluſte derſelben. – De la Gardamp's Heldentod. – Medſan an den Groß- meiſter geſandt. – La Valette's Strategem, den Muth der Beſatzung an- zuregen. – Dieſe bittet, nicht abgelöſt zu werden. – Feuerreifen bereitet. – Neuer Sturm wird abgeſchlagen. – Verluſte beider Parteien. – Dragut wird verwundet. – Muſtapha Paſcha ſchneidet alle Zuzüge ab. – Vergebliche Verſuche, der Beſatzung Hülfe zu bringen. – Dieſe be- reitet ſich zum Tode vor. – Die letzte Nacht. – Der Todeskampf. – Fall St. Elmo's. Die Stadt Lavalette oder Valetta iſt zwiſchen zwei tiefen Bais auf einer ſchmalen Halbinſel oder Landzunge ge- legen, von den Alten Shaab-el-Ras, oder das vor- ſpringende Cap benannt. Die nordweſtliche Bai, früher Port Musceit oder Marſamucetto genannt, dient als Quarantaine-Hafen, die ſüdöſtliche wird als Handels- hafen benutzt. Beide ſind vortrefflich zu dieſem Zweck geeignet. Die ſteilen Ufer bieten bis dicht am Lande einen bequemen Ankergrund, verſchiedene kleinere Felsvorſprünge theilen jedes der geräumigen Baſſins in mehrere Unter- abtheilungen, und außerordentlich ſtarke Feſtungswerke auf See- und Landſeite machen den Platz für gewöhnliche Streitkräfte faſt uneinnehmbar. Das Fort St. Elmo auf der äußerſten Spitze des Caps gelegen, beherrſcht den Eingang zu beiden Häfen, außerdem aber decken den nordweſtlichen Hafen Fort Tigne, gegenüber Fort St. Elmo auf einer vorſpringenden Land- ſpitze, und Fort Mauvet etwas weiter zurück auf einer Inſel gelegen. Der ſüdöſtliche Hafen wird am Eingang vom Fort Ricaſoli, nächſt der See auf dem ſogenannten – 64 – Galgencap vertheidigt, dann folgt St. Angelo auf einer felſigen Höhe, Batterien über Batterien ſchweren Ge- ſchützes zeigend, und zuletzt Fort St. Michael auf der Halbinſel Sanglea. Die Stadt Valetta iſt von allen Seiten am Ufer mit Mauern und Batterien umgeben, von denen oft drei und vier Reihen über einander ſtehen. Den höchſten Punkt nimmt die Citadelle oder Fort St. John ein, vor der ein an manchen Stellen 150 Fuß tiefer Graben in den Felſen gehauen, und das außerdem noch von Außenwerken geſchützt iſt. Vor dieſem Fort liegt die Vorſtadt Florianna in gleicher Weiſe befeſtigt, und über den Häfen von Borgo nnd Sanglea, ſüdöſtlich vom großen Hafen, dehnen ſich die langen Linien von Cotonera aus. Zur Zeit, wo der Johanniterorden Beſitz von Malta ergriff, war Citta Notabile, jetzt Citta Vecchia genannt, eine beinahe in der Mitte der Inſel gelegene kleine Stadt, der Hauptort; den Seehafen aber ſchützte Borgo, eine Anzahl von Häuſern an der ſüdöſtlichen Seite des gegen- wärtigen Handelshafens gelegen, wo ſpäter Citta Vitto- rioſa erbaut ward. Auf der Stelle des gegenwärtigen Valetta befanden ſich zu jener Zeit nur einige Hütten, von einigen Verſchanzungen am nordöſtlichen Ende vertheidigt. Am Ende der Halbinſel nach der See zu, ſtand eine Capelle, dem St. Erasmus oder St. Elmo gewidmet, und da man hier eine Wacht hielt, um auf der See die Schiffe in der Ferne zu erſpähen, ſo nannte man – 65 – den Platz della Guardia. Der Grundſtein der neuen Stadt ward am 28. März 1566 vom Großmeiſter La Valette gelegt, allein dieſer ſtarb, ehe ſeine Pläne aus- geführt waren, und erſt ſein Nachfolger, Pietro de Monte, vollendete dieſelben im Jahre 1571. Die Befeſtigungen von St. Elmo waren ſchon vom Vicekönig von Sicilien im Jahre 1488 bei Gelegenheit einer Belagerung der Türken angelegt worden. Im Jahre 1565, dem achten Jahre nach der Ver- waltung La Valette's, begann jener ewig denkwürdige Krieg der Türken. Der Sultan Soliman, gereizt durch die Wegnahme einer, dem oberſten Eunuchen ſeines Harems gehörige Galeere, ſchwur dem Orden Verderben, und entſandte eine beträchtliche Truppenmacht unter Be- fehl der Paſcha's Muſtapha und Piali, ſowie des Ad- mirals von Algier, Dragut, gegen die Inſel, wo der- ſelbe im Anfang des Monat Mai anlangte. Der erſte Punkt, gegen welchen die Angriffe geleitet wurden, war St. Elmo, das zu jener Zeit nur ſchwach befeſtigt, von ſechzig Mann unter Befehl eines Ritters vertheidigt ward. Allein da man die Wichtigkeit des Platzes alsbald erkannte, ſo ward eine Verſtärkung von ſechzig Rittern und einer Compagnie ſpaniſcher Infanterie noch in der- ſelben Nacht dahin entſandt. - Die Türken glaubten, daß wenn dieſer Poſten, der den Hafen von Marſamuscetto beherrſchte, genommen ſei, ſie eine bequeme Ankerſtätte für ihre Flotte gewinnen 5 würden, und deshalb eröffneten ſie ſofort die Laufgräben. Da der harte Felſen der Arbeit der Belagerer zu viele Schwierigkeiten darbot, ſo errichteten ſie Batterieen aus Brettern und Pfoſten mit Erdaufwürfen verſtärkt, wozu das Material aus der Ferne mit unendlicher Mühe herbeigeſchafft ward. Am 24. Mai, 6 Tage nach ſeiner Ankunft, hatte der Feind eine Batterie von zehn Kanonen errichtet, deren jede eine ſteinerne Kugel von 80 Pfund ſchoß, außerdem zwei ſechzigpfündige Culverins und einen Baſilisken von ungeheurer Größe, der Steinmaſſen von 160 Pfund in das Fort ſchleuderte. Da jeder Schuß der Feinde traf und unter dieſem verheerenden Feuer bald die Befeſtigungen zuſammenſtürzten, ſo ſendete der Groß- profos von Negropont, der den Poſten befehligte, den ſpaniſchen Ritter La Cerda an den Großmeiſter, mit der Bitte um Verſtärkung; La Cerda beſchrieb unkluger Weiſe in voller Verſammlung der Ritter den bedenklichen Zuſtand des Forts, deſſen Fall er vorausſagte, ehe die Woche zu Ende ſei. Der Großmeiſter über die Zaghaftigkeit dieſes Mannes entrüſtet, und in der Hoffnung, daß der Vice- könig von Sicilien bald mit Hülfstruppen nahen werde, wünſchte die Vertheidigung zu verlängern, und ein gutes Beiſpiel ſetzend, erklärte er, daß er ſich ſelbſt nach dem bedrohten Poſten begeben wollte. Die Ritter erhoben ſich und baten ihn ſich für die wichtigeren Pflichten ſeines hohen Amtes aufzuſparen, und zugleich erbot ſich eine Anzahl der Muthigſten ſich ſtatt ſeiner dahin zu begeben. – 67 – Eine Verſtärkung, unter Befehl der Ritter Gonzales de Medran und La Motte, ward unter dem Schutz der Kanonen von St. Angelo in das Fort geworfen und ſpäter verfügten ſich noch von Zeit zu Zeit einzelne Ritter, von mehr als gewöhnlichem Muth beſeelt, in Booten nach dieſem Poſten der Gefahr. Unter dieſen muthigen Män- nern zeichnete ſich der Veteran La Miranda aus, der ſo- eben aus Sicilien angelangt, ſich mit der Garniſon von St. Elmo vereinigte, und nicht wenig zu dem entſchloſſenen Widerſtande, den dieſelbe leiſtete, beitrug. Eine Kanonenkugel vom Fort St. Angelo zerſchmet- terte einen Stein in den türkiſchen Laufgräben, deſſen Stücke Piali Paſcha ſchwer verwundeten, die daraus entſtehende Verwirrung im feindlichen Lager ward von La Valette benutzt, eine Galeere an den Vicekönig von Sicilien mit der Bitte um baldige Hülfe abzuſchicken. Der Vicekönig verſprach dieſelbe gegen die Mitte Juni, und dieſe Nachricht erhob den Muth der Vertheidiger von St. Elmo ſo ſehr, daß ein Ausfall in die türkiſchen Lauf- gräben den Feind für geraume Zeit im Schach hielt. Allein die Osmanen, ſich wieder ſammelnd, trieben nicht nur die Chriſten zurück, ſondern in der Verwirrung und vom Rauch der Geſchütze verborgen, gelang es ihnen ſogar auf dem Glacis eine Verſchanzung zu errichten, von wo aus ihre Arquebuſiere jeden, der ſich über den Bruſtwerken zeigte, niederſchoſſen. Um dieſe Zeit traf Dragut im Lager ein, und obſchon er mit dem Plane, vor dieſem iſolirten Poſten ſo viel Zeit und Kräfte zu verſchwenden, nicht einverſtanden war, ſo bot er dennoch Alles auf, dieſe Belagerung zu einem baldigen Ende zu bringen. Er lebte, ſo zu ſagen, be- ſtändig in den Laufgräben, und mehrere unter ſeiner Lei- tung angelegte Batterien eröffneten ihr Feuer mit ver- derblicher Sicherheit auf das Fort. Auf ſeinen Rath wurden vier Culverins auf einem Vorſprung an der anderen Seite von Fort Musceit und eine Batterie er- richtet, die die Stellung flankirte; die Stelle, wo ſich dieſelbe befand, wird noch jetzt Cap Dragut genannt. Uebermüdet von langem Wachen und unabläſſigen Anſtrengungen ließen eines Nachts die Chriſten etwas in ihrer Wachſamkeit nach; hieraus Vortheil ziehend, ſtürmten die Türken bei Tagesanbruch den ſchwach ver- theidigten äußeren Wall, und würden nicht ermangelt haben auch das Fort durch einen Handſtreich zu nehmen, hätte ſich nicht die jetzt zum Bewußtſein der Gefahr er- wachte Garniſon ihnen muthig entgegengeworfen. Zwei- mal während ſechs Stunden erneuerte der türkiſche Ge- neral den Sturm und die Janitſcharen wurden nur durch die Kürze der Sturmleitern verhindert, auf dem innerſten Wall feſten Fuß zu faſſen. In dieſem heißen Kampf verloren die Türken 3000 ihrer beſten Krieger, der Orden aber 300 Soldaten und 20 Ritter. Der Ritter de la Gar- damp, durch eine Flintenkugel tödtlich verwundet, wollte keinem ſeiner Waffenbrüder erlauben, ihn aus dem Gefechte – 69 – zu tragen, ſondern alle ſeine noch übrigen Kräfte aufbietend, kroch er in die Capelle und ſich vor dem Altar nieder- legend, hauchte er ſeine Seele aus. Der Verluſt des äußeren Walls, ſo wie die Zahl der Verwundeten, die nach Borgo zurückgebracht wurden, flöß- ten dem Großmeiſter lebhafte Beſorgniſſe ein, allein ſeine Sorge verwandelte ſich in Entrüſtung, als der Spanier La Cerda wieder vor ihm erſchien, und keine beſſere Ent- ſchuldigung aufzuweiſen hatte, als eine leichte Wunde. Dieſe Feigheit ſtand im grellſten Contraſt gegen das Benehmen der beiden Commandeurs Desguerras und Broglio, die obſchon beide verwundet, ſich verweigerten den ihnen anvertrauten Poſten zu verlaſſen, ſondern wie ſie ſagten, es vorzögen auf den zerſtörten Mauern einen ehrenvollen Tod zu ſterben. Die unabläſſigen Angriffe, das unausgeſetzte verhee- rende Feuer der Belagerer, machten St. Elmo kaum länger haltbar, und nachdem die Kanonen demontirt, die Vertheidi- gungswerke in Trümmern lagen und der Poſten nach allen Seiten von türkiſchen Batterien beherrſcht war, ſandte die muthige Beſatzung, die vergeblich verſuchte den Platz zu behaupten, den Ritter Medran an den Großmeiſter, um ihm ihre traurige Lage vorzuſtellen. Dieſer Mann, deſſen Muth außer allem Zweifel ſtand, erklärte in voller Ver- ſammlung, daß längerer Widerſtand unmöglich ſei, und daß die Vertheidigung eines ſolchen blosgeſtellten Poſtens nur unnütz die Kräfte aufreibe, die bald zur Erhaltung – 70 – wichtigerer Stellungen nöthig ſein möchten, „allein“, fügte er hinzu, „wenn alſo der Wille des Großmeiſters iſt, ſo ſind die braven Soldaten bereit, denſelben zu ihrem Grabe zu machen“. La Valette geſtand zu, daß das Fort nur mit der größten Gefahr für ſeine Vertheidiger erhalten werden könne, allein da ſein Verluſt unfehlbar den Vice- könig von Sicilien abhalten werde, die verſprochene Hülfe zu ſenden, ſo erlaube ihm ſeine Pflicht nicht dasſelbe auf- zugeben. Nur durch die Verlängerung der Belagerung hoffe er endlich den Sieg zu erringen und deshalb trug er Medran auf, in ſeinem Namen den Rittern im Fort mitzutheilen, daß es hauptſächlich von ihrem Muthe ab- hinge, ob dieſe große Schlacht für Freiheit und Leben gewonnen oder verloren werden ſolle, daß ſie durch ihre Gelübde gebunden, zu allen Zeiten Tod der Niederlage vorziehen müßten, und daß ehe er das Fort aufgäbe, er ſelbſt das Loos ſeiner Vertheidiger theilen wolle. Als Medran dieſe Botſchaft überbrachte, bereiteten ſich mehrere im Dienſt des Ordens ergraute Ritter zum Tode vor, allein ihre jüngeren Brüder waren noch nicht bereit ihr Leben mit einer ſo bereitwilligen Ergebung in einem anſcheinend grauſamen Befehl aufzugeben, deshalb ſendeten ſie dem Großmeiſter eine ſchriftliche Erklärung, in der ſie gegen deſſen Politik, die ſie einem gewiſſen Tode weihte, proteſtirten, und drohten, daß, wenn nicht ſogleich Boote geſendet würden, um ſie nach Borgo zurückzubringen, ſie eher mit dem Schwert in der Fauſt in den Laufgräben – 71 – ihren Tod ſuchen, als ſich ſo hinter ihren Mauern ab- ſchlachten laſſen wollten. Auf dieſe verzweifelte Drohung antwortete La Valette, daß, wenn ihnen der Ruhm, den ſie ſo hoch prieſen, wirklich theuer wäre, ſo würden ſie ſich denſelben durch Gehorſam gegen ihn eher ſichern, als wenn ſie der Stimme der Verzweiflung Gehör ſchenkten, denn ohne Gehorſam gegen ſeinen Vorgeſetzten könne kein Ordensbruder einen ehrenvollen Tod finden. Um jedoch den Schein zu vermeiden, daß er ſie ganz verlaſſe, ſandte der Großmeiſter drei Commiſſare ins Fort, um ſich über den Zuſtand der Vertheidigungswerke perſönlich zu vergewiſſern. Zwei derſelben erklärten, daß ſich der Platz nicht länger halten laſſe, allein ſuchten zugleich, indem ſie den Muth der Garniſon prieſen, die- ſelbe zu erneuertem Widerſtande anzueifern. Der dritte, Namens Conſtantine Caſtriot, der ſich rühmte, von Scan- derbeg, einem berühmten Feldherrn aus Epirus, abzu- ſtammen, fand, daß die Gefahr keineswegs ſo groß ſei, und daß mit genügenden Anſtrengungen neue Werke er- richtet werden könnten, die die Beſatzung vor den türkiſchen Kanonen vollkommen ſchützen würden. Die benarbten kriegsmatten Männer an die dieſe Tirade gerichtet war, hörten dieſelbe mit Entrüſtung und verſuchten ihn an der Rückkehr zu verhindern, damit er die von ihm ſo gering geachtete Gefahr mit ihnen theilen und die Vertheidigungs- werke ſelbſt aufführen möchte, die er als ſo leicht ge- ſchildert. - – 72 – Caſtriot's Bericht an den Großmeiſter war in dem- ſelben Geiſt; um darzuthun, daß er aus Ueberzeugung ſpräche, erbot er ſich mit friſchen Truppen das Fort zu halten oder ſich unter ſeinen Ruinen zu begraben. La Va- lette nahm ſcheinbar ſein Anerbieten an und Freiwillige waren bereit ihm zu folgen. Der Großmeiſter zeigte jetzt den Rittern in kalter ſarkaſtiſcher Weiſe an, daß die zehnfache Zahl der zur Vertheidigung nöthigen Streiter bereit wäre, ihre Stelle einzunehmen, daß er Männern, die ſich ſo der Verzweif- lung hingeben, nicht länger mit einer ſo wichtigen Auf- gabe betrauen könne. „Kehrt in denſelben Booten, die die Verſtärkung bringen, augenblicklich zurück,“ ſchloß er. „Die Sicherheit der Inſel und des Ordens hängt von der Vertheidigung von St. Elmo ab, und ich werde der Entſcheidung ruhiger entgegenſehen, wenn ich dieſelbe in den Händen von Kriegern weiß, deren Muth ich ver- trauen kann.“ Dieſe Sprache verwundete die Unzufriedenen bis ins Innerſte, denn ſie ſahen alsbald ein, daß es viel härter ſei, unter dieſen Umſtänden umzukehren, und die kalten Blicke des Großmeiſters und Spöttereien ihrer Brüder zu ertragen, als das Leben niederzulegen; ſie beſchwore" ihren Führer, augenblicklich die Verzeihung La Valette” anzuflehen und zu geloben, ihren Wankelmuth in un“ widerſtehlichem Widerſtand zu büßen; da ſie»kein Boº zur Verfügung hatten, ſo ward ein geübter Schwimm" – 73 – mit dieſer Botſchaft beauftragt, der ſich derſelben pünkt- lich entledigte. La Valette, der dieſen Wechſel vorausgeſehen, nahm nach einigem Zögern ihre Unterwerfung an, und der Muth Caſtriot's, der wahrſcheinlich vom Beginn nach Anweiſung ſeines Vorgeſetzten gehandelt hatte, ward nicht auf die Probe geſtellt. Man ließ jedoch kein Mittel un- verſucht, um die noch übrigen Vertheidigungswerke zu verſtärken und zu vermehren. Unter der perſönlichen Leitung des Großmeiſters ward eine Art von Feuerreifen bereitet, die bei ſpäteren Stürmen mit großem Vortheil benutzt wurden. Reifen aus weichem Holz wurden in Spiritus oder ſiedendes Oel getaucht, mit Baumwolle, die mit einer Auflöſung von Pulver und Salpeter ge- ſättigt war, umwunden, und dieſelbe Operation mehrere Male wiederholt. Im Gefecht wurden dieſe Reifen an- gezündet in die feindlichen Reihen geſchleudert, und die Türken, die ſich ſo von einem Flammengürtel umgeben ſahen, ſprangen gruppenweiſe ins Meer, um nicht leben- dig verbrannt zu werden. Wüthend und empört, alle ſeine Verſuche von einer Handvoll entſchloſſener Leute vereitelt zu ſehen, beſchloß endlich der türkiſche Heerführer einen Hauptſturm. Am 16. Juni bei Tagesanbruch begannen die türkiſchen Ga- leeren eine heftige Kanonade gegen die Wälle der See- ſeite und zur ſelben Zeit machten die Landbatterien die Ruinen der Mauern der Erde gleich. Auf ein gegebenes – 74 – Signal ſtürzten die Janitſcharen unter lautem Geſchrei und Lärmen von Hörnern, Trompeten und Pauken in die Breſche, während 4000Arquebuſiere und Bogenſchützen den Sturm deckend, jeden Chriſten, der ſich zeigte nieder- ſchoſſen. Die zuſammengeſchmolzene Schaar der Belager- ten bildete jetzt mit ihren Leibern einen lebendigen Wall. Mit kurzen Picken bewaffnet, ſtand zwiſchen je drei Sol- daten ein Ritter, um ſo den Muth derſelben anzufeuern, und vergeblich ſtürzten ſich die Türken auf dieſen un- durchdringlichen Phalanx; wenn Picken und Schwerter zerbrochen waren, faßten ſich die Streiter gegenſeitig und beendigten mit Dolchen den Todeskampf. Die brennen- den Reifen umgürten ganze Schaaren, und das Geſchrei der Elenden, die ihre Flammen erfaßten, vermehrte die Schrecken der Schlacht. Es gereichte den Vertheidigern des Forts zum Troſt, daß der Kampf unter den Augen ihrer Freunde in Borgo ſtattfand, deren Kanonen von St. Angelo unausgeſetzt die türkiſchen Laufgräben be- ſchoſſen, und die, ſo fürchteten ſie, begonnen hatten, ihren Muth zu bezweifeln. Durch den Donner der Geſchütze und das Stöhnen der Verwundeten und Sterbenden drangen von Zeit zu Zeit ermuthigende Beifallsrufe zu ihnen herüber. Ein Verſuch der türkiſchen Galeeren, das Fort von der Seeſeite zu ſtürmen, ward durch die Batte- rien von St. Angelo vereitelt, die die Feinde in Haufen niederſtreckten. In der Hitze dieſes erbitterten Kampfes verſuchten die Türken ſich der Citadelle des Forts, auf – 75 – einem hohen ſteilen Hügel gelegen, zu bemächtigen, allein der Ritter Guigno, ein Italiener, vereitelte den Verſuch, hauptſächlich mit Hülfe jener Feuerreifen, vor denen ſelbſt die entſchloſſenſten Feinde entſetzt zurückwichen. Nach ſechs Stunden hörten die mit Wunden bedeckten, von der Hitze erſchöpften Streiter den Feind zum Rückzug blaſen, uud ſahen ihn 2000 Todte in der Breſche zurück- laſſen. Als die Chriſten ſo den Stolz des feindlichen Heeres niedergeworfen ſahen, erhoben ſie ein Siegesge- ſchrei, das von ihren Brüdern in Borgo laut erwiedert ward. Siebzehn Ritter legten in der Breſche ihr Leben nieder, außerdem noch 300 Soldaten; unter den Gefal- lenen befanden ſich de Vagnon, La Motte und de Medran, der eben einen türkiſchen Befehlshaber getödtet und das Feldzeichen, das derſelbe trug, erobert hatte, als ihn eine feindliche Kugel niederſtreckte. Dem Comthur de Morgut, der eben nach Borgo zurückkehrte, um ſeine Wunden ver- binden zu laſſen, riß eine Kugel aus den Batterien der Türken den Kopf ab. Dieſe Verluſte wurden ſchnell aus Borgo durch Frei- willige erſetzt, denn der Großmeiſter wollte wegen der großen Gefahr dieſes Dienſtes ſeine Autorität nicht länger geltend machen. Da der türkiſche Heerführer nach dieſer blutigen Niederlage einſah, daß St. Elmo nie einge- nommen werden konnte, ſo lange fortwährend Verſtär- kungen in dasſelbe geworfen werden konnten, hielt man in den Laufgräben einen Kriegsrath, in welchem beſchloſſen – 76 – ward, das Fort eng zu blockiren und alle Verbindung mit Borgo abzuſchneiden. Dragut und ein Semgiak oder Statthalter, der den Poſten eines Ingenieurs verſah, war bei dieſer Berathung zugegen, und um einen fraglichen Punkt zu entſcheiden, verließ er den Schutz der Werke und begab ſich auf die offene Stelle vor denſelben. Eine Kanonenkugel von St. Angelo tödtete in dieſem Augenblick den Semgiaken, und ein Stück eines zerſplitterten Steines verwundete Dragut hinter dem Ohr, ſo daß er, in Blut gebadet, ſprachlos niederfiel. Muſtapha Paſcha, befürchtend, daß ſein Heer durch dieſen Unfall entmuthigt werden möchte, ließ einen Mantel über den Verwundeten breiten, der ſodann in ſein Zelt gebracht wurde, und ſetzte ſelbſt die Reconnaiſſance an demſelben Punkte ruhig fort. Später befahl er einer ſtarken Truppenmacht, einen Vorſprung an der Mündung des großens Hafens zu beſetzen, ſonſt das Galgencap genannt, wo jetzt Fort Ricaſoli ſteht. Der Großmeiſter, wohl wiſſend, daß, wenn es dem Feinde gelänge, ſich in dieſer Stellung feſtzuſetzen, das Schickſal St. Elmo's bald entſchieden ſein würde, ließ durch einen Ausfall unter dem Großmarſchall Copier die Ottomanen vertreiben. Allein dieſer augenblickliche Vortheil ward bald darauf wieder verloren, denn das beſtrittene Terrain ward von ſolchen Truppenmaſſen beſetzt, daß keine ent- ſprechenden Streitkräfte gegen dieſelben aufgebracht werden konnten, und außerdem führte der Paſcha einen bedeckten Weg von den Laufgräben bis ans Seeufer, der mit Arquebuſiern beſetzt, alle Verbindung zwiſchen Borgo und dem Fort unmöglich machte. Nun war die kleine Heldenſchaar von aller Hülfe ab- geſchnitten. Am 24. Juni führte der Feind ſeine beſten Truppen dreimal zum Sturm und erſt die Nacht machte dem Gemetzel ein Ende, die von den Ueberlebenden damit zugebracht ward, ſich gegenſeitig ihre Wunden zu verbinden. Selbſt der Großprofos von Negropont und La Miranda, deren Vertrauen in dem Muth der Garniſon bisher unerſchüttert geblieben war, konnten ſich jetzt die Größe der Gefahr nicht mehr verbergen und ſie entſen- deten einen Schwimmer an den Großmeiſter, um ihm zu melden, daß, wenn nicht augenblicklich Hülfe nahte, ihr Untergang gewiß ſei. Strenges Pflichtgefühl hatte früher La Valette taub gegen ihre Bitten gemacht, allein als er dies Häuflein ſo in der zertrümmerten Citadelle einge- ſchloſſen ſah, brach ſein ſtarkes Herz und er entſendete fünf große Boote, mit den muthigſten der Ritterſchaft bemannt, zu ihrer Rettung; allein ſo vollkommen be- herrſchten die türkiſchen Batterieen den Hafen, daß nach mehreren unnützen Verſuchen dieſe kleine Flottille unver- richteter Sache zurückkehren mußte, und die Belagerten ſahen ſo ihre letzte Hoffnung verſchwinden. So lange noch Hoffnung geblieben war, hatten es manche ſchwierig gefunden, ſich in ihr Schickſal zu ergeben, allein jetzt, wo ihre letzte Stunde nahe ſtand, ſahen ſie – 78 – ihrem Ende mit der feierlichen Reſignation von Märty- rern entgegen. Im Laufe der folgenden Nacht nahmen alle in der Capelle des Forts das Abendmahl, und boten ſich gegenſeitig ein brüderliches Lebewohl; bei Tagesan- bruch aber begaben ſie ſich auf ihre verſchiedene Poſten, überzeugt, daß die Türken nach wenigen Stunden über ihre Leichen ſchreiten würden. Diejenigen, denen ihre Wunden nicht mehr erlaubten, zu gehen, ließen ſich in Stühlen nach der Breſche tragen, um mit den Waffen in den Händen zu ſterben. Am 23. Juni verließen die Türken die Laufgräben zu dem letzten Sturm. Leitern und Brücken wurden an jedem möglichen Punkt gegen die Mauern gepflanzt, und 32 Kanonen eröffneten mit ihrem Donner die Schlacht. Die ſtürmenden Schaaren fühlten ſich des Sieges ſicher und ſtürzten ſich mit wildem Geſchrei in die Breſche. Die Tapferkeit, mit der ſie empfangen wurden, kam der Wuth ihres Angriffes gleich. Der geringſte Soldat wett- eiferte mit den Rittern in Tapferkeit und Hingebung, ſo daß für einige Zeit der Strom der Stürmenden aufge- halten ward, allein nach vier Stunden blieben nur ſech- zig Streiter in der Breſche übrig, und es war nöthig die wenigen Soldaten, die bisher die Citadelle vertheidigt hatten, herbeizuziehen. Kaum ſahen die Türken dieſen Poſten verlaſſen, als ſie ſich desſelben bemächtigten und ein mörderiſches Feuer auf die Belagerten richteten. Der Großprofos von Negropont fiel zuerſt, dann Mirande – 79 – und ihnen folgte Einer nach dem Anderen todt nieder- ſtürzend. Nicht eher als bis der letzte Mann gefallen war, gelang es dem Feinde in das Fort einzudringen. Dragut lebte lange genug, um den Sieg der Otto- manen zu vernehmen; obſchon er ſprachlos war, drang der Siegesdonner der Geſchütze und das Triumphgeſchrei in ſeine Ohren und mit befriedigtem Lächeln gab er ſeinen Geiſt auf. Dieſe Waffenthat koſtete dem Orden 300 Ritter und 1300 Soldaten; kann man den Malteſer-Geſchichtsſchrei- bern Glauben ſchenken, ſo verloren 8000 Türken dabei ihr Leben. Muſtapha, als er die unbedeutende Feſtung beſichtigte, rief erſtannt aus: „Was haben wir vom Vater zu erwarten, wenn es die Bravſten des Heeres gekoſtet, das Kind zu demüthigen?“ Er ließ den Leichen der Ritter die Bruſt in Form eines Kreuzes aufſchlitzen, die Herzen ausreißen und auf Planken gebunden von den Wellen nach Borgo hinübertreiben, wo ſie von ihren Brüdern mit thränenden Augen empfangen wurden, die ihren Tod dadurch rächten, daß ſie ſämmtliche türkiſche Gefangene niederhieben und die Geſchütze mit den blutigen Köpfen ladend, dieſelben ins feindliche Lager ſchoſſen. Der Zweck La Valette's war erreicht, der Muth des Feindes war gebrochen, die Belagerung ward noch einige Zeit fortgeſetzt und im nächſten Jahr ſchiffte man ſich unverrichteter Sache wieder ein. Zu verſchiedenen Zeitaltern wurden die Befeſtigungen – 80 – von St. Elmo erweitert und verſtärkt; die jetzigen Beſitzer, die Engländer, haben ihren Theil gleichfalls dazu bei- getragen, und fahren noch fort es zu thun. Zwei kleine Wachtthürme an den Enden der Wälle, die den Eingang beider Häfen beherrſchen, haben eine verſchiedene Beſtim- mung erhalten, der Eingang zu denſelben iſt mit Marmor- tafeln verſchloſſen, und die auf denſelben befindlichen In- ſchriften theilen uns mit, daß in dem einen mit einem eiſernen Gitter umgebenen Grabe die Ueberreſte des Ad- mirals Sir A. Ball, Exgouverneur von Malta ruhen, während auf der anderen Seite General Sir Ralph Aber- crombie begraben iſt, den man mit dem Faß, in welchem derſelbe einbalſamirt von Aboukir anlangte, beigeſetzt hat. Den beiden entſchlafenen Helden zu Ehren hat man die eine Balls-Baſtion, die andere Abercrombies-Baſtion genannt. Man kann den Schauplatz ſo edlen Heldenmuthes, ſo unſäglichen Leidens nicht betreten, ohne daß die lebhafteſten Sympathien für jene Männer laut werden, die mit ihren Leibern ein Bollwerk für Religion und Civiliſation bildeten. Gegenwärtig iſt das Fort von einer Abtheilung Artil- lerie und einem Bataillon Rifles garſoniſirt; die Kaſernen ſind geräumig und luftig, allein die dicke europäiſche Uni- form, die Bärenmütze und die ſchwarze lederne Halsbinde paſſen wenig zu einem Klima von 95° F. im Schatten. / h V. Oeffentliche Gebäude Valetta's. Kathedrale von St. Johannis. – Gründung durch La Caſſiera. – Plan der Kirche. – Mathias Preti ſchmückt dieſelben mit Frescogemälden. – Der Moſaikfußboden. – Reiche Architektur. – Die Capellen der ver- ſchiedenen Provinzen. – Trophäen der Ritter. – Eine Statue Pradiers. – Die Gräber Isle Adam's und La Valette's. – Kirchen und Klöſter. – Gebäude, den verſchiedenen Ordenscapiteln gehörig. – Functionen der Vorſteher jeder Landsmannſchaft. – Der Palaſt des Großmeiſters. – Darſtellungen berühmter Schlachten. – Rüſtungen Isle Adam's, La Va- lette's, Vignacourt's und La Caſſiera's. – Portraits. – Die Rüſtkammer. – Die Bibliothek. – Das Muſeum. – Phöniciſche Inſchriften. – Statue des Herkules. – Altar der Proſerpina. – Sonderbare Bronce- ſtatue. – Die Wölfin des Romulus. – Tullias und Claudias Bildniſſe. – Büſte der Zenobia. – Todtenmaske La Valette's. – Parta Lascaris. – Capelle von Santiſſimo Salvatore. – Brunnen des Neptun. Die merkwürdigſte Kirche in Valetta iſt die Kathedrale von St. Johannis, die während der Regierung des Groß- meiſters La Caſſiera begonnen, ſpäter von verſchiedenen Anderen, beſonders Nicolas Cotoner, Emanuel Pinto und verſchiedenen Souveränen Europas erweitert und verſchönert ward. Don Ludovico Torres, Erzbiſchof von Montreal, weihte die Kirche ein, und bei der erſten Sitzung des Ordenscapitels ward den Rittern einer jeden Nation eine beſondere Capelle eingeräumt. Das Aeußere der Kirche iſt einfach und etwas monoton, der Effect des Innern aber ſehr ſchön. Zu beiden Seiten eines Mittel- ſchiffes von beträchtlichen Dimenſionen reihen ſich eine Anzahl von Capellen. Im Hintergrunde des Schiffes befindet ſich um mehrere Stufen erhaben der Hauptaltar, zur Rechten desſelben ein Thron für den Biſchof von Malta, zur Linken ein anderer ähnlicher für den Gou- verneur. Hinter dem Altar iſt eine vorzügliche Gruppe in weißem Marmor, die Taufe Chriſtus durch Johannes darſtellend, nach der Zeichnung eines Malteſer Künſtlers, Melchior Caffa, theilweiſe von demſelben ausgeführt und nach ſeinem Tode von Bernini vollendet. Das halbzirkel- förmige Gewölbe des Schiffes iſt von dem Ritter Ma- thias Preti, dem Calabreſen, mit Fresken, das Leben Johannes des Täufers illuſtrirend, ausgeſchmückt; von demſelben Meiſter rühren noch mehrere andere Bilder in dieſer Kirche her, er ſelbſt aber iſt vor dem Eingang in die Sacriſtei begraben, ſein Grabſtein führt ſeinen Todes- tag im Januar 1699 an. Leider haben die ſehr ſchönen Fresken gegen die Höhe des Gewölbes hin ſehr von der eingedrungenen Feuchtigkeit gelitten, die unteren Theile und an den Seiten zeigen jedoch noch das ſchöne reiche Colorit in voller Friſche. Der Fußboden der Kirche iſt ganz mit Votiv-Tafeln verſchiedener Ordensritter in ſehr ſchöner Marmormoſaik bedeckt. Die Seiten, Pfeiler und Bogen ſind mit reicher Sculptur verziert und theilweiſe vergoldet, was, wie eine Inſchrift über dem weſtlichen Eingang uns mittheilt, unter der Regierung von Raphael und Nicolas Cotoner geſchah. Der ganze Effect iſt überaus prächtig, beſonders wenn wie an Feſttagen die Kirche mit Blumen, Teppichen 2c. geſchmückt und mit Kerzen erleuchtet iſt. Die erſte Capelle zur Rechten dient als Eingang zu einer hinter derſelben gelegenen zweiten Capelle, die von der früheſten Zeit bis jetzt ausſchließlich zum Gottesdienſt der Geiſtlichkeit beſtimmt iſt. Unter verſchiedenen ſchönen Gemälden zeichnet ſich hier beſonders eine Enthauptung St. Johannes von Michael Angelo Caravaggio aus. – 85 – Aus dieſer Capelle führt eine Treppe in ein Gewölbe, das als Grabſtätte für die Großmeiſter des Ordens be- ſtimmt war. Zunächſt kommt die Capelle der Ritter von Portugal, über dem Altar ein Bildniß St. Jakob's, an den Seiten- wänden zwei andere Scenen aus dem Leben dieſes Hei- ligen. Zwei vorzüglich ſchön gearbeitete Mauſeleen, aus ſchwarzem und weißem Marmor und Bronze ſind dem Andenken Emanuel Pinto's und Manoel de Vilhenna's errichtet. Auf dem Fuß des letztgenannten Monuments iſt der Großmeiſter, die Errichtung Fort Manoels leitend, dargeſtellt, deſſen Plan ein Ritter zu ſeinen Füßen aus- breitet. Durch den dritten Bogen führt der öſtliche Eingang in die Kirche. Die vierte iſt die Capelle der ſpaniſchen Ritter, über dem Altar St. Georg mit dem Drachen, an den Seiten- wänden das Gericht und Märtyrthum des St. Laurenz, dies letztere Gemälde hat große Verdienſte, beſonders iſt neben der reichen Compoſition die kräftige Behandlung und effectvolle Vertheilung von Licht und Schatten ganz vorzüglich gelungen. Hier befinden ſich vier Monumente der Großmeiſter: Martin de Redin, Raphael Cotoner, Perrillos e Roccaful und Nicolas Cotoner. Das Monu- ment Roccaful's enthält ſeine Büſte in Kupfer, an jeder Seite die lebensgroße Figur der Gerechtigkeit und Cha- rität, das Ganze mit Trophäen von Waffen in weißem – 86 – Marmor ſehr reich geſchmückt. Das Nicolas Cotoner's wird von Sklaven in knieender Stellung getragen, deren einer ein Türke, der andere ein Afrikaner die falſche Aus- legung des Evangeliums illuſtrirt, die die Baſis aller Kreuzzüge bildete. Hierauf folgt die Capelle der Provenzalen, die Kreu- zigung des Sebaſtian als Altarbild mit Seitenſtücken aus dem Leben desſelben Heiligen enthaltend. Das Monument des Großmeiſters Gerſan iſt einfach aus einer ſchwarzen Marmortafel mit einer Alabaſterbüſte desſelben darüber gebildet. Die ſechſte und letzte iſt eine der Madonna gewidmete Capelle, deren Altar mit einem ſilbernen Gitter umgeben iſt. Zur Linken desſelben hängen zwei Bündel Schlüſſel, zur Rechten eines dergleichen, aus den auf ſilbernen Ta- feln eingegrabenen über denſelben befindlichen Inſchriften ergeben ſich dieſe als Trophäen, von den Rittern den Türken abgenommen. I. Dei parae Virginiac Divo. Baptistae tutelari Oastri Passava in Pelo- pOnes0 a milibus Hierosonis: oi- Capto sub F la Dublot vivevio trinemium praefecto anno salve humae MDCI. die XVIII. Aug. men- sis F Alofius Vignacurtis M – 87 – Magister tunc primum sui regimis amnum agens has oppidi claves ac signa Turcica memoriae ac pietas erg consecravit. II. Anno post captum Passava ejusdem viverii ejusdemq. Mensis Ang. felicitate idib! Orto jam sole excisis partis ac magno militum impeta muris per Scalas superatis capto etiam Hadrymetourbes in Africa vulgo Hanuheta idem Mag-Alofius eid. Em. Virgini Matriac D Baptistae quorum auspiciis hoec gesta Sunt prognatiarum actione hoc monumentum posuit. III. Duo Castra ad eristodiam Corinthiaci sinus in ejus faciba barbaris ultimo constructa idem Alofius quo matris tractu sociali belload- versus Selinium Milesolim pugnave- rat, nunc, M. Mag. an sui principat: III et Fascanio Cambriano classis prefecto a suis capta divipuit. Ingentib! ad- vectestantae igitur victoriae monumen- to S. Victori cui auspiciiss die illi sacro eam acceptum referat ac Dei parae dedicaret- – 88 – Zur Linken, gleich neben dem Haupteingange befindet ſich das ſehr reiche Monument des Großmeiſters Zon- dadari, und weiterhin in der Sacriſtei Portraits von Anderen, von Pinto, La Caſſiera, Perillos und Nicolas Cotoner. Die zweite Capelle gehörte den Rittern Oeſterreichs; zum Altarbild: Die Verehrung der Weiſen aus dem Morgenlande, links die Geburt Chriſti, rechts der Kinder- mord in Betlehem. Durch den dritten Bogen führt der weſtliche Eingang. Die vierte Capelle gehörte den Italienern zu, die Wände ſind mit zierlicher Bildhauerarbeit bedeckt. Zwei Bilder, des St. Hieronimus und Maria Magdalena, werden dem berühmten Caravaggio zugeſchrieben, beſon- ders das erſte iſt ſehr ſchön kräftig und breit behandelt. Das Altarbild ſtellt die Ehe des Chriſtkindes mit St. Ca- tharina dar, und das Monument des Großmeiſters Carafa aus Marmor und Kupfer beſtehend, befindet ſich hier. Zunächſt kommt die Capelle der Ritter Frankreichs. Das Altarbild „die Bekehrung St. Pauls“ darſtellend, iſt ganz beſonders ſchön, an den Seitenwänden die heilige Familie und Johannes in der Wüſte. Hier befinden ſich zwei Monumente franzöſiſcher Großmeiſter und eine vor- zügliche Statue des ſterbenden Marquis de Beaujalais, ein Werk Pradier's, auf Anordnung Louis Philipp's von Frankreich errichtet. Die ſechſte und letzte Capelle iſt die der bairiſchen Ritter; über dem Altar St. Michael und der Drache. An einer Seite iſt eine kleine Vertiefung, einen dem St. Carlo de Boromeo gewidmeten Altar enthaltend, die den engliſchen Ordensrittern zugehörte. Aus dieſer Ca- pelle führt eine Treppe nach einem unterirdiſchen Ge- wölbe mit den Grabmälern von L'Isle Adam, erſten Großmeiſter des Ordens in Malta, La Valette, Vigna- court, La Caſſiera, Cardinal Verdala, Ludovico Mendes, de Vasconcelos, Pietro de Monte und Martin de Garzes, deren Ueberreſte jeder in einem marmornen Sarcopha- gus eingeſchloſſen ſind, auf dem Deckel die volle Figur der Begrabenen darſtellend. Auf dem Fußboden befinden ſich noch drei andere Marmortafeln, die Gräber von Claudias de la Sengle, Petrino a Ponte und Ioan de Almedes bezeichnend. Man rechnet die Zahl der Prieſter und Mönche in Malta auf Tauſend, die von den Revenuen ihrer re- ſpectiven Kirchen und Klöſter, den freiwilligen Beiträgen des Volkes, ſowie dem Ertrag von Todtenmeſſen leben, außerdem ſind die Abati, die ſich zur Weihung vorbe- reiten, in die oben genannte Zahl nicht mit eingeſchloſſen. Die verſchiedene Ordenscapitel, in die ſich die Ritter der Nationen, aus denen der Orden beſtand, theilten, beſaßen in verſchiedenen Theilen von Valetta Gebäude, in denen ſich ebenſowohl das Capitel verſammelte, um über öffentliche Angelegenheiten, als auch die Sonder- intereſſen der Landsmannſchaft zu verhandeln, und wo zugleich jene Ordensbrüder, deren Einkommen nicht groß genug war, um die Koſten eines beſonderen Haushaltes zu beſtreiten, aßen und wohnten. Die Koſten dieſer An- ſtalten wurden theilweiſe aus dem öffentlichen Schatz be- ſtritten, theilweiſe von begüterten Ordensbrüdern getragen, die durch einträgliche Aemter und Ehrenſtellen dafür be- lohnt wurden. Ordensbeamte, deren Einkünfte 1000 Kro- nen überſtiegen, konnten keine Anſprüche auf dieſe Spei- ſungen machen. Die Vorſteher dieſer verſchiedenen Landsmannſchaften übten gewiſſe Functionen im Orden aus. So war der Vorſteher der Provence der Groß-Comthur, oder Schatz- meiſter, Gouverneur des Arſenals und der Vorraths- kammern, der von Auvergne, der Großmarſchall oder Militär-Commandant des Ordens, der von Caſtilien war der Großkanzler und Siegelbewahrer, von Frankreich, der Groß-Hospitaliter, mit der Aufſicht über die Hospi- täler beauftragt, von Arragonien, der Großconſervator, der das Bekleidungs-Departement beaufſichtigte. Der Superior von England und Bayern hieß der Turcopolier, und führte den Oberbefehl über ſämmtliche Reiterei und die Küſtenwächter. Der Großmeiſter der Deutſchen endlich hieß der Großprofoß, der zugleich die Aufſicht über die ſämmtlichen Feſtungswerke führte. Die Sitze dieſer verſchiedenen Capitel waren in mehr oder minder ausgedehnten, oft ſelbſt prächtigen Gebäuden, – 91 – von denen jetzt einige verſchwunden ſind, andere aber, wie Auberge de Provence in Strada Reale, jetzt vom Malta-Club, die prächtige Auberge de Caſtile auf den Wällen, jetzt als Wohnung von Officieren der Garniſon benutzt, die Auberge von Aragonien; die jetzt der Biſchof von Gibraltar bewohnt. Ein Gebäude von impoſanter Structur und groß- artigen Dimenſionen iſt der Pallaſt des Großmeiſters, an der Piazza St. Giorgio, dem größten öffentlichen Platz von Valetta, in dem oberſten Theil der Stadt ge- legen. Die Front nach dem Platze zu hat zwei Eingänge, deren einer zu verſchiedenen Verwaltungs-Departements der Regierung, der andere in die Wohnung des Gouver- neurs führt. Wahrſcheinlich fand zur Zeit des Ordens dieſelbe Anwendung ſtatt. Der Haupttreppe nach den Gemächern des Gouverneurs folgend, gelangt man erſt in eine lange Halle und mehrere Vorzimmer. Dieſe ſind mit Waffen aus verſchiedenen Perioden geſchmückt, die oberen Theile der Wände und Gewölbe enthalten Dar- ſtellungen der verſchiedenen Schlachten des Ordens von Matteo da Lecce, ſowie andere Bilder von Caravaggio, Giuſeppe d'Aſpino und Cavaliere Favrey. In einem der Gemächer wurden die vier Ecken von Rüſtungen Isle Adam's, La Valette's, Vignacourts und La Caſſiera's ausgefüllt, ein vorzügliches Portrait Vignacourt's von Michael Angelo, ſowie andere von Ludwig XIV., XV. und XVI. ſchmücken die Wände. – 92 – Die Halle, wo der Verwaltungs-Rath von Malta ſeine Sitzungen hält, iſt mit vorzüglichen franzöſiſchen Gobelins, Scenen aus Indien und Afrika darſtellend, decorirt, die, trotzdem ſie bereits 150 Jahr alt ſind, dennoch viele ihrer Farben in aller Friſche bewahrt haben. In der Rüſtkammer werden neben etwa 20.000 Büchſen und Flinten, einigen Tauſend Piſtolen und etwa 30.000 Enterpieken, eine ziemliche Anzahl Rüſtungen, verſchie- denen Jahrhunderten angehörend, aufbewahrt. Eine der- ſelben fällt durch ihre ganz beſondere Größe und Gewicht auf, denn ſie mißt nicht weniger als ſieben Fuß Höhe mit 3 Fuß Breite in den Schultern. Der Helm, den dieſer Rieſe trug, wog ſiebenunddreißig Pfund. Bajonette in ihrer erſten Erfindungs-Periode, werden gleichfalls hier aufbewahrt, die aus einer ziemlich breiten Meſſer- klinge beſtehen, welche vermittelſt eines Ringes und Zapfens an die Mündung des Gewehres befeſtigt wurden. Einige Trophäen aus den verſchiedenen Türkenkriegen befinden ſich gleichfalls hier, darunter das Schwert des Algeriner Feldherrn Dragut, eine Kanone aus getheerten Seilen, um einen kupfernen Kern gewunden, außen mit Gyps überzogen und ſchwarz angeſtrichen, die aus der Belagerung von Rhodus herſtammt. Neben dem Palaſt des Großmeiſters iſt die öffentliche Bibliothek, und die der Garniſon, beide in demſelben Ge- bäude, das, obſchon bereits vom Großmeiſter Rohan er- richtet, dennoch erſt im Jahr 1811 zu ſeinem gegenwärtigen – 93 – Zweck benutzt ward. Der Styl des Gebäudes iſt in großen gefälligen Verhältniſſen, der offene Raum vor dem Gebäude an zwei Seiten mit Arcaden umgeben, während an der dritten ein Brunnen ſteht, enthält eine Anzahl der wenigen Bäume, welche die Stadt aufzuweiſen hat, und das hier befindliche Kaffeehaus übt deshalb nicht wenig Anziehungs- kraft auf die Bevölkerung aus. Die Bibliothek ſelbſt wurde von Großprofoß Ludovico Guevin de Tencin gegründet, der alle ſeine eigenen Bücher derſelben einverleibte, ſo wie eine große Anzahl anderer durch ſeine Vermittelung anſchaffte; ſpäter ward dieſelbe weſentlich dadurch vergrößert, daß jeder Ritter verpflichtet wurde, bei ſeinem Tode alle ſeine Bücher der Ordens- bibliothek zu vermachen. Die Benutzung dieſer Sammlung ſteht dem Publikum jeden Tag während ſechs Stunden offen, auf Verlangen werden die nöthigen Bücher und ein Leſepult dem Beſucher eingeräumt, und ich ſelbſt bin dem Bibliothekar für vielen ſchätzenswerthen Ausweis verbunden. In Verbindung mit der Bibliothek befindet ſich ein Muſeum, worin verſchiedene Curioſitäten, ſo wie ſolche Antiquitäten, wie ſie von Zeit zu Zeit hier und in der nahegelegenen Inſel Gozo gefunden wurden, aufbewahrt werden. Die älteſten davon ſind einige phöniziſche Münzen nebſt irdenen Krügen und Lachrymotorien, gleichermaßen zwei Marmortafeln mit phöniziſchen Charakteren. Es iſt nicht bekannt, ob es gelungen iſt, dieſelben in eine neuere – 94 – Sprache zu überſetzen. Eine Statue des Hercules von Marmor in ſehr gutem Stande, ſo wie ein der Proſer- pine geweihter Altar kommen zunächſt. Auf der einen Seite des Letzteren ſieht man zwei Männer einen Fiſch opfern, auf der anderen ein Emblem, womit die Sicilianer Syracus bezeichnen wollten, einen Kopf darſtellend, aus dem drei Beine entſpringend die Seiten eines Dreieckes bilden. Eine in Gozo gefundene bronzene Figur, einen jungen in einem Korb ſitzenden Bettler darſtellend, iſt mit einem Gemiſch von griechiſchen und gothiſchen Schrift- zügen bedeckt, die gleichfalls nicht entziffert worden ſind. Eine kleine Marmorgruppe, die Wölfin, Romulus und Remulus ſäugend, darſtellend, ward gleichfalls in Gozo gefunden. Auf einer Marmortafel ſind Tullia, die Tochter Ci- cero's und Claudia, die Gemahlin von Cecilius Metellus, dargeſtellt, die ſehr deutlich ſichtbaren Inſchriften ſind: Tuliola, M. Tullii F. und Clavdia Metelli. Ein anderer viereckiger Block Marmor trägt eine Basrelief-Büſte von Zenobia, Gemahlin des Königs Odenat von Palmyra, mit der Umſchrift: Zenobia, Orienti Domina mit dem Datum An DNI CCLXXVI. Gleicherweiſe befindet ſich hier ein Gypsabguß der Maske des Großmeiſters La Valette, deſſen edle regel- mäßige Geſichtszüge auch im Tode jenen Ausdruck feſter Entſchloſſenheit tragen, der ihm während ſeines ganzen Lebens auszeichnete. – 95 – Hinter der Bibliothek und dem Palaſt des Gouver- neurs war früher der Markt, den man jetzt nach einer Baſtion in der Nähe von St. Elmo verlegt hat, um an ſeine Stelle eine Ciſterne von gewaltigen Dimenſionen zu bauen. Das Zollhaus befindet ſich am großen Hafen. Ein Felſenvorſprung bis ins Waſſer reichend und mit Bat- terien gekrönt, verengte hier früher den Weg, allein der Großmeiſter J. P. Lascaris ließ einen Tunnel durch den Felſen arbeiten, der jetzt nach ihm Lascaris-Thor benannt wird. Längs des Quais befindet ſich eine Reihe von Gewölben, die früher als Marinearſenal des Ordens benutzt wurden, jetzt aber Kaufleuten als Waarenlager dienen. Inmitten derſelben erhebt ſich eine kleine Ca- pelle „Sanctissimo Salvatore“, wo Seeleute die Meſſe hören. In früheren Zeiten lagen die Schiffe in Quaran- tainen dieſer Stelle gegenüber, wegen der erhöhten Lage der Capelle konnte man durch die offenen Thüren den Gottesdienſt beobachten, und das Erheben der Hoſtie ward durch Läuten der Glocken angezeigt. Nicht weit von der Capelle entfernt, ſteht auf einer erhabenen Plattform ein Brunnen mit der Statue Neptun's, in der einen Hand das Wappenſchild Alonzo Wignacourt's haltend, unter deſſen Verwaltung die Statue errichtet ward. Sie iſt das Werk Giovanni Bologna's, eines Schülers Michel An- gelo's, und ein gelungenes Werk dieſes Meiſters. VI. Das öſtliche Ufer des großen Hafens. Spaziergang nach Fort St. Johns. – Grabmonumente. – Das öſtliche Ufer des großen Hafens. – Borgo. – Seine Vertheidigung. – Aufforderung zur Uebergabe. – Entſchloſſene Haltung der Beſatzung. – Türken bringen Boote von Marſamucetto. – Der Grieche Lascaris warnt den Großmeiſter. – Verſtärkung der Feſtungswerke. – Vergeblicher Ver- ſuch, die Sperrung des Hafens zu zerſtören. – Angriff des 5. Juli. – Faßbrücke zwiſchen Borgo und St. Angelo. – Ankunft Haſſan's von Algier. – Macht einen vergeblichen Angriff auf St. Michael. – Ein Belagerungsthurm. – Vergebliche Verſuche, denſelben zu zerſtören. – Henry de la Valette's Tod. – Seelengröße des Großmeiſters. – Der Sturm vom 7. Auguſt. – Verzweifelte Anſtrengungen der Belagerer. – Der Gouverneur von Citta Notabile ſendet Hülfstruppen. – Theilweiſe Erfolge der Türken. – La Valette vereitelt die Beſtrebungen der Feinde. – Erfolgloſer Verſuch, Citta Notabile zu nehmen. – Eine Armee aus Sicilien landet. – Niederlage und Flucht der Türken. – La Cotonera. – Fort Ricaſoli. – Froberg's Regiment. Den angenehmſten Spaziergang in Lavalette bildet das Plateau und die Wälle vom Fort St. John, von denen man eine ausgezeichnete Ueberſicht beider Häfen und der Vorſtadt Florianna, die unter Anleitung des vom Papſt zu dieſem Zweck entſendeten Ingenieurs Col. P. Floriani im Jahre 1635 befeſtigt und nach ihm benannt ward, ſo wie über die umliegende Gegend genießt. Inmitten der Anlagen befindet ſich ein geräumiges Gebäude von einfacher Bauart, in dem an Sonntagen für die Garniſon Gottesdienſt der engliſch biſchöflichen Kirche gehalten wird, in der Woche aber Schulunterricht ſtattfindet. An verſchiedenen Punkten befinden ſich mehrere, theils ſehr ſchöne Grabmonumente, darunter die des Exgouverneurs Sir T. C. Ponſonby, des Marquis von Haſtings, Sir Thomas Maitland, vom Capitain Spencer, R. N. Admiral Sir H. Hotham, Vice- Admiral Sir Th. F. Fremantle, Capt. Sceberras 80. Re- giment 2c. An der nördlichen und öſtlichen Seite läuft eine Colonnade entlang der Baſtion von der man eine ſchöne Ausſicht auf den großen Hafen hat. Das öſtliche Ufer des großen Hafens wird, wie bereits – 100 – bemerkt, durch drei vorſpringende Landzungen in drei Baſſins abgetheilt, von denen wiederum jedes geräumig genug iſt, um eine bedeutende Anzahl der größten Schiffe zu faſſen, die hier vollkommen geſchützt ankern. Hier be- finden ſich auch die Dockyard und das Arſenal der Re- gierung. Die Spitzen dieſer felſigen Ausläufer ſind gleich- falls ſtark befeſtigt. Nach der See zu vertheidigt Fort Ricaſoli den Hafeneingang, dann folgt Fort St. Angelo mit vier Reihen Geſchützen von nahe dem Waſſerſpiegel an bis 250' über demſelben, und zuletzt Fort St. Michael, welches die dahinter liegende Vorſtadt Senglea oder La Sengle deckt. Wie bereits erwähnt, befanden ſich zur Zeit der An- kunft der Johanniterritter im Jahre 1530 nur wenige Häuſer an dieſer Stelle, die deshalb Borgo oder Bourgh genannt ward; nach der ſiegreich abgewieſenen Belagerung der Türken im Jahre 1565 vertauſchte man dieſen Namen mit Citta Vittorioſa; bis 1571 war dies der Sitz des Ordenscapitels, das ſpäter nach Valetta verlegt ward. Zur Zeit werden Borgo und Senglea von den niederen Klaſſen der Bevölkerung, meiſt Fiſcher und Bootsleute, bewohnt, die Straßen ſind eng, unregelmäßig und weniger reinlich als die von Valetta. Auf einem erhabenen Plateau, zwiſchen Fort St. Angelo und Fort Ricaſoli, befindet ſich das Navy-Hospital, ein ſchönes geräumiges Gebäude. Die Belagerung und Vertheidigung von Borgo bil- den eine ebenſo glorreiche Seite in der Geſchichte des – 101 – Malteſer-Ordens als die von St. Elmo. Nach dem Fall dieſes Platzes trat eine kurze Pauſe der Erſchöpfung im Streite ein. Während einer kurzen Zeit verbreitete das tragiſche Ende der Beſatzung von St. Elmo einen paniſchen Schrecken unter den Vertheidigern von Borgo, allein den Anſtrengungen des Großmeiſters, deſſen männliche Stimme die Ritter gleich einer Schlachttrompete zum Kampfe ermuthigte, gelang es ihr Selbſtvertrauen neu zu beleben. Alle erneuerten ihr Gelübde, eher ihren letzten Blutstropfen auf den Wällen zu vergießen, als dieſelben in die Hände des Feindes fallen zu laſſen, und ſelbſt die gemeinen Soldaten, ange- regt durch La Valette's Aeußerung, daß, wenn auch alle Ritter gefallen ſeien, ſich unter ihnen noch Führer finden würden, zeigten Beweiſe der hingebendſten eifrigſten Auf- opferung. Um ſowohl alle Hoffnungen auf Capitulation abzuſchneiden, als auch um die durch das Verfahren der Türken unter den Vertheidigern hervorgerufene Rachbe- gierde zu befriedigen, befahl der Großmeiſter keine Gefan- gene zu machen. Ein chriſtlicher Sklave, der vom türkiſchen Lager abgeſandt war, um zur Uebergabe aufzufordern, ſollte augenblicklich gefangen werden, und hatte es nur ſeinem Alter von 70 Jahren zu verdanken, daß man ihm erlaubte zurückzukehren. Der Ritter, der ihn vor die Außenwerke brachte, deutete auf den tiefen Graben und ſagte: „Bringe dem Paſcha die Antwort, daß dies der einzige Platz iſt, dem wir ihn übergeben können, und daß wir denſelben – 102 – zu ſeinem und ſeiner Janitſcharen Grabe aufbewahrt haben.“ Dieſe kühne Haltung überzeugte den türkiſchen Heer- führer, wie unnütz es ſein würde, Zeit mit Unterhand- lungen zu verlieren, und deshalb ſchritt er unverzüglich zur Blockade von Borgo und La Sengle, indem er ſtei- nerne Bruſtwerke errichtete, von denen 70 Kanonen die Stadt beſchoſſen. Ehe jedoch dieſe Werke vollendet waren, gelang es vierzig Rittern und einigen Hülfstruppen unter Robles und de Quincy, die aus Sicilien herbeigeeilt und in einem entfernten Theil der Inſel unbemerkt gelandet waren, während eines dichten Nebels die Stadt zu er- reichen, wo ihre Ankunft die lauteſten Freudenbezeugungen hervorrief. Die Angriffe des Feindes lenkten ſich vorzüglich gegen Fort St. Michael und La Sengle, die als die ſchwäch- ſten und außerdem gefährlichſten Poſten von der Blüthe der Ritterſchaft vertheidigt wurden. Man beſchloß gleichfalls einen Angriff im franzöſiſchen Hafen (das mittlere der drei Baſſins) zu machen, allein da es unmöglich für Fahrzeuge war unter dem Feuer das Fort St. Angelo zu paſſiren, ſo transportirten die Türken vermittelſt großer Anſtrengungen, eine Anzahl von Booten von Marſamucetto (dem heutigen Quarantaine- hafen) über den ſchmalen Iſthmus, der Mount Sceberras mit dem Feſtlande verbindet, nach dem großen Hafen. Der Großmeiſter ward durch einen griechiſchen Deſer- teur von dieſem Vorhaben in Kenntniß geſetzt, und man – 103 – traf alle nöthigen Vorbereitungen den erwarteten Angriff kräftig zu begegnen. Dieſer Grieche, Namens Lascaris, ſtammte von einer Familie ab, die dem öſtlichen Kaiſer- reich mehrere Herrſcher gegeben. In ſeiner Kindheit zum Sklaven gemacht und im Islam erzogen, hatte er dennoch den Ruhm ſeiner Vorfahren im Gedächtniß behalten und war ein geheimer Anhänger des Kreuzes geblieben. Die Ottomanen hatten ihn wegen ſeiner erhabenen Abkunft zum Krieger erzogen und er war zur Zeit Befehlshaber der Spahis. Ehrgeiz hatte ihn bis jetzt taub gegen die Stimme ſeines Gewiſſens gemacht, allein die heldenmüthige Ver- theidigung St. Elmo's, der Anblick der blutigen verſtüm- melten Leichen, die die Breſche füllten und die unerſchüt- terliche Feſtigkeit der Vertheidiger von Borgo, die ein gleiches Schickſal erwarteten, rief die in ihm ſchlummern- den edleren Eigenſchaften ins Leben, und er beſchloß um jeden Preis dem Großmeiſter von dem beabſichtigten An- griff zu unterrichten. Einen unbewachten Augenblick be- nutzend, verließ er ſeinen Poſten und nach dem Ufer, gegenüber vom Fort St. Michael hinablaufend, ſuchte er durch das Wehen ſeines Turbans ſeinen Wunſch, die Feſtung zu erreichen, anzudeuten. – Savoguerre, der dieſen Poſten vertheidigte, meldete den Vorfall ſogleich dem Großmeiſter, allein da in der Zwiſchenzeit Lascaris Verſuch von den Türken bemerkt worden war, ſo ſuchten ſie ſeine Flucht zu verhindern. Wohl wiſſend, daß ſein Tod unvermeidlich war, ſprang dieſer in die See, und – 104 – obſchon kein geübter Schwimmer, ſo gelang es ihm den- noch ſich ſo lange über dem Waſſer zu erhalten, bis drei malteſiſche Taucher, die Savoguerre ſchnell zu ſeiner Hülfe abſchickte, ihn halb todt ans Ufer zogen. Sobald er ge- nügend hergeſtellt, theilte er des Paſcha's Plan dem Groß- meiſter mit, und dieſer voller Bewunderung und aus Dankbarkeit für den geleiſteten Dienſt nahm ihn in den Orden auf. Während des Fortganges der Belagerung bewies ſich Lascaris durch Offenheit im Rath und Muth im Gefecht als würdiger Sohn ſeines Geſchlechtes. Die Mauern der Seeſeite von Senglea wurden er- höht, verſtärkt und mit zahlreichem Geſchütz beſetzt, während man von Mount Conradino bis zur Spitze der Stadt eine Reihe ungeheurer Pfähle in das dort ſeichte Waſſer trieb, die unter einander durch eiſerne Ketten und an einander genagelte Maſten und Stämme verbunden, den Hafen verſchloſſen. Dieſes Hinderniß zu beſeitigen, ent- ſandte Muſtapha in der Nacht eine Anzahl von geübten Schwimmern, Aexte im Gürtel tragend, um einen Durch- gang zu eröffnen, allein da das Geräuſch dieſer Arbeit die Aufmerkſamkeit der Garniſon auf ſich zog, ſo begann bald eine heftige Kanonade, und als dieſelbe wegen der Dunkelheit nicht wirkſam genug werden konnte, entſendete der Admiral de Monte eine Anzahl malteſiſcher Schwim- mer, die nach einem blutigen Kampf im Waſſer die An- greifer zurücktrieben. Später verſuchte man, indem man Taue an den Pfählen befeſtigte, dieſelben vermittelſt am – 105 – Ufer aufgeſtellter Ankerwinden umzureißen, allein auch dieſer Verſuch ward durch die Kühnheit malteſiſcher Ma- troſen vereitelt, die hinaus ſchwammen und die Taue durchſchnitten. Wüthend darüber, einen ſeiner Lieblingspläne ſo ver- eitelt zu ſehen, befahl der Paſcha am 5. Juli ein allge- meines Bombardement, und die ungeheueren Batterien von Mont St. Margaretha und Conradin begannen eine fürchterliche Kanonade gegen Fort St. Michael und La Sengle, während Fort St. Angelo und Borgo ebenſo heftig aus den Höhen" Mont Sceberras und Salvator beſchoſſen wurden. Die ganze Inſel zitterte unter dem fortwährenden Donner der Geſchütze und die Feſtung erſchien wie mit einem Gürtel von Feuer und Rauch umgeben. Unter dem Schutz dieſes Eiſenhagels führten die Belagerer ihre Trancheen bis in den Graben des Fort St. Michael und griffen eine kleine Redoute, die ihre Fortſchritte hinderte, mit ſolcher Heftigkeit an, daß die mit ihrer Vertheidigung beauftragten Ritter dieſelbe in die Luft ſprengten und ſich in das Fort zurückzogen. Die Kanonade dauerte, bis in den Außenwerken von St. Michael und Borgo bedeutende Breſchen eröffnet waren, und der Paſcha verzögerte den Sturm nur, um dem Vicekönig von Algier, deſſen Ankunft mit bedeuten- den Verſtärkungen man täglich erwartete, Gelegenheit zu geben, daran Theil zu nehmen. Durch dieſe enge Blockade ward zu Zeiten die Ver- – 106 – bindung der beiden Feſtungen gänzlich unterbrochen, denn die Paſſage in Booten wurde durch die türkiſchen Ge- ſchütze, wenn nicht unmöglich, doch ſehr gefährlich gemacht. Auf Anrathen John Antonio Boſio's, eines jungen Rit- ters und Bruder des Geſchichtſchreibers, deſſen Werk die Ereigniſſe dieſer Belagerung auf die Nachwelt brachte, ward eine Brücke aus Fäſſern und Planken zwiſchen beide Punkte geſchlagen, die ſpäter von großem Nutzen war, um nach ſehr bedrängten Punkten ſchleunige Hülfe zu bringen. Haſſan von Algier traf alsbald mit 2,500 auserleſenen Kriegern ein. Sohn des berüchtigten Seeräubers Bar- baroſſa und Schwiegerſohn des eben ſo bekannten Dragut, hatte dieſer junge Krieger den alten Thatendurſt ſeines Vaters nach blutigen Siegen geerbt. Als er St. Elmo, vor dem ſein Schwiegervater die Todeswunde erhalten, erblickte, drückte er ſeine Verwunderung darüber aus, daß ein ſo unbedeutender Poſten ſo viele Anſtrengungen gekoſtet, und erbot ſich, Fort St. Michael mit dem Schwerte in der Hand einzunehmen, wozu ihm Muſtapha nicht nur Erlaubniß gab, ſondern auch mit 6000 Mann unterſtützte. Dieſer Landangriff ſollte von Haſſan's Lieu- tenant Candeliſſa, einem griechiſchen Renegaten, zur See unterſtützt werden, indem man nach Muſtapha's erſtem Plan Boote vom Fort Musceit (Marſamucetto) herüber- brachte, und mit 4000 Mann den Sturm unternahm. Für den Fall, daß es unmöglich ſein ſollte, die Hafen- – 107 – blockade zu ſprengen, hatte ſich Candeliſſa mit vielen Planken verſehen, um eine Brücke nach dem Ufer zu ſchlagen, allein ein Verſuch, dieſelbe unter dem heftigen Feuer der Belagerten herzuſtellen, zeigte, daß das Ma- terial ungenügend ſei, und für einen Augenblick ſchwankten die Angreifer. Doch die Stimme Candeliſſa's ſchien ſeinen Truppen ſchrecklicher, als der Schlachtendonner der Chri- ſten, ſammelte dieſelben und es gelang, eine Paſſage nach einem wenig gedeckten Theil des Ufers, am Ende von La Senglea zu forciren. Eine hier gelegene Batterie unter Befehl des Comthur de Guimeras, eines alten, er- fahrenen Ritters, der von einer Schaar von Arquebuſiern unterſtützt ward, richtete beim erſten Feuer bedeutende Verheerungen unter den Türken an, denen es nichts- deſtoweniger gelang, zu landen. Zwei Kanonen mit Flintenkugeln geladen, ſchmetterten ſie in Schaaren nieder, doch „Vorwärts“ rief Candeliſſa's gefürchtete Stimme, als er die Boote vom Ufer zurückbeorderte, dadurch an- deutend, daß er entſchloſſen ſei, auf jeden Gedanken an die Rückkehr zu verzichten, und tollkühn legten die Stür- menden ihre Leitern an, und pflanzten nach fünfſtündigem Kampfe ſieben ihrer Feldzeichen auf die Mauer. Dieſer verhaßte Anblick füllte die Ritter mit Wuth und Entrüſtung, unterſtützt vom Gewehrfeuer ſtürzte ſich eine friſche Schaar unter Admiral de Monte dem Feinde entgegen, und als auch dieſe zu ſchwanken begonnen, er- ſchallte plötzlich der willkommene Kriegsruf eines Zuzuges – 108 – aus Borgo, an deſſen Spitze Comthur de Gignon, de Quincy und Ruiz de Medeica zur Rettung herbeieilten. Dies entſchied den Kampf, die türkiſchen Feldzeichen wurden herabgeriſſen und ihre Vertheidiger kopfüber von den Wällen geſtürzt. Candeliſſa ſelbſt, von der Flucht ergriffen, drehte der Schlacht den Rücken, und war einer der Erſten, in den Booten Zuflucht zu ſuchen, durch welchen Act von Feigheit er in den Augen ſeiner Sol- daten für immer ſeinen früheren Ruf verlor. Alle Tür- ken, die nicht die Boote erreichen konnten, wurden hin- geopfert. Die einzige Antwort, welche man denen, die im Staube um ihr Leben flehten, gab, war, daß ſie „St. Elmo's Quartier“ haben ſollten, und zugleich wurden ſie von der tödtlichen Klinge niedergeſchmettert. Viele, die die Boote ſchwimmend zu erreichen ſuchten, wurden im Waſſer niedergeſchoſſen, und manche der letzteren von den Batterien zertrümmert. Der ganze Hafen war von Leichen und abgeriſſenen Gliedmaßen beſäet und von den 4000 Mann, die am Morgen das Lager verlaſſen hatten, kehrten kaum 500 zurück. Ungefähr 100 Ritter und Laien, die ihr großmüthiger Eifer nach Malta gebracht, verloren auf dieſem Poſten ihr Leben, darunter Friedrich von Toledo, Sohn des Vicekönigs von Sicilien, den der Großmeiſter, aus Rück- ſichten für ſeinen Vater, in ſeinen eigenen Stab aufge- nommen hatte. Kaum hörte dieſer Jüngling, daß St. Mi- chael in Gefahr ſei, als er mit dem Muthe eines caſti- – 109 – lianiſchen Ritters zu Hülfe eilte. Eine Stückkugel tödtete ihn, ein Stück ſeines zerſplitterten Küraſſes ſtreckte an ſeiner Seite den Chevalier de Savoguerre nieder und beraubte Gaspar de Ponterez ſeines Armes. Die Ritter de Gordes, Mello, Cardinez und de Quincy, obſchon alle verwundet, weigerten ſich, ihren Poſten zu verlaſſen, und ließen ſich auf der Stelle leicht verbinden. Der Angriff Haſſan's zu Lande hatte keinen beſſeren Erfolg als der ſeines Lieutenants. Auf das Feuer einer Signalkanone ſtürzten ſich die Truppen ſtürmiſch in die Breſchen am Bornicola Thor und dem Caſtell von St. Mi- chael, und bald pflanzte eine Schaar Algerinen, die den Sturm eröffneten, ihr Feldzeichen auf den Wall. Ein mörderiſches Feuer vom Fort St. Michael, deſſen Ka- nonen der brave Robles mit Flintenkugeln laden ließ, und ein anderes, das die caſtilianiſchen und portugieſiſchen Ritter aus der Flanke in ihre Mitte ſchleuderten, trieb ſie jedoch bald mit ſchweren Verluſten zurück. Eine andere Breſche, von den Rittern Carlo Rufo und La Ricca be- fehligt, ward zunächſt geſtürmt, und bald wurden dieſe beiden, ſich mit ſeltener Rückſichtsloſigkeit blosſtellenden Männer verwundet aus dem Kampfe getragen. Admiral de Monte nahm ihre Stelle ein und wendete mit einem Phalanx derſelben Krieger, die eben Candeliſſa's Schaaren in die See getrieben, bald die Fluth des Kampfes. Un- fähig, ihrem heftigen mörderiſchen Feuer zu widerſtehen, ließ der Vicekönig zum Rückzug blaſen, nachdem der – 110 – Kern ſeiner Truppen leblos am Fuß der Breſche zurück- geblieben. Muſtapha Paſcha war von dieſem Ausgang der Schlacht weder überraſcht, noch ſah er den Stolz ſeines jungen Col- legen ohne Bedauern gedemüthigt, allein als ein guter General ermangelte er nicht die erhaltenen Vortheile durch neue Angriffe weiter zu verfolgen. Kaum hatte ſich des- halb der Vicekönig nach fünfſtündigem Kampfe zurückge- zogen, als er ſeine beſten Truppen anrücken ließ. Obſchon durch den vorhergehenden Kampf und die Hitze zum Tode ermattet, leiſteten dennoch die Chriſten den entſchloſſenſten Widerſtand. Die Schlacht löſte ſich in eine Reihe von Einzelkämpfen auf, Krieger faßte Krieger und nur der Tod des Einen oder des Anderen trennte ſie. Ein Türke, die Verheerung wahrnehmend, die das Schwert de Quincy's anrichtete, ſtürzte ſich in die Mitte der Malteſer und ſchoß, die Mündung ſeiner Arquebuſe dem Ritter ins Geſicht haltend, dieſen durch den Kopf, um im nächſten Augenblick ſelbſt unter einen chriſtlichen Säbel zu fallen. De Gordes überlebte ſeinen muthigen Kameraden nicht lange. Nach- dem er an der Spitze der Bürger den Feind vom Wall vertrieben, befahl er die Breſche mit Schanzkörben und Wollſäcken zu füllen, und an der inneren Seite dieſelbe durch einen Graben und Barricade zu decken. Allein während er mit dieſem wichtigen Dienſt beſchäftigt war, riß eine türkiſche Kanonenkugel ſeinen Kopf ab. Vierzig Ritter und zweihundert Soldaten verloren hier ihr Leben. – 111 – Unerſchüttert durch dieſe fortwährenden Verluſte und Vereitlung ſeiner Anſchläge, ließ jetzt der türkiſche Ober- befehlshaber einen Thurm errichten, von deſſen Fallbrücke er glaubte, ſeine Truppen mit Leichtigkeit auf die Feſtungs- mauern bringen zu können. Der Großmeiſter, in dem dieſe Maſchine gewiſſe Beſorgniſſe für die Sicherheit der Werke erregte, machte zwei Verſuche dieſelbe bei Nacht zu zer- ſtören, die durch die Wachſamkeit des Feindes vereitelt wurden. Zuletzt beſchloß er durch einen Ausfall bei Tage ſeinen Zweck zu erreichen, und Henry de la Valette, ſein Neffe, ward mit der Führung beauftragt, hauptſächlich um den Rittern zu zeigen, daß ihrem Führer das Leben ſeines Bruderſohnes nicht theurer war, als das jedes anderen Streiters, der unter dem Banner des Ordens ſtand. An der Spitze einer Schaar ausgewählter Leute und begleitet von ſeinem edlen und ergebenen Freunde, dem Chevalier Polaſtron, drang dieſer muthige junge Krieger gegen die durch ein mörderiſches Feuer gedeckte Maſchine vor, in der Abſicht Seile und Ketten an die Hauptpfoſten zu befeſtigen, und durch dieſe die Maſchine niederzureißen, allein während dieſes Verſuches fielen ſowohl La Valette als de Polaſtron und nur mit der äußerſten Anſtrengung gelang es den Truppen, die Leichen ihrer Führer den Türken zu entreißen. So tief der Großmeiſter auch den Tod dieſes geliebten Verwandten betrauerte, ſo verrieth doch nichts, daß er dieſen Verluſt für größer halte, als den jedes anderen – 112 – Ritters, und denen, die ſich ihm mit Troſtesworten nahe- ten, antwortete er mild aber feſt: „Alle Ordensbrüder ſind meine Kinder und deshalb betrauere ich den Tod Polaſtron's ebenſo ſehr als den La Valette's, weshalb ſollen wir ihr Schickſal beklagen? ſie ſind uns nur wenige Tage ins Grab vorausgegangen.“ – Als man ihm ſagte, daß der türkiſche Heerführer beſchloſſen habe, das Leben des Großmeiſters zu retten, um ihn gefangen nach Con- ſtantinopel zu führen, entgegnete er: „Ich werde Sorge tragen, mich vor einem ſolchen Schickſal zu bewahren, denn ſollte die Belagerung gegen meine Erwartungen verderblich für den Orden werden, ſo will ich in der Kleidung eines gemeinen Soldaten eher meinen Tod im Gefecht ſuchen, als unter dem Fuße des Siegers getreten zu werden.“ Nachdem er die Stelle, wo ſein Neffe gefallen war, ſelbſt beſichtigt hatte, ließ er der Maſchine gegenüber eine Oeffnung in die Mauer brechen, ſchweres Geſchütz durch dieſelbe richten, und es gelang ihm auf dieſe Weiſe Thurm und Brücke zu zerſtören. So groß war die Beſtürzung des Paſcha's über dieſes Ereigniß, daß er im Kriegsrath ſeinen Officieren die Frage ſtellte, ob es nicht rathſamer ſei, die Angriffe auf Fort St. Michael aufzugeben und ſtatt deſſen Borgo zu be- ſtürmen; allein der Kriegsrath beſchloß einen gleichzeitigen Angriff auf beide Punkte, und deshalb ſollte Haſſan in ſeiner früheren Stellung angreifen, während der Admiral – 113 – Piali mit Mannſchaften von der Flotte Borgo ſtürmen und Candeliſſa mit den Schiffen ſich bereit halten ſollte, jeden Entſatz abzuſchneiden. Während vier Tagen fanden unausgeſetzt kleine Gefechte ſtatt, die Belagerungsgeſchütze donnerten ohne Unterlaß, und obſchon die Chriſten in dieſen Schlachten, ſowie in einem Hauptſturm am 2. Auguſt ſiegreich waren, ſo ſchmolz dennoch ihre Zahl täglich mehr zuſammen. Am 7. Auguſt drangen die Stürmenden mit mehr als gewöhnlichem Ungeſtüm vor. St. Michael und die Baſtion von Caſtilien wurden gleichzeitig angegriffen, allein der letztere Punkt ſollte nur dazu dienen, die Auf- merkſamkeit der Garniſon zu theilen. Den Janitſcharen, die die Spitze der Sturmcolonne bildeten, gelang es, ſich auf der mit Leichen bedeckten Breſche feſtzuſetzen, und während vier Stunden allen Anſtrengungen der Belager- ten, ſie zu vertreiben, Trotz zu bieten. Allein die Größe der Gefahr ermuthigte Alle zu außergewöhnlichen An- ſtrengungen, und nicht nur leiſteten Ritter, Soldaten und Bürger Wunder der Tapferkeit, ſondern ſelbſt Frauen und Kinder nahmen am Kampfe Theil, entweder ihren Verwandten Ammunitionen und Erfriſchungen zutragend, oder Steine und ſiedendes Oel auf die Stürmenden hinab- gießend. Das Fort und die Breſche waren in eine dichte Wolke von Feuer und Rauch eingehüllt, und trat manch- mal eine kurze Pauſe in der Kanonade ein, ſo trug die leichte Brieſe das Waffengeklirr und das wilde Geſchrei 8 – 114 – der Kämpfenden, die Mann gegen Mann rangen, nach der Stadt hinüber; der Paſcha ſelbſt ſtand am Fuß der Breſche, und während er Worte der Ermuthigung an die Stürmenden richtete, traf ſein Schwert die Flüchtigen. Nach einſtündigem Kampfe begann das zuſammengeſchmol- zene Häuflein der Chriſten am Siege zu verzweifeln und ſich aufs Schlimmſte vorzubereiten, als plötzlich zu ihrer nicht geringen Verwunderung und Freude die türkiſchen Heere zum Rückzug blieſen. Dieſer willkommene Entſatz ward durch eine muthige Diviſion des Comthur Mesquita, Befehlshaber von Citta Notabile, verurſacht, der, den verzweifelten Kampf in und um St. Michael vernehmend, einige Geſchwader Kavallerie mit einem Fußſoldaten hinter jedem Reiter im Sattel ab- ſendete, um die Türken im Rücken zu faſſen. Die Ritter de Luqui und Vertura führten dieſe Abtheilung nach der Quelle „La Marza“, wo die Türken ihre Hospitale er- richtet hatten, und mit mehr Rückſicht auf die bedrängte Lage ihrer Brüder, als auf die Stimme der Menſchlich- keit, hieben ſie die Kranken und Verwundeten erbarmungs- los nieder. Die Flüchtlinge brachten in das türkiſche Lager die Nachricht, daß eine Verſtärkung aus Sicilien ange- langt ſei. Muſtapha ſah ſich genöthigt den Sturm in dem Augenblick aufzugeben, wo er erfolgreich zu werden ver- ſprach. Mit ſeinen beſten Truppen in La Marza angelangt, ſah er zu ſpät ein, daß eine Hand voll von Leuten, aus einem Platz, den er kaum für beachtenswerth gehalten, – 115 ihm dieſen Streich geſpielt. Seine Wuth kannte keine Grenzen und hätte es die gänzliche Entkräftung ſeiner Truppen geſtattet, ſo würde er ſich ſogleich wieder gegen die Hauptfeſtung gewandt haben. Am nächſten Morgen hatte ſich des Paſcha's Wuth gelegt, und zwei Wochen verſtrichen ehe er einen neuen Sturm wagte. In der Zwiſchenzeit trieben ſeine Mineure Minen in die verſchiedenen Theile der Feſtung, die jedoch meiſt glücklich gegenminirt wurden. Während dieſer Periode ward der Ritter Robles, der jetzt Fort St. Michael com- mandirte, während er in der Nacht die Wälle inſpicirte durch einen Flintenſchuß getödtet. Am 18. Auguſt hofften die Türken gegen Mittag die Garniſon zu überraſchen, wähnend dieſelbe hinter den Mauern ihre Sieſta haltend, zu finden, allein obſchon die Befeſtigungswerke faſt gänzlich in Trümmern lagen, ſo bildeten die Vertheidiger mit ihren Leibern eine un- überſteigliche Barriere. Piali eröffnete ſeinen Angriff auf die Baſtion von Caſtilien durch das Sprengen einer Mine, die einen Theil des Walls niederwarf und dieſen Vor- theil verfolgend, trieb er für kurze Zeit Alles vor ſich her. Bruder William, ein Caplan des Ordens, als er die Türken ſo hereindrängen ſah, wähnte die Stadt ver- loren, und zum Großmeiſter eilend, beſchwor er ihn, mit gefalteten Händen im Fort St. Angelo Zuflucht zu neh- men; allein ſtatt dieſem Rathe zu folgen und ſelbſt ohne – 116 – ſeine Rüſtung anzulegen, ergriff dieſer eine Pieke und eilte auf die Stürmer. Eine Schaar von Rittern und Bürgern folgte ihm, und wiſſend, daß er die Stelle nie lebendig verlaſſen werde, ſtürzten ſie ſich in die Maſſen der Feinde und trieben ſie zurück. Mendoza, der einem neuen Sturm entgegenſah, flehte jetzt den Großmeiſter an, ſich nach einem ſicheren Orte zurückzuziehen, allein der entſchloſſene Greis antwortete ihm: „Kann ich im Alter von ein und ſiebzig Jahren mein Leben beſſer enden, als indem ich es für die Ver- theidigung unſerer heiligen Religion in der Mitte meiner Freunde und Brüder niederlege?“ - Wie man vermuthet, ward der Sturm gegen Abend erneuert, allein die Granaten und Feuerreifen der Ver- theidiger hatten die Angreifer ſo ſcheu gemacht, daß ſie nur aus der Ferne ein unregelmäßiges Gewehrfeuer unter- hielten, und mit den Schwertern gegen die Schilder ſchla- gend, durch das Geräuſch der Schlacht ihrem Befehls- haber zu täuſchen ſuchten, der nicht ſobald ſich hiervon überzeugte, als er den Angriff bis zum nächſten Morgen aufſchob. Am 19. Auguſt, im Augenblick, wo der Angriff begann, warfen die Türken einen ungeheueren hölzernen Cylinder mit eiſernen Reifen umgeben und mit Pulver, Kugeln, Nägeln und Stücken Eiſen gefüllt in die Breſche. Mehrere Ritter hatten Entſchloſſenheit genug dieſe Höllenmaſchine zu ergreifen und unter die Stürmenden zurückzuſchleudern, – 117 – wo ſie augenblicklich explodirte, Tod und Verderben um ſich verbreitend, und die Chriſten, den Vortheil verfolgend, machten einen ſiegreichen Ausfall. Auf der Baſtion Caſtilien hatten die Türken auch diesmal beſſeren Erfolg und wiederum gelang es ihnen ſich auf dem Parapet feſtzuſetzen, allein auch diesmal eilte der Großmeiſter an der Spitze friſcher Truppen nach dem bedrohten Punkt und Tod und Verderben wüthete nach allen Seiten. Eine bedeutende Anzahl von Rittern fiel, ſich gegenſeitig durch ihr Beiſpiel aneifernd. Der Commenthur Bonneſeigne an der Seite La Valette's fech- tend, verlor ein Auge und ſein Geſicht ward entſetzlich verbrannt. La Valette ſelbſt ward durch eine ſpringende Granate gefährlich ins Bein verwundet, allein er wei- gerte ſich den Poſten zu verlaſſen, bis Cencio, Gasconi, Bergia, Mendoza, Don Juan und La Roche Pereira mit bedeutenden Verſtärkungen anlangend, den Kampf entſchieden. - Nach zwei anderen vergeblichen Stürmen am 20. und 23. Auguſt gelang es Piali, gegenüber dem Wall eine Plattform zu errichten, die denſelben ſo vollkommen be- herrſchte, daß ſich die Kanoniere kaum bei den Geſchützen halten konnten. Mehrere caſtilianiſche Ritter, geführt vom Comthur de Claramont, überrumpelten dieſen Poſten in der folgenden Nacht, und es gelang ihnen, nicht nur alle Türken von derſelben zu vertreiben, ſondern ihn ſogar in ein bedeutendes Vertheidigungswerk zu verwandeln. – 118 – Ein Sturm am 3. September erwies ſich ebenfalls als fruchtlos und fürchtend, daß er genöthigt ſein würde, die Belagerung bald aufzugeben, beſchloß Muſtapha Paſcha einen Handſtreich auf Citta Notabile zu machen, hoffend, durch Eroberung dieſes Platzes den Muth ſeiner Truppen zu beleben, und den geringen Erfolg ſeiner Expedition etwas zu bemänteln. Viertauſend der beſten Truppen, von ihm ſelbſt geführt, hofften die unvollkommen be- feſtigte Stadt mit Sturm zu überrumpeln. Allein Mes- quita, der Gouverneur, von dem Unternehmen in Kennt- niß geſetzt, verkleidete und bewaffnete ſelbſt Frauen und Kinder, und indem er auf dieſe Weiſe eine bedeutende Truppenmacht auf den Wällen aufſtellte, täuſchte er die Türken ſo vollkommen, daß ſie nach einer kurzen erfolg- loſen Kanonade ſich wieder zurückzogen. Eine neue Ma- ſchine, die die Türken in der Zwiſchenzeit vor Borgo errichtet, ward wiederum von den Chriſten zerſtört und der Muth dieſer letzteren ſtieg durch alle Erfolge ſo hoch, daß trotz ihrer geringen Anzahl und trotzdem ihre Mauern in Trümmer lagen, ſie faſt täglich Ausfälle gegen ihre entmuthigten Feinde machten. Jetzt endlich, nachdem der Kampf beinahe von dem Orden allein ſiegreich beendet war, nahete ſich der ver- ſprochene Entſatz. Den langen Verzögerungen des Vice- königs von Sicilien ward durch die dringenden Vorſtel- lungen von etwa 200, bei ſeinem Heere befindlichen Jo- hanniterrittern, ſowie durch einen Aufſtand ſeiner eigenen – 119 – Truppen, die ſtürmiſch begehrten, gegen den Feind geführt zu werden, ein Ende gemacht. Nach einem vorherge- gangenen, vergeblichen Verſuch wurde am 7. September die Armee im Hafen von Melecha in der Nähe der Inſel Gozo gelandet. Bei Empfang dieſer Nachricht er- griff eine ſolche Beſtürzung die Türken, daß der Paſcha ſeine Beſatzung aus St. Elmo zurückzog, und ſich, mit Zurücklaſſung aller ſeiner Belagerungsgeſchütze, einſchiffte. Später, aus Beſchämung, von einer kleinen Anzahl von Chriſten (6000 Mann) ſo in Furcht geſetzt worden zu ſein, wollte er ſeinen Irrthum wieder gut machen, allein die wenigen Stunden waren von den Rittern ſo gut benutzt worden, daß die Belagerungswerke der Erde gleich lagen, und über Fort St. Elmo wieder das Banner des Kreuzes wehte. 7000 Mann wurden nun in St. Pauls-Bai gelandet, und 1500 unter dem Vicekönig von Algier zurücklaſſend, ſuchte er, ſelbſt an der Spitze der Uebrigen, die Armee der Sicilianer auf. Er fand ſie, auf der Spitze eines Hügels verſchanzt, und auf den Rath Alvarez de Sandes, der die neapolitaniſchen Truppen befehligte, ſowie auf das ſtürmiſche Verlangen der 200 Malteſerritter, ward der Feind angegriffen, nach kurzem Widerſtand in die Flucht getrieben und nur mit ſchweren Verluſten gelang es denſelben, die Schiffe zu erreichen und bald nachher davon zu ſegeln. So endete dieſe ewig denkwürdige Belagerung, in der – 120 – die Türken 25,000 Mann, der Orden aber 260 Ritter und zwiſchen 7 und 8000 Soldaten und Bürger verlor. In der That, ſo zuſammengeſchmolzen war die Garniſon, daß bei Ankunft des Entſatzes kaum mehr 600 Mann die Mauern beſetzen konnten. Der 8. September ward, ſo lange der Orden beſtand, mit großer Feſtlichkeit begangen; die St. Johanniskirche, feſtlich geſchmückt, ward von allen Brüdern bei feierlicher Proceſſion beſucht, und das Banner des Ordens deckte mit ſeinen blutbefleckten Falten den Altar, in deſſen Ver- theidigung es ſo ſiegreich geweht hatte. Die felſigen Hügel, jenſeits von Borgo und Senglea, ſind von ausgedehnten Linien ſehr ſtarker Befeſtigungen umgeben und bekrönt, zu denen das hochgelegene Fort St. Salvador den Schlüſſel bildet. Letzteres ward von Manoel de Vilhena, die ganze Linie von Befeſtigungen aber vom Großmeiſter Nicolas Cotoner erbaut, und nach ihm Cotonera benannt. Er beabſichtigte, dies zu einem Zufluchtsort für die geſammte Bevölkerung der Inſel zu machen, ſollten Umſtände einen ſolchen erheiſchen. Augen- blicklich bildet ein Regiment eingeborener Truppen „Royal Maltere forcibles“ die Beſatzung. Die Linien der Co- tonera ſchließen ſich nach der Landſeite an Fort St. Mi- chael und Senglea, nach der Seeſeite an Fort Ricaſoli, gegenüber Fort St. Elmo. Letztere Feſtung war 1670 vom Ritter Gianfrancesco Ricaſoli erbaut, der dazu eine Summe von 20,000 Thlrn. – 121 – aus ſeinen Mitteln verwendete. Der Großmeiſter Cotoner ſtattete ihm für dieſe Großmuth öffentlich ſeinen Dank ab, und man nannte das Fort nach ſeinem Erbauer. Im April des Jahres 1807 war dieſes Fort der Schauplatz einer bedauerlichen Militärrevolte. Im Laufe des ſo lange fortgeſetzten Krieges genügten die Reſſourcen Englands nicht mehr dem ſtets wachſenden Bedürfniß nach Truppen-Aushebungen, und deshalb griff die Re- gierung zu dem Aushülfsmittel, mit verſchiedenen Spe- culanten Contracte abzuſchließen, nach welchen dieſe in verſchiedenen Ländern Freicorps anwarben. Ein fran- zöſiſcher Emigrant organiſirte unter dem Namen, Fro- bergs Regiment, ein Corps, das aus Griechen, Albanern, Slavoniern und vielleicht auch anderen Nationen zuſammen- geſetzt war, und nebſt einer kleinen Abtheilung engliſcher Artillerie nach Fort Ricaſoli in Garniſon verlegt ward, um dort von engliſchen Officieren und Unterofficieren excercirt zu werden. Die Stimmung dieſer, aus ſo ver- ſchiedenem Material zuſammengeſetzten Truppe, als ſie ſahen, daß nicht alle die glänzenden Verſprechungen, mit denen man ſie in den Dienſt verleitet hatte, erfüllt wurden, war keine zuverläſſige, zu häufige körperliche Züchtigungen, oft nur durch die Laune des Vorgeſetzten verhängt, ver- ſchlimmerte dieſelbe, und als einſt ein Officier einen Trommler mit dem Stock übers Geſicht ſchlug, brach das Regiment in offene Meuterei aus. Die Mehrzahl der Officiere ward ermordet, die Thore – 122 – des Forts gegen die Garniſon von Valetta verſchloſſen. Ein engliſcher Artillerieofficier aber und mehrere Unter- officiere wurden gezwungen die Geſchütze gegen die Stadt zu richten. Der damalige Gouverneur Viletes hoffte die Meuterer zum Gehorſam zurückzuführen und begnügte ſich deshalb mit einer engen Blockade des Forts. Der Mangel an Subordination, ſowie die allmählich ſich einſtellende Hungersnoth rief bald Streitigkeiten hervor, die in Blut- vergießen endeten, und zuletzt öffnete ein Theil der Meu- terer die Thore und ergaben ſich. Die noch übrig geblie- benen, etwa 150 an der Zahl, hielten ſich noch einige Zeit. Allein es gelang zuletzt dem Capt. Collius, R. N. das Fort während einer Nacht zu ſtürmen und mit Aus- nahme von ſechs Mann alle zu Gefangenen zu machen. Von dieſem wurden auf dem Plateau Florianna zehn gefangen und vierzehn erſchoſſen, welche letztere Execution in einer ſehr unmenſchlichen Weiſe ausgeführt ward. Mit gefeſſelten Händen, doch unverbundenen Augen mußten die Delinquenten auf ihren Särgen niederknieen, und da das erſte Gewehrfeuer nicht alle tödtete, ſah man mehrere, von den Soldaten gleich Haſen verfolgt und niederge- ſchoſſen, umherlaufen. Einem gelang es die Baſtion zu erreichen und 150 Fuß tief über dieſelbe hinabzuſpringen. Als ſeine Verfolger ihn noch am Leben fanden, ward auch ſeinem Elend ein Ende gemacht. Im Fort ſelbſt war es in jener Nacht ſechs Mann ge- lungen, ſich des Pulvermagazins zu bemächtigen, wo ſie, – 123 – hoffend einige vortheilhafte Bedingungen zu erzielen, noch aushielten. Von Zeit zu Zeit erſchien einer von ihnen auf der Mauer um zu unterhandeln, allein ohne Erfolg. Am ſechsten Tage erklärten ſie, daß, wenn man ihre Bedin- gungen nicht erfülle, ſie ſobald die Vesperglocken von der Kathedrale geläutet werde, das Fort in die Luft ſprengen wollten. Man ſchenkte dieſer Drohung keinen Glauben, allein zur beſtimmten Stunde fand die Exploſion ſtatt und begrub viele von den Belagerern unter den Ruinen des Forts. Geraume Zeit war ſeit dieſem Ereigniß verſtrichen, und man begann bereits der Aufſtändiſchen zu vergeſſen, als ein Prieſter eines Abends auf ſeinem Eſel aus einem abgelegenen Viertel in der Nähe des Forts heimkehrte, von einem Mann angerufen ward, der in der Uniform des Froberg-Regiments gekleidet, von hinter einer Mauer ſeine Flinte auf ihn richtete, deren Ladung er bereit zu ſein ſchien ihm in den Leib zu ſchießen. Der erſchrockene Cura machte ſich aus dem Staube, ſo ſchnell ihn ſein Eſel zu tragen vermochte, zeigte den Vorfall der Polizei an; man durchſuchte die Umgegend und fand endlich in einer verſteckten Höhle die armſeligen abgemagerten Men- ſchen, von denen man glaubte, ſie ſeien mit dem Fort in die Luft geflogen. Aus ihren Ausſagen ergab ſich, daß es ihnen gelungen war, während der Belagerung eine der Minen bis in die Nähe der äußeren Mauer zu führen, deren letzten Reſt – 124 – ſie in der Nacht niederzubrechen gedachten, um zu ent- fliehen. Bis dahin gaben ſie ſich den Anſchein ferneren Widerſtandes; als Alles bereit war, legten ſie einen Zünder, zogen ſich in genügender Entfernung zurück, um ſelbſt geſichert zu ſein, und zur beſtimmten Zeit führten ſie ihr Vorhaben aus. Sie ſcheinen darauf gerechnet zu haben, zu Schiffe zu entwiſchen, und es war ihnen bei einer Gelegenheit beinahe gelungen ſich eines Bootes zu bemächtigen, in welchem Unternehmen ſie jedoch geſtört wurden. Auch dieſe Elenden endeten ihr Leben auf dem Richt- platz. Das Fort Ricaſoli iſt jetzt von einer Abtheilung des 42. Regiments nebſt einer Abtheilung Artillerie garni- ſonirt, und die Nähe der See, deren friſche Brieſe die Luft kühlt, macht den Aufenthalt geſund und erträglich. VII. Ausflug in den ſüdlichen Theil der Inſel. Die Caleſſa. – Vignacourt's Waſſerleitung. – Die Gärten von St. Antonio. – Dichtgedrängte Bevölkerung. – Citta Vecchia. – Alt- üblicher Magiſtrat. – Die Kathedrale. – St. Pauls Kirche und Grotte. – Reliquien. – Die Katakomben. – Chriſtliche Gräber. – Das Ma- donnenfeſt. – Muſik und muſikaliſche Inſtrumente. – Sehenswerthe Punkte in der Umgegend. – Emthaleb. – Boſchetto. – Der Palaſt des Inquiſitors. – Tal Mahluba. – Die Höhlen von Ghar Haſſan. – Die Ruinen von Crendi. – Die Lebensmittel und ihre Preiſe. – Die Bevölkerung. – Coſtüm. Die älteſte Hauptſtadt von Malta war Citta Notabile, auch Citta Vecchia genannt. Dieſes liegt etwa 7 Miles (2 Stunde) von Valetta, und eine in gutem Stande gehaltene Straße führt dahin. Das gewöhnlichſte Trans- portmittel der Inſel iſt die Caleſſa, ein zweirädriger Karren, offen oder bedeckt, von einem Pferde in der Gabel gezogen. Die bedeckte Caleſſa iſt ein etwas ſchwer- fälliger Kaſten, der auf zwei Stangen etwa halbwegs zwiſchen zwei Rädern und dem Pferde hängt, das ſo einen großen Theil der Laſt zu tragen hat; indem der Kutſcher, wenn er es nicht vorzieht, nebenher zu laufen, ſich dicht hinter das Pferd auf die rechte Gabel ſetzt und mittelſt eines Stück Holzes, in das ein oder mehrere Nägel befeſtigt ſind (niggienza benannt), ſeinen Gaul zur Eile antreibt. Warum man nicht den Kaſten über die Räder auf Federn ſetzt, und ſo dem Pferde die Laſt etwas erleichtert, kann ich nicht einſehen, es müßte denn deshalb geſchehen, daß man fürchtet, das Gewicht möge beim Anſteigen der ſehr ſteilen Straßen der Stadt zu ſehr nach hinten fallen und das Pferd auf der Bruſt – 128 – drücken. Die offene Caleſſa iſt leichter gebaut und enthält gewöhnlich Raum für zwei Reiſende, die entweder auf einer Matratze ausgeſtreckt ruhen, oder hinten ſitzend, ihre Füße in den Staub hängen laſſen. Von der Porta Reale der Stadt bis Caſſal Attard, einer kleinen Stadt etwa 3 Miles entfernt, läuft die Straße längs dem Aqueduct, der von einem Ort an der Weſtküſte „Diar Claudel“ das Waſſer verſchiedener Quellen vereinigend, dasſelbe ſo die ganze Inſel ihrer Breite nach durchſchneidend, nach Valetta bringt. Dieſes bedeutende Bauwerk ward im Jahre 1610 unter der Ver- waltung des Großmeiſters Alofio Vignacourt begonnen, und in fünf Jahren vollendet, denn ſchon damals ge- nügten die im Innern gelegenen Quellen nicht mehr den Anſprüchen der ſtets im Zunehmen begriffenen Bevölke- rung, beſonders, wenn während der oft trockenen Sommer- monate das Regenwaſſer in den Ciſternen erſchöpft ward. Vom Anfang bis Caſſal Attard läuft das Waſſer unter der Erde, von da an wird die Leitung von ſteinernen Pfeilern und Bogen getragen. Das Ganze iſt ſorgfältig und ſubſtantiell conſtruirt, die Rinne in der das Waſſer läuft, iſt oben mit großen Steinblöcken vermauert, und faſt ſcheint es, als ob von der Zeit ihrer Erbauung an bis auf den heutigen Tag weder geöffnet, reparirt, noch gereinigt worden ſei, indem das ſehr klare Waſſer das Letztere unnöthig macht. Etwa zwei Miles weiter, zur Rechten von der Straße, – 129 – ſieht man die Paläſte und die Gärten von St. Antonio, vom Großmeiſter de Paula erbaut und von ſeinen Nach- folgern als Sommeraufenthalt benutzt, wozu er auch jetzt dem Gouverneur dient. In dieſen Gärten ſind beinahe die einzigen Bäume, die dieſen Namen verdienen, und die geſchmackvollen Anlagen, ſchattigen Pfade und verſchie- denen Springbrunnen machen dies zu einem ſehr ange- nehmen Aufenthalt. Reitet man ſo durch das Land, denn die meiſt ziem- lich guten kleinen Berberpferde ſind jedenfalls den un- bequemen Caleſſas vorzuziehen, ſo hat man Gelegenheit zu beobachten, daß man ſich in einem der dichtbevölkert- ſten Länder der Erde befindet, denn dieſe kleine Inſel von kaum 60 Miles Umfang enthält 180.000 Einwohner. Man ſagt, daß hier im Verhältniß 10 pCt. mehr Be- wohner auf die Quadratmeile kommen, als in den be- völkertſten Theilen China's, und dies ſcheint glaublich genug, denn ſelten kann man eine ſolche, faſt ununter- brochene Reihe menſchlicher Wohnungen wahrnehmen, als im öſtlichen Theile dieſer Inſel. Es iſt in der That nicht leicht auszufinden, wo eine Stadt oder ein Dorf aufhört und das Nächſte beginnt, denn die Ausläufer von beiden vermiſchen ſich miteinander. Der Boden, d. h. da, wo dergleichen vorhanden, iſt ziemlich gut und trägt zwei, oder wenn viel Regen fällt, auch drei Erndten von Mais, Weizen, Gerſte 2c. oder Gartenfrüchte, ohne daß die Mühe des Bebauens ſehr 9 – 130 – groß wäre, allein den Acker ſelbſt zu erzeugen, denn der- ſelbe muß meiſtens künſtlich angelegt werden, koſtet keine geringen Anſtrengungen. Das meiſte Terrain der Inſel beſteht aus Felſen, auf dem entweder nur eine dünne Lage röthlichen Lehmbodens liegt, der mit Felsbrocken beſtreut iſt, oder die Erde findet ſich nur in den Vertie- fungen des Geſteins und in kleinen Schluchten vor. Dieſe wird nun vorerſt auf einer Stelle zuſammengetragen an der niederen Seite des Hügels, aus den umherliegenden Felsbrocken eine Mauer aufgeführt, die etwaigen Ver- tiefungen mit demſelben Material ausgefüllt und terraſ- ſirt, und zuletzt die vorhandene Erde in einer Dicke von zwei bis drei Fuß darüber geſtreut. Man kann ſich hier- aus vorſtellen, wieviel Arbeit erforderlich iſt, um einen einzigen Acker Landes zu erzeugen. Trotz alledem habe ich nicht erfahren können, daß Auswanderungen nach dem herrlichen üppigen Sicilien ſtattfinden, wo ein unerſchöpflicher Boden die geringſte Anſtrengung des Menſchen reichlich lohnt, im Gegentheil finden viele der ſicilianiſchen Seeleute hier eine Heimath, wo ſie ſich als Bootführer, Handarbeiter oder Werkleute ihren Lebensunterhalt erwerben. Sicherlich iſt die Liebe zum heimathlichen Boden, die den Eskimo und den Lapp- länder in den Eisfeldern des Nordens, den Kaffern und den Hottentotten in den heißen Ebenen Afrika's den beſten Wohnſitz erblicken läßt, hierbei gebührend in Rechnung zu bringen, allein daß der Wunſch, lieber unter den geregelten – 131 – Verhältniſſen eines nach liberalen Grundſätzen regierten Landes zu leben, ſtatt täglich dem Eigenwillen eines des- potiſchen Herrſchers, der Gier und Habſucht eigennütziger Beamten ausgeſetzt zu ſein, gleichfalls ſeinen Einfluß geltend macht, ergiebt ſich aus dem Umſtand, daß die ſtets und verhältnißmäßig immer ſchneller wachſende Seelenzahl ſich beſonders von der Zeit her datirt, wo an England der Beſitz der Inſel für die Dauer be- ſtätigt ward. Citta Vecchia liegt auf einem der höchſten Punkte Malta's und theilt ſich in zwei, dicht bei einander lie- gende Theile La Notabile und Rabatto. Erſterer iſt kleiner, compacter gebaut und mit verſchiedenen Befeſtigungen um- geben, die die natürlich ſtarke Lage noch vollkommener ſchützen. Vor der Ankunft der Araber auf der Inſel war ein viel beträchtlicher Theil mit Mauern umgeben, allein man fand ſpäter einen beſchränkteren Raum leichter zu vertheidigen. In den früheſten Zeiten trug die Stadt denſelben Namen, wie die Inſel Melita, wie uns Ptole- mäus der Geograph mittheilt: „Insulae in alto Mari Pelagiae haec sunt, Melite Insulae in qua civitas Me- litae et Chersonesus, et Junonis templum, et Herculis templum.“ Cicero und Diodorus Siculus geben an, daß die Hauptſtadt Malta's viele ſtattliche Gebäude von ſehr reicher Architektur enthielt, und die vielen Ueberreſte an- tiker Statuen, ſowie die Spuren von Bädern, Tempeln und Amphitheatern, die man in der Stadt ſowohl als – 132 – deren Umgebung aufgefunden hat und noch auffinden würde, ſetzte man die Nachgrabungen weiter, beſtätigen dieſen Ausſpruch. Unter der Oberherrſchaft des Johanniterordens ward die Stadt von einem Hakim, oder „Herrſcher“ regiert, der alljährlich vom Großmeiſter erwählt ward, und dem drei Magiſtratsperſonen oder „Giurati“, durch dieſelbe Be- hörde angeſtellt, beigegeben waren. Bei der jedesmaligen Wahl des Großmeiſters fand deſſen Einweihung unter vielen Ceremonieen, und oft mit großem Pomp in La Notabile ſtatt, und der Magiſtrat händigte ihm dann die Schlüſſel der Stadt ein. Ebenſo wurden und werden noch die Biſchöfe von Malta in der Kathedrale dieſer Stadt conſecrirt. Die Kathedrale nebſt dem Palaſt des Magiſtrats ſind ſehenswerth, und man giebt an, daß an der Stelle des letzteren der Palaſt des Publius ſtand, der zur Zeit, wo Paulus auf der Inſel Schiffbruch litt, Statthalter der- ſelben war. In der Vorſtadt Rabatto unter einer dem Apoſtel St. Paul gewidmeten Kirche, befindet ſich eine gleichfalls nach ihm benannte Grotte, in der, ſo meldet uns die Tradition, derſelbe begleitet von St. Lucas und Trofimus gewohnt habe. Man ſagt, daß die Beſcheidenheit der Apoſtel ſie beſtimmt habe, mit einer ſo geringen Wohnung vorlieb zu nehmen, wenn ihnen, wie die Apoſtelgeſchichte Un8 meldet, „die die Inſelbewohnenden Barbaren ſo – 133 – freundlich begegneten“; vor allen aber der edle groß- müthige, für die Heilung ſeines Vaters ſo tief verpflich- tete Publius ihnen fortwährend Beweiſe ſeines Wohl- wollens gab. Es iſt jedoch nicht unmöglich, daß Alle oder wenigſtens Paulus ihre Wohnung im Hauſe des Publius hatten, allein dieſe entlegene Grotte wählten, um ihren Gottesdienſt zu halten und die Lehre des Gekreuzigten zu predigen, um ihrem Beſchützer, deſſen amtliche Stel- lung eine gewiſſe Vorſicht erheiſchte, nicht Mißhelligkeiten zu bereiten. Zu Beginn des ſiebenzehnten Jahrhunderts verließ ein Bürger Cordova's, Namens Fra Giovanni, ſeine Heimath und kam nach Malta, wo er über der Grotte eine dem St. Publius geheiligte Capelle errichtete, die ſpäter von dem Großmeiſter erweitert, und von ihm ſowie von den Päpſten reich beſchenkt ward. Ciantar zählt unter den Reliquien, die ſich hier befanden: „ein Stück des wahren Kreuzes, etwas Milch der Madonna!!! Ueberreſte von nicht weniger als ſechs Apoſteln, und ungefähr fünfzig anderen Heiligen“ auf !!! Der fromme Anachorith, der die Capelle erbaute, beſchloß in derſelben ſein Leben. Aus der Capelle führt eine breite Treppe hinab nach der Grotte, gegenüber derſelben befinden ſich in einigen Vertiefungen zwei dem Paulus und Lucas gewidmete Altäre nebſt einer kleinen Sacriſtei. Die Grotte ſelbſt befindet ſich rechts vom Eingange, und neben der Thür – 134 – zu derſelben befindet ſich folgende, vom Großmeiſter Emanuel Pinto errichtete Inſchrift: D. O. M. Hac dextrum divi Pauli cryptae latus terrain asportantibus nunquam clausum, et nunquam deficiens, semper excisum et nunquam decrescens, ut in majorem cresceret verationem enimentissimus H. C. M M et Princeps seren. Fr. D. Emman. Pinto nobiliori auxit ornatu MDCCXLVII. Die Grotte iſt etwa 30 bis 35 Fuß im Durchmeſſer und in der Mitte etwa acht Fuß hoch und in der Mitte derſelben befindet ſich eine ſchöne Marmorſtatue St. Pauls, vor der ſtets einige Kerzen brennen. Es liegt eine eigenthümliche Anziehungskraft in Orten, in denen große erhabene Menſchen gelebt und gewandelt haben, und ſo kann man dieſen Ort, wo der herrliche beredte Apoſtel mit der gottähnlichen Stirne und dem Feuereifer gelehrt hat, nicht ohne ein Gefühl tiefer An- dacht und Verehrung betreten. Hat doch dies Decken- gewölbe einſt von dem Klang ſeiner männlichen, kräftigen Stimme wiedergehallt. In kurzer Entfernung von dieſer Kirche befinden ſich Katakomben in einiger Tiefe unter der Erdoberfläche, zu denen eine Treppe und Gallerie führen. Dieſe, ſowie viele andere, nach den Seiten hin abgrenzenden Ver- tiefungen, die augenſcheinlich als Gräber gedient haben, – 135 – einige Vertiefungen für einen, andere für zwei Körper enthaltend. Eine ziemlich geräumige Halle wird in der Mitte durch einfach ornamentirte Säulen geſtützt, und in der Mitte derſelben befinden ſich zwei runde, etwa drei Fuß im Durchmeſſer haltende Blöcke, deren Oberfläche mit einem erhabenen Rand eingefaßt iſt. Man vermuthet, daß hier die Körper vor der Beſtattung abgewaſchen wurden. Eine andere, gleichfalls ziemlich geräumige Halle ſcheint zu Zeiten als Capelle gedient zu haben, an einem Ende findet man die Ueberreſte eines altarähnlichen Blockes. Es läßt ſich nicht urtheilen, wie weit dieſe Katakomben ſich ausdehnen, denn viele der Seitengalle- rien ſind erweitert, andere vermauert worden. Andere ähnliche unterirdiſche Gemächer finden ſich noch in der Umgebung der Stadt und viele davon hat man wieder vermauert. Eins derſelben von den Ein- geborenen Abbatia genannt, im Diſtrict Bir Shieba ge- legen, befindet ſich etwa eine Viertelmeile von der Stadt- mauer, und man gelangt durch eine Oeffnung eines Brunnens in dasſelbe, wo in einer Tiefe von 15 Fuß eine Oeffnung, die früher mit einer Thür geſchloſſen zu ſein ſcheint. Hier iſt gleichfalls ein großes Gemach von etwa 20 Fuß Länge und 15 Fuß breit, in deſſen Mitte ſich ein ähnlicher Block, wie die früher beſchriebenen be- findet. Mehrere Grabmäler befinden ſich an den Wän- den, und am Ende des Gemachs befindet ſich die fol- gende ſehr verwitterte und theilweis zerſtörte Inſchrift: – 136 – Not N ITO BIXITINPAC PACEMANIST ACV ATIO POSITAE INHO CAOCO RECOR Vom Dach der Kathedrale hat man eine weite Ueberſicht über die Inſel. Die teraſſenförmige Anlage der Felder erlaubt dem Auge kaum etwas anderes als Mauern und Steine zu erblicken, denn ſelbſt wenn die Felder grünen, ſind ſie hinter den Scheidewänden ver- borgen, ebenſo zeigen die niedrigen Orangen, Myrthen, Oliven, Feigen oder Cactusſträucher kaum ihre Spitzen über denſelben. Noch nie habe ich ein Land geſehen, das ſo ſehr ausſieht, als ſei es in der Karlsbader Sprudel- quelle incruſtirt worden. Dicht an der Kathedrale befindet ſich der Palaſt des Biſchofs, nebſt dem theologiſchen Seminar. Am Tage meines Beſuches wurde das Madonnenfeſt begangen, die Kirchen waren feſtlich geſchmückt, die Stadt am Abend illuminirt, und auf der Esplanade brannte man ein Feuerwerk ab. Eine fröhliche Menge hatte ſich daſelbſt verſammelt oder langte aus der Umgegend an. Die Inſtrumentalmuſik beſtand aus Tambourins, ver- ſchiedenen Guitarren oder Zithern mit zwei, drei oder vier Seiten und dem aus der Haut eines Hundes, Schweines oder einer Ziege gebildeten Dudelſack mit – 137 – einer einzigen Pfeife. Die Geſänge wurden theils Solo, theils in Chören ausgeführt, die ſich manchmal gegen- ſeitig antworteten. In der Sprache machten ſich außer- ordentlich viel Gutturaltöne hörbar, an die Beimiſchung des Arabiſchen erinnernd; in der That hat die arabiſche Sprache mehr Beiträge zu dem gegenwärtigen Dialect geliefert, als die italieniſche, und in einigen Diſtricten ſoll ſie ſogar ziemlich unverwiſcht geblieben ſein. Auf der benachbarten Inſel Gozo in Caſa Gharba, wird ein Dialect geſprochen, den man Braick nennt, und der in anderen Theilen der Inſel, ſowie in Malta nicht ver- ſtanden wird; ich habe nicht Gelegenheit gehabt, den- ſelben zu hören, doch ſoll derſelbe nicht dem Hebräiſchen gleichen, das hier auch Braick genannt wird. Die ſüdliche Küſte Malta's enthält viele intereſſante Punkte, die die Mühe einer kleinen Excurſion reichlich belohnen. In weſtlicher Richtung unweit Citta Notabile, befindet ſich ein kleines Thal Emtahleb genannt, das durch die umgebenden Hügel vor den rauhen Winden geſchützt und von einem kleinen Bach bewäſſert, das Auge durch ein friſches Grün und eine Ausſicht auf die See erlabt, während eine natürliche Grotte mit einer Quelle friſchen klaren Waſſers einen willkommenen kühlen Ruhepunkt bildet, der oft zu Pic-nic Partieen benutzt wird. Eine andere ſehr beliebte Gegend iſt Boſchetto, zwei Miles ſüdlich von Citta Notabile. Ein tiefes weites Thal iſt zum Theil mit Gartenanlagen ausgefüllt, die künſtlich – 138 – bewäſſert, inmitten der öden Steinwüſte von einer üppigen Vegetation bedeckt ſind. Eine geräumige künſtliche Grotte, gleichfalls eine Quelle vorzüglichen Waſſers enthaltend, iſt mit einem ſteinernen Tiſch und Bänken verſehen und wird gleichfalls oft zu kleinen fêtes champêtres benutzt. Auf dem Hügel über dem Garten, Monte Verdale benannt, befindet ſich ein vom Großmeiſter gleichen Namens er- bauter Palaſt, und ein wenig weiter ſüdlich auf einem Hügel, von dem man eine liebliche Ausſicht auf das Thal hat, ſteht der zweite Palaſt, der früher vom Inquiſitor zum Sommeraufenthalt benutzt ward. Von einer Quelle im nahen Thale wird dieſer Diſtrict Ain-il Kbira benannt, Verfolgt man ſeinen Weg weiter nach Caſal Crendi, ſo ſtößt man unvermuthet inmitten einer ſteinigen öden Region auf einen Thalkeſſel von etwa 350 Fuß lang, 200 Fuß breit und 130 Fuß tief, einen Garten voll der verſchiedenartigſten Fruchtbäume enthaltend. Die beinahe ſenkrechten Felswände, denen entlang ein treppenartiger Pfad in die Tiefe führt, deuten darauf hin, daß dieſe Vertiefung durch eine bedeutende Convulſion der Erde erzeugt worden ſein muß, vielleicht das Einſtürzen einer unterirdiſchen Höhle („Macluba“ bedeutet umgeſtürzt), und unter den Eingeborenen lebt noch eine alte Sage, daß dieſer Ort früher eine Stadt enthielt, deren Einwohner durch ihr ſündhaftes Leben gleich jenen von Sodom und Gomorha den Zorn des Höchſten auf ſich herabgezogen und ihre Wohnungen das Schickſal der Zelte Dathan's – 139 – und Abiram's theilten. Ciantar erwähnt, daß hier vor Zeiten in einer verfallenen Ciſterne etwas Bitumen ge- funden ward, dies iſt jedoch gegenwärtig nicht mehr der Fall. Im Winter während der heftigen Regengüſſe bedeckt das Waſſer oft den Boden dieſes Keſſels bis an die Aeſte der Bäume und verläuft ſich im Frühjahr erſt allmählich durch die Ritzen der Felſen, dadurch die Fruchtbarkeit des Ortes erzeugend, die auf dieſem trockenen Felſen nur in ähnlichen Localitäten möglich iſt. In dieſer Gegend der ſüdlichen Küſte befinden ſich gleichfalls die früher erwähnten Höhlen von Ghar Haſſan, in denen ein Saracene dieſes Namens lange Zeit nach Vertreibung ſeiner Landsleute Zuflucht fand. Der Ein- gang zu denſelben befindet ſich auf halber Höhe einer faſt ſenkrechten Felswand gegen die See zu und etwa 200 F. über der Oberfläche des Waſſers. Man kann dieſelben nur durch mühſeliges, gefährliches Klettern von oben erreichen. Das Innere enthält mehrere Abtheilungen, die künſtlich er- weitert worden zu ſein ſcheinen, und eine gewundene Paſ- ſage führt zu einem innerſten Gemach, das ſich gegen die See zu öffnet, ohne wegen der ſteilen Felſen auf eine an- dere Weiſe zugänglich zu ſein. Der Name Haſſan's wird in einer in der Inſel gefundenen Inſchrift erwähnt, die Ciantar in ſeinem Malta Illuſt. Taf. XVII. anführt. In verſchiedenen Theilen der Inſel befinden ſich Ueberreſte cyclopiſcher Bauwerke, die wahrſcheinlich der früheſten Geſchichtsperiode dieſes Volkes angehören. Die – 140 – Grabdenkmäler in den Bergen von Bingienna, die mit den in der Umgegend von Tyrus und Sidon ſo häufig vorkommenden viel Aehnlichkeit haben, Torretal Giganty oder der Rieſenthurm auf der Inſel Gozo, ſowie Ruinen in St. Georges Bai und in Djebel el-Chem in der Nähe von Crendi hatten alle in der grauen Vorzeit ihren Urſprung. Letztere liegen im ſüdöſtlichen Theil der Inſel und da der amerikaniſche Conſul H. W. Winthrop meine Auf- merkſamkeit auf dieſelben lenkte, nahm ich Veranlaſſung, ſie zu beſuchen. Von Valetta aus führt eine ziemlich gute Straße über Caſſal Luca und Mikabba bis Crendi, von da läuft ein ſchmaler Fußſteig bis an ein kleines Wachthaus, und hier iſt man genöthigt, das Pferd zu- rückzulaſſen und zwiſchen dem mit Felsbrocken beſtreuten ſteilen Terrain ſeinen Weg zu Fuß fortzuſetzen. Die Ruinen auf der Spitze eines ſteilen Hügels gelegen, ziehen bald das Auge auf ſich, durch ihren Umfang, ihre bizarre Form und die Größe der Felsblöcke, aus denen ſie beſtehen. Die Situation derſelben dominirt die umliegenden Hügel. Da antiquariſche Forſchungen nicht den Zweck dieſer Reiſe bildeten, ſo fehlte es mir an Zeit und Gelegenheit, das nöthige Material zu ſammeln, das erforderlich iſt, um beſtimmte Schlüſſe zu ziehen, und ich mußte mich deshalb mit der bildlichen Darſtellung und Beſchreibung begnügen. Obſchon der Boden mit von den Wänden – 141 – herabgefallenen Steinbrocken bedeckt iſt, ſo fällt es nicht ſchwer, die Grundlinien der aus gewaltigen Steinplatten beſtehenden Gemäuer aufzufinden. Wie der beigefügte Grundplan zeigt, lagen die Gemächer in zwei parallelen - zza/. § - Ö § SS S - S S Reihen. Der jetzige Eingang iſt in A, der in ein ob- longes Gemach B von mäßiger Größe führt, in deſſen linker Ecke ſich eine Ciſterne befindet. An den beiden ſchmalen Seiten dieſes Gemaches befinden ſich zwei halb- runde Räume CC, von denen der nach Norden gelegene etwas größer iſt als der ſüdliche. Eine dem Eingange – 142 – gegenüberliegende Thür führt nach einer Halle D von gleicher Breite mit B und der doppelten Länge. In dieſer ſtehen drei ſteinerne Formen EEE, die entweder zu Tiſchen oder Altären gedient haben. Der mittlere derſelben iſt umgeſtürzt, vielleicht ſind auch die beiden anderen aus ihrer urſprünglichen Lage verrückt, denn keiner derſelben iſt an dem Fußboden befeſtigt. An der Nordſeite F iſt wiederum ein mit einem Halbkreis ge- ſchloſſenes Gemach, größer als die in CC, in dem einige Stufen zu einer in der Rundung gelegenen Plattform führen. Ein mit dieſem beinahe correſpondirender Raum G liegt auf der Südſeite auf derſelben Axe von Bund CC. Einige kleine Nebengemächer reihen ſich an das Ganze. Die äußeren Abgrenzungen des Monumentes verlieren ſich; wahrſcheinlich hat man das Material, aus dem dieſelben beſtanden, benutzt, um einige in der Nähe liegenden Felder und Weingärten einzufaſſen, denn die umherliegenden Felstrümmer eigenen ſich nicht wohl zu Bauzwecken, während das Mauerwerk aus gewaltigen Tafeln eines ſchönen feinkörnigen Tuffſteins beſteht. Einige der Querwände beſtehen aus einer einzigen großen Stein- platte. Die Oeffnung für die Thür aber iſt durch die Mitte der Platte geſchlagen. Man findet gleichfalls in dieſen Thüröffnungen Spuren von den Orten, wo ſich die Thürangeln und Riegel befunden haben, ob aber dieſe und ſelbſt die Thüröffnungen ebenſo alt ſind, als die ganze Structur, iſt ſchwer zu beſtimmen. Das weiche – 143 – Material macht es beinahe unmöglich, mit Genauigkeit darüber zu urtheilen, was für Veränderungen ſpätere Generationen vorgenommen haben mögen, wenn ſie ſich der vorhandenen Mauer zu anderen Zwecken bedienten. In der Thür H befinden ſich im Thürgewände fünf Löcher, die augenſcheinlich dazu dienten, um Stangen zu empfangen, die die Thür in horizontaler Lage gitterförmig ſchloſſen. Dieſe, der geringeren Verwitterung an den Rändern nach zu urtheilen, ſind neueren Urſprungs, ebenſo eine Säule I in dem kleinen Gemach, weſtlich von der Halle D, die zwei gewaltige, das Dach bildende Stein- platten ſtützt, denn ſie beſteht ausnahmsweiſe aus ver- ſchiedenen mauerartig aufeinanderliegenden Fragmenten, deren Bruchkanten noch ziemlich ſcharf ſind. Etwa drei- ßig Schritt gegen Nordweſten hin findet man Spuren einiger anderer Gemächer; dieſe, ſowie das Material der umgebenden neuen Feldmauern deuten darauf hin, daß der Umfang des Ganzen früher größer war, allein ſpäter zerſtört worden iſt. Ob das Ganze mit einem Dach ver- ſehen und auf welche Weiſe dasſelbe gebaut war, iſt faſt unmöglich mit Genauigkeit zu beſtimmen. Wie aus einigen noch ſtehenden Mauertheilen erſichtlich, waren die Mauern viel höher als jetzt, deshalb ſind keine Vertie- fungen ſichtbar, in denen ſich eine hölzerne Bedachung geſtützt haben würde, oder Lager, auf denen vielleicht Gewölbe gefußt hätten, eine einzige ſehr verwitterte Aus- höhlung iſt in dem großen Block, nahe der Thür H – 144 – bemerkbar, allein dieſe kann auch anderer Zwecke wegen angebracht worden ſein. Ebenſo ſchwer iſt es zu beſtimmen, zu welchem Zweck das Ganze diente, ob zur Gottesverehrung, ob zur Be- feſtigung, ob als Wohnſtätte für Menſchen. Möglicher- weiſe hat es allen dreien dieſer Beſtimmungen gedient. Es wäre wünſchenswerth, daß archäologiſche Geſell- ſchaften dieſe Monumente zum Gegenſtand näherer For- ſchungen machen wollten, um einiges Licht auf den Ur- ſprung und Zweck derſelben zu werfen, wenn nicht bereits viel beſſere Aufſchlüſſe darübere beſtehen, als mir bekannt ſind. Zieht man in Betracht, daß die Inſel Malta nur etwa ein Dritttheil der zu conſummirenden Proviſionen producirt, ſo ſind die Preiſe der Lebensbedürfniſſe billig zu nennen. Die Brod- und Hülſenfrüchte, Gemüſe, ſowie ein vortreffliches Obſt kommen zum großen Theil von Sicilien, während Schlachtvieh, ſowie Milchkühe, Ziegen und Schaafe, deren Milch viel zur Bereitung von Käſe benutzt wird, und Pferde aus den Barbareiſtaaten, beſon- ders aus Tripolis und Tunis, importirt werden. Weine aus Sicilien und beſonders Marſalla und ein etwas herber ölig aber angenehm ſchmeckender Rothwein ſind billig, etwa zwei bis drei Silbergroſchen die Flaſche. Arbeitslöhne ſind gleichfalls nicht hoch, für 1 bis 3 Schil- linge, 10–20 Sgr. kann man gewöhnliche Tagelöhner miethen, Bootführer erhalten pro Stunde six pence d. i. – 145 – 5 Sgr. für je zwei Mann. Reitpferde koſten 5 Schilling p. diem. (1 Thlr. 10 Sgr.) Kaleſchen etwa denſelben Preis und bedeckte Wagen mit zwei Pferden 8 Schilling. (2 Thlr. 10 Sgr.) Die niederen Klaſſen führen ein ſehr frugales Leben; ein Puddingsartiges den Maccaroni von Neapel nicht unähnliches Gericht aus Mehl, Waſſer und etwas Fett, große rothe Bohnen mit etwas Fett, ſelten ein Stück Fleiſch und zu Zeiten ein Glas jener billigen Weine bilden die ganze Speiſekarte, die keine große Ans- lagen erfordert. Viele der Handarbeiter leben mit ihren Familien auf dem Lande, wo ſie entweder kleine Hütten ſelbſt beſitzen oder für ein Billiges miethen. Während der Woche, wo die Männer in der Stadt ihrem Erwerb nachgehen, ſchlafen dieſelben, wie bereits erwähnt, im Gaſthof zum blauen Himmel. Die Kleidung macht gleich- falls keine großen Anſprüche auf die Börſe des Malteſer, ein grobes Hemd und eine dito Hoſe, eine gewirkte wol- lene Mütze in einen viereckigen, oft bis auf die Mitte des Rückens herabhängenden Sack endigend, der in der Regel dazu dient allerlei Kleinigkeiten, wie Taback, Pfeife, etwas Geld, ein Päckchen Karten, auch wohl einige Lebens- mittel darin aufzubewahren, und eine Schärpe um den Leib, die, wenn aus baumwollenen Stoff gemacht, terha, wenn aus Seide, bushacca genannt wird, bilden das Coſtüm der Männer, dem vielleicht bei Galla-Gelegenheiten eine ſeidene Weſte (sedria) hinzugefügt wird, die meiſt mehrere Reihen ſilberne Knöpfe, manchmal aus Münzen 10 – 146 – beſonders Viertel-Dollars beſtehend, enthält. Das Haar wird in der Regel kurz geſchoren mit Ausnahme zweier Locken, die an den Schläfen herabhängen. Schuhleder wird von beiderlei Geſchlechtern, nicht in ſehr hohem Grade patroniſirt, in den meiſten Fällen geht man baarfuß, wenn nicht etwa ein Dorfſtutzer ſich den Luxus eines Paares Sandalen erlaubt, die aus einem Stück ungegerbten Leders von der Form der Fußſohle mit vier Löchern, um zwei Riemen darin zu befeſtigen, beſteht. Als Illuſtration, wie wenig die Schuhmacher- rechnungen der geringen Klaſſen betragen mag, dient eine Anecdote, die man hier erzählt. Zwei Frauen aus einem Dorfe nach der Stadt gehend, legten ihren beſten Staat an. „Wie lange haben ſie ihre Schuhe ſchon Gevatterin“ fragte die Eine. „Seit der Zeit, wo wir die Peſt hatten“ (1813) lautete die Antwort. „Ach“ erwiederte die Erſte „die meinigen ſind viel älter, denn ich kaufte ſie während der Blockade der Franzoſen.“ Die Frauen von Malta könnten einen Fremden leicht zu dem Glauben verleiten, die ganze Inſel ſei von Nonnen bewohnt, denn ihre Kleidung ähnelt der der frommen Schweſtern ſehr. Ueber einem Leibchen von Seide oder Colico wird ein Rock von ſchwarzer Seide gebunden. Ein anderes Stück desſelben Stoffes wird an einem Ende in enge Falten gezogen, die ſich in der Mitte um ein dünnes Stückchen Fiſchbein reihen, das über der Stirn einen Halbkreis bildet. Das Ganze „Onnella“ benannt – 147 – wird über den Kopf getragen, der linke Arm ganz in das- ſelbe eingewickelt, während der rechte einen Zipfel des Tuches faßt und durch Verſchieben desſelben, Geſicht und Hals entweder frei läßt oder gänzlich verhüllt. Das Ganze ſieht ſehr nett aus, erfordert aber eine ziemliche Ge- wandheit, um es auf eine graciöſe Weiſe zu tragen, was jedoch die Malteſinnen ziemlich wohl verſtehen. Die Frauen der niederen Klaſſen und auf dem Lande tragen dasſelbe Coſtüm, nur ſubſtituiren ſie geſtreiften Baumwollenſtoff für die theuere Seide und nennen dann ihren Kopfputz tshatkawa. Bei feſtlichen Gelegenheiten, wie Hochzeiten, Kindtaufen 2c. trägt man noch ein anderes Kleidungsſtück gezuira genannt. Dies iſt ein aus blau und weiß ge- ſtreiften Baumwollenſtoff beſtehender, in dichten Falten gelegter Unterrock, an der einen Seite offen, wo er von einer Anzahl Bänder und Schleifen zuſammengehalten wird. Darunter trägt man einen anderen kürzeren Rock der „deil“ genannt wird. Die Onnella iſt jedenfalls ein Ueberreſt der orientaliſchen Tracht, und oft ſehr kleid- ſam. Leider ziehen viele Frauen der wohlhabenderen Klaſſe vor, die weniger graciöſen Moden von Paris und London nachzuahmen. VIII. Rück h | i ck über die Urſachen und den Beginn des Krieges der Amerikaner gegen Tripolis. Politiſche Verhältniſſe im Mittelländiſchen Meere am Beginn des Jahrhunderts. – Schwierigkeiten mit den Barbareiſtaaten. – Erſcheinen eines amerikaniſchen Geſchwaders in Gibraltar. – Blockade des Admirals von Tripolis. – Die Eſſex nimmt einen feindlichen Kreuzer. – Com- modore Dale ſchlägt eine Auswechſelung von Gefangenen vor. – Commo- dore Morris trifft mit einem neuen Geſchwader zur Ablöſung ein. – Fehlerhafte Ausrüſtung desſelben. – Gefecht der Conſtellation gegen feindliche Kanonenboote. – Hinderniſſe und Verzögerungen thätiger Ope- rationen. – Die John Adams nimmt die Meſhboha. – Commodore Morris treibt elf feindliche Kauffahrer in Alt-Tripolis ans Ufer. – Lieutenant Porter ſteckt dieſelben in Brand und wird verwundet. – Capitain Rodgers und Lieutenant Hull zerſtören einen feindlichen Kreuzer. – Commodore Morris wird zurückberufen. – Commodore Preble über- nimmt das Commando. – Capitain Bainbridge nimmt die Meſhboha und befreit die amerikaniſche Brigg Celia. – Commodore Preble ſtellt das gute Einvernehmen zwiſchen Marocco und den Vereinigten Staaten wieder her. Ehe wir uns dem Ziele meiner Reiſe in Tripolis nähern und den Schauplatz des Seekrieges der Amerikaner gegen die Piraten beſuchen, erſcheint es nöthig, die Ereigniſſe, die dieſem Kriege unmittelbar vorangingen und ihn herbei- führten in der Kürze zu erwähnen. Bald nachdem die Vereinigten Staaten von Nord- amerika ihre Unabhängigkeit erlangt hatten und als ſelbſtſtändiger Staatenverband anerkannt worden waren, ſchloſſen dieſelben mit allen Handeltreibenden Nationen Handelsverträge ab. Zu Ende des vergangenen Jahrhun- derts waren beinahe alle europäiſchen Nationen in Kriege gegen einander verwickelt, beſonders war das mittellän- diſche Meer faſt täglich Zeuge blutiger Kämpfe. Die ver- ſchiedenen Staaten von Marocco, Algier, Tunis und Tri- polis waren zu verſchiedenen Perioden durch die chriſtlichen Mächte vermittelſt kriegeriſcher Expeditionen ſowohl, als auch durch Beſtechung einzelner Machthaber endlich dahin gebracht, gegen Bezahlung eines gewiſſen Tributs ihre Feindſeligkeiten einzuſtellen. Dies Uebereinkommen war vielleicht zu keiner Zeit ſehr ſtreng beobachtet worden, und – 152 – da durch die oben erwähnten Zuſtände die moraliſchen Bande zwiſchen den verſchiedenen Nationen ſehr gelockert waren, ſo machten ſich die Piraten der Berberei dies zu Nutze, um den beſten Vortheil daraus zu ziehen. Der Abſchluß der Handelsverträge war, wie üblich, von Seiten der amerikaniſchen Staaten mit Geſchenken be- gleitet worden, die nach Verhältniß der Macht und des Einfluſſes der verſchiedenen Regierungen größer oder ge- ringer ausgefallen waren. Im Jahre 1800 war der Paſcha von Tripolis, Juſſuf Caramelli, durch ſeinen Bruder Hamet vom Throne geſtoßen worden, und dieſer letztere, unzufrieden damit, daß er weniger als die Uebrigen erhalten hatte, fing an, mit ziemlich unverſchämten Forderungen aufzu- treten. Mit den übrigen Staaten der Berberei fingen die Verhältniſſe gleichfalls an ſich zu verwickeln, Algier beſchwerte ſich, und der Kaiſer von Marocco, obſchon er noch nicht entſchieden auftrat, fing an ſchwierig zu werden. Zuletzt erklärte der Paſcha von Tripolis, daß, wenn man ihm innerhalb ſechs Monaten nicht eine be- deutende Summe auszahlte, er den Krieg erklären würde, und da man von dieſer Drohung keine Notiz nahm, ließ er am 14. Mai 1801 die vor dem Conſulat in Tripolis befindliche Flagge niederreißen und erklärte da- durch den Krieg. So ſchüchtern und zaghaft zu jener Zeit die Politik der jungen Republik gegen die Berbereiſtaaten war, und – 153 – ſo unwürdig die Haltung aller übrigen chriſtlichen Na- tionen gegen dieſelben, ſo ſträubte ſich dennoch der Na- tionalſtolz zu ſehr gegen ſolche unwürdige Behandlung, um ſich ohne Widerſtand zu unterwerfen, und noch ehe die Nachricht von dieſer letzten Beleidigung in Amerika anlangte, hatte man bereits beſchloſſen, ein Geſchwader gegen Tripolis auszurüſten. Das nach dem mittelländiſchen Meere zu entſendende Geſchwader beſtand aus folgenden Schiffen: der Prä- ſident 44, Capitain J. Barron; Philadelphia 38, Ca- pitain S. Barron; Eſſex 32, Capitain Bainbridge und Enterpriſe, 12 Kanonen, Lieutenant Sterrett. Den Ober- befehl über das Geſchwader führte Capitain Dale, der ſein Pennon auf der Fregatte Präſident hißte und von Hampton rouds, Virginien, wo ſich die Schiffe verſam- melt hatten, ſegelten ſie an den Ort ihrer Beſtimmung. Am 1. Juli ankerte das Geſchwader in Gibraltar, wo man den Admiral von Tripolis, einen Renegaten, Namens L'Isle, in einem Schiff von 26 Kanonen, be- gleitet von einer Brigg von 16 Kanonen vorfand. Das rechtzeitige Erſcheinen der amerikaniſchen Escadon ver- hinderte dieſe zwei Schiffe, in den atlantiſchen Ocean zu entkommen, wo ſie dem Handel des Landes empfind- liche Verluſte zugefügt haben möchten. Obſchon der Ad- miral den Kriegszuſtand in Frage ſtellte, ſo traute dennoch Commodore Dale dem Zuſtand der Dinge nicht, die Eſſex ward entlang der Nordküſte geſendet, um die ameri- – 154 – kaniſchen Handelsſchiffe zu verſammeln und zu convoyiren, die Philadelphia blieb in den Straßen von Gibraltar, um die beiden Tripolitaner zu beobachten, während der Präſident und die Enterpriſe nach Algier ſegelten, letzteres Schiff ward jedoch durch andere Ereigniſſe verhindert, das Flaggenſchiff bis zu dieſen Hafen zu begleiten. Das Erſcheinen eines ſolchen großen Schiffes in Al- gier und Tunis übte einen ſehr beruhigenden Einfluß auf die erregten Gemüther dieſer beiden Fürſten, und Mr. O'Brian, der amerikaniſche Conſul, verſicherte, daß das rechtzeitige Erſcheinen des Geſchwaders im mittel- ländiſchen Meere mehr dazu beigetragen habe, den Frieden aufrecht zu erhalten, als wenn der George Waſhington, ein Schiff, daß die Geſchenke überbringen ſollte, früher eingetroffen wäre. Am 1. Auguſt auf dem Wege nach Malta traf die Enterpriſe 12, Lieutenant Sterret, mit einem Pollacre- mäßig betakelten Schiffe aus Tripolis von 14 Kanonen und 80 Mann zuſammen, der den amerikaniſchen Kauf- fahrteifahrern nachſtellte; das Gefecht fvard auf Piſtolen- ſchußweite begonnen und dauerte drei Stunden, an deren Ende ſich der Türke ergab. Während des Kampfes ſtrich der Feind dreimal, be- gann aber ſein Feuer ſtets von Neuem, wenn er dachte die Amerikaner unvorbereitet zu finden. Irritirt über dieſe Hinterliſt begann die Enterpriſe ihr Feuer von Neuem, um den Feind zu ſenken, als der türkiſche Ca- – 155 – pitain ſich zeigte, ſeine Flagge in die See warf und ſich niederbeugend, durch Zeichen ſeine Unterwerfung andeutete, worauf das Feuer eingeſtellt ward. Der Name des erbeuteten Schiffes war Tripolis, der des Rais oder Befehlshabers Mahomed Sous. Obſchon die Türken Muth oder beſſer Deſperation zeigten, ſo machte dieſer erſte Kampf mit ihren trans- atlantiſchen Feinden ihnen doch wenig Ehre als geſchickte Seeleute. Die Enterpriſe beſtrich den Feind mehrmals der Länge nach, und das Reſultat zeigte die ſchrecklichen Folgen davon. Der Corſar war ein Wrack, funfzig ſeiner Leute getödtet und verwundet, während die Enterpriſe ſelbſt in Segeln und Maſten nur wenig beſchädigt war und keinen Mann verlor. - Da Lieutenant Sterret durch Inſtructionen verhindert war, die Priſe mit ſich zu nehmen, ſo begnügte er ſich, den Armament über Bord zu werfen, und nachdem die Verwundeten verbunden worden waren, ließ man das feindliche Schiff frei, das erſt nach geraumer Zeit Tri- polis erreichte. Dem unglücklichen Rais ward ein übler Empfang zu Theil, ſeine Wuuden ſchützten ihn nicht, er ward auf einem Eſel durch die Straßen paradirt, und erhielt die Baſtonade. Augenſcheinlich ſollte dieſe ſtrenge Strafe die übrigen Corſaren zu größerem Heldenmuthe aneifern, allein das Reſultat war ein ſehr verſchiedenes, denn unter den Seeleuten verbreitete ſich ein ſolcher paniſcher Schrecken, daß es ſchwer ward, genug Leute für die Kreuzer zu finden, die man damals ausrüſtete. Obſchon der Krieg drei Jahre währte und ſpäter ſehr animirt ward, wagten ſich doch wenig Corſaren während desſelben aus dem Hafen, oder wenn ſie es thaten, ſo waren ſie ſtets ſo vorſichtig, ſich nicht weit vom Lande zu wagen. Der Präſident erſchien am 24. Auguſt vor Tripolis, ein Verſuch, Verhandlungen anzuknüpfen, ſchlug fehl, und da während achtzehntägiger Blockade des Hafens keine beſondere Thätigkeit in demſelben wahrzunehmen war, ſo ſegelte Commodore Dale entlang der Küſte, dann aber nach Malta, um Waſſer einzunehmen. Zurückkehrend ward ein türkiſches Schiff aufgebracht, das die Blockade zu brechen beabſichtigte, und am Bord desſelben fand man zwanzig tripolitaniſche Soldaten nebſt einem Officier und zwanzig anderen Unterthanen des Paſchas. Durch Vermittelung des Herrn Niſſen, däniſchen Conſuls, eines Mannes, der während des Krieges durch ſein wohl- wollendes menſchenfreundliches Benehmen ſich hohe Ver- dienſte erwarb, verſuchte man, dieſe Gefangenen gegen Amerikaner auszuwechſeln, die an Bord von Kauffahrern den Türken in die Hände gefallen waren. Der Paſcha erklärte, daß er nicht einen Amerikaner gegen alle Sol- daten austauſchen wolle, zeigte ſich jedoch ſpäter bereit, für die Soldaten drei Amerikaner und ebenſo viel für acht der Kaufleute geben zu wollen. Die Uebrigen er- kannte er nicht als ſeine Unterthanen. Commodore Dale – 157 – drückte ſeinen Unwillen über dieſen unwürdigen Handel aus, nahm aber zuletzt die drei Amerikaner für die Sol- daten, während er die Kaufleute als Non-Combattanten frei ließ. - Später fand der Commodore es nöthig nach Gibraltar zu ſegeln und die Eſſex ſetzte die Blockade fort. In der Zwiſchenzeit waren die beiden Corſaren in Gibraltar, die zu eifrig bewacht wurden, um ein Ent- kommen möglich zu machen, abgetakelt, ihre Mannſchaften aber heimlich in Booten nach Tetuan übergeſetzt worden, um den Weg nach ihrer Heimath auf die beſtmöglichſte Weiſe ſortzuſetzen, und man hatte nur eben genug Leute zurückbehalten, um die Schiffe ſegeln zu können, ſollte ſich ſpäter Gelegenheit zum Entkommen finden. Der Paſcha beſchwerte ſich laut über dieſe Blockade und die Regierung von Tunis und Algier waren bereit, ihn darin zu unter- ſtützen, letztere ging ſelbſt ſo weit, Päſſe für die Mann- ſchaft zu verlangen, die jedoch verweigert wurden. Commodore Dale's Geſchwader ſollte am 1. December abgelöſt werden, deshalb ſegelte er in ſeinem Schiff und der Entrepriſe heim, ließ aber die Eſſex in den Straßen von Gibraltar zurück, um die Corſaren zu blockiren, wäh- rend die Philadelphia die Küſte von Tripolis bewachte, und von Zeit zu Zeit in Syracus, Sicilien, die nöthigen Vorräthe einnahm. Als der Präſident und die Enterpriſe in den Ver- einigten Staaten anlangten, und zugleich die, ſich nur – 158 – ein Jahr erſtreckende Dienſtzeit der Mannſchaft der beiden anderen im mittelländiſchen Meer zurückgebliebenen Schiffe ihrem Ende nahte, bereitete man ſich vor, ein anderes Geſchwader abzuſenden, die Dienſtzeit der Mannſchaften aber ward auf zwei Jahre feſtgeſtellt. Die folgenden Schiffe rüſteten ſich nun, um zur See zu gehen: Cheſapeake 38, Capitain Chauncey; Conſtellation 38, Capitain Murray; New-A)ork 36, Capitain James Barron; John Adams 28, Capitain Rodgers; Adams 28, Capitain Campbell und Enterpriſe 12, Lieutenant Sterret. Commodore Morris führte den Oberbefehl über dieſes Geſchwader, da aber nicht alle Schiffe zugleich mit ihrer Ausrüſtung fertig wurden, ſo ſegelten ſie zu verſchiedenen Perioden an den Ort ihrer Beſtimmung ab. Die Enterpriſe im Februar, die Conſtellation im März, die Cheſapeake im April, die Adams im Juni, die beiden letzten Schiffe aber erſt im September. Für eine kurze Zeit fand ſich noch die Boſton, Capitain Niel im mittelländiſchen Meer, der Mr. Robert R. Livingſton, als Geſandten nach Frankreich gebracht hatte. Der Officier, der dieſes Schiff befehligte, gefiel ſich in allerhand Excentricitäten, ſegelte von Hafen zu Hafen, ſeine Vorgeſetzten ſtets ſorgfältig vermeidend und gelegentlich Kauffahrteifahrer convoyirend. Nach der Rück- kehr in die Vereinigten Staaten trat dieſer Officier in den Ruheſtand. An Commodore Morris wurden vom Congreß die ausgedehnteſten Vollmachten ertheilt und Mr. Cathcart, – 159 – früher Conſul in Tripolis war ihm zu dieſem Zweck bei- geſellt worden. In Betracht jedoch, daß der Paſcha von Tripolis nur durch ſtrenge Blockade und Bombardements dahin gebracht werden konnte ſein hochmüthiges Benehmen etwas zu mildern, hatte man in der Ausrüſtung dieſes Geſchwaders mehrere weſentliche Irrthümer begangen. Keine der Fregatten hatte lange Kanonen größeren Ca- libers als 18 Pfund, ebenſo fehlte es an Bombarden für Mörſer. Man hatte zwar eine Menge ſchwerer Carronaden am Bord von mehreren der Schiffe, allein dieſe ließen ſich nicht mit Erfolg gegen Feſtungswerke verwenden, denen man ſich wegen der vielen davorliegenden Felſenriffe nur bis auf eine gewiſſe Entfernung nähern konnte. Gleicherweiſe wurde der Mangel an kleinen Schiffen bei der Blockade eines Hafens wie Tripolis ſehr fühlbar, denn mit Ausnahme der Enterpriſe waren alle übrigen Schiffe Fregatten. Später ſuchte man dieſen Uebelſtand durch den Bau verſchiedener leichter Schiffe abzuhelfen, allein dieſelben zu vollenden, erforderte geraume Zeit, und ſie konnten deshalb erſt zu einer viel ſpäteren Periode am Kriege Theil nehmen. Als die Enterpriſe und Conſtellation im Mai vor Tripolis anlangten, fanden ſie daſelbſt eine ſchwediſche Fregatte vor, die an der Blockade Theil nahm, denn Schweden hatte zu jener Zeit gleichfalls Schwierigkeiten mit dem Paſcha, die jedoch im Laufe des Sommers be- ſeitigt wurden. – 160 – Bald nach der Ankunft hatte eines Tages die Con- ſtellation 8–10 Miles von der Stadt beigelegt, als man in weſtlicher Richtung verſchiedene kleine Fahrzeuge be- merkte, die dicht an der Küſte ſegelnd den Hafen zu er- reichen ſuchten. Der Wind war leicht, die ſchwediſche Fre- gatte zu weit entfernt, um derſelben Signale zu machen, allein die Conſtellation ſetzte alle Segel und gegen Mittag erkannte man die Fremden als ſiebzehn Tripolitaner Ka- nonenboote, die aus der Stadt geſegelt waren, um eine amerikaniſche Priſe, die man in Tunis erwartete, zu con- voyiren. Als die Conſtellation ſich dem Lande näherte, friſchte der Wind etwas, und man begann zu hoffen, daß ſich Gelegenheit bieten würde den Feind ganz oder theil- weiſe abzuſchneiden. Die Kanonenboote waren in zwei Diviſionen abgetheilt, deren erſte, windwärts rudernd, entkam, die zweite jedoch, aus zehn Fahrzeugen beſtehend, war weniger glücklich, und es gelang der Conſtellation dieſelben während einiger Zeit unter ihr Feuer zu bringen, Der Wind wehte gerade von der Richtung her, in welcher die Stadt lag und die Tripolitaner ſuchten vor der Fregatte vorüber zu rudern, allein Capitain Murreh, der mittlerweile bis in zehn Faden Waſſer geſegelt war, eröffnete das Feuer; es gelang ihm, mit Ausnahme eines einzigen, alle Boote abzuſchneiden, und er zwang dieſelben, ihres Widerſtandes ungeachtet, hinter den Felſen der Küſte einen Zufluchtsort zu ſuchen, wohin die Fregatte nicht folgen konnte. Da mittlerweile auf den Sandhügeln – 161 – über denſelben zahlreiche Reiterſchaaren ſichtbar wurden, ſo ſchien es nicht rathſam die Boote gegen eine ſolche Ueber- macht zu entſenden, zumal der Schwede nicht zeitig genug eintreffen konnte, um an dem Gefecht Theil zu nehmen. Dies war die erſte Action, die während dieſes Krieges Angeſichts des Hafens ſtattfand; die Kanonenboote, ſo- wie die Reiter litten weſentlich, und man ſagte, daß unter letzteren ein Officier von hohem Rang, ein Ver- wandter des Paſcha's getödtet worden ſei, die genaue Anzahl der Getödteten und Verwundeten iſt jedoch nie genau bekannt geworden. Die Conſtellation war etwas in Sparren und Segeln beſchädigt, verlor aber keinen Mann, denn die Boote wurden ſo heftig verfolgt, daß ihr Feuer dadurch unſicher wurde. Die Batterien der Stadt eröffneten ihr Feuer gleichfalls, allein ihre Geſchütze konnten das Schiff nicht erreichen. Mangel an Waſſer nöthigte ſpäter Capitain Murray nach Malta zurückzuſegeln, und für kurze Zeit befand ſich wieder Tripolis ohne feindliche Streitmacht davor. Die Cheſapeake Capitain Chauncey, das Flaggenſchiff von Commodore Morris, langte am 20. Mai in Gibraltar an, wo ſie die Eſſex 32, Capitain Bainbridge vorfand, die immer noch die beiden im Hafen befindlichen Tripo- litaner blockirte. Dieſes letztere Schiff wurde heimgeſandt, und die Cheſapeake nahm ſeine Stelle ein, um ſowohl den Feind zu bewachen, als auch einigen Schaden in 11 – 162 – Maſten und Sparren, den dieſelben in einem Sturm erlitten, auszubeſſern. Da die Regierung Marocco's neuerdings wieder ſchwierig zu werden begann, ſo ergriff Commodore Morris gleich nach Ankunft der Adams 28, Capitain Campbell, Gelegenheit in Geſellſchaft der Enter- priſe ebenſowohl die Bewegungen des Feindes zu beob- achten, als auch verſchiedene Kauffahrer nach Häfen der Nordküſte zu convoyiren. Dieſe langen Verzögerungen, ehe alle Schiffe eingetroffen waren, machten es unmöglich vor Eintritt der ſtürmiſchen Jahreszeit etwas Entſchei- dendes zu unternehmen. Der Fehler lag aber mehr auf Seiten der Behörden, die die Ausrüſtungen daheim zu betreiben hatten, als auf Seiten des Commandanten des Geſchwaders, da die verſchiedenen Verzögerungen in Gi- braltar durch die Umſtände hervorgerufen wurden. Erſt im Januar 1803 trafen die Cheſapeake 38, New-A)ork 36, John Adams 28 und Enterpriſe 12, in Malta ein, von wo man am 30. Januar nach Tripolis ſegelte. Ein hef- tiger eilf Tage dauernder Sturm nöthigte das Geſchwader erſt in Tunis, dann in Algier Zuflucht zu ſuchen, und am 23. März ankerten alle Schiffe wiederum in Gibraltar. Als Grund, weshalb das Geſchwader anſtatt vor Tripolis zu erſcheinen, nach Gibraltar zurückkehrte, gab Commodore Morris die Schwierigkeit an, ſich die nöthigen Proviſionen zu verſchaffen, als auch die Nothwendigkeit, gewiſſe vom Navy-Departement befohlene Veränderungen vorzunehmen, und ſo kam es, daß am 3. Mai die John – 163 – Adams wieder vor Tripolis erſchien, wo ſie alsbald ein Schiff caperte, das ſich als die Meſhboha erwies, einer der Corſaren, die ſo lange in Gibraltar blockirt worden, ſpäter an den Sultan von Marocco verkauft, von ihm nach Tunis geſchickt und jetzt unter einem angenommenen Namen nach Tripolis entwiſchen wollte. Gegen Ende des Monats erſchien Commodore Morris, begleitet von der Adams und Enterpriſe. Als ſich das Flaggenſchiff der Küſte näherte, bemerkte man eine Anzahl kleiner Fahrzeuge, von einer Menge Kanonenboote con- voyirt, man machte ſogleich Jagd, trieb die Kanonenboote in die Stadt, während die elf Kauffahrer im Hafen von Alt-Tripolis Zuflucht ſuchten, wo dann der Feind Anſtalt machte, ſie zu vertheidigen. Ein großes ſteinernes Ge- bäude, auf einem Felſen nur 12 bis 15 Fuß vom Ufer gelegen, ward von einer ſtarken Truppenmacht beſetzt, man errichtete aus den Waizenſäcken, mit denen die Fe- luccas beladen waren, Bruſtwerke, die von den fort- während eintreffenden Verſtärkungen bemannt wurden, und die Schiffe ſelbſt brachte man auf dem Ufer in Sicherheit. Mr. Porter, der erſte Lieutenant des Flaggenſchiffes, erbot ſich, mit den Booten des Geſchwaders in der Nacht die feindlichen Boote zu zerſtören, allein der Com- modore, der ſeine Leute nicht in der Dunkelheit blosſtellen wollte, entſchied ſich dahin, daß Tagesanbruch abgewartet werden ſolle, wo die Schiffe am Gefecht Theil nehmen – 164 – und die Boote decken könnten. Nichtsdeſtoweniger und ungeachtet des heftigen Feuers der Türken recognoſcirte Mr. Porter noch in der Nacht die Stellung. Am nächſten Morgen fand der Bootsangriff unter Befehl von Lieutenant Porter und Lieut. James Lawrence von der Enterpriſe ſtatt; trotz der Uebermacht der Türken, die ſie mit heftigem Gewehrfeuer empfingen, landeten die Leute, ſteckten die feindlichen Schiffe in Brand und zogen ſich in beſter Ordnung zurück. Die beiden Parteien kamen ſich ſo nahe, daß die Türken Steine nach den Amerikanern ſchleuderten, von denen 12 bis 15 getödtet und verwundet wurden. Unter letzteren befand ſich Lieutenant Porter, der in beiden Schenkeln durch Flintenkugeln verwundet, nichtsdeſtoweniger bis zuletzt commandirte, Lieut. Lawrence ſowie Midſhipman John Downes von der New - A)ork zeichneten ſich gleichfalls ſehr aus. Commodore Morris verſuchte gleichfalls einen Angriff auf die Kanonenboote, gegen die Capitain Rodgers in der John Adams entſendet ward, der leichte Wind er- laubte dieſem nicht, ſeine Gegner bis hinter die Felſen zu verfolgen, die ſie mit Hülfe ihrer Ruder erreichten, und die Nacht machte dem Kampf ein Ende. Am nächſten Tage verſuchte Commodore Morris wiederum Verhandlungen anzuknüpfen, in Folge deren der Paſcha einen ſeiner Miniſter beauftragte, ſich mit Commodore Morris, der zu dieſem Zweck gelandet war, in Verbindung zu ſetzen. Jeder der beiden Bevollmäch- – 165 – tigten legte die Grundzüge eines Friedensvertrages vor; die aber ſo wenig übereinſtimmten, daß die Unterredung ein baldiges Ende fand. Am 10. Juni erhielt der Com- modore Nachricht über gewiſſe Bewegungen von Algeriner- und Tunis-Corſaren, die ihn veranlaßten, nach Malta zurückzukehren, von wo aus er an Capitain Rodgers in der Adams Befehl ſandte, die Blockade zu ſuspendiren und ſich ſo ſchleunig als möglich mit ihm zu vereinigen. Ehe aber dieſer Officier den Befehl ausführen konnte, gelang es ihm, dem Feinde einen erheblichen Verluſt beizufügen. - Eines Tages, ungefähr ſieben Uhr Morgens, ſignali- ſirte die dem Ufer nahe befindliche Enterpriſe, der John Adams: „Ein Feind in Sicht“, um acht Uhr, als beide Schiffe ſich auf Sprachweite genähert hatten, fand Ca- pitain Rodgers, daß ein großes dem Paſcha gehöriges Schiff in einer engen tiefen Bai etwa 15 Miles öſtlich von Tripolis geankert ſei, und eine zur Vertheidigung wohlgeeignete ſtarke Stellung einnahm. Zugleich bemerkte man neun Kanonenboote, vom Hafen aus ſich nähernd, während wie gewöhnlich eine ſtarke Reiterſchaar ſich längs der Küſte zeigte, um einem etwaigen Angriff der Boote Widerſtand zu leiſten. Das Schiff ergab ſich als der größte von des Paſchas übriggebliebenen Kreuzern, hatte 22 Kanonen und ſchien voller Leute zu ſein. Capitain Rodgers verdankte dieſe Gelegenheit, den Feind angreifen zu können, dem Muth und der Geſchick- – 166 – lichkeit Lieutenant Hull's, der jetzt die Enterpriſe com- mandirte. Bei Tagesanbruch hatte dieſer Officier den dreifach überlegenen Feind erblickt, und mit einer Ent- ſchloſſenheit, die ihm die größte Ehre machte, von der Stadt abgeſchnitten. Hätte letzterer beſchloſſen ihn anzu- greifen, ſo wäre vielleicht Lieutenant Hull genöthigt ge- weſen, ſein kleines Fahrzeug zu opfern, um den Feind zu hindern den Hafen zu erreichen. - Capitain Rodgers Dispoſitionen waren bald getroffen, er manövrirte, begleitet von der Enterpriſe, die landein- wärts einen Standpunkt genommen, bis ſich die John Adams in halber Kanonenſchußweite vom Feinde befand, eine ſcharfe Kanonade begann, die 45 Minuten währte, worauf die Corſaren ihr Schiff plötzlich in ſo großer Eile verließen, daß viele über Bord ſprangen, um das Ufer ſchwimmend zu erreichen. Da die John Adams ſich jetzt in weniger als fünf Faden Waſſer befand, ſo wendete ſie ſich wieder ſeewärts, die Enterpriſe ward ſignaliſirt, die Feinde am Ufer in Schach zu halten, und man bereitete ſich vor, Boote zu bemannen, um Beſitz von der Priſe zu nehmen; als plötzlich ein Boot nach dem Corſaren zurückkehrte, begann die John Adams wieder ihr Feuer, wenige Mi- nuten ſpäter ſtrich der Corſar die Flagge, alle ſeine Ka- nonen, ſowohl die ſeewärts als die dem Ufer zugekehrten entluden ſich, und im nächſten Augenblick flog er in die Luft. Die Exploſion riß den Rumpf des Tripolitaners in – 167 – Stücke, der große und Beſanmaſt mit den Raaen und allem Tauwerk wurden hoch in die Luft geſchleudert. Man würde glauben müſſen, daß das Schiff ge- fliſſentlich in die Luft geſprengt worden ſei, hätte man das Boot, das zuletzt an Bord ging, wieder ans Ufer zurückkehren ſehen, allein es iſt auch möglich, daß das Schiff zufällig Feuer fing, die Mannſchaft, die ſich erſt in wilder Flucht zu retten ſuchte, zurückkehrte, in ihren Verſuchen das Feuer zu löſchen aber durch die Exploſion verhindert ward. Jedenfalls erlitt der Feind bei dieſer Gelegenheit einen empfindlichen Verluſt. Beide Schiffe verſuchten nun die Kanonenboote ab- zuſchneiden, das ſeichte Waſſer aber, vereint mit des Feindes genauer Bekanntſchaft mit der Küſte vereitelten dieſes Vorhaben, und die Boote entkamen. Commodore Morris ward bald darauf zurückberufen und da die Rechenſchaft, die er über ſein Commando ab- legte, nicht zufriedenſtellend ſchien, ſo ward er vor ein Kriegsgericht geſtellt, deſſen Ausſpruch dahin lautete, daß er während der Dauer ſeines Commandos nicht genügende Thätigkeit in Verfolgung des Krieges gezeigt habe, und deshalb entließ ihn der Präſident aus dem Dienſt. Dieſe Entlaſſung ward vielfach gemißbilligt, denn ſicherlich lag die Urſache davon, daß der Krieg auf ſo flaue Weiſe verfolgt ward noch in einer anderen Richtung. Man bemühte ſich jedoch aus den Vorgängen einigen Nutzen zu ziehen. Das neue Geſchwader, das man jetzt – 168 – nach dem mittelländiſchen Meere abſchickte, beſtand aus Schiffen, die beſſer geeignet waren den gewünſchten Zweck zu erfüllen; nämlich Conſtitution 44, Philadelphia 38, Argus 16, Siren 16, Nantilus 12, Vixen 12 und Enter- priſe 12, über die Commodore Preble den Befehl führte. Das letzte Schiff des Geſchwaders langte jedoch erſt am 13. November in Gibraltar an. Die Philadelphia kaum in Gibraltar angelangt, erhielt Nachricht, daß zwei Tripolitaner am Cap de Gatt kreuzten, und Capitain Bainbridge, ohne Zeit zu verlieren, ſuchte dieſelben auf. In der Nacht des 26. Auguſt entdeckte man in der Nähe des Cap zwei Segel, deren größtes, ein Dreimaſter, nur ein Vorſegel führte. Capitain Bainbridge erfuhr, daß dies die Meſhboha 22, ein dem Sultan von Marocco gehöriges Schiff, unter Befehl von Ibrahim Lubarez war und 125 Mann am Bord hatte. Da die Mauren die Philadelphia für ein engliſches Schiff hielten, ſo geſtanden ſie, daß das zweite Schiff eine amerikaniſche Brigg ſei. Capitain Bainbridge's Argwohn ward dadurch rege, er ſendete einen Officier an Bord der Meſhboha, der ſich mit Gewalt Zutritt verſchaffen mußte, und man erfuhr, daß es die Brigg Celia von Boſton ſei, die neun Tage vorher gecapert war, und deren Capitain und Mann- ſchaft ſich gefangen am Bord befanden. Es erlitt keinen Zweifel, daß die Mauren auf andere amerikaniſche Schiffe lauerten, denn der ganze Handel an der Nordküſte des mittelländiſchen Meeres führt am Cap de Gatt vorüber. – 169 – Es kam jetzt darauf an, herauszufinden auf weſſen Befehl die Brigg gecapert worden war. Der Befehlshaber der Mauren ſagte, er habe dieſen Schritt in Erwartung eines baldigen Krieges gethan, da als er Marocco ver- ließ eine gefahrdrohende Spannung zwiſchen dem Kaiſer und dem amerikaniſchen Conſul exiſtirte. Allein man ſchenkte dieſer unwahrſcheinlichen Erzählung keinen Glau- ben, und um die Wahrheit zu entdecken, drohte Capitain Bainbridge ſeinen Gefangenen als Piraten hängen zu laſſen, wenn er nicht die Commiſſion vorzeige, unter der er ſegle. Dies hatte die gewünſchte Wirkung und Ibrahim Lubarez zeigte einen Befehl des Gouverneur von Tangier vor, alle Amerikaner deren er habhaft werden könne auf- zubringen. Sobald Commodore Preble hiervon unterrichtet ward, fand er es nöthig dieſe Frage mit Marocco zu erledigen, ehe er weitere Operationen begann, und ſegelte deshalb am 6. October 1803, mit der Conſtitution 44, New-Y)ork 36, John Adams 28, Nantilus 12, in die Bai von Tangiers. In einer Unterredung mit dem Kaiſer zeigte dieſer Officier jene Umſicht, Entſchloſſenheit und Vorſicht, durch die er ſich ſpäter in ſo hohem Grade auszeichnete; es gelang ihm das gute Einverſtändniß zwiſchen beiden Län- dern wiederherzuſtellen, indem der Kaiſer das Verfahren des Gouverneurs von Tangier's desavouirte, ein ameri- kaniſches Schiff, das in Mogadore angehalten worden, – 170 – wieder herausgab, und dafür ſeine eigenen Schiffe wieder zurückerhielt. Dieſe Schwierigkeit beſeitigt, konnte ſich jetzt Commodore Preble mit aller Energie und Vorſicht den Vorbereitungen ſeines Feldzuges gegen Tripolis widmen, und am geeigneten Ort werden wir ihn dort wieder- finden. IX. Die Paſſage nach Tripolis. Die Gloria Carmeli. – Die Mannſchaft. – Die Paſſagiere. – Die Verpflegung. – Die Abreiſe. – Windſtille. – Günſtiger Wind. – Ankunft. – Das Riff von Tripolis. – Die Philadelphia jagt einen feindlichen Kreuzer. – Geräth auf ein Riff. – Anſtrengungen, das Schiff flott zu machen. – Erſcheinen feindlicher Kanonenboote. – Erfolgloſer Widerſtand. – Das Streichen der Flagge unvermeidlich. – Barbariſche Behandlung der Gefangenen. – Menſchenfreundlichkeit des däniſchen Conſuls. Nachdem die Geduldsprobe eines langen Wartens auf das Segeln des Schiffes glücklich überſtanden, ſteuerte dann endlich eines ſchönen Morgens die „Gloria Carmeli“ ſo hieß das Fahrzeug, das „Cäſar und ſein Glück“ tragen ſollte, zum Hafen von Valetta hinaus. Beſagte Gloria war ein Schooner mit Querſegeln am Vordermaſt von 60 Tonnen, der unter günſtigen Umſtänden, d. h. bei einem mäßigen Sturm und vor dem Winde etwa 5–6 Knoten zu ſegeln im Stande war. Der Kiel war nicht mit Kupfer beſchlagen, da hingegen hatte eine ziemlich zahlreiche Co- lonie Barnackels und Muſcheln ihren Wohnſitz daſelbſt aufgeſchlagen, die dem Schiffsrumpf das Ausſehen einer alten Kleiderbürſte gaben, die einen gefährlichen Anfall der Blattern überſtanden hat. Dies erhöhte natürlich die Segelqualität des Schiffes nicht, und gewährte den Vor- theil bei Seitenwinden für jeden Fuß vorwärts zwei Fuß leewärts zu treiben. Die Cajüte im Hintertheil enthielt einen Schreibtiſch für den Capitain und ein Bett, war aber ſo heiß und ſchmutzig, daß es ein unerträglicher Aufenthaltsort war, auf dem Deck war im Stern ein – 174 – Kaſten ſechs Fuß lang und vier Fuß breit, den beiden Steuerleuten zum Aufenthalt dienend, angebracht, die Küche hinter dem Vormaſt gelegen war vier Fuß in jeder Richtung; brannte das Feuer auf dem Herde, ſo mußte der Koch hinausgehen und ſeine culinariſchen Operationen durch die offene Thür vornehmen. Der Capitain, ein Malteſe, ſprach etwas engliſch, verſtand durch den Sextanten zu entdecken, wann die Sonne am höchſten ſtand, folglich Mittag war, und konnte innerhalb 50 Miles den Ort beſtimmen, wo ſich das Schiff befand. Chronometer, Formgläſer c. waren nicht für nöthig erachtet, eine Taſchenuhr im Compaßhäuschen aufgehangen genügte, ſtatt des Tagebuches diente die Ca- jütenthür, auf der mit Kreide die nöthigen Bemerkungen eingetragen wurden. Der Mann am Steuer hatte ein kleines Brett darauf eine Windroſe mit einem kleinen Loch am Ende jedes Punktes des Compaſſes, um mittelſt eines Holzpflöckchens den Cours, den man ſteuern ſollte, zu markiren. Darüber waren drei Reihen von je acht Löcher gebohrt, die acht halben Stunden der drei Wachen bedeutend, die jedesmal wiederum durch ein eingeſtecktes Pflöckchen angezeigt wurden. Statt der Glocke um die Stunden anzuſchlagen diente eine hölzerne Klapper. Die Mannſchaft beſtand nebſt Capitain und den zwei Steuerleuten aus acht Matroſen und einem Jungen, theils Malteſern, Sicilianern, Griechen und Tripolita- nern, die alle Manöver mit vielem Geſchrei und Lärmen / – 175 – ausführten und ungefähr ſoviel Arbeit verrichteten, als zwei gute Seeleute. Die Paſſagiere waren eine ältliche Dame aus Kopen- hagen, die ihrem Sohn, Quarantainearzt in Tripolis folgte, Herrn Aquilina, brittiſchen Vice-Conſul in Derne mit ſeinem Sohn und zwei jungen Söhnen von Mrs. D. aus Tripolis, die die Ferienzeit ihres Gymnaſiums in Malta, bei ihrer Familie in Tripolis zubringen wollten. Die kleine Cajüte ward natürlicherweiſe der Dame über- laſſen, die männlichen Paſſagiere blieben auf dem Verdeck und bereiteten ihre Betten in dem großen Boot auf dem Gipfel einer in demſelben aufgehäuften Ladung Stühle, unter einem Zelt aus Segeltuch. Die Küche beſtand aus den gewöhnlichen Ingredienzen, aus denen die Küſten- bewohner des mittelländiſchen Meeres ihre Nahrung be- reiten, Bohnen, Reis mit etwas ranzigem Oel gekocht, Salat aus Tomatoes und Zwiebeln mit einigen ranzigen Oliven, und das ſchlechte lauwarme Waſſer vermiſchte man mit etwas billigem Wein. Dieſer letztere lag in einem Faß auf dem Verdeck, bei jeder Mahlzeit tauchte der Koch ein langes Rohr in das Spundloch, ſaugte das- ſelbe voll und ließ dann den herausgezogenen Wein in einen Krug. Natürlicherweiſe konnte er nicht immer die nöthige Saugkraft ſo genau berechnen, deshalb befand er ſich den größten Theil des Tages in einem Zuſtand, der verrieth, daß er mehr als ſeinen Antheil an der Wein- ration genoſſen. Da ich glücklicherweiſe meine eigenen – 176 – Proviſionen mit mir führte und die in Blechbüchſen ver- ſchloſſenen Speiſen auf einer Spirituslampe wärmte, ſo war ich dieſer unangenehmen Koſt nicht ausgeſetzt. Die leichte Süd-Oſt-Brieſe, die uns am Morgen be- gleitete und mit deren Hülfe wir die Weſtſpitze von Malta zu doubliren hofften, verließ uns etwa um zehn Uhr des Vormittags, ehe wir die Paſſage zwiſchen der Inſel Gozo und Malta erreicht hatten, ſprang nach einiger Zeit gegen Norden um und mit Ausnahme weniger Puffs, die uns ſtoßweiſe und in langen Zwiſchenräumen, über die ganze Strecke, die wir ſeit dem Morgen zurückgelegt, zurück- trieben, hatten wir Windſtille. In einem kleinen unbe- quemen Fahrzeug, unter einer heißen Sonne, während zweier Tage, Angeſichts des Hafens, den man ſoeben ver- laſſen hat, zu verweilen, und nichts zu ſehen, als in der Ferne die weißen Häuſer und röthlichen Felder von Va- letta, rings umher Waſſer, Luft und Schiffe ſo bewegungs- los, als ſeien es „gemalte Schiffe auf gemaltem Waſſer“ iſt jedenfalls eine Geduldsprobe, und dabei rollte das miſerable Fahrzeug ſo erbärmlich, daß man weder ſchrei- ben, noch leſen, ja ſelbſt kaum denken konnte, und nichts übrig blieb, als ſich auf den Rücken zu legen und die flaggenden Segel über ſich zu beobachten, denn ſelbſt zu ſchlafen war in der Hitze unmöglich. Deshalb ward der am Abend des zweiten Tages aufſpringende Nordwind mit Freuden begrüßt; zwei Tage mehr verliefen in großer Unbehaglichkeit, nur in etwas gemildert, durch das Bewußt- – 177 – ſein dem Ziel der Reiſe, wenn auch langſam ſich zu nä- hern, wenn am Abend des vierten Tages lange noch ehe das Land in Sicht kam, unſer furchtſamer Capitain für die Nacht beilegte. Wie zu erwarten ſtand, trat in der Nacht wiederum Windſtille ein, und erſt um zehn Uhr Morgens brachte uns eine öſtliche Brieſe der Küſte ſo nahe, daß wir Gegenſtände am Ufer unterſcheiden konnten. Dieſes letztere bot wenig Beachtenswerthes, zuerſt ein Strich röthlichen Sandes, am Rande des Waſſers zeit- weilig von einer Gruppe ſchwärzlicher Felſen unterbrochen, dann folgt ein ſich lang hindehnender Palmenhain, einige Tauſend Schritt breit, aus dem hie und da ein weißes Gebäude hervorblickt, dann gegen Südoſten hin die rothe heiße grenzenloſe Sandwüſte, und nach Süden und Süd- weſten hin in der Ferne eine Gebirgskette, Ausläufer des Atlas. Wir machten das Land weſtlich von Cap Tajura, alſo nur 15 Miles von der Stadt, auf die wir los- geſegelt waren, die öſtliche Brieſe war leicht, und mit den ausgezeichneten Segelqualitäten der Gloria Carmeli konnten wir hoffen, dieſe Strecke im günſtigen Fall vor Sonnenuntergang zurückzulegen, wären wir aber durch eine Windſtille verzögert worden, ſo hätte ſich vielleicht unſer Capitain wiederum bewogen befunden, für die Nacht beizulegen, oder wären wir angekommen, nachdem das Waſſerthor verſchloſſen worden, was bei Sonnen- untergang geſchieht, ſo hätten wir die Nacht am Bord s 12 – 178 – zubringen müſſen. Es war uns jedoch kein ſo ſchlimmes Loos beſchieden, wir ankerten in guter Zeit, die Quaran- taineformalitäten waren bald vollzogen, und die nächſte halbe Stunde fand die Gloria Carmeli verlaſſen von Allen, die ſie übers Meer gebracht, mit Ausnahme des zweiten Steuermannes und des weißen arabiſchen Hundes Clipp, erſterer ſchlafend, letzterer auf dem Dach der Küche liegend, Wache haltend gegen innere und äußere Feinde. Jedenfalls ein zuverläſſiger Wächter, der ein Vorurtheil hatte gegen Leute, die auf Kiſten hinaufkletterten, wie die Waden des alten Herrn Aquilina erwieſen, dem er des Abends den Zugang in ſein Bett auf hartnäckige Weiſe ſtreitig gemacht hatte. Vom Cap Tajura aus, entlang der Küſte nach Tri- polis ſegelnd, kann man während mehrerer Miles ein Riff bemerken, das ſich in geringer Entfernung vom Lande hinzieht, an einigen Stellen von 10 bis 15 Faden Waſſer bedeckt iſt, an anderen ſich bis wenige Fuß von der Oberfläche erhebt, zuletzt aber in einer Reihe von Felſen am Eingange des Hafens endet. Dieſes Riff gewährt einen gewiſſen Schutz gegen eine ſtürmiſche See und würde mit Hülfe einiger Steindämme, die die Zwiſchen- räume zwiſchen den einzelnen Felſengruppen ausfüllen, den Hafen nach der Seeſeite zu mit einem vortrefflichen Bollwerk umgeben; ſelbſt in dem gegenwärtigen unvoll- kommenen Zuſtande bildete es während des Krieges eine militäriſche Vertheidigungslinie gegen die Angriffe der – 179 – Amerikaner, die durch eine Reihe der heldenmüthigſten Kämpfe ewig denkwürdig gemacht wurde. Der Theil des Riffes, in deſſen Nähe wir das Land machten, war Zeuge und Urſache eines Unglücksfalles, der den Verluſt der Fregatte Philadelphia zur Folge hatte, und der, wären die Officiere und Mannſchaften der amerikaniſchen Streit- macht von weniger entſchloſſenem Muth beſeelt geweſen, noch viel verderblichere Nachtheile herbeigeführt haben würde. Kurze Zeit nachdem Commodore Preble das Com- mando des Geſchwaders übernommen, ſahen wir, wie bereits erwähnt, die Fregatte Philadelphia den marocca- niſchen Corſaren Meſhboha in der Nähe vom Cap de Gatt nehmen, ſpäter aber, begleitet vom Schooner Vixen 12, Lieutenant Smith, nahm die Fregatte die Blockade von Tripolis auf, letzteres Schiff ward bald darauf zur Ver- folgung eines feindlichen Kreuzers abgeſendet, der, wie Capitain Bainbridge durch ein neutrales Fahrzeug benach- richtigt wurde, Gelegenheit gefunden hatte, zur See zu entkommen, und deshalb blieb die Fregatte allein zurück. Gegen das Ende des October hatten fortwährende weſtliche Winde die Philadelphia auf einige Entfernung öſtlich von der Stadt getrieben, und Montag den 31. Oc- tober als ſie mit einer guten Brieſe wieder nach ihrer Station hinabſegelte, gewahrte man um etwa 9 Uhr des Morgens ein Segel windwärts, das nahe der Küſte den Hafen zu gewinnen ſuchte. Die Jagd ward ſogleich be- – 180 – gonnen und ſich in genügender Nähe wähnend, eröffnete Capitain Bainbridge das Feuer in der Hoffnung den Feind zu verkrüppeln und ſo am Entkommen zu ver- hindern; die Jagd wie das Feuer hatten eine Stunde gewährt, das Senkblei, das man fortwährend im Gange erhalten, zeigte aber noch ſtets eine Tiefe von ſieben bis zehn Faden und das Schiff näherte ſich der Küſte oder entfernte ſich von derſelben, je nachdem es die Umſtände erheiſchten. Um 11 Uhr war das etwa eine Stunde ent- fernte Tripolis voll in Sicht und die Unmöglichkeit er- kennend, das feindliche Segel abzuſchneiden oder aufs Ufer zu drängen, die Verfolgung aufgebend, befahl Ca- pitain Bainbridge den Helm ſcharf Laarboard zu legen, um tiefes Waſſer zu gewinnen; beim nächſten Werfen des Senkbleis fand man nur acht Faden, gleich darauf ſieben und ſechs und ein halb, während das Schiff mit einem Seitenwind acht Knoten ſegelte. Sobald der Ruf „halb und ſechs“ ertönte ward der Helm ſcharf nieder- gedrückt und die Raaen gewendet, allein während das Schiff ſchnell in den Wind fiel und ehe noch ſeine Ge- ſchwindigkeit vermindert ward, rann dasſelbe plötzlich auf ein Riff, auf das es hinaufgedrängt ward bis es fünf bis ſechs Fuß gehoben war. Dies war ein verzweifelt unglücklicher Zufall an einer feindlichen Küſte zu dieſer Jahreszeit und mit keinem anderen Kreuzer in der Nähe. Während das tiefſte Waſſer ſeewärts lag, verſuchte man zuerſt das Schiff über das – 181 – Riff hinweg zu forciren, allein man fand bald, daß der Stoß ſo heftig geweſen war, um dasſelbe ſeiner ganzen Länge nach auf den Felſen zu heben, unter dem Vorder- theil, wo das Schiff 18 Fuß Waſſer brauchte, ſtand es nur in 14 Fuß Waſſer, während am Stern ſtatt 20 Fuß nur 18 Fuß ſich vorfanden. Dies ließ ſich nur durch den Umſtand erklären, daß das Riff an dieſer Stelle ſehr allmählich anſtieg, ſeine Oberfläche durch das fortwährende - Waſchen der See glatt geworden, das Schiff aber von einer jener langen faſt unmerklichen Wogen, die fort- während die See bewegen, auf das Riff emporgehoben worden war. Das von der Philadelphia verfolgte Fahrzeug war eine große Schebecke, deren Befehlshaber, genau mit der Küſte bekannt auf der inneren Seite des Riffs hinſegelnd, Tripolis in Sicherheit erreichte, allein durch das Feuern herbeigezogen, erſchienen jetzt neun Kanonenboote, und - deshalb war kein Augenblick zu verlieren, denn bald konnte es dieſen möglich werden die Fregatte ungeſtraft anzu- greifen. Da man näher dem Ufer tieferes Waſſer fand, ſo wurden die Raaen rückwärts gebraßt und die Kanonen nach dem Stern gebracht, hoffend ſo das Schiff von den Felſen loszumachen, und da dies das beſte Mittel ſchien, ſich aus der unangenehmen Lage zu befreien, ſo dauerte es geraume Zeit, bis man den Verſuch als vergeblich aufgab. Nach einer Berathung mit ſeinen Officieren befahl Capitain Bainbridge die Kanonen über Board zu werfen, – 182 – mit Ausnahme einiger weniger, die man zur Vertheidi- gung aufbewahrte, gleichermaßen wurden die Anker ge- kappt, ehe dies jedoch bewerkſtelligt werden konnte, hatte ſich der Feind bis auf Kanonenſchußweite genähert und eröffnete ſein Feuer. Glücklicherweiſe erkannten die Tri- politaner nicht ſogleich die verzweifelte Lage der Phila- delphia und es war möglich ſie mittels der wenigen übrig gebliebenen Kanonen in ehrerbietiger Ferne zu halten, ſonſt möchten ſie wohl erheblichen Schaden zugefügt haben, denn ſo lange die geringſte Hoffnung blieb, das Schiff flott zu machen, dachte Niemand daran ſich zu ergeben. Dieſe durch die Entfernung unwirkſam gemachte Kanonade, ſowie die Bemühungen die Fregatte flott zu machen, währ- ten mehrere Stunden, bis zuletzt der Feind Muth faßte unter dem Stern zu paſſiren, von wo aus allein gefeuert werden konnte, und eine Stellung am Steuerboard oder Wetterquartier einzunehmen, wo es unmöglich war ihnen beizukommen, da das Schiff ſich ſo nahe nach Laarboard geneigt, daß es unmöglich war die Kanonen der Breitſeite zu benutzen. Nach einer zweiten Berathung mit ſeinen Officieren, befahl Capitain Bainbridge das Waſſer auszupumpen, alle ſchweren Gegenſtände wurden über Board geworfen, der Vormaſt gekappt, der einen Theil des großen Maſtes mit über Board riß, allein nichtsdeſtoweniger blieb das Schiff ſo unverrückt feſt, als die Felſen, auf denen es lag. Da die Kanonenboote jetzt kühner wurden, andere von – 183 – der Stadt her herbeieilten, die Nacht aber nicht mehr fern war, ſo erkannte Capitain Bainbridge die traurige Noth- wendigkeit ſich zu ergeben, um ſeine Mannſchaft vor einem fruchtloſen Tode zu bewahren, ehe dies jedoch geſchah ward das Magazin unter Waſſer geſetzt, Löcher in dem Boden gebohrt, die Pumpen unbrauchbar gemacht, kurz Alles gethan, um das Schiff vollkommen zum Wrack zu machen. Ungefähr um fünf Uhr ward die Flagge geſtrichen, und kaum war dies geſchehen, ſo kamen die Kanonen- boote herbei, die Türken ergriffen vom Schiff Beſitz und begannen ihre Feinde zu plündern. Man beraubte die Amerikaner nicht nur der Kleider, die ſie in Bündel zu- ſammengerafft, ſondern viele der Officiere und Matroſen wurden halb nackt in Boote getrieben und nach Tripolis geſandt, wo ſelbſt unterwegs noch die Plünderung fort- geſetzt ward. Die Officiere fuhren hierbei nicht beſſer, als die Mannſchaft, Capitain Bainbridge ward ſeiner Epau- letten, Handſchuhe, Uhr und ſeines Geldes beraubt, ſein Halstuch wurde ihm abgeriſſen und als man ein Miniatur- portrait ſeiner Frau wahrnahm, das er um den Hals trug, ſuchte man ihm auch dieſes zu entreißen, allein der junge zärtlich liebende Gatte leiſtete ſo energiſchen Wider- ſtand, daß man davon abſtand. Gegen 10 Uhr des Abends langten die Boote in der Stadt an, man landete die Gefangenen in der Nähe vom Schloß des Paſcha's, der ſie im Audienzzimmer in – 184 – großem Staat, umgeben von ſeinem Divan, empfing. Mit Hülfe des Miniſters der auswärtigen Angelegen- heiten, Mohamed D'Ghins, der franzöſiſch ſprach, unter- hielt ſich der Paſcha mit Capitain Bainbridge und ſeinen Officieren, richtete verſchiedene Fragen über die Phila- delphia, die Stärke der Amerikaner im mittelländiſchen Meere an dieſelben, und tröſtete ſie über ihre Gefangen- ſchaft, als einen Zufall, wie ihn das Kriegsglück mit ſich brächte. Als dieſe Unterhaltung beendet war, geleitete man die Officiere in ein anderes Gemach, wo eine Mahlzeit für ſie bereitet war, und als diejenigen von ihnen, die unter dieſen Umſtänden noch Appetit verſpürten, gegeſſen hatten, kehrte man zur Audienzhalle zurück, um Abſchied vom Paſcha zu nehmen. Mohamed D'Ghins, deſſen Obhut die Gefangenen anvertraut worden waren, führte dieſelben nach dem Hauſe, das früher das amerikaniſche Conſulat geweſen, ein Gebäude, das, obſchon geräumig und bequem, dennoch ohne Meubel und andere Bequem- lichkeiten war. Mittlerweile war ein Uhr des Morgens herangekommen, allein ungeachtet dieſer vorgerückten Zeit der Nacht erſchien Herr Niſſen, der däniſche Conſul, der Troſt und Hoffnung mit ſich brachte. Sidi Moha- med D'Ghins ſtellte dieſen edlen wohlwollenden Mann als ſeinen perſönlichen Freund vor. Seine offene leut- ſelige Weiſe flößte vom erſten Augenblick an ein unbe- dingtes Vertrauen in ſeine Ehre und Humanität ein, – 185 – und Herr Niſſen bemühte ſich ſofort, alles für die Ver- pflegung der Gefangenen zu thun, was die Umſtände geſtatteten. Dies war jedoch nur der Anfang einer Reihe von Kundgebungen der unermüdlichſten unveränderlichſten Güte, die bis zum Ende der Gefangenſchaft der Ameri- kaner dauerte. Dieſer Verluſt der Philadelphia veränderte die Kriegs- zuſtände weſentlich. Bisher hatte der Paſcha wenig gehabt, um ſich für die Unannehmlichkeiten einer Blockade, ſowie für den Verluſt ſeiner Kreuzer ſchadlos zu halten, wenig Kauffahrteiſchiffe waren gecapert worden, und die Stadt war täglich der Gefahr eines Bombardements ausgeſetzt. Jetzt waren mit einem Male 315 Gefangene in ſeine Hände gerathen, unter denen 22 Officiere, für deren Wohlfahrt man ohne Zweifel in Amerika ein hohes In- tereſſe fühlte. Unter dieſen Umſtänden faßte der Divan von Tripolis neuen Muth den Krieg fortzuſetzen, denn nicht nur erwartete man ein bedeutendes Löſegeld für die Gefangenen, ſondern hoffte auch, das Beſorgniß für das Schickſal derſelben die Energie der ferneren Maßregeln ſchwächen würde. X. Eine glorreiche Waffenthat. Die Lage von Tripolis. – Das Wrack der Philadelphia. – Die Türken machen die Fregatte flott und bringen ſie in den Hafen. – Com- modore Preble erſcheint vor Tripolis. – Lieutenant Decatur nimmt eine Priſe. – Sein Plan, die Philadelphia zu zerſtören. – Freiwillige für das Unternehmen. – Ein Sturm verzögert dasſelbe. – Lieutenant De- catur's Anordnungen. – Man nähert ſich dem Feind. – Befehl zum Entern. – Erfolgreicher Angriff. – Die Fregatte in Feuer. – Sieg- reicher Rückzug. In dem Grade, in welchem man ſich der Stadt nähert, wird es möglich, ſich über die Lage derſelben zu ver- gewiſſern. Tripolis liegt am Ende einer Bai, welche nach der Seeſeite hin durch das oft erwähnte Riff ein- geſchloſſen wird. Da, wo die Felſengruppen ſich an eine ſchmale Landzunge reihen, beginnt eine Reihe von Feſtungs- werken und Batterien, die ſich an die Stadtmauern an- ſchließen. Letztere bilden ein längliches Viereck, in welchem auf einem ſanft anſteigenden Hügel die Stadt eingeſchloſſen iſt, nach der Seeſeite zu ſind die Mauern durch die ſteilen Felſenklippen, auf denen ſie erbaut, bedeutend verſtärkt, und hier bildet die Citadelle auf dem höchſten Punkt des Hügels in der Ecke der Mauer gelegen, den Schlüſſel der Stellung. Die zwei Seiten des Viereckes nach dem Lande zu ſind durch einen Graben vor denſelben gedeckt, an dem Punkt aber, wo die dritte Seite ſich dem Ufer nähert, befindet ſich das Schloß des Paſcha's, das nach vorſündfluthlichen Begriffen von Kriegskunſt, als eine ſehr ſtarke Feſtung betrachtet werden konnte. In der langen Mauer, die die Stadt nach dem Hafen hin um- – 190 – giebt, befindet ſich ein einziges Thor; ein anderes iſt in der Landſeite in der Nähe des Palaſtes des Paſcha's. Beide werden mit Sonnenuntergang geſchloſſen, und für etwa eine Stunde länger bleiben zwei kleine Ausfalls- pforten im Schloß offen, die ſodann auch verſchloſſen und bis Sonnenaufgang nicht mehr geöffnet werden. Nächſt dem Schloſſe des Paſcha's erſtreckt ſich eine etwa eine Mile lange und ebenſo breite ſandige Ebene, jenſeits derſelben zieht ſich ein Palmenhain bis nach Cap Tajura, und zwiſchen dieſen Bäumen wechſeln Gärten, Häuſer, Felder mit Pflanzungen von Olivenbäumen in maleriſcher Weiſe. Rudert man bei ruhigem Waſſer über die Bai, und gelangt in die Nähe eines runden Thurmes, nahe dem Ende der Befeſtigungen nach der Seeſeite hin, ſo kann man auf dem Sandboden eine Anzahl ſich kreuzender ſchwarzer Linien wahrnehmen, an deren Ende nach der See zu ein Fregattenanker ganz dicht mit kleinen Muſcheln bedeckt, ſichtbar iſt. Dieſe Streifen ſind das Geripp der Philadelphia, von dem die leichteren Planken abgefault ſind, der Ort ſelbſt aber bildet den Schauplatz eines der heldenmüthigſten, kühnſten Unternehmen des ganzen Krieges. Die Philadelphia ward, wie früher bemerkt, am 31. October auf dem Riff verloren, die Mannſchaft aber am Abend desſelben Tages gelandet. Am nächſten Morgen begannen die Tripolitaner Anſtalt zu machen, das Schiff – 191 – womöglich in den Hafen zu bringen, und da ſie dem- ſelben ſo nahe waren, viele Kanonenboote und Galeeren zur Verfügung hatten, und kein feindlicher Kreuzer ſie be- läſtigte, ſo glaubte man die Fregatte retten zu können. Am 2. November ſtellte ſich ein heftiger Wind aus dem Nordweſten ein, der das Waſſer nach der afrikaniſchen Küſte hintrieb, und gegen das Steuerboardquartor der Fregatte drückend, den Stern derſelben in ein tieferes Waſſer brachte, wo ſie durch Auswerfen von Ankern und mit Hülfe aller Mannſchaft aus der Stadt flott gemacht wurde. Mittels Hülfe der Pumpen und durch das Ver- ſtopfen der Lecke ward das Schiff am 5. November in den Hafen gebracht, denn man hatte in der Eile nur Löcher in den Boden gebohrt, ſtatt die Planken aufzu- reißen, wie der Befehl lautete. Das ruhige Wetter der folgenden Tage machte es den Türken möglich, nicht nur alle zur Fregatte gehörigen Anker und Kanonen aufzu- fiſchen, ſondern beinahe auch aller anderen über Bord geworfenen Gegenſtände habhaft zu werden, das Schiff nothdürftig zu repariren, zu bewaffnen und an dem oben beſchriebenen Punkt zu ankern. Als Commodore Preble am 21. November in Malta eintraf, erhielt er die erſte Nachricht von dem Unglück, das Capitain Bainbridge getroffen, er traf ſogleich die nöthigen Dispoſitionen für das Geſchwader und ſegelte, nachdem alle Vorbereitungen getroffen, am 17. December, begleitet von der Enterpriſe 12, Lieutenant Decatur, nach – 192 – Tripolis. Letztere nahm am 23ſten eine Priſe. Dies war ein Brigg-Schooner mit 74 Mann, der früher ein franzöſiſches Kanonenboot, in Egypten von den Engländern genommen worden, und zuletzt in den Beſitz der Tripoli- taner gelangt war. Zur Zeit war ſie auf dem Wege nach Conſtantinopel, eine Anzahl von Sklavinnen dem Sultan zum Geſchenk zu überbringen. Einige Tage ſpäter trat einer jener im Winter ſo häufigen Nordſtürme ein, und nöthigte die Escadon, nach Syracus zurückzukehren, jedoch nicht eher, als bis Com- modore Preble den Feind recognoſcirt und Pläne für den weiteren Feldzug gefaßt hatte. In der Zwiſchenzeit hatte Capitain Bainbridge Mittel gefunden, an den Commodore zu ſchreiben, und in einem Briefe vom 5. December 1803 deutete er auf die Möglich- keit hin, die Philadelphia, die man ausrüſtete zur See zu gehen, zu zerſtören. Commodore Preble, dem dieſer Plan ausführbar ſchien, erwähnte denſelben in Gegenwart Lieutenant Decatur's, und da das Unternehmen juſt dem Unternehmungsgeiſt dieſes feurigen jungen Officiers zuſagte, die genommene Priſe aber die Mittel zur Ausführung bot, ſo ward der Brigg-Schooner unter dem Namen „Intrepid“ bewaffnet und bemannt. Als Lieutenant Stewart von der Siren der bald darauf eintraf, von dem Unternehmen hörte, wünſchte er als älterer Officier dasſelbe zu leiten, allein da Lieutenant Decatur bereits das Verſprechen des Com- – 193 – madores erhalten hatte, ſo konnte Lieutenant Stewart nur Erlaubniß erhalten, mit ſeinem Schiffe den Intrepid zu begleiten, um nöthigenfalls den Rückzug zu decken. Als Lieutenant Decatur der Mannſchaft der Enter- priſe ſeinen Plan mittheilte, waren Alle bereit, ihn als Freiwillige zu begleiten, und man ſah ſich genöthigt, 62 der tüchtigſten Leute auszuwählen, während die Uebrigen befehligt von einigen Officieren in ihrem Schiffe zurück- blieben. Die Ordres beſtimmten ausdrücklich, daß kein Verſuch gemacht werden ſollte, die Fregatte aus dem Hafen zu bugſiren, ſie war in Brand zu ſtecken, deshalb brachte man ſogleich die nöthigen Zündſtoffe an Bord des Intrepid, der noch am ſelben Abend unter Convoi der Siren 16, Lieutenant Stewart, ſegelte. Dieſer letztere Officier hätte ſeiner Seniorität halber das Commando führen ſollen, allein unter obwaltenden Umſtänden war es Lieutenant Decatur geſtattet worden, die unmittelbare Ausführung des Planes nach eigenem Gutdünken zu leiten, und es befanden ſich deshalb unter ſeinem un- mittelbaren Commando: Lieutenant Lawrence, Bainbridge und Thorn, Midſhipman Thomas, Mc. Donough und Dr. Heerman, nebſt 62 Unterofficieren und Matroſen, was nebſt den Midſhipman Jeard, Morris, Laws, Davis und Rowe von der Conſtitution, was mit Einſchluß des Lootſen Salvador Catalano die Zahl auf 74 Seelen brachte. Eine ſo ſtarke Bemannung für ein Fahrzeug von 13 – 194 – weniger als 50 Tonnen machte den Aufenthalt eines Jeden natürlich nichts weniger als angenehm, überdies fand man bald, daß das am Bord befindliche geſalzene Fleiſch verdorben war, folglich wenig mehr, denn Brod und Waſſer, als Subſiſtenzmittel übrig blieben. Am Abend des 9ten befanden ſich beide Schiffe auf der Höhe von Tripolis, ein plötzlich losbrechender Sturm jedoch vereitelte das Unternehmen für dieſe Nacht, mit den größten Anſtrengungen gelang es Midſhipman Morris und den Lootſen, die in einem Boot den Hafeneingang recognoscirt hatten, wieder an Bord zu nehmen; die Schiffe begannen die Anker zu ſchleppen, die das Intre- pid zerbrachen, und in der Siren war man genöthigt, nach mehreren vergeblichen Verſuchen dieſelben zu lichten, ſie zu kappen. Glücklicherweiſe kam der Sturm von Weſten, es gelang die hohe See zu gewinnen, allein ſpäter ſprang der Wind nach Norden um und beide Schiffe wurden in den Golf von Sydria getrieben; erſt am 16ten gegen Mittag gelang es, die Höhe von Tripolis wieder zu ge- winnen. - - Wind und Wetter waren diesmal günſtig und Lieute- nant Decatur begann nun ſeine Anſtalten für einen nächt- lichen Angriff zu treffen. Da man möglicherweiſe vom Feinde entdeckt ſein konnte, ſo ſendete Lieutenant Stewart ein Boot unter Befehl von Midſhipman Anderſon an Board, was die Geſammtzahl der Bemannung auf 82 brachte; der Intrepid aber ſegelte nun in großer Ent- – 195 – fernung vor der Siren, damit man am Ufer nicht arg- wohnen möge, daß beide Schiffe zu einander gehörten. Die Anordnungen Lieutenant Decatur's waren ein- fach und ſachgemäß. Bis auf ein verabredetes Zeichen ſollten ſich Alle ruhig und bewegungslos verhalten, dann plötzlich entern, ein Deck nach dem anderen beſetzen und ſich in folgender Ordnung über das Schiff vertheilen: Mr. Decatur, unterſtützt von Mr. Rowe und 15 Mann, wollte das obere Deck halten, Mr. Lawrence mit Mr. Laws, Mc. Donough und 10 Mann ſollte ſich in die Batterie und die Vorrathskammer nach vorn begeben und ſie in Brand ſtecken, Mr. Bainbridge mit Mr. Davis und 10 Mann dasſelbe in der Cajüte thun, Mr. Morris und 8 Mann die Zündſtoffe in den unteren Raum und die hinteren Vorrathskammern bringen, während Mr. Thorn mit dem Geſchützmeiſter, dem Arzt und 13 Mann den Intrepid bewachen, Mr. Izard aber im großen Boot und Mr. Anderſon im Kutter der Siren ſollten ſich aller feind- lichen Boote bemächtigen und verhindern, daß irgend Jemand ans Ufer entwiſche. Sobald dieſer Befehl aus- geführt, ſollten auch die Mannſchaften der Boote entern, Schußwaffen ſollten nur im äußerſten Fall gebraucht werden, das Feldgeſchrei aber war Philadelphia. Als der Intrepid ſich der Stadt näherte, ward die Fregatte ſichtbar; ſie lag hinter dem Felſenriff unter den Kanonen der Hafenbatterien, ihr Vormaſt, der als ſie ſtrandete, gekappt worden, war noch nicht wieder erſetzt, – 196 – ihre Topmaſten waren geſtrichen, die Raaen lagen auf der Schanzkleidung, das ſtehende Tauwerk war jedoch in Ordnung, ſowie die Geſchütze in der Batterie, und wie man ſpäter fand, geladen. Da Lieutenant Decatur erſt nach Eintritt der Dunkelheit angreifen wollte, gleichwohl aber durch das Einziehen von Segeln Argwohn zu er- regen fürchtete, ſo ließ er Eimer, Lukengitter und andere Gegenſtände an Seilen nachſchleppen, um ſo die Ge- ſchwindigkeit des Schiffes zu vermindern, als jedoch ſpäter der Wind ſich allmählich legte, ſo wurden dieſelben als überflüſſig wieder eingezogen. Das Wetter war ungewöhnlich mild für die Jahres- zeit. Ungefähr 10 Uhr des Abends langte der Intrepid am öſtlichen Eingang des Hafens, an der Paſſage zwiſchen den Felſen und einer Sandbank, an. Der Wind war öſtlich und man ſteuerte direct nach der Fregatte; die Sichel des Neumondes glänzte über den weißen Häuſern der Stadt, und als die kühnen Abenteurer ſich ſo langſam dem Feinde näherten, ſchien es, daß ringsum Alle in ungeſtörter Sicherheit ſchlummerten. Während der näch- ſten Stunde trieb das Schiff vor der beinahe unmerk- lichen Brieſe dahin, bis die Bewegung zuletzt kaum be- merkbar war. Die meiſten Officiere und Matroſen lagen auf dem Verdeck hinter den Bollwerken, oder von Waſſerfäſſern oder anderen Gegenſtänden, wie ſie auf einem Schiffe vorkommen, verdeckt, und zehn oder zwölf zeigten ſich, – 197 – denn da im mittelländiſchen Meere die meiſten Schiffe ſtark bemannt ſind, ſo erregte dieſe Anzahl keinen Arg- wohn. Lieutenant Decatur ſtand neben dem Lootſen, Mr. Catalano, der zugleich als Dolmetſcher diente, der Mann am Helm ward angewieſen nach dem Bugſprit der Fregatte zu ſteuern, denn man gedachte das Schiff an dieſem Punkt zu entern, da man ſo dem feindlichen Feuer am wenigſten ausgeſetzt war. - Die Amerikaner befanden ſich noch beträchtlich ent- fernt, als ſie von der Fregatte angerufen wurden. Der Lootſe antwortete, daß das Schiff aus Malta komme, um zu handeln, in dem letzten Sturme beinahe zu Grund gegangen ſei und ſeinen Anker verloren habe, deshalb um Erlaubniß bitte, während der Nacht an der Fregatte feſt machen zu dürfen. Dieſe Unterhaltung dauerte geraume Zeit, denn Lieutenant Decatur wies dem Lootſen an, mit einem Bericht über die Ladung des Fahrzeuges die Mann- ſchaft der Philadelphia zu unterhalten; der Intrepid nä- herte ſich in der Zwiſchenzeit und man erwartete bereits im Laufe der nächſten Minute zu boarden, als ſich plötzlich der Wind wendete, wodurch der Schooner von ſeinem Cours abfiel und in einer Entfernung von fünfzig Schritt und dem Feuer der ganzen Laarboard Batterie ausgeſetzt, langſam gegen den Stern hintrieb. Das Glück ſchien jedoch dem Unternehmen hold zu ſein, denn obſchon mehrere von der Mannſchaft der Fre- gatte über die Schanzkleidung lugten, ſo waren ſie doch – 198 – ſo vollkommen über den Charakter des Ankömmlings getäuſcht, daß ſie ein Boot mit einem Tau abſchickten. In der Zwiſchenzeit hatten die Amerikaner gleichfalls ein Boot mit einem Tau nach der Fregatte abgeſchickt, zurück- kehrend begegneten ſie dem der Türken und nahmen das Tau, das dieſelben brachten, an Bord ihres eigenen Schiffes, wo die Enden beider in die Hände der auf dem Deck liegenden Matroſen gegeben und von dieſen langſam angezogen wurden. Kaum jedoch hatte man ſich den Türken genügend genähert, daß jene die Anker ſehen konnten, als ſie ungehalten darüber, getäuſcht worden zu ſein, das fremde Segel zurückwieſen und ſich daran machten die Taue, an denen dasſelbe hing, zu kappen. Alles dies geſchah in weniger Zeit, wie erforderlich iſt, um es zu erzählen, als plötzlich der Ruf: Americanos erſchallte. Mit einem ſchnellen Ruck brachte man beide Fahrzeuge an einander und jeder ſtand zu dem entſcheidenden Sprung bereit; allein noch verrieth kein Laut die Gegenwart ſo vieler Leute, der Befehl, ſich ruhig zu verhalten, ward ſtreng befolgt und bis zum letzten Augenblick ſtörte nicht die geringſte Uebereiluug die glückliche Ausführung des Planes. Endlich war der entſcheidende Augenblick gekommen, Lieutenant Decatur ſtand bereit, den verhängnißvollen Sprung zu wagen, M. M. Laws und Morris an ſeiner Seite. Sobald er ſich nahe genug glaubte, ſprang er nach dem ſtehenden Tauwerk des Vormaſtes, und ſo an D: – 199 – der Seite des Schiffes hängend, gab er den Befehl zum Entern. Alsbald waren die beiden Midſhipman neben ihm, während die übrigen Officiere und Matroſen folgten. Lieutenant Decatur und Mr. Morris ſprangen nun nach dem Bollwerk über ihnen, während Mr. Laws durch eine Geſchützpforte einzudringen verſuchte; ohne Zweifel wäre letzterem die Ehre zu Theil geworden, der Erſte auf dem feindlichen Verdecke zu ſein, hätten ſich nicht die Kolben der Piſtolen, die er im Gürtel trug, in ein loſe über Bord hängendes Tau verwickelt. Lieutenant Decatur ſtrauchelte im Sprunge, und deshalb ſtand Mr. Charles Morris zuerſt auf dem Verdecke der Philadelphia. Im nächſten Augenblick waren Mr. Decatur und Mr. Laws an ſeiner Seite, während von allen Seiten Köpfe und Arme ſich durch die Geſchützpforten und über das Bollwerk drängten. Die Ueberraſchung des Feindes ſchien der Schnellig- keit und Wuth des Angriffes gleich zu kommen, die meiſten Türken drängten ſich in das Vordertheil des Schiffes und in dem Grade, wie ihre Gegner über die Laarboard- Seite kamen, flüchteten ſie ſich nach der Steuerboard-Seite. Die Wenigen, die Widerſtand verſuchten, wurden alsbald geworfen, und zahlreiche Sprünge ins Waſſer gaben Zeugniß, daß ſich die Zahl der Feinde jeden Augenblick verringerte. In der Batterie fand man etwas mehr Widerſtand, der jedoch auch bald glücklich überwunden ward, und in weniger als zehn Minuten ſtand Lieutenant – 200 – Decatur auf dem Quaterdeck im vollen unbeſtrittenen Beſitz der Priſe. Ohne Zweifel fühlte dieſer brave Officier jetzt tiefes Bedauern, daß es ihm nicht möglich ſei, das Schiff zu retten, das er auf ſo muthige und entſchloſſene Weiſe wieder erobert hatte, allein nicht nur waren in dieſer Beziehung ſeine Inſtructionen ſehr entſchiedener Natur, ſondern die Fregatte hatte weder Segel noch Raaen an gehöriger Stelle, und der Vormaſt fehlte gänzlich, es war deshalb unmöglich davon zu ſegeln, und man brachte ohne Zeit zu verlieren die Zündſtoffe herbei. Das Verbrennen der Priſe wurde mit derſelben Ord- nung und Schnelligkeit ausgeführt, wie der Angriff. Die Officiere mit ihren Mannſchaften vertheilten ſich nach den ertheilten Inſtructionen, jede Abtheilung agirte für ſich ſelbſt und in dem Maße, wie ſie bereit war. In der That wurden alle Anordnungen ſo ſchnell ausgeführt, daß, als die Abtheilungen mit den Zündſtoffen kaum den Schiffs- raum erreicht hatten, die Feuer ſchon über ihren Häup- tern brannten, und nachdem ſie ihren Theil des Dienſtes vollbracht, gelang es ihnen nur mit Schwierigkeit, durch Rauch und Feuer das Quartordeck zu erreichen. Die Amerikaner verweilten 20 bis 25 Minuten im Schiff, und wurden zuletzt durch die Flammen aus dem- ſelben vertrieben. Die Zündſtoffe waren ſo zweckmäßig vertheilt, das Holz und Tauwerk waren ſo trocken ge- worden, daß Alles wie Zunder brannte. Als die Ab- – 201 – theilungen aus dem Schiffsraum das Deck erreichten, fanden ſie die meiſten ihrer Kameraden bereits am Bord der Intrepid, und als ſie denſelben ohne Verzug gefolgt waren, ward der Befehl gegeben, die Taue, die beide Schiffe aneinander hielten, zu kappen. Jetzt nahete ſich ein Augenblick der größten Gefahr, denn als man eben das vordere Tau gekappt und der Schooner mit flappenden Segeln ſich nach dem Stern zu ſchwang, drangen die Flammen bereits aus den Ge- ſchützpforten hervor und leckten durch die Cajütenfenſter, unter denen die ganze Ammunition des Schooners, nur mit einem Stück getheerter Leinewand bedeckt, lag. Es gelang nicht gleich, das andere Tau zu kappen, und das Feuer ziſchte am Tauwerk empor wie Raketen. Da keine Axt vorhanden war, brauchte man Säbel; es gelang, den Schooner frei zu machen, und ein kräftiger Stoß entfernte denſelben aus der gefährlichen Nachbarſchaft. Jetzt griff man zu den Rudern, deren der Schooner auf jeder Seite acht hatte, und bald gelang es mit Hülfe einer leichten Brieſe, das Fahrzeug zu bewegen. Bisher war Alles eilig und in tiefſter Stille vollbracht worden, allein kaum ſah man Alles vollbracht, als die geſammte Mannſchaft ſich erhob und den Sieg mit drei Hurrah's begrüßte. Das ſchien die Türken aus dem Schlafe zu wecken, denn kaum hatte der Ruf geendet, als die Batte- rien der Stadt, des Hafens, das Caſtell, die Corſaren und die Kanonenboote im Hafen ihr Feuer eröffneten. – 202 – Das Schauſpiel, das nun folgte, ward von Augen- zeugen als erhaben und herrlich geſchildert. Die ganze Bai war von der Feuersbrunſt tageshell erleuchtet, der Geſchützdonner rollte ununterbrochen und ganz Tripolis ward in Aufruhr. Das Schiff, jetzt ein Feuermeer, zeigte ſein Profil in den Linien des brennenden Tauwerkes, die Maſten waren Feuerſäulen, an denen die Flammen empor- ſtrömten, ſich ſeitwärts biegend feurige Capitäle bildeten und in dem Maße, wie die Geſchütze glühend wurden, entluden ſie ſich theils gegen die Stadt, theils gegen die Hafenbatterien. Unter gewöhnlichen Umſtänden würde man vielleicht die Lage des Schooners als kritiſch erachtet haben, allein nach einem erfolgreichen Unternehmen, wie das oben ge- ſchilderte, ſah man Alles im Lichte eines triumphreichen Ausganges an. Die fortwährend über die Köpfe der Abenteurer ſauſenden und rechts oder links einſchlagenden Kugeln wurden zu Urſachen von Scherzen, über die auf- ſpritzenden Waſſerſchauer oder die wilden Sprünge, mit denen ſie dahinhüpften, und merkwürdiger Weiſe, obſchon man ſich während geraumer Zeit im Bereich des feind- lichen Feuers befand, war eine Kugel durch das Vortop- ſegel der einzige Schade, den man erlitt. Sechszehn Ruder, in den Händen von achtzig durch den gehabten Erfolg begeiſterte Männer, trieben das kleine Fahrzeug ſo ſchnell vorwärts, daß die feindlichen Kanonen- boote bald die Verfolgung als fruchtlos aufgaben. Am – 203 – Eingang des Hafens begegnete man den Booten der Siren, die gekommen waren den Rückzug zu decken, was jetzt kaum nöthig war, deshalb, ſobald alle Gefahr beſeitigt war, begab ſich Lieutenant Decatur in eines derſelben, um Lieutenant Stewart ſeinen Bericht über den glück- lichen Ausgang der Expedition abzuſtatten. Die Siren war etwas ſpäter als der Intrepid ein- getroffen, und hatte laut Uebereinkommen etwa 3 Miles außerhalb der Felſen geankert. Von hier entſendete ſie das große Boot und den Kutter unter Befehlen Lieute- nant Caldwell's und ſpäter näherte man ſich noch mehr, bis acht Faden nöthig machten zu ankern. Nach einer Stunde peinlicher Ungewißheit ſah man vom Verdeck der Philadelphia eine Rakete emporſteigen (das verabredete Signal, daß das Schiff genommen ſei) und kaum hatte man Zeit zu antworten, ſo zeigten ſich auch ſchon die Flammen in den Geſchützpforten, von wo ſie wenige Minuten ſpäter im Tauwerk hinaufliefen. Dann folgte die Kanonade und Ruderſchläge wurden hörbar, plötzlich" ſchoß ein Boot ans Schiff heran, ein Mann in einer Matroſenjacke ſchwang ſich auf das Verdeck empor. Es war Lieutenant Decatur, der die Siegesbotſchaft ſelbſt überbrachte. So endete eine denkwürdige Waffenthat, in der einer der muthigſten Seehelden Amerika's den Grund zu dem hohen Ruf legte, den er ſpäter genoß. Den Erfolg aber, den dieſelbe auf die Mannſchaft der Escadon hatte, war – 204 – außerordentlich; die Matroſen begannen ſich für unbe- ſiegbar zu halten und waren zu Allem bereit, was Men- ſchen unternehmen konnten. Oft bei ruhigem Wetter bin ich über den Schauplatz dieſer Heldenthat gerudert oder habe im ſtilleu Mondlicht die weißen Thürme der Stadt, die dunklen Felſen und gähnenden Batterien beobachtet, um der Nationalgallerie des Capitols davon ein ſo treues Bild als möglich zu geben. XI. Trip o l i s. Hiſtoriſcher Rückblick von Tripolis. – Die Stadt, ihre Straßen und Gebäude. – Der Handel. – Das Leben. – Die europäiſchen Re- ſidenten und europäiſchen Reiſenden. – Clapperton, Lang, Richardſon, Barth, Vogel. – Betrachtungen über Vogel's Schickſal. – Die Um- gegend von Tripolis. – Agricultur. – Mr. Gaine's Landhaus. – Die ſpaniſche Kathedrale von Tajura. – Gazellenjagd. – Das römiſche Caſtell in Gal- Gariſh. – Frederick Warrington. – Das Volksleben. – Gaſtmahle. – Die Kameele. – Ein türkiſches Bad. – Ein Volksfeſt. Obgleich Tripolis ſchon von den Phöniciern als See- hafen benutzt worden und ſpäter den Römern zu gleichem Zwecke diente, ſo erhielt es dennoch den Stempel ſeines jetzigen Charakters erſt im 16. Jahrhundert, wo es von Kaiſer Karl V. unter ſeine ſpaniſchen Eroberungen ge- rechnet ward. Wie bereits erwähnt, wurden die Johanniterritter nach einer heldenmüthigen aber leider vergeblichen Ver- theidigung von Rhodus genöthigt, dieſe Inſel aufzugeben, von Karl V. mit Malta belehnt. Allein an dieſes Lehen war die Bedingung geknüpft, daß der Orden Tripolis beſetze und vertheidige. Nur nach langem Zögern ent- ſchloß ſich der Großmeiſter zur Annahme dieſer Be- dingung, denn der heldenmüthige und umſichtige Isle Adam ſah, mit welchen Schwierigkeiten die Vertheidi- gung eines ſo weit entlegenen Poſtens am afrikaniſchen Feſtland, umgeben von feindlich geſinnten Araberſtämmen, verbunden war. Von einem Lande nach dem anderen umherirrend, nirgend einen bleibenden Wohnſitz findend, gerieth der Orden in die größte Gefahr einer gänz- – 208 – lichen Auflöſung, und deshalb entſchloß man ſich endlich zur Annahme dieſer harten Bedingung. Dies geſchah im Jahre 1528. Bis zum Jahre 1551 gelang es den allmählich ſich wieder kräftigenden Rittern, ſich im Beſitz ihres neuen Eigenthumes zu erhalten. Allein im Sommer dieſes Jahres erſchien jene türkiſche Flotte unter den Befehlen Sinam Paſcha's und des berüchtigten algeriner Corſaren Dragut vor Malta, verheerte dieſe, ſowie die berühmte Inſel Gozo, und da es ihnen nicht gelang, hier feſten Fuß zu faſſen, ſo ſegelten ſie nach Tripolis. Sinam landete ſeine Truppen nahe Cap Tajura; Morat Aga, der Beherrſcher der Provinz, empfing ihn mit offenen Armen, und die Beſatzung von Tripolis ward aufge- fordert, ſich auf der Stelle zu ergeben oder in Stücken gehauen zu werden. Zu jener Zeit beſtand Tripolis nur aus der Citadelle, jetzt das Schloß des Paſcha's, das in der beifolgenden Illuſtration (ſiehe Vignette) in der Mitte ſich über der Stadt erhebend, ſichtbar iſt. Um dasſelbe reiheten ſich einige Wohnungen, und dieſe waren mit leichten Außen- werken umgeben; auf dem Hügel in der Ferne, den jetzt auch die Stadt bedeckt, befand ſich ein mauriſches Fort- Der Gouverneur war Gaspard La Vallier, Marſchall des Ordens, ein erprobter und erfahrener Ritter, deſſen Antwort eben ſo lakoniſch war, als Sinam's Aufforderung zur Ergebung: „Er ſei vom Orden mit der Vertheid- – 209 – gung von Tripolis beauftragt und werde es deshalb bis zum letzten Mann halten.“ Sobald Sinam dieſe entſchloſſene Antwort empfangen, landete er ſein Belagerungsgeſchütz und eröffnete die Laufgräben. Der franzöſiſche Geſandte für Conſtantinopel, Gabriel d'Aramont, erſchien um dieſe Zeit und erſuchte den Paſcha, wiewohl vergeblich, von der Belagerung ab- zuſtehen, und als er nach Conſtantinopel ſegeln wollte, um ſeine Vorſtellungen dort zu erneuern, ward er mit Gewalt zurückgehalten. Für einige Zeit gelang es der Beſatzung, erfolgreichen Widerſtand zu leiſten, bis zuletzt ein Ueberläufer einen ſchwachen Punkt der Feſtung an- deutete, in welchem es gelang Breſche zu ſchießen. Der Commandant verſuchte nun Barricaden hinter derſelben zu errichten, allein die Sklaven verweigerten, unter dem verheerenden Feuer der Türken zu arbeiten, und der Schrecken, der ſie ergriffen, theilte ſich zuletzt der Garniſon mit, die aus etwa 200 Recruten aus Calabrien und etwa einer gleichen Anzahl osmaniſcher Verbündeten beſtand. Die Calabreſen hatten ein kleines Außenwerk, „Chatelet“ benannt, beſetzt, und nach kurzer Zeit entſpann ſich unter ihnen eine Verſchwörung, die um ſich griff und die ganze Beſatzung mit ſich fort riß, ſo daß zuletzt der Commandant und die wenigen ihn umgebenden Ritter ſich genöthigt ſahen, Unterhandlungen anzuknüpfen. Geſandte wurden in das türkiſche Lager entſendet und ein Vertrag abgeſchloſſen, als jedoch der Commandant im 14 – 210 – Perſon denſelben ratificiren wollte, ſah er ſich als Ge- fangener zurückgehalten. Er ſendete nun an ſeinen Lieu- tenant Copier den Befehl, ſich nicht um ſein Schickſal zu bekümmern, ſondern für die Sicherheit der Stadt Sorge zu tragen, allein hiergegen widerſetzten ſich aber- mals die Meuterer, die die Thore öffneten und die Feinde in die Stadt ließen. Dem Commandanten des Chatelet, des Roches gelang es allein ſich mit 30 Mann zu halten, bis der Poſten ein Trümmerhaufen geworden, und dann in der Nacht auf einem kleinen Fahrzeug zu entkommen. Seit jener Zeit bewahrte Tripolis unter dem Schutz der Pforte einen gewiſſen Grad von Unabhängigkeit, und nur von Zeit zu Zeit unterſtützte es der Sultan in ſeinen Kriegen mit Schiffen und Truppen. Seine Lage machte es zu einem vortrefflichen Zufluchtsort für Seeräuber, die von hier aus das mittelländiſche Meer und die Küſten- länder desſelben beunruhigten. Neapel und Genua machten einige vergebliche Verſuche dieſen Unfug zu ſteuern, bis zuletzt die junge Republik der Vereinigten Staaten nach einem dreijährigen Krieg im Jahre 1804 die Barbaren nöthigte, ihrem Seeräuberleben zu entſagen. Seit jener Zeit blieb Tripolis zwar im Frieden mit dem Auslande, allein Bürgerkriege verheerten dasſelbe von Zeit zu Zeit, bis im Jahre 1835 der Capudan Paſcha im Namen des Sultans ſich der Stadt und des Landes bemächtigte und ſo die Regentſchaft unter die Botmäßigkeit der Pforte brachte. – 211 – Türkiſche Städte pflegen ihre Phyſiognomie nur lang- ſam zu wechſeln, außer wenn eine Feuersbrunſt große Theile derſelben hinwegrafft, und da dies in Folge der Bauart der Häuſer von Tripolis nicht leicht möglich, ſo iſt kaum anzunehmen, daß der Charakter der Stadt inner- halb der letzten fünfzig Jahre einem großen Wechſel unter- legen hat. Das große von den Stadtmauern umſchloſſene Parallelogramm zerfällt durch viele ſich kreuzende Straßen in eine große Anzahl Unterabtheilungen von ungleicher Größe; öffentliche Plätze giebt es kaum, wenn man nicht zwei oder drei Erweiterungen der etwa 6–8 Fuß breiten Straßen auf 15–20 Fuß, während einer Länge von 30–40 Fuß, ſo nennen will. Das undauerhafte Bau- material aus kleinen verwitterten Steinen mit etwas Mörtel dazwiſchen gegoſſen macht es nöthig die Mauern in Entfernungen von 20–30 Fuß vermittels über die Straßen geſpannter Bogen gegenſeitig zu ſchützen, was jenen das Ausſehen langer Bogengänge giebt. Pflaſter, Straßenbeleuchtung und Schleuſen kennt man nicht, und da die Straßenpolizei ein mildes Regiment zu führen ſcheint, ſo hängt die öffentliche Reinlichkeit vom guten Willen und der Ordnungsliebe der Einwohner ab; wie ſich leicht vorſtellen läßt, ſind nur einige Stadttheile in einem erträglichen, der größte Theil aber in einem ab- ſcheulichen Zuſtande, unter welchem letzteren ſich beſonders der ſüdliche Theil auszeichnet. Die Häuſer, wie im Orient gebräuchlich, haben außer – 212 – einem Thor und nur wenigen Fenſtern keine Oeffnungen nach der Straße zu, enthalten aber ſtets ein oder mehrere geräumige, meiſt von Gallerien umgebene Hofräume, die in den Wohnungen der wohlhabenden Claſſen mit buntem Steingetäfel gepflaſtert, in der Mitte mit einem großen von Zierpflanzen überragten Sitz verſehen ſind. Die Um- gebung von Tripolis hat mit Ausnahme von Palmen und Fruchtbäumen keine Waldungen, deshalb findet man Mangel an Bauholz und da die Palmenſtämme, die man meiſt zu Ueberdachungen benutzt, nicht ſehr feſt ſind, folg- lich keine große Spannweite erlauben, ſo ſind die Stämme entweder klein oder in Fällen, wo man dieſelben ver- größern will, begnügt man ſich der Länge zuzufügen, was der Breite abgeht. Einige Häuſer, wie zum Beiſpiel das Caſtell des Paſcha's, und einige der Wohnungen der fremden Conſule haben größere Zimmer, zu denen man das Bauholz aus Sicilien herbeigebracht hat. Moſcheen aber ſind mit einer großen Menge Säulen verſehen, die je vier eine kleine Kuppel ſtützen; dieſe ſind auf eine ſehr primitive Weiſe gewölbt, indem man aus Planken die Form des Gewölbes zuerſt erbaut, dieſe mit einer Lage leichten Gerölls von Tuffſtein überdeckt und das Ganze mit Mörtel übergießt. Erhärtet letzterer, ſo bäckt Alles in eine Maſſe zuſammen, die bei trockenem Wetter ziemlich dauerhaft iſt, während der anhaltenden Regenzeit der Wintermonate aber wieder aufweicht und oft umſtürzt. Deshalb ſieht man einen Theil der Häuſer ſtets in Trüm- – 213 – mern, denn die indolenten und meiſt auch armen Bewoh- ner denken ſelten eher daran, ihre Wohnungen zu repa- riren, bis das Ganze über ihren Köpfen zuſammenſtürzt. Die Feſtungswerke, beſonders nach der Seeſeite hin, ſind in etwas ſubſtantiellerer Weiſe erbaut, allein da man nicht die geringſte Sorgfalt auf ihre Erhaltung verwendet, ſo bieten auch ſie einen traurigen ruinenhaften Anblick dar. Neuerdings hatte der Paſcha den Einfall gehabt, das Caſtell, das ſeine Wohnung enthält, zu repariren, und zu dieſem Zweck waren eine Anzahl Arbeiter, auf Brettern ſtehend, die an Stricken über die Mauer herabhingen, beſchäftigt, die durch herausgefallene Steine entſtandenen Lücken mit Schmutz und Mörtel auszufüllen und das Ganze zu über- tünchen. Die Umgebung von Tripolis hat weder Bäche noch Flüſſe, deshalb fehlt auch hier die ſonſt in den Städten des Orients häufige Waſſerleitung, und Brunnen und Ciſternen müſſen die Einwohner mit dieſem nothwendigen Lebensbedürfniſſe verſehen. Seit den früheſten Zeiten bildete Tripolis den bedeu- tendſten Export- und Importshafen einer beträchtlichen Strecke der Nordküſte Afrika's. Seit der Zeit aber, wo es verboten ward Sklaven aus dem Innern der Regent- ſchaft zu bringen, haben ſich die Karavanen aus dem Innern entweder öſtlich nach Aegypten oder weſtlich nach der Küſte von Marocco gewandt, und da ſich hierdurch die Transportmittel vermindern, ſo iſt natürlich auch die – 214 – Einfuhr bedeutend verringert worden. Einen anderen Stoß erhielt der Handel durch die mehrere Jahre wäh- rende Hungersnoth und das dadurch hervorgerufene Aus- fuhrverbot von Schlachtvieh und Cerealen, welche Artikel ſonſt viel nach Malta verſchifft wurden, und die Lang- ſamkeit, mit der ſich der damals eingetretene Mangel wieder erſetzen läßt, bietet keine Ausſicht dar, daß die alten Verhältniſſe bald wieder eintreten werden. Dennoch finden ſich jeden Dienſtag etwa 20.000 Araber auf dem öffentlichen Markte ein, der auf der ſandigen Ebene am Seeufer, ſüdöſtlich von der Stadt, gehalten wird, um dort außer den Producten ihrer Felder und Gärten, Elephantenzähne, Farbeſtoffe, Häute, Talg, Schlachtvieh, Kameele, Pferde 2c. zum Kaufe auszubieten, und ſich für den Erlös mit den nöthigen Haushaltungs- mitteln zu verſehen. In den Straßen der Stadt ſind die Verkaufsläden meiſt in den Straßen nahe dem See- ufer und dem Caſtell gelegen, und zwar ſo, daß Schuh- macher, Waffenſchmiede, Sattler, Tabackshändler 2c. immer eine Reihe bilden. Das Fleiſch iſt erträglich, der Frucht- und Gemüſemarkt aber reichlich verſehen, und in den verſchiedenen Jahreszeiten ſind Orangen, Granatäpfel, Melonen verſchiedener Art, viele Gattungen vortrefflicher Feigen, Datteln, Pfirſiche und zur Zeit meines Beſuches ganz köſtliche Trauben zu billigen Preiſen zu haben. Bäcke- reien befinden ſich in verſchiedenen Theilen der Stadt, und da wegen des Holzmangels man ſich bemüht, das Feue- – 215 – rungs-Material zu ſparen, ſo wird gewöhnlich ein ge- räumiger Ofen von einem Unternehmer geheizt, und wer ihn zu benutzen wünſcht, entrichtet je nach der Quantität ſeiner Brode ein beſtimmtes Entgeld für den Gebrauch desſelben. Man ſieht deshalb während des Vormittages von allen Seiten halbnackte Männer herbeieilen, deren jeder auf dem Kopfe ein langes Brod trägt, mit Reihen der kleinen kuchenartigen Laibe von ungeſäuerten unge- ſalzenen Waizenbroden bedeckt, dabei unausgeſetzt „baleck, baleck“ rufend, um etwanige Colliſionen mit dem Publi- kum zu vermeiden. In Folge des Mangels an fließendem Waſſer wird das nöthige Mehl in von Kameelen in Bewegung ge- ſetzten Mühlen gemahlen. In verſchiedenen Theilen der Stadt findet man ſolche einfache Apparate aufgeſtellt; vor der Thür der Häuſer, in denen ſich dieſelben be- finden, warten Frauen und Mädchen, die eine auf die andere, ihr Körbchen voll mit Waizen oder Gerſte dem Müller reichend, der den Vorrath auf den Stein ſchüttet, welchen das Kameel an eine in der Axe des Steines befeſtigte Stange geſpannt, in Bewegung ſetzt. Iſt das Thier nicht ſchon vor Alter blind, ſo bindet man ihm kleine Strohmatten über die Augen; ein Glöckchen, von den Zahnrädern der Mühle geläutet, bildet die Muſik, die dieſe Thiere ſo lieben, oder der Müller ſpielt auch wohl auf einer kleinen hölzernen Pfeife kurze wilde me- lancholiſche Weiſen. Das Mehl wird in dem unter dem Stein aufgeſtellten Körbchen der Eigenthümerin aufge- fangen und nach gethaner Arbeit vom Müller zurück- gegeben, der einen beſtimmten Antheil davon als Be- zahlung für ſich zurückbehält. Die europäiſche Bevölkerung beläuft ſich, mit Aus- nahme einer Anzahl malteſiſcher oder italieniſcher Kauf- leute, meiſt nur auf die verſchiedenen Conſuln nebſt ihren Familien, einem kleinen Hospital, von barmherzigen Schweſtern unterhalten, mit dem eine katholiſche Miſſion verbunden iſt, und einigen Aerzten in türkiſchen Dienſten, die die Militärhospitäler und Quarantaine beaufſichtigen. Als ich darnach fragte, wie es mit der ärztlichen Hülfe beſtellt ſei, theilte man mir mit, daß ſich die Schüler des Aesculap hier in zwei Theile theilen, deren einer die Patienten ſterben läßt, während der andere ſie um- bringt; da letztere zweifelhafte Fälle ſchneller zur Kriſis führen, ſo ſind ſie beim Publikum in größerer Gunſt. Natürlich ſind die Vergnügungen beſchränkt und meiſt im Kreiſe der Familien zu ſuchen. Spazierritte entlang dem Meeresufer in der Kühle des Abends bilden faſt Jedermanns Erholung, und zwar zieht man hierzu, der bequemeren Gangart wegen, die hier oft ziemlich guten und ſtarken Eſel den Pferden vor. Sonntags iſt der Tag, um ſich gegenſeitig zu beſuchen, und außerdem trifft man ſich gelegentlich bei Diners oder Soupers. Wie in den meiſten Orten, wo Fremde ſelten erſcheinen, finden Ankömmlinge die wärmſte Aufnahme, und wenige, die – 217 – hier geweſen ſind, werden Urſache haben, ſich ihres Aufent- haltes anders als in dankbarer Anerkennung offener und gerngeübter Gaſtfreundſchaft zu erinnern. Ich ſelbſt wurde vom Herrn Gaines, dem amerikaniſchen Conſul, auf die liebevollſte Weiſe bewillkommt, und bin dieſem Herrn, ſowie Mad. G. für die mir in ihrem Hauſe, das ich während meines ganzen Aufenthaltes bewohnte, erwieſene Freundſchaft aufs tiefſte verpflichtet, ebenſo Col. Herrmann, H. B. M. Conſul, Herrn und Madam Gagliuſi, Herrn F. Warrington, Reade, Mrs. E. E. Dickſon, Dr. Blau und Anderen. Das Leben in einer ſo entlegenen und mit der civi- liſirten Welt nur auf beſchränkte Weiſe in Berührung kommenden Stadt iſt nothwendiger Weiſe ziemlich ein- förmig. Da im Sommer die Tage ſehr heiß ſind, ſo ſteht man gewöhnlich vor Tagesanbruch auf, wenn der Ruf des Marabout zum Gebete von der Höhe der Mi- narets ertönt; eine Taſſe Kaffee dient als Vorbereitung zu einem Bade in der See oder einem Spazierritt in der Kühle des Morgens, auf den um 10 Uhr das Früh- ſtück folgt. Bis 4 Uhr Nachmittags iſt es rathſamer, ſich im Hauſe zu beſchäftigen oder, was bei der großen Hitze oft unwillkührlich geſchieht, eine Sieſta zu halten. Der ſpätere Nachmittag wird von den meiſten Europäern zur Vollendung ihrer Tagesgeſchäfte angewandt, und ein Spazierritt entlang dem Seeufer ſchließt gewöhnlich den Tag. Hat man ſich erſt an den etwas ſonderbaren Anblick – 218 – gewöhnt, ſo findet man ein ſolches Langohr durchaus nicht unangenehm zu beſteigen; beſonders wenn man einen etwas langbeinigen Paßgänger erhalten kann. Mehrmals gelang es mir, einen ſo großen Eſel zu finden, daß meine Fußſpitzen mindeſtens drei Zoll vom Erdboden entfernt WMYEM. Am Abend ſpielt gewöhnlich die Muſik der türkiſchen Garniſon vor dem Schloß des Paſcha's, da hierbei nicht Harmonie der Hauptzweck zu ſein ſcheint, ſondern vielmehr Geräuſch, und überdies ein Beſtreben jedes einzelnen Muſikers ſich bemerkbar macht, mit dem ihm zukommenden Theil ſchnell fertig zu werden, ſo bildet dieſes Concert keinen weſentlichen Anziehungspunkt. Das Diner findet gewöhnlich um 8 Uhr ſtatt, und die darauf folgende Stunde, die man meiſt auf der Ter- raſſe des Hauſes zubringt, die kühlende Seebrieſe zu ge- nießen, iſt eine der angenehmſten. Es iſt wiederum die Stimme des Marabouts, zum Gebet rufend, die den Tag beſchließt, und wenn ſie ſich in einer mondhellen Nacht melodiſch in das Rauſchen des Meeres miſcht, liegt ein eigenthümlicher poetiſcher Reiz in dieſen lang- gezogenen melancholiſchen Tönen; ſo daß man zu Zeiten vergeſſen kann, man befinde ſich inmitten eines armen unwiſſenden unterdrückten Volkes, für deſſen Erhebung zu einem höheren Standpunkt der Civiliſation wenig Hoffnung vorhanden iſt. Diejenigen europäiſchen Reiſenden, die ihre Erfor- – 219 – ſchungen Afrika's vom mittelländiſchen Meere aus be- gannen, haben, ſeit den Zeiten Clapperton's, meiſt Tripolis zum Anfangspunkt ihres Unternehmens gewählt, und man findet in den Händen europäiſcher Familien kleine Reli- quien von den meiſten derſelben. Vor allen Uebrigen haben ſich zwei Familien durch rege Theilnahme am Schick- ſal jener Reiſenden und durch die gaſtliche Theilnahme und rege Hülfe, mit der ſie ihnen entgegen kamen, große Verdienſte erworben und faſt mit allen Explorationen, die im gegenwärtigen Jahrhundert nach jener Richtung ſtattfanden, identificirt; dies ſind die Familien Warrington und Dickſon. - Col. Warrington war während mehr als 30 Jahren brittiſcher Generalconſul in Tripolis, Clapperton wohnte in ſeinem Hauſe und traf daſelbſt ſeine Vorbereitungen für ſeine Reiſe; ebenſo Major Lang. Das tragiſche Ende des Letzteren iſt ſeit Dr. Barth's Reiſe nach Timbucto genügend bekannt geworden, weniger jedoch ſeine romantiſche Ehe mit Miß Warrington, die eine Stunde vor ſeiner Abreiſe ſtattfand. Sein Abſchied war auf Ewigkeit und Mrs. Lang wurde Wittwe, ohne jemals Gattin geweſen zu ſein. Col. Warrington's Sohn, Mr. R. Warrington be- gleitete Mr. Richardſon auf jener unglücklichen Expedition in der mit Ausnahme Dr. Barth's alle Europäer zu Grunde gingen, darunter der talentvolle Dr. Vogel, deſſen Schickſal ſo große Theilnahme erregt hat. Im Hauſe der Madame – 220 – Dickſon, Wittwe von Dr. Dickſon, befindet ſich Clapper- ton's Portrait, Mrs. E. Dickſon, Tochter Col. Warring- ton's, bewahrt das Portrait Maj. Lang's, das nach dem Tode der Wittwe in die Hände der Schweſter überge- gangen, Mr. Frederick Warrington aber, der mit Dr. Vogel ſehr befreundet war, beſitzt ein Portrait des letzteren. Getreu dem Verſprechen, daß ich dem verehrten Vater Dr. Vogel's in Leipzig gegeben, und geleitet von dem großen perſönlichen Intereſſe, das ich am Schickſal dieſes Märtyrers der Wiſſenſchaft nahm, ſuchte ich zuverläſſige Erkundigungen einzuziehen, was geſchehen ſei um Nach- richt über Dr. Vogel's Schickſal zu erlangen und wie weit den Gerüchten über dasſelbe Glauben beizumeſſen ſei. Leider kann die Hoffnung, daß der Vermißte noch am Leben ſei, nur gering ſein, denn ein langer Zeitraum iſt ſeit ſeinem Verſchwinden verſtrichen, ohne daß auch nur das geringſte Lebenszeichen über ihn erlangt worden ſei, allein nichtsdeſtoweniger hat ſich noch Niemand gefunden der Zeuge ſeines Todes geweſen, ja nicht einmal Jemand, der poſitiv behauptet hat, daß er geſtorben ſei. Dr. Vogel ward zuletzt von einem Bewohner Bornou's geſehen, als er in die Wohnung des Sultans von Wadai ging; hier verliert ſich ſeine Spur. Später wurden Gerüchte laut, daß der Sultan von Wadai Dr. Vogel aufgefordert habe, Mahomedaner zu werden, und in Folge ſeiner Verweige- rung ihn enthaupten ließ, es iſt jedoch nicht gelungen dieſe Gerüchte bis zu einer beſtimmten Form zurückzu- – 221 – führen; deshalb und ſo lange nicht ein mäßiger Grad von Gewißheit über dieſen Punkt erlangt iſt, dürfen die Anſtrengungen, die man zu dieſem Zwecke macht, nicht verringert werden. Glücklicherweiſe hegt der gegenwärtige brittiſche Conſul in Tripolis, Col. Herrmann ein hohes Intereſſe für Dr. Vogel und läßt keine Gelegenheit, ſich Auskunft zu verſchaffen, unbenutzt vorübergehen. Zu verſchiedenen Zeitpunkten wurden Botſchaften und Briefe an den Sul- tan von Bornou, an Si Mahomed Titewy, einem ein- flußreichen intelligenten Kaufmann von Bornou, beide ſehr freundlich und den Chriſten günſtig geſtimmte Männer, ſowie an verſchiedene Häuptlinge der Tuarick's, entſendet, jedoch ohne irgend welches Reſultat zu erlangen. Allein neuerdings bot ſich eine günſtige Gelegenheit direct mit Wadai zu verkehren, und dieſe ward von Col. Herrmann auf folgende Weiſe benutzt. In Folge gewiſſer Mißhelligkeiten mit dem Sultan von Wadai, der zu verſchiedenen Zeiten Güter, die Kauf- leuten der Provinz Tripolis gehörten, geraubt hatte, ward vor etwa fünf Jahren in Ben Ghazi eine demſelben zu- gehörige Karavane mit Beſchlag belegt. Im Monat De- cember des vergangenen Jahres langte in Morzouk eine Geſandtſchaft des Sultans mit Briefen und Geſchenken an den Paſcha von Tripolis an, um ſowohl eine Schadlos- haltung für die Wegnahme der Karavanen zu erhalten, als auch einen Vertrag für den künftigen Verkehr zwiſchen – 222 – beiden Ländern zu negociren. Da es Col. Herrmann ge- lungen war, auch den Paſcha für Dr. Vogel's Schickſal zu intereſſiren, ſo wurde der Caimacan von Morzouk, ſowie der britiſche Vice-Conſul Mr. Fremeaux inſtruirt, von dieſer Geſandtſchaft auf verſchiedene Weiſe Auskunft über Dr. Vogel zu verlangen. Leider führten dieſe mit großer Geduld, Tact und Geſchicklichkeit geleiteten Ver- handlungen nicht zu dem gewünſchten Reſultat, denn vom Beginn bis zu Ende leugneten die Geſandten jede Kennt- niß ab, daß Dr. Vogel oder irgend ein Chriſt jemals in Wadai geſehen worden ſei. Man ſchlug nun einen anderen Weg ein, um zum Ziel zu gelangen. Die Geſandten wurden mit Geſchenken entlaſſen, in einem Brief aber an den Sultan erklärte ſich der Paſcha bereit auf ſeine Vorſchläge einzugehen. Ehe jedoch an weitere Verhandlungen zu denken ſei, müſſe man genaue Auskunft über Dr. Vogel's Schickſal erlangen, und das hohe Intereſſe, welches nicht nur die Regierung von Tripolis, ſondern die ganze civiliſirte Welt für den Vermißten fühle, ward auf die nachdrücklichſte Weiſe ge- ſchildert. Zu gleicher Zeit entſendete Mr. de Fremeaux zwei vertraute zuverläſſige Araber mit Inſtructionen, nichts unverſucht zu laſſen, um die gewünſchte Auskunft zu er- langen. Alle dieſe Perſonen verließen Morzouk gegen Ende des vergangenen Juni und natürlicher Weiſe müſſen viele – 223 – Monate verſtreichen, ehe etwas über das Reſultat ver- lauten kann. Leider iſt das Maximum der Hoffnungen Col. Herrmann's, daß vielleicht einige Bücher und Pa- piere des Vermißten, der von dem Zeitpunkt an, wo er das Territorium von Wadai betrat, keine Nachricht mehr von ſich gegeben, Alles ſein wird, was man erlangen kann, und die meiſten Perſonen, mit denen ich in Tripolis über den Gegenſtand ſprach, theilen Col. Herrmann's Anſicht, mit Ausnahme Mr. Frederick Warrington's, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben, und dieſelbe darauf ſtützt, daß Major Lang lange vor ſeinem Ende als Tod ausgegeben ward, und Dr. Barth bereits zwei Jahre vor ſeiner endlichen Rückkehr todt geglaubt ward. Leider iſt im gegenwärtigen Fall der verſtrichene Zeitraum ein viel längerer, als bei einem der früheren Reiſenden und ob- ſchon meine wärmſten Wünſche und Gebete auf der Seite der Hoffnung ſind, ſo verſchwindet in Betracht der That- ſachen dieſelbe vor dem Tribunal der Urtheilskraft dennoch beinahe zum Schatten des Schattens. Früher erwähnte ich, daß von der Stadt bis nach Cap Tajura ein etwa ein oder zwei Miles breites Gehölz von Palmen hinzieht, und dies enthält beinahe das ganze bebaute Ackerland der Umgegend; denn ſüdlich von dem- ſelben dehnt ſich der gelbe Wüſtenſand, nur ſelten von Oaſen unterbrochen, bis an die den fernen Horizont be- grenzenden Berge, nördlich aber ſtößt der Palmenhain an das Meer. – 224 – Weder Bach noch Fluß bewäſſert das Land, und die Felder oder beſſer Gärten müſſen auf künſtliche Weiſe mit dem nöthigen naſſen Element verſorgt werden. In einer Tiefe von 15 bis 20 Fuß findet man überall Waſſer, deshalb hat jeder Garten einen oder mehrere Brunnen, daneben große gemauerte Behälter, aus denen das Waſſer über die Felder je nach Bedürfniß vertheilt wird. Der Apparat, das Waſſer zu heben, iſt ziemlich primitiver Natur: Ueber dem Brunnen erheben ſich zwei Pfeiler, die die Axe eines etwa 2 bis 2 Fuß im Durch- meſſer haltenden Rades tragen, über das ein Seil läuft, an deſſen einem Ende ſich ein lederner Eimer befindet, während das andere am Joch des Ochſen oder der Kuh befeſtigt iſt, die das Waſſer heraufzuziehen hat. Der Eimer ſelbſt endet in einem Schlauch, an den ein zweiter Strick gebunden über eine etwa 3 Fuß unterhalb des Rades in den Pfeilern befeſtigte Walze läuft, und gleich- falls am Joch des Zugthieres feſtgemacht iſt. Vor dem Brunnen hat man ein Loch in die Erde gegraben, um ſo eine in ſteilen Winkeln ſich ſenkende Ebene zu erzeugen, die das Thier hinabläuft, und einige an den Rand ge- pflanzte Bäume bieten demſelben und dem Mann, der dasſelbe treibt, den nöthigen Schatten. Durch das An- ziehen des Thieres wird der Eimer gehoben, allein da der an dem Schlauch befeſtigte Strick kürzer iſt, als der den Eimer hebende, ſo wird zuerſt das Ende des Schlauches auf gleicher Höhe mit dem Rande des Eimers – 225 – gehalten; folglich kann ſich letzterer füllen, dann aber geht der Schlauch über die Walze, öffnet ſich dadurch und läßt ſo das ganze Waſſer aus dem Boden ſtrö- men, ohne daß ein Umſtürzen des Eimers nöthig wird. Das ſo heraufgehobene Waſſer fällt in einen vor den Pfeilern befindlichen Behälter, wird von dieſem in an- dere größere und dann durch kleine Kanäle über die Felder geleitet. Die Producte, die man in dieſen Gärten erzeugt, ſind Mais, Hirſe, etwas Reis, ein wenig Waizen, einige Wurzelfrüchte und Gemüſe, und trotz des trockenen ſandigen Bodens iſt die Fruchtbarkeit an allen Stellen, die fleißig bewäſſert worden, ſehr groß. Die Mehrzahl der zwiſchen den Feldern und Gärten gepflanzten Bäume ſind Dattelpalmen, und zwar in ſo großer Anzahl und von ſolcher Größe und Schönheit, daß ich ſie mit dem Ausdruck Hain bezeichnete. Im Juli hingen bereits die Früchte in großen ſchweren Trauben aus der Krone herab; allein noch waren ſie grün, ſpäter werden ſie gelb und in einigen Wochen braun, wo die Zeit der Erndte und des Trocknens der Datteln eintritt. Bei einigen Bäumen waren die Blätter abgeſchnitten, in der Krone aber eine Vertiefung angebracht, in der ſich der Palmen- wein (Lagby) ſammelte, und durch eine kleine Röhre in ein am Stamm befeſtigtes Gefäß geleitet ward. Des Morgens, wenn friſch, iſt dieſer Saft ein angenehmes kühlendes Getränk, nicht unähnlich der Milch unreifer 15 – 226 – Kokosnüſſe mit dem angenehmen Aroma der Dattel; wird er aber während einiger Zeit der Sonnenhitze ausgeſetzt, ſo geht er in Gährung über, wird berauſchend und ſchmeckt unangenehm ſäuerlich. Die Araber geben ihm in dieſem letzteren Zuſtand den Vorzug, und dieſer Wein nebſt dem „Maſtico“ ein aus Maſtixharz deſtillirter Branntwein, bilden ihre geiſtigen Getränke, deren Genuß der Koran nicht verbietet. Das Abzapfen des Weines ſchadet dem Baume ſehr, während dreier Jahre trägt derſelbe keine Frucht, für die barbariſche Verwendung des Maſtix aber werden, ſo glaube ich, dieſe Leute die Verachtung der Maler der geſammten Chriſtenheit erndten, die ſo auf die illegitimſte Weiſe des ohnedies ſparſam vorhandenen Materials für guten Firniß beraubt werden. Zwiſchen den Palmen ſind an einigen Stellen Ge- büſche von Olivenbäumen, Mandeln oder Feigenbäumen. Letztere liefern ganz herrliche Früchte, die eben reif wurden, und es iſt ein wahrer Genuß, am frühen Morgen, wenn der Thau in Perlen auf den mit einem bläulichen Reif überzogenen Früchten liegt, die aufplatzend ihre röthliche Kerne zeigen, ſich ſein Frühſtück vom Baum zu pflücken, ohne aus dem Sattel zu kommen. Die Umzäunungen der Gärten beſtehen aus Erd- wällen oder Hecken von Cactus, deſſen Feigen im Juli gleichfalls reif, eine angenehme kühlende Frucht bilden. Die Häuſer ſind meiſt aus Lehm gebaut, und die heftigen Regengüſſe des vergangenen Winters hatten das leichte – 227 – Material ſo aufgeweicht, daß viele Gebäude ganz oder theilweiſe umgeſtürzt waren. In der Nähe vom Cap Tajura beſitzt Mr. Gaines, U.S. Conſul, ein kleines Landhaus, das am Ufer eines kleinen Sees gelegen, während der Schnepfenzeit einen allerliebſten Aufenthalt für den Jagdliebhaber bildet. Die Ränder des Sees bieten den beſten Schnepfengrund, den ich geſehen; der Boden iſt nicht ſo ſumpfig, um nicht mit Leichtigkeit darüber gehen zu können, bietet den Schnepfen vorzügliche Nahrung und das Binſengras eine gute Deckung. Mr. Gaines hat in einem Tage ſchon 65 Schnepfen erlegt, und zu Zeiten dabei noch mehrere Becaſſen (Holzſchnepfen). Leider war jetzt nicht die Jagd- zeit für Schnepfen, die nur im Winter ſich hier aufhalten, und deshalb mußte ich mich mit einigen Dutzend wilden Tauben begnügen. Im Speiſeſaal von Mr. Gaines ſtieß ich auf ein anderes Souvenir Vogel's. Die Araber pflegen als einen Zauber gegen den böſen Blick die Hand in die Aſche des Heerdes getaucht, gegen die Wand über Thüren und Fenſter zu ſchlagen, ſo den Abdruck ihrer fünf Finger zurücklaſſend. Zum Scherz hatte Vogel bei einem Beſuch dasſelbe Zeichen über Thüre und Kamin gemacht, ſpäter aber, beim Uebertünchen des Zimmers, hatte Mr. Gaines die Abdrücke aufſparen laſſen, ſo daß ſie noch in leichten Conturen ſichtbar ſind. In nicht zu großer Entfernung von dieſem Ort be- – 228 – findet ſich eine große alte ſpaniſche Kirche, die jetzt zur Moſchee benutzt wird. Zu der Zeit, wo Kaiſer Karl V. Malta und Tripolis an den Johanniterorden abtrat, befand ſich eine kleine ſpaniſche Anſiedelung in der Nähe von Cap Tajura, und wie überall wo Spanier eine Niederlaſſung bilden, erhob bald eine Kirche ihren hohen Thurm über den Gipfel der Palmen Afrika's. Als im Jahre 1551 Tripolis den Chriſten entriſſen wurde, fiel auch die Colonie von Tajura unter dem Schwerdte der Türken, und die kleine Stadt ging in Flammen auf, denen jedoch die feſte Bauart der Kirche widerſtand. Selbſt im Zerſtören indolent, blieb ſie von den Arabern geraume Zeit unbeachtet, und wurde zu einer ſpäteren Zeit zur Moſchee benutzt, wozu ſie noch jetzt dient. Das Gebäude iſt etwa 150 Fuß lang, 75 breit, und das Gewölbe wird von zahlreichen Marmorſäulen getragen, die theils aus Spanien, theils aus den rö- miſchen Ruinen von Lebdah herbeigebracht wurden. Von der Spitze des Thurmes, von der jetzt ſtatt des Glockengeläutes der Ruf des Marabout zum Gebete ruft, hat man eine weite Umſicht über Land und See, und als im vergangenen Winter heftige Regengüſſe die Lehm- hütten der Araber zerſtörten, fand ein großer Theil der Bevölkerung Zuflucht in der Kirche und dem Thurm. In vielen Häuſern der Stadt hatte ich zahme Gazellen bemerkt und hegte deshalb den Wunſch dieſes graciöſe – 229 – Wild in ſeinem Naturzuſtand zu beobachten. Mr. Gaines war ſo freundlich mich mehrmals zu begleiten, und ob- ſchon die Thiere durch häufige Verfolgung der Araber ſo ſcheu geworden, daß ich nicht zum Schuß kommen konnte, ſo hatte ich dennoch Gelegenheit mehrere zu ſehen. Es iſt dies unſtreitig eines der zierlichſten Thierchen und läßt ſich ſo leicht zähmen, daß man oft dergleichen in den Häuſern durch alle Zimmer laufen, bei Tiſch Stück- chen Brod ſtehlen und im Winter vor dem Feuer des Kamins liegen ſieht. Das glatte reinliche Fell, die zier- lichen Füßchen, die ſchönen vollen ſchwarzen Augen und die poſſierlichen Sprünge verleihen dieſem kleinen Weſen einen ganz beſonderen Reiz. Ich hatte jedoch mein Vergnügen mit einem mühſeligen Marſch durch die Sandhügel zu erkaufen, was bei einer Temperatur von 105"Fahrenheit im Schatten keine Klei- nigkeit war, denn trotzdem ich lange vor Tagesanbruch an Ort und Stelle war, kehrte ich dennoch erſt am Nach- mittag nach der Stadt zurück. Einſtmals begegneten wir einem Araber, der mit ſeiner ſieben Fuß langen Flinte gleichfalls auf der Jagd war, wobei ihn ſein kleiner Knabe mit einem Waſſerſchlauch auf dem Rücken begleitete. Er ſchien entſchloſſen, nicht ohne Beute heimzukehren, ſelbſt wenn er mehrere Tage warten müßte. Natürlich folgte ich ihm nicht ſo lange, glaube aber, daß das Reſultat wahrſcheinlich darin be- ſtanden hat, daß er 25–30 Miles gegangen, dann viel- – 230 – leicht 2–3 Miles auf dem Bauche gekrochen, eine halbe Stunde im Anſchlag gelegen und zuletzt möglicher Weiſe einen Fehlſchuß gethan hat. Einer dieſer Wüſtenzüge brachte mich nach Gal-Gariſch, etwa 6 Miles weſtlich von der Stadt am Seeufer gelegen. Man findet hier, die Ruinen eines prächtigen Caſtells, deſſen Mauern, obſchon vielleicht 2000 Jahre alt, dennoch in beſſerem Stande ſind, als die Befeſtigungen der Stadt. Das Caſtell liegt auf der Spitze eines Felſens, deſſen Seiten künſtlich noch ſteiler gemacht worden ſind, als ſie von Natur waren. Ein Graben umgiebt das Ganze, in kurzer Entfernung gegen Weſten ſind in den Felſen tiefe künſtliche Aushöhlungen gemacht, die wahrſcheinlich dazu dienten, allerhand Vorräthe aufzuſpeichern, jetzt aber theilweiſe vom Wüſtenſand verſchüttet ſind. Gleichwie in Aegypten drängt die Wüſte die Cultur immer weiter zurück, nach allen Seiten hin ſieht man aus dem Sande Trümmer eingeſtürzter Brunnen ragen und ſoweit ich in die Wüſte vorgedrungen, fand ich den harten Boden mit Fragmenten von Gefäßen aus rothem Thon gebrannt bedeckt. Fände dies nur an den die Wüſte durchkreuzenden Heerſtraßen ſtatt, ſo könnte man anneh- men, daß dieſelben von Karavanen herrühren; wie ſie liegen, erregen ſie Vermuthungen, daß einſt dieſen ganzen Sandſtrich blühende Felder bedeckten, deren Eigenthümer im Laufe der Zeit durch Bürgerkriege, Verfolgung und Krankheit aufgerieben worden, und da keine ſchützende – 231 – Hand mehr da war, die Felder zu bewäſſern, ſo wurden dieſelben allmählich vom Wüſtenſand überdeckt. Etwa zwei Miles weſtlich von Gal-Gariſch befindet ſich eine Höhle in den Felſen der Küſte, die uns auf Fiſchzügen während der Nacht Obdach gegeben hat. Man fängt hier mit Nachtſchnüren mehrere vortreffliche Seefiſche, darunter eine Art ganz gewaltig großer See- aale, und die Herren F. Warrington und Read nebſt Herrn Gaines machen in der geeigneten Jahreszeit meiſt wenigſtens einmal wöchentlich einen Ausflug nach dieſer Gegend. Am Abend finden ſich meiſt einige Araber der Umgegend ein, die mit den Dienern und Kameeltreibern dieſer Herren ſingen oder tanzen. Ein alter Diener Herrn F. Warrington's ſpielte häufig dazu auf einer arabiſchen Pfeife und wußte durch allerhand Späße die Geſellſchaft zu beluſtigen. Dieſer alte Schwarze hatte Herrn R. Warrington auf Richardſon's unglücklicher Expedition begleitet, war ſeinem Herrn bis ans Ende gefolgt, hatte ſeine Leiche im Wüſten- ſand begraben und brachte die letzten Grüße an die Fa- milie zurück. Seit jener Zeit iſt er bei dem Bruder des Verſtorbenen geblieben, der bei den Arabern in hoher Achtung, ja im Rufe eines Heiligen ſteht. Herr F. War- rington in Tripolis geboren, hat von ſeiner früheſten Jugend viel Sympathie für die Eingeborenen gefühlt; ſelbſt ein Chriſt, hat er gelernt ſich aller Handlungen zu enthalten, durch die oft Chriſten das Gefühl des ortho- – 232 – doxen Mahomedaners verletzen. Das Einkommen des von ſeiner Mutter ererbten bedeutenden Vermögens überſteigt die Bedürfniſſe ſeines einfachen Lebens ſo beträchtlich, daß er im Stande iſt, große Summen zu philantropiſchen Zwecken zu verwenden. Er läßt ſtets einige arme Knaben auf ſeine Koſten erziehen, eine ziemliche Anzahl Armer empfängt von ihm regelmäßige Unterſtützung, vor der Thür ſeines Gartenhauſes an der Heerſtraße, ins Innere ſtehen ſtets Gefäße mit Waſſer für den durſtenden Rei- ſenden und ſeine Kameele, Zelte und Diener ſtehen ſtets demjenigen, der ihrer bedarf, zu Dienſten. Verſchiedene Dialekte der Stämme des Innern ſprechend, das er oft beſucht, hat ſich durch dieſe Lebensweiſe ſein Name und Einfluß weit verbreitet, die Gläubigen betrachten ihn als einen Marabout oder Heiligen, deſſen Namen ſie ſegnen, und ich halte bei den Stämmen der Tripolitaner eine Empfehlung von F. Warrington an den Scheik für ein wirkſameres Schutzgeleit als einen Firman des Paſcha's. Es iſt deshalb nicht befremdlich, daß, wo immer F. War- rington's Zelt ſteht, ſich die Araber der Umgegend ein- finden. Bei einer jener Gelegenheiten führte ein alter Araber verſchiedene Gaukelſtückchen auf, tanzte mit einem gefüllten Glas Waſſer auf dem Kopf in den wunderlichſten Sprün- gen umher, und endete die Vorſtellung damit, daß er eine gefüllte Waſſerflaſche mit der offenen Mündung nach unten auf dem Kopf balancirte; dies Kunſtſtück wurde von – 233 – einem Anderen, der ſich hinter ihn geſchlichen, unterbrochen, indem er die Flaſche in die Höhe hob, worauf das her- ausſtrömende Waſſer den beſtürzten Tauſendkünſtler über- ſtrömte. Einige Anderen ergötzten ſich mit einem Spiel, ähnlich dem Damenſpiel, wozu ſie die Felder in den Sand zeichneten; ſtatt der Figuren aber der Eine Kieſel vom Strande, der Andere die runden Ballen des Kameel- miſtes benutzte. Notizen über das Volksleben in Tripolis müſſen natür- licher Weiſe mager ausfallen, denn das Ganze bietet ſeines monotonen Charakters wegen, wenig Abwechſelung dar. Die verſchiedenen Beſuche beim Paſcha und beim Scheik Ali Gergang Effendi (dem Bürgermeiſter der Stadt) und anderen vornehmen Türken wichen in nichts von der Art ab, wie andere aſiatiſche Feſtivitäten beſchrieben worden ſind, Pfeifen, Kaffee, Confect, Limonade, Früchte, Gebratenes Fleiſch, Pillau, Scherbet 2c. nebſt einſilbiger Unterhaltung. Der große Wochenmarkt der Araber bietet gleichfalls wenig Intereſſe, der Artikel ſind wenige und dieſe liegen in großen Maſſen aufgehäuft, worunter, ſollte es ein windiger Tag ſein, die gewaltigen Berge rothen Pfeffers ſich den Geruchsorganen durch einen bedeutenden Kitzel, ein häufiges Nießen hervorrufend, bemerkbar machen. Die Kameele und Pferde, die die Araber mit ſich bringen, ſind meiſt geringer Gattung, denn man läßt die beſſeren Hengſte und Stuten daheim, aus Furcht, daß ſie die Hab- ſucht türkiſcher Beamten erregen möchten. – 234 – Natürlich werden die niedrigen Stände hier ebenſo geſchunden, wie im ganzen Orient, ſo daß der Feldbauer vielleicht kaum 10 pCt. ſeiner Ernte für ſich behält, ſieht man aber die Leute an, ſo kann man ſich kaum denken, daß Jemand das Herz haben kann, dies arme Volk noch mehr auszuſaugen, denn außer einem zerlumpten Bara- kan oder Bournous, als einziges Kleidungsſtück, etwas Gerſte und Datteln, einigen Ziegen, eine Kuh oder einen Ochſen, das Land zu wäſſern, und vielleicht ein oder zwei alten Kameelen beſitzen die Leute nichts. Der Anblick der Kameele iſt mir ſtets eine Quelle der Unterhaltung geweſen. Die ſprüchwörtliche Geduld des Kameeles iſt bekannt, d. h. es iſt im Stande, bei kargem Futter und der ſchlechteſten Behandlung fort- während die ſchwerſte Arbeit zu verrichten, deshalb ſoll man aber ja nicht daraus ſchließen, daß das Kameel ein ſanftes Thier ſei. Es duldet, was über es verhängt wird; allein dabei grollt es und brummt es bei der ge- ringfügigſten Veranlaſſung ohne Unterlaß. Es iſt der mürriſche Philoſoph der Thierwelt, deſſen paſſiver Wider- ſtand gegen zugefügte Unbilden fortwährend in tiefen Gutturaltönen ſich ausdrückt. Es kommt z. B. eine Reihe beladener Kameele, und am Beſtimmungsorte angelangt, läßt der Führer das erſte niederknieen. Sogleich ertönt ein Geſchrei, als ob ein ſchwindſüchtiger Eſel im Sterben läge, das von einem zum anderen wiederholt, ſich bis ans Ende des Ganges fortpflanzt. Wird eines der – 235 – Thiere abgeladen, ſo ſchreit das andere, bis es auch ſeiner Bürde entledigt iſt; erhält eines ſein Futter früher vorgeſchüttet, ſo blöken alle Uebrigen, bis ſie auch be- friedigt ſind, und das Aufladen und Aufſtehen ruft neue Proteſtationen hervor. Hat man vielleicht vergeſſen, ein Thier zu feſſeln, indem man ihm das Halfterſeil um das Kniegelenk bindet, um es ſo am Aufſtehen zu ver- hindern, ſo macht ſich dasſelbe los, und ſollten mehrere ſich in gleicher Lage befinden, ſo iſt des Umherſpringens, Blökens, Ausſchlagens, Beißens und anderen Unfugs kein Ende. Hat ſich vielleicht in der Verwirrung noch ein Hengſt losgeriſſen, dann iſt das Unglück gar fertig; derſelbe macht ſich gleich über eine Stute her, die vor ihm davonläuft, beide Pferde fangen an auszuſchlagen, andere Araber laſſen in der Beſtürzung auch die Halftern los, und entſetzlicher Wirrwar von ſchreienden Menſchen, blökenden Kameelen, beißenden und ſchlagenden Pferden, umgeworfenen Zelten, zerborſtenen Waarenballen und zer- trümmerten Tiegeln und Pfannen füllt für die nächſte halbe Stunde die Scene. In einer Ecke des Marktes ſind gewöhnlich eine Anzahl von Schmieden beſchäftigt, entweder Pferden die kleinen flachen runden Hufeiſen aufzunageln oder Waffen auszubeſſern und ihre Schmiede iſt gewißlich eine von der primitivſten Art. Als Amboß dient entweder ein Stein oder ein Stück- chen Eiſen, oft nur wenige Pfund ſchwer, ein kleines – 236 – Loch im Sande, in das eine Handvoll Holzkohlenge- worfen, bildet den Heerd; die Bälge aber ſind zwei Leder- ſäckchen, deren er in jeder Hand eins hält, das durch Oeffnen und Schließen der Hand einen kleinen Luftſtrom durch eine im Sande bis unter das Feuer geführte Röhre entſendet. Dem Beiſpiel des Geſchichtsſchreibers folgend, der, um ſich eine lebhafte Vorſtellung von dem Leiden der franzöſiſchen Armee auf dem Rückzuge aus Rußland 1812 bis 1813 zu machen, in einer kalten Winternacht im Hemd in ſeinem Garten ſpazieren ging, beſchloß ich, die Wolluſt eines orientaliſchen Bades aus eigener Er- fahrung kennen zu lernen, und wählte deshalb die beſte der öffentlichen Badeanſtalten der Stadt. Es war mir nicht beſchieden, eine Scene aus Tauſend und Einer Nacht zu erleben. Durch eine kleine ſteingetäfelte Vorhalle, deren Wände mit abenteuerlichen Darſtellungen von Löwen, Gazellen und Palmenbäumen in gelber, ſchwarzer und grüner Farbe verziert waren, gelangte ich in eine geräumige, von einer Kuppel überragte Halle, die von oben erleuchtet, im Halbdnnkel einer blauen feuchten Atmoſphäre auf den niedrigen Plattformen, die längs der Wände hinliefen, ein halbes Dutzend Türken enthielt, die rauchend und aus kleinen Taſſen Kaffee ſchlürfend, die Zeit verduſelten, bis ihre Reihe gekommen ſei. Weder rauchend noch Kaffee trinkend, blieb mir nichts – 237 – übrig, als mich zu entkleiden und in einige nicht ſehr reinliche Tücher gewickelt, auf der Plattform hockend, der Dinge zu warten, die da kommen ſollten. Nach einiger Zeit kam ein halbnackter ſchmieriger Burſche, der mir ein Paar hölzerne Pantoffeln brachte und andeutete, ich ſolle ihm folgen. Mit einiger Schwierigkeit balancirte ich über das ſchlüpfrige Steingetäfel und ward von meinem Führer in ein inneres Gemach geleitet, in welchem Dunkel- heit, Feuchtigkeit und Hitze mich etwas confus machten, ſo daß ich mich nur langſam orientiren konnte. Ein Schüt- teln an meiner rechten Schulter, nebſt einigen gegrunzten arabiſchen Worten lenkten meine Aufmerkſamkeit nach jener Seite, und ich ſah im Halbdunkel der heißen Dünſte, daß ein neuer deus ex magina die Scene betreten hatte. Dies war ein langer, magerer, einäugiger, glatzköpfiger, alter Kerl mit einem einzigen Zahn in der Oberkiefer, der in der unheimlichen Umgebung eher einem peinigenden Dämon der Unterwelt glich, als einer Perſon durch deren Vermittelung wir Erholung und Stärkung erwarteten. Mein Peiniger deutete durch einige unverſtändliche Worte und mehrere ſehr verſtändliche Stöße an, daß ich die Tücher abſtreifen und mich auf eine in der Mitte des Raumes befindliche ſteinerne Plattform legen ſollte. Das Ding ſah aus, wie ein heidniſcher Opferheerd, und als ich ſeiner Anweiſung Folge leiſtete, konnte ich mich nicht des Gedankens erwähren, da jetzt nur noch das Opfer- meſſer über mir zu blitzen brauchte, um die Scene melo- – 238 – dramatiſch zu machen. Statt beſagten Opferinſtrumentes aber, bewaffnete ſich mein Peiniger mit einer alten groben Bürſte, die in ihrer Jugend ſtark die Blattern gehabt zu haben ſchien, drehte mich mit einem kräftigen Ruck auf das Geſicht (ich hätte dem alten Kerl kaum ſoviel Kraft zugetraut) und begann mit Seife und Bürſte mich ſo kräftig zu bearbeiten, daß ich fühlte, wie ſich die Rücken- haut ablöſte. Von Zeit zu Zeit hielt er mir mit dämo- niſchem Grinſen Hautfetzen vors Geſicht, und goß dann Kübel heißen Waſſers über mich, daß ich wähnte die Zeiten der Inquiſition ſeien zurückgekehrt. Die Operation des Frottirens hatte an den Ferſen begonnen und endete am Kopf, welches Ereigniß mir durch einen Stoß mit dem Holze der Bürſte gegen das Ende meines Craniums angekündigt ward, dann folgte eine neue Umdrehung, wobei mir ein mit Seifenſchaum gefüllter Lappen in den Mund gerieth, der Reinigungs- proceß ward auf die andere Seite ausgedehnt und zu- letzt mit dem Uebergießen mehrerer Kübel Waſſers be- ſchloſſen. In dem Grade, wie die Operation fortſchritt, wurden die Eindrücke, die ich empfing, ſchwächer und ich erinnere mich nur noch undeutlich, wie mein Peiniger mich emporrichtete, einige Worte, unter denen oft „back- scheesch“ vorkam, mit beſonders zufriedenem Grinſen an mich richtete und mich zuletzt dem dienſtbaren Geiſt übergab, der mich aus dem vorderen Gemach hierher ge- leitet. – 239 – Als meine Ideen wieder eine beſtimmtere Form an- nahmen, befand ich mich im anderen Saale, auf Kiſſen liegend, in wollene Decken eingewickelt in einem ange- nehmen Gefühle der Erſchlaffung und einer dunklen Rück- erinnerung, daß etwas ſehr Unheimliches mit mir vor- gegangen ſei. Die einzige einem Volksfeſte ſich nähernde Ceremonie, die ich hier ſah, fand am 10. Auguſt ſtatt. Seit Tages- anbruch waren die Kirchhöfe mit Leuten, meiſt Frauen gefüllt, die an den Gräbern niederhocken und mit einander discuriren, dann kommt eine andere Geſellſchaft, man begrüßt ſich und zwei Perſonen ſich gegenſeitig umarmend, beginnen ein abſcheuliches Geheul auszuſtoßen; ſind ſie damit fertig, ſo unterhält man ſich ein Weilchen, bis ein neues Paar anfängt zu heulen und ſo fort bis alle an der Reihe geweſen ſind. In den Straßen der Stadt promeniren ſich kleine Gruppen Vermummter, die vor den Häuſern tanzen. Zwei derſelben, mit Hülfe von etwas Leinewand und eines Kameelſchädels, ſuchen ein Kameel zu imitiren. Was die Bedeutung dieſes Kameels iſt, habe ich nicht verſtehen können. XII. Der Krieg der Amerikaner. Commodore Preble's Vorbereitungen. – Die Schiffe. – Die Ka- nonenboote. – Das Bombardement vom 3. Auguſt. – Lieutenant De- catur's Angriff, Heldenmuth, Gefahr und Sieg. – Lieutenant Trippe's Gefahr, Entſchloſſenheit und Erfolg. – Eindruck der verſchiedenen Bom- bardements auf die Türken. – Plan Commodore Preble's einen kühnen Handſtreich auszuführen. – Der Intrepid ein Brander.– Capitain Somers. – Der letzte Abend. – Der Feind. – Die Kataſtrophe. – Trauer um todte Helden. – Paſcha Juſſuf Caramelli und General Eaton. – Ihr gemeinſchaftlicher erfolgreicher Angriff auf Derne. – Ende des Krieges. – Rückkehr nach Malta. 16 Ein jedes Ding in der Welt hat ein Ende, ſo auch mein Aufenthalt in Tripolis. Alles, was ich bezweckt hatte, war erreicht, und da juſt ein kleiner türkiſcher Schooner von 30 Tonnen nach Malta ſegelte, ſo nahm ich Paſſage, und mit Tagesanbruch war das Fahrzeug unterwegs. Da ein ſtarker öſtlicher Wind wehte, ſo war es nicht möglich, das Ende des Riffes zu machen; da aber der Schooner nur 7 Fuß Waſſer brauchte, ſo ſe- gelten wir zwiſchen dem Ende der Hafenbatterie und der erſten Felſengruppe. So bei der Abreiſe berührte ich den Punkt, wo das Drama, das den Krieg mit Tripolis beſchloß, ſtattfand. Ehe wir jedoch bei demſelben verweilen, wird es nöthig, einen Rückblick auf die Ereigniſſe zu thun, die ſtattgefunden hatten, ſeit Lieutenant Decatur die Fregatte Philadelphia im Hafen von Tripolis verbrannte. Es war im Monat Auguſt des Jahres 1804, daß der Krieg mit Tripolis endlich zur Entſcheidung kam, und während der Zeit von drei Wochen fanden nicht weniger als fünf allgemeine Bombardements nebſt meh- reren kleineren Actionen ſtatt. – 244 – Die Siren und Intrepid kehrten nach Syracus zurück, wo ſie Commodore Preble vorfanden, der bereits einige der kleineren Schiffe nach Tripolis entſandt hatte, um die Blockade fortzuſetzen, und jetzt emſig beſchäftigt war, ſich ſolche kleine Fahrzeuge zu verſchaffen, als zur erfolgreichen Beendigung des Feldzuges durchaus erforderlich waren. Die Siren 16 und der Nantilus 12 hatten vor Tripolis eine Brigg (der Transfer) von 16 Kanonen und 80 Mann genommen, die verſucht hatte die Blockade zu brechen, die obſchon ſich für einen engliſchen Caper ausgebend und mit einem britiſchen Caperbrief verſehen, dennoch dem Paſcha von Tripolis zugehörte, der Schiff und Papiere durch Vermittelung ſeines Conſuls in Malta, eines Mal- teſen, erhalten hatte; dieſe Brigg wurde bemannt und unter dem Namen Scourge, vom Lieutenant Dent com- mandirt. Neapel befand ſich zu jener Zeit gleichfalls in Krieg mit Tripolis, und auf Vorſtellung Commodore Preble's bewilligte die Regierung zwei Bombarden und ſechs Kanonenboote, die von den Amerikanern ſogleich ausge- rüſtet und bemannt wurden. Am 25. Juli endlich langte die ganze Flotte vor Tripolis an. Sie beſtand aus der Conſtitution 44, Commodore Preble; Siren 16, Lieutenant Stewart; Argus 16, Lieutenant Hull; Scourge 14, Lieutenant Dent; Vixen 12, Lieutenant Smith; Nantilus 12, Lieutenant Somers; Enterpriſe 12, Capitain Decatur, der mittler- –– 245 – weile zu dieſem Range befördert worden; nebſt den zwei Bombarden und ſechs Kanonenbooten. Leider waren die Geſchütze der Flotte außer allen Verhältniſſen mit der ihnen entgegenſtehenden Streitmacht. Im Ganzen be- fanden ſich an Bord 28 ſchwere lange Geſchütze, von denen die größten 26pfünder in der Conſtitution waren, und außerdem waren noch etwa 20 andere von genügen- dem Caliber, um bei einem Bombardement von Nutzen zu ſein. Die geſammte Mannſchaft belief ſich auf 1060 Mann. Die Stärke des Feindes beſtand aus 115 ſchweren Geſchützen, eine Batterie im Hafen, vier Galeeren, zwei Schooner, einer Brigg; alle ſtark bemannt und ſchwer bewaffnet, und 19 Kanonenboote, die ihrer Bewaffnung nach ſelbſt ſchon die Fregatte aufwogen, 25.000 Araber und Türken bildeten die Garniſon. Den einzigen Vortheil, den die Amerikaner hatten, beſtand in ihrer vorzüglichen Disciplin. Am 3. Auguſt 1804 um halb ein Uhr machte der Commodore das Signal für alle Commandanten, an Bord des Flaggenſchiffes zu kommen. Jeder empfing ſeine letzten Inſtructionen, die Bombarden und Kanonen- boote wurden bemannt und die folgenden Officiere über- nahmen reſp. deren Commando. Die Bombarden Lieute- nant Dent von der Scourge und Lieutenant Robinſon von der Conſtitution. Die erſte Diviſion der Kanonen- boote Nr. 1 Lieutenant Somers vom Nantilus; Nr. 2 Lieutenant James Decatur vom Nantilus; Nr 3. Lieute- – 246 – nant Blake vom Nautilus. Zweite Diviſion Nr. 4 Ca- pitain Decatur von der Enterpriſe; Nr. 5 Lieutenant Bainbridge von der Enterpriſe; Nr. 6 Lieutenant Trippe von der Vixen. In weniger als einer Stunde waren alle Vorbereitungen getroffen, um halb zwei begann man gegen die Stadt vorzurücken, um zwei Uhr wurden die Schlepptaue der Kanonenboote losgelaſſen und eine halbe Stunde ſpäter wehte vom Maſte der Conſtitution das Signal: „Feind auf Kartätſchenſchußweite engagiren.“ Der Angriff begann, indem die beiden Bombarden an- fingen, Bomben zu werfen; augenblicklich verwandelten ſich die feindlichen Batterien in einen Feuerſtrom, und die Schiffe von beiden Seiten begannen die Kanonade in dem Maße, wie ſie ſich näherten. Da die öſtliche oder windwärts befindliche Diviſion der feindlichen Kanonenboote, neun an der Zahl, am wenigſten gedeckt war, ſo ſuchten die amerikaniſchen Ka- nonenboote vorzugsweiſe ſich ihnen zu nähern, allein die mangelhafte Beſchaffenheit dieſer letzteren machte es äußerſt ſchwierig für Alle dies gleichzeitig zu thun. Sobald Ca- pitain Decatur mit ſeiner Diviſion auf den Feind los- ſtürmte, um ihn zu entern, fand es Lieutenant Somers, der ſich etwas leewärts befand, ſchwierig mit ſeiner Di- viſion zu folgen. Da dieſer letztere Officier nach ver- ſchiedenen vergeblichen Verſuchen davon abſtehen mußte den Feind auf dieſem Punkt anzugreifen, ſo wählte er ſich eine zweite Diviſion von fünf Booten, etwas weiter – 247 – leewärts. Nr. 5 hatte durch eine Kugel ſeine Raae ver- loren, konnte folglich nicht Schritt halten, ſtatt deſſen jedoch war es Nr. 2 Lieutenant James Decatur von Lieu- tenant Somers Diviſion gelungen, ſich mit ſeinem Bruder zu vereinigen, der jetzt mit Nr. 4, 6 und 2 mit Hülfe von Rudern und Segeln ſich dem Feinde ſchnell näherte, auf Piſtolenſchußweite ſeine erſte Kartätſchenlage feuerte und gleich darauf Befehl zum Entern gab. Bis jetzt war das Verhältniß der Amerikaner zu den Feinden wie 1 zu 3 geweſen, jetzt aber, wo ſie nicht länger vom Feuer ihrer eigenen Schiffe unterſtützt werden konn- ten, die Batterien des Feindes dahingegen auf ſie zu ſpielen begannen, ward das Mißverhältniß noch größer, denn die feindlichen Briggs und Schooner nahmen jetzt am Gefecht Theil und die türkiſchen Kanonenboote waren nicht nur bei weitem die größten und beſten, ſondern auch ſtärker bemannt worden. Der ſich jetzt entſpinnende Kampf nahm einen Charakter ritterlichen Muthes und verzwei- felter perſönlicher Anſtrengungen an, die mehr den Kämpfen des Mittelalters glichen, als dem gemeſſenen Ernſt mo- derner Schlachten und die Schilderung der Details gleicht mehr einer romanhaften Erzählung, als der Beſchreibung nüchterner Thatſachen. Capitain Decatur in Nr. 4 führte, und kaum hatte er ſeinem Gegner mit einem plötzlichen Kugelregen über- ſchüttet, als auch ſchon ſein Boot neben dem des Feindes lag, und er ſelbſt, gefolgt von Lieutenant Thorn, Mr. – 248 – Mc. Donough und ſeiner ganzen Mannſchaft, an Bord desſelben ſprang. Eine lange offene Luke theilte das feind- liche Verdeck der Länge nach in zwei Hälften und als die Amerikaner auf der einen Seite angriffen, zogen ſich die Türken auf die andere Seite zurück. Dies verurſachte eine kurze Verzögerung, welche die Amerikaner benutzten ſich zu ſammeln, dann an beiden Enden die Feinde an- zugreifen, einen Theil von ihnen zu tödten oder zu ver- wunden, während der Reſt ins Waſſer ſprang oder ſich ergab. Kaum ſah ſich Capitain Decatur im Beſitz ſeiner Priſe, als er ſie ins Schlepptau nahm und ſogleich das nächſte Boot angriff, enterte und mit dem größten Theil der Mannſchaft an Bord ſprang. Der türkiſche Capitain war ein athletiſcher Mann und zwiſchen ihm und Capitain Decatur entſpann ſich ein Zweikampf; letzterer war mit einer Enterpike bewaffnet, die ihm von ſeinem herkuliſchen Gegner entriſſen und von dieſem gegen ihn gewandt ward. Der Stichward mit dem Schwert parirt, allein bei einem Verſuch das Eiſen vom Schaft abzuhauen brach die Klinge und da der muthige Decatur jetzt nur noch mit dem Arm pariren konnte, ſo empfing er den Stoß in die Muskeln der Bruſt. Es gelang ihm durch eine geſchickte Wendung ſich wieder frei zu machen und mit dem Türken um den Beſitz der Waffe zu ringen, dieſer aber warf ſeinen Gegner nieder, beide kamen nebeneinander auf das Verdeck zu liegen und der ſtärkere Mann ſuchte eben nach ſeinem – 249 – Dolche, um dem Kampfe ein Ende zu machen. In dieſem kritiſchen Moment, wo Leben und Tod an einer geſchickten Benutzung des Augenblicks hingen, gelang es Capitain Decatur ein kleines Piſtol aus der Weſtentaſche zu ziehen, ſeinen Arm um den Gegner zu bringen und die Mündung nach Innen wendend, den tödtlichen Schuß abzufeuern. Die Kugel drang durch den Körper des Türken und blieb in Decatur's eigenen Kleidern ſtecken, im nächſten Augen- blick ward der eiſerne Griff, der ihn zu Boden drückte, ſchwächer, Decatur ſprang auf und der Türke lag todt zu ſeinen Füßen. Natürlich ging dieſer Zweikampf der Führer nicht un- bemerkt vorüber. Einer der Feinde holte aus, um durch einen Säbelhieb Decatur den Kopf zu ſpalten, während dieſer mit ſeinem eigenen Gegner beſchäftigt war; ein junger Matroſe von der Enterpriſe nahm die Gefahr früh genug wahr, um mit ſeinem Arm den Hieb aufzu- fangen, es gelang ihm das Leben ſeines Capitains mit dem Verluſt ſeines Armes zu retten. – Bald nachher war auch dieſes zweite Boot genommen. Die zwei von Capitain Decatur eroberten Boote, hatten ungefähr 80 Mann an Bord, von denen 52 Mann getödtet und verwundet wurden, von den Gefangenen waren nur 8 unverwundet und mehrere ertranken, als ſie verſuchten die Felſen ſchwimmend zu erreichen. Mittlerweile hatten ſich ſämmtliche feindliche Boote hinter das Felſenriff zurückgezogen, Capitain Decatur nahm – 250 – deshalb auch ſeine zweite Priſe ins Schlepptau und ver- einigte ſich wieder mit dem Geſchwader. Während Capitain Decatur ein ſo heldenmüthiges Beiſpiel gab, bemühte ſich ſein Bruder James Decatur, der erſte Lieutenant vom Nantilus im Boote Nr. 2, dasſelbe nachzuahmen. Gleichwie Nr. 4 ſein Feuer bis zuletzt ſparend, ſprang er nach dem Bord des Feindes, allein im Augenblick, wo die Boote zuſammenſtießen und wieder von einander prallten, empfing er eine Flinten- kugel in die Stirn und in der darauf folgenden Ver- wirrung gelang es den Türken zu entkommen. Mittlerweile war Lieutenant Trippe in Nr. 6 nicht müßig. Gleich den Uebrigen feuerte er auf Piſtolenſchuß- weite und ſprang mit einem Theil der Mannſchaft an Bord des Feindes, allein durch die Heftigkeit des Bootes prallten die Boote wieder von einander, ohne daß alle Amerikaner ihrem Führer folgen konnten, und ſo ſah ſich Lieutenant Trippe mit J. D. Henley und neun Mann allein dem Feinde gegenüber. Hier gleichfalls waren die beiden Befehlshaber auf einander geſtoßen; der große athletiſche Türke war ſeinem ſchwächlichen Gegner phy- ſiſch weit überlegen und es gelang ihm, dieſem nicht weniger als acht Hiebwunden am Kopf und an der Bruſt beizubringen, und ihm mit einem neunten über die Stirn auf die Knie niederzuwerfen, als dieſer letztere mit einer verzweifelten Anſtrengung ihm die kurze Pike, mit der er bewaffnet war, durch die Bruſt rannte. So- – 251 – bald die Türken ihren Befehlshaber fallen ſahen, ergaben ſie ſich. Dies Boot war eines der größten; wie ſtark die Mann- ſchaft war konnte nicht ermittelt werden, die Zahl der Todten und Gefangenen war 36, von denen 15 unver- wundet waren, und zieht man in Betracht, daß dieſen nur 11 Amerikaner entgegenſtanden, ſo ſtellt ſich dies Gefecht als eine der heldenmüthigſten Waffenthaten dar. Während dieſer ganzen Zeit dauerte das Bombarde- ment unausgeſetzt fort. Lieutenant Somers in N. 1 unter- ſtützt von den Briggs und Schoonern hatte alle feindlichen Boote zurückgetrieben und ſo hart verfolgt, daß er ge- nöthigt war, bei der Rückkehr dicht unter einer Batterie von 12 Kanonen zu paſſiren, der Wind war leicht und die Vernichtung des Bootes ſchien uuvermeidlich, als glücklicher Weiſe eine Bombe in die Batterie fiel, platzte und die Bemannung von den Kanonen trieb. Ehe ſich der Feind von ſeiner Beſtürzung erholt hatte, war das Boot von einem der kleineren Schiffe ins Schlepptau genommen. - Eine feindliche Diviſion von fünf Booten, die hinter dem Riff in Reſerve gehalten worden war, ſuchte den Rückzug der Amerikaner mit ihren Priſen abzuſchneiden, wurden aber durch das Feuer der Fregatte daran ver- hindert. Um halb fünf Uhr wendete ſich der Wind gegen Nor- den, das Flaggenſchiff machte Signal für die Kanonen- – 252 – boote und Bombarden ſich mit dem Geſchwader zu ver- einigen, und nachdem während einer Viertelſtunde die Fregatte allein den Rückzug gedeckt, ſegelte auch ſie außer- halb der Schußweite. So endete der erſte Angriff, der auf die Stadt und die Batterien von Tripolis ſtattfand, und der Eindruck, den derſelbe auf den Feind machte, war ein ſehr heil- ſamer. Die Ueberlegenheit der Chriſten im Segeln und im Gebrauch der Kanonen war früher bereits eingeſtanden worden, allein hier wurden die Türken zum erſten Male von einer geringen Anzahl im Gefecht mit der blanken Waffe, mit der ſie ſich ſo überlegt geglaubt, überwunden. Außer den drei genommenen Booten wurden noch drei im Hafen geſunken und der Verluſt in den Batterieen muß beträchtlich geweſen ſein. Der Verluſt der Amerikaner betrug vierzehn Todte und Verwundete, die alle mit Ausnahme eines einzigen zu den Kanonenbooten gehörten. Im Laufe des Monats fanden noch fünf Bombarde- ments, ſowie mehrere kleine Gefechte ſtatt, in denen die Türken ſtets beträchtliche Verluſte erlitten; allein da es an kleinen Schiffen, ſowie an Landungstruppen fehlte die errungenen Vortheile zu benutzen, ſo gelang es nicht den Schluß dieſes Krieges augenblicklich herbeizuführen. Dieſe mehrfachen Bombardements, ſowie die beſtän- digen Verluſte, die die Tripolitaner erlitten, hatten jedoch nicht verfehlt, Eindruck auf den Paſcha zu machen, der – 253 – jetzt bereits alle Hoffnungen auf einen zukünftigen Tribut aufgegeben hatte und nur noch darauf beſtand, für jeden der Gefangenen ein Löſegeld zu erhalten. Commodore Preble verweigerte jedoch, den Frieden auf anderer Baſis zu verhandeln, als unter civiliſirten Nationen gebräuchlich, und Jedermann hoffte, daß wenn es gelänge, einen ein- zigen empfindlichen Schlag auszuführen, die Feindſelig- keiten bald ein Ende haben würden. Der Brigg-Schooner, den Capitain Decatur zur Verbrennung der Philadelphia benutzt hatte, war von dem Geſchwader bis jetzt als Transport zwiſchen Tri- polis und Malta benutzt worden. Man verwandte jetzt dieſes Fahrzeug als einen Brander, der in den Hafen geſendet, zwiſchen den Kreuzern des Feindes explodiren ſollte. Zu dieſem Zweck war vor dem Hauptmaſt ein Ma- gazin errichtet worden, das hundert Faß Pulver enthielt, und auf dem Verdeck darüber befanden ſich 50 Bomben von 13 Zoll und hundert dergleichen von 9 Zoll Durch- meſſer, ſowie eine Quantität von Steinen, Stücken Eiſen und dergleichen. Außerdem war eine andere Abtheilung mit Holzſpähnen und anderem leicht brennbaren Material gefüllt; dieſe hatten den doppelten Zweck, entweder das Pulver zu entzünden, wenn durch Zufall die Lunten ver- löſchen ſollten, gleichfalls aber durch die Feuersbrunſt den Feind, eine augenblickliche Exploſion befürchtend, vom Entern abzuhalten. – 254 – Der Plan war gut ausgedacht und man hoffte die erſte dunkle Nacht zu benutzen, um den Brander ſo weit als möglich in den Hafen zu bugſiren und das Feuer in dem hinterm Magazin zu zünden; dann ſollte ſich die Mannſchaft in den Booten zurückziehen. Ebenſo waren die Anſtalten zur Ausführung mit Vorſicht und Umſicht getroffen, allein nichtsdeſtoweniger war das Unternehmen ein Verzweifeltes. Es war erforderlich, mit einem lang- ſam ſegelnden Schiffe mit leichtem Wind in der Nacht durch die weſtliche oder kleinere Paſſage direct unter die feindlichen Batterien zu ſteuern, deren Feuer man nur dadurch vermeiden konnte, daß man für ein Schiff ge- halten wurde, das die Blockade zu forciren gedachte. Es war gleichfalls nöthig, dicht unter die Batterien hinzu- ſegeln, um in die Mitte der Kanonenboote und Galeeren zu gelangen. Die verſchiedenen Gefahren, denen die Be- mannung ausgeſetzt war, ſind nicht nöthig zu ſpecificiren; denn eine Kanonade in ſo geringer Entfernung gegen ein mit Pulver gefülltes Fahrzeug gerichtet, wäre an ſich ſchon äußerſt gefährlich, und ſelbſt nachdem das Unter- nehmen glücklich ausgeführt, war der Rückzug ein gefähr- licher, denn bei dieſem Dienſt ließ ſich nicht erwarten, daß der Feind Quartier geben würde. Nur ein muthiger Officier, von der größten Kalt- blütigkeit beſeelt, konnte mit dem Commando dieſer Ex- pedition beauftragt werden; ein ſolcher war Capitain Somers, der ſich zuerſt für dieſen Dienſt gemeldet, dem – 255 – es aber auch außerdem als älteſter Officier zukam, und der durch die Großmuth, mit der er Capitain Decatur den Vorrang beim Verbrennen der Philadelphia geſtattet, ſich die gerechteſten Anſprüche auf dieſe Ehre erworben hatte. Lieutenant Wadsworth von der Conſtitution durfte ihn als zweiter im Commando begleiten, allein da dieſe beiden Officiere mit einigen Matroſen genügten, um das Fahrzeug zu dirigiren, ſo wurden alle weiteren Geſuche abgewieſen. Am 3. September hatte das fünfte und letzte Bom- bardement ſtattgefunden, und da der 4te eine dunkle Nacht verſprach, zugleich auch der gewünſchte öſtliche Wind wehte, ſo wählte man dieſen zur Ausführung des Vor- habens. Commodore Preble, der dem Gelingen dieſes Streiches viel Wichtigkeit beilegte, hatte alle Vorberei- tungen bis in die geringfügigſten Details ſelbſt überwacht, und ſeine Vorſorge ward womöglich noch erhöht durch ſeine Kenntniß des Charakters der Officiere, die mit der Ausführung beauftragt wurden, und die wiederholt aus- geſprochen, daß ſie ſich weder gefangen nehmen, noch die Ammunition in die Hände der Feinde fallen laſſen würden. Letzterer Punkt war von großer Wichtigkeit, da die Tri- politaner gleich den Amerikanern anfingen, Mangel an Pulver zu leiden. Am Vorabend des vierten ſtellte der Commodore in ſeiner Cajüte mit Capitain Somers und einigen anderen Officieren Verſuche mit den Zündern an, und fand, daß dieſelben etwas zu langſam brannten – 256 – Und daß dadurch der Feind Zeit gewinnen möge, dieſelben auszulöſchen. Capitain Somers bemerkte ruhig: „Ich brauche gar keine Zünder.“ Die zwei ſchnellſten Boote des Geſchwaders waren ausgewählt worden, die Be- mannung zurückzubringen; eines von der Conſtitution mit ſechs Rudern und eines von der Siren mit vier Rudern die mit Freiwilligen von der Conſtitution und dem Nautilus bemannt waren. Im letzten Augenblick fand Midſhipman Iſrael, deſſen Geſuch, die Expedition mitzumachen, abſchlägig beantwortet worden war, Ge- legenheit ſich an Bord zu ſchmuggeln, und wegen ſeines oft bewährten Muthes ward ihm geſtattet, dort zu bleiben. Um acht Uhr Abends war Alles bereit, und der Intre- pid, begleitet vom Argus, Vixen und Nautilus ſegelte ab, ſpäter folgte auf Befehl des Commodores noch die Siren. Der Nautilus, Capitain Somers eigenes Schiff, blieb am längſten bei ihm, bis nahe am Eingange des Hafens, wo man dann hinter den Felſen ankerte, um nicht Argwohn zu erregen. Die letzte Perſon des Ge- ſchwaders, die mit Capitain Somers ſprach, war Mr. Waſhington Reed, erſter Lieutenant des Nautilus, der ihn ungefähr um 9 Uhr verließ, und bis zu dieſer Zeit war Alles am Bord des Branders in beſter Ordnung. Man bemerkte jedoch nahe der Paſſage, durch die man zu ſegeln hatte, drei feindliche Kanonenboote, und die letzten Worte, die der erfahrene Decatur an ſeinen – 257 – Freund richtete, ehe er ihm Lebewohl ſagte, waren eine Ermahnung zur Vorſicht gegen dieſelben. Die See war mit einem dichten Nebel bedeckt, doch konnte man die Sterne wahrnehmen, und das Letzte, was man vom Intrepid ſah, war die ſchattenähnliche Form ſeiner Segel, als das Schiff langſam aber ſtätig in das Dunkel hineinſteuerte, in dem die Augen ſo vieler be- ſorgter Zuſchauer nach ſeine Umriſſe zu ſehen wähnten, als ſie ſchon lange für immer ihren Blicken entſchwunden waren. Dieſes Verſinken im Schatten der Nacht war eine traurige Verkündigung des undurchdringlichen Ge- heimniſſes, das das Schickſal der muthigen Männer, die dahin ſegelten, für alle Zukunft einhüllte. Der Intrepid, als man ihn zuletzt ſah, befand ſich etwa einen Büchſenſchuß vom Ende der Hafenbatterie, ein Officier jedoch des Nautilus, des nächſten Schiffes, behauptete ihm mit dem Nachtglas bis zuletzt gefolgt zu ſein. Es verbreitete ſich ſpäter das Gerücht, daß er auf den Felſen geſtrandet ſei, allein dasſelbe ward nicht ge- nügend bekräftigt, um Glauben zu verdienen, im Gegen- theil es ſcheint, daß man bis zum letzten Augenblick unter Segel geweſen ſei. Jetzt begannen die Batterieen nach jeder Richtung zu feuern, aus der ſich ein Feind erwarten ließ und wahrſcheinlich war dasſelbe zugleich auf den Brander gerichtet. Es folgte nun eine kurze Zeit athem- loſer Erwartung, deren Dunkel und Stille nur durch die Blitze und das Gedröhn der feindlichen Kanonen unter- 17 – 258 – brochen wurde; plötzlich erleuchtete ein gewaltiger Blitz Land und Meer, ein Feuermeer ſtrömte empor und der darauf folgende Knall erſchütterte die Schiffe der Rhede bis zum Kiel. Dieſer Blitz ward von einer noch viel tieferen Dunkel- heit gefolgt, die Batterieen verſtummten plötzlich, als ob ſie vernichtet ſeien, der Maſt des unglücklichen Fahrzeuges mit brennenden Segeln erhob ſich hoch in die Luft, um- geben von vielen brennenden Bomben, die theilweiſe auf die Felſen fielen, während andere im Waſſer erlöſchten, einige Schreckensrufe wurden aus der Stadt hörbar, dann folgte tiefe Stille, als ob Tripolis eine große Grabſtätte geworden ſei. Hatte ſchon vorher jeder mit angeſtrengter Aufmerk- ſamkeit gelauſcht, ſo blickte jetzt jedes Auge mit doppelter Spannung in das Dunkel der Nacht. Matroſen mit La- ternen ließen ſich an Seilen über Bord und hielten das Ohr nahe der Oberfläche des Waſſers, um aus der Ferne die Ruderſchläge zu hören, und oft wähnte man, daß ſich die kühnen Abenteurer näherten, allein ſie erſchienen nicht. Stunde nach Stunde ſchwand dahin und immer ſchwächer ward die Hoffnung. Gelegentlich ziſchte eine Signalrakete in die Luft oder ein Kanonenſchuß dröhnte dumpf von der Fregatte herüber, als Signal für die Boote, allein die Augen, die die erſteren ſehen ſollten, hatten ſich für immer geſchloſſen, und der Schall der letzteren traf das Ohr von Todten. - – 259 – Die drei den Brander begleitenden Schiffe blieben bis Tagesanbruch dem Schauplatz des Dramas nahe, allein nur einige Trümmer des Intrepid waren ſichtbar, keine Spur jedoch von der Mannſchaft. Das Wrack des Maſtes lag auf den Felſen, nahe dem weſtlichen Eingang, und hier und da ſchwammen Fragmente des Fahrzeuges umher. Das größte der feindlichen Kanonenboote war verſchwun- den und zwei andere, die ziemlich beſchädigt ſchienen, wurden eben aufs Ufer gezogen, die drei aber, welche am Abend vor dem Hafen gelegen, waren nicht mehr zu ſehen. Der Stadt und dem Schloß des Paſcha's war keinerlei Schaden widerfahren, ſo daß der traurige Verluſt, den die Amerikaner erlitten, durch keinen entſprechenden Vortheil aufgewogen ward. Das tragiſche Ende des Intrepid und ſeiner Be- mannung war der Schlußact der Kämpfe vor Tripolis. Die ſtürmiſche Jahreszeit nahte ſich wieder, in der es nicht räthlich, ein zahlreiches Geſchwader an einer feind- lichen Küſte bloszuſtellen; überdies waren die Ammuni- tionen beinahe aufgebraucht, deshalb ließ Commodore Preble die Mörſer und Kanonen aus den kleinen Fahr- zeugen herausnehmen, entſendete den größten Theil des Geſchwaders nach Syracus und ſetzte nur mit der Conſtitution, begleitet vom Argus und der Vixen, die Blockade fort. - Am 10. September erſchien die Fregatte Präſident 44, Commodore Barron, der Commodore Preble in der Con- – 260 – ſtitution ablöſen ſollte, und dieſer letztere übergab ihm ſofort das Commando, um nach den Vereinigten Staaten zurückzukehren. Bei ſeiner Heimkehr ward er mit großen Ehren empfangen, mit einem Ehrenſäbel beſchenkt und der Congreß ſtattete dem Commodore, ſeinen Officieren und der Mannſchaft ein einſtimmiges Dankesvotum ab; zugleich die Theilnahme der Nation am Verluſt den Ver- wandten von Capitain Richard Somers, Lieutenant Henry Wadsworth, James Decatur, James R. Caldwell und den Midſhipman Joſeph Iſrael und John Sword Dorſey ausdrückend. Ein dem Andenken dieſer Officiere gewid- metes Denkmal ſteht vor dem öſtlichen Hauptportal des Capitols in Waſhington; die Geſchütze aber der in dieſem Kriege genommenen Kreuzer befinden ſich in der Waſhing- ton Navy-A)ard. Die Bereitwilligkeit des Paſcha's, jetzt zu unterhan- deln, hatte noch einen anderen Grund, als die energiſche Weiſe, in der Commodore Preble die Stadt bedrängte. Juſſuf Caramelli, der regierende Paſcha, war ein Uſur- pator, der einen ſeiner älteren Brüder ermordet hatte, während der andere bei den Mamelucken in Egypten Zuflucht gefunden hatte. Dieſer Letztere ſah in dem Kriege ein Mittel, ſeinen verlorenen Thron wieder zu erobern, in welchem Glauben er von Mr. Eaton, früheren amerikaniſchen Conſul in Tripolis, beſtärkt ward. Letzte- rem gelang es, ſeine Regierung für die Unterſtützung des vertriebenen Fürſten zu intereſſiren. Einem kleinen Trupp – 261 – von Abenteurern aller Nationen, die Mr. Eaton, der früher Officier in der Armee der Vereinigten Staaten geweſen, in Egypten geworben, ſchloſſen ſich täglich Ein- geborene an, und es wäre ein Leichtes geweſen, ihre Zahl auf 30,000 zu bringen, hätte man Subſiſtenzmittel für ſie gehabt, ſo viele Bewohner von Tripolis hatten ſich vor der Grauſamkeit Juſſuf Caramelli's geflüchtet. Dieſe kleine Armee marſchirte durch die Wüſte von Barka nach Derne, und in der Nähe der Stadt angelangt, ſtießen zwei amerikaniſche Kriegsſchiffe zu derſelben, um ſie ſo- wohl mit Waffen und Ammunition, als auch durch thätige Theilnahme zu unterſtützen. Der Angriff ward ungefähr von 1200 Mann gemacht, von den beiden Schiffen unter- ſtützt, der etwa 4000 Mann ſtarke Feind aus der Stadt getrieben und zum erſten und einzigen Male wehten die Sterne und Streifen Amerikas über einem eroberteñ Theil der alten Welt. Kurze Zeit darauf kam der Friede zu Stande, die Gefangenen wurden Mann für Mann ausgelöſt und die noch in der Sklaverei befindlichen Amerikaner mit einer Summe von 60,000 Dollars frei- gekauft. Von einem Tribut war keine Rede mehr. Tripolis blieb eine Beute innerer Unruhen und in den Jahren 1833–35 währte ein hartnäckiger Bürger- krieg; während eines Zeitraums von beinahe drei Jahren wurden die Thore der Stadt nicht geöffnet und die meiſten europäiſchen Kaufleute waren genöthigt, in der Umgegend Zuflucht zu ſuchen. Endlich bot der Sultan in Conſtan- – 262 – tinopel ſeine Vermittelung an, die von der Partei in der Stadt angenommen ward; eine türkiſche Flotte erſchien, man lud den Paſcha ein an Bord zu kommen, und als er der Einladung Folge leiſtete, ſah er ſich plötzlich ein Gefangener; die Stadt ward beſetzt und die Bewohner nach einiger Zeit gleichfalls unterworfen. Seit jener Zeit iſt Tripolis ein Theil des ottomaniſchen Reiches gewor- den, ein Paſcha regiert im Namen des Sultans, und ſpätere Verſuche der entfernteren Araberſtämme, ſich un- abhängig zu machen, endeten ohne Reſultat. Die Gar- niſon der Stadt beſteht etwa aus 5000 Mann, theils Infanterie, die in der Stadt garniſonirt, theils Caval- lerie und Artillerie, die der größeren Bequemlichkeit halber außerhalb derſelben ihre Caſernen hat. Für die Mehr- zahl der Einwohner iſt es eine gleichgültige Sache, ob ſie von einem türkiſchen Paſcha im Namen des Sultans geplündert werden, oder ob ihr Herrſcher ſie in ſeinem eigenen Namen plündert, der Plünderung können ſie doch nicht entgehen. - Eine friſche öſtliche Brieſe brachte uns ſchnell genug über die erſten 60 Miles, dann kamen leichte Brieſen, Windſtille und contraire Winde. Ein ſo kleines Fahr- zeug iſt bei einer bewegten See ein böſer Prüfſtein für die Geduld und den Magen des Reiſenden. Wer dieſen Zuſtand kennen zu lernen wünſcht, ohne zur See zu gehen, der nehme ein leeres Faß von mäßiger Größe, – 263 – werfe es ins Waſſer und verſuche ſich auf dasſelbe zu ſetzen. Am vierten Tage waren wir in Sicht von Malta. Unſer Capitain hatte nicht einmal einen Sextanten an Bord, konnte alſo nicht, gleich dem Capitain der Gloria Carmeli, jeden Mittag die Operation vornehmen, zu ſehen, wenn die Sonne am höchſten ſtand. Seine Zeit- eintheilung richtete ſich mehr nach ſeinem Appetit, als nach dem Stande der Geſtirne, allein „der Herr nimmt ſich der Spatzen und der Schneider an“, und ſo trafen wir nicht nur die Inſel Malta, ſondern auch juſt die Paſſage zwiſchen Malta und Gozo. Herzlich freute ich mich, wieder in der Nähe von chriſtlichem Land zu ſein, denn mit Türken zur See zu gehen, heißt ſich muthwillig in Gefahr begeben. Das Verzehren von Schinken und Trinken von Wein verfehlte niemals einen frommen Ab- ſcheu zu erregen und gab ſpäter zu allerhand unange- nehmen Bemerkungen und Grimaſſen Veranlaſſung. Es iſt am Lande nicht angenehm, in Unfrieden mit Denen zu leben, in deren Umgebung man ſich befindet, noch viel weniger aber zur See, wo, wenn es zum Aergſten gekommen wäre, ein halbes Dutzend Mahomedaner leicht einen Einzelnen über Bord drängen können, ohne daß Jemand groß nach ihm fragt. Der Reſt meiner Pro- viſionen beſtand aus Tomatoes, Zwiebeln, Brod und Früchten, und da erſtere und letztere bald verdarben, ſo war ich während der letzten drei Tage auf Brod und Zwiebeln angewieſen, denn erſt am Abend des fünften – 264 – Tages gelang es uns, die Paſſage zu vollenden. Leichte und contraire Winde erlaubten uns nicht, durch die Paſſage zu gehen, und bei Einbruch der Nacht glaubte ſich unſer haſenherziger Capitain nicht ſicher und ſteuerte auf die See hinaus. Am Nachmittag des fünften Tages wehte uns eine leichte Brieſe glücklich auf die Nordſeite der Inſel, allein noch waren wir 20 Miles von Valetta; der Capitain wünſchte für die Nacht zu ankern, allein fürchtend, daß am nächſten Morgen der Wind weniger günſtig ſein möge, wußte ich ihn glauben zu machen, daß ich genau mit der Küſte bekannt, kein guter Ankergrund nahe ſei, und erbot mich, das Schiff auf meine eigene Verantwortung in den Hafen zu lootſen. Nach einigem Zögern ward mein Anerbieten angenommen, und mit Hülfe einer kleinen Karte von Malta, die ich beſaß, ſteuerte ich ohne weiteren Unfall in den Quarantaine- Hafen, wo wir gegen Mitternacht vor Anker gingen. XIII. Die Rückkehr. In Quarantaine. – »En pratique«. – Abſchied von Malta. – Der Quirinal. – Die Küſte von Sicilien. – Annäherung von Meſſina. – Der Hafen. – Die Polizei. – Cicerone. – Die Stadt. – Die Straßen. – Der Schmutz. – Die Kirchen. – Die Umgegend. – Das Landvolk. – Ausſicht vom Gebirge. – Sonntagabend in der Stadt. – Weiterreiſe. – Scylla und Charybdis. – Die lipariſchen Inſeln. – Stromboli. – Ein Gewitter. – Die Bai von Neapel. – Mehr Polizei. – Das Muſeum der pompejaniſchen Alterthümer. – Pompeji. – Die Lava des Veſuvs. – Ein gefährlicher Scherz. – Civita Vecchia. – Livorno. – Ein Ausflug nach Piſa. – Die Kathedrale, das Baptiſte- rium und das Campo Santo. – Der hängende Thurm. – Eine Revo- lution ohne Unordnung. – Elba. – Genua. – Aleſſandria. – Lago Maggiore. – Die Alpenjäger. – Der St. Gotthardtspaß. – Das Ende der Sommereiſe. Den aus den Barbareiſtaaten zurückkehrenden Reiſenden iſt es zur Zeit nicht geſtattet ſeinen Weg ſogleich von Malta aus weiter fortzuſetzen, ſondern er fällt vorerſt einer gewiſſen Anſtalt, „Quarantaine“ benannt, in die Hände, die weder Rückſicht auf Alter noch Geſchlecht nimmt, ſondern alle mit gleicher Unparteilichkeit ins Ge- fängniß ſchickt. Am Bord unſeres Schooners waren alle geſund, in Tripolis, von wo wir kamen, hatte man ſeit fünfzehn Jahren keinen Fall von Peſt wahrgenommen, und in Ben-Ghazi 500 Miles von Tripolis, wo während der letzten zwei Jahre dieſe Krankheit geherrſcht, brachte eine eben angelangte engliſche Brigg die Nachricht, daß auch dort ſeit 45 Tagen kein Fall mehr vorgekommen. Nichtsdeſtoweniger wurden wir zur fünfzehntägigen Ein- ſperrung verurtheilt und es blieb nichts übrig, als dieſe neue Geduldsprobe mit philoſophiſchem Gleichmuth zu ertragen. Die Quarantaine in Malta iſt eine Municipal-Ein- richtung, die unter eine beſondere Commiſſion geſtellt, und von ihren eigenen Beamten verwaltet wird. Die – 268 – großen weitläuftigen Gebäude mit Hospitälern, Waaren- häuſern und Häfen, in denen 20,000 Stück Vieh unter- gebracht werden können, geben Zeugniß, daß in früheren Zeiten, wo oft alle aus dem Orient kommenden Schiffe hier einige Zeit zuzubringen hatten, Raum für mehrere tauſend Perſonen war. Gegenwärtig, wo ſich der Umfang des mit Quarantainen belegten Länderſtriches immer mehr verringert, hat die Regierung einen Theil der Gebäude als Vorrathshäuſer für Kriegsmaterial benutzt, und nur der älteſte und am wenigſten dazu geeignete Theil iſt für Sanitätszwecke übrig geblieben. Dies macht nun den Aufenthalt äußerſt unangenehm für den Reiſenden, zumal wenn wie im gegenwärtigen Fall der größte Theil der hier befindlichen Perſonen aus Türken und Arabern beſteht. Sobald der Arzt das Schiff inſpicirt hat, erſcheint für das Schiff ſowohl als für jeden Reiſenden ein Wächter, der einem, wie ſein Schatten folgend, Sorge dafür trägt, daß man keine Perſon, keinen Gegenſtand berührt, der nicht in der Quarantaine am ſelben Tage mit uns an- gelangt iſt. Sollte man einem früher Angelangten be- rühren, ſo wird ſein Aufenthalt bis zur Zeit unſeres Austritts verlängert, berührt man einen ſpäter Angelang- ten, ſo muß man ihm für die Dauer ſeines Aufenthaltes Geſellſchaft leiſten. Briefe, die man abſendet, werden vom Wächter erſt geräuchert und dann mit einer Zange dem Boten übergeben, empfängt man Beſuche, ſo geſchieht dies in einem Sprachzimmer, wo zwei, ſechs Fuß von ein- – 269 – ander, befindliche Barrieren die betreffenden Theile trennen. Wie ſich leicht denken läßt, iſt dieſe gänzliche Abſperrung unangenehm genug, um ſo mehr, als Mangel an allen möglichen Bequemlichkeiten, ja ſelbſt oft von nothwendigen Bedürfniſſen denſelben oft noch unerträglicher macht. Die Verwaltung giebt dem Reiſenden nichts als ein Zimmer, eine hölzerne Bettſtelle, zwei hölzerne Stühle, einen Tiſch und zwei hölzerne Geſtelle, um die Kleider aufzuhängen und zu lüften, will man mehr und beſſere, als die an- geführten rohen Meubles, ſo hat man dafür zu zahlen und zwar ziemlich hohe Preiſe, wie z. B. ein Bett 10 penny (8 Sgr.) p. diem, ein Armſtuhl six pence (5 Sgr.) 2c. Der Wächter wird gleichfalls vom Reiſenden mit 1 Schil- ling 7 penny (16 Sgr.) p. diem bezahlt. – Ein Reſtau- rant iſt nicht im Local, man hat daher entweder ſeine Nahrung aus einem Hôtel zu beziehen, was mit Trans- port 2c. beinahe 3 Thlr. p. diem koſtet, ſein eigener Koch zu ſein oder Hunger zu leiden. In Geſellſchaft von Herrn A., dem britiſchen Conſul aus Derne, der mit mir dasſelbe Zimmer bewohnte, zog ich vor eigener Koch zu ſein, was uns wenigſten den Vortheil gewährte unſere Speiſen warm zu eſſen, denn natürlich mußten wir alles Nöthige vom Lieferanten der Quarantaine zu hohen Preiſen kaufen. Der größte Uebelſtand war der Mangel an einem Bade und dies iſt in einer Sanitätsanſtalt ſchon aus Reinlich- keits-Rückſichten um ſo auffallender, wer deshalb Anſtand nimmt in dem aus den Schiffen geworfenen Unrath be- – 270 – deckten Seewaſſer zu baden, hat ſeine Abolutionen auf den Umfang eines Waſchbeckens einzuſchränken. Endlich ſchlug der Tag der Befreiung, der Arzt machte einen letzten Beſuch, überzeugte ſich von dem Ge- ſundheitszuſtand der zu Entlaſſenden und am nächſten Morgen bei Tagesanbruch erſchien der Director, um an- zuzeigen, daß Schiff und Paſſagiere „en pratique“ ſeien. Natürlich vergißt man alsbald die überſtandenen Unan- nehmlichkeiten; allein ich halte es für nöthig, dieſelben hier zu erwähnen, theils um ſpätere Reiſende zu unter- richten, was ihrer wartet, und ihnen möglich zu machen, ſich durch paſſende Vorbereitungen den Aufenthalt zu er- leichtern, theils weil dergleichen Erwähnungen in vielen Fällen zur Abhülfe der Uebelſtände geführt haben. Die Behörden von Malta können jedoch nur den Zuſtand der Anſtalt verbeſſern, denn ein Verſuch, die Zeit der Quarantaine zu kürzen, würde verurſachen, daß die Inſel ſelbſt von den übrigen an das mittelländiſche und adriatiſche Meer grenzenden Staaten in Quarantaine erklärt und ihr Handel dadurch den Todesſtoß erhielte. In vielen Ländern dient die Quarantaine, um politiſche Ueberwachung zu erleichtern und um die öffentlichen Einkünfte zu vermehren, und mit aller Mißbilligung des erſten Grundes und Bedauern für Regierungen, die ihre Exiſtenzmittel auf ſolche Weiſe beziehen, können dennoch von vereinzelten Communen keine umſtoßenden Reformen in dieſer Angelegenheit gemacht werden. – 271 – Ich nahm Paſſage auf dem erſten Dampfer für Italien, dem „Quirinal“, ein paſſender Schluß für das katholiſch-muhamedaniſche Schiffs-Trifolium, in das mich meine Reiſe geführt, viz: Gloria Carmeli von Malta nach Tripolis, der türkiſche Schooner Mecca von Tri- polis nach Malta und jetzt bis Genua der „Quirinal.“ Der Dampfer war voller Paſſagiere, Touriſten und Ge- ſchäftsreiſenden, mit einem gebührenden Quantum Prieſter und Mönche, deren Zahl ſich in jedem italieniſchen Hafen ſteigerte; nebſt einem verrückten Weibe aus Malta, die ſich vom Teufel beſeſſen wähnte und auf den Rath ihres Beichtvaters in Rom beim Papſte Hülfe ſuchte. Nachdem die letzten Strahlen der untergehenden Sonne mir noch einen letzten Blick auf die in der Ferne verſchwindenden Hügel Malta's und Gozo's verſtattet, beleuchteten die erſten Schimmer des nächſten (Sonntag) Morgens die zackigen Gebirge Siciliens, über die ſich der Aetna in ſtiller Majeſtät erhob, und kürzte die drei Stunden, nach deren Ende wir in Meſſina anlangten, auf die ange- nehmſte Weiſe; denn der beſtändige Wechſel ſchöner For- men gewaltiger Gebirgsmaſſen, pitoresker Felſenwände oder einzelner Gruppen, auf deren Höhe Städte, Dörfer oder Ruinen lagen, und an deren Fuß die Brandung kochte, feſſelten Auge und Aufmerkſamkeit beſtändig. Nähert man ſich den Straßen von Meſſina, ſo werden die hohen, ſich weit verſchiebenden Gebirge Calabriens allmählich ſichtbar, und vor dem Hafen angelangt, ſieht – 272 – man ſich von einem Halbkreis zackiger Höhen umſchloſſen. Auf der öſtlichen oder calabreſiſchen Seite der Straßen ſind dieſe Gebirge weniger ſteil, werden von langen nach der See zu ſich abflachenden Plateaus unterbrochen, und ſind oft bis zu einer beträchtlichen Höhe angebaut, während einzelne Häuſergruppen, Dörfer oder Städte ſich an dazu geeigneten Stellen des Ufers erheben. Das weſtliche oder ſicilianiſche Ufer iſt ſchroffer, die ebenen zum Ackerbau ſich eignenden Stellen ſind weniger vorhanden, und ebenſo ſind die Wohnungen der Menſchen ſpar- ſamer verſtreut. Die Stadt iſt auf einer etwas größeren Ebene erbaut, auf die mehrere Gebirgsſchluchten aus- münden, und ein Theil der Häuſer verliert ſich in dieſe oder iſt über die niedrigeren Vorhügel zerſtreut. Drei oder vier unbedeutende Forts, weniger dazu geeignet, die Stadt zu vertheidigen, als vielmehr dieſelbe zu beherrſchen, bezeichnen die dominirenden Punkte der Umgegend. Der Hafen wird durch eine ſich kreisförmig windende Erd- zunge eingeſchloſſen, und der zu demſelben führende Ein- gang zwiſchen dem Ende der Zunge und dem Ufer iſt etwa tauſend Schritt breit. Die Uferbefeſtigungen ſind nicht ſehr ausgedehnt. Am Eingang iſt ein großes Fort mit mehreren Reihen Geſchützen über einander, im hinteren Theile des Hafens die noch etwas größere Citadelle, auf der zwiſchen beiden liegenden beträchtlichen Ebene aber nur ein vereinzelter viereckiger Thurm, aus der Vorzeit herrührend und nicht zu militäriſchen Zwecken geeignet. – 273 – Die Uferſeite der Stadt bildet eine uniforme Front großer Gebäude, zu wenig von einander in Dimenſionen und Structur verſchieden, um es aus der Ferne wahrnehmen zu können; an dem längs derſelben hinauflaufenden Ouai ankern die Schiffe, aber kleine Küſtenfahrzeuge, die Dampfer und die zuweilen einſprechenden größeren Schiffe halten ſich mehr gegen die Mitte des Hafen- beckens, ebenſo die Kriegsſchiffe. Um zu landen bedarf es einer polizeilichen Erlaubniß, dieſe kam erſt nach einiger Verzögerung und wenn alle Päſſe unterſucht und richtig befunden waren. Sollte Je- mand wünſchen, den Weg nach Malta, Conſtantinopel oder Alexandrien über Genua zu nehmen, und beabſich- tigen, ſich, wenn auch noch ſo kurze Zeit, in den am Wege liegenden Häfen aufzuhalten, ſo wird er wohl thun, ſeinen Paß von den Geſandten aller Potentaten, deren Länder er beſucht, viſiren zu laſſen; ſonſt iſt ſelbſt ein bloßes Landen mit Schwierigkeiten verknüpft, wenn nicht ganz unmöglich. Langt dieſe Erlaubniß an, ſo ſtellt ſich ein Polizeiſoldat mit einer Liſte an den Gangweg; der Reiſende giebt ſeinen Namen an, und wird derſelbe nicht etwa mit einem Kreuz bezeichnet ge- funden, ſo darf er in's Boot ſteigen, das ihn an dem Werft des Zollhauſes landet. Hier findet nun eine Exa- mination ſtatt, und man hat ſeinen Paß aus dem Bündel Papiere, das der betreffende Beamte in der Hand hält, herauszuſuchen; iſt auch dieſe Formalität auf befriedi- 18 – 274 – gende Weiſe erfüllt, ſo gelangt man endlich ins Freie*) auf Terra firma. Hier fällt man alsbald einem Haufen Ciceroni, valets de place, guides, Lohnbedienter oder welch andere Namen einen dieſer Haufen Plagegeiſter in die Ohren ſchreit, in die Hände, die ſich gegenſeitig ihre Beute ſtreitig machend, die Luft mit Lärmen erfüllen. Pferde, Eſel, Hôtels, Boote werden von allen Seiten offerirt und recommandirt, zu oberſt aber auf der Liſte dieſer Accommodation figuriren ſtets Adreſſen von Damen, die die meiſten dieſer Leute mit unverſchämter Aufdringlichkeit zur Notiz bringen, und dabei den Gleichmuth des Reiſenden auf eine harte Probe ſtellen. In Betracht jedoch, daß man ſich unter der väter- lichen Fürſorge einer Polizei des Königreichs Neapel be- findet, die mittels neapolitaniſcher Unparteilichkeit Leute aller Nationen ins Loch ſperrt, in das viele Fußtapfen hinein, doch wenige herausführen, in Betracht der unan- genehmen Folgen, welche praktiſche Beſtrebungen, die Landesſitten zu verbeſſern, nach ſich ziehen, begnügt man ſich die Fauſt in der Taſche zu ballen. Ich entging dem lärmenden Troß, indem ich einen miethete, um mich nach der Wohnung des amerikaniſchen Conſuls zu führen. In dieſem fand ich einen Doppellandsmann (naturaliſire" Deutſchen) und erfuhr zu meiner Beruhigung, daß der von mir aufs Geradewohl angenommene Führer mit *) Dieſer Ausdruck ſoll nur eine phyſikaliſche, keineswegs eine ” litiſche Bedeutung haben. W. H. – 275 – ſchlechter war, als alle Uebrigen; es ward ihm eine Er- mahnung ertheilt, mir die merkwürdigſten Punkte zu zeigen und Sorge zu tragen, daß ich nicht übertheuert werde, und ſo trat ich meine Wanderſchaft durch die Straßen von Meſſina an. Ich hatte weder Zeit noch Gelegenheit gehabt mich auf dieſe Reiſe durch Italien vorzubereiten, konnte nicht erwarten in der mir geſtellten Friſt von 24 Stunden viel zu ſehen und kann deshalb nichts weiter verſuchen, als eine flüchtige Schilderung des Geſammteindruckes, den Meſſina auf mich gemacht. Außer dem ſchönen breiten wohlgepflaſterten Corſo mit der ſtattlichen etwas eintönigen Häuſerfronte am Ufer, läuft parallel mit demſelben eine zweite gleich breite und gleich gut gepflaſterte Straße mit ebenſo monotonen ſtattlichen Häuſern, ſowie mehrere min- der ſtattliche ſchlechter gepflaſterte; eine große Anzahl anderer Straßen, theils breit, theils ſchmal und die ver- ſchiedenſten Nüancen von gutem und ſchlechtem Pflaſter, ſtattlichen und armſeligen Häuſern zeigend, kreuzt die vor- erwähnten entweder rechtwinklig, oder verfolgt in gerader oder krummer Linie ſolche Richtungen, wie Terrainver- hältniſſe oder Bedürfniſſe ſie vorgezeichnet haben. Je weiter man ſich vom Ufer entfernt, deſto mehr nehmen Schmutz und Unordnung in den Straßen überhand, be- ſonders zeichnen ſich hierin die engen Stadtviertel der Hügel aus, allein ſelbſt die beſten Theile der Stadt, ſelbſt der Corſo am Ufer erregten ein unangenehmes Mißbe- – 276 – hagen durch ihre Unreinlichkeit. Dies mag ſeltſam klingen im Munde eines New-A)orker's, welche Stadt ſich bekann- termaßen einer der ſchlechteſten Municipalverwaltungen und der ſchmutzigſten Straßen erfreut, allein ich analyſire den Eindruck folgendermaßen. In New-A)ork drängt ſich auf einem gegebenen Terrain der Welthandel und die den- ſelben betreibende geſchäftige Menge zuſammen, die Quan- tität des jeden Tag in die Straßen geworfenen Abfalls iſt unglaublich und obſchon jährlich gegen 200.000 Dol- lars für die Straßenreinigung verausgabt werden, und eine bedeutende Anzahl von Leuten ſtets mit derſelben beſchäftigt iſt, ſo füllt ſich doch der Augiasſtall ſo unauf- hörlich von Neuem, daß es ſcheint, als wollte die Schmutz- decke ewig denſelben Durchmeſſer behalten. In Meſſina und ſpäter in Neapel fand ich weniger Unrath vorhanden, allein was vorhanden, trug ein älteres Datum, in der That ſchien es, als ob man ſich gänzlich auf Wind und Regengüſſe verließe die Straßen zu reinigen, deshalb lag in allen Winkeln der abſcheulichſte Unrath. Dazu kommen noch die ſchmutzigen Gewohnheiten der Eingeborenen. Gewiſſe nothwendige Bedürfniſſe, die anſtändige Menſchen insgeheim beſeitigen, ſieht man dieſe Leute am hellen Tage auf offener Straße oder wo es ihnen ſonſt gefällig iſt verrichten, ſo daß die Eingänge, Höfe, Treppen, ja ſelbſt Corridors der Häuſer fortwährend beſchmutzt werden, und dies thuen nicht nur die niedrigen Claſſen, ſondern Leute die auf Bildung und Stellung Anſpruch machen. Dieſes – 277 – Gefühl von Ekel verleidete ein langes Verweilen in den Straßen und deshalb konnte ich nur einen flüchtigen Blick auf die verſchiedenen öffentlichen Plätze und Monumente werfen. In den meiſten Reiſebeſchreibungen von Italien verſchlingt der Enthuſiasmus des Reiſenden über die ſchöne Natur und die Kunſtwerke alle dieſen unangenehmen Bei- geſchmack, ſo daß es zumal dem Künſtler leicht als Ketzerei ausgelegt werden kann, wenn er ſich hier mit ſolchen Trivialitäten beſchäftigt, allein ich würde es für Arroganz halten, wollte ich nach den vielen gediegenen Schriften über die Kunſtwerke Italiens, die das Publikum bereits beſitzt, mir anmaßen in den wenigen Tagen, auf die mein Aufenthalt in dem herrlichen Lande beſchränkt war, Neues über dieſen Gegenſtand mitzutheilen. Ich bleibe deshalb meinen alten Anſichten über die Pflichten des gewiſſen- haften Reiſenden getreu, Land und Leute ſo neben und miteinander zu beſchreiben, wie ſie ſich allmählich dar- ſtellten, zumal es ſich hier um ein Volk handelt, daß eine Periode der Wiedergeburt für ſich in Anſpruch nimmt. Nachdem ich der broncenen Statue Johann von Oeſter- reich's, auf deren Fußgeſtell eine vor und in dem Hafen von Meſſina ſtattgefundene Seeſchlacht dargeſtellt, einige flüchtige Augenblicke geſchenkt, durchwanderte ich einige Kirchen, deren verſchiedene von impoſanter Architektur und auch an Meiſterwerken der Bildhauerei und Malerei, ſowie hiſtoriſchen Denkwürdigkeiten ſind; vor allen an- deren die uralte ſchöne byzantiniſche Kathedrale mit ihren – 278 – maſſiven Säulen, zierlichen Capitälen, kunſtreichem, ſchön geſchnitztem hölzernem Dachſtuhl, meiſterhafter Sculptur an Kanzel und anderen Theilen, prachtvollen Moſaik- arbeiten auf Goldgrund im Sanctuarium und am Hoch- altar und ihren wunderbaren Pergament-Manuſcripten alter Kirchenmuſik des 15. Jahrhunderts. In manchen der Kirchen wurde Meſſe geleſen, dies hielt jedoch den Cicerone nicht ab, mich ohne weitere Ceremonie zwiſchen den knieenden Betern umherzuführen, um Bilder und Sculpturen im beſten Lichte zu zeigen; in der Kathedrale aber, wo man bald das Hochamt beginnen wollte, führte mich der überaus dienſtfertige Sacriſtan die Stufen des Hauptaltars, auf dem ſchon die Kerzen brannten, hinauf, um mir die koſtbaren getriebenen und eingelegten Ar- beiten, ſowie die Muſik-Manuſcripte zu zeigen. Dieſe Gleichgültigkeit des wahrſcheinlich auf ein gutes Trinkgeld rechnenden Mannes, ſowie der in der Kirche verſammelten Gemeinde, die ſo etwas duldete, empörte mich und ich verließ die Kirche, vom Sacriſtan, dem ich ſein Trink- geld verweigerte, mit anzüglichen Reden verfolgt. Von Rechtswegen hätten die anzüglichen Reden von der Ge- meinde ausgehen und den Sacriſtan mittreffen ſollen. Der Conſul hatte mir gerathen, den Gebirgskamm hinter der Stadt zu beſteigen, und da der Weg 1 deutſche Meile weit war, ſo führte mich der Cicerone nach einem Stall, wo Eſel zu vermiethen waren; denn ſelbſt ein- ſpännige Wagen waren des Feſttages wegen kaum für – 279 – 15 oder 20 Franken zu haben. Man präſentirte mir hier ſolche armſelige, magere, abgehungerte Langohre voller Beulen und Geſchwüre, daß ich es nicht über mich gewinnen konnte, ein ſolches armes Thier ferner zu quälen, und unter lebhaften Proteſtationen des Cicerone beſchloß ich den Weg zu Fuß zu machen. Der Mann war mir bisher ſchon läſtig geweſen, deshalb zahlte ich ihm für eine Stunde, die er mit mir umhergegangen, drei Franken und verabſchiedete ihn. Natürlicherweiſe war er hiermit nicht zufrieden, welcher von dieſer Art Leute wäre auch wohl mit irgend etwas zufrieden; da er aber ſah, daß nichts weiter zu erlangen ſei, ſo ließ er mich nach verſchiedenen lebhaften Exhortationen, die ich nicht für Complimente hielt, in Frieden. Ich ver- folgte nun meinen Pfad allein weiter, und gelangte zuerſt auf eine Anhöhe an ein ausgedehntes Nonnenkloſter mit vergitterten Fenſtern, von deſſen Kirchenſtufen man bereits eine ſchöne Ausſicht auf Stadt und Hafen genoß. Dann folgte ich dem längs der Stadtmauer hinlaufenden Weg und durch das erſte Thor ins Freie gelangend, begann ich die Berge zu erſteigen. Hier war ich irre gegangen, ſtatt auf die große Landſtraße zu gelangen, kam ich in eines der Forts, und von den daſelbſt ſtationirten Sol- daten zurecht gewieſen, hatte ich durch Weingärten und über Felſen erſt hinab und auf der anderen Seite hinauf- zuklimmen. Glücklicherweiſe wurde dem Cicerone nicht die Genugthuung, mich in der heißen Sonne ſo mühſam – 280 – klettern zu ſehen, denn ich war ihm ſchon lange aus dem Geſicht verſchwunden. Der Pfad war rauh, die Berge ſteil, die Hitze groß, und als ich auf halber Höhe ein dem Anſcheine nach etwas beſſeres Bauernhaus ſah, trat ich ein und bat um etwas Waſſer und Wein. Die Ge- ſellſchaft, die ich hier fand, beſtand aus drei Männern und zwei Frauen, davon eine ſehr alt; man reichte mir eine Weinflaſche, allein da deren Inhalt ziemlich ſcharfem Eſſig zu nahe kam, ſo ſendete ich einen der Männer nach der etwas tiefer unten gelegenen Locanda, um beſſeren Wein zu holen. Mittlerweile unterhielt ich mich mit den Anderen. Der vernachläſſigte Zuſtand der Weingärten und Felder erregte bei dem ſonſt anſcheinend ergiebigen Boden meine Verwunderung, ebenſo die große Anzahl der Bettler, die mich den ganzen Tag beläſtigt hatten. „Wie ſoll es anders ſein,“ entgegneten die Bauern, „Steuern und Gaben freſſen mehr, als den dritten Theil unſerer Ernten, von dem was bleibt, wiſſen der Grund- herr und die Beamten immer auch noch einen Theil an ſich zu ziehen; weshalb alſo ſollen wir uns plagen, unſere Felder und Gärten in gutem Stand zu halten, wir haben doch keinen Nutzen davon; wie viel beſſer ſind die Bettler daran, ſie haben keine Abgaben, finden ſtets zu eſſen und zu trinken, eine Schlafſtelle unter freiem Himmel oder in einem Hausflur, und Niemand kümmert ſich um ſie.“ Der Wein machte Alle etwas geſprächiger, und als ſie hörten, ich käme aus Amerika, war des Fragens – 281 – kein Ende, ob es wahr ſei, daß man da Land umſonſt haben könne, ob Bauern wirklich keine Abgaben für ihre Ernte zahlen 2c. Ich ſuchte ihnen die Sachen ſo faßlich als möglich zu erklären, und verbrachte eine angenehme Stunde mit den Leuten; denen es anſcheinend weder an Intelligenz, noch an Arbeitsluſt fehlte, die aber von den ſie umgebenden Einflüſſen niedergedrückt, endlich verdumpfen. Iſt es in Italien nöthig ſich einer übermäßigen Be- völkerung nach Amerika zu entladen, ſo wäre es wünſchens- werth, daß ſolche Leute wie dieſe Bauern kämen, ſtatt jener Haufen nichtsnutziger Vagabonden, die aus Neapel, Rom und anderen großen Städten entſendet, die Straßen New-A)ork's, Boſton's und Philadelphia's mit ihren ab- ſcheulichen Drehorgeln heimſuchen und die Zuchthäuſer der verſchiedenen Staaten füllen helfen. Beim Weiterziehen begleitete mich einer der Männer und brachte mich bald auf eine ſchöne breite mecadamiſirte Straße, die in vielen Windungen längs des Abhanges hinlaufend bis auf den höchſten Kamm des Gebirges und darüber hinaus nach Palermo führt. Auf der höchſten Spitze dieſes Paſſes ſteht ein verfallener Wachtthurm ſaraceniſcher Structur und von dieſem hat man eine ſchöne Ausſicht über den weſtlichen Theil Siciliens, die lipariſchen Inſeln und weithin in der Ferne die vulkaniſche Inſel Stromboli mit der ewig über derſelben ſchwebenden Rauch- wolke, während man nach Oſten blickend zu ſeinen Füßen am Ausgange der gewaltigen Schlucht Meſſina liegen – 282 – ſieht, jenſeits der Straßen aber die langen Bergrücken des herrlichen Calabrien's ſich ausbreiten. Nachdem ich mich dieſes Anblickes lange genug erfreut, trat ich den Rückweg an, von meinem neuen Bekannten Abſchied nehmend, der mich noch mit einigen Feigen aus ſeinem Garten beſchenkte. Gegen ſechs Uhr Abend langte ich auf dem Corſo am Ufer an, der jetzt mit einer bunten Menge gefüllt war, zwiſchen der viele Caroſſen rollten und ein Militärmuſikchor ſpielte. Die Toiletten der Da- men fielen mir durch ihre Eleganz und ihren Reichthum auf und faſt wähnte ich mich für einen Augenblick in die Mitte der extravaganten Frauenwelt New-Y)orks's zurück- verſetzt; ſelbſt in unanſehnlichen Häuſern waren die Bal- kons mit Frauen und Mädchen in reichen Seidenkleidern gefüllt und in den Equipagen trugen viele Frauen koſt- baren Schmuck. Als ich den Conſul ſpäter über dieſen Punkt befragte, antwortete er mir: „Das iſt auch beinahe der ganze Luxus dieſer Leute. In ihren Häuſern iſt ein einziges Zimmer mit Prunk überladen, die anderen ſind vielleicht kaum mit den nothdürftigſten Meubles verſehen. Sollten Sie morgen in der Stadt Beſuche machen, ſo würden Sie vielleicht viele dieſer eleganten Damen in ſo abſchreckender Toilette finden, daß Sie nicht gern in ihrer Nähe bleiben würden.“ Eine Spazierfahrt auf dem Corſo, eine Loge im Theater und zu Zeiten eine Soiree mit Limonade und Eis bilden die Hauptluxusartikel, und damit begnügen ſich die Leute. – 283 – Der franzöſiſche Dampfer, der „Meſſageries Impe- riales“ aus Conſtantinopel, brachte eine ziemliche Anzahl von Paſſagieren für italieniſche Häfen, die mit dem Quirinal ihre Reiſe weiter fortſetzten und am Montag Mittag verließ derſelbe Meſſina. - „ Wer der Scylla entgeht, fällt in die Charybdis“, ſo hört mit Schaudern der gläubige Gymnaſiaſt, und da dieſes Sprichwort ſich meinem Gedächtniß tief eingeprägt hatte, ſo ſtrengte ich meine Augen an, um dieſe Schrecken der Seeleute der Alten zu erſpähen. Obſchon dieſe Ge- fahren von den Seefahrern unſerer Tage nicht mehr als bedeutend betrachtet werden, ſo iſt es demnach nicht ſchwer die Localität derſelben auszufinden. Der Gebirgszug, der durch die Straßen von Meſſina unterbrochen wird, ver- folgt ſeinen Lauf unter dem Waſſer, die Gipfel dieſer unterſeeiſchen Gebirgskette bilden eine Reihe von Felſen- riffen, die Scylla und ein dicht bei Meſſina gelegener Thalkeſſel, in Form wahrſcheinlich dem Hafenbaſſin nicht unähnlich, fängt die Strömung, die man ſtets je nach Verhältniß der vorherrſchenden Winde in den Straßen mehr oder minder heftig findet, und bildet dadurch einen Wirbel, die Charybdis. Dieſer, ſowie die Felſenriffe können kleinen Fahrzeugen bei Windſtille und heftiger Strömung gefährlich werden, allein ſelbſt bei leichten Winden iſt es leicht dieſelben mit einiger Vorſicht zu ver- meiden. Als der Quirinal den Hafen verließ, paſſirte eben ein engliſches Geſchwader von vier Linienſchiffen – 284 – und einem kleinen Dampfer die Straßen, eines der Schiffe ſegelte mitten durch den gefürchteten Wirbel der Charibdis, ohne daß ſein Cours weſentlich durch denſelben beeinflußt ward. Zwiſchen den Felſenriffen der Scylla aber, die man an den kleinen ſie bedeckenden Wellen leicht erkannte, ſegelte eine Anzahl Briggs und Schooner mit friſchem Winde nach jeder beliebigen Richtung. In dem Sattel des felſigen Ufers, nach dem die Riffe ihren Namen er- halten haben, liegt ein pitoreskes Städtchen (ich denke es heißt Antivari) mit einigen Befeſtigungen auf der Felſen- ſpitze, in die der Sattel endet. Tritt man an der Weſtſeite aus den Straßen heraus und gewinnt das freie Meer, ſo ſieht man ſich von einem herrlichen Panorama umgeben. Oeſtlich ziehen ſich die Gebirge Oberitaliens nach den Straßen hin, die wir eben verlaſſen, ſüdlich kann man einen beträchtlichen Theil Siciliens überblicken, das von der majeſtätiſchen Spitze des Aetna bekrönt wird. Weiter gegen Weſten dehnt ſich die Kette der lipariſchen Inſeln, ihren Contour verändernd, je nachdem wir unſere Stellung veränderten; während im Norden die vulkaniſche Inſel Stromboli ſich als eine einzige koniſche Spitze aus dem Meere erhebt. Es war ein milder ſonniger Nachmittag, der ſcharfe Bug des Dampfers durchſchnitt ſchnell die leichten blauen Wogen, und bei Sonnenuntergang waren wir Stromboli nahe genug gekommen, um die Felder und Gärten nebſt den zwiſchen ihnen verſtreuten weißen Häuſern, inmitten der – 285 – ſie umgebenden Waldungen und Lavafeldern zu erkennen. Die ſüdliche und öſtliche Seite der Inſel zeigt die obere Hälfte mit alten Lavaſtrömen bedeckt, die theilweiſe ſich tiefer hinab erſtrecken, während ſie an anderen Stellen von leichter Vegetation bedeckt ſind. Der Krater befindet ſich nahe der Spitze an der Nordſeite. Der obere Theil der unteren Hälfte ſcheint, ſoweit ſich in der Entfernung erkennen ließ, aus einem bewaldeten Gürtel zu beſtehen; während die weniger ſteilen Abhänge nächſt dem Ufer mit Feldern und Weingärten bedeckt ſind. Zwiſchen dieſen letzteren ſind etwa hundert Gebäude verſtreut, darunter anſcheinend eine oder zwei Kirchen oder Capellen. Dieſe kleine Anſiedelung, in der ſpäter die Fenſter erleuchtet erſchienen, inmitten des weiten einſamen Meeres, auf dem mit Ausnahme unſeres Dampfers weder Schiff noch Boot zu ſehen war, machte einen wunderbaren Eindruck tiefer Einſamkeit. Was mochte wohl die erſten Anſiedler beſtimmt haben, ſich eine Heimath in dieſer Waſſermaſſe zu ſuchen, am Buſen eines Vulkanes, der ununterbrochen Feuer und Rauch auswirft, juſt über dem Heerd der unterirdiſchen Flammen, die über den friedlichen Bewohner jeden Augenblick Verderben bringend hereinſtürzen können; waren es Flüchtlinge, die Gerechtigkeit oder Ungerechtig- keit der Menſchen fürchtend? ſo dachte ich, als die Schatten der Nacht ſich über See und Land ſenkten, Stromboli nur noch als ein rieſiger Kegel ſichtbar war, an deſſen Fuß vereinzelte Lichter ſchimmerten, während – 286 – der Krater in Intervallen von einigen Minuten eine kleine Flammenſäule ausſeufzte, die entweder hell und klar ſichtbar war, oder wenn juſt von einer Rauchwolke umhüllt, dieſelbe ſanft erglühen machend, einen großartigen Leuchtthurm bildete. In der Cajüte war es heiß und ſchwül, dazu ver- breitete ſich ein übler Geruch, der entweder von nicht gehörig getrockneten Häuten herrührte, die ſich unter der Ladung befanden oder durch das in jedem Schiff vor- handene Waſſer im unterſten Raum verurſacht wurde, das ſeit mehreren Tagen nicht ausgepumpt worden war, deshalb zog ich es vor, die Nacht, in eine Decke gewickelt, auf dem Verdeck zuzubringen. Bis drei Uhr befand ich mich daſelbſt ganz angenehm, allein um dieſe Zeit brach ein ſchweres Gewitter, begleitet von heftigen Regengüſſen los, die alle, welche gleich mir Zuflucht auf dem Verdeck ſuchten, unter Dach trieb. Mit dem Schlaf war es nun- mehr vorüber, deshalb kleidete ich mich an, und als der Regen nachließ, ging ich wieder aufs Deck, um den viel- verſprechenden Sonnenaufgang zu ſehen. Um dieſe Zeit befanden wir uns in der Paſſage zwiſchen der Inſel Capri und dem Feſtland, vor uns lag die Bai von Neapel, in der ſich die Spitze des Veſuv's aus dem zarten Duft, der den Fuß der Gebirge umhüllte, empor- hob; denn noch rang die Nacht mit dem anbrechenden Morgen, nach Süden hin ballten ſich die ſchweren Ge- witterwolken und ein ſchwacher Schein über den Ge- birgen verkündete den herrannahenden Tag. Jemehr der Dampfer in die Bai eintrat, deſto ruhiger ward das hier durch die verſchiedenen Inſeln: Capri, Isſchia c. beſſer geſchützte Meer, und in dem Maße, wie der Morgen anbrach, enthüllte ſich allmählich das ganze herrliche Schauſpiel; hier Capri mit ſeinen ſchroffen barrokge- formten Felswänden und Ruinen, dort Isſchia und weiterhin Sorrento, während zur Rechten am Fuße maleriſcher Gebirge Caſtelamare und zahlloſe andere Städte und Dörfer lagen. Im Hintergrunde ward jetzt die Stadt ſichtbar mit ihren Kirchen, Paläſten, Klöſtern und Feſtungswerken, Alles von einem Rahmen von Wein- gärten umgeben und bekrönt von dem ewig ſchönen Veſuv. „Wie ſchön, wie unendlich ſchön,“ rief ich aus und wieder- holte im Laufe des Tages noch oft denſelben Ausruf, auf den leider nur zu oft beim Anblick der Menſchen ein anderer „wie ekelhaft“ folgte. Die Sonne war bereits aufgegangen, als wir hinter dem zweiten Molo ankerten und mit Ungeduld wartete ich auf die Erlaubniß zu landen, denn beſucht man Neapel zum erſten Male und kann ſich nur zehn Stunden auf- halten, ſo iſt jede Minute koſtbar. Endlich erſchien der erſehnte Polizeimann, und ich beeilte mich, einer der erſten am Ufer zu ſein. Die Formalitäten im Zollhaus und die Unverſchämtheit der Lohndiener waren dieſelben, wie in Meſſina, letztere vielleicht noch etwas geſteigert; ich entging aber letzteren, indem ich einen Miethwagen auf – 288 – Zeit miethete, und mich auf dem Wege nach Sorrento hinfahren ließ. Es war noch zu früh, um den Conſul oder Geſandten der Vereinigten Staaten zu beſuchen, und ſo verwendete ich die Morgenſtunden, um die Grotte des Pauſilippo und das Grab Virgil's zu ſehen. Durch erſtere führt die Heerſtraße nach Sorrent, und es iſt unſtreitig der pitoreskeſte Tunnel, den ich geſehen; zumal die von reichem Buſchwerk überhangenen von Bäumen bekrönten Eingänge, an deren Wänden man noch Reſte von antiken, ſowie gemalten byzantiniſchen Sculpturen ſieht; blickt man an einem der beiden Enden von einer mäßigen Entfernung aus der Grotte ins Freie, ſo bietet ſich dem Auge ſtets ein ſchönes Bild im ſchönen Rahmen, denn der das Innere erfüllende Staub und Dunſt hüllen alle Gegenſtände, die man ſieht, in einen zarten Schleier, daß ſie mehr den Anſchein von Malerei haben als von Realität. Nächſt dem Eingange nach der Stadt zu befindet ſich das Grab Virgil's, zu dem man durch einen Garten voller Weinreben und Feigenbäume gelangt. Etwa in halber Höhe zwiſchen Fuß und Dach der Grotte befinden ſich mehrere in den Felſen gehauene Begräbnißplätze, deren einer durch eine im Innern gefundene, jetzt nahe dem Eingange befeſtigte Inſchrift als das Grab des Dichters bezeichnet wird. Um dasſelbe zu erreichen, hat man die Höhe zu erſteigen und einen kleinen mit Stufen verſehenen Pfad hinabzuklimmen, wenige Schritte von – 289 – dieſer Stelle findet man an einem ziemlich verſteckten, von Bäumen überſchatteten Ort eine Anzahl von Gräbern, in denen, wie die Inſchriften zeigen, worunter viele deutſch, Perſonen iſraelitiſchen Glaubens ihren langen letzten Schlaf ſchlafen. Blickt man von dieſem Ort herab nach dem Grabe, ſo bilden die buſchbedeckten Felswände, die Grotten, der ſich hinabwindende Weg, weiterhin die Stadt, das Meer und in weiter Ferne der ſchöne Veſuv ein lieb- liches Bild. Bei meiner Rückkehr nach der Stadt war der Tag weit genug vorgerückt, um Beſuche machen zu können, und nach meinem Frühſtück im Victoria-Hôtel machte ich dem Conſul und Geſandten meinen Beſuch, um Informa- tion einzuholen, wie ich in der mir geſtellten kurzen Friſt möglichſt viel ſehen könne, mir einen etwas zuverläſſigen Cicerone zu verſchaffen, denn die welche den Fremden am Landungsplatze anfallen, ſtehen meiſt im Solde der Polizei; nimmt man die Dienſte eines derſelben an, ſo hat man die Satisfaction dafür zu bezahlen, daß er einen ausſpionirt; auch wünſchte ich die Repräſentanten Ame- rika's von meiner Gegenwart in Kenntniß zu ſetzen, damit, ſollte mich mein Unglückſtern der neapolitaniſchen Polizei in die Hände führen, ich mich wenigſtens einer ſchleunigen Befreiung verſichert ſähe. Ich fand das Gewünſchte und begann den Tag mit dem Muſeum der pompejianiſchen Alterthümer. Der Weg dahin führte durch verſchiedene enge Straßen, in denen die darin wohnenden Leute alle 19 – 290 – möglichen häuslichen Verrichtungen, wie ſie ſich die frucht- barſte Phantaſie nur vorſtellen kann, unter freiem Himmel verrichtet wurden. Die Unreinlichkeit (um einer abſcheu- lichen Sache einen höflichen Namen zu geben) iſt hier womöglich noch größer und ihr Anblick ekelhafter als in Meſſina, denn der Verkehr iſt lebhafter, die Einwohner- zahl auf engeren Raum beſchränkt, die Nachläſſigkeit aber ebenſo groß als an erſterem Ort. Die bunte lärmende Menge iſt ſchon oft und vortrefflich beſchrieben, ebenſo die zahlreichen Soldaten in ihren altmodiſchen Uniformen, die Promenaden am Meer, die Paläſte, die Märkte, öffent- liche Plätze, Wachen mit Kanonen hinter den Gittern und die Forts St. Elmo, Caſteluovo u. ſ. w. deshalb übergehe ich ſie mit Stillſchweigen. Das Muſeum der Alterthümer von Pompeji erſchien mir ziemlich einfältig, und ich konnte ſelbſt den ſchönen Kunſtwerken, die hier ſo maſſenhaft aufgehäuft ſind, bei weitem nicht das Intereſſe abgewin- nen, das ſie verdienen. Welch ein Mißgriff, dieſe Sachen aus der Umgebung zu reißen, die ihnen ſo unendliches Intereſſe verleihen, wie ungleich anziehender erſchienen mir die unbedeutendſten Fragmente, die ich ſpäter in Pom- peji und Herculanum ſelbſt ſah, denn jedes derſelben ſtellte in ſeinen mannichfachen Beziehungen ein Stück der Ge- ſchichte ſeiner Zeit und ſeiner Umgebungen dar. Wieviel mehr wird die Aufmerkſamkeit des Beſchauers durch die alte Stadtmauer von Herculanum gefeſſelt, mit ihrem Thor, dem Gefängniß dicht dabei, deſſen Gitter halb zer- – 291 – ſchmolzen ſind, und nicht weit davon den Brunnen, deſſen Rand die Einſchnitte zeigt, die durch langjährigen Gebrauch die zum Heraufziehen des Waſſers nöthigen Seile gemacht, oder von den Straßen Pompeji's, von den Häuſern, aus denen man das Leben ſeiner Bewohner errathen kann und den Tempeln, in denen der Tod diejenigen überraſchte, die hier Zuflucht zu finden hofften, als im Muſeum, von ſelbſt den ſchönſten Gefäßen, den reichſten Moſaikkaſten, die ihrer Umgebung entriſſen, mehr den Eindruck künſt- licher Imitationen machen. Die nach Pompeji führende Eiſenbahn erlaubte nur einen flüchtigen Beſuch daſelbſt, ebenſo wie in Herculanum. Von letzterem liegt nur ein kleiner Theil nahe dem Meeres- ufer zu Tage, wo ein Brei aus Aſche und heißem Waſſer die Ruinen bedeckte, denn da die beiden Städte Reſina und Portici über der alten Stadt erbaut ſind, ſo ward das Terrain zu koſtſpielig, um weitläuftige Ausgrabungen zu machen; in den Theilen aber, wo glühende Lava die Stadt übergoß, wurde die Arbeit zu ſchwierig, um ſie ohne ſehr große Koſten fortzuſetzen. Dadurch, daß das Theater unterirdiſch iſt und man dasſelbe nur ſtückweiſe beim Kerzenlicht betrachten kann, verliert der Eindruck ſehr an Macht. Es blieb noch Zeit übrig, um die zu dem Eremiten des Veſuvs führende Straße bis dahin zu beſteigen, wo ſie von einem Lavaſtrom des Ausbruches vom Jahre 1857 überfluthet worden iſt. Dieſer verfolgt ſeinen Weg thal- – 292 – wärts noch immer weiter, und es iſt nicht abzuſehen, wann ſein Lauf gehemmt werden wird. Das Fließen der Lava iſt hier mehr ein langſames Fortſchieben. Die glü- hende Maſſe iſt an der Außenſeite erkaltet und dieſe blättert ſich fortwährend ſchieferartig los, zu Zeiten durch die Ritzen und Sprünge das rothglühende Innere ſehen laſſend. Die von oben nachdrückenden Maſſen ſchieben das Ganze weiter, und die Zufälligkeiten des Terrains, je nachdem dasſelbe ſteil iſt oder manchmal kleine Keſſel bildet, die ſich langſam füllen, befördern die Bewegung oder halten dieſelbe auf. Jetzt iſt dieſelbe ſo langſam, daß man Zeit genug findet, um die Weinreben, Pfähle und diejenigen Bäume, die ſich zu Nutz- oder Brennholz eigenen, bei Seite zu ſchaffen, ſo daß nur Gras, Geſtrüpp und kleine nicht anderweitig verwendbare Bäume von der Gluth verzehrt werden. Als ich den Ort beſuchte, ward juſt ein junger Feigenbaum von den Flammen erfaßt, derſelbe loderte hell, wie eine Fackel brennend, empor und war in wenigen Minuten zu Aſche verwandelt. – Und trotz- dem, daß das Verderben täglich über ihren Häuptern hängt, kaufen ſich die Leute hier Land und Häuſer, bauen auf den Ruinen Herculanum's und Pompeji's neue Städte und ſehen gelaſſen demſelben Schickſal entgegen, das jene ereilte. Der letzte Ausbruch bildete einen Krater auf etwa zwei Drittheile der Höhe des Berges, daraus läßt ſich ſchließen, daß die Seiten durch fortwährendes Einſtürzen nach Innen ſehr geſchwächt ſein müſſen, und früher oder – 293 – ſpäter wird der ganze Kegel einſtürzen; wie dies ſchon früher einmal der Fall geweſen. Der Mann, von dem man bei der Beſteigung des Berges gewöhnlich die Eſel miethet, hatte ſich kürzlich in der Nähe der Lava einen Weingarten gekauft. Auf meine Frage, ob er nicht für die Sicherheit ſeines Grundeigenthums fürchte, antwortete er mir: „Oh nein, ich habe einen ſehr guten Schutz- heiligen.“ Da der nächſte Eiſenbahnzug zu ſpät ging, um die Stadt vor Abfahrt des Dampfers zu erreichen, ſo fuhr ich von Portici in einem Miethwagen. Auf halbem Wege paſſirte ich eine Reihe ausgedehnter Caſernen, in denen zwei Regimenter Jäger, eines dergleichen Artillerie und drei Cavallerie-Regimenter quartirt ſind, die ſich alle für das Feſt des nächſten Tages putzten. Zur Stadt zurückgekehrt, mußte ich mir von der Polizei eine ſchrift- liche Erlaubniß holen, an Bord zu gehen. Ein ganzer Tiſch war mit dieſen auf wunderliche fünfeckige Zettel geſchriebenen Documenten bedeckt, aus denen man ſich das ſeinige herausſuchte. Ich war eben im Begriff, meinen Zettel zu ergreifen, als man mich nach meinem Namen fragte. „Mazzini“ lautete meine Antwort. „Wie?“ fragte der entſetzte Polizeimann. „Mazzini Napoleon Bernhard Wilhelm Heine ſind meine Tauf- und Familiennamen“, dann aber ergriff ich ſchnell meinen Zettel und eilte an Bord zu kommen; denn die Mienen der Leute ſchienen zu verkünden, daß mein Scherz mir nähere Bekanntſchaft – 294 – mit dem Innern neapolitaniſcher Gefängniſſe zuziehen könne, als wünſchenswerth ſchien; indem ich mich mit der Außenſeite derſelben begnügen zu können glaubte. Um ſechs Uhr des Abends verließ der Dampfer die Bai von Neapel und entlang der mit Orangenhainen bekrönten Felſenküſte von Sorrento hinſegelnd, glitten wir durch die ſchönen Inſelgruppen nördlich von Capri hin, unter denen Isſchia durch ſeine maleriſche Lage ſo leicht zu erkennen iſt. Am nächſten Morgen bei Tagesanbruch befanden wir uns der Küſte nahe genug, um die Kuppel von St. Peter in Rom aus der Ferne wahrnehmen zu können, allein dies war leider Alles, was ich von der „ewigen Stadt“ zu ſehen bekam; denn obſchon man von Civita Vecchia per Eiſenbahn in einer Stunde dahin gelangen kann, ſo ſind dennoch die verſchiedenen Züge ſo unzweckmäßig ver- theilt, daß es nicht möglich iſt, am ſelben Tage zeitig genug für die Weiterreiſe mit dem Dampfer zurückzu- kehren. In Civita Vecchia ſelbſt iſt wenig Sehenswerthes, ein kleiner Hafen, eine kleine mit Wällen umgebene un- intereſſante Stadt, und die Umgegend von niedrigen ſan- digen Hügeln ohne Baumwuchs gebildet. Ich hatte kaum erwartet, in Italien eine ſo monotone Gegend, Stadt und phlegmatiſche Einwohner zu finden, ſelbſt die fran- zöſiſchen Soldaten, die hier in Garniſon liegen, ſchienen von den ſie umgebenden Einflüſſen niedergedrückt zu ſein, denn noch nie habe ich die Krieger der „grande nation“ – 295 – ſo ruhig und ohne Lärmen ſich bewegen ſehen. Ich be- dauerte den zwölfſtündigen Aufenthalt ſo unprofitabel zu finden, und war froh, als der Abend hereinbrach und der Dampfer ſich wieder entfernte. Am nächſten Morgen langten wir in Livorno an. War ſchon ein merklicher Unterſchied zwiſchen den rein- licheren Straßen und ruhigeren Bewohnern von Civita Vecchia gegen den Schmutz und Lärmen von Neapel bemerkbar, ſo war der Contraſt hier noch auffälliger. Ein großer geräumiger Hafen, den man noch künſtlich zu erweitern ſucht, war gedrängt voll von Schiffen aller Nationen; eine rege geſchäftige Menge drängte ſich eilig umher, ohne dabei einen ſolchen Lärmen zu machen, wie die Lazzaroni, und die Phyſiognomieen der Leute waren offener und intelligenter, als ich bisher wahrgenommen. In der Stadt waren wenig prachtvolle Paläſte, auch nicht viel alte Bauwerke von großem Kunſtwerthe, allein die Straßen ſind breit, wohl gepflaſtert, die öffentlichen Anlagen in gutem Stande, die Häuſer angenehm und wohnlich, von der Art, wie man ſie in bedeutenden Handelsſtädten zu finden pflegt, und Alles deutete an, daß die Bevölkerung hier aus fleißigeren, lebendigeren, intelligenteren Leuten beſteht, als man in Unteritalien antrifft. Es fiel dies nicht nur mir ſelbſt auf, ſondern Judge Forſyth aus Troy (New-A)ork), der mit Herrn Reymond von der New-A)ork Times erſt den Kriegs- ſchauplatz in der Lombardei und ſpäter Unteritalien beſucht, – 296 – jetzt eben von Neapel in demſelben Dampfer zurückkehrte und in deſſen Geſellſchaft ich umherwandelte, machte gleichzeitig die Bemerkung „die Leute ſehen eher aus wie A)ankee's, denn wie Italiener.“ Schiffe, öffentliche Gebäude und viele Privathäuſer waren mit der italie- niſchen Tricolore geſchmückt und überall Anſchläge mit fingerlangen Buchſtaben zu ſehen: Viva Vittor Emanuel nostre Re, denn die Legislatur hatte eben den einſtim- migen Beſchluß gefaßt, Toscana mit Sardinien einzu- verleiben. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt ſind auch hier bald erſchöpft, allein da auf der Eiſenbahn nach Florenz täglich mehrere Züge gehen, ſo iſt es wenigſtens möglich, einen kurzen Beſuch in Piſa zu machen, das man in 40 Minuten erreicht. Die Felder, durch die der Weg führt, tragen denſelben Stempel, der auf eine intelligente, fleißige, thätige Bevölkerung ſchließen läßt, und ebenſo Piſa, das, obſchon ſeine Einwohnerzahl ſeit dem Mittel- alter nicht zugenommen hat, dennoch nicht die Spuren von Verfall zeigt, wie die Städte Unteritaliens. Der ſchöne Dom mit ſeinen meiſterhaften Moſaiken, Bildern, Sculpturen, beſonders die koſtbaren broncenen Thüren, das Baptiſterium, dies Muſterſtück italieniſcher Gothik, und der zu Beiden gehörige Campanile, der ſchiefe Thurm, ſowie das dicht dabei liegende Campo Santo, nahmen natürlich den größten Theil der Zeit in An- ſpruch, und dennoch konnte ich dieſen herrlichen Meiſter- – 297 – werken der Baukunſt wenig mehr als einen flüchtigen Blick widmen. Die Gruppe, welche dieſe vier Bauwerke bilden, der Dom, der ſchiefe Thurm, das Baptiſterium und das Campo Santo, iſt einzig in ihrer Art, und da gewaltſame Zerſtörung derſelben fern geblieben, außerdem noch viele Sorgfalt auf ihre Erhaltung verwendet worden iſt, ſo ſtehen ſie da, ein reines unverfälſchtes Zeugniß der Periode, welcher ſie ihren Urſprung verdanken. Der ſchiefe Thurm erzeugt ganz eigenthümliche Gefühle im Beſchauer. Man iſt ſo daran gewöhnt, in einem Thurm ſtehend, nach oben blickend, alle Seiten ſich gleich- mäßig perſpectiviſch verjüngen zu ſehen, daß man auch hier nach der im oberen Theil befindlichen Oeffnung blickend, den Kopf dreht und wendet, um eine gleiche Anſicht zu gewinnen; allein bei dem nach einer Seite ſich ſenkenden Fußboden und den überhängenden Mauern des Thurmes wird man dadurch in eine ſolche Stellung gebracht, daß man ſeinen Schwerpunkt verliert und zu taumeln anfängt. Dies iſt beſonders der Fall, wenn man auf dem Wege zur Treppenthür nach oben blickt, da man ſich in dieſer Stellung ſehr nach hinten über- biegen muß, um das Dach zu erblicken. Einen ebenſo ſonderbaren Eindruck macht das Erſteigen der ſpiral- förmig in der Peripherie des Thurmes ſich windenden Treppe, deren Stufen von unten bis oben von gleichen Dimenſionen ſind, die aber, je nachdem man ſich dem überhängenden Theile zuwendet oder abwendet, ſchwerer – 298 – oder leichter zu erſteigen ſind. Da nun die Treppe keine Ausſicht geſtattet, ſo fühlt man zu Zeiten, als ob man ſchwere Gewichte an den Füßen zu hängen habe, dann aber wieder, als ob man von einer unſichtbaren Hand geſchoben würde, ohne die Urſache davon wahr- nehmen zu können. Die Urſache des Ueberhängens dieſes Thurmes iſt nicht ſo ſchwer aufzufinden. Aus den oft ziemlich bedeutenden Senkungen anderer Gebäude in Piſa iſt erſichtlich, daß entweder der Grund und Boden weich und ſchwammig oder ſonſt mangelhaft beſchaffen ſein muß oder, daß man bei dem Legen des Grundes leicht- ſinnig zu Werke gegangen iſt. Es ſcheint, daß das Senken des Thurmes erſt angefangen, als derſelbe bereits eine beträchtliche Höhe erreicht hatte; da man nun wahrſcheinlich nicht rathſam fand, den ganzen Bau einzureißen, ſo hat man in den oberen drei Stockwerken die Säulen auf der überhängenden Seite etwas höher gemacht, um ſo den Schwerpunkt noch im Innern des Thurmes zu erhalten; daß der Thurm nicht überhängend gebaut worden iſt, darauf deutet der Fußboden des un- terſten Geſchoſſes hin, der auch abſchüſſig, und ent- ſchieden erſt im Laufe der Zeit ſo geworden iſt. Es wäre abſurd anzunehmen, daß ein Architekt von ſo großer Geſchicklichkeit wie der Erbauer dieſes Thurmes, ſich eine ſolche kleinliche Spielerei erlaubt haben würde, die den Geſammteindruck dieſes ſchönen Bauwerks nur ſtören kann. – 299 – Die Ausſicht von der Höhe des Thurmes iſt überaus lieblich, rings um die Stadt dehnen ſich die friſcheſten grünſten Felder und Gebüſche, nach Norden aber und Nordoſten ſchließen die eleganten Formen der Apenninen- kette den Geſichtskreis ab. In Piſa herrſchte ebenſo volkommene Ruhe und Ord- nung als in Livorno. Man konnte kaum wahrnehmen, daß irgend welche außerordentliche Ereigniſſe ſtattgefunden hätten oder erwartet würden, wäre es nicht vielleicht die gänzliche Abweſenheit regulärer Truppen, deren Stelle die Nationalgarde vertrat, oder die Abtheilungen junger Leute, die hie und da auf öffentlichen Plätzen oder den Wällen ſich in den Waffen übten. Jene als unvermeidlich ge- dachte Begleiter von Revolutionen, wie eingeſchlagene Fenſterſcheiben, umgeriſſene Laternenpfähle und die In- ſchrift „National-Eigeuthum“ an öffentlichen Gebäuden fehlte hier, ſelbſt die Wappenſchilder des Hauſes Eſte waren nicht abgenommen, ſondern nur mit Tüchern zu- gehangen; vielleicht hatte man ſie aus ökonomiſchen Gründen nicht entfernt, um ſie im nöthigen Falle bei der Hand zu haben. Den Hafen von Livorno um fünf Uhr verlaſſend, paſſirten wir in der Nacht bei hellem Mondſchein die Inſel Elba, und langten um zwei Uhr in Genua an. Leider war mir auch hier nur ein Aufenthalt von einigen Stunden geſtattet, und die ſchöne Stadt mit ihren vielen Paläſten am Buſen der Hügel hingeſchmiegt, und den geräumigen Hafen im Halbkreis umgebend, ſchwebt mir noch wie ein Traumbild vor. In Folge des kaum be- endeten Krieges war der Hafen noch voller Kriegs- und Transportſchiffe, jeder geeignete Ort zum Aufſpeichern der ungeheueren Munition-, Material- und Proviſions- vorräthe benutzt, die für den Gebrauch des franzöſiſchen Heeres beſtimmt geweſen, und auf der Eiſenbahn begeg- nete man gelegentlich Zügen von eben aus den Hospitälern entlaſſenen Verwundeten und Kranken, die nach ihrer Hei- math zurückkehrten. Die bleichen Geſichter und die ver- krüppelten Geſtalten dieſer vielleicht noch vor wenig Mo- naten ſo friſchen und lebensmuthigen Leute erzählten mit größerer Eloquenz, als Worte können, die beklagenswerthe Geſchichte des Krieges. Um Mittag paſſirte der Zug Alexandria, das im Vor- überfahren geſehen, mehr einer in der Eile befeſtigten offenen Stadt gleicht, als einer ſo bedeutenden Feſtung, und um drei Uhr befand ich mich bereits am Bord des Dampfers vom Lagomaggiore. Land und Leute, die ich bis dahin geſehen, waren noch weiter verſchieden von den Unter-Italienern, als die Bewohner Toscana's, und mit Feldern wie Menſchen ſchien es gleich wohl beſtellt zu ſein. Glichen alle Wege des Reiſenden einer Fahrt über den Lago maggiore, ſo könnte man ſich verſucht fühlen ein wanderndes Nomadenleben zu führen, denn ſchnell auf dem zwar kleinen, doch bequemen Dampfer dahin- gleitend, verliert man eine ſchöne Ausſicht nur aus den – 301 – Augen, um im ſelben Augenblick in einer anderen Richtung eine noch ſchönere zu erblicken. Die gewaltigen maſſen- haften Gebirge ſind von mit Weingärten und Kaſtanien- wäldern bedeckten Vorhügeln umgeben, über die niedliche pitoreske Dörfer und Städtchen verſtreut liegen und in der Ferne werden zuweilen die weißen Häupter der Glet- ſcher ſichtbar. Im Fort von Lavenno befand ſich noch eine kleine Abtheilung von Garibaldi's Alpenjägern als Garniſon. Dieſer Ort, der den öſterreichiſchen Dampfern als Zufluchtsort diente, iſt ziemlich ſtark befeſtigt. Zwei Thürme nebſt einigen ſtarken Verſchanzungen mit ſchwerem Geſchütz beſetzt, decken die Seeſeite vollkommen, an der Landſeite führen nur einige Fußpfade durch das ſteile Gebirge und ein Fort auf der Spitze eines außerordentlich ſteilen Hügels gelegen, iſt ohne Artillerie kaum einzu- nehmen, dieſe aber nur über den See herbeizuſchaffen, wo die gute Vertheidigung des Ufers eine Landung faſt unmöglich macht. Die Alpenjäger waren meiſt junge Leute in einfache leichte graue Tunica und Beinkleider gekleidet und ſahen der populären Darſtellung dieſes Corps ebenſo wenig ähnlich, als ihr einfach gekleideter anſpruchsloſer glatt gekämmter und raſirter Führer dem Räuberhaupt- mann gleicht, der gleich Karl Moor mit einem Dutzend Dolchen und Piſtolen im Gürtel in den Bilderläden unter dem Titel Garibaldi zum Verkauf ausgeboten wird. Von Bellinzona aus fuhr ich in der Diligence aus Mailand, überſtieg am nächſten Tage den „Berg der – 302 – Berge“ jenen herrlichen großartigen St. Gotthard's-Paß und über den ewig ſchönen Vierwaldſtädter See nach den Ebenen Nord-Deutſchlands zurückkehrend, fand meine Sommerreiſe ein Ende. NT a ch w or t. Die Sommerreiſe iſt zu Ende, und ſo noch manches Andere. Ob die Bilder, für welche ich während jener Zeit die Studien ſammelte, jemals von mir gemalt werden, weiß Gott allein. Ich fühle mich nicht fähig, während der nächſten Jahre das Leben in Städten zu ertragen, mein Haus iſt verödet, Weib und Kind dahin. Es iſt kaum zu erwarten, daß die Wände des Capitols in Waſhington ſo lange für mich leer gehalten werden ſollen. Doch wo Gott dem Menſchen etwas nimmt, giebt er ihm auf andere Weiſe Erſatz dafür. Wünſche, deren Erfüllung noch vor einem Jahre im Reiche dunkler Zukunft zu liegen ſchienen, nähern ſich ihrer Verwirklichung. Ein deutſches Geſchwader ſoll eine Weltfahrt beginnen, deutſche Intereſſen in überſeeiſchen Ländern kräftig vertreten werden. Es iſt mir Gelegenheit ge- boten, dem Lande das mich geboren ſelbſt als Bürger eines Freiſtaates einen Dienſt zu erzeigen; meine Sympathien regen ſich warm für den Volksſtamm, dem ich entſprungen. Ich bin entſchloſſen, das Gewiſſe dem Ungewiſſen zu opfern, denn ſo Gott will, wird dies Unternehmen zum Wohle Vieler beitragen. Das walte Gott! Berlin, den 15. Februar 1860. Berlin, Druck von Guſtav Schade, Marienſtr. 10. # - - - - - -- - - - - '. - x" - - - - - - - - - - - -/ - » - - - - - - - - - - ". - - - - - - - - -- - - - - - - - - - - - -- - - « . - » - - - - - - - - - - - - - ---- ETTS Tºr Hollnsteiner 3. I Ä der . . VT - sº T in - - LO - - S><F. - - - Alzervorstadt, am Gae - - - - arena. „ „fer, Hause