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- - - - - - - - M E NT EM AL 1 T E T E XCO O) F: B | B L | O T H E K NATIONALBIBLIOTHEK - --- - - - - - - - - - - - 3 2. li e i f e des evangelischen Missionar Christian Ferdinand Ewald, v) On Tunis nach Tripolis und wieder zurück. Herausgegeben - von Dr. Paulus Ewald, Königl. Pfarrer zu Plech. Mit vielen Kupfern: - Ansichten, Pläne, Trachten ac. enthaltend. Sococoojocajo Scac$00$30 ae Hocßx-– Nürnberg, London, Ferdinand v. Ebner. Black u. Armstrong. 1 S 4 e. W. o r w o r t. Gs bedarf wohl keiner weitläufigen Schutzrede zur Herausgabe einer Reise, die über eine bedeutende Strecke der Nordküste von Afrika interessante Auf- schlüße gibt und über manche noch dunkle Region der Geographie ein äußerst willkommenes Licht ver- breitet. Nicht minder wichtig erscheinen für den Alterthumsforscher die Anzahl der aufgenommenen Ruinen und für den Historiker die sich daran knü- pfende Geschichte der Alten; während den Freund der Länder- und Völkerkunde Bemerkungen über Re- ligion, Sitten und Gewohnheiten der Bewohner die fer Länder, sowie über Verfassung, Einrichtung, Rechtspflege c. der Städte, welche im Bereiche der Reise sich finden, überraschen. Jeder aufmerksame Leser aber wird überdieß wohl selbst finden, daß nur derjenige Reisende im Lande des Halbmondes im Stande ist, sich der zuverlässigsten Nachrichten er- freuen zu können, der sich Sprache und Sitte eines arabischen Muselmannes im hohen Grade anzueig- nen weiß, Mühseligkeiten, Beschwerden und Gefahren nicht achtend, nur dem hohen Ziele seines Berufes zueilt. Reisebeschreibungen dieser Art sind selten und werden eben deswegen in neuerer Zeit mit höch- fem Intereffe und Beifall aufgenommen. Der christliche Theolog wird durch den Inhalt dieser Schrift merkwürdige dogmatische Aufschlüffe über den Islam und insbesondere über die Glau- bensgrundsätze der Secte der Wechabia finden, die ihn in den Stand setzen, in dieser Beziehung ein richtiges Urtheil zu fällen. - Indeffen muß hier bemerkt werden, daß das eigentliche Wirken des Reisenden als Missionar hier nur im Vorübergehn berührt wurde, in so fern nämlich als es zum Verständniß des Ganzen nöthig zu feyn schien. Die vielen beigegebenen Zeichnungen werden das Erzählte recht veranschaulichen und von dem Leben und Treiben der Moslemin auf der Nord- küste von Afrika ein deutliches Bild zurücklaffen. Sie sind fast alle an Ort und Stelle aufgenom- men und sonach treue Spiegel der Natur. Dr. Ewald. I. Solim an den 12. Mai 1835. Gleich nach Ostern wollte ich meine Reise, der Küste entlang, von Tunis nach Tripolis antreten. Allein mancherlei Hindernisse stellten sich mir entgegen. Mein Diener sonst so ziemlich ordentlich, hatte aber eine so große Freude an Lügen, daß er mich, trotz häufiger Warnungen, immer wieder aufs Neue anlog. Ich mußte ihn deshalb fortschicken. Ein bekannter Mahomedaner empfahl mir einen andern, den ich auch sogleich annahm. Er gehörte dem Stamme Waraklia an. Dieser Stamm lebt ungefähr 20 Tagreifen von Tunis, frei und unab- hängig, von einem Scheick regiert Es find treue und zuverläßige Leute und haben in Tunis das größte Zu- trauen. Aus den Waraklia wird die Nachtwache gewählt und nur ihnen die äußere Bewachung des Palastes an vertraut. Wer hier einen treuen Menschen um sich haben will, sendet nach dem Schaufch, Vorsteher derselben, der sich für alle seine Leute verbindlich macht, um einen 1 92 - - Waraklia zu erhalten. Ich war deshalb sehr erfreut. Als ich aber meinen neuen Diener näher befah, fand ich, daß er mit der dritten ägyptischen Plage übersäet war. Mit aller Bescheidenheit machte ich ihn darauf aufmerk fam, versprach ihm andere Kleider zu kaufen, um die Seinigen dagegen auszutauschen. Hierüber wolle er mit feinem Schaufch sprechen, war die Antwort. Sogleich ging er zu ihm. Beide kamen nach kurzer Zeit zu mir und der Vorsteher sagte, der Waraklia könne sich nicht entschließen seine alten treuen Freunde zu verlaffen eines Herrn wegen. Ich war also abermals ohne Diener. Hierauf bot sich mir ein Malteser an. Ungerne wil- ligte ich ein, weil diese Menschen in der Regel schlaue Diebe find; doch ich mußte der Noth weichen! Auch stellte sich jetzt Regenwetter ein, dazu kam noch, daß der Bey sehr krank wurde und täglich fah man seiner letzten Stunde entgegen. Man befürchtete nach feinem Ableben eine Revolution, weil zwei mächtige Partheien am Hofe sich feindlich gegenüber stehen. Die eine wünscht den Bru- der des Bey Sidi Mustapha, die andere den Sohn des Bey auf den Thron zu heben. An der Spitze der letztern steht der Sachab Ettaba, Siegelbewahrer, und gegenwärtig erster Minister, der die Zügel der Regierung ganz allein in den Händen hat. Die erstere wird von Sidi Mustapha, der allgemein geliebt ist, selbst ge- - - - leitet. - Sollte nun nach dem Tode des Bey eine Revo- lution ausbrechen, so könnte ein einsamer Wanderer, und insbesondere ein Verkündiger des Evangeliums, in große Gefahr gerathen. Darauf wurde ich selbst von einem Freunde am Hofe aufmerksam gemacht. Da aber die Krankheit des Bey sich verlängerte und heute von ihm gesagt wurde: er befinde sich beffer und morgen: er fey tödtlich krank, auch die Witterung sich unterdessen gebessert hatte; so entschloß ich mich, mich im Namen des Herrn auf den Weg zu machen. Bibeln hatte ich bereits nach Sufa, wo ich längere Zeit zu weilen gedenke, gesendet. Meine Vorbereitungen zu dieser Reise waren getroffen, ich und mein Carmeli, Name meines Dieners, bestie- gen nun einen gemietheten zweirädrigen Wagen, in wel- chen ich alles zur Reife Nöthige gepackt hatte, und fuhr ren gestern frühe 6 Uhr zum Thore Bab el gafir hin- aus. Da die Funducken, oder Herbergen, den Reisenden nichts als die vier Wände reichen; so muß man auch mit Allem versehen feyn, was zur Leibesnahrung und Noth- durft gehört. Sobald wir die Wohnungen der Lebendigen verlaffen hatten, kamen wir zu den Gräbern der Verstor- benen, die bis ans Stadtthor reichen. Mein Weg führte eine Viertelstunde an denselben entlang und die weißen, immer wieder neu übertünchten Gräber glänzten, beleuchtet von der Morgensonne, an den nahen Hügeln. Hier 1 - 4 wurde mir, beim Anblick dieser Hügel, der Ausspruch des Herrn, Matth. 23, 27–29, sehr verständlich; denn noch immer werden die Gräber der Juden und Mahome- daner von Zeit zu Zeit mit Kalk übertüncht und gewäh- ren dadurch, besonders in der Ferne, eine schöne Ansicht. Der Morgen war schön, die Gegend noch schöner, obgleich kaum halb angebaut, so grünt und blüht dennoch die ganze Fläche umher. Liebliche Auen, gleich Blumen- gewinden, wechselten mit Saatfeldern zu meiner Rechten, während links, dem See von Tunis näher, sanfte Höhen, besetzt mit Olivenbäumen, sich dem Auge darstellten. Welch ein herrliches Land! Hier könnten Tausende und aber Tausende von Menschen ruhig, friedlich und reichlich leben und wirthen, thronte ein christlicher Fürst hier und rührten sich christliche Hände auf Höhen und in der Tiefe. Allein mahomedanische Grausamkeit hat alles umher ver- ödet und entvölkert. - Das erste Dörfchen, welches ich traf, heißt Sidi Fatach Allah, eine englische Meile von Tunis entfernt. Seinen Namen verdankt es einem Derwisch, Namens Fatach Allah, der hier begraben liegt. Die Frauen, wallen stark hieher, diesen Derwisch um Kinder anzu- flehen. Der Freitag soll hiezu besonders geeignet sein. Um erhört zu werden, ist es nöthig, einen Felsen, der in der Nähe des Grabes dieses Heiligen sich findet, zu be- - - 5 steigen, sich auf den Rücken zu legen, und so hinab in die Tiefe zu rutschen.“) - Eine englische Meile weiter, und ich hatte zu mei- ner Rechten, auf einer Anhöhe liegend, zwischen dem See von Tunis und dem Meere das Städtchen Rhades, das alte Ades, wo Regulus den Sieg über die Kar- thager davon trug, in der Nähe desselben bemerkt man die Hügel, jetzt voll der schönsten Olivenbäume, wo Ha- mon ungeschickter Weise seine Elephanten aufstellte, wel ches seinem Heere den Untergang bereitete. Nicht fern von Rhades fuhr ich über eine Brücke, unter welcher der Fluß Miliane, der Cate da der Alten, fließt. Um 9 Uhr erreichten wir die warmen Bäder Hamman Enf, zur Zeit der Römer schon berühmt und auch jetzt noch. Hier hat der Bey von Tunis einen Winter-Palast und ist zu dieser Jahreszeit mit seinem ganzen Hofe hier. Das Aeußere dieses Gebäudes gleicht einem Nonnenkloster, seine vielen Fenster sind alle, der Frauen wegen, mit Gitter werken geschloffen, das Innere aber ist orientalisch, pracht- *) Dieses hatte man mir erzählt; allein ich hielt es für zu abgeschmackt, allen Anstand verletzend, und konnte es nicht glauben. Als ich aber später in Begleitung des schwedischen Konsuls und noch einiger Herren einen Ritt in diese Gegend machte und an diesem Felsen vorüber kam, sah ich eine Menge Frauen, welche obige Ceremonie machten. - - 6 voll ausgeschmückt. Ein Ruff, Herr K..., der die Reise eine Strecke mit mir machen will, hatte ein Schreiben von Sachab Ettaba an den Wakil, Aufseher des Pal- lastes, und dieses verschaffte uns die Gunst das Innnere besehen zu dürfen. Der Wakil, ein Neger, Sklave des ersten Ministers, führte uns durch alle Zimmer. Da Herr K... nicht arabisch spricht, so machte ich den Dolmetsch, deßhalb fah mich der Wakil für einen Diener des Herrn K... an, und fagte mir nach maurischer Weise viel schönes, das ich Herrn K... sagen mußte. Nachdem wir alles besehen hatten, dachten wir, es fey billig, dem Aufseher für seine Mühe ein Geschenk zu reichen. Herr K. that dieses auf eine so feine Art, daß es die Umste- henden nicht bemerken konnten. Allein wie bestürzt und beschämt waren wir, als der Wakil, wie beleidigt, das Geld von sich wieß, fagend: Nein, mein Herr, Geld nehme ich nicht, Sie haben einen Brief von Seiner Herrlichkeit an mich gebracht und wir sind nun Freunde. Was ich habe steht zu Ihren Diensten. Wenn Sie meine Augen wollen, so nehme ich sie heraus und gebe fie Ihnen, Hierauf rief er seinen Sklaven, einen unter ihm dienenden Neger, der uns überall mitbegleitet hatte, und stellte diesem das Geld zu. In diesem Augenblick fühlte ich mich in der That tief beschämt Aber laut auf mußte ich lachen, als der großmüthige Wakil, da –– wir alleine waren, sich an mich wendete und sagte: Sagen Sie doch diesem Herrn wir sind nun Freunde, und was ich habe steht zu seinen Diensten. Geld nehme ich für meine Bemühungen nicht an, obschon wie Sie sehen, das Treppen Auf- und Absteigen mich sehr ermüdet hat und jetzt der Schweiß mir von der Stirn fließt; aber er soll mir ein Paar schöne kleine Pistolen kaufen, die ich im Gürtel tragen kann, wenn ich am Hofe vor. Seiner Ho- heit dem Bey erscheine. An dem Palaste ist eine Art Citadelle angebracht, auf welcher 8 Kanonen aufgepflanzt sind. Die meisten warmen Bäder sind für den Bey bestimmt, doch find auch einige zum allgemeinen Gebrauch, daher finden sich beständig Leute hier, die sich deren bedie- nen. Nachdem unsere Pferde abgefüttert waren, fuhren wir im Namen des Herrn weiter. Die Gegend um und in der Nähe von Hamman Enf ist öde und unan- gebaut. Wir hatten nun den Meerbusen zur Linken und die kahle Bergkette von Hamman Enf zur Rechten. Indessen wird diese öde Gegend dadurch belebt, daß fie beständig von einer Menge Karavanen, die entweder von Tunis kommend oder dahin ziehend, durchschnitten wird. Einige Sklavenhändler, furchtbar bewaffnet, auf Kameelen reitend, und gegen hundert weibliche Sklaven vor sich her treibend, stießen hier auf uns. Mein Herz wollte brechen bei diesem jammervollen Anblicke. Arme 8 - Geschöpfe, wann wird für euch die Stunde der Erlösung schlagen! Wann wird bis zu euch die fröhliche Bot- fchaft von Christo dringen, und der menschenfreundliche Ruf unters Heilandes: Einer ist euer Meister, ihr alle aber feyd Brüder ! Wann werden Menschen aufhören, Menschen, Brüder und Schwestern, wie das unvernünf tige Thier zu behandeln! Wohl dann erst, wann die ganze Erde voll sein wird von der Erkenntniß Gottes in Christo Jesu, Diese Unglücklichen kamen gerade aus dem Innern des Landes, aus ihrer Heimath, von welcher wilde Grausamkeit fielgeriffen. Sie waren noch nach ihrer Landessitte gekleidet, hatten alle große bunte Glasperlen um den Hals und verstanden nicht arabisch. Da ich es wagte, einige anzureden, lachten sie wild auf und liefen vorwärts. Jede derselben schien etwas aus der Heimath bei sich zu haben, Ich fah eine, welche zwei Papageien auf dem Haupte trug, Die Treiber waren aus Ga- dams und sagten mir, fie feyen nun bereits schon sechs Monate auf der Reise, Bald werden diese Unglücklichen den Sklavenmarkt zu Tunis zieren. Da werden jeden Morgen um 10 Uhr, mit Ausnahme des Freitags, die unglücklichen Neger und Negerinnen auf den Markt ge- bracht. Der Sklavenmäckler nimmt den Sklaven oder die Sklavinn bei der Hand, führt eine Waare auf und ab und ruft den Preis für den Sklaven aus. Zugleich „“ 9 rühmt er die Geschicklichkeit desselben. Der Käufer unter sucht zuerst die Füße, die Hände, die Zunge, die Zähne u.fw. des armen Schwarzen, und wird der Kaufgeschloffen; so finden sich sogleich in der Nähe die Vorsteher des Mark tes, welche ihn in die Bücher eintragen. Eine Re- gerinn kostet gewöhnlich 3–400 Piaster = 200 Gulden, ein Neger oft nur die Hälfte. Keine angebauten Felder, keine Hütte erfreuen des Wanderes Auge in dieser öden unwirthlichen Gegend, doch fanden wir einige Brunnen mit frischem erquickenden Waffer. Erst als wir Soliman vor uns sahen, gewann das Land wieder Schönheit. Eine herrliche schöne Ebene mit Feldern, Wiesen und kleinen Oliven-Wäldern, durchschnitt ten und reichlich bewäffert von einem klaren Fuße, wird sichtbar ; diese durchzogen, wir und langten. Abends 4 Uhr, nach zurückgelegten 24 Meilen *) in diesem Städt- chen an. - Solimans Lage ist nur eine Stunde ohngefähr vom Meere entfernt. Die Stadt ist regelmäßig gebaut, hat eine breite Hauptstraße, von mehreren Nebenstraßen durchkreuzt, und einen schönen großen Marktplatz. Die Häuser sind, mit Ausnahme weniger, nur ein Stockwerk hoch. Hier könnten 7–8000 Einwohner leben; aber sie zählt deren nur 700. *) Englische Meilen, deren immer 5 eine deutsche betragen. Zwei Drittel der Häuser liegen in Ruinen. Eine der Vorstädte, durch welche wir kamen, die wohl an hundert Häuser zählen mochte, ist ganz zerstört und hat fast keine Bewohner. Die Pest, welche 1816 hier gräßlich wüthete, hat mehr als die Hälfte der Einwohner ins Grab gelegt, und von den Verschonten wanderten damals viele in ent fernte Dörfer und kehrten nicht wieder zurück. Zu der Entvölkerung dieses schönen Städtchens trägt auch noch die unpolitische und tyrannische Regierungsweise des Bey bei. Sobald der Bey erfährt, daß ein Einwohner von Soliman sich im Wohlstande befindet, so läßt er nicht nach bis er dessen Geld in feine Schatzkammer und den Mann an den Bettelstab gebracht hat. Daher wandert, wer nur immer kann, nach Tunis aus, wo man von solcher Bedrückung einigermaffen verschont bleibt. Denn Tunis wird, als unmittelbar unter der heiligen Fahne Mahomeds stehend, wie eine Freistadt betrachtet, weshalb auch die Einwohner keine direkten Abgaben zu entrichten haben. Man sagt, die hiesigen Mauren feyen aus Andalusien eingewandert und das Spanische soll noch vor 100 Jahren dahier verstanden worden feyn. Ich konnte aber keine Spur mehr davon entdecken, ich hörte nur von einem Mauren sagen, daß vor einigen Monaten ein alter Mann dahier gestorben sey, der noch etwas von dieser Sprache verstanden haben soll. Die Konsuln der französischen, 11 dänischen und neapolitanischen Regierungen besitzen hier ein eigenes, gemeinschaftliches Haus. Da diese Herren die Jagd lieben, so kommen sie öfters hieher, um in dieser Umgegend zu jagen, und deren Güte verdanke ich die Erlaubniß, während meines hiesigen Aufenthalts, dieses Hausbewohnen zu dürfen. Eine Gefälligkeit, die nur derje- nige ganz zu schätzen weiß, der mit dieser unwirthbaren Gegend bekannt ist. Sobald ich mich etwas erholt hatte, ging ich aus, das Städtchen zu besehen. Da ich einen Brief an den hiesigen Vorsteher der Juden hatte, so fuchte ich diesen auf. Auf dem Markte traf ich einen Juden, den ich deshalb fragte. Da ich hebräisch mit ihm sprach und nach dem Vorsteher fragte; so glaubte er ich fey ein Jude, der, nach Jerusalem pilgernd, von der Gemeinde eine Beisteuer verlange. Er ging daher sogleich mit mir zur Wohnung. Den Vorsteher traf ich nicht, wohl aber feine Frau und mehrere Kinder. Freund fchaftlich wurde ich aufgenommen und sogleich wurde nach dem Rabbi geschickt, um den überbrachten Brief lesen zu laffen. Dieser kam, und ich hörte von ihm, daß hier nur 10 jüdische Familien wohnen, welche außer dem Vorsteher in der größten Dürftigkeit leben und von den Mahomedanern sehr gehaßt, gedrückt und verfolgt werden. Mit dem Rabbi sprach ich von dem Messias, während dieser Unterredung versammelten sich um uns - 12 die andern Nachkommen Israels zu Soliman und hörten aufmerksam zu. Im Laufe des Gesprächs, sagte der Rabbi, der seinen Talmud für das Höchste hielt, dieser fey das Fundament des jüdischen Glaubens und Wiffens, denselben zu studieren fey die größte Glückseligkeit, Gott am wohlgefälligsten und wenn er es könnte durchsetzen, so dürften die Kinder seiner Schule nur den Talmud lesen. Ich machte ihn aufmerksam auf Moses und die Propheten und bewieß ihm, daß nach der heiligen Schrift der Messias schon gekommen seyn müsse, und daß dieser kein anderer ist als Jesus von Nazareth. Es wurde spät und wir gingen auseinander, um morgen unser Gespräch fortzusetzen. Als ich in meine Wohnung zurück kam hörte ich, daß der Scheick Elblad, Befehlshaber des Städtchens, mich zu sprechen wünschte. Ich verfügte mich sogleich in seine Wohnung. Daselbst angekommen, wurde ich in einen Stall geführt. Hier saß der Scheick in einer Ecke, um ihn herum die Vornehmsten des Orts und in einer kleinen Entfernung standen einige Kühe an der Krippe. Höflich wurde ich aufgenommen. – Ich und Herr K..., der indessen auch dazu kam, wurden gefragt, ob wir irgend Hülfe oder Beistand bedürfen, ob wir mit Lebensmitteln versehen seien e. c. Wir dank ten verbindlichst für die Aufmerksamkeit und versicherten, daß wir Alles hätten, was nöthig fey. Da wir von 13 Tunis kamen, so erkundigte er sich ängstlich nach des Bey Gesundheit und fragte mich, ob ich nicht Arzt sey? Da er eine verneinende Antwort erhielt, so bedauerte er es sehr, weil er gerne über Arzneikunde spricht, ob er gleich nichts davon versteht. Ich erkundigte mich bei ihm nach Allem, was mir interessant zu seyn schien und erhielt bereitwillige Auskunft. Während wir uns miteinander unterhielten, hörte ich plötzlich ein fürchterliches Trommeln und Schreien. Ich fragte, ob des Bey Soldaten in der Nähe wären? Nein, war die Antwort; sondern es fey eine Negerinn im Hause fehr krank, und jetzt haben sich die übrigen in der Stadt bei ihr versammelt, um nach Landessitte die Krankheit zu verscheuchen. Ich konnte mein Erstaunen über diesen Aberglauben nicht zurückhalten, worauf aber nur ein Achselzucken die Ant- wort war. Heidenthum und Mahomedanismus, dachte ich, lassen sich also gut vereinigen. Wir verließen den Scheick und feinen Audienzsaal, er versprach uns mor- gen frühe Milch zum Kaffe zu senden. O, daß Ismaels Nachkommen das helle Licht des Evangeliums annehmen wollten! Wie ganz anders würde es um dasselbe, wie ganz anders in hiesiger Gegend aussehen! In der Nacht wurden wir sehr angenehm überrascht. Der englische Vizekonsul kam von Nabal und kehrte nach Tunis zurück. - Diesen Morgen verließ mich Herr K..., um feine Reise nach Nabal fortzusetzen. Ich konnte und wollte nicht so schnell reisen, deswegen blieb ich allein zurück. Ich ging bald hernach aus den Rabbi aufzusuchen. Auf dem Wege zu ihm begegnete mir der Scheick. Er sagte zu mir: Sie gehen jetzt nach Nabal, dort wohnt der amerikanische Konsul, der ein geschickter Arzt ist. Sagen Sie ihm, er soll mir eine Medizin schicken. Aber Sie find ja nicht krank ? fagte ich. Sind Sie aber dennoch krank, so fagen Sie mir, wo es Ihnen fehlt, damit ich es dem Doctor fagen kann. Er soll mir nur eine Me- dizin schicken, sagen Sie zu ihm, eine gute Medizin, ich bin zwar gesund, aber ich will eine Medizin, die mich recht stark macht, und da wir jetzt Freunde find, nicht wahr. Sie haben die Milch heute frühe erhalten? Ja, das habe ich. Nun, so senden Sie mir die Me- dizin von Nabal durch einen Kourier. Den Rabbi fand ich nach Landessitte auf der Erde sitzend, in einer kleinen Stube, die zugleich als Syna- goge dient, um ihn herum saßen 10 Knaben, feine Schüler. Wir knüpften unser gestriges Gespräch wieder an. Während unserer Unterredung gesellte sich die einzige christliche Familie, die hier wohnt, zu uns. Da ich wahrnahm, daß der Rabbi sehr arm fey, so schenkte ich ihm eine hebräische Bibel und wir fähieden in - - 15. Auf meinem Rückweg bemerkte ich einen großen Zusam- menlauf des Volkes. Ich ging hinzu um mich zu erkun- digen und fragte, was dieses zu bedeuten habe? Die Einwohner, sagte man mir, haben seit 10 Tagen ver- fchiedene Nationalspiele aufgeführt, aus Freude über die Genesung des Bey. – Der Bey war nämlich vor mehr reren Monaten schon einmal fehr krank, wurde aber wie- der hergestellt und konnte am letzten Beyramfest öffent- lich erscheinen. Seine jetzige Krankheit ist Rückfall. – Damals wollten die Großen des Hofes dem Leibarzt, einem Italiener, ihre Erkenntlichkeit bezeugen, daß er durch feine Kunst das Leben ihres Gebieters verlängert habe. Eine Schüffel wurde im Vorzimmer des Serails aufgestellt, ein Mameluk dahin postiert, welcher ausrufen mußte: Wem des Bey Gesundheit lieb ist, der vergelte es dem Wiederhersteller derselben, dem vortrefflichen Doctor N. N. Es war daher ganz natürlich, daß jeder am Hofe feine Anhänglichkeit an dem Gebieter öffentlich darlegte und Geld in die Schüffel warf. Das Einge- legte wurde immer mit folgenden Worten laut ausgeru- fen: Herr N. N. hat eine große Anhänglichkeit an un- fern Herrn und Gebieter öffentlich bezeugt und hat so und so viel eingelegt. Auf diese Weise erhielt der Herr Doctor 50,000 Franken. Diese Gewohnheit herrscht auch, wenn ein Prinz oder eine Prinzessin verheirathet wird. „- 16 Die Großen des Landes legen ihre Gaben in die auf gestellten Schüffeln, und da dieses im Beisein des ganzen Hofes geschieht, so will natürlich keiner der Letzte seyn und große Summen Geldes und kostbare Steine werden den Neuvermählten auf diese Art zugestellt. – So eben wollten die Einwohner Solimans ihre Spiele wieder beginnen, als plötzlich der Derwisch des Orts, der mo- natlich nur einmal ausgeht, bewaffnet unter die Menge trat, die Tische über den Haufen warf, auf die aufge- stellten Fahnen schoß, und der Menge befahl auseinander zu gehen. Gott wolle nicht haben, sagte er, daß die Menschen sich ferner freuen sollten. Sodann setzte er sich zu Pferd, sprengte unter das Volk und sagte: Sie sollten nach Hause gehen. Bestürzt über diese Erschei- nung, die jeder für ein böses Omen hielt, ging das Volk nach Hause. Ich wollte nun auch diesen Wundermann sehen und blieb deswegen stehen, bis er herzukam. Es war ein kleines, verkrüppeltes, wildaussehendes Männchen, hatte Hände und Gesicht mit Koch beschmiert, und war mit Lappen von verschiedenen Farben bekleidet, hatte aber einen Säbel an der Seite, zwei Pistolen im Gürtel und eine Flinte über die Schulter hängen. Auf meinen Wan- derungen durch das Städtchen zeigte man mir eine alte Mauer, welche das einzige Ueberbleibsel aus der ehemali- gen Christenzeit seyn soll. - 17 - II. Nabal den 14. Mai 1835. Gestern frühe gegen 6 Uhr verließ ich Soliman. Es hatte in der Nacht heftig geregnet und ein Fluß, den wir passieren sollten, war ausgetreten. Wir mußten daher einen Umweg machen, um wieder auf die große Heerstraße zu gelangen, die von Tunis nach Sufa führt. Der Weg brachte uns durch eine schöne, aber kümmerlich angebaute Ebene, die sich vom Meere bis ans Gebirg 2 – 3 Meilen weit erstreckt. Hie und da waren kleine Olivengärten und mehrere Ruinen aus der dhristlichen Zeit sichtbar. Gegen 11 Uhr langten wir in Crumbalia, einem kleinen, nur von Muselmännern be- wohnten, Dörfchen an. Auf der Ebene, die wir so eben durchschnitten hatten, wohnten ehemals viele Tausende von Menschen, jetzt aber ist alles öde und leer. Hier wurde den Pferden Futter gegeben und auch wir stärkten uns durch ein frugales Mahl. Schon eine Stunde vor Crumbalia gesellten sich 8 Beduinen zu uns, die den Kutscher fragten, wohin die Reise gehe, den Wagen genau betrachteten und uns beständig beobachteten. Diese Be- _- 92 18 gleitung gefiel mir ganz und gar nicht, besonders als ich fie unter einander sprechen hörte: Es sind nur zwei Menschen im Wagen. Ich legte daher meine Pistolen zurecht und fragte, woher sie kommen und wohin sie wollten? Wir sind des Sachab Ettaba's Hirten, gehen, um eine Schafe zu hüten, in jene Berge und haben denselben Weg zu machen, den du gehst, war die Ant- wort. Von den Schäfern des Sachab Ettaba war nichts zu befürchten und ich war ruhig. Als sie aber in Crumbalia auf mich warteten und fagten, wir begleiten dich, da winkte mir ein alter Türke und fagte : Neh- men Sie sich in acht vor diesen Hunden, es sind Be- duinen aus der Gegend von Tripolis, schlechte Leute. Hierauf wendete er sich zu den Beduinen und sagte: ziehet eure Straße weiter, dieser Herr geht nach Nabal und ihr habt einen ganz andern Weg. Zu dem Kut- fcher sagte er, er solle nicht die Straße fahren, welche diese Beduinen einschlagen. Dieser sagte aber zu mir, er könne keinen andern Weg nehmen. Da wurde mir bei der Sache doch nicht ganz wohl. Ich forderte einen bewaffne- ten Mann, der uns bis nach Nabal begleiten sollte, erhielt einen und wir zogen weiter. Als wir kaum eine halbe Stunde zurückgelegt hatten, trafen wir die Bedui- nen am Wege gelagert. So viel ich wahrnehmen konnte, bemerkte ich, daß sie nicht bewaffnet waren. Wir aber 1) waren gerüstet und fie ließen uns ruhig vorüberziehen. Zu meinem Begleiter sagten fie: Und du gehest mit diesem Christen? Ja, war die Antwort. – Zwei Meilen, und wir fuhren bei einem Dörfchen, Türki geheißen, vorüber, weithin erblickten wir mehrere Ruinen. Die Gegend blieb immer gleich schön und gleich fruchtbar, bis wir um 2 Uhr von der Hauptstraße ablenkten und durch Wiesen und Felder gegen das Meer zu unsern Weg nahmen, der übers Gebirg führt. Von nun an wurde alles um uns her wild und unfruchtbar, wir paf firten einen zwei Stunden langen Hohlweg, der in einen runden, von allen Seiten mit Hügeln eingeschloffenen Platz ausläuft, und einst der Aufenthaltsort einer Räu- berbande gewesen feyn soll. Von hier stieg der Weg auf wärts, wir gelangten auf eine bedeutende Höhe, von da aus konnten wir das Meer und feine reich mit Oliven- wäldern versehenen Ufer übersehen. Durch diese Wälder führte unser Weg. Nachdem wir 36 Meilen zurückge legt hatten, und während der letzten 23 Meilen kein Dörf chen, kein Haus, nicht einmal ein Zelt fahen, langten wir um 6 Uhr des Abends in Nabal an. Der amerika- nische Konsul nebst Familie befindet sich feit einigen Ta- gen hier und hatte die Güte schon vor meiner Ankunft eine Wohnung für mich zu besorgen, die im Hause einer Judenfamilie ist, in welche ich auch fogleich einzog, 92 st 20 Nabal ist ein bedeutendes Städtchen, eine Viertel- funde vom Meere und eine Stunde von dem alten Nea- polis gelegen. Es soll an 8000 Einwohner zählen, könnte aber dessen Umfang nach zu urtheilen wohl noch einmal so viele haben; allein man stößt bei jedem Schritte auf Zerstörung und groß ist die Anzahl der zusammen- gestürzten Häuser. Ursachen dieses Verfalls werden mehr rere angegeben; theils Bedrückung von Seiten der Re- gierung, theils Aberglaube von Seiten des Volkes. Wird dem Bey hinterbracht, daß ein Bürger von Nabal im Besitze von Geld sich befindet; so sucht er den Besitzer durch irgend einen Vorwand in Prozeße zu verwickeln und dann ist es auch gewiß um des Mannes. Habe geschehen, er wird vom Hause vertrieben, daffelbe bleibt leer stehen und der Zahn der Zeit nagt an demselben bis es zusammenstürzt. Nicht selten geschieht es aber auch, daß die Bewohner eines Hauses glauben es fey der Auf- enthaltsort von Gespenstern und in diesem Falle wird solches auf der Stelle verlaffen und dient den unsicht- baren Geistern zum immerwährenden Aufenthalt. Es befinden sich hier 9 Moscheen, acht derselben gehören den Honafia, eine den Malakia. Ich habe nirgends in der Berbereifo zuvorkommende Muselmänner getroffen als hier. In Tunis ist es fast unmöglich, daß ein Fremder, insbesondere ein Christ das Innere eines Hauses betreten 21 kann, hier wurde ich mehreremale eingeladen einzutreten, und Männer, Frauen und Kinder sprachen mit mir; sogar erhielt ich selbst Besuche auf meinem Zimmer von Frauen in Begleitung ihrer Verwandten. Feldbau und Oehl find die bedeutendsten Nahrungsquellen der hiesigen Be- wohner, auch find einige Webereien in der Stadt und das hier gefertigte irdene Geschirre ist berühmt, nnd wird weithin ausgeführt. Die Umgegend ist vortrefflich: Wiesen, Kornfelder, Rosenhaine, Olivenwälder und Feie genbäume wechseln miteinander ab und schmücken die Landschaft mit einer herrlichen Farbenpracht. Die Vieh- zucht ist bedeutend, Milch und Butter in Ueberfluß vor- handen. Es fehlen nur christliche Einwohner und deut- fcher Fleiß, um dieses Land in das, was es einst war, umzugestalten, in einen Garten Gottes. Das Klima wird für eines der Gesundheit am zuträglichsten auf der ganzen Nordküste Afrikas gehalten, deswegen ist es während der Sommermonate der Aufenthaltsort vieler Tunier. Herr schende Krankheiten unter den Einwohnern sind Aussatz und Augenübel. - Kaum finden sich unter 10 Nabalen- fern 2, die gute Augen haben und 4, die nicht levitisch unrein wären. Juden hat es hier an hundert Familien, die sich nach und nach hier ansiedelten. Diese theilen sich nach ihren ursprünglichen Einwanderungen in drei verschiedene 22 Klaffen: Tunifer, welche ehemals aus Tunis einwan- derten, Gerbische, die um und aus Gerba kamen und Hier geborne. Reich sind sehr wenige, sind aber ein sehr einfacher, dienstfertiger und genügsamer Menschen- fchlag, leben mit den Mahomedanern in Frieden und zahlen an die Regierung eine jährliche Abgabe von 100 Piaster. Da hier alle Lebensmittel sehr wohlfeil find, fo würden sie ruhig leben und der Stunde ihrer Erlö- fung entgegen sehen können; wenn nicht die neu organi- firten Truppen des Bey die Juden und die ganze Ge- gend in Furcht und Schrecken setzten. Diese Soldaten, aus der Hefe des Volkes mit Gewalt genommen, von der Regierung schlecht gekleidet und noch schlechter bezahlt, bilden eine wilde Horde und begehen beinahe ungestraft alle Arten von Grausamkeiten, sie rauben und morden. Als vor mehreren Wochen mehrere derselben in Tunis anwe- send waren, da konnte man kaum mehr am hellen Tage ungeplündert über die Straße gehen. Insbesondere aber sind es Juden, die sie berauben. In Tunis wurde der Bey genöthigt, auf Verwendung der europäischen Kon- fuln, diesem Unfuge ein Ende zu machen; aber im Lande umher treiben sie noch immer ihr Unwesen. Vor 20 Tagen ungefähr beraubte eine Abtheilung dieser Horde eine Karavane, die von Susa her kam; eine christliche Familie, die sich derselben angeschloffen hatte, wurde sehr 23 mißhandelt. Die Einwohner Nabals sind daher jetzt sehr in Angst und Furcht gesetzt; da in der Nacht vor meiner Ankunft 6 Soldaten in das Haus eines Juden brachen, den alten 70jährigen Mann zu Boden warfen und schon im Begriffe waren ihn zu tödten, als er mit 1000 Pia- fer das Leben erkaufte. Eine ungeheure Summe für die hiesige Armuth. M ab al den 20. Mai 1835. Gestern frühe ritt ich nach den Ruinen des alten Nea polis. Sic transit gloria mundi! Kaum haben sich noch einige Spuren dieser einst so blühenden römischen Kolonie erhalten. Wo ehemals irdische Pracht und Herrlichkeit thronte, da geht jetzt der Pflug einen lang famen Gang. Herr Dr. Schaw fand vor hundert Jahren noch viele Ruinen und Steine mit Inschriften und sagt, der Ort läge eine Meile von der See ent- fernt. Heute reicht das Meer bis an die wenigen noch vorhandenen Spuren. In einigen Häusern nahe bei den Ruinen wurden mir mehrere Steine mit römischen Inschriften gezeigt, doch es war alles so verwischt, daß 24 ich durchaus nichts copiren konnte, mit Ausnahme eines einzigen Steines, von welchem ich Abschrift nahm. CoELIvs1AFI161 . IAEVS EI IMC AE LIVSS VILLAB, I PACA IV SAED SVPE PROVAN IIIAIEMI . . XIMIVL IIS PHDA-CIMALE PAMINIA DESVO EPO GAIA PECV NIA POSVER VINI ILD DID Darf man den Aussagen der hier wohnenden Leute glauben, so befände sich in der See, eine Meile vom heutigen Ufer entfernt, noch ein Thor der alten Stadt, welches mit Kupfer beschlagen wäre. Morgen werde ich das in der That mir liebgewor dene Nabal verlaffen. Nie werde ich die liebevolle Aufnahme, die mir hier von Seiten aller Einwohner zu Theil wurde, und die patriarchalische Einfalt der hiesigen Israeliten, die Aufmerksamkeit derselben, die sie beobach- teten, als ich ihnen das Evangelium verkündigte, vergessen. 25 III, Hammamet den 21. Mai 1835. Was man schon lange vorausgesehen hatte, ist einge- troffen. Heute frühe um 8 Uhr erhielt der amerikanische Konsul zu Nabal die Nachricht von dem am 20d. M. erfolgten Ableben des Bey von Tunis und von der Thron- besteigung Sidi Mustapha's, Bruder des verstorbenen Regenten. Gegen Erwarten lief alles ruhig ab. Zwar hatte schon früher der Sachab Ettaba in der Nähe der Residenz Burdo seine Truppen, 3000 Mann, gelagert; allein er erhielt noch zu Lebzeiten des Bey den Befehl dieselben zu entlaffen. In Tunis wurden bei dieser Todesnachricht sogleich alle Läden geschloffen. Sidi Mustapha schickte aber sogleich einen Hamlea, Polizeibeamten, ab und ließ ansagen, man könne ganz ruhig feyn und alle Läden sogleich wieder öffnen, was auch geschah. - Heute um 2 Uhr des Nachmittags verließ ich Na- bal. Mein Weg führte längs des Meeresufers theils durch unangebaute Strecken, theils durch Olivengärten 26 bis hieher, 9 Meilen von Nabal. Ich kam Abends 6 Uhr hier an und schlug für die Nacht mein Lager in dem Funduck auf. In diesen Herbergen findet der Rei- fende nichts als ein leeres Zimmer und wenn er nicht buchstäblich verhungern will, so muß er alle Lebensmittel mitbringen. Man kauft dann für einige Kreuzer Kohlen, macht sich eine Taffe Kaffee, breitet die Matratze auf die Erde aus und hat Stuhl und Bett zugleich. Sobald ich angekommen war, erhielt ich von dem Chalifen des Orts einen Besuch. Er fragte, ob ich die Stadt besehen wolle, was mir natürlich fehr willkommen war. Hammamet ist ein gut gebautes Städtchen, hat gegen 1000 Häuser und gegen 6000 Einwohner, welche alle Mahomedaner sind. Es liegt hart an der See, deffen Wellen die hohen Mauern der Vestung bespülen. Die ganze Besatzung dieser Burg besteht aus 50 Mann Türken. Obgleich den Muselmännern das Weintrinken verboten ist, so lieben sie denselben doch aufferordentlich. Der Wirth kam in mein Zimmer, ich lud ihn ein, eine Taffe Kaffee mit mir zu trinken. Wenn du Wein hast, sagte er darauf, so gib mir eine Bouteille. Ich begnüge mich mit Waffer, war die Antwort. Auch der Pitschi Pafcha, Hauptmann der Besatzung, kam zu mir und lud mich ein, mit ihm zu kommen, um eine Flasche auf die Gesundheit des neuen Bey zu leeren, was ich höflich 27 ablehnte. Er schien aber bereits schon mehr als eine Flasche geleert zu haben, denn er konnte kaum stehen. Die Luft scheint hier noch reiner und gesünder zu feyn als zu Nabal; denn ich fah weder Aussätzige noch Augenkranke. Es hat hier zwar Weinberge, Olivengär- ten und Zitronenbäume in Menge, dennoch ist die Ge- gend weder so schön noch so fruchtbar als zu Nabal. Als Herr Dr. Schaw hier war, fand er zwei römische Inschriften, von welchen aber jetzt keine Spur mehr sichtbar ist. Nach ihm soll das Städtchen feinen Namen von den vielen wilden Tauben erhalten haben, die in den nahen Gebirgen angetroffen werden. Tauben heißen arabisch Hammam. / 28 IV. Sufa den 23. Mai 1835. Wenn schon der Gedanke: Ich stehe auf einem Felde, wo die Asche von Tausenden ruht, wo die Gebeine der ausgezeichnetsten Männer der Vorzeit modern, das Ge- müth mächtig bewegt und mahnet an die Sterblichkeit und Hinfälligkeit des irdischen Seyns, um so heftiger wurde ich ergriffen und um so mächtiger wurde mein Gefühl aufgeregt; als gestern eine Ruine der Vorzeit nach der andern vor meinen Augen auftauchten und den Blicken auf meinem Wege aufstießen. Hier war es wo Karthager und Römer, Vandalen und Hunt nen, Christen und Mahomedaner siegten und besiegt wurden. Hier stand also Clupea, hier die Civitas Sia- gitana der Alten, hier die vielen Städte und Vesten die Caefar fahe als er nach Hadrumet um segelte! Hier standen die einst so blühenden römischen Städte Fara- deefe und Veneria! Dieß war also ein Theil der einst fo blühenden Provinz Zeugitana! Hier war der Boden, 29 wo das Evangelium von Christo frühe Wurzel schlug, hier war es, wo einst die ausgezeichnetsten Kirchenväter lebten und Klöster und Kirchen bis ins siebente Jahrhun- dert das Land zierten und das Licht der Erkenntnis Gottes in Christo Jesu leuchten ließen! Und jetzt – kaum ist mehr eine Spur von diesem allen vorhanden. Da möchte ich mit dem arabischen Poeten sagen: Wiffe, daß diese Welt ist ein gebrechliches Haus, aber die zukünf tige ein immerwährendes Haus. Hier nun leuchtet die untrügliche Wahrheit des Evangeliums: Die Welt mit ihrer Herrlichkeit vergeht, wer aber den Willen Gottes thut bleibt in Ewigkeit. - Um 5 Uhr des Morgens verließ ich Hammamet. Kaum hatten wir das Städtchen im Rücken, so lagen vor uns die Ruinen von Faradeefe, die am Meere anfangend, sich weit über die Ebene hin ausbreiten, und nach einer Stunde Wegs langten wir bei dem Brunnen RZir Salem QM. Hier versammeln sich die Hirten um ihre Heerden zu tränken, hier lagern sich die Kameele der Karavanen, um frischen Vorrath Waffers zu laden und hier löscht der müde Wanderer feinen brennenden Durst. Wie ist doch alles in der heiligen Schrift so einfach und so treu geschildert! An einem Brunnen lagert sich Eleafar, Abrahams Knecht, mit feinen Kameelen, erwartend die Frauen und Jungfrauen aus der Stadt, um Waffer 30 zu schöpfen. Bei einem Brunnen fand Jacob Rahel. Mofes fliehend in das Land Midian, half an einem Brunnen Jethros Töchtern Waffer schöpfen. An einem Brunnen war es, wo der Herr mit der Samariterin sprach. Diese Sitte herrscht noch heute unter den Ara- bern. Zum Verständniß dieses muß man wissen, daß die Küste Nordafrikas von drei verschiedenen Klaffen von Arabern bewohnt wird. In den Städten nennt man die Mauren; diese sperren Frauen und Töchter ein und gehen sie aus, so müffen sie sich dergestalt ein- hüllen, daß man nur eine lebendige Maffe sich bewegen fieht. Andere bewohnen bald Dörfer, bald Zelte und diese sind es, welche noch alle die Sitten haben, die uns die Bibel schildert: diese nun heißen im Allgemeinen Araber. Beduinen sind wandernde Araber, die keine bleibende Stätte haben und von einem Platze zum andern ziehen. Von Zeit zu Zeit stößt man auf einen Brunnen, sobald der Abend naht, ziehen die Töchter und Frauen aus ihren Zelten oder Häusern mit Krügen auf den Achseln, um Waffer zu holen. Diese Krüge haben die Form einer Urne mit zwei Hänkeln. Die Brunnen find immer außerhalb des Orts und um der Bequemlichkeit der Hirten willen eine ziemliche Strecke von den Wohnungen entfernt. In der Nähe dieses Bir Salem find die Ruinen der Civitas Siag itana der Alten, 31 berühmt zur Zeit Antonins. Von hier aus betraten wir eine große unübersehbare Ebene, die am Meere anfan- gend bis ans Gebirg wohl zwei Meilen breit und bis nach Herkula vierzig Meilen lang ist. Auf dieser langen Fläche ist alles öde, kein Baum, kein Haus wird sichtbar, nur dann und wann bemerkt man Kameeltreiber, Hirten mit ihren Heerden und Züge einer Karavane. Vom Fuße des Gebirges herüber glänzte die Menarah, ein römisches Mausoleum. Herr Dr. Schaw besuchte dieses Grabmahl. Es hat 20 Ruthen im Durchmesser, ist cylinderförmig gebaut und hat drei Altare mit folgen- den Inschriften : L. Aemelio Africano Avvunculo. C. Suellio Pontiano Patrueli. Vitelio Guarto Patr... Das Ganze scheint einer einzigen Familie angehört zu haben. Langsam, nur durchzogen wir diese lange Ebene, in welcher uns zwei Züge Nomaden, Beduinen, begegneten. Diese schlagen heute hier das Zelt auf, breiten die aus Seegras geflochtene Matte auf die Erde und lagern sich um ihre Heerde; ist die Weide nicht mehr hinreichend oder es tritt sonst ein Hinderniß ein, so werden die Pfosten aus der Erde gezogen, das Zelt aufgerollt, die wenigen Habseligkeiten nebst Kindern, Hunden und Katzen auf Esel und Kameele gepackt, fortgezogen bis eine andere bequeme Stelle aufgefunden ist. Auf diese Menschen hat der Islam, nämlich auf ihre alt gewohnten Sitten, auf ihre angeborne Rohheit, Grausamkeit und Unmenschlichkeit wenig oder gar keinen Einfluß geübt. Sie sind geblieben wie sie vor Jahrtausenden waren, und haben eigentlich keine Religion. Ihr ganzes Wiffen in religiöser Beziehung beschränkt sich auf das mahome- danische Glaubensbekenntniß: Es ist nur ein Gott und Mahomed ist ein Prophet, und dieses genügt ihnen vollkommen. Ihre Lebensweise ist einfach: Milch und Butter. Ihre Kleidung ist eben so einfach: eine Art wollene Decke wird um den Leib geschlagen und diese ist Sommer und Winter das tägliche Kleid und des Nachts das Bett. Abends kamen wir nach Herkula, nachdem wir 42 Meilen zurückgelegt und fechs verschiedene Ruinen pafiert hatten. Herkula ist das Hadrumetum der Römer. Zwar ist über diesen Punkt viel Streit bei den Geographen; allein Geschichte und Geographie der Alten stimmen mit der Lage genau überein und nach genauer Beobachtung stimme ich mit Herrn Dr. Schaw, der es entschieden dafür hält. In der glücklichen christlichen Zeit stand hier ein Kloster dessen Mönche im Jahre 426 Antheil an dem Streit zwischen Augustinus und Pelagius nahmen. Diese hatten nachtheilige Folgerun- gen aus Augustini Lehre von der freien Gnade gezo- gen; deshalb richtete derselbe an diese Mönche eine zwei 33 Bücher: De gratia et libero arbitrio und de corrup- tione et gratia. " Inschriften fand ich hier nicht mehr. Alles was aus der Vorzeit noch übrig ist, beschränkt fich auf einige zerbrochene Marmorsäulen und auf große Qua- dersteine. Auf diesen Ruinen haben sich jetzt Beduinen niedergelaffen. Der Funduck dahier war so schlecht, daß ich es vorzog im Wagen zu übernachten. Während mein Diener Feuer anmachte, um Kaffe zu kochen, ging ich ins Dörfchen, ein wenig Milch zu erhalten. Es war gerade die Zeit des Wafferschöpfens und Frauen und Töchter ge- schmückt mit großen Ohrenringen, Fuß-, Hals- und Arm bändern, bestehend aus großen und kleinen Seemuscheln, die Krüge auf den Achseln, kamen mir entgegen. Gerne hätte ich diese Kostbarkeiten in der Nähe sehen mögen; aber sie liefen davon als ich mich ihnen näherte. Ich war so glücklich ein wenig Milch zu erhalten, mit welcher Beute ich, einem Sieger gleich, dem Funduck zueilte. Inzwischen waren mehrere Karavanen angelangt, lauter Araber, diese Menschen betrachteten mich sehr neugierig - und bewunderten alles an mir. Mein Kaffe war fertig und bald getrunken, und da ich noch Durst fühlte, bereit tete ich mir ein blechernes Gefäß voll Zuckerwaffer, in welches ich einige Tropfen Orangenblüthenwasser goß und etwas trank. Als die Araber dieses sahen, glaubten sie es wäre Medizin und alle umringten mich, um etwas 3 34 von dieser Lebenseffenz zu erhalten. Ich ließ den Becher rund umgehen und ganz geleert kam er wieder zu mir. Hierauf las ich ihnen etwas arabisch vor, alle hörten mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Es wurde Nacht, ermüdet schlief ich im, mein Diener, unter dem Wagen ein. Des Morgens um 3 Uhr verließen wir Herkula und kamen um 9 Uhr hier an. Der englische Vizekonsul, an welchen ich Briefe hatte, nahm mich freundschaftlich auf und räumte mir Zimmer ein, die ich auch sogleich bezog. V. - Sufa den 6. Juni 1835. Suf a liegt am Meer, ist mit einer hohen und guten Mauer versehen und wohl befestigt. Diese Stadt wird des Handels und der Lage wegen als die zweite im Reiche Tunis betrachtet. Sie hat, wie man sagt, Gewisses in dieser Beziehung kann man nicht erfahren, 1100 Häuser mit 8000 Einwohnern und eine Garnison von 2500 Mann. Die Straßen sind ziemlich breit und reinlich, die Häuser haben in der Regel nur ein Stockwerk. Die Ge- bäude welche sich vor andern auszeichnen sind die Ca- faba, Burg, und die Ueberreste einer ehemaligen spani- fchen Kaserne, die in eine Moschee umgewandelt worden ist und den Malakia gehörend. Der Markt, Suck ist nicht reich, aber reinlich. Es sollte hier beständig ein Gouverneur wohnen, da die Stadt eine Bezirkstadt ist, zu welcher noch 24 Dörfer gehören; allein dieser zieht es vor in Tunis zu bleiben, während derselbe nur einen Chalifa, Verwalter, hier hält, vor welchem alle bürgerliche Streit tigkeiten abgehandelt werden. Sachen der Religion 3 e 36 werden von dem Kady, Oberpriester, besorgt. Nach Aussage eines gelehrten Mahomedaners, dessen Bekannt fchaft ich machte, soll Sufa im fiebenten Jahrhundert in der Nähe der Ruinen der ehemaligen Stadt erbaut worden seyn. In der See, nahe am Hafen sind noch einige Spuren von Ruinen vorhanden, mit welchen die Wellen ihr Spiel treiben. Auch wird noch das Grabmahl des Erbauers der alten Stadt gezeigt. Die auf demsel- ben angebrachte unleserlich gewordene Inschrift soll ku- fisch feyn. - Der einzige Nahrungszweig der hiesigen Einwohner ist der Oelbau. Die ganze Umgegend ist daher mit einer ungeheuern Anzahl von Olivengärten angepflanzt; Feld- bau wird nicht getrieben und Obstbau ist nicht vorhanden. Wenn die Olivenernte gut ausfällt, so wird jährlich aus den drei Hauptstapelplätzen Sufa, Media und Sfax eine Million Medal Oel ausgeführt. Die Medal hält 15 bayerische Maas, und kostet zuweilen 8 – 12 und dieses Jahr 20 Piafter. Die Einwohner von Sufa müßten ungeheuer reich werden, wenn sie ihren Vortheil verstünden. Allein der Islam verbietet unter den Gläu- bigen Geld auf Zins zu leihen, deshalb gibt es auch uns ter ihnen keine Kapitalisten. Haben sie Geld, so kaufen fie goldene Ketten, Juwelen und Perlen, um ihre Frauen damit zu schmücken, oder sie vergraben es, oder was noch 37 - - häufiger der Fall ist, sie verschwenden es. Daher kommt es, daß die Mauren hier fast immer ohne Geld find: Tritt nun eine Zeit der Noth ein, so nehmen sie ihre Zu- flucht zum Borgen, verpfänden ihre Kostbarkeiten und zahlen an Juden und Christen 24 vom Hundert, soviel ist Gebrauch und auch rechtmäßig. Die Christen, die sich ange- fiedelt haben, 4–5 Familien, wurden mit wenigem Gelde in kurzer Zeit sehr reich. Auch verkauft der Maure sein Oel, das er allenfalls erntet, immer ein Jahr vor der Ernte. Es hat z. B. der Maure einen Garten, dessen Ertrag 400 Medal Oel liefert, so verkauft er denselben voraus an europäische Christen oder an Juden, immer um die Hälfte des Werthes. So wurde im vorigen Jahre das Medal für 7 Piaster im Voraus gekauft und für 20 verkauft. - - Eingeborne Juden hat es hier an 100 Familien und die Zahl mag ohngefähr auf 1000 Seelen hinlaufen. Der Nahrungszweig derselben ist Handarbeit: Goldschmide, Schneider, Schuhmacher, Weber c.; auch Kaufleute. Diese haben einen eigenen Marktplatz, auf dem nur Juden ihre Läden haben. Dazu kommen noch einige europäische Ju- den, die sich nur des Handels wegen hier aufhalten: die versenden Oel, Wolle und Wachs. Außerdem leben hier noch von Handarbeit an 400 Malteser. Seit meines Hierseyns habe ich täglich den Chriften, 38 Juden und Mahomedanern das seligmachende Evangelium verkündigt. Die Christen, catholischer Confession, die hier ohne Kirche und ohne Geistliche leben, waren sehr er- freut das Wort Gottes zu erhalten. Obgleich die hiesigen Mahomedaner sehr argwöhnisch und fanatisch find, so find doch bereits zwei Kisten heiliger Schriften in Umlauf ge- fetzt. Ein Mahomedaner traf mich letzthin auf der Straße und sagte: Du bist also der Papas, Geistliche, der ara- bisch lesen kann? Ja, ich kann etwas lesen. Nun so sage mir frei heraus, welches ist die beste Religion? Die ma- homedanische, die christliche oder die jüdische; da du sie alle drei kennt. Die christliche ist die beste und einzig wahre, gab ich zur Antwort. Wie! wie! das kann nicht feyn. Komm mit mir auf mein Zimmer, so wollen wir weiter reden. Er folgte und eine Menge Juden mit ihm. Hier angekommen fagte ich: Beweise mir, daß der Koran von Gott ist, und daß Mahomed ein Prophet war. Er führte nun verschiedene Stellen aus demselben an, die dieses beweisen sollten. Ich gab ihm aber zu verstehen: diese Beweise könne ich nicht annehmen, bis er zuerst bei wiesen haben würde, daß der Koran Gottes Wort fey. Hierauf erwiderte er, ich bin nicht gelehrt genug um die fes beweisen zu können, willst du aber mit mir gehen zu einem unserer Gelehrten, der wird dir deine Fragen zur Genüge beantworten. Ich nahm die Aufforderung an. 39 Schon brach die Nacht herein, dennoch folgte ein ganzer Zug Juden und Mahomedaner bis ins Haus des Scheick. Der Mahomedaner machte ihn mit der Ur- fache unseres Erscheinens bekannt. Nach einigen Höflich keiten, die wir gegenseitig annahmen und erwiederten, sagte der Scheick: In der Bibel ist Mahomed erwähnt und daß er kommen sollte geschrieben. Die Bibel habe ich durchgelesen, aber keine Stelle gefunden, die Maho- med erwähnt. Hast du aber eine Bibel, in welcher diese Stelle enthalten ist, so habe die Güte mir sie zu zeigen. Er stand auf, holte ein Buch und las mehrere Stellen aus dem Alten und Neuen Testamente vor. Z. B. 5. Buch Mos. 18. 18, den ganzen 72. Psalm und Joh. 15. 26. Bei dieser Stelle bemerkte er: der Tröster könne kein anderer als Mahomed sein. Ich zeigte ihm, daß alle diese Stellen keinen Bezug auf Mahomed haben können. Hierauf führte er die bekannte Stelle aus der Sura Effef an: Jesus der Sohn Miriam sprach, o Kinder Israel! Ich bin der Gesandte Gottes an euch, der das bestätigen soll, was vor mir schon in der Thora gesagt worden ist, und eine fröhliche Nachricht von einem Gesandten bringen, der nach mir kommen, und Achmet heißen wird. Ich erwiederte: dieser Vers stehe wohl im Koran, aber keineswegs im Evangelio. Der Koran ist das Wort Gottes, sagte der Scheick, und Gotr kann 40 - nicht lügen. Das Letzte gab ich zu, das Erste sollte er mir noch beweisen. Unterdessen wurde es zu spät, um unser Gespräch weiter fortsetzen zu können. Der Aberglaube der hiesigen Mahomedaner übersteigt alle Begriffe und ihr Fanatismus ist gränzenlos. Vor einigen Tagen machte ich die Bekanntschaft eines Seifen- händlers auf dem Markte, der ein wenig italienisch ver- stand. Dieser bat, ich möchte ihm das italienische Alpha- bet unter das arabische, das er aufgeschrieben hatte, setzen. Als ich eben im Begriffe war dieses zu thun, kamen mehr Tere Mahomedaner herzugelaufen und schrien: Was, du gibt diesen Kafer, Ungläubigen, das Wort Gottes in die Hand? Willst du denn in die Hölle geworfen werden? Umsonst stellte mein Seifenhändler der lärmen- den Menge vor: Es fey ja nur das Alphabet und ich wollte ja nicht von ihm, sondern er von mir lernen. Diese behaupteten aber: Alle Wörter im Koran sind von Gott eingegeben. Diese feyen zusammengesetzt aus Buch- staben und die Buchstaben machen das Alphabet; folglich fey das Alphabet dem Koran gleich zu achten. Ich ent zog mich und fagte, daß ich nicht gesonnen sei, jemand zum Unrechtthun verleiten zu wollen. Christenhaß wird hier mit der Muttermilch eingesogen, und versteckt lodert er in den Herzen der hiesigen Bewohner. Zwar wagen sie es nicht, seit dem Falle Algiers, ihn laut werden zu laffen; 41 ------- - aber wehe dem armen Christen, der unbehutsam genug ist sich ihnen gänzlich und waffenlos anzuvertrauen. Ein grausames Beispiel trug sich während meines Hierseyns zu. Ein Malteser, der sich mit Contrabandhandel abgab und deswegen mit einigen hiesigen Kaufleuten in Ver- bindung stand, denen er Geld im Voraus auf die ihm zu liefernden Waaren gab, wird seit sieben Tagen ver- mißt. Er wohnte in einem Funduck, fein Zimmer wurde durch den englischen Agenten durchsucht und seine Bücher durchgesehen. Allein nichts führte zum Ziel; weil er aus Furcht entdeckt zu werden, in seine Bücher nur fingierte Namen eintrug. So viel aber ist gewiß, daß er vor wenig Tagen einem Mauren 3000 Piaster im Voraus für die ihm zu liefernden 25 Centner Wachs zahlte. – Wachs ist con- traband. Dieses darf nur an ein privilegiertes Haus dahier verkauft werden. – Es wird nun mit Recht vermuthet, daß dieser Unglückliche von dem Mauren ins Innere eines Hau- fes gelockt, daselbst ermordet und begraben worden sey. Die kleinsten Kinder rufen den Christen nach: Romi, ben kelb! Christ, Hundssohn! Dieser Ehrenname wurde mir heute von einem kaum 5 Jahr alten Knaben beige- legt, der mit seiner Mutter über die Straße ging und mich fah. Sie werden zwar, wenn es zur Klage kommt, hierüber gestraft; aber wer wagt es zu klagen? Hic diximus, non eadem omnibus esse honesta - , C 42 atque turpia, sed omnia maiorum morisiudicari, eine alte und bekannte Wahrheit. Niemals aber ist mir diese so einleuchtend gezeigt und vor die Augen gestellt worden als hier. Den Turban abzunehmen, nachzusehn ob sich keine Gäste einquartiert haben; die Halbstrümpfe abzuziehen, fie von ihren Bewohnern zu befreien und die Gefangenen ohne sich im geringsten zu genieren, morden; in das Zimmer mit großen Geräusch zu spucken und alle diese Handlun- gen vor den Anwesenden, nicht nur vor Geringen, fon- dern auch vor Vornehmen zu verrichten, wird durchaus nicht für unschicklich gehalten. Während ich einst mit mei- nem Hauswirth und dessen Familie zu Tische saß und speiste, kam ein Maure herein, setzte sich neben uns auf einen Stuhl, öffnete den Kaftan und untersuchte seine Beinkleider. Ich konnte nicht mehr effen; allein die hiesigen Christen find an solche Operationen gewöhnt, es fällt ihnen nicht mehr auf. Ich sagte: Nun der thut in der That, als ob er hier zu Hause wäre. Es ist mein Mäckler gab man zur Antwort. Die hier gebornen Christen sagen: die Mauren in Sufa besäßen weder Ehrgefühl noch Dankbarkeit und es sei gleich, ob man sie höflich oder unhöflich behandle. Man darf sie heute wegen Schuldforderung ins Gefäng- niß werfen, ihnen alles nehmen lassen; sobald sie die Strafe überstanden haben, thun sie als wäre gar nichts vorgefallen. Ein hier wohnender Italiener sagte mir, er - 43 habe in seinem Hause einen sehr armen Maurenknaben auferzogen und ihn zum Diener angenommen. Dieser wurde von der ganzen Familie wie die eignen Kinder behandelt. Man glaubte auch deswegen er sey dem Hause sehr ergeben. Als vor drei Jahren der Bey von Tunis und der König von Sardinien sich Krieg erklärten und die Flotte des Letztern bereits schon vor der Vestung Gouletta vor Tunis geankert hatte, da sagte dieser treue Diener: Jetzt werden wir euch Christenhunde zu Susa alle umbringen. Wie! auch du bist gegen uns? Auch du kennt uns nicht mehr? sagte sein Herr. Jetzt ist keine Zeit des Kennens, jetzt ist die Zeit der Rache gekommen, versetzte der Mahomedaner. Damals schwebten die Chri- ften in der That in großer Gefahr, der Herr hat diese aber gnädig abgewendet. Daß dießmal die Thronbesteigung des neuen Bey eine unblutige war, ist den hiesigen Einwohnern ganz un- begreiflich und in den Annalen dieses Reiches etwas ganz ungewöhnliches. Mußten doch bei dem Regierungsantritt des letzten Bey seine beiden Neffen, der Leibarzt, der Sachab Ettaba, der Sekretär der auswärtigen An- gelegenheiten, der ein Christ war, bluten. Es war ein ergötzliches Schauspiel für diese Barbaren die beiden jun- gen rechtmäßigen Thronerben enthauptet, den Sachab Ettaba, der so viel zur Verschönerung von Tunis beige- 44 tragen hatte, eine schöne Moschee erbauen und viele Brun- nen graben ließ, todt durch die Stadt schleifen zu fehen, und jetzt soll alles so ruhig ablaufen, nicht einmal der fehr gehaßte Sachab Ettaba erdrosselt werden? Alles soll mit der Verbannung zweier Mameluken nach Gerba ab- gethan feyn? Unmöglich! sagte das Volk. Nun aber heißt es in den Büchern, welche die Priester besitzen, sey gefunden worden: der jetzige Bey soll nur dritthalb Jahre regieren, dann sollen Opfer genug fallen. Dieser Zeitpunkt wird mit großer Sehnsucht erwartet; obgleich jede neue Regierungsveränderung dem Lande viel Geld kostet. Denn der Kaftan muß bei dem Großherrn immer sehr theuer erkauft werden. Der Distrikt Sufa allein zahlt hiezu jedesmal 40000 Piafter; dennoch wird eine solche Zeit immer gerne gesehen. In einem Monat reist der schon oben genannte Sachab Ettaba von Tunis nach Konstan- tinopel um für seinen Prinzen den Kaftan in Empfang zu nehmen. Zu diesem Behufe lagen schon lange einige Kriegsschiffe zu Marseille in Arbeit. Vor einigen Tagen langten diese in Tunis an, sogleich wurden Matrosen hiezu gepreßt, in Susa allein 24. Armes, finsteres, unglück- liches Land! Wer muß nicht fehnlichst wünschen und beten, daß auch hier das Evangelium den Halbmond und das Schwert verdränge, auf daß alle Herzen zum Herrn bekehrt werden. VI. Münastir den 13. Juni 1835. Am 8ten dieses, sehr frühe verließen wir, ich, mein Diener und ein bewaffneter Maure auf Maulthieren sitzend Susa; auch meine Habseligkeiten wurden von hier aus auf diese Thiere gepackt. Unser Weg schlängelte sich der See entlang bis hieher. Die Strecke, die wir durchzogen, hat, außer schönen Olivenwäldern, nichts merkwürdiges. Herr Felice Serra, an den ich empfohlen war, nahm mich in sein Haus, räumte mir ein Zimmer ein und be- wirthete mich bis zu dieser Stunde mit ausgezeichneter Gastfreundschaft und Höflichkeit. Münastir ist sehr schön gelegen, nur 12 Meilen von Susa entfernt, hart an Meere, hat einen guten Hafen, ist mit einer Ringmauer versehen und gut befestigt. In der Citadelle wohnt der Tobfchi Pascha, Commandant, mit einer kleinen An- zahl Soldaten. Die Stadt zählt 1400 Häuser und mag gegen 12.000 Einwohner, worunter 50 Juden, 12 Chri- sten und etliche Malteser sind. Münastir ist auch der - 46 - Sitz des Kaid und zu einem Distrikt gehören außer der Stadt noch 12 Dörfer. Viehzucht und Ackerbau ist im guten Stande, besonders ist die Gegend reich an Oel- und Obst. Die Lage der Stadt ist der Gesundheit sehr zuträglich: auf einer Seite das Meer auf der andern schöne Gärten. Es find nun gerade 320 Jahre, als die Spanier, die hier lange eine Kolonie hatten, vertrie- ben wurden. Von ihrem ehemaligen Hierseyn ist alle Spur, bis auf ein Malteserkreuz, welches an einem Thore in eine Marmorsäule eingegraben, noch zu sehen ist, ver- schwunden. Die Straßen sind breit und reinlich; die Häuser haben nur ein Stockwerk. Die hiesigen Mauren sind viel freundschaftlicher und weniger fanatisch als die zu Sufa. Während meines Aufenthalts hatte ich täglich freie Unterre- dungen mit ihnen und die kleine Anzahl arabischer Schriften, die ich mit hieher bracht, wurde schnell vergriffen, und stünd- lich werde ich um mehrere derselben angegangen; aber leider habe ich keine mehr. Es herrscht hier großer Wohl- stand, dabei sind die Bewohner aber dennoch arbeit- fam und friedlich gesinnt. Gerne unterhalten sie sich mit mir und erlaubten mir sogar einen Koran, der öffentlich feil geboten wurde, zu kaufen. – Dieses Buch wird nie um Geld verkauft, solches dafür zu nehmen wird für eine Sünde gehalten; sondern für Brod, welches an die Armen verheilt werden soll. Ich kaufte diesen Ko- 47 . ran für 332 Brode. Allein anstatt daß der Verkäufer die Brode annahm rechnete er den Werth derselben und ich gab dafür das Geld, welches er, wie ich sicher weiß, für sich behielt. – - Abergläubisch fand ich aber die hiesigen Einwohner, wie überall in der Berberei. Letzthin verlangte ein Maure, ich sollte ihm Chat Erramel, Zauberkünste, die dem Besitzer dieser Kunst Aufschluß geben zu wissen, wie lange man lebe; die Macht verleihen Häuser einstürzen zu las fen und über Leben und Tod anderer zu gebieten c. c, lehren. Ich sagte zu ihm: öffne deinen Koran und lese mir das Ende der Sura Lokiran, da wirst du hier über Aufschluß bekommen. Ich bin unrein, sagte er, und darf jetzt den Koran nicht berühren, hier liegt er, öffne ihn und lies. Ich that es. Und las ihm deswegen diese Stelle vor; weil hier der Koran sagt, daß dieses, näm- lich zu wissen wie lange man noch zu leben habe, kein Mensch wissen könne, es gehöre zu den fünf Dingen, die nur Gott weiß, welche find: die Stunde des jüngsten Gerichts, die Zeit des Regens, das Geschlecht im Mut- terleibe, das zukünftige Schicksal des Menschen und wann, wie und wo der Mensch sterbe. Am eiften dieses Monats hatten wir eine Monds- finsterniß. Einige Gelehrten fragten mich um die Ur- fache dieser Erscheinung. Ich erklärte ihnen die Sache 48 - ganz einfach und da ich dabei erwähnte, die Erde drehe sich um die Sonne, so erwiederten sie, das könne nicht seyn. Die Erde ruhe auf dem Horn des großen Ochsen, die fer stehe auf den großen Fischen und diese leben im Meere. Hier half nun kein Demonstrieren, sie blieben bei dieser lächerlichen Fabel. Das Grab eines merkwürdigen Ma- rabut, Heiligen, befindet sich hier. Es ist, wie alle diese Gräber eine Freistätte der Verbrecher, glücklich die fes erreicht zu haben, bewirkt Freiheit und Straflosigkeit Wunderbar genug, dieser Marabut, war Renegat, von Geburt ein Italiener. Er wurde hier Mahomedaner und bethörte das Volk lange Zeit mit allerlei Gaukeleien, bis man ihn für einen Wundermann hielt. Einst schrieb er seinem Vater, er möchte ihm doch aus der Heimath im Spätherbste einige Kisten Trauben schicken. Der Schiffs- kapitän, so wie die Mannschaft des Schiffes waren ge- wonnen. Nach der Landung wurden die Kisten an einem bezeichneten Orte vergraben. Als dies geschehen - war, sagte er zu den Mauren: Gehet hin an das Ufer; an dem Orte, wo der große Stein liegt, werdet ihr un- ter der Erde Kisten mit frischen Reben finden. Der be- zeichnete Ort wurde aufgesucht und der wunderbare Fund zu Tage gefördert. Jetzt wurde er heilig gesprochen und nach seinem Tode über das Grab eine Kapelle gebaut und diese zu einer Freistätte erhoben. - 49 Die Juden hier find arm, haben eine Synagoge und einen Rabbi. Ich konnte mit ihnen einfach und oft fen reden und mit Freuden nahmen die Bibeln an. Frü- her hatten sie gar keine. Ich fand bei meiner Ankunft deren nur zwei in der ganzen Gemeinde und diese waren von mir in Tunis gekauft worden. Die Lehren des Chris fenthums waren ihnen noch ganz unbekannt. Auch das kleine Häuflein der hiesigen Christen habe ich mit dem Worte des Lebens versehen. Sie wohnen recht friedlich und leben recht freundschaftlich unter einander; keiner von ihnen ist aber verehelicht. Nur eine Tagreise von hier liegt die sehr berühmte Stadt Kairwan, daselbst ist das Grab eines Jugend- freundes Mahomeds, und hier steht die größte und schönste, mit 500 Granitsäulen ausgeschmückte, Moschee der Berberei; dahin wallen die Pilger, denen es nach Mekka zu reisen nicht vergönnt ist. Die Sage behaup- tet: einst werde Mekka in die Hände der Christen fallen und dann werde Kairwan der große Wallfahrtsort der Moslemin werden. Gerne möchte ich diese Stadt bese- hen; allein der Ort wird für zu heilig gehalten, als daß es Christen sollte ohne höhere Bewilligung erlaubt seyn dorthin reisen zu dürfen. Es darf daher ohne ganz be- sondere Erlaubniß des Bey und dann nur unter Beglei- tung von mehreren Mameluken, diese Stadt kein Christ 4 50 - betreten. Ich muß mich daher mit der Aussage derer be- gnügen, die daselbst waren. Kairwan foll gegen 6000 Häuser haben und verhältnismäßig bevölkert sein. In der Kapelle, die über das Grab des Heiligen erbaut ist, wird Tag und Nacht der Koran gelesen. Die Bewohner Kairwans hatten früher viele Freiheiten und waren von vielen Abgaben verschont. Als der jetzige Sachab Ettaba ans Ruder kam, führte er, um die leere Schatz- kammer feines Herrn zu füllen, neue Taren ein und wollte davon auch die heilige Stadt nicht verschont wie fen. Auch hier, wie im ganzen Reiche, sollten 25 Pro- zent von allen verbrauchtwerdenden Lebensmitteln erhoben werden. Die Einwohner Kairwans, stolz auf ihre alten Rechte, empörten sich und 3000 der Bewaffneten lagerten sich um die Stadt, die allenfalls anrückenden Truppen aus Tunis zu bewillkommen. Der Sachab Ettaba war damals gerade in Sufa, als er die Nach richt von der Empörung der heiligen Stadt erhielt. So gleich machte er sich, mit nur 50 Mann, die er bei sich hatte, auf den Weg und erschien plötzlich und unvermu- thet vor Kairwan. Diese Erscheinung setzte die tapfern Kairwaner dergestalt in Furcht und Schrecken, daß die Bewaffneten fammt und sonders auseinander liefen. Der Sachab Ettaba stieg vor dem Hause des Kaid ab, trat ein und fagte ganz kaltblütig: Laß" rufen N. 51 und N. c. e.: du gehst ins Gefängniß und du auf die Galeere, sprach er. Auf diese Art entfernte er die Rä, delsführer und legte der heiligen Stadt eine Contribution von 4 Millionen Piaster auf, welche auf der Stelle be- zahlt werden mußten. - - Als Anekdote besonderer Art will ich nur noch er wähnen, daß mir während meines hiesigen Aufenthalts Briefe zugeschickt wurden, unter denen sich auch einer aus England kommend befand. Dieser hatte die Reise durch Frankreich, Italien c. c, gemacht, er wurde in einer der Provinzen des letztern Landes geöffnet, gelesen, durchstochen, wieder gesiegelt und folgende Worte darauf angebracht: Netta fuori spurca dentro: außen rein, inwendig unrein. Der Inhalt des Briefes war die Antwort auf eine Anfrage, die ich bei dem Sekretär der Missionsgesellschaft gemacht hatte. VII. Media den 16. Juni 1835. Es rief gerade der Mahomedaner den Morgengruß den noch schlummernden Bewohnern zu Münastir von dem Thurm durch sein Allah Akbar! zu, als wir auf Maulthieren, begleitet von zwei bewaffneten Musel- männern zum Thore hinaus sprengten. Bald lagen uns die schönen Gärten und fruchtbaren Felder der Stadt im Rücken, und eine rauhe, einsame und unheimliche Ge- - gend, doch voll von Ruinen aus alter Zeit nahm uns auf Zuerst erreichten wir das Dörfchen Chanis, dann El- karb, dieß hinter uns habend, lag vor unsern Augen Lambta, das Leptisparva der Alten, ehemals eine Meile im Umfange, jetzt ein elendes Dörfchen. Von der alten Herrlichkeit dieses Platzes zeigen noch die Ruinen der Burg, welche sich sichtbar von der Erde aus erheben. Hierauf erreichten wir die Ruinen vom Buhadjar und einige Meilen später langten wir bei den Ufern ei- nes Salzsees an, der 3 Meilen lang und eine halbe - 53 Meile breit sein mag, und Sibcha von den Eingebor nen genannt wird. Unser Weg führte den Ufern dieses Sees entlang. Die sonst sehr eifersüchtige Regie- rung erlaubt, sonderbar genug, jedermann Salz nach Belieben zu nehmen. Wir erreichten Tobulba, wo sich ebenfalls Ruinen der Vorzeit finden; sodann Ma- kalda. Da es jetzt anfing sehr heiß zu werden, fo ra- steten wir eine kurze Zeit unter den Schatten, der Oli venbäume, um unsere Thiere sich etwas erholen zu las fen. Nur noch 9 Meilen Wegs war es von hier bis nach Media und ich hoffte in 14 Stunden meine Tag- reise geendet zu haben. Allein wir ritten eine Stunde, dann wieder eine Stunde, immer in einem dichten Oliven- walde und der sehnlichst gewünschte Ort wollte nicht sichtbar werden. Meine Verlegenheit war groß, um aber diese noch zu vergrößern verlor sich jetzt jede Spur eines Weges und wir alle, fünf Reiter an der Zahl, hielten und wußten nicht wohin. Jetzt erst ergab es sich, daß meine Führer den Weg nicht wußten, wir hatten uns also verirrt. Bei den Mahomedanern hilft es, bei dergleichen Begebenheiten, durchaus nichts unwillig oder unruhig zu werden. Mit größter Ruhe und Kaltblütig keit heißt es immer: so fand's geschrieben, so will es Gott haben! Nach langen Berathungen half mein Diener aus dieser Verlegenheit. Herr, laffen Sie uns in die 54 fer geraden Richtung reiten, dort ist das Meer und einmal am Ufer desselben angelangt, finden wir uns ge- wiß zurecht. Dieser Rath wurde befolgt, wir fanden uns glücklich aus dem Walde hinaus und dann sahen wir in der Ferne Media glänzen. Ganz erschöpft und mit einem schmerzlichen Kopfweh, verursacht durch die außer- ordentliche Sonnenhitze, langte ich daselbst an. Hier wohnen drei christliche Familien: eine italienische und zwei französische, des Oelkaufens wegen. Ich war empfohlen an Herrn Giuseppo Castellino, einen gebornen Korsen, welcher mich mit vieler Zuvorkommenheit aufnahm. Da mir einige Ruhe höchst nöthig war, weil der heutige Ritt, während der größten Sonnenhitze, mich ganz ent kräftet hatte, so legte ich mich nach der Ankunft sogleich zu Bette. Später ging ich aus, die Stadt zu besehen. Media oder auch Africa, der erste Ort, den die Rö- mer an der Nordküste Afrikas erbaut haben sollen, liegt auf einer Halbinsel, hat die schönsten und größten Rui nen aus der alten Zeit, die ich bis jetzt gesehen habe. Noch stehen am Eingange der Stadt drei gut erhaltene Thürme und in dem gewölbten, mehr als 100 Schritte langen Eingang, fand ich eine Inschrift, die aber leider ganz unleserlich geworden. Eine Menge von Cisternen, davon noch mehrere in gutem Stande, Marmorblöcke, Stücke von ungeheuerer Größe, Thürme, Gräber in Felsen , 55 gehauen und eine eingefallene Mauer zeugen von der ehemaligen Größe. Jetzt hat die Stadt kaum 5000 Einwohner, mit einem Aga, der die in der Burg liegende Besatzung befehligt, welcher zugleich Richter der Stadt ist; einige Juden und genannte Christen. Die Luft soll sehr gesund seyn und die Einwohner sehr alt werden. Vor einigen Tagen starb eine Frau 120 Jahre alt. Oel hat es hier im Ueberfluß und die Stadt ist von einer Menge Gärten umgeben. Die Bewohner sind daher sehr reich, aber träge. Gepflanzt wird nichts und nur das was die Natur freiwillig darreicht wird gesammelt. Die Vieh- zucht ist schlecht und der Europäer findet. Weniges seinem Gaumen zusagend. Doch die Liebe reich zu werden und sodann noch einige Jahre in Europa herrlich und in Freu- den leben zu können überwindet die größten Schwierig keiten bei dem gelddürftigen Europäer. Da ich mich nur einen Tag hier aufhalte, so kann ich kaum ein Urtheil über den Charakter der hiesigen Mahomedaner fällen. Doch höre ich von den hiesigen Christen, welche unge- stört hier leben, sie feyen wenig fanatisch. VIII. - Sfar den 21. Juni 1835. Am 17ten frühe 4 Uhr, waren wir schon auf dem Wege und hatten Media bereits im Rücken. Der Weg schlängelte sich sieben Meilen lang durch schöne Gärten; dann aber hörte alle Cultur auf und wir betraten das Land der wilden Araber, die den Häusern feind, nur unter dem Zelte leben, ihre Heerden weiden und was der Boden freiwillig darbietet gerne annehmen. Vieles hatte ich gehört von den schönen Ueberresten eines römischen Am- phitheaters, in oder Mitte dieser Wüsteneien gelegen. El gem - von den Arabern geheißen, bei den Alten Tisdras oder Tysdrus. Meine Neugierde war sehr gespannt. Heute nun sollte ich dieses Wunder der alten Zeit sehen, ja sogar in deffen Nähe mein Nachtlager aufschlagen. Jetzt stieg unser Weg allmählich bergan. Dort angelangt, sagte ich zu mir, wirst du diesen Riesenbau der Alten ins Auge be- kommen; allein ich täuschte mich. Nun von jener Höhe aus wirst du ihn sehen können! Ich gab meinem Maul- thier die Sporen, angelangt, und abermals ein anderer - Hügel deckte die Aussicht. Endlich riefen meine Füh- rer: Hada Elgem! Had a elburtcha gabira! Amtha elromi! Siehe, siehe dort ist Elgem! dort die große Burg der Römer! Ich blickte hin, und ein nicht zu beschreibendes wehmüthiges Gefühl durchzuckte mein Innerstes. Mitten in dieser afrikanischen Wüste, umgeben von rohen, wilden Horden, ohne alle Civili- fation, ohne allen Sinn für Kunst ein Wunderwerk der Baukunst zu schauen! Dieses Riesengebäude, von mei- nem jetzigen Standpunkt aus betrachtet, stellte sich dem Auge wie eine große deutsche gut erhaltene Ritterburg dar. Die Sonne warf jetzt ihre Strahlen senkrecht, ich litt unbeschreiblich von der Hitze und lenkte deswegen vom Wege ab, um seitwärts den Schatten einiger küh- lender Bäume zu erreichen: dort wollte ich den Abend erwarten. Während ich dieses that, wich mein Auge nicht von dem Wundergebäude, mein Geist aber versetzte sich zurück in die Zeiten, in welchen Römer und Christen dieses einst so gesegnete, nun aber so elende Land be- wohnten. Doch meine Führer ließen mich nicht lange gelagert, sie mahnten zum Aufbruch; weil sie fast ver- schmachteten vor Durst. Ich mußte gehorchen und lang- am ritten wir dem Raubnest entgegen, das unter diese Ruinen erbaut, und von halb nackten Arabern, bewohnt wird. Hier ist der Haltplatz aller Karavanen, die aus - 58 verschiedenen Gegenden kommend, hier sich lagern. Das her sind auch die hiesigen Funduken so voll von Ungezie- fer aller Art, daß jeder Fremde genöthigt ist die ganze Nacht hindurch thätig zu feyn. Diesem Uebel wollte ich vorbeugen und deswegen verschaffte ich mir Empfehlungs- schreiben an einen der hiesigen vornehmsten Araber. Ich gab meine Briefe ab, der Araber schaffte seine Frauen weg und nahm mich in seine Hütte auf. Ob ich gleich sehr ermüdet, von dem 32 Meilen zurückgelegten Wege, war, so eilte ich doch so bald es sich höflicher Weise thun ließ ins Freie, um das Merkwürdigte, von allem was ich bis jetzt gesehen hatte, genauer betrachten zu können. Diese Ruine soll der großartigste Bau römischer Kunst und Luxus gewesen feyn, der unter Gordianus, welcher in der Nähe desselben, in der Stadt Tysdrus, zum rö- mischen Kaiser proclamiert, aufgeführt worden seyn. - Dieses Amphitheater hatte ehemals vier Reihen von - Säulen übereinander und 64 Bogengänge. Gegenwärtig ist aber die oberste Säulenreihe beinahe zusammengestürzt, nur die drei übrigen sind noch gut erhalten. Von dem Fundamente bis zum Anfang der vierten Galerie gemes fen sind 90 Fuß, rechnet man die Säule 15 Fuß Höhe, was ihre Größe ist, so betrug die Höhe des ganzen Ge- bäudes 105 Fuß. Der innere Hofraum ist 300 Fuß lang und 200 breit. In der Mitte findet sich ein Brun- 59- nen, der aber jetzt verschüttet ist. Die Araber sagten mir, dies fey der Eingang eines unterirdischen Ganges gewesen, der bis nach Media geführt habe, was aber nur ein Mährchen sein mag. Der Ueberrest dieses Am- phitheaters ist noch heute so frisch und neu, als wäre es eben jetzt erst aufgeführt worden. Vor 100 Jahren ohngefähr ließ ein Bey von Tunis 4 Bogengänge in die Luft sprengen, weil die Araber bei einem Aufruhr sich in das Gebäude geflüchtet hatten und tapfern Widerstand leisteten. Die Dicke dieser gesprengten Bogengänge beträgt 105 Fuß. Der ganze Umfang des Gebäudes beträgt ohngefähr 1570 Fuß. In einem Winkel des Theaters liegt die Statue der Venus; aka enthauptet. Am Gebäude selbst ist noch das Haupt eines Widders und das eines Mannes sichtbar. Der Contrast zwischen diesem Riesen- bau und den armseligen Araberhütten ist unbeschreiblich. Nie sah ich elendere Hütten und dürftigere Beduinen. Die Umgegend ist voll von Marmorblöcken, Säulen, Bruchstücken ehemaliger Gebäude und Cisternen. Unge fähr eine Viertelstunde vom Theater fand die Stadt, wo man noch sehr viele Ruinen bemerkt. Ich sah die Marmorsäule eines Mannes von Riesengröße, aber lei- der auch enthauptet. Der Fanatismus der Araber zer- störte alle Gegenstände der Kunst. Ich konnte des An- blicks dieses Gebäudes nicht satt werden und ging mehre- 60 - - - - remal um dasselbige herum, um es von allen Seiten zu besehen; während ein Schwarm von Beduinen, Männern, Frauen und Kindern, mir immer auf dem Fuße nach folgten, die gar nicht begreifen konnten, was doch hier Merkwürdiges zu sehen fey. Sie brachten mir auch alte Münzen, die ich kaufen sollte und bewunderten alles an mir. Obgleich mein ganzer Anzug nur aus weißer Lein- wand bestand, nämlich aus weiten Beinkleidern und aus einem Kittel; so meinten sie dennoch ich fey nichts weniger als ein Konsul, oder doch gewiß ein Kaufmann. Ein Konsul aber ist bei diesen Leuten das non plus ultra. Der großen Sonnenhitze wegen trage ich gewöhnlich weiße Handschuhe, welche einigermaffen Kühlung an den Händen gewähren. Meine Finger waren ihnen daher sehr auffal- lend. Anfangs glaubten sie die Handschuhe feyen ange- wachsen und fragten, wie es mir möglich wäre zu effen? – man hat weder Meffer noch Gabeln, sondern ißt mit den Fingern. – Von hier bis nach Sfax sind noch 55 Meilen. Meine beiden Führer fürchteten sich den Weg mit mir allein zu machen. Da dachte ich es fey das Beste, am Abend mit der von Tunis hier durchkommenden Kara- vane weiter zu reisen. Während ich nun abermals diese Ruine betrachtete und von den Beduinen begafft wurde, 61 sah ich zugleich Scenen die mich sehr betrübten. Mehrere Beduinen wurden von den Mameluken des Bey grau- am gemißhandelt und warum? Sie hatten im Voraus an Europäer mehr Oel verkauft als sie zur Ernte erhielten und nun schickten diese Europäer die Schergen, nicht um das Oel zu holen, sondern den Preis dafür zu zahlen. Der Araber, der unglücklicher Weise das Medal Oel für 5 Piaster verkauft hatte, mußte jetzt dem Christen 20 Piaster, dem Mameluken 2 für seine Mühe bezahlen. Noch vor vier Jahren wußte man von solchen Schänd- lichkeiten nichts. Damals waren es nur wenige Euro- päer, die Oel aufkauften und solches nur von solchen, die auch im Stande waren es zu liefern. Seit ein paar Jahren aber hat die Hab- und Gewinnsucht viele Euro- päer über das Meer getrieben. Mit wenig Geld will jeder Europäer schnell reich werden und deswegen wuchern fie so gräulich, daß die Annalen der größten jüdischen Wucherer weit hinter diesen der sogenannten Christen zurückstehen müßen. Das Ende dieser Oelkrämerei wird gewiß, wie voraus zu sehen ist, sehr tragisch werden. Die von den Europäern auf solche schändliche Weise ge- plünderten und zu Grunde gerichteten Araber aufs Aeußerte getrieben, werden die einzeln hin und her im Lande lebenden Christen suchen auf die Seite zu schaffen. 62 Es wurde jetzt Abend und ich ging in die Hütte meines Beduinen. Dieser hatte eine große Schüßel Kus- kusu bereitet, zu welcher er mich lud. Wir setzten uns auf die Erde und aßen. Nach der Mahlzeit wurden die Maulthiere wieder beladen und wir verfügten uns auf den Sammelplatz der Karavanen, um dort bis zum Aufbruch derselben zu warten. Mein Diener nebst meinen zwei Begleitern hatten die Maulthiere im Auge, während ich die schöne Wölbung über mir, den herrlich flimmernden Sternenhimmel beobachtete. Mein Geister- hob sich in der stillen Nacht zu dem, der über den Sternen - thront, zu dem Allbarmherzigen, zu dem Allgütigen. – Um 11 Uhr bewegte sich die Karavane, jeder legte die Waffen zurecht, um bei einem etwa vorkommenden Angriff zur Gegenwehr fertig zu feyn. Auch ich fah nach meinen Pistolen und gürtete das Schwert, mehr um eine Gewohnheit mit zu machen als mich darauf zu verlaffen. Mein Vertrauen war nur bei dem, der alles weißlich len- ket und leitet. Ich setzte mich auf mein Thier, mein Diener that dasselbe, der eine Führer verließ auf einen Augenblick das dritte Maulthier, um mir meinen Mantel zu reichen und als er wieder zu demselben zurückkehren wollte, siehe da! es war weg und mit ihm alle meine Kleidung, meine Bücher c. c. in zwei Koffer gepackt. Unsere Bestürzung war groß. Mein erster Gedanke war: 63 das Maulthier fey mit der Karavane, die inzwischen auf gebrochen war, gelaufen. Ich schickte einen meiner Füh- rer ab, dasselbe zu holen; allein er kam leer und bestürzt zurück. Es war Mitternacht und finster. Was sollte ich thun? Hier war guter Rath buchstäblich theuer. Ich fragte nach dem Scheick des Orts und ließ auch den Beduinen, an den ich empfohlen war und den ich jetzt in Verdacht hatte, holen. Er erschien mit noch einigen Beduinen, eben so der Scheick. Frei sagte ich nun die- sen Beduinen ins Gesicht, daß ihre Leute, die immer um uns herum geschwärmt seyen, die Diebe meines Maulthiers wären. Der Scheick antwortete: seine Leute seyen ehrlich, zugleich wurde ich gefragt ob Geld in den Koffern fey? Geld ist nicht darinnen, aber meine Bücher und meine Kleider, gab ich zur Antwort. Hierauf sagte er: Sey unbesorgt wenn kein Geld darinnen ist, so be- kommst du alles wieder. Es wurden nun Leute nach allen Richtungen abgesendet, aber immer kamen sie leer zurück. Jetzt standen mir nur noch zwei Mittel zu Gebote diese Beduinen zu schrecken, um dadurch vielleicht wieder zu meinem Eigenthum zu gelangen. Diese Menschen sind sehr abergläubisch und wußten, daß ich arabisch verstand und den Koran las. Nun durfte ich nur sagen: ich ver- stünde die Zauberkunst Chat Erramel und diese Kunst würde ich, im Fall mein Maulthier nicht sollte 64 zum Vorschein kommen, anwenden; dann würde der jenige, der meine Habe sich zugeeignet hätte, es schwer büßen müffen. Allein ich wollte ihren Aberglauben nicht vermehren. Ich nahm zum zweiten Mittel meine Zu- flucht. Die Engländer stehen bei den Arabern in großer Achtung. Ich fagte deshalb, und es war mein voller Ernst, ich werde bis zum Anbruch des Tages ruhig warten und würde ich bis zu dieser Zeit meine Effekten nicht zurück erhalten, dann schicke ich einen Eilboten von meinen Leuten nach Tunis an den englischen Konsul, dieser würde die ganze Begebenheit vor den Bey bringen und dann würden sie mir mein Maulthier nebst Koffer theuer bezahlen müßen. Sie stellten sich zwar als ob fie nichts nach dem Bey, noch weniger nach dem Kon- ful fragten; allein ich bemerkte auf der Stelle, daß meine Worte auf diese Barbaren Eindruck machten. Hierauf zerstreuten sie sich wieder, um zu suchen. Ich und meine Leute verhielten uns jetzt ganz ruhig. Um 3 Uhr des Morgens kam ein Beduine, welcher zu mir sagte: Sey ruhig, das Maulthier ist in meinem Hause. Bald darauf wurde es herbeigeführt und diese Diebe bei gleiteten es selbst. Meine Freude war groß, denn es fehlte von allen meinen Sachen durchaus nicht das Ge- ringste; obgleich zu sehen war, daß die Koffer abgepackt und die Riemen mit Meffer durchschnitten, beschädigt war 65 ren. Nun versammelten sich viele Araber um mich und jeder wollte eine Belohnung für seine Mühe haben, daß er das Maulthier habe suchen helfen. Sie forderten mehr als 100 Piaster. Da ich ihnen aber rund heraus er- klärte, daß ich nichts geben, vielmehr mich über ihr un- verschämtes Betragen beklagen werde, fürchteten sie sich und sagten: Nun wenn du kein Geld hat, so wollen wir es dir schenken, mache nur, daß du fortkommt. Allein jetzt getraute ich mit meinen zwei Begleitern diese wilde Gegend nicht zu passieren: eine menschenleere und um fruchtbare Wüste von 55 Meilen, wie sie von Elgem bis nach Sfar ist. Ich wendete mich daher an den Beduinen, welchem ich empfohlen war und sagte: Ich sehe dich jetzt als meinen Vater an, ich bin an dich ge- wiesen, gib mir zwei vertraute Männer als Begleiter mit bis nach Sfax. Hier stehen zwei, sagte er, wenn du sie gut bezahlt, so werden sie dich geleiten. Es waren aber gerade zwei von denen, von welchen ich überzeugt war, daß sie Helfer beim Diebstahl waren. Ich nahm daher meinen Beduinen zur Seite und sagte: Kennst du aber diese Männer auch genau? Sind es ehrliche Leute und kann ich mich auf sie verlaffen? Bei deinem Haupte und bei dem Haupte Serras, Name des Herrn, der mich an ihn empfohlen hatte, ich kenne sie, es sind ehrliche Leute. Laß jetzt mein Haupt und das Haupt Serras, 5 66 gehen, sagte ich, und schwöre mir bei deinem Haupte und bei dem Haupte deiner Kinder. Jetzt stotterte mein Be- duine und wollte mit der Sprache nicht heraus. Dieß war mir der sicherste Beweis von Hinterlist. Ich sagte jetzt nur: Ich werde hier bleiben und die nächste Karavane abwarten. Dieses that ich auch und dankte Gott für seine Güte und Treue und für Bewahrung und blieb im Namen des Herrn den folgenden ganzen Tag in ei- nem elenden Winkel des Orts mit meinen Leuten gela- gert. Abends um 6 Uhr kam eine Karavane aus Tu- nis an, wir schloffen uns an sie und setzten unsern Weg mit ihr fort. Die Führer, so wie alle Mitreisende einer solchen Karavane sind gut bewaffnet. Der Führer, welcher den Weg am besten weiß reitet voran, ein an- derer Führer zur jeden Seite und einer schließt den Zug. Maulthiere, Kameele, Pferde und Esel, alle sind des Wegs kundig und man darf sich nur anschließen und die Thiere ruhig fortziehen laffen. Die Führer kennen jeden Baum, jeden Strauch, jede Krümmung des Wegs. Sie rufen deshalb beständig: Gebt acht, hier ist ein Baum! hier gehts Berg auf! oder, hier Berg, ab! Auch haben sie beständig acht, daß Niemand einschläft, des wegen haben sie bald mit diesem, bald mit jenem et was zu reden. Ich fand diese Führer sehr sorgfältig und höflich. Allmählig wurde es Nacht, wir sahen hie 67 - -------- und da in der Ferne die Feuer der Beduinen brennen und hörten ihre Hunde bellen. Diese Beduinen schlagen ihr Lager nie nahe an der Straße auf, aus Furcht vor überläftigen Gästen. Die Sterne warfen ihren hellen Schein und die Nacht war sehr schön; doch die Bege- benheiten der gestrigen, die sich jetzt meiner Seele erst in ihrem ganzen Ernste darstellten, machten mich traurig und ich blieb nicht ganz frei von Angst während dieser Nacht. Dazu kam noch daß unser Weg durch eine schauder- hafte Wüste führte. Gegen Morgen fühlte ich mich sehr müde und der Schlaf stellte sich mit solcher Heftigkeit - ein, daß ich mich kaum mehr im Sattel zu halten im Stande war. Jetzt bemerkte ich auch in einiger Entfer nung Häuser und glaubte diese feyen Sfax; allein man sagte mir: es wären die Gärten und Landhäuser dieser Stadt und von da aus feyen es noch 10 Meilen bis an den Ort der Bestimmung. Ich war aber zu müde um weiter kommen zu können, trat aus der Reihe des Zuges aus und lenkte etwas von der Straße ab, sagte meinem Diener er sollte mir eine Tasse Kaffee machen, stieg ab und schlief auf der Stelle ein. Als der Kaffee fertig war, wurde ich geweckt, ich trank, setzte mich auf und wir ritten noch. die 10 Meilen durch die schönsten Gärten und kamen durch Gottes Güte geleitet wohlbe- halten hier an. Der englische Agent Herr Blankberg, - 5 * 68 ein Schweizer, nahm mich freundschaftlich auf und nach der ersten Begrüßung bat ich um mein Lager; dieses wurde auch sogleich in Beschlag genommen, ich legte mich nieder und schlief ein, 69 IX. Sfax den 8. Juli 1835. Vielleicht ist an den Ufern des Mittelmeers keine Stadt deren Lage so gut, deren Umgebungen so schön und rei- zend wären als Sfax. - Hart am Meere erheben sich die hohen Mauern, welche 1200 Haupt- und 2400 Nebengebäude umschließen, und rechnet man nach der Anzahl dieser Häuser und nach der Menge Menschen, die sich beständig in den Straßen bewegen, so kann die Seelenzahl der hiesigen Mahomedaner 10–12000 betra- gen. Sfax ist gut befestigt und die Mauern sind mit Kanonen versehen; doch konnte ich niemals eine Wache wahrnehmen. In der Burg wohnt ein Aga mit eini- gen Soldaten, die hier Suavi heißen, und noch nach der alten türkischen Art gekleidet sind, während sie in Tunis und an andern Orten schon seit 6 Jahren neu organisiert Nazam heißen und nach europäischer Weise gekleidet und eingeübt werden. Mit wenig Mühe und Kosten könnte der Hafen sehr gut hergestellt werden; allein jetzt ist er dergestalt mit Sumpf und Getränch verstopft 70 daß nur kleine Fahrzeuge bis an die Stadt gelangen können, größere müffen eine halbe Meile entfernt in der See Anker werfen. Die Straßen sind gut, zuweilen ge- pflastert, die Häuser schön und im baulichen Stande ge- halten. Es wäre daher eine Freude durch die Straßen zu wandern, wenn diese nicht, wie überall in der Ber- berei, mit Unrath aller Gattungen gleichsam verstopft wären. Es ist nun einmal den Mahomedanern auf der Nordküste Afrikas eigen, die Unreinlichkeit der Straßen als nothwendig anzusehen. Ausgezeichnete Gebäude giebt es hier nicht, wohl aber eine sehr große Moschee den Malakia gehörend; Hanafia hat es hier nicht. Nirgends fand ich so viele Zufluchtsörter für Verbrecher zusammengehäuft als hier: nicht nur einzelne Heiligen- kapellen; sondern ganze Distrikte der Stadt, welche nach und nach den Kapellen der Heiligen geschenkt wurden, gehören dazu. Einmal einen solchen Distrikt erreicht zu haben, und jeder Verbrecher ist frei. Sfax hat auch einige schöne und reiche Marktplätze, auf denen sowohl inländische Produkte als auch europäische Manufaktur waaren verkauft werden. Hieher kommen ganz besonders die Karawanen aus Gadamas, um ihre aus dem Innern von Afrika bringenden Waaren, als Goldstaub, Elfenbein, Senearblätter, Straußfedern, Sklaven c, umzusetzen. Die Einkäufe, welche sie gewöhnlich machen 71 bestehen in Glasperlen, Spiegeln, Scheeren, Meffern, Papier c. Sonderbar ist der Gebrauch der Kaufleute aus Gadamas: den Goldstaub z. B. geben sie nicht eher aus den Händen bis ihnen der Betrag und zwar in Silber eingeliefert ist, Goldmünzen nehmen sie nicht an, Eigenthümlich ist es, daß in der Stadt selbst nur Sfaxia, Eingeborne, wohnen dürfen. Kein Fremder darf im Bereiche der Stadt ein Haus besitzen, weder Araber noch Beduinen. Ankömmlinge aus Tunis, Trie polis oder aus irgend einer andern mahomedanischen Gegend müffen, wenn sie sich hier niederlaffen wollen, ihre Wohnung vor der Stadt aufschlagen. … Die Bewoh- ner von Sfax sind ohne Ausnahme reich, einen armen Sfaxia gibt es nicht. Jeder besitzt einen schönen Gar ten vor der Stadt und in demselben ein Landhaus, wo er mit seiner ganzen Familie in den sechs schönen Mo- naten des Jahres wohnt. Es ist ein herrliches Schau- spiel in dieser Jahreszeit sich des Abends vor das Thor zu begeben. Schaarenweise ziehen in der Kühle des Tages alt und jung, groß und klein nach den schönen Gärten, die eine Viertelstunde außerhalb der Stadt beginnen, einen Halbzirkel bilden, dessen längster Durch- meffer 12 Meilen beträgt. Innerhalb dieses Raumes befinden sich an 6000 Gärten. Die Fruchtbarkeit des Bodens ist unbeschreiblich: Aepfel, Birnen, Trauben, 72 / --- Feigen, Granatäpfel, Aprikosen, Pfirsiche, Mandeln, Zitro- nen, Pflaumen, Maulbeere c. und eine große Menge an derer Südfrüchte schmücken die Gärten der Sfaxia. Da- gegen werden Gemüße, von welchen die Mauren keine Freunde sind, nur selten gebaut. Kartoffeln kennt man auf der ganzen Küste Nordafrikas nicht. Die Europäer laffen sich ihren Bedarf aus Malta kommen. Dagegen - wachsen hier Gurken und Zwiebeln im Ueberfluß, welche von den Einwohnern sehr geliebt werden. Getraide, be- fonders Roggen und Gerste wird sehr viel gebaut; auch Erbsen und Linsen größer und letztere röthlicher als in Europa. Die Rindviehzucht ist im Allgemeinen gut, doch nicht so schön als in Europa, Schaafe, sowohl lang schweifige als gewöhnliche gibt es hier eine ungeheure Menge. Pferde, Kameele und Maulthiere finden sich auch sehr viele. Wild jeglicher Art hat es im Ueberfluß; doch keine Raubthiere; zwar sollen deren noch im Innern des Landes getroffen werden, doch nicht mehr in solcher Anzahl als zur Zeit der Römer. Da die Jagd frei ist, fo gehört sie zu den größten Vergnügungen der hiesigen Europäer, welche oft wochenlang ihre Wohnungen ver- laffen, jagen und immer kehren sie mit reicher Beute zurück. Die Sfaxia find große Liebhaber von Fischen; deren hat es aber auch sehr viele, welche ohne große Mühe ganz einfach gefangen werden. Flechtwerke werden '- 73 weit in die See hinein aufgestellt, am Ende derselben ist das Netz angebracht. Die Fische einmal in den Rechen dieser Flechtwerke angelangt suchen den Ausgang, indem sie immer vorwärts schwimmen und deswegen dem Netze zueilen. Dieses füllt sich gewöhnlich täglich zweimal. Es ist nun gerade die Ernte hier. Gerste und Roggen reifen zu gleicher Zeit. Jeder Bewohner bringt seine Garben vor das Thor, wo sich ein großer freier Platz zu diesem Behufe befindet, hier wählt er sich für seine Garben eine besondere Stelle aus und häuft seine Gar- ben nach und nach, wie er sie vom Felde bringt auf. Ist dieses geschehen und die Garben fammt und sonders ein gebracht, aufgehäuft; dann erscheint der Kaid der Stadt und schätzt jeden Haufen, sprechend: dieser gibt 100 Maas und dieser hier 500 c. Gegen diese Schätzung darf Niemand Einsprache thun. Es ist der Zehent für den Lan- desherrn. Auf der Stelle nun beginnt von allen Bewohnern das Dreschen mit dem Dreschwagen der Alten. Diese Wagen find für Gerste niedrig, mit vier Walzen versehen und jede Walze mit 6–8 eisernen Scheiben. Die Thiere werden angespannt und der Trei- ber stellt sich auf den Wagen. Die Garben werden vor- her ringsum gelegt und nun wird auf diese herumgefahr ren, bis alles ganz klein und kurz gestoßen ist. Zum Roggen bedient man sich nur eines dicken Brettes, etwa 74 4 Schuh lang und 2 breit. Im Brette selbst sind Stücke von Eisen und Flintensteine eingetrieben. Der Ochs oder Esel wird angespannt und der Treiber, auf dem Brette stehend, beginnt nun seine Fahrt bis ebenfalls alles zer- stoßen ist. Auf diese Weise wird in kurzer Zeit sehr viel gedroschen. Um das Korn von der Spreu zu reinigen, sind einige Leute mit großen Gabeln beschäftigt das Ge- mich beständig aufzurühren, der Wind trägt alsdann das Stroh weg und die Körner fallen zu Boden. Das Getraide wird sodann in Säcke gefüllt, auf Kameele geladen und in die Getraidekammer, die gewöhnlich un- ter der Erde sich befindet, gebracht. Das ganz kurz ge- stoßene Stroh wird ebenfalls sorgfältig gesammelt und das nützliche Kameel bringt alles an den Ort der Bestim- mung. Auf diese Weise ist in weniger als 10 Tagen die ganze Ernte und Drechzeit abgethan. Mir wurden als ich diese Beschäftigung fah folgende Stellen der heiligen Schrift recht klar: Amos 1, 3. Mich. 4, 13. Hof. 10, 11. c. Als ich den Arbeitern sagte, wie man in Europa das Getraide dresche, wunderten sie sich sehr und mein ten: Die Europäer müßten wenig Getrade bauen; weil sie eine so mühsame Art zum Ausdreschen hätten. Juden sind zu Sfax an 200 Familien mit ohn- gefähr 2000 Seelen. Sie bewohnen eine eigene Vor- stadt, die durch eine Mauer mit einem Thore von der 75 übrigen Stadt getrennt ist. Ihre Beschäftigung ist gleich den übrigen Juden an der nordafrikanischen Küste, Gewerbe und Handel. Sie haben zwei große Synago- gen, in welchen sie ihre Gebete verrichten, den Kindern Unterricht ertheilen und den Talmud studieren. Ich habe wenig reiche Juden hier gefunden. Die meisten erwerben gerade soviel, als sie zum Leibesleben und zur Nothdurft bedürfen. Da der Bürgerkrieg zu Tripolis über drei Jahre wüthete, so haben sich über 80 jüdische Familien von dort hieher geflüchtet. Die ganze jährliche Abgabe, welche die jüdische Gemeinde an den Landesherrn zu zah- len hat beträgt nicht mehr als 80 Piaster. Merkwürdig ist es, daß sich die Juden der drei Staaten Tunis, Tripolis und Algier durch ihre Kopfbedeckung vor- züglich unterscheiden. Der Jude in Algier bindet ein schwarzseidenes Tuch um die Stirn, der in Tunis hat einen schwarzen Turban und der in Tripolis trägt einen bunten Turban aus Seidenzeug. Die Frauen der Ju- den aus Tripolis tragen an der Stirn ein Band, an welchem Goldstücke hängen, dessen Menge und Größe von dem Wohlstand des Mannes abhängt und oft trägt auf diese Weise die Frau die ganze Habe des Mannes an der Stirn. Christen gab es noch vor zehn Jahren keine hier. Die erste christliche Familie, die sich hier niederließ, war 76 die des französischen Konsular-Agenten, dieser folgte bald darauf der fardinische Konsul und seit vier Jahren ist auch ein englischer hier. Auch ließen sich um diese Zeit einige christliche Kaufleute hier nieder. Als die Revolu- tion in Tripolis ausbrach flüchteten sich ebenfalls mehrere Familien hieher, die nun wohl hier bleiben werden. Mal teser aber hat es eine Menge hier, die überall wie das Unkraut um sich greifen und Schmach und Schande dem - Christennamen bringen. Alle Christen aber müffen im Judenquartier wohnen und nur aus besonderer Gunst ist es dem englischen Agenten erlaubt in der Stadt wohl nen zu dürfen. Die Europäer dahier sind alle in kurzer Zeit reich geworden. Ich kenne deren, die vor vier Jahr ren keinen Piaster besaßen und jetzt könnten sie in jeder europäischen Stadt von ihren Kapitalien leben. Indes fen nahmen die hiesigen Christen ein sehr lebhaftes In- tereffe an meiner Mission und standen mir in jeder Hin- ficht bei, obschon alle bis auf einen der catholischen Kirche angehören. Bibeln nahmen sie sehr gerne an. Die hiesigen Mahomedaner werden für sehr gelehrte Leute gehalten und ich hatte mit vielen Unterredungen. Sie empfingen auch von mir eine nicht unbedeutende An- zahl Schriften in arabischer Sprache. Doch von ihrer großen Gelehrsamkeit konnte ich wenig wahrnehmen. Einer \- 77 von ihren Gelehrten der für sehr unterrichtet gehalten wird, sagte mir als wir uns über Astronomie unterhiel- ten: Es sind sieben Himmel, einer über den andern erhaben. Jeder dieser Himmel hat seine eigene Sonne und diese sieben Sonnen find, die, von den Christen fälschlich gehaltenen, sieben Planeten. Ueber dem fie- benten Himmel erhaben stehe der Stuhl Gottes und über dem Stuhl das Bett. Das letztere wendete er ein, als ich ihm sagte, es gäbe eilf Planeten. Die Hitze wächst jetzt täglich und je weiter ich ge- gen Morgen ziehe, desto stärker soll sie werden. Heute haben wir 28 Grad Reaumur; doch trägt die Nähe des Meeres etwas zur Milderung bei. Mehr als die Hitze sind die Skorpionen zu fürchten, die hier eigentlich ihre wahre Heimath haben. Gestern spielte ein Kind im Sande in einem nahen Garten, wurde von einem Skor- pion gestochen und starb wenig Stunden darnach. Im Monat Juli und August find sie am gefährlichsten; doch fallen sie den schlafenden Menschen nicht an, wenn er ganz bewegungslos liegen bleibt, sobald er sich aber bewegt, stechen sie. Das beste Mittel ist die Wunde sogleich mit einem Rafirmeffer auszuschneiden, und diese einige Stun- den lang mit Oel einzureiben. Die Schmerzen sollen in diesem Falle nur 24 Stunden anhalten und die Gefahr 78 vorüber sein. Der Herr, der mich bis hieher behütet, wird auch ferner eine Gnadenhand über mich halten. Wir find in Afrika, wie in Europa in feiner Gna- denhand! X. Gabis den 20. Juli 1835. Von Sfax bis Gabis, einer Landschaft, welche 33 Dörfer in sich schließt, mögen zu Waffer an 100 Meilen feyn. Da die Reise zu Lande dahin fehr gefährlich, weil halb wilde Beduinen die Wege unsicher machen und Schiffsgelegenheit sehr selten ist, so miethete ich mir ein Boot, dessen Eigenthümer und Kapitän ein Malteser war. Dieser mit feinen unter sich habenden drei Matrosen sollten mich nach diesem Lande bringen. Sonntag Abends am 12ten erhob sich ein günstiger Wind, der Kapitän wollte die fen benützen und mahnte deshalb zur Abreise. Ich stieg im Namen dessen, der den Wellen gebietet in das schmale Fahrzeug. Der Segel wurde gespannt und in wenig Minuten lag Sfax hinter uns. Ich wurde sogleich, wie gewöhnlich seekrank. Als die Nacht einbrach ergab es sich, daß mein Kapitän diese Reise noch nie gemacht hatte, des Weges ganz unkundig und deshalb auch die Anker auswerfen mußte, um den Tag zu erwarten. Mir war S0 dieses im höchsten Grade unangenehm, denn ich fah eine langwierige Fahrt voraus und was noch schlimmer war, ich hatte mich einem unsichern Führer anvertraut, der den Weg nach Gabis, welcher sich längs der Küste hin zieht und manche Klippen und Sandbänke hat, denen sorg- fältig ausgewichen werden muß, noch niemals gemacht hat. Ich konnte nichts thun als mich dem Willen des Herrn ganz übergeben; da der Lügengeist nun einmal die Menschen in dieser Gegend ganz besonders in Beschlag genommen hat. Ehe ich Sfax verließ, that dieser Ka- pitän, als kenne er jede Handbreit Landes an der ganz zen Küste aufs genaueste; sonst würde ich mich ihm nicht anvertraut haben. Mit der größten Geduld ergab ich mich und wartete auf den anbrechenden Morgen. Als dieser erschien gings wieder vorwärts. Allein kaum moch- ten wir eine Stunde gefahren feyn, als ein Wind sich erhob und etwas stark zu blasen begann; da behauptete der furchtsame Kapitän sein Fahrzeug könne der Wellen- gewalt nicht trotzen, lenkte deshalb wieder landeinwärts, warf die Anker aus und rauchte ganz gemächlich feine Pfeife. Erst gegen Abend wurden die Anker wieder ge- lichtet und beim Einbrechen der Nacht wieder ausgewor- fen. So geschahe es, daß wir erst am dritten Tage die Ufer von Gabis erreichten. Viel litt ich auf dieser kurzen Reise, sowohl durch die Seekrankheit als auch _81_ durch die außerordentliche Sonnenhitze, die auf dem wind- stillen Meere noch heftiger wirkt als auf dem festen Lande. Allein ich wurde für meine Mühseligkeit auf eine überraschende Weise durch den herrlichen Anblick der Dattelwälder, welche die Ufer schmücken und die sich weit landeinwärts erstrecken, belohnt. Wohl hatte ich schon Palmbäume gesehen; aber so viele Waldungen derselben und diese alle in der herrlichsten Blüthenpracht fah ich noch nie. Die Frucht reift erst im Oktober. Gegen Mittag liefen wir in dem Fluße des Landes. Gabis ein, der in die See mündet. Er ist schmal und feicht, große Fahr- zeuge können deshalb nie hieher kommen; selbst die klei nen können nur zur Zeit der Fluth in denselben gelangen. Die Einfahrt ist gefährlich; weil eine große Sandbank, wel- che nur zur Zeit der Ebbe sichtbar wird, die See von dem Fuße trennt. Manche Boote sind schon auf diese Bank aufgefahren und gestrandet. Sobald die Fluth eintritt ist die Brandung ungemein stark und es braucht viele Erfahrung und kostet viele Mühe und Geschicklichkeit hier ein- und auslaufen zu können. Als wir geankert hatten stieg ich mit einem Ma- trosen ans Land, der mich in den Hauptort des Lan- des, nach Menfel, eine halbe Stunde vom Fuße ent- fernt, geleitete. Der Weg führt sanft Berg auf und bald fahen wir Menfel vor uns; ein andres Dorf --- 6 82 Namens Scharah blieb zur Linken. Der ganze Die strikt Gabis ist gebirgig und Menfel wird als der Hauptort und Mittelpunkt desselben angesehen; deswegen suchte ich hieher Empfehlungsbriefe zu bekommen, Christen wohnen hier keine und noch vor vier Jahren wäre es sehr gewagt gewesen sich ohne starke Begleitung hieherzube- geben; doch die Malteser haben auch diese Gegend auf gefunden und kommen von Zeit zu Zeit hieher, um Handel zu treiben. Gerade jetzt aber wohnt seit vier Monaten ein wunderlicher Mann Signore F., ein Mal- teser hier, an den ich empfohlen war. Die Sonne brannte mit aller Macht und ehe ich den Ort meiner Bestim- mung erreichte, war ich im Schweiße wie gebadet, kei nen trockenen Faden am Leibe habend und ganz triefend langte ich in Menfel an. Ich ließ mich sogleich zu Herrn F. führen. Unter einer Halle vor dem Hause fand ich ein kleines Männlein, ohngefähr 50 Jahre alt, mit einem langen Schnurr- und Knebelbart, einer Brille auf der Nase, halb europäisch halb türkisch gekleidet, im Lesen beschäftigt und dieß war Herr F. Ich übergab meine Briefe, welche sogleich durchgelesen und ich hier auf bewillkommt wurde. Monsieur nous vivons ici en Philosophe, fagte Herr F. zu mir, stimmen Sie mit meiner Philosophie überein, so find Sie mir ein willkommener Gast. Setzen Sie sich einstweilen hieher, _83_ bis ich Befehle gegeben haben werde für Sie ein Zimmer herzurichten, dann werde ich Sie bei meiner Familie eine führen. Ich gehorchte. Skander! Skander! rief jetzt Herr F. Ein Mulatenknabe erschien. Herr F. sagte diesem etwas ins Ohr und entließ ihn. Jetzt nahete sich mein Philosoph zu mir, wir setzten uns zusammen und in kurzer Zeit hörte ich eine ganze Lebensgeschichte. Geboren zu Malta, genoß Herr F. eine gute Erziehung, wurde achtzehn Jahre alt. Gehülfskriegs - Sekretär. Diese Stelle begleitete er 12 Jahre, wurde, ich erfuhr nicht warum, entlaffen, reiste sodann durch ganz Eu- ropa, kam nach Konstantinopel, ging nach Aleppo, Bagdad und ließ sich endlich zu Alexandrien in Aegypten nieder. Hier erwarb er sich innerhalb 12 Jahren durch gelungene Handelsspekulationen ein schönes Kapital, ging damit nach Tripolis, spekulierte unglücklich und verlor sein Vermögen. Die Revolution brach aus und er wan- derte mit noch mehreren Christen nach Sfax, wo er das Unglück hatte ein Bein zu brechen. Nun war er des herumtreibenden Lebens müde, sehnte sich nach einen Winkel der Erde, wo er en Philosophe feine übrigen Lebenstage zubringen könnte. Gabis wurde ihm gerathen und dahin ging er. Um aber hier nicht ganz müßig zu seyn, entschloß er sich Arzt zu wer den und ist in seiner Praxis so glücklich, daß die Ara- 6 t 84 ber in Menge zu ihm kommen, um sich heilen zu laffen. och soll ihm keiner feiner Patienten gestorben seyn. Jetzt kam der Mulatenknabe und sagte: es fey Alles in Ordnung. Herr F. erhob sich und bat mich ihn zu begleiten. Die Hofhüre wurde geöffnet, wir gingen durch. Herr F. zeigte mit dem Finger und wies mir ein ganz dunkles Gemach ohne Fenster, ohne Thür, nur vier Wände habend als mein Zimmer an. Ein Philosophe Monsieur, en Philosophe comme vous voyez, sagte Herr F. Gut, fehr gut. Herr F., fagte ich. Und nun kommen Sie meine Familie zu besehen. Herr F. hinkte voraus, ich folgte nach. Sehen Sie hier diese Ziege? Das Geschenk eines Arabers, den ich von der Schwindsucht heilte: sie gibt mir die Milch zum Kaffe. Und dieses Schaaf hier? Das Geschenk einer Frau aus Erkenntlichkeit, weil ich sie vom Tode rettete. Was sagen Sie zu diesen beiden jungen Wildschweinen hier? Man brachte sie aus den Bergen aus Dankbar keit, weil ich eine große Probe der Heilkunst bewieß. Diese vortrefflichen Hühner? Zahlung für geleistete Dienste, eben so diese Tauben. Ah! Sie müffen noch ein fchätzbares Glied der Familie sehen, meinen Raben. Armes Thier! Es hatte daffelbe Unglück, wie ich, brach das Bein. Ich habe es aber wieder ganz gut curirt, leider, hinken wir aber jetzt alle beide, wie Sie sehen, 85 Dieses mein Herr, ist meine Familie, mit welcher ich in beständigem Frieden lebe. Niemand aber macht mir so viel zu schaffen als Skander, der mein eigenes Kind von einer Negerin ist. Hier endete Herr F. seine Fa- miliengeschichte und ich hatte Erlaubniß mich ein wenig im Hause umzusehen. Ein wundersameres Gemisch von der größten Dürftigkeit und von dem ehemaligen Reich- thume hatte ich noch nie gesehen. Hier lagen die Ueber- reste eines kostbaren persischen Teppichs neben einem zerbrochenen Stuhl ohne Lehne. Dort hing an der schmutzigen Wand ein Ding, das ehemals ein gro- ßer Spiegel mit vergoldeten Rahmen war; jetzt gehörte große Einbildungskraft dazu, um seine frühere Bestim- mung zu errathen, Teller, Flaschen, Gläser c., Alles lag bunt durcheinander, Ich ließ jetzt aus dem Schiffe meine Effekten holen und richtete mich, so gut ich konn- te, ein. - Als der Scheik des Orts von von meiner An- kunft hörte, fandte er sogleich eine Schüffel Kuskusu mit dem Bemerken, daß er selbst die Ehre haben werde mit uns zu speisen. Wirklich erschien er bald hernach und wir setzten uns zu Tische. Da aber der Scheik nach Landessitte mit den Fingern aß und in der ganzen Schüffel herumwühlte, hatte ich bald fatt. Nach der Mahlzeit ging ich aus, den Ort zu besehen. Die An- - 86 zahl der Araber von Mensel mögen sich auf 5000 belaufen. Allein der Unrath, das Ungeziefer und der Schmutz dieses Orts übersteigen alle Begriffe. Die Ein- wohner dahier, so wie die Bewohner des ganzen Bezirks von Gabis sind nicht mehr Mauren, sondern Araber, bewohnen jedoch keine Zelte, sondern eine Art Häuser oder vielmehr Höfe, welche die Chaufch nennen. Ein solcher Hof ist ein, mit einer Mauer umgebener, Platz, der mit einer Thüre geschloffen wird. Innerhalb dieses Raumes befinden sich die Pferde, die Kameele, Kühe, Ziegen, das Geflügel c. In einer Ecke dieses Hofes ist das Bett angebracht, welches ein Dach von Palmblät- tern und Vorhänge hat. In einer andern Ecke ist die Küche. Auf einem andern Platze sind zwei oder drei von Lehm und Steinen aufgeführte Kammern ohne Fen- ster. Die Gabifer sind schöne Männer, schlanken Wuchses, schwarzer Augen, kräftigen Ansehens und stol- zer Haltung; insbesondere gute Reiter und geübte Schützen, wie alle Gebirgsvölker, aber träg und arbeits- scheu. Alle Geschäfte des Hauses und des Feldes, mit Ausnahme des Ackerns, liegen den Frauen ob. Diese gehen hier unverschleiert, haben viele Liebe für Ge- schmeide, tragen deshalb Ohrenringe von ungeheuerer Größe, Hals- und Stirnbänder, Arm - und Fußringe aus Gold, Silber oder Kupfer gefertigt, Die Kleidung - ", 87 der Armen wie der Reichen haben denselben Schnitt und dieselbe Form. Ein weites baumwollenes Kleid, das bis auf die Ferse reicht; an den Hüften eng anliegend, sich hier in zwei Stücke theilend, von welcher das eine die Brust, das andere den Rücken deckt, welches am Halle mit einer silbernen Hafte geschloffen wird. Die zwei Seiten des Körpers stehen daher beständig offen; auch wird das Angesicht, besonders von dem Kinn bis an die Lippen gemalt. Die Menge großer gehauener Steine und Marmor- säulen, die sich in der Nähe von Mensel vorfinden find die sichersten Merkmahle einer nicht ferne von hier gestandenen großen Stadt, Inschriften konnte ich nicht finden. Die Entfernung dieser alten römischen Kolonie mag von hier aus eine halbe Stunde betragen haben, Ich fand noch drei Cisternen, von welcher sich eine in sehr gutem Stand erhalten hat, Die Araber fabeln viel von der Größe dieser ehemaligen Stadt. Nach ihren Erzählungen waren daselbst 50 Marktplätze, jeder mit 500 Läden versehen. Jetzt steht in der Nähe dieser Ruinen ein kleines Dörfchen Sidi Elbaba, welches weder Juden noch Christen betreten dürfen, weil daselbst ein großer Heiliger begraben liegt, der Mahomeds Leib- barbier gewesen seyn soll. Der Boden der hiesigen Gee gend mag fruchtbar feyn, allein die trägen Einwohner - / 88 pflanzen nicht viel, deshalb gibt es kaum etwas zu es sen und der Europäer ist hier sehr übel daran, wenn er sich nicht wie die Araber mit Brod und Oel begnü gen will; die Palmenwälder dagegen sind wunderschön, bei meinen Wanderungen in denselben war es mir oft als träumte ich, oder als fey dieses eine Täuschung Wie schön könnte es hier feyn, wie glücklich könnten Menschen hier leben, wenn ein arbeitsames Volk, be- kannt mit dem Evangelium, hier wohnete! Aber jetzt! was nicht gleichsam von selbst wächst, das hat man nicht. Der hiesige Araber liegt während des ganzen Tages in Schatten und pflegt der Ruhe oder er schläft. Die Mauren rauchen doch noch Taback und spielen im Brett, oder sitzen in den Kaffehäusern, Barbierläden und schwär zen, oder gehen ins Bad, um sich die Zeit zu vertrei- ben. Von allen diesen weiß der Araber nichts. Nur dann wird er aufgescheucht von einer Ruhe, wenn von Krieg und Raub die Rede ist. Dann aber wird auch sogleich das Pferd gesattelt, die Waffe ergriffen und im Nu steht er zum Kampfe bereit: der Araber ist jetzt in feinem wahren Elemente. An solchen Gelegenheiten fehlt es aber auch nicht. Die verschiedenen Stämme der hie- figen Gegenden führen unter sich fast immer Kriege, und fehlt der Stämmekrieg, so zieht nicht selten Dorf gegen "Dorf ins Feld. Gerade jetzt während meiner so - Anwesenheit fand ein solcher zwischen Mensel und Scharah statt. Scharah ließ einen neuen Kanal anle- gen, Menfel suchte dieses zu hindern. Sogleich wurde zu den Waffen gegriffen. In einer Nacht machte Scharah einen Angriff auf Mensel, es fetzte blutige Köpfe, die Angreifer zogen sich zurück und seitdem ruht dieser Kampf, wie lange, ist nicht vorauszusehen. - - Es wohnen hier 150 jüdische Familien, die in großer Armuth unter den Arabern leben und alle Arten von Handwerken treiben. Hier sah ich den ersten Ju- denschmied. Die Frauen der Juden kleiden sich wie die der Araber, nur daß sie sich das Gesicht nicht bemalen. Ich besuchte die zwei Rabbiner und hatte gesegnete Unterre- dungen mit ihnen. Nur 60 Bibeln brachte ich mit hie- her, und deswegen konnte die Menge, welche darnach fragte nicht befriedigt werden. Von dem Christenthume hatten diese armen Leute nie etwas gehört, mehrere nah- men das Neue Testament mit Dank an. Auch mit den Arabern sprach ich von der Wahrheit in Christo Jesu und die wenigen arabischen Bibeln, welche ich mitbrachte blieben auch hier, XI. Gabfs den 26. Juli 1835. Die Luft ist hier sehr ungesund und das Waffer äußerst schlecht. Da es hier keine eigentlichen Häuser hat, so gibt es in denselben auch keine Cisternen. Der einzige Brunnen ist eine halbe Meile von Menfel, dessen Waf fer aber warm ist. Des Morgens und des Abends ge- hen die Frauen und Jungfrauen sowohl der Juden als auch der Araber in ihrem ganzen Schmucke an den Brunnen, um Waffer zu holen. Die Reichen haben einen Esel, der die Wafferkrüge trägt. Dieses Wasser muß aber erst einige Stunden stehen bis es kalt wird, um ge- trunken werden zu können, und auch dann ist es kaum trinkbar für den, der nicht daran gewöhnt ist. Dafür hat man aber einen reichen Ersatz an dem Safte des Palmbaumes, der Leckme heißt, Am Gipfel des Bau- mes wird ein Einschnitt gemacht, unter diesem ein Ge- fäß befestigt, in welches der Saft fließt. Wird dieser Saft des Morgens vor Sonnenaufgang und des Abends nach Sonnenuntergang frisch vom Baume geholt, so er- 91 hält man einen köstlich labenden Trank, der überdieß noch der Gesundheit sehr zuträglich ist. Sobald dieser Saft aber nur einige Stunden stehen bleibt, so wird er fauer und ich konnte ihn nicht mehr genießen; dagegen tranken die Araber diesen Lekme lieber als den frischen, weil er berauscht, Zu Scharah, welches nur eine halbe Meile von Menfel entfernt ist, wohnt der Chalife, oder Stadt- halter des Landes. Gabis. Herr Doctor F. en Phi- losophe, auf einem Esel reitend, begleitete mich dahin. Auf der Hälfte des Weges befindet sich eine Art Fer stung, mit einer türkischen Besatzung, welche deswegen erbaut wurde, um die blutigen Kriege beider Dörfer zu verhindern, der Zweck aber wird dadurch nur fel- ten erreicht. Der Chalife, Sidi Amur empfing mich wohlwollend und mit aller Freundlichkeit in einer Gerichtshalle, versicherte mich eines Schutzes, und machte mir ein Geschenk mit einer Melone und einigen Zwie beln aus feinem Garten, welches ich mit Dank in Em- pfang nahm. Da ich das Dorf besehen wollte, allein herum zu wandern aber zu gewagt gewesen feyn würde, so gab mir der Chalife einige seiner Leute mit zur Begleitung. Dieses konnte aber nicht hindern, daß mich ein Schwarm von Arabern verfolgte und begaffte, um den Christen zu sehen. Es wohnen hier 40 jüdische 92 ------- -- Familien, eben so arm wie die zu Menfel, " Auch hier finden sich noch mehrere Marmorsäulen und viele große Steine der alten Stadt. Nachdem ich den Ort besehen hatte, nahm ich Abschied von dem Chalifen, der noch die Güte hatte mich nach Menfel begleiten zu laffen, Herr Doctor F. war gleich nach meiner Ankunft wieder mit feinem Esel zurückgekehrt. Als ich in meine Wohnung zurückgekehrt war, schickte der Scheik von Menfel, der unterdessen meine gute Aufnahme bei dem Chalifen gehört hatte, zu mir, und ließ mich ersuchen, in sein Haus zu kommen, um mich mit einem Glas Leckme bewirthen zu können. Ich verfügte mich zu ihm und fand auch seine Frau gegenwärtig. Diese war pracht- voll und mit Geschmack gekleidet, Obschon ihr Kleid denselben Schnitt hatte, wie das der übrigen Frauen; so war es doch von einem ganz andern kostbarern mit Gold durchwirkten Stoffe, Das Hauptzierte ein schwarz zer Turban und die Stirne ein Band, an wel- chem vier Reihen Goldstücke nebst Perlen befestigt war ren, und sie würde in Europa für eine Schönheit ge- golten haben. Nachdem ich Lekme getrunken und wir uns über allgemeine Gegenstände unterhalten hatten; so glaubte der Scheik als ächter Araber berechtigt zu feyn für diese mir erzeugte Gunst ein Geschenk zu ver- langen. Zuerst gefiel ihm meine Uhr sehr wohl, dann 93 lobte er meine Pistolen und endlich zog mein Säbel seine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Allein ich that als verstünde ich dergleichen Lobeserhebungen nicht und er mußte auch zufrieden feyn. Die Tage brachte ich so ziemlich wohl in Menfel zu; aber die Nächte waren schrecklich. Kaum hatte ich mich in der ersten Nacht auf meine Matratze niederge- legt, als ein Heer von Ungeziefer aller Art mich anfiel und jämmerlich bewillkommte. Da ich es aber einmal eingegangen hier en Philosophe zu leben, so wollte ich nun auch meine Philosophie erproben, ich dachte zu- erst: vielleicht kannst du dich an diese Infekten doch ge- wöhnen, ich will fiel daher nur machen laffen. Ich war aber mit meiner Philosophie bald zerfallen, denn ich konnte es nicht lange aushalten. Ich suchte mir einen Stuhl, stellte ihn vor die Thüre und setzte mich auf den selben. In dieser Lage brachte ich drei volle Nächte recht traurig zu und war daher froh, als die Stunde meiner Abreise schlug. Ich dankte Herrn F. für feine Güte, und begab mich auf ein Schifflein, welches einem Mal- teser gehörte, und bereits schon vier Tage auf mich war tete. Während der Nacht lagen wir im Fluße, um am folgenden Tage die Ebbe zu erwarten. In der Nacht aber nahm ich an dem Kapitän und an feinen Leuten gewiffe Aeußerungen wahr, die mich zu dem Entschluffe _94_ brachten, mich diesen schlechten Leuten nicht anzuvert trauen. Zum Glücke lagen noch vier andere kleine ma- homedanische Fahrzeuge im Fuße. Sobald es tagte ver- ließ ich mein Schiff und kam mit dem Eigenthümer ei- nes maurischen Schiffes überein, welcher versprach, mich bis nach Gerba am Bord des Seinigen mitzunehmen. Hierauf lies ich meine Effeckten ans Land setzen, zahlte den Malteser uud verfügte mich wieder nach Menfel in mein philosophisches Quartier; während mein Diener beim Gepäcke bleiben mußte. Am Abend kehrte ich zu meinem Diener zurück, ich ließ meine Sachen aufs Schiff bringen, und wir selbst stiegen ein. Ich breitete meinen Teppich auf dem Verdecke aus, legte mich nieder und schlief im Namen des Herrn ein. Ich mochte ei: nige Stunde geschlafen haben, als ich erwachte. Der Sternenhimmel glänzte wunderschön, ich fand auf, MIN die Herrlichkeit Gottes am Firmament zu schauen und zu bewundern. Siehe da, als ich mich wieder nieder legen wollte, war mein Teppich gestohlen. Ich war überzeugt, daß die Schiffsmannschaft die Diebe nicht war ren, sondern derselbe war einer der Strandwächter, der in der Nähe unsers Ankerplatzes eine Hütte hatte. Beim Nachforschen entdeckten wir auch die Fußstapfen des Diebes, die wir bis zu einer Hütte verfolgten. Da jetzt widriger Wind eintrat und wir den Fluß 95 nicht verlaffen konnten, so kehrte ich abermals mit Sack und Pack zu meinem Philosophen zurück, um wo mög- lich zu Lande nach Gerba zu reisen. Angekommen zog ich den Scheik zu Rathe. Dieser versicherte aber die Reise von hier zu Lande bis nach Gerba fey zu gefährlich und 40 Mann Begleitung würden nicht hin- reichen, um mich auf derselben schützen zu können. Meine Verlegenheit war groß; denn ich wünschte nun fehnlichst diesen für mich so traurigen und ungesunden Ort zu verlaffen: allein ich mußte mich in Geduld fast fen und noch länger bleiben. Der Anführer eines Ara- berstammes langte gestern mit 15 feiner Leute von Tu- nis kommend hier an und dieser erbot sich mich sicher nach Gerba zu bringen. Ehe ich mich aber diesem Men- fchen anvertraute, wollte ich noch die Meinung des Cha- lifen zu Scharah in dieser Angelegenheit vernehmen. Ich begab mich zu ihm und klagte meine Verlegenheit, machte ihn auch mit der Entwendung meines Teppichs bekannt. Was deine Reise betrifft, so sage ich dir, daß du zu Lande nicht nach Gerba kommen kannst. Die selben Araber, die sich erbieten dich sicher zu geleiten, würden, wenn du dich ihnen anvertrautest, die ersten feyn, dich umzubringen. Wiffe, daß diese Leute einen Menschen um einer Zwiebel willen tödten, warte in Ge- duld bis der Wind sich ändert, dann gehe in Gottes 96 Namen zu Waffer. Was nun aber deinen Teppich an betrifft; so wollen wir die Sache gleich untersuchen, Hierauf schickte er nach dem Hauptmann der Strand- wächter, dann fagte er: nimm Platz an meiner Seite und warte bis dieser kommt. Kaum hatte ich mich nie dergesetzt, als mehrere Gerichtsverhandlungen angesagt und vorgenommen wurden. - Der Chalife fitzt auf einem erhabenen Thron in einer großen Halle, der erste und letzte Sekretär ist ein Jude, der an allen Streitfragen Antheil nimmt und mit dem der Chalife sich bespricht. Zur Rechten und zur Lin- ken in der Gerichtshalle sind längs den Wänden steinerne Bänke angebracht, auf denen die Freunde nnd Bekann ten des Chalifen fitzen und auch solche Einwohner des Orts, die gerne den Verhandlungen zuzuhören wünschen. Niemand darf bewaffnet in die Halle treten. Die Die ner des Chalifen, ebenfalls ohne Waffen, gehen auf und ab und verrichten die Befehle ihres Herrn. Der Klä- ger tritt in die Halle, 3 oder 4 Schritte vor dem Throne kniet er nieder und bringt in dieser Stellung feine Sache vor. Die Einleitung zur Klage ist immer folgende: Gott erhalte dich Chalife und fegne dein Haupt und das Haupt deiner Kinder und lege zu dei- nen dir bestimmten Jahren noch 30 bei und fey dir gnädig. Hierauf erwidert der Chalife: Gott segne 97 dich, was ist dein Begehren? Mir wurde mein Kameel von der Weide gestohlen, Wann? Gestern Abends als ich es heimholen wollte, fand ich es nicht mehr. War dein Thier ganz allein auf der Weide, oder noch andere mit ihm? Ali ben Achmet und Mustapha ben Achfan hatten ihre Kameele auf derselben Weide. Und diese haben ihre gefunden? Ja, sie haben sie in ihrem Hause. Chamude! Chamude! rief jetzt der Chalife, gehe geschwind und bringe Ali ben Achmet und Mustapha ben Achfan hieher, Dieses geschah auch auf der Stelle. Es währte nur kurze Zeit und es erschienen beide. Der Chalife erhob sich etwas und sagte: Ihr habt Mafouts Kameel gestohlen, sogleich gebt es heraus und geschiehts nicht binnen zwei Stun- den; so laffe ich jedem von euch 500 auf die Fußsohle geben. Bringt einstweilen diese Schelme ins Gefängniß. Sie wurden auf der Stelle abgeführt. Kaum waren die Angeklagten abgeführt, siehe, es kam jemand und sagte: das Kameel fey gefunden und der Eigenthümer könne es sogleich holen, es stehe im Hause des Ali ben Achmet. Unmittelbar darauf wurde folgender Handel vorgenommen. Zwei Kameltreiber hatten von einem Kaufmanne in Menfel. Waaren erhalten, die sie nach dem Elscherid bringen sollten. Die Fracht, 130 Pia- fer, wurde ihnen gleich beim Aufpacken der Waare bei 7 98 zahlt, so sagte der Kaufmann. Die Kameeltreiber da- gegen behaupteten nur die Hälfte des Geldes empfan- gen zu haben. Zeugen waren nicht zugegen. Der Kauf mann brachte dem Chalifen fein Buch, in welches er diese Summe eingetragen hatte. Beide Theile machten einen großen Lärmen und der Chalife benahm sich da- bei mit einer Würde, die einem Lordkanzler von Eng- land Ehre gemacht haben würde. Als beide Theile sich ausgetobt hatten, fagte der Chalife zum jüngsten Ka- meeltreiber; komm näher! Es geschah. Dann wendete er sich zu dem ältern Kameltreiber und sagte: bei dei- nem Haupte öffne deinen Mund nicht, bis ich dich frage. Mein Sohn, zu dem jüngern sich wendend, du und die fer hier haben die Waare nach dem Elfcherid ge- bracht? Nam Sidi, ja mein Herr. Da du Men- fel verließest, wie viel Geld hattest du in deiner Tasche? Keinen Asper, auffer dem was mir der Kaufmann gab, Du hattest also die Hälfte des Lohnes für dich? Ja mein Herr. Als ihr zurückkamet theiltet ihr das noch Uebriggebliebene, nachdem ihr die Reisekosten davon be- zahlt hattet, wieviel bekamst du zum Antheil? 25 Pia- ster, mein Herr. So, 25 Piaster, gut, recht schön. Nun, wie lange warst du auf der Reise? 27 Tage, mein Herr, Nicht wahr, die erste Nacht bliebst du in N. Ja. Du hattest zwei Kameele und einen Esel, dafür 99 zahltest du dem Eigenthümer des Funtucks Stallgeld? 6 Karup. Und du selbst, wie viel hast du verzehrt? Ich aß ein Brod, ein wenig Oel und Oliven für 4.Ka- rup. Deine Thiere hatten aber auch Futter nöthig, wo nahmst du das her? Ich kaufte für so viel Stroh und für so viel Heu. Gut, das macht im Ganzen so viel. Nun, von N. gingst du nach M., dort hast du verzehrt? c. "Genug. Der Chalife erzählte nun die ganze Reise hin und her, rechnete alle Karup zusam- men und siehe da, die Summe von 130 Piastern kam heraus. Es folgte sodann mit mathematischer Genauig- keit, daß der Kaufmann recht, die Kameeltreiber unrecht hatten. Diese wurden jetzt mit einem derben Verweiß entlaffen. Unterdessen war der Hauptmann der Strand- wache, ein alter gutmüthiger Neger, angekommen. Sa- lim, fagte der Chalife, ich kenne dich, du bist treu wie Gold und dir würde ich alle Schätze der Welt an vertrauen, aber nicht alle sind wie du. Diesem Chri- fen ist gestern in der Nacht ein Teppich von dem Schiffe gestohlen worden. Die Christen sagen die Wahrheit, die Muselmänner thun dieß nicht oft. Wäre er ein Mahomedaner, er würde sagen: mir sind 500 Piaster gestohlen worden und ich als Chalife des Landes müßte sie ihm vergüten. Salim, du mußt nun sehen, daß du diesen Teppich findet, wo nicht, so müßt ihr 7: 1 ()() Wächter den Preis dafür zahlen. Allah segne dich, Allah verlängere deine Tage, o Chalife! wo soll ich den Teppich suchen? Beim Propheten, ich weiß nichts davon! Wir sind nur Wächter des Strandes und an der Zahl wenige, die Araber, wie du weißt, find große Diebe; zudem war das Schiff schon eine ziemliche Strecke des Fluffes hinabgesegelt und nicht mehr in unserer Nähe, warum, o Chalife, sollen wir dafür verant- wortlich feyn? Wie heißt ihr denn, die ihr da unten an der Mündung des Fluffes euere Hütten aufgeschla- - gen habt, wie nennt man euch? Wächter. Nun, so wachet. Du hast dir selbst das Urtheil gesprochen. Ihr feyd Wächter, als solche werdet ihr bezahlt; so wachet. Es bleibt bei dem Gesagten. Suche den Teppich, ich will nicht wissen, wer denselben einstweilen in Verwah- rung genommen hat, bringe ihn nur. Jetzt empfahl ich mich und sagte dem Chalifen: sollte der Teppich ge- funden werden, so wäre es mir lieb, wenn aber nicht, so wolle ich das Geld dieser armen Leute nicht annehmen, Noch vier jammervolle Nächte mußte ich in Men- fel zubringen, weil der Wind immer ungünstig blieb. Da ich jetzt so ziemlich bekannt war; so brachte ich die Tage unter Juden und Mahomedanern hin, de- nen ich das Wort von der Erlösung verkündigte. Gerne hätte ich die Bewohner im Innern der Gebirge besucht, 1(01 sowohl Mahomedaner als Juden, welche ihre Wohnun gen nicht auf der Erde, sondern unter derselben haben, Schon zu Malmatha, einer Tagesreise von hier, leben diese Höhlenbewohner, Troglodyten, ich durfte es aber nicht wagen unter fiel zu gehen. 102 XII. Gerba (Dscherba) den 1. August 1835. Endlich hatte sich der Wind gedreht und ich wanderte abermals von Mensel dem verhängnisvollen Fluffe zu- Der Wind war gut, aber uns mangelte die Fluth, um ins Meer stechen zu können. Ich machte mich abermals auf eine schlaflose Nacht gefaßt. Mit gespannten Pi- stolen saßen die Matrosen die ganze Nacht hindurch zur Wache, um die freifenden Araber abzuhalten. Alle Au- genblicke tönte es: Man hu? Man hu? Wer da? Langsam schlichen die nächtlichen Stunden vorüber, noch langsamer kam mir die Fluth. Endlich zeigte die Uhr die zwölfte Stunde des Tages und die sehnlichst erwar tete Fluth kam. Wir ruderten nicht ohne große Mühe in die See. Die Entfernung von Gabis nach Gerba ist nur 50 Seemeilen, bei gutem Winde wird diese Strecke in 3 oder 4 Stunden zurückgelegt. Schon schmeichelte ich mir mit der frohen Hoffnung des Abends in Gerba anzulangen. Doch ich sollte noch länger 103 geprüft werden. Wir hatten kaum 3 Meilen zurückge legt, als ein sehr unwillkommner Gast, Gegenwind, uns zurück ans Ufer trieb. Die Anker mußten ausgeworfen werden und zwar in einer Gegend, wo wilde räuberische Beduinen herumschwärmten, und die Schrecken der vori- gen Nacht wiederholten sich. Um das traurige Gemälde zu vollenden, stellte sich bei mir die Seekrankheit, und Mangel an Lebensmitteln ein. Das Fleisch, welches ich mit an Bord nahm war verdorben, das Brod war auf gezehrt und ich und mein Diener hatten nichts als ein wenig Thee. Am folgenden Morgen konnten wir die Anker lichten und feeeinwärts stechen; aber kaum war dieses geschehen als gänzliche Windstille eintrat. Die Sonne versuchte jetzt ihre ganze Kraft an uns und sehnlichst harrten wir alle auf ein wenig Wind, Ach, nur ein wenig Wind, baten wir, welche Erquickung, welche Hilfe! Die Nacht brach abermals herein und wir waren heute noch nicht viel weiter gekommen. Die An- ker wurden ausgeworfen und wer schlafen konnte, that es, Am folgenden Morgen hatten wir wieder etwas Gegenwind, wir kreuzten hin und her und kamen end- lich doch in die Nähe der Insel Gerba. Nicht nur ich und mein Diener hatten alles aufgezehrt; sondern auch die ganze Schiffsmannschaft und noch drei Bedui- nen welche an Bord waren litten Mangel. Doch diese 104 *----------- Leute wissen sich zu helfen. Es wird Kuskusu bereitet. Man nimmt einige Maas Gerste, richtet seine Hand- mühle, welche aus zwei Steinen bestehet, zurecht, und mahlt nun aus allen Kräften. Dann wird das Mehl von der Spreu gereinigt, man nimmt ein wenig Waffer, mischt dieses ins Mehl, thut einige Zwiebeln, etwas Oel - und Pfeffer hinzu, stellt dieses Gemisch ans Feuer und läßt es kochen. Ein solches Gericht ist der herrlichste Leckerbissen für dieses Volk. Ich konnte diese Speise aber nie recht schmackhaft finden. Wir kamen endlich nach und nach der Insel Gerba so nahe, daß wir mit einem kleinen Boote hätten im Hafen auf der Ostseite einlaufen können. Die Stadt aber liegt auf der Westseite noch 18 Meilen davon ent- fernt. Wir erblickten auch ein Boot und freudenvoll schrieen wir alle aus Leibeskräften, es solle sich uns nähern; allein die Schiffsleute in demselben meinten wir kämen von Tripolis, wo kürzlich eine türkische Armee aus Konstantinopel anlangte, weßwegen jedes Schiff von daher kommend Quarantäne machen muß. Das Boot fegelte deswegen weiter, ohne sich um uns zu kümmern, Die Beduinen waren entschlossen ans Land zu gehen, auch ich wünschte daffelbe zu thun. Unser Schiff ruderte so nahe ans Ufer als möglich, dann fie- gen die Beduinen ins Waffer und wadeten ans Land, 105 Ich fagte jetzt zu meinem Diener, er solle auf dem Schiffe bleiben, ich aber wolle ans Land gehen, von da zur Stadt, und wenn ich einige Lebensmittel erhalten könnte; so würde ich solche unverzüglich ans Schiff schicken. Der Kapitän wollte mich begleiten und ein alter ausgehungerter Matrose erbot sich, fo.fchwach er auch war, mich ans Land zu tragen. Obgleich ich schon seit 4 Tagen fast gar nichts geeffen hatte, so merkte ich doch, daß dieser alte Mann, der auf dem Schiffe schon nicht auf den Beinen fest stehen konnte, nicht im Stande fey, mich ans Land tragen zu können. Doch auf Zureden des Kapitäns gab ich es zu. Ich setzte mich auf seine Schultern und wir fliegen ins Waffer. Kaum hatten wir die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der alte Mann zu wanken anfing und gleich darauf zusammenknickte. Wir fielen beide ins Waffer, da ich aber das Ganze voraussah, so war ich gefaßt, machte mich im Falle von ihm los, bekam bald Boden und erreichte glücklich das Ufer, auch der alte Matrose folgte nach. Ich dankte dem Herrn für die Rettung und war glücklich wieder festen Boden unter mir zu haben; nicht der Gefahr, sondern vielmehr der abscheulichen Seekrank- heit wegen, die mir immer vieles Leiden verursacht, weiß ich doch, daß der Herr Meer und Land in seiner Gewalt 106 hat. Nachdem wir eine halbe Stunde gegangen waren kamen wir zu einigen Häusern. Ich bat um einen Trunk Waffer. Dieser wurde mir bereitwillig gereiche, welch eine köstliche Labung war das! Gerne hätte ich auch etwas geeffen, nichts war aber zu haben. Endlich wurden zwei Eier aufgefunden, welch eine köstliche Speise! Ich leerte sie roh, setzte mich sodann auf einen Esel, der mir von dem Hauswirthe anvertraut wurde, und ritt 18 Meilen bis nach dem großen Markt oder der Stadt Gerba. Matt, müde, erschöpft, von der Sonne verbrannt, voll von Ungeziefer, aber dem Herrn fey Dank gesund, erreichte ich den Funtuck, wo ich mir eine Tasse Kaffee geben ließ, mich sodann niederlegte, um mich in etwas nur zu erholen, 107 XIII. Gerba den 4. August 1835. Kaum hatte ich mich in der Halle des Funtuks auf einen Stein niedergelegt, um von meiner Müdig- keit auszuruhen, als der wohlwollende Thorhüter her- beikam und mir frisches Waffer auf die Füße goß. Ich kam nämlich ohne Strümpfe und Schuhe an. Jetzt erst erkannte ich die große Wohlthat, einem ausruhen den Wanderer die Füße zu waschen, wie wir es in der heiligen Schrift oft lesen. Ich schlief ein und erwachte erst nach geraumer Zeit. Sogleich schickte ich einige Le- bensmittel für meinen Diener auf das Schiff, mit dem Befehl, mit meinen Effekten, sobald er sich gelabt ha- ben würde, zu mir zu kommen. Jetzt erschien auch der Eigenthümer des Funtuks Sidi Mustapha, welcher - Konsularagent aller christlichen Konsuln zu Tunis ist. An ihn hatte ich Briefe, Er bewillkommte mich freundl h, nahm mich auf sein Zimmer, und überreichte mir meh- rere Briefe, welche für mich angekommen waren. Es wurde spät, mein Diener mit meinen Effekten 108 war noch nicht angekommen, ich nahm daher die Einla- dung Mustapha's, auf sein Landgut mit zu gehen, an. Hier wurde das Abendessen auf europäische Art für mich zubereitet, welches mir gar nicht unwillkommen war; fodann nahm mich ein gutes Lager auf, und ich schlief bis am hellen Morgen. Als ich wieder zurück kam, wurde mir im Funtuck ein eigenes Zimmer, das heißt ein Raum von vier Wänden eingeschloffen, einge- räumt. Mein Diener war bereits mit meinen Effekten angekommen, ich zog nun in mein Quartier und richtete mich so gut es gehen konnte, ein. Ich war aber derge falt entkräftet, daß ich an dem ersten Tage ganz un- fähig war, irgend etwas zu unternehmen. Drei griechische Schiffe lagen gerade im Hafen, einige Matrosen kamen in den Funtuck und ich verheilte einige neue Testa- mente in neugriechischer Sprache unter fie, mit welchen fie freudig auf ihre Schiffe eilten und den erhaltenen Schatz vorzeigten. Es dauerte nun nicht lange, und die Mannschaft der Schiffe: Spezioten, Hydrioten und von der Insel Syra, waren um mich versammelt, alle wollten das Euangelion haben. Ich gab ihnen alle Testamente, die ich in ihrer Sprache besaß. Bis jetzt hatte ich zehn Kisten mit Bibeln an der Nordküste Afrikas in Umlauf gesetzt. Gerha (Dfcherba) ist eine Insel, 18 Meilen 109 *----------- lang und eben so breit. Auf der Ost- und Westseite befindet sich ein Hafen. Sie muß ehemals eine Halb- insel gewesen seyn, denn die Ostseite ist kaum 1%, englische Meile vom festen Lande entfernt. Wenn es je von Menschen gesagt werden kann, daß sie ruhig unter ihr ren Feigenbäumen und Weinstöcken wohnen: so ist es hier der Fall. Die ganze Insel ist ein großer Park. Mit Ausnahme zweier Judenstädte giebt es auf dieser Insel weder Städte noch Dörfer, sondern immer nur einzeln stehende Häuser, umgeben von den herrlichsten Gärten. Jede Hand breit Landes ist hier cultiviert und deßwegen findet man auf dieser herrlichen Insel alles im Ueberfluße; Korn und Gerste Dattel- und Oliven- bäume, den Weinstock und alle Arten von Obst und Gartenfrüchten. In der Nähe der beiden Häfen befin- den sich Marktplätze, wo in der Woche zweimal Markt abgehaten wird, daselbst nur stehen einige Häuser bey- fammen und mehrere Funtucks für Reisende. Der größere Markt ist auf der Westseite, daselbst habe ich auch mein Quatier aufgeschlagen. Da ich an der Ostseite landete und von dort an bis an den Hafen auf der Westseite ritt, so hatte ich gleich bey meiner Ankunft die Schön- heit der Insel zu bewundern; indem ich die ganze Länge dieser Insel passieren mußte. Die Gesammtzahl der Be- völkerung mag sich auf 150000 Seelen belaufen. Et- _110_ was Bestimmtes hierüber zu erfahren war mir nicht möglich. Es sollen sich 400 Moscheen auf der Insel befinden, und nach der Zahl dieser bestimme ich die Seelenzahl. - Die Bewohner dieser lieblichen Insel sind wie überall auf der Nordküste von Afrika Mahomedaner. Diese their len sich gewöhnlich in Hanafia und Malakia. Hier traf ich nun noch eine dritte, sehr merkwürdige maho- medanische Sekte, die Wechabia, Wechabiten, an. Mehr als 4% der Insulaner bekennen sich zu ihrem Glaubenssystem. Sie haben ihre eigene Sprache, ganz verschieden von der arabischen, aber verwandt mit denen welche im Innern von Afrika und in den Gebirgen des Atlas gesprochen werden; sie haben ihre eigenen Mo- fcheen und Lehrer, verheirathen sich nur unter sich und betrachten die übrigen Mahomedaner als Ungläubige. Zu den Grundsätzen dieser Sekte bekennen sich auch viele Araber in den Gebirgen des Innern und es ist da her wahrscheinlich, daß die Wechabiten auf Dfcherba von diesen abstammen. Von den übrigen Mahomeda- nern werden sie sehr gehaßt und wo diese die Mehrzahl ausmachen, auch verfolgt, Alle Mahomedaner ziehen, wenn sie beten nur die Pantoffeln aus: die Wechabiten aber auch die Bein- - kleider und beten Sanskülotte. Alle Mahomedaner he 111__ ben beim Gebete die Hände in die Höhe und rufen zweimal: Allah hu Akbar! Die Wechabiten das gegen laffen ihre Hände sinken und rufen viermal: Allah hu Akbar! Sie verwerfen alle Ausleger des Korans, halten sich nur an den Buchstaben in demsel- ben und nennen sich Sunitten, Rechtgläubige. Ich machte bald die Bekanntschaft eines wohl un- terrichteten Wechabia und unterhielt mich oft und lange mit ihm. Er theilte mir aus ihren religiösen Grund- fätzen folgendes mit. Wir glauben dem Koran gemäß, daß Gott von Ewigkeit vorausgesehen hat, welcher Mensch gut und welcher böse werden wird, dem Guten ist das Paradies, dem Bösen die Hölle bestimmt. Wer in die Hölle kommt, der muß ewig in derselben bleiben. Wir glauben, daß es nothwendig fey, um Gott zu ge- fallen, ein stilles ehrbares und fittliches Leben zu führen und treu zu seyn in jeder Sache. Wir stimmen mit allen Muselmännern in den fünf Hauptlehren überein; aber wir sind ferne mit ihnen zu glauben, daß derjenige, welcher alles Böses während einer langen Reihe von Jahren geübt hat; wenn derselbe nur nach dem Grabe des Propheten pilgert, so feyen ihm alle Sünden ver- geben. Was kann einem bösen Menschen diese Wall- fahrt nützen? Das Herz bleibt doch wie es ist und wird hernach nicht beffer. Wir glauben nicht mit den übri- 1 12 gen Mahomedanern, daß derjenige welcher noch vor sei- nem Tode sagt: La illah, illa Allah, Mahomet rafuhl Allah, komme in das Paradies. Nein, nur derjenige kommt dahin, welcher gut war. Ein schlechter Mensch mag dieses hundertmal sagen, so find die ewigen Höllenstrafen doch ein Theil. Auch sind wir weit ent- fernt zu glauben, wie die andern Mohamedaner, daß der Mensch nur eine gewisse Zeit in der Hölle bleibe. Rein, wer einmal in die Hölle verstoffen ist, muß ewig in derselben bleiben. Die Wachabia halten es auch für große Sünde Taback zu rauchen oder zu schnupfen. Ein Seitenzweig der Wachabiten, deren es hier auch mehrere giebt, Abaditen genannt, stimmen mit den er fern in allen Dingen überein, haben aber noch einige andere sonderbare Gebräuche zu ihrem System hinzu gefügt. - Die Bewohner von Dscherba sind nicht nur wohl habend, sondern reich und führen ein wahrhaft orienta- lisches, d. h. luxuriöses Leben. Auf dieser Insel werden die schönsten Bernuß, Gürtel, Shwal und noch eine andere Menge Wollenzeuge verfertigt und nach Ae gypten, der ganzen Berberei, nach Maroko c. c. aus- geführt. Allein in neuester Zeit haben diese Artikel viel an Absatz dadurch verloren, weil der Großherr mit der Bekleidung seiner Heere, diese tragen jetzt weder Bier- 113 nuß noch Gürtel mehr, eine Veränderung vorgenom- men hat. Die hiesigen Fabrikanten wünschen ihm des halb alles Böse: ja fie fagen öffentlich, der jetzige Sultan sey ein Jude und kein Muselmann mehr. Indessen ist die Ausfuhr obiger Artikel noch sehr bedeutend und bringt viel Geld ins Land. An jedem Montag und Donnerstag in der Woche wird großer Markt abgehalten. Die Fabrikanten brin- gen ihre Waaren auf den Platz, welche von den Frem den aus den verschiedenen Gegenden des Landes aufge- kauft und sogleich versendet werden. Wie in allen Fab- rikorten die Menschen höflicher find als an solchen Ort ten, wo es deren keine giebt, weil durch das Zusammen treffen vieler Fremden und die dadurch herbeigezogene Nahrungsquelle zu Höflichkeit zwingt; so ist es auch hier. Nie fah ich zuvorkommendere Mahomedaner als hier; nirgends find sie anständiger und bescheidener. Ich hatte ein Empfehlungsschreiben an einen vornehmen Mau- ren, der 9 Meilen vom Marktplatze auf seinem Landgute wohnte. Als er meine Ankunft durch das Schreiben, welches ich ihm zusandte, erfahren hatte, ließ er mich sogleich durch einen feiner Söhne einladen zu ihm zu kommen. Es wurde ein Tag bestimmt, an welchem er mir ein Maulthier mit einem prächtigen Sitz geschmückt schickte. Sidi Mustapha, mein Wirth und noch ei- S 114. - nige Vornehme der Umgegend wurden dazu geladen. Es war ein sehr schöner Morgen als wir hinaus zu Chasch Jones, so hieß der Maure, ritten. Ich wurde in einer Halle des Vorhofes, welche mit schönen Pol- fern und weichen Teppichen geziert war, empfangen. Nachdem wir ein wenig geruht hatten, wurden Erfri- fchungen herum gereicht. Zwei Söhne des Hauses ka- men jetzt herbei, um mich zu begrüßen, blieben aber in Gegenwart des Vaters in einiger Entfernung stehen; es ist den Kindern nicht erlaubt in Gegenwart des Vaters sich niederzusetzen. Bald darauf entfernten sich alle Anwesenden, damit ich mich mit dem achtzig Jahre alten Chach Jones frei unterreden konnte. Eine Höflichkeit, die ich sehr wohl verstand. Von diesem erfuhr ich nun, daß er an vielen Höfen Europas gewesen sei, auch einmal als Abgesandter zu Konstantinopel. Er sprach die Linqua franca und unterhielt sich mit mir auf eine freundschaftliche und würdevolle Art, welche jedem europäischen Staats- manne Ehre gemacht haben würde. Er besaß ehemals ein ungeheures Vermögen, 50 Millionen Piaster, aber die Regierung wußte sich einen Theil desselben zuzueig nen; dennoch ist er der reichste auf der Insel. Als wir uns eine halbe Stunde unterhalten hatten, zog sich der Greis zurück, um seinen Söhnen das Vergnü- gen zu gewähren, sich mit einem Christen unterhal- 115 ten zu können. Nach kurzer Zeit verließen wir die Halle und traten in ein prachtvolles, auf orientalische Weise ausgeschmücktes Zimmer, welches gleichsam in Wohlgerüchen schwamm, hier setzte man sich auf kost- bare Sophas; während 3 Neger am Eingange auf die Befehle ihrer Herren lauschten. Kaffee in türkischen Taf fen, deren Obertheil kostbares Porzellan, der Untertheil mafives Gold war, wurde herumgereicht, wozu parfü- mirter Taback geschmaucht wurde. Die Gesellschaft be- stand außer mir aus sechs Mauren, und die Unterhal- tung wurde lebhaft geführt, Man sprach vom Krieg und Frieden, von der vorigen und jetzigen Regierung, und die Söhne des Hauses äußerten sich dabei sehr frei über den Mißbrauch und die Tyranney des Hofes, worüber ich nicht wenig erstaunte. Die Ausdrücke war ren so stark, daß selbst ein anwesender Maure darauf aufmerksam machte. Da stan: plötzlich einer der Söhne auf und sprach: ich frage nichts nach der Regierung von Tunis, ich bin Engländer. Er verließ hierauf einige Minuten lang das Zimmer, kam wieder, öffnete eine silberne Kapsel, aus welcher er seinen englischen Schutz brief hervorzog. Die christlichen Mächte haben mit dem Bey von Tunis einen Vertrag geschloffen, wornach alle Personen, die zu ihrem Konsulate gehören nicht mehr des Bey, sondern des christlichen Königs Unterthanen 8* _ 116 feyen. Zu diesen Personen werden nun nicht nur die Angestellten im Konsulate sondern alle christlichen Kauf leute, deren Diener und Mäckler gerechnet. Zuerst mach- ten von diesem Vertrag die Juden Gebrauch: sie fuch- ten die Mäkler der Kaufleute zu werden, der eigentliche Mäckler nahm sich einen Untermäckler und dieser einen Knecht c.; so ist es gekommen, daß jetzt viele Juden in den Hauptplätzen an der Nordküste von Afrika unter englischem, französischem, holländischem Schutze stehen, Diese Leute können sich viel freier bewegen und sind den Bedrückungen der Regierung nicht ausgesetzt. Nun haben auch die Mahomedaner diesen Weg gefunden, und die reichsten und angesehensten derselben schämen sich. nicht irgend eines Konsuls Diener zu werden, um dadurch der Raubgier des Bey zu entgehen. Jetzt wurde das Mittagsmahl aufgetragen. Sidi Mustapha und ich aßen auf europäische Art, die übrige Tischgesellschaft wie gewöhnlich mit den Fingern. Während des Essens wird nicht gesprochen, die Speisen werden schnell verschluckt, bald abgetragen und gleich darauf durch andere ersetzt. Ich zählte bei diesem Mahle 24 Gerichte. Trinkt je mand, so sagt die übrige Tischgesellschaft: Sacha, wohl bekomme es. Die Antwort ist: Jas el meck, Gott gebe dir Frieden. Hat jemand satt oder will nicht mehr effen, steht er sogleich, ohne ein Wort zu sagen, auf 117 winkt einem Sclaven, der ihm das Wafferbecken bringt, und ihm Waffer auf die Hände gießt. Nach Tische wurde abermals Kaffee herumgetragen und dann nach Landesfitte jedem eine Stelle angewiesen, wo er Siesta halten kann. Auch ich erhielt mein Plätzchen. Während der ganzen Zeit meines Hierseyns schien es, als ob kein weibliches Wesen im Hause wäre; allein das weibliche Personal hatte sich nur in den Harem zurückgezogen, und war wahrscheinlich von allem unterrichtet, was im Hause vorgegangen war. Einen Christen zu bewirthen, der wie ein Kadi den Koran nicht nur lesen, sondern darüber auch feine Erklärungen abgeben kann, und die fes. Alles in der heiligen Sprache der Moslemim, ei- nen solchen Mann wieder ungesehen abziehen zu laffen; das hieße die Evas Naturen zu sehr auf die Probe zu stellen. Kaum hatte ich mich daher in einer Ecke der Halle niedergelegt um ein Schläfchen zu ma- chen, als gegenüber sich leise die Thür öffnete. Ich hörte ein Geflüster, und bald darauf zeigten sich eine, dann zwei, dann drei und zuletzt fünf Damen, welche mich von ferne betrachteten. Er schläft! Neiner schläft nicht! Er ist groß! Nein, er ist klein! Er ist jung! Nein, nein, er ist alt. Die Damen traten dann näher und immer näher bis sie mir ganz nahe kamen. Auf einmal lachten sie alle laut auf und liefen der Thüre zu, welche sie schnell hinter sich verschloffen. 118 Jetzt sammelte sich die Gesellschaft, der alte Chasch Jones kam auch herbei. Ein erfrischender Trunk wurde herum gereicht; dann Kaffee in ganz andern aber wieder sehr kostbaren Taffen. Ein Spazierritt in der Kühle wurde vorgeschlagen und beliebt. Wir besuchten einige Gärten und wurden mit Früchten aller Art erquickt, Ein köstliches Nachteffen, ein Zeichen des Reichthums und der Freigebigkeit des Wirthes, wurde aufgetragen; hierauf unterhielten wir uns bis spät in die Nacht. Je der begab sich nun zur Ruhe, und mich nahm ein koste bares Lager auf. Am andern Morgen ritt ich mit mei nem Wirthe Sidi Mustapha nach meinem Quartier zurück. 119 XIV. Gerba den 8. August 1835. Gerba war früher eine wahre Goldgrube für die Gou- verneure dieser Insel, denn diese zahlten der Regierung jährlich nur eine gewisse, nicht zu hohe Summe, dage- gegen hatten sie das Recht die Bewohner nach Gefallen zu plündern. Seit undenklichen Zeiten war diese Stelle bei der Familie Bernaiath in Tunis. Da aber der jetzige Sachab Etta ba vom Sklaven zum ersten Mit nister sich emporgeschwungen hatte, lag ihm nichts so sehr am Herzen als die leere Schatzkammer feines Gebieters anzufüllen. Und um diese Absicht zu erreichen, besuchte er persönlich die verschiedenen Provinzen des Reichs. Auch nach Gerba kam er. Der Gouverneur darauf vorbereitet, empfing ihn in seinem Hause, das mehr als königlich geschmückt war. " Diese Herrlichkeit und diese Schätze sah der scharfsichtige Minister mit gierigen Aus gen an, und kehrte nach Tunis zurück. Bald darauf forderte er den Gouverneur vor sich und sagte ihm: Du hast es recht wohl verstanden das Eigenthum deines Ge- 120 bieters in deine Schränke zu bekommen, du hast dir Häuser gebaut und hat sie kostbar ausgeschmückt, wäh- wrend unser Herr in der größten Noth war; du hast es verdient gehenkt und deine Güter eingezogen zu werden, doch aus Freundschaft für dich, will ich dir das Leben schenken; allein du zahlst auf der Stelle zwei Millionen Piaster in die Schatzkammer und wage es nie wieder nach Gerba zu gehen. Das Erstere geschah ohne alle Widerrede, das Letztere aber war zu demüthigend für die ganze Familie der Bernaiath. Es wurden des wegen mit dem erzürnten Sachab Ettaba Unterhand lungen angeknüpft und solche fortgeführt bis sich der erste Minister erweichen ließ. Der in Ungnade gefallene Gou- verneur wurde wieder zu Gnaden angenommen und als Kaid von Gerba neu bestätigt. Aber unter ganz andern Bedingungen als früher. Zehen der vornehmsten Gerbaner find als Räthe dem Gouverneur beigegeben und verordnet, daß er ohne diese Männer weder Steuer noch Abgaben erheben darf. Zugleich bestimmte der erste Minister die jährliche Abgabe auf 130.000 Piaster. Diese Summe zieht der Rath der zehn Män ner nach billiger Schätzung der Bewohner ein und fen- det das Geld an den Bey und von diesem empfängt jetzt der Kaid seine Besoldung. Jetzt braucht der Ger- baner nicht mehr Armuth zu heucheln, sondern jeder kann 121 sich mit seinem Vermögen frei bewegen und feinen Reich- thum öffentlich zur Schau stellen, was denn auch häufig geschieht. Im Umgange mit den Gerbanern bemerkt man ein äußerst feines Benehmen, ihre Manieren sind gefällig und wohlwollend, gegen den Christen herrscht keine Verachtung, daß man beinahe vergäße man spreche mit den Erzfein- den des Evangeliums; wäre nicht ein schaudererregendes Denkmal des Christenhaffes an einer Stelle des Ufers aufgeführt: eine Pyramide aus Christenschädeln und Chris fenknochen. In letztem Kampfe der Spanier mit den Mauren auf dieser Insel, hatten sich 800 wackere Käm- pfer in eine Festung geworfen, die nahe am Ufer Er's baut war und wehrten sich tapfer. Mehreremale ver- suchten es die Mauren die Festung zu erstürmen, wur- den aber immer mit großem Verluste zurück geschlagen. Drei ihrer Anführer fielen im Kampfe und noch war kein Spanier verletzt. Da stellte sich aber der gewöhn- liche Schrecken der Belagerten ein, Mangel an Lebens- mitteln. Vergebens harrte das kleine Christenhäuflein von Tag zu Tag auf Hilfe und Ersatz; aber dieser wollte nicht erscheinen. Durch Hunger gezwungen, kapitulierte die Besatzung und freier Abzug wurde zugesichert. Allein kaum waren die Mauren im Besitze der Festung, als sie über diese 800 wehrlose Spanier herfielen, sie fammt 1929 und sonders niedermetzelten und mit ihren Schädeln und Knochen ein Denkmal, würdig dieser Barbaren, an der See aufführten. Dieses steht nun seit dieser Zeit und wird dann und wann übertüncht. In der Nähe dieser Pyramide liegen die Mauren, die im Kampf mit die fen Braven gefallen find, begraben. Den Gräbern nach zu urtheilen war die Zahl der vor der Festung gefalle nen Mauren nicht wenig. Ueber die Gräber der drei gefallenen Anführer ist eine Kapelle errichtet. Als ich dieses unmenschliche Denkmahl der Verrätherei erblickt, wurde mir ganz sonderbar zu Muthe. Es schien als ob die grauen Knochen sich bewegten und die Arme nach mir ausstreckten, als ob die hohlen Schädel mir winkten und jeder Mund sagen wollte: Gehe hinüber Wandrer, gehe hinüber in die Christenheit und sage, daß wir schon Jahrhunderte diese Schmach tragen und unsere Gebeine keine Ruhestätte gefunden haben. Viel leicht trift der Schall deiner Stimme das Ohr from mer Fürsten, und unsere Gebeine werden dann hinüber geschifft ins Vaterland. Auffer den Mahomedanern wohnen auch noch auf dieser Insel an 600 jüdische Familien, welche zwei Städte besitzen: Hara kabira, eine Meile von dem großen Marktplatz und Hara Sraira, fünf Meilen davon entfernt. Sie haben ihr von der Regierung bestätigtes 123 eigenes Oberhaupt, Nagid genannt. Dieses und einige Rabbiner machen ihre höchste Behörde aus. Eine Meile von der letztern Stadt entfernt steht auf einem einfa men Platze eine Synagoge, Chraba genannt, welche die älteste auf der ganzen Nordküste von Afrika feyn soll. Ueber das eigentliche Alter dieser Synagoge stim- men die Nachrichten der Juden nicht überein. Einige behaupten sie fey nach der Zerstörung des ersten Tem- pels erbaut worden; andere dagegen wollen wissen, fie fey von Juden, welche aus Aegypten hier einwanderten errichtet worden. Soviel ist gewiß, daß die Aufschrift eines in der Nähe der Chraba aufgefundenen Grab- feines zeigt, daß das Grab vor 1300 Jahren gemacht worden sey. Das Alter dieses Bethauses geht auch aus dem Umstande hervor, daß es nach dem Muster des Tempels zu Jerusalem gebaut ist. Es hat einen Vor- hof, ein Heiliges und ein Allerheiligstes. In dieser Synagoge versammeln sich die Juden an jedem Montag, Donnerstag und Sabbath um die Thora zu lesen. Auch pilgern aus verschiedenen Gegenden Afrikas die Nachkommen. Israels hieher, um in diesem alten Heiligthume zu beten und verlaffen es nicht ohne Spende zur Erhaltung. Selbst die Mahomedaner betrachten diese Synagoge als ein ehrwürdiges Denkmal des Al- terthums und obgleich dieses Gebäude ganz einzeln und 124 *--- fern von menschlichen Wohnungen steht, so würde es nie einem Muselmann in den Sinn kommen Frevel an demselben zu begehen. Aermere Juden und in so großer Anzahl fah ich nie als zu Gerba. Wenn man diese Nachkommen Jakobs hier beobachtet, so glaubt man sich um 4000 Jahre in der Zeit zurück versetzt und sieht sich gleichsam in Aegypten lebend, wie die Ju- den als Sklaven dem Könige sein Pithon und Raemfes bauen. Sie find die Steinbrecher, die Maurer, die Taglöhner, die Blechschmiede c. der Insel. Sie verrichten die gemeinten und allerschwersten Arbei- ten und obschon der Handel mit inländischen Produkten einen nicht unbedeutenden Gewinn abwirft, so fällt es nie einem gerbaner Juden ein, Antheil daran zu nehmen, dieser ist ganz allein in den Händen der Mauren. Die meisten Juden besitzen hier als Kleidung nur ein langes grobes Hemd, wenige ziehen über dieses noch ein wolle nes und die allerwenigsten vermögen sich zu kleiden wie die Juden in andern Orten der Berberei. Gerstenmehl in welches ein wenig Salz und Waffer gerührt wird, ist die einzige Nahrung vieler. Ihr geringer Verdienst ist ganz der Nahrung angemeffen. Als ich vor einigen Tagen an einem Steinbruche vorüberging, in welchem Juden arbeiteten, machten sie gerade Feierabend. Ich fragte: wie viel verdient durch diese Arbeit ein Mann 125 des Tages über? - Vier Karup, war die Antwort, Vier Karup sind nur 6 Kreuzer. . . . . . . ." Christen gab es hier noch vor zwei Jahren keinen einzigen. Die Revolution in Tripolis hat aber eine kleine Anzahl maltesischer Familien hieher getrieben, welche bis jetzt noch in den Funtuken leben. In dem meini gen nahmen 12 dieser Familien mit ihren Weibern und Kindern, mit ihren Schweinen und Hühnern, Quartier und diese machen den ganzen Tag über einen so heftigen Lärm und verbreiten in dem Funtuke einen solchen abscheuli- chen Geruch und Unrath, daß ich in den ersten Stun- den nicht im Stande war etwas zu denken. Schon ging ich mit dem Gedanken um meine Wohnung zu ändern, doch passus graviora! dabit Deus his quo- que finem, dachte ich und blieb. Außer den Maltesern wohnen zur Zeit noch keine andern Europäer auf die fer Insel. - Schon vor meiner Ankunft wurde es von Sfax aus bekannt, daß ein Christ komme, der mit Juden und Mahomedanern über Gegenstände der Religion sprechen würde. Als ich daher bald nach meiner Ankunft in Begleitung Sidi Mustaphas dem Gouverneur der Insel meine Aufwartung machte, so fragte dieser meinen Wirth, ob ich der Christ sei, welcher gekommen wäre, um über religiöse Gegenstände mit Juden und Mos- _126 lemim zu sprechen? Als hierauf mit Ja geantwortet wurde, so sagte er: Was die Juden betrifft, so will ich die ersten Rabbiner hier zusammen kommen laffen und du sollst mit ihnen reden, und wenn das Recht auf dei- ner Seite ist, so will ich sie zwingen Christen zu wer- den. Ich erwiderte hierauf: Es fey durchaus unsern Grundsätzen zuwider die Religion Christi mit dem Schwerte auszubreiten, sondern die Wahrheit unseres Glaubens müffe durch eigene Ueberzeugung hervorgeru- fen werden, es wäre deshalb mein Wunsch auch hier, wie schon anderwärts geschehen ist, mit den Leuten in ihren Häusern und Läden über diese wichtigen Gegen- fände sprechen zu dürfen. Wenn du es besser versteht, sagte der Gouverneur, so gehe hin und thue es; es wird dir aber schwer werden auf diese Art die Menschen zu überzeugen. Das überlaffe ich Gott, der Alles lenket, war meine Antwort. Und nun ging ich hin und ver- kündigte das Evangelium Juden und Mahomedanern: der Herr wolle segnen, was gesprochen wurde. - Die Luft in Gerba ist so rein und das Waffer fo vortrefflich, daß ich während meiner Reise mich nie so gesund fühlte als hier. Und ob wir jetzt gleich im Au- gut find, welcher Monat der Europäer größte Feind in Afrika ist, so ist die Hitze auf dieser Insel doch nicht so stark als an manchen andern Orten der Küste. 1927 Allein etwas ist doch an jedem Orte Afrika's, was die Menschen in Schrecken versetzt und beständig in Furcht erhält. Hier find es abermals wieder die abscheulichen Skorpionen. Auf der ganzen Küste giebt es deren nicht so viele und nirgends sind sie so gefährlich. Will ein Maure dem andern etwas Böses wünschen, so sagt er: Daß dich ein Skorpion von Gerba föche! Es hat deren hier mehrere Arten: gelbe, grüne, weisliche und schwarze. Ich habe eine Anzahl dieses häßlichen und gefährlichen Geziefers lebendig gefangen, und bewahre sie nun in Weingeist auf. Die schwarzen Skorpionen find die ge- fährlichsten. Sie kommen in der Regel in den Mona- ten Juli und August zum Vorschein. Doch des Tages über kann man vor ihnen so ziemlich ruhig feyn. Ge- fährlich find sie aber zur nächtlichen Zeit, da verlaffen fie ihre heimlichen Schlupfwinkel und machen ihre Aus- gänge. Es brennt daher vor jeglicher menschlicher La- gerstätte die ganze Nacht hindurch ein Licht. Wird je- mand von ihnen gestochen, so ist das beste und einzige Mittel die Wunde mit dem Rafirmeffer sogleich wie schon oben gesagt wurde, auszuschneiden, und oberhalb der Wunde einen festen Verband anzulegen, um das Einsaugen des Blutes der Wunde zu verhüten, die Wunde selbst ausbluten zu laffen, und mit Oel zu bestreichen. So bald jemand gestochen ist, so stellt sich Fieber ein, der 128 - Verwundete wird blau, auch schwarz über den ganzen Körper, bekommt Erbrechen, es wird enge auf der Brust, Hände und Füße werden kalt, Convulsionen treten ein, und innerhalb 24 Stunden erfolgt der Tod. Wird aber obiges Mittel angewendet, welches aber nur dann geschehen kann, wenn der Stich an einem solchen Theil des Körpers angebracht wurde, an welchem Einschnitte gemacht werden können, so erfolgt oft nach 24 Stun- den die Genesung. Ich lege daher in jeder Nacht ein Rafirmeffer und Band zurecht. Der Herr aber hat mich bis jetzt behütet und bewahret, ihm fey Lob, Dank und Preis dafür gesagt, XV. Tripolis, den 3. September 1835. Es war am 10. August des Nachmittags, als ich die liebliche Insel Gerba verließ, und mich einem kleinen Schifflein anvertraute, welches mich, unter dem Beis stande des Herrn, nach Tripolis bringen sollte. Ob gleich das Fahrzeug sehr klein ist, so hat der Kapitän, ein Malteser, doch über 50 Paffagiere eingenommen: - Mahomedaner, Juden und Christen, lauter früher aus Tripolis Geflüchtete, die aber jetzt nach hergestellter Ruhe wieder ihrem ehemaligen Aufenthaltsorte zueilen. Ich er hielt gerade so viel Raum, um mich niederlegen zu können. - Wir wollten noch am nämlichen Tage in die See fe- chen; allein unser Schiff fuhr auf den Grund und wir mußten auf die Fluth, welche sich erst Morgen in der Frühe einstellt, warten. Als diese angekommen war, fe- gelten wir vorwärts; allein bald darauf hatten wir Ge- genwind und mußten kreuzen. Dieses verursacht eine beständige und heftige Bewegung des Schiffes und ich wurde bald wieder sehr seekrank. Am Abend mußten - Q - 130 wir in der Nähe von Ras Elmachbes die Anker werfen, wo räuberische Beduinen hausen. Am folgen- den Tage hatten wir noch heftigeren Gegenwind und mußten deshalb den ganzen Tag über an Ort und Stelle bleiben. Der Kapitän befahl jetzt Ballast einzu- nehmen, dadurch das heftige Auf- und Niederfahren des Schiffes zu verhindern. Die Bote wurden in's Meer gelaffen, und die Matrosen gut bewaffnet fuhren ans Land, um ihn einzunehmen. Ein Matrose feigt unterdessen auf den Mast Wache zu halten, ob etwa Beduinen sich dem Ufer nahen möchten. Es wurde zu gleich verabredet, sobald man deren wahrnehmen sollte, fo wolle man die Flagge aufziehen und in diesem Falle sollten die Boote eiligst zurückkehren. Doch konnte, was selten der Fall feyn soll, diese Unternehmung uns gestört vollbracht werden. Da in der Regel die Ueber- fahrt von Gerba nach Tripolis innerhalb zweyer Tagen geschieht, so hatte mein Diener aus Trägheit oder auch aus Unachtsamkeit nur für zwei Tage Lebensmittel eingekauft und wir hatten jetzt Mangel. Auch der Vor- rath der übrigen Passagiere ging zur Neige, und das Waffer fing an selten zu werden. Das Unglück wollte, daß der Gegenwind noch immer heftig blies und die Unzufriedenheit auf dem Schiffe nahm sehr zu. Ich wurde nun sehr krank und matt; wünschte etwas zu - , 131 effen; aber ich erhielt nichts. Der Wafferstreit wurde immer heftiger, und da ich dem Kapitän deswegen. Vor würfe machen wollte, sagte er mir, es fey ihm schon begegnet, daß er 21 Tage lang an diesem Orte, des widrigen Windes wegen, habe vor Anker liegen müffen, Unsere Leiden zu vermehren trat jetzt eine gänzliche Windstille ein. Bereits waren wir fünf Tage zu See, - als sich endlich unser Loos zu beffern anfing. Am 15. August des Nachmittags erhielten wir einen zwar schwa- chen aber günstigen Wind, die Anker wurden sogleich gelichtet und wir segelten vorwärts. Aber nun wurde auch der Lärm um Waffer auf dem Schiffe sehr heftig und schien einen bösen Charakter annehmen zu wollen. Ich stellte deshalb dem Kapitän die ganze Lage vor und er sagte, wir hätten ja jetzt günstigen Wind und könnten nicht mehr sehr ferne von Tripolis ein. Er ließ sich bewegen, und Waffer wurde ausgeheilt. Endlich hatten wir die Freude am 16. August gegen Mittag die Küste von Tripolis zu erblicken und am Abend wurden die Anker nahe am Ufer, ohngefähr 6 Meilen von der Stadt ausgeworfen. In der Nacht aber fiel ein so heftiger Thau, daß ich und meine Matratze, auf welcher ich lag, ich schlief nämlich der Bequemlichkeit wegen, auf dem freien Verdecke, ganz durchnäßt wurden. Ich fürchtete sogleich, daß diese Näffe meiner Gesundheit schädlich wer 9 * __132 - den würde. Am 17. August fegelten wie dem Hafen zu und liefen noch des Vormittags daselbst ein. - Tripolis liegt auf einem Isthmus und wird von sehr hohen Mauern umgeben, die sich über alle Gebäude in der Stadt erheben und ist überdieß noch durch eine, in einem Halbzirkel geformte Batterie, geschützt. Eine Menge Kanonen sind aufgepflanzt und mehrere Werke und Schanzen vertheidigen den Eingang des Hafens. Gegenwärtig liegen 15 türkische Kriegsschiffe hier vor Anker. Kaum hatten wir die Anker ausgeworfen als ein Boot auf uns zusegelte und der Kapitän mußte die nöthige Auskunft geben. Bald darauf erschien der Dra- goman des englische Konsuls und brachte mir die Erlaubniß ans Land steigen zu dürfen, von welcher ich auch sogleich Gebrauch machte. Da jetzt die Türken Meister von Tripolis sind, so fand ich auch die Thore durch türkische Soldaten, welche europäisch gekleidet waren, besetzt. Ohne angefragt zu werden pafirte ich durch die Eingänge in die Stadt und mein erstes Geschäft war mir ein Quar- - tier zu miethen. Ich fand auch bald was ich suchte und miethete mich auf einen Monat lang ein. Hierauf ließ ich meine Effekten vom Schiffe abholen und richtete meinen neuen Aufenthalte ein, so gut es gehen konnte. Ich wollte sodann dem englischen Konsul meine Aufwar tung machend, konnte ihn aber heute nicht sprechen. - 133 Kaum hatte ich mich ein wenig eingerichtet, als sich bei mir ein heftiger Rheumatismus am rechten Arm einstellte, der mich sogleich hinderte irgend etwas zu uns ternehmen. Dieses Uebel nahm stündlich zu und es zeigte sich an demselben Arm eine Art Ausschlag und Geschwüre, der Magen war ganz außer Ordnung und ich wurde sehr krank. Dieß war die Folge jener in Schiffe mir zugezogenen Verkältung, der genoffenen schlecht ten Lebensmittel und des darauf folgenden Hungerns, Ich konnte weder schreiben noch lesen und Schmerzen waren außerordentlich. Es waren Leidenstage von dem Herrn gegeben, ich trug sie mit Ergebung und dachte an die Heimath des Jenseits. Doch dem Herrn fey Dank nach der Prüfung folgte wieder Genesung. Auf Zureden einiger Freunde mußte ich, so sehr ich es auch scheute, nach einem Arzt schicken, es kamen aber deren zwei und fogleich gings ans Purgiren, Salben, Schmieren c., und der Herr half Ueber die interessante letzte Revolution zu Tripolis erhielt ich an Ort und Stelle erst die rechte Aufklärung." Seit länger als 150 Jahren hat die Familie der Ka- ramalli den Thron von Tripolis behauptet und in Gemeinschaft mit Tunis und Algier die Christen geplün- dert und zu Sklaven gemacht. Doch Dank fey es dem Herrn aller Herrn die Schandthat, die lange auf der - 134 ganzen Christenheit lastete, ist seit 1816 abgeschafft. Dadurch wurden aber die Einkünfte dieser Raubnefter um ihren bedeutendsten Theil vermindert. Dieß war insbesondere zu Tripolis der Fall. Der Pascha allein soll von diesem Geschäft einen reinen Ertrag von 600.000 Dollars gehabt haben. Jufef Pafcha fühlte den Verlust fehr, doch wußte er sich anfangs ein zuschränken. Allein da er alt wurde, gewann er viele Weiber lieb und diese stürzten ihn von einer Thorheit in die andere. Er gerieth jetzt in große Schulden, die Gläubiger verlangten Geld und der alte Pascha wußte sich nicht anders zu helfen, als die Scheiks der Araber kommen zu laffen. Diesen sagte er: er müffe Geld hat ben, um seine Schulden zahlen zu können, er verlange daher von jedem Araber eine gewisse Summe die in kurzer Zeit von dem Scheike eingeliefert werden sollte. Die Scheiks kehrten zu ihren Zelten zurück und verkün digten ihren Horden des Pascha Begehren. Nach An- hörung dieses Auftrags empörten sich sogleich alle Araber und alle außerhalb Tripolis wohnenden Mauren und nur eine Stimme erschallte in den Zelten und in den Dör- fern und Städten außerhalb Tripolis: Jusef Pafcha fey des Thrones unwürdig. Als Jusef dieses für ihn so unangenehme Geschrei erfuhr, so handelte er fehr klüglich, und entsagte auf der Stelle der Regierung zu 135 Gunsten seines Sohnes Ali Paf cha. Dieser bestieg auch sogleich den Thron und wurde von allen Bewoh nern der Stadt als Pascha anerkannt. Nicht so gehor- fam zeigten sich die Bewohner des Landes. Sie fühlt ten eine entschiedene Abneigung gegen Ali und wählten die beiden Söhne, eines Bruders Ali, eines Sohnes Jufef, deren Vater früher, der eigene Bruder Jusef hatte ermorden laffen, welche auf dem Lande wohnten, zu ihren Anführern. Von diesem fing der Bürgerkrieg an und die Thore der Stadt mußten zu Anfang des Jahres 1832 geschloffen werden. Mit abwechselndem Glücke kämpften beide Theile ein volles Jahr. Der Sultan schickte jetzt den Kaftan an Ali Pascha und erklärte ihn dadurch zum rechtmäßigen Besitzer des Lan- des. Allein die Landparthei ließ sich dadurch nicht ein- schüchtern, sie setzte den Kampf mit der Stadt hart- näckig fort. Wer jetzt die Stadt verlaffen konnte, der that es. Mehrere europäische Konsuln, die meisten Chris fen, der dritte Theil der Juden und die reichsten Mauren wanderten aus; dadurch wurde Ali Pascha so sehr geschwächt, daß ihm nicht mehr als einige Hunderte blie- ben, welche nur dürftig die Stadt vertheidigen konnten. Das ganze Land war gegen ihn in Waffen, es wußte sich Kanonen und Mörser zu verschaffen, die Stadt wurde an einigen Punkten belagert und viele Kugeln 136 und Bomben flogen in dieselbe, welche großen Schaden anrichteten. Schon hatte dieser blutige Krieg drei Jahre hindurch gewüthet, als ganz unvermuthet eine türkische Flotte 35 Segel stark nebst einer Menge Transport- schiffe, auf welchen 6000 Mann reguläres Militär sich befand vor Tripolis ankerten. Jede Parthei glaubte * nun die Türken feyen gekommen um sie zu unterstützen, Ali Pascha verfügte sich sogleich aufs Schiff des tür- kischen Befehlshabers, eines Pascha von drei Roßschweiz fen, um ihn zu bewillkommen. Dieser empfing Ali sehr freundschaftlich, versicherte ihn, daß er nur in der Absicht komme, um ihn in seiner Würde zu beschützen. Er würde, fügte er hinzu, sobald seine Truppen ans Land gesetzt feyen, sogleich den Feind angreifen. Allein in diesem Augenblick feyen seine Truppen von der langen Fahrt noch zu sehr erschöpft, sie bedürfen daher vorerst noch einiger Erholung. Er bat daher Ali, er wolle vorerst erlauben die Soldaten ans Land zu setzen. Mit der größten Bereitwilligkeit wurde dieses von Seit ten Ali nicht nur erlaubt; sondern auch hiezu thätige Hilfe geleistet. Sobald die Türken am Lande waren, ließ der türkische Befehlshaber der Landparthei ebenfalls versichern: er fey nur gekommen ihre Anführer auf den Thron zu setzen, den Pascha der Stadt aber zu züchti- gen. Das hierüber erfreute Landsvolk brachte der Armee 1Z7 Lebensmittel im Ueberfluß. Unterdessen besetzten die Türken alle Posten der Stadt, die Vestungswerke und nahmen die Kanonen auf den Schanzen in Beschlag, Jetzt erließ der neue Befehlshaber an alle Bewohner der Stadt einen Aufruf, wornach fiel aufgefordert wur- deu ihre Waffen auszuliefern, weil sie derer nicht mehr bedürfen, denn er habe hinlängliche Macht ihre Stadt zu beschützen. Die Bewohner von Tripolis vermutheten zwar mit Recht Verrath, doch gehorchten sie der Gewalt und es geschah, was man verlangt hatte. Auch die Landbewohner wurden aufgefordert ein Gleiches zu thun. Doch diese gehorchten nicht und zogen es vor sich ins Innere zurückzuziehen. Die beiden Brüder aber, die Anführer der Araber, trauten jetzt keiner Parthei mehr, der eine entfloh nach Malta und der andere entleibte sich, aus Verdruß hintergangen worden zu sein. Nach einigen Unterhandlungen indessen gehorchten auch die Landbewohner und lieferten die Waffen aus. Während diesen Vorgängen blieb der neue Pascha auf dem Schiffe und hatte es noch nicht gewagt den Fuß ans Land zu fetzen. Da er aber jetzt fah, daß ihm sein Vorhaben ganz gelingen würde, so stieg er ans Land und machte Ali seinen Besuch. Von diesem königlich empfangen und bewirthet, verfügte er sich wieder auf sein Schiff und ließ auch Ali zu sich laden, um ihn zu bewirthen. 138 Der getäuschte Pascha kam, wurde mit den Seinen wäre devoll empfangen und ihm ein glänzendes Mahl gegen ben. Als aber Ali wieder zurückkehren wollte, zeigte der neue Pascha einen Firman des Sultans vor, nach welchem ihm befohlen wurde sich sogleich nach Konstan- tinopel zu verfügen, Nadiib Pascha aber, so hieß der Befehlshaber der Flotte, das Regiment zu Tripolis einstweilen zu übergeben. Der unglückliche Prinz durfte nicht mehr in feine Residenz zurückkehren und am an dern Tage schon war er mit einigen seiner Getreuen nach der Hauptstadt des türkischen Reiches unter Segel. Die Zügel der Regierung wurden nun von Nadiib Pascha ergriffen, und die Residenz der Karamalli nahm ihn auf. Der achtzig Jahre alte Jufef Pascha wurde mit feinen drei Frauen und Kindern ausgestoßen und ihm ein Gnadengehalt von 30 Gulden wöchentlich ausgesetzt. So endete die neueste Revolution zu Tri- polis, welche seit drei Jahren die Stadt entvölkert und arm gemacht, den Handel derselben zu Grunde gerichtet und dem ganzen Lande eine Wunde geschlagen, die noch lange bluten wird. Der Staat Tripolis wird wohl eine türkische Provinz bleiben und dadurch eine neue Aera beginnen, 139 XVI. Tripolis, den 10. September 1S35. Die türkische Besatzung besteht aus 4500 Mann, welche ganz europäisch gekleidet und eingeübt sind. Ihre Haltung ist im Ganzen gut; allein das Stehen will ihnen durchaus nicht behagen, und viele Wachen setzen sich ganz gemüthlich auf ihre Posten, indem sie sich einen Stuhl oder einen Stein dazu verschaffen. Sie sind fest überzeugt von der Wahrheit, daß es sich eben so gut sitzend Wache halten laffe, als stehend. Ein anderes Aergerniß ist ihnen auch das Schuh- und Strümpf Anziehen müffen. Sie entledigen sich aber auch dieser Last sehr oft, oder ziehen die Schuhe wie Pantoffeln an. Ich fah letzthin den Obristen eines Regiments seine Leute exercieren. Geschmückt auf der Brust mit einem Stern und Halbmond von Brillanten und mit Pantof feln, welche früher Schuhe waren, bekleidet, machte er mit feinem Regiment, die ebenfalls theils Schuhe, theils Pantoffeln hatten, die europäische Schule durch. Da die Mahomedaner fünfmal des Tages beten müffen und 140 vor jedem Gebet sich Hände und Füße bis an den El- bogen und bis an die Kniee waschen, so läßt sich diese Unbehaglichkeit der neuen Uniform leicht begreifen, Für das europäische Auge ist es aber immer ein widerlicher Anblick einen Officier in voller europäischer Uniform zu fehen, der vor einem Barbierladen mit gekreuzten nackt ten Füßen sitzt, und mit denselben spielt, was sehr häufig der Fall ist; oder ihn ganz steif vorwärts schreitend zu fehen, während hinter ihm einige Wachen gehen und ein Bedienter die Tabakspfeife, den Beutel und den Degen tragend. Sonst aber ist das Betragen der Sol daten musterhaft, Nadiib Pafcha war bereits schon vier Monate hier, und noch hatte er keine Moschee be- fucht, welches unter den Moslemim nicht wenig Auf- hen erregte. Vorgestern gefiel es. Seiner Hoheit dieß zu thun. Vom Palast bis zur Moschee wurden Sol- daten aufgestellt, der Kanonendonner verkündigte die An- kunft. Vor dem Pascha kam eine Leibwache, 25 Mann, nach alter Sitte gekleidet, jeder zwei Pistolen und einen Degen im Gürtel tragend und einen großen mit Silber beschlagenen Stock in der Hand. Nach diesen folgte der Pascha, ein schöner Mann mit einem schwarzen Bart, ohngefähr 35 Jahre zählend, fitzend auf einem stattlichen Pferde, welches fehr reich geschmückt war. Bei seinem Erscheinen präsentierte das Militär, die Officiere machten 141 mit dem Degen eine Bewegung zur Erde, berührten mit der linken Hand dieselbe und küßten fie. Die Hitze übersteigt gegenwärtig alles, was ich bis her in dieser Beziehung erfahren habe. Sorgfältig wer- den Thüren und Fenster geschloffen, um die Sonne und den Wind auszuschließen, und dennoch ist es so heiß, daß ich durch und durch den ganzen Tag über wie aus dem Waffer kommend triefe, und die geringste Bewegung wird lästig. Der jetzige Wind kommt aus der Wüste, ist sehr trocken und heiß, und trägt zur Reife der Dat- teln bey. Er ist zwar hier nöthig, aber für die Ge- fundheit der Europäer sehr schädlich. Der neue Pascha für Tripolis Achmet, kam ger, fern hier an, ein fürchterlicher Kanonendonner empfieng ihn; indessen freute sich niemand als die Türken; die Araber ziehen sich immer mehr in das Innere zurück. Nadiib Pascha ist zurück gerufen und wird in eini gen Tagen abreisen, und der alte Jufef nebst ganzer Familie mit allen Verwandten erhielten den Befehl nach Konstantinopel zu gehen. Der Name Karamalli soll aus dem Reiche Tripolis verbannt werden; ein sicherer Fingerzeig, daß die Pforte gedenkt sich im Besitze des Landes zu behaupten. Die Unzufriedenheit über diese neue Maßregel ist unbeschreiblich; die Araber besuchen deßwegen sehr selten mehr die Stadt. 142 Ich hatte es mir bei meiner ganzen Reise zum Grundsatze gemacht, wo möglich immer ganz allein in den Städten herumzustreifen, über dieß und jenes nur immer mich von den Einzeln belehren und unterrichten zu laffen, und ihnen das Evangelium zu verkündigen. So fand ich auch vor einigen Tagen vor dem Thore an der See und sah auf der andern Seite der Stadt die Tür ken manövrieren. Ich nahm ein Boot und fuhr hin, sprach mit einigen Zuschauern und wollte sodann wie der in mein Quartier zurückkehren. Noch war ich nie auf dieser Seite der Stadt gewesen, ich ging also ge- trost dem vor mir sich befindlichen Thore zu. Plötzlich fand ich vor einem gewölbten Eingang, der mit einer starken Wache besetzt war. Dies ist ja wohl der Ein- gang zur Stadt dachte ich, doch nicht ganz gewiß, fah ich mich um, jemanden zu sehen den ich fragen könnte. Ein Christ kam. Diesen redete ich in der Lingua franca an, und fragte: Kann man hier durchgehen? Dunqua, natürlich, gab er mir zur Antwort. Ich schritt vorwärts, der finstere, gewölbte Bogengang war länger als ich mir vermuthete und von Zeit zu Zeit stieß ich in demselben auf eine Wache. Dies ist ein langer Gang, sagte ich mir, und ein finsterer und froh war ich, als ich das Tageslicht wieder erblickte. Doch kurz war die Freude, Nur einige Schritte machte ich vorwärts, und eine 143 Treppe lag vor mir. Diese stieg ich hinauf und nun war wieder alles finster. Ich verdoppelte meine Schritt, um diesen Zauber bald zu lösen, ein dunkler Gang wurde zurückgelegt, einige Treppen führten aufwärts, mehrere Wachen passierte ich, und jetzt fand ich auf ei- nem kleinen freien Platze, welcher mit Kanononen besetzt war. Daß dieses der Eingang zur Stadt nicht war, wurde mir deutlich; aber wo ich mich jetzt befand, das war mir ein Räthel. Vergebens sprach ich mit der Wache, sie verstand mich nicht, zeigte immer nur mit der Hand vorwärts. Ich ging abermals vorwärts. Jetzt hatte ich eine kleine hölzerne Treppe vor mir. Was sollte ich thun, rückwärts schreiten? Wer weiß ob du dich nicht noch mehr verwirrt in diesen Zauberhöh- len, dachte ich, und stieg die Treppe hinan. Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, sah ich vor mir einen nicht geräumigen Platz, in dessen Mitte waren Flügels, thüren geöffnet, ich fah hinein, und welches Erstau- nen ergriff mich! Ich fand vor dem Thronzimmer des Palastes, innerhalb dessen europäische Möbeln sich befanden und ein reich mit Gold gezierter Thron stand. Meine Verlegenheit war groß, und stieg mit jeder Minute; doch ich wollte dieses nicht merken laffen, der vielen Wachen wegen, sondern eilte schnell vorüber. Ich gelangte wieder in einen dunklen Gang, 144 welcher sich bald rechts, bald links drehte, ich passirte Vorsääle und Zimmer, fah aber nur immer türkische Wachen. Ich stieg Treppen auf und ab, der sehnlichst gewünschte Ausgang aus diesem Labyrinth wollte sich immer nicht zeigen. Ich redete jede Wache an, sprach in allen Sprachen, die mir zu Gebote stehen; aber leis der türkisch verstehe ich nicht, und so wurde ich auf alle meine Fragen immer vorwärts gewiesen. Jetzt gings wieder aufwärts, ich stieg viele Treppen hinan und kam endlich vor eine Thüre zu stehen. Die dabei stehende Wache öffnete diese ohne ein Wort zu sagen. Ich sah durch und mir schwindelte, als ich hinaus ins Freie blickte: ich befand mich auf den höchsten und äußersten Punkte des Palastes. Da hinaus will ich, sagte ich zur Wache, und diese zeigte mir abermals den Weg vorwärts. Ich schlug ihn ein, er führte dicht an der Mauer hin, welche von Zeit zu Zeit noch die Wunden zeigte, die sie durch die Kugeln der Feinde erhalten hatte. Ich mußte hier mit der größten Sorgfalt vor wärts fchreiten um nicht in die Tiefe zu stürzen. Nach einiger Zeit gelangte ich auf einen freien Platz, auf welchem einige türkische Officiere fanden. Diese wer- den doch arabisch verstehen, dachte ich, oder vielleicht gar eine europäische Sprache. Ich wendete mich an fie zuerst in der arabischen Sprache, dann in mehreren 145 europäischen Sprachen; allein vergebens. Es schien als ob auch diesen der Mund geschloffen wäre. Eine Treppe wurde mir gezeigt, die ich hinaufsteigen sollte, das war alles, was ich von diesen Helden erfuhr. Ich konnte nichts anders thun, als den Rath befolgen. Dein größtes Glück ist, sagte ich zu mir selbst, daß es noch früh am Tage ist, welche Verlegenheit, wenn es jetzt Nacht wäre! Ich stieg muthig die Treppe hinan und gelangte zu ei- nem Balkon, Ich fah hin, mir wurde bei dem Anblicke doch nicht ganz wohl zu Muthe, denn in demselben faß der Pascha auf einem reichen Sopha, umgeben von ei- nen Großen. Die Wachen machten Platz, glaubten wahrscheinlich ich wolle mit einer türkischen Hoheit sprechen. "Da kam plötzlich einer der Großen, es war der erste Minister, mir entgegen und sagte in der Lin- qua franca: Wollen Sie gefälligst näher kommen, womit kann ich Ihnen dienen? Ich sagte ihm, ich wäre hieher in den Palast gekommen ohne dieses zu wissen und suche bereits schon über eine Stunde den Ausgang ohne ihn zu finden. Von welcher Nation sind Sie, sind Sie ein Franzose? fragte der Minister. Nein, mein Herr; ich bin ein Deutscher unter dem Schutze Englands. Er rief einen Mann aus der Leibwache und sagte zu diesem: Capia! dieser erwiederte Capia! Capia sagte der Minister nochmals und noch einige 10 146 Worte, die ich nicht hören konnte. Hierauf bat er mich, ich möchte nur dieser Wache folgen, welches ich mit Dank annahm, mich empfahl und diesem Manne nachging. Dieser brachte mich in kurzer Zeit glücklich an den schon - lange von mir sehnlichst gewünschten Ausgang. Ich fand jetzt vor dem nämlichen Thore, durch welches ich eingegangen war. Der erste Minister, der mir in mei- ner kritischen Lage vor dem Angesicht. Seiner türkischen Hoheit diese große Gefälligkeit erwies heißt Beth Elmal, den ich später noch einige Mal sah. Er be- gleitete diese Stelle auch schon bei dem alten Pascha Jufef. Während der Revolution spielte er eine bedeu- tende Rolle. Zuerst schloß er sich der Stadtparthei AM, später aber ging er zur Landparthei über. Segelte fel- ber nach Malta und rüstete dort mehrere Schiffe aus, mit welchen er zurück kam, um mit diesen von der Seeseite aus die Stadt zu beschießen. Als die türkische Flotte anlangte, flüchtete er sich auf ein englisches Kriegs- schiff, welches damals vor Tripolis lag. Der neue Pascha bat ihn aber ans Land zu kommen, mit der Versicherung, daß er durchaus nichts zu fürchten habe. Er ist nun abermals zum ersten Minister erhoben, und der neuen Regierung fast unentbehrlich, weil er das ganze Reich genau kennt und unter den Arabern viele Freunde zählt. --- - 147 XVII. Tripolis, den 15. September 1ss. Tripolis, das Ora der Alten, ist kleiner als Tunis und Algier; aber reinlicher als beide. Die Straßen sind breit und die Häuser die gewöhnlichen der Städte auf der Nordküste von Afrika. Ausnahmen machen die Häuser der europäischen Konsuln, eilf an der Zahl, welche schön genannt werden müssen, und deren innere Einrichtungen alle Bequemlichkeit für Europäer in sich schließen. Der Palast des ehemaligen Pascha ist ein unregelmäßiger Haufen von Gebäuden, die wie es scheint, nach und nach, je nach Bedürfniß aufgeführt wurden, die vermittelt dunkler Gänge, durch welche ich meine Irrfahrt gemacht, verbunden sind. Vor der Revolution soll Tripolis von 18000 Mahomedanern, 4000 Juden und 2000 Christen bewohnt gewesen seyn. Jetzt ist kaum die Hälfte dieser Anzahl mehr hier. Die Reichen der Stadt find ausgewandert; viele nach Aegypten und anders wohin und kehren nicht wieder zurück. Deshalb fand ich ganze Reihen von Läden geschloffen, und ganze 10“ - 148 Straffen menschenleer. Die hiesigen Mahomedaner klei den sich mehr nach Sitte der Araber als nach mauri- scher Sitte; auch die Wissenschaften und Gelehrsamkeit, die man anderwärts noch unter den Mauern findet, wurden hier nie gepflegt. Wer studieren will geht nach Tunis oder nach Aegypten. Der Sklavenmarkt war hier vor der Revolution der bedeutendste auf der ganzen Küste von Nordafrika. Hier war es, wo ganze Kara- vanen solcher Unglücklichen aus dem Innern anlangten und von hier aus erst weiter der Küste entlang zum Verkaufe ausgeführt wurden. Jetzt nehmen die Skla- venhändler einen andern Weg, Zerstreut finden sich noch hin und wieder Spuren von ehemaligen sehr schönen Gebäuden der Römer, doch ist wohl das merkwürdigste Denkmahl altrömischer Kunst ein Triumpfbogen mit Basrelief. Dieser ist noch ziemlich gut erhalten und steht unweit des Marine- thors, innerhalb der Stadt, errichtet unter der Regierung Antoninus Pius, jetzt hat ein Malteser seinen La- den in demselben eingenistet. - - Die Anzahl der katholischen Christen mag sich jetzt auf 2000 Seelen belaufen, es sind, außer einigen fran- zösischen, italienischen und spanischen Familien, lauter Malteser. Viele derselben haben mit Freude die heilige Schrift aufgenommen. Es befindet fich, hier aus alter -- 149 Zeit ein Kapuzinerkloster. Der Pater praefectus- besuchte mich während meiner Krankheit und ich hielt es daher für Pflicht, so bald ich genesen war, ihm einen Gegenbesuch zu machen. Wir unterhielten uns mehrere Stunden lang mit einander. Ich fand einen un- terrichteten Mann, der mit vieler Milde und Liebe eine große Belesenheit verband. Unser Gespräch wurde bald polemisch. Er suchte mit allen ihm zu Gebote stehenden Waffen die Würde des Papstes, die Verehrung der Heiligen und Reliquien zu behaupten. Die Jung- frau Maria nannte er Großherrin, eine Benennung, die mir auffiel und die ich zuvor noch nie gehört hatte. Da er aber feine Beweise nicht aus der Bibel schöpfen konnte; so war es mir ein leichtes ihm, gestützt auf Gottes Wort, über alle Punkte gehörige Antwort zu geben. Indessen, er war kein Freund der heiligen Schrift, sprach vielmehr den Bann an einem Sonntage über fie. In Beziehung auf Luther sprach er sich mit mehr Mäßigung aus, als ich von einem Mönche erwartete. Er sagte, Luther sei ein Sohn der Kirche, ein guter Christ gewesen; nur habe er zu viel verlangt. Luther, nur ein armer Klosterbruder, habe verlangt, daß sich der Papst vor ihm demüthigen sollte: daß wäre doch gar zu viel verlangt gewesen von dem Oberhaupte der Kirche! Vom diesem Pater erfuhr ich auch die Entstehung und - __ 150 die Geschichte des Klosters. Im Jahre 1687 wurde von der Propaganda zu Rom ein Kapuziner als Mie fionar hieher gesendet. Dieser wußte sich bald das Zu- trauen und die Freundschaft des regierenden Pascha zu erwerben und erhielt von diesem die große Gunst einer Kirche mit drei Glocken, – ein Vorrecht, das in maho- - medanischen Ländern fast ohne Beispiel ist –, dazu ein Kloster für die Brüder, die nachkommen würden er- bauen zu dürfen. Als aber einst dieser Kapuziner am Hofe das Evangelium verkündigte und den Pascha auf forderte den Glauben an den falschen Propheten fahren zu laffen und ein Diener Jesu Christi zu werden, wur- den die Hofleute dermaßen aufgebracht gegen den treuen Prediger, daß sie nicht eher nachgaben bis der Befehl zu feiner Hinrichtung ausgefertigt wurde. Der Pater wurde zum Thor hinausgeführt, wo der Scheiterhaufen bereits feiner wartete. Die Christen, welche sich hier gesammelt hatten, folgten betrübt ihrem geistlichen Hir- ten und klagten und weinten: ach, wie wird es uns ergehen, wenn du nicht mehr bei uns sein wirst? Freu- dig erwiederte der Pater: ich laffe euch mein Herz zu- rück. Und siehe da, als man die Asche des Märtyrers sammelte, fand man unter derselben das Herz ganz uns versehrt. Dieses Herz kam in der Folge nach Jerusa- lem und soll noch heute in dem dortigen Kapuziner- ist - kloster aufbewahrt werden, wo es noch gesehen werden kann. Hierauf wurde von Rom aus ein anderer Par ter abgesendet, die Stelle des erstern zu ersetzen und wo möglich die erlangten Rechte der Kirche zu behaup- ten. Dieser kam und machte bei Hof feine Aufwartung. Er gefiel dem Pascha sehr, und wurde von diesem mit vieler Gunst überhäuft, ihm auch viele Versprechun- gen gemacht, wenn er dem Christenglauben entsagen und ein Mahomedaner werden würde. Er ließ sich verfüh- ren und wurde Muselmann. Jetzt erschienen vier dem Herrn ergebene Brüder aus dem Christenlande, mach- ten dem Abgefallenen im Beisein des Pascha Vorwürfe über eine Treulosigkeit und trugen als Belohnung den Matyrertodt davon. Später kamen andere Kapuziner - an, die nachfolgenden Paschas wurden dem Kloster wie der günstig und selbst mehrere machten ihm Geschenke, Doch vor langer Zeit schon wußte es die hiesige Regie- rung dahin zu bringen, daß Frankreich, unter dessen Schutz das Kloster steht, einen Vertrag mit ihr ab- schloß, kraft defen den Kapuzinern nur erlaubt ist den Christen zu predigen, nie aber und unter keinem Vor- wande den Mahomedanern. - Evangelische Christen gibt es hier an 50 Seelen, worunter die Familien von 5, zuweilen auch 6 euro- päischen Konsuln sich befinden, Nie aber befand sich hier 152 ein evangelischer Geistlicher. Erst seit 1830 haben sich die hiesigen Protestanten vereinigt und einen eigenen Gottesacker, ungefähr eine Stunde vor der Stadt ent- fernt, angelegt. Vor einigen Tagen starb dem amerika mischen Konsul dahier ein Kind, ich begleitete die Leiche zum Gottesacker und hielt die üblichen Gebete bei der Beerdigung Seit meines Hierseyns versammelte sich an einem Sonntage das Häuflein evangelischer Christen im englischen Konsulate, ich hielt Gottesdienst und theilte das heilige Mahl aus. 153 XVIII. . Tripolis, den 18. September 1835. Mir kam der Moniteur Algerien vor einigen Tagen zu Gesicht. Der Redacteur desselben scheint eine ganz besondere Ansicht über die Bedeutung des Wortes Civilisation zu haben. Dieser meldet nämlich in seinem Blatte, daß der berühmte deutsche Reisende der Fürst Pückler Muskau auch Algier besucht, und von da einen Ausflug ins Innere gemacht habe. Ueberall fey derselbe von den Arabern gut aufgenommen und gastfreundschaftlich bewirthet worden. Da der Fürst ei- nen Flaschenkeller, gefüllt - des trefflichsten Weines, bei sich hatte, so tischte er seinerseits auch aus demselben den Arabern auf. Die Araber, heißt es, tranken davon, ohne sich erst lange bitten zu laffen. Man trank auf die Gesundheit des französischen Gouverneurs und der Kaid der Beni Mufa ließ sich sogar herab zwei Flaschen des besten Weines gefälliger Weise anzunehmen. Dies ist gewiß ein Anfang der Civilisation. Also die Annahme zweier Flaschen Weines ist ein Anfang 154 der Civilisation und das Weintrinken ein Fortschreiten in derselben. Nach der Meinung dieses Redacteurs wäre daher die Bildung der Menschen nach dem Wein- trinken zu bemeffen, und je mehr ein Mensch tränke, desto höher fände er auf der Stufe der Civilisation. Wäre dieses der Fall, so müßte ich sagen, die Maho- medaner auf der Nordküste von Afrika find in der Cit vilisation weit vorgeschritten, und insbesondere fänden die Bewohner von Tripolis gegenwärtig auf einer hohen Stufe in der gebildeten Welt; denn sie trinken alle, ohne Ausnahme. Wein. Mir ist selten noch ein Mahomedaner vorgekommen, der den Wein nicht außer ordentlich lieben sollte. Juden gibt es gegenwärtig hier an 2000. Sie bewohnen ein abgesondertes Quartier und besitzen 18 Synagogen, eine hohe Schule, auf welcher der Talmud studiert wird. Sie haben aus ihrer Mitte einen Kaid, der in Civilsachen erster Richter ist. Sie zahlen jähr lich an tausend Thaler der Regierung und dürfen treiben, was sie wollen. Nur mußten sie früher Sorge tragen, daß der Pascha Jufef, welcher grausamer als Herodes regierte, nicht erfuhr, daß sie im Besitze von Geld feyen. Dieser Pascha hatte einen Juden zum Aufseher der Münzen gemacht, deswegen mußte alles Geld, welches die Regierung ausprägen ließ, durch seine 155 Hände gehen. Nachdem dieser Jude dem Geschäfte viele Jahre vorgestanden hatte und nun alt wurde, ließ Jufef ihm ein ganzes Vermögen nehmen, machte aber deffen Sohn zum Wardein. Dieser hatte noch nicht lange seinem Amte vorgestanden, als ihn der Pascha einlud eine Tasse Kaffe mit ihm zu trinken. Der Kaffe war vergiftet und der unglückliche junge Mann starb Unter großen Schmerzen. Und warum dieser Mord? Ein Sclave des Pascha hatte mit der Tochter feines Ge- bieters Bekanntschaft angeknüpft, zufälliger Weise traf der Jude einstens beide im Gespräch. Der Pascha er- fuhr das Betragen seiner Töchter, und rasend über die Schande, welche feinem Hause dadurch zu Theil wurde, ließ er den Sclaven grausam morden, und erkundigte sich genau, ob irgend jemand vorhanden fey, der von dem Einverständniß beider Kunde habe. Der Jude war so unglücklich gewesen, beide einmal im Gespräche zu treffen. Damit er dieses nicht weiter fage, mußte er sterben. Hierauf ließ Jusef den Bruder des vergifte ten Israeliten rufen und machte ihn zu einem Münz- verwalter. Drei Jahre versah dieser treue Diener fein Amt mit aller Gewissenhaftigkeit, dann bat er den Pascha er möchte ihn entlaffen und einen andern auf stellen. Er legte pünktliche Rechnung und glaubte sich fchon im Besitz der Erhörung. Jufef ließ ihn einstens - 156 - - * - - - rufen und sagte: Wenn du mir 600 Thaler gibt, so entlaffe ich dich deines Amtes. Woher soll ich dieses Geld nehmen, o Herr! erwiederte der Jude. Mache nur nicht viele Umstände, sagte der Pascha, zahle, oder du gehst ins Gefängniß und erhält morgen 200 Streiche auf die Sohlen, und dann verlange ich 800 Thaler. Da der arme Mann betheuerte er habe kein Geld, so wurde er ins Gefängniß geworfen, erhielt am folgenden Tage 200 Streiche, und 800 Thaler wurden für feine Loslaffung gefordert. Die Freunde und Bekannten er- legten hierauf das Geld und der Münzverwalter wurde frei, küßte nach seiner Entlaffung dem Pascha die Hand und dieser von Großmuth überfallen schenkte ihm 2 Tha- ler, um einen Arzt kommen zu laffen, - Dies waren aber nicht die einzigen Handlungen der Grausamkeit, welche aufgezeichnet sind in den Anna- len der Regierung Jusefs. In der Wohnung feiner Mutter erdolchte er seinen Bruder, einen zweiten Bru- der ließ er morden, und nicht zu zählen sind die übri gen Opfer, die feiner Rache unterlagen. Im Palast befindet sich ein tiefer Brunnen, in diesen wurden die Leichen der Gemordeten geworfen; doch die Anzahl der selben war zu groß, daß der Brunnen sie nicht mehr faffen konnte, er mußte gereinigt werden, um wieder für neue Opfer Raum zu bekommen. Einst hatte sich einer 157 seiner Minister seinen ganzen Unwillen zugezogen, er sollte dafür bluten. Der Regent ließ ihn bald darauf zu sich rufen, besprach sich mit ihm über gleichgültige Sachen, endlich sagte der Pascha: Du kannst morgen früh zu mir kommen, um den Kaffe mit mir zu trin- ken. Der Minister entzückt über diese Gnade küßte die Hand eines Gebieters und entfernte sich. Vergiß ja - nicht, sagte beim Entlaffen der hinterlistige Pascha, ver- giß ja nicht morgen das Frühstück bei mir zu genießen.“ Doch kaum hatte sich der Unglückliche einige Schritte ent- fernt als Mammeluken sich seiner bemächtigten und ihn erdrosselten. - Ein Scheik der Araber hatte sich einstens etwas gegen die Tyranney Jusef’s verlauten laffen, es wurde dem Pascha wieder hinterbracht. Jusef suchte jetzt den Scheik in einen Palast zu locken. Der Araber, nichts Arges ahnend, ging in die Falle. Wenn du, sagte der Pascha zu einem Araber, der sich bei ihm befand, die fen, der jetzt ankommt, siehet die Treppe wieder herab- steigen, fo morde ihn, und ich mache dich an seiner Stelle zum Anführer feiner Leute. Der Pascha über- häufte den unvorsichtigen Scheik mit Geschenken und begleitete ihn die Treppe hinab. Unten an der Stelle angekommen, wo der Meuchelmörder lauerte, zog sich der Pascha zurück, und der Scheik wurde erdolcht. Es ent- 158 stand jetzt ein großer Lärm im Palast, der Pascha kam, erkundigte sich was vorgefallen fey. Man zeigte ihm den blutigen Leichnam und den Mörder. Hund, schrie der Pascha, du wagst es meinen Freund in meinem Hause zu morden! Man schlage auf der Stelle dem Nichts würdigen das Haupt ab. Diese Execution wurde auch sogleich vorgenommen. Das Maas der Sünden dieses Mannes ist nun voll und der Herr aller Herrn hat dem alten Tyrannen vergolten nach seinen Thaten. Vom Throne gestoffen, muß er jetzt, ein 80 Jahre alter Greis, feine wenigen Lebenstage, als Verbannter und Geächteter zu Konstan- tinopel in Armuth verleben. - 150 XIX. Tripolis, den 20. September 1835. Das Königreich Tripolis ist einer der größten ehemaligen Raubtaaten auf der Nordküste von Afrika, Seine größte Länge von Suara bis zum Ros Hala beträgt 900 englische Meilen. Es grenzt nördlich an das Mittelmeer, südlich an Tunis, östlich an Aegypten und westlich an das Reich Fetan. Das Innere des Landes ist bis jetzt weniger bekannt, als das der Reiche von Tunis und Algier. Nach Aussage der Araber be- finden sich im Innern noch viele Ruinen aus den Zei- ten der Römer. An der Küste ist eine der bedeutend- sten Städte: Bengasi, das alte Berenice, mit ei- nem ziemlich guten Hafen und 400 Einwohnern. Von Bengasi erhält die Garnison auf Malta ihr Schlacht- vieh, und viele Wolle wird ausgeführt, Es wohnen mehrere christliche Familien hier, die Katholiken be- fizen eine Kirche und haben einen Kapuziner als Seelsor- ger; auch befinden sich ein englischer und ein französischer Vicekonsul daselbst. In der Nähe von Bengasi sind 160 die Ruinen von Ptolomais. Daselbst finden sich noch viele und merkwürdige Alterthümer. Der englische Konsul in Tripolis besitzt deren eine nicht geringe An- zahl, die dessen Schwiegersohn, Vicekonsul in Bengasi hat ausgraben laffen. Eine schönere Sammlung der Art habe ich noch nicht gesehen. Auch Derna und Ben ba welche oberhalb von Tripolis liegen, find nicht unbedeu- tend. Die Ufer an der Küste entlang sind bis weit hinab gut angebaut und sehr volkreich. Es ist beson- ders der Palmbaum, der hier ein wahres Vaterland hat, und die Datteln von Tripolis werden allen andern vorgezogen. - - Nur zwei Tagreisen von Tunis entfernt, befinden sich die Ruinen von Lepida, Ueberreste des einst so berühmten Leptis magna der Alten, von den Phöni- ciern gegründet, und eine der ältesten Städte in Afrika, die nach Plinius den Karthagern einen täglichen Trie but von einem Talent geben mußten. Noch befinden sich hier die Ruinen eines Tempels, mehrere Triumpf bogen, Wafferleitungen, Säulen c. c. Der englische Konsul zu Tripolis hat schon viele Gegenstände der Kunst hier ausgraben lassen und nach England entsen- det. Vieles soll noch im Schoose der Erde ruhen und wartet nur auf europäische Kunstfreunde, die es zu Tage fördern sollen, - - 161 – So schlecht indessen Tripolis selbst gegenwärtig be- völkert ist; so stark ist dagegen die nächste Umgebung Mefchia genannt. Man gibt die Anzahl der Bewoh- ner auf dem Lande in der Nähe der Stadt auf 300.000 Seelen an, die alle in ihren Gärten, ohngefähr wie in Gerba, wohnen sollen. In der Umgebung von Tripolis stehen 10 Millionen Palmbäume, die jährlich gegen 15 Millionen Gulden dem Lande einbringen. Der Bo- den der Meschia ist zwar fandhaltig, aber dennoch sehr fruchtbar. Das Klima wird sehr gerühmt, und der englische Konsul, welcher bereits über 20 Jahre schon mit seiner Familie hier wohnt, sagte mir, daß Krank- heiten, außer Ophthalmie, welche aber auch fehr herr fchend ist, gar nicht gekannt sind und viele Menschen ein Alter von 110 bis 130 Jahre erreichen. . Ich fand die hiesigen Mauren sehr zugänglich und konnte frei mit ihnen über die Wahrheiten unserer selig- machenden Religion sprechen. Dies ist aber auch der Fall mit den Juden. Meine Bibeln find nun alle, eine nicht unbedeutende Zahl, in Umlauf gesetzt; dadurch find viele Mahomedaner, Juden und Christen mit dem Worte des Lebens erfrischt worden und ich hoffe zu dem Herrn, daß er auch einen belebenden Hauch über diese Saatfelder ausgießen wird, damit sie grünen, blühen und Früchte fürs ewige Leben tragen. --- 11 162 XX. - - Gerba, den 12. October 1835. - Ich bin nun wieder auf dieser lieblichen Insel; allein mein jetziger Aufenthalt ist nicht so freundlich, wie der frühere, weil ich lange Quarantäne aushalten muß. Meine Fahrt von Tripolis bis hieher, war von kurzer Dauer, nur zwei Tage. Als wir hier ankamen, wurde uns befohlen zwanzig Tage lang Quarantäne zu halten. Diese Nachricht schlug mich sehr nieder; denn für meine bereits sehr geschwächte Gesundheit, würde ein so langer Aufenthalt unter freiem Himmel, in einem Lande, wo des Nachts gewöhnlich ein sehr starker Thau fällt, sehr gefährlich gewesen seyn. Ich schickte daher sogleich nach meinem alten Wirth Sidi Mustapha und ließ ihn bitten mich zu besuchen. Er kam, und ich bat ihn, doch Sorge zu tragen, daß ich ein Zimmer bekäme, weil es mir unmöglich wäre so lange Zeit unter solchen traurigen Umständen aushalten zu können. Der Gouverneur hat in der Nähe des Meeres ein Haus und Mustapha eilte sogleich zu ihm, stellte _163 meine traurige Lage vor und bat, er möge erlauben, daß ich mich während der Quarantäne in demselben aufhalten dürfe. Dies wurde bewilligt und mir ein Zimmer im Hause eingeräumt. Ich zog ein und würde mich ziemlich wohl befunden haben, denn ich hatte meine beßten Freunde, meine Bücher, in guter Anzahl bei mir; allein eine ungeheure Menge von Fliegen theilte mit uir das Zimmer, hinderte mich zu schreiben und machte mir selbst das Lesen recht beschwerlich. Ich war Tag und Nacht in einer beständigen Bewegung, bald sprang ich von meinem Sitze oder Lager auf, bald stampfte ich mit den Füßen, bald schüttelte ich die Hände, bald fuhr ich mit einem Tuche übers Gesicht. Es waren dieses traurige Tage, die langsam durch die Zeit schritten. Doch auch sie gingen mit der Hülfe Gottes vorüber, meine Thür öffnete sich und ich genoß die köstliche Frei- heit und die herrliche Natur dieser Insel. Die Mahomedaner haben durchaus keinen Begriff von Sanitätsanstalten, sie seien gegen die Pest oder gegen die Cholera gerichtet. Allein die Europäer haben es durch viele Vorstellungen doch endlich so weit gebracht, daß in dem Reiche Tunis alle Schiffe, welche aus ver- dächtigen Häfen kommen Quarantäne machen müffen. Ob nun dieses gleich Befehl der Regierung ist, so ist das Volk doch nicht im Geringsten über den Nutzen 11 * 164 solcher Anstalten belehrt, wohl deswegen, weil sie in direkt ten Widerspruch mit den Lehren der Religion stehen.“ Wenn der Mensch sterben foll, so stirbt er, ob er in oder außerhalb der Quarantäne ist. Dies ist sogar Grundsatz der gebildetern Araber. Vor einigen Tagen kam ein Bewohner der Gebirge nach dem Markt zu Gerba herab und nach abgemachten Geschäften wollte er nach Gewohnheit am Ufer des Meeres einen Spazier- gang machen. Unglücklicher Weise kam er in die Nähe, wo die von Tripolis Gekommenen sich gelagert hatten. Die Wache rief dem Gebirgsmann zu: weiche!! hier ist die Quarantillie. – Die Mauren sagen anstatt Quarantäne Quarantillie. – Erstaunt eine ganz neue Benennung zu hören, ein Wort, welches nie ein Ohr vernommen hatte, glaubte er, es sey etwa ein frem- des Thier oder ein Seeungeheuer hier zu sehen. Und weil er einen Haufen Menschen nicht fern davon ver- sammelt sah, die, wie er glaubte, das fremde Thier bei schauten; so hielt er sich eben sowohl wie diese berechtigt hinzugehen. Er schritt also vorwärts. Jetzt rief die Wache aus allen Kräften Quarantillie! Quaran- tillie! Der Araber sah sich nach allen Seiten um, wurde aber nichts besonders gewahr. Das Rufen der Wache aber führte inzwischen den Rais Elmorfa, Kapitän des Hafens, herbei und dieser ließ auf der 165 Stelle den erstaunten Gebirgsbewohner zur Erde werfen und ihm 10 Streiche auf die Fußsohlen geben. Nach empfangener Strafe erklärte er ihm, was das Wort Quarantilie zu bedeuten habe. Verwundert rief jetzt der Gebirgsmann aus: Was doch die Christen für ver- nünftige Leute find! Die wissen sogar ein Mittel gegen den Todt. Aber warum habt ihr mir dieses abscheuliche Wort nicht früher erklärt? Mehrere Marokaner kamen von der Wallfahrt aus Mekka, und wollten in ihr Vaterland zurückkehren. Da fie aber den Weg über Tripolis nahmen, so mußten sie hier die verhaßte Quarantillie machen, Für einen Maho- medaner eine fürchterliche Aufgabe sowohl für seine an unbegränzte Freiheit gewohnte Natur, als auch wegen seinen religiösen Grundsätzen. Diese Last nun fähüttelten in einer Nacht drei Pilgrime ab und flohen ins Gebirg. Am andern Morgen wurde ihre Flucht entdeckt, und sogleich dem Rais Elmorfa gemeldet. Dieser kam bald darauf an, und mit ihm einige seiner Leute, welche mehrere lange Ketten trugen. Er befahl sogleich alle Ma- rokaner mit diesen Ketten zu binden, um nicht davon laufen zu können. - Vorgestern war die Zeit unserer Gefangenschaft abgelaufen und wir sollten auch entlaffen werden. Unser Schiffskapitän wollte auch sogleich die Anker lichten, um - 166 nach Sfaxzusegeln. Allein wir mußten zuvor noch das Zeug niß des Gouverneurs haben, daß wir hier wirklich Quaran- täne gemacht hatten, um nicht abermals eine so lange Zeit anderwärts gefangen gehalten zu werden. Der Gouver- neur aber wohnt 10 Meilen vom Ufer entfernt. Ich verfügte mich daher am Tage der Freiheit in die Gerichtshalle, um die Papiere ausstellen zu laffen. Dort angekommen fand ich den Vicegouverneur. Diesen bat ich, er möchte uns nicht länger aufhalten und das Zeugniß ausstellen. Er lachte und sagte, ich verstehe die große Kunst zu schrei ben nicht. Nun so will ich es schreiben, sagte ich, fage mir nur, was geschrieben werden muß und besiegele es mit dem Siegel des Landes. Wir haben jetzt weder Papier noch Dinte und Federn, sprach hierauf der Vi- cegouverneur. Ich mußte erst zu Sidi Mustapha schicken um diese Gegenstände holen zu laffen. Sie ka- men und ich schrieb das benöthigte Zeugniß. Nun aber wurde mir gesagt: das Siegel fey in den Händen des Gouverneurs und nicht hier. Ich mußte noch einen Ex- preffen nach dem Aufenthaltsorte des Gouverneurs schicken, mehrere Meilen landeinwärts, damit dieser das Siegel darauf drücke, weil sonst das Papier ungültig ist. Die fen Abend werden wir es erhalten und dann im Namen des Herrn absegeln. 167 XXI. Tunis, den 24. October 1835. Ich kam, Gott sei Dank, ohngefähr nach einer fünf monatlichen Abwesenheit glücklich wieder hier an. Meine Reise von der Insel Gerba bis hieher war so ziemlich gut abgelaufen. Am Bord eines kleinen tunisi fchen Schiffes, Schebecka, hatte ich Zeit über mich und über den Landestrich, den ich durch Gottes Gnade durchreist hatte, nachzudenken. Alle Scenen tauchten abermals in mir auf und gingen gleich lebendigen Ge- mälden vor meiner Seele vorüber. Mein Blick schweifte sodann hinüber in die Christenheit. Ich ver- glich die Wohlthaten, welche das Evangelium über Europa feit Jahrhunderten verbreitete und noch verbreitet mit der Grausamkeit und der Tyrannei welche der Js- lam auf seine Bekenner legte und noch legt. In den Ländern der Gläubigen Jesu, welch ein Licht und wel cher Segen! In den Ländern der Anhänger des falschen Propheten, welch eine Finsterniß und welcher Fluch! – Mein Reisegefährte war unter andern auch ein in 168 teressanter Mameluk, der von Tripolis kommt und eben falls nach Tunis geht, Dieser junge Mann wurde, kaum 8 Jahre alt, als er das Vieh feines Vaters hü- tete, von Menschenräubern überfallen, feinen christlichen Aeltern und Vaterlande Georgien entrissen und mit noch einigen Knaben nach der türkischen Kaiserstadt ge- bracht, daselbst als Sclave ausgestellt und verkauft. Sein erster Herr war ein Pascha, der den achtjährigen Knaben zum Muselmann machte und ihm den Namen Rüstam gab. Hier wurde er in allen Lastern und In- triquen eingeweiht und dann einem andern Pascha als Geschenk übergeben. So geschah es, daß er als Jüngling mehrere Herren wechselte: er wurde nämlich immer von dem einen Pascha an dem andern als fehr brauchbares Werkzeug überreicht. Zuletzt kam er an Nadib Pascha, mit welchem er nach Tripolis segelte. Als aber dieser nach Konstantinopel zurück berufen wurde; fo machte er mit Rüft am dem Bey von Tunis ein Geschenk - und Rüst am … mußte sich selbst überbringen. Schon zu Gerba, während der Quarantäne sprach ich viel mit ihm und ein angesehener Grieche, der gerade auf der Insel anwesend war, erbot sich, ihn feinen Ael- tern wieder zuzuführen. Es gab zwar Augenblicke, in denen Rüstam feinen beffern Gefühlen nachzugeben schien und das Anerbieten annehmen wollte; allein es gab 169 aber auch wieder Tage, an welchen er von nichts, als von feiner zukünftigen Größe träumte und nichts wissen wollte weder von Eltern noch Vaterland. Rüstam er innerte sich noch sehr wohl seiner christlichen Eltern, wußte auch noch einige christliche Gebete in der lateini- fchen Sprache herzusagen, und sprach überdies außer türkisch das Neugriechische und Italienische. Da ich oft mit ihm über sein Heil sprach, so konnte es nicht feh- len, daß er nach und nach aufmerksam wurde. Es gab auch Stunden, wo er sehr zugänglich war. Dieses war insbesondere der Fall, als er hörte, daß im Kerker zu Gerba einer feiner Landsleute, der auch Sclave am Hofe zu Tunis war, schon über 3 Jahre lang schmach tete. Wie leicht kann auch dieses mein Loos feyn! O daß ich wieder im Hause meiner Eltern wäre! rief er aus. Ehe wir abreisten machte Rüstam feinem Lands- manne im Kerker einen Besuch, und dieser Unglückliche erzählte ihm die Ursache, warum er hier schmachte. Er war in der neuorganisierten Armee von Tunis als Hauptmann angestellt. Zog fich hier, er wußte nicht warum, den Haß des Sachab Ettaba zu. Mit die fem machte er eine Geldeinziehungsreise im Lande um her, und kam auch nach Gabis. Hier wurde er un- wohl, da sagte der Sachab Ettaba zu ihm: Gehe nach Gerba, um dich zu erholen; ich will dir Empfeh- 170 lungsbriefe mitgeben. Der Hauptmann segelte mit ei- nigen feiner Leute nach der Insel. Daselbst angekommen, übergab er seine Briefe uud wurde darauf sehr freund- fchaftlich aufgenommen. Man bat, er möge nur befeh- len, wo er logieren wolle. Man schlug ihm mehrere Häuser und zuletzt die Vestung vor; weil daselbst die schönsten und bequemsten Zimmer feyn sollen. Er besah fich jetzt die Vestung. Kaum aber hatte er sich daselbst ein wenig umgesehen als die Soldaten über ihn herfielen, ihn in Ketten warfen, und in den Kerker abführten. Dorten schmachtet der Unglückliche, und wird wohl sein Leben daselbst enden müffen. Wir hatten zwar Anfangs Gegenwind, doch langten wir nach 48 Stunden glücklich in dem Hafen zu Sfax an. Von hier zieht morgen eine Karavane nach Tunis, und dieser gedenke ich mich anzuschließen. Die Karavane ist richtig hier eingetroffen. Wir verließen Abends um 6 Uhr Sfax, ritten die ganze Nacht hindurch und kamen am andern Morgen um 8 Uhr nach dem für mich so merkwürdigen Elgem. Des fehr heißen Windes, Keple genannt, wegen, mußten wir den ganzen Tag über hier weilen. Die Nacht kam, wir brachen auf und nach zurückgelegten 36 Meilen ka- men wir am andern Morgen nach Elgemel, einem großen Dorfe. Da sich die hiesigen Einwohner einst gegen die Regierung von Tunis empörten; so wurden ihre Häuser alle niedergeriffen, und seit dieser Zeit dür fen sie nie wieder mit Steinen bauen, sondern mit Erde, deßwegen haben sie auch alle elende Erdhütten. Außer halb des Dorfes wurde eine Kapelle zum Andenken ei- nes Derwisch gebaut. Jung und Alt war bei diesem Bau beschäftigt. In der Nähe des Bauplatzes standen einige Männer mit Trommeln und Pfeifen, um die Arbeiter zu ermuntern. Von hier hatten wir eine starke Tagreise nach Herkula und abermals eine nach Crum- balia. Ich fah wieder viele Ruinen, die ich auf mei- ner Hinreise nicht fehen konnte, weil der Weg ein an- derer war. Wir passierten einen Ort wo es 40 Grab- stätten mahomedanischer Heiligen hat. Jedes Grab ist mit einem Dattelbaum geschmückt und mit einer Mauer umgeben, der Ort heißt Elar baim, die Vierzige. Der Anführer unserer Karavane nahm einige Hände voll Staub von diesen Gräbern und warf ihn auf die Pferde und Maulthiere. Warum dieß?" fragte ich, da- mit die Thiere stark und fett werden, war die Antwort. Endlich erreichten wir Crumbalia, das letzte Nacht lager vor Tunis und Tags darauf kam, ich glücklich daselbst an. Lobe den Herrn meine Seele und vergiß nicht, was er dir Gutes gethan hat. - - XXIII. Tnnis, den 24. November 1835. Tunis fängt an sich täglich zu verschönern. Vor einigen Jahren war der Unrath in den Straffen unbe- schreiblich; in der Regenzeit konnte man manche Gaffen gar nicht passieren, und im Sommer waren die Ausdün- stungen in denselben fürchterlich. Jetzt fährt an jedem Morgen ein Wagen durch die verschiedenen Stadtviertel und nimmt den Unrath mit fort. Dadurch hat die Stadt fehr gewonnen. Es wäre aber ganz gewiß noch nicht zu dieser wohlthätigen Anordnung gekommen, wenn die Cholera sich nicht in dem Nachbarstaate Algier ge- zeigt hätte. Die Europäer fürchteten diese Geißel, und bewirkten endlich, daß die Regierung in der Anordnung, welche die fremden Konsuln vorschlugen, einwilligte. Eine andere schöne Einrichtung hat jetzt die hiesige Kauf- mannschaft zu Stande gebracht, einen Lesezirkel oder Kafino, welches seit einigen Wochen geöffnet ist. Die fes Lokal dient zugleich als Börse. Seit einigen Monaten war man hier in großer 173 Besorgniß und das Gerücht sagte, die Türken wollten, es mit Tunis machen, wie sie es in Tripolis gethan: es wurde hinzugesetzt, der Großherr rüste eine Flotte aus, die hieher bestimmt sey. Es kam noch hinzu, daß der Sachab Ettaba, welcher bereits schon früher nach Konstantinopel gesegelt, um den Kaftan für den neuen Bey zu holen, nichts von sich hören ließ. Allein diese Besorgniß schwand, da derselbe vor einigen Tagen hier anlangte, und Alles zur größten Zufriedenheit des Bey, besorgte. Vorgestern war seine Quarantäne abgelaufen und heute hielt er den feierlichen Einzug nach feinem Land- gute Sidi Ismael, welches zwischen Tunis und Bardo, der Residens des Bey, liegt. Die ersten Mit- glieder des Divans zu Pferde bewillkommten ihn auf der Hälfte der Weges, zwischen hier und der Gouletta. Eben so rückten 3000 Mann ihm zum Willkomm ent- gegen und brachten den Abgesandten in feine Wohnung. Der Zug war schön geordnet: Voraus kamen die Mit- glieder des Divans, alte ehrwürdig aussehende Männer, dann erschien der Sachab Ettaba, auf einem reich, geschmückten Pferde, in der neuen Uniform eines Gene- rals, blau, mit goldnen Epaulettes, in der rechten Hand einen blau seidenen Beutel, in welchem sich der Firman, Bestätigungsschreiben, des türkischen Kaisers befand, in der linken Hand ebenfalls einen blau seidenen Beutel 174 ------ haltend, in welchem sich der Degen befand, den der Großherr dem hiesigen Bey sendet. Gestern war die feierliche Anerkennung des Bey. Dieß zu sehen ging ich nach Bardo, der Residenz. In dem großen Vorhofe des Schloffes war der Thron aufgestellt. Gegen 8 Uhr erschien der Bey, umgeben von allen Prinzen, denen seine fünf Scharfrichter in rother Uniform folgten. Während der Bey den Thron bestieg und sich setzte stellten sich die Prinzen zur Rechten und die Scharfrichter zur linken Seite und die Großen des Reichs. Jetzt sprach der Oberscharfrichter mit lauter Stimme einen Segen. Die Großen des Reichs naheten sich und küßten dem Bey die Hand. Hierauf erschienen alle Mitglieder des Divans bestehend aus 300 Autopafchas und 400 Bulkpaschas. Die ganze Regierung ist nämlich tür- kischen Ursprungs und deswegen müffen auch alle Mit- glieder des Divans Militärs und desselben Ursprungs feyn. Sobald der Knabe, dessen Vater von türkischen Blute ist, geboren wird, hat derselbe schon von der Re- gierung einen Nasri, Pfennige, täglicher Löhnung. Ist der Knabe 15 Jahre alt, so wird er als Soldat eingeschrieben, und erhält täglich 4 Nasri. Hat er eine Zeitlang gedient, so kann er zum Autopascha und in der Folge zum Bulkpascha erhoben werden, und ist sodann Mitglied des Divans. Früher war das __175 stehende Militär türkischen Ursprungs, man nahm keinen Mauren dazu, und noch jetzt sind alle Vestungen im Lande von Türken besetzt. Da aber gegenwärtig die Armee neu organisiert und gegen 5000 Mann allerley Volks zählt, so verlieren die türkischen Milizen immer mehr Einfluß und werden wahrscheinlich mit der Zeit ganz aufgehoben werden. Früher waren die Mitglieder des Divans sehr sonderbar gekleidet; jetzt ist aber alles nach dem Muster des Großherrn vereinfacht und sie er schienen diesesmal ohne Turban, mit der rothen, Mütze, Schaf.chia. Als der Divan eingetreten war, kamen alle Officiere und Unteroffiziere der beiden nun bestehen den neuen Regiementern, zuletzt die europäischen Kons fuln. Nur die Mitglieder des Divans hatten Sitze. Als alle Personen, die zur Aufwartung kamen, um den Thron versammelt waren, wurden die Fahnen und die Roßschweife hereingebracht. Jetzt erst erschien der Sachab Ettaba, mit dem aus Konstantinopel mit- gebrachten Ehrenkleid, bestehend aus einem Ueberrock und Mantel. Der Bey zog diese Kleidung sogleich an. Hierauf wurde der von dem Sultan überschickte Orden aus Brillanten angeheftet; so wie auch der neue Degen umgürtet, der Firman des Großherrn abgelesen und noch mehrere andere Glückwünschungsbriefe, die für den Bey aus Konstantinopel angekommen waren. Die Versamm- 176 lung wurde zum Handkuffe zugelaffen. Auch die euro päischen Konsuln naheten sich. Seiner mahomedanischen Hoheit, die Hand zu küssen. Militärmusik ließ sich hö- ren und Kaffe wurde herum gereicht. Es ist übrigens Sitte bei jeder außerordentlichen Feyerlichkeit die christ- lichen Konsuln nach Hofe zu laden. Im vorigen Jahre war dieß bei der Hochzeit eines Prinzen des verstorbenen Bey der Fall, der zu seinen vier Frauen noch eine Fünfte nahm. Die Braut war die Tochter des Safch Mufti, Obersten der Geistlichen. Am Tage vor der Hochzeit waren die Konsuln geladen. Der englische Konsul, der nicht beiwohnen wollte oder konnte, gab mir einen Wagen, und ich fuhr mit den hier anwesenden Konsuln nach der Residenz. Angelangt am Hofe, fuhren wir durch einen gedeckten Bogengang, der bis zum Eingang des Vorhofes führte, wo rechts und links eine Menge bewaffneter Mameluken sich befanden. Im großen Vorhof vor dem Palast stiegen wir ab, und fanden eine große Anzahl Araber und Mauren, die ge- kommen waren dem Bey Glück zu wünschen. ir wurden in das Zimmer des ersten “ führt. Bald daranf wurde uns kund gethan, der Bey fey bereit uns zu empfangen. Man führte uns in das Innere des Palastes, in des Bey großen Prunk- saal. Vor dem Eingang desselben faßen eine Menge Sklavinnen welche fangen und Musik machten. Der Saal, in den wir jetzt eintraten, hatte keine Fenster und war nur durch ein einziges Wachslicht erleuchtet. Als ich daher eingetreten war, konnte ich fast gar nichts wahrnehmen und tappte wie ein Blinder. Indeffen währte diese Duns kelheit nur einige Augenblicke. Ich fah bey den schwa- chen Kerzenschimmer den Bey im Hintergrunde auf einem Throne sitzen. Er war in blauer Seide gekleidet, hatte einen goldnen Dolch im Gürtel und einen großen Bril- lant am Finger, der in dem dunklen Zimmer ein herr liches Farbenspiel entfaltete. Die Konsuln naheten sich jetzt Seiner mahomedanischen Hoheit und küßten die äus fere Fläche der Hand. Diese zu küßen ist nur den Chris ften vergönnt; während den Mahomedanern die innere Fläche dargereicht wird, Auch mir wurde diese Ehre zu Theil. Hierauf setzten wir uns rechts und links zur Seite des Bey. Jetzt hatte ich Muße mich ein wenig umzusehen. Welche Ueberraschung! In den ersten Aus genblicken glaubte ich mich in einen Feenpalast versetzt. Die Wände des Saals waren mit goldgestickten Tape- ten behängt und eine Menge reich geschmückter Frauen standen längs den Wänden. Dolche, Säbel, Flinten, alles mit Gold und Edelsteinen geziert hingen vor uns. Uhren, feines Porzellan, alle Arten fein gearbeiteter eu- ropäischer Möbeln standen bund durch einander, und 12 178 *---- der Fußboden war mit den kostbarsten Teppichen belegt. Die Dunkelheit des nur sparsam erleuchteten Saals, das Glittern und Glänzen des Goldes und der Edelsteine, das immerwährende Bimeln und Schlagen an den Uh- ren, die Anwesenheit des ganzes Hofes, der christlichen Konsuln, des Bey mit allen feinen Nachkommen, machte einen wundersamen Eindruck auf mich. Nach einer Pause wurden Erfrischungen herumgereicht und während wir davon nahmen und aßen, ließ sich die Militärmu- fik, welche außerhalb des Saals aufgestellt war, hören. Der Bey that einige unbedeutende Fragen an die Kon- fuln, welche eben so unbedeutend beantwortet wurden. Eine halbe Stunde mochten wir in diesem Zaubersaal zugebracht haben, als der Bey aufstand und dadurch das Signal gab, daß die Audienz vorüber wäre. Hierauf wurden wir durch alle Zimmer des Harems geführt und sahen alle Kostbarkeiten in denselben. Unter allen aber zeichnete sich das Zimmer der Braut sowohl an Schön- heit, als auch an Reichthum aus. Als wir unsere Wan- derung gemacht und zurück kamen, fanden wir den Bey und seinen Hof in einer großen Halle stehend, wo er uns huldvoll entließ. An demselben Tage des Abends 3 Uhr hielt die Braut ihren Einzug in den Pallast. Die Straße von Tunis nach Bordo war auf beiden Seiten von Neugierigen besetzt, die den Ein- zug sehen wollten. Die Araber hielten ein Pferderennen und ergötzten sich an ihren Nationalspielen ebenfalls auf der Straße nach Bordo. Das Rennen und Spiel bei steht vorzüglich darinn, daß sie auf ihren Pferden pfeil- fchnell dahin sprengen, während des Reitens ihre langen Flinten laden uud abfeuern. Um drei Uhr verließ der Zug mit der Braut die Thore von Tunis und bewegte sich langsam nach Bordo. 28 geschloffene Wägen, in welchen die weiblichen Verwandten der Braut saßen, er- öffneten ihn, ihnen folgte der Wagen der Braut, gezogen durch acht Maulthiere und jedes derselben von zwei Trabanten geleitet. Um diesen Wagen schwärmten be- ständig Wachen zu Pferd. Jetzt folgten eine Menge Wagen und Pferde, welche den Zug schlossen. Am fol- genden Morgen wurden die Frauen der Konsulm gela- den, um die Braut zu beleben, eine Gunst die den Männern nie gestattet wird. Die Damen wurder alle köstlich bewirthet nnd ins Zimmer der Braut geführt. Diese saß auf einem erhabenen Throne, einer Statue gleich, mit geschloffenen Angen und beladen mit Edel feinen. Sie durfte sich nicht bewegen, die Augen nicht öffnen; sondern mußte sich den ganzen Tag begaffen las fen. Bald nach dieser Vermählung wohnte ich der Hoch- zeit des damaligen Sachab Ettaba bey, welcher von dem Bey eine feiner Töchter zur Frau erhielt. Bey die 12 * 180 der Vermählung trug sich ein sonderbarer Umstand zu. Als der Sachab Ettaba mit seiner Gemahlin zum erstenmale ins Zimmer ging, fo trat diese ihn auf den Fuß, Dieß ist ein Zeichen der Demüthigung, und bei deutet, der Mann fey ein Sclave der Frau, fiel eine Prinzefin vom Geblüte und Gebieterin. So verstand es auch der stolze Minister. Zornig verließ er das Gemach, begab sich auf der Stelle zum Bey und for- derte Rache für die eben wiederfahrne Beleidigung. Der Bey und der ganze Hof geriethen in die größte Be- stürzung. Sogleich vernahm der Bey alle seine Frauen, um auszumitteln, welche der jungen 13 jährigen Prin- zefin dieß angerathen habe. Es ergab sich, daß es die Schwester war, die ebenfalls an einen ehemaligen Scla- ven, der sich zur hohen Würde emporgeschwungen hatte, verheirathet war. Die Frauen wurden bestraft und der beleidigte Minister verließ noch an demselben Tage Tunis und begab sich ins Innre, um Geld zu erpreffen. Dieß geschieht auf folgende Weise. Zweimal des Jahres wer- den die Abgaben eingesammelt. Der Minister verläßt mit ungefähr 200 Mann Tunis und damit rückt er ins Innere. So wie er aber vorwärts schreitet, so verstärkt sich feine Mannschaft, indem sich immer mehrere Araber zu ihm gesellen. Am Ziele seiner Reise angelangt, hat der Minister ein Korps von 1000 bis 1500 Mann 181 beisammen, das sich aber auf gleiche Weise wieder ver. liert, je näher es Tunis kommt. Dadurch kommt jährlich zweimal eine bedeutende Summe in die Staats- kaffe. Der Bey bezieht aber auch noch von allen ein geführten Waaren einen Zoll von 5 Prozent. Es herrscht aber dabei der sonderbare Unterschied, daß die mahome- danische Geistlichkeit, ein großer Theil von ihr gehört zum Kaufmannsstande – und die Europäer nur 3 Pro- zent, Juden und Mahomedaner aber 5 Procent entrich- ten müffen. Allein diese wissen den Bey zu hintergehen, indem beynahe alle Waaren von Auslande an christliche Kaufleute gesendet werden, welche eine Kleinigkeit für ihre Bemühung nehmen nnd der Bey erhält demnach nur 3 Pro- zent. Dem Bey gehört ferner der vierte Theil aller Landes- produckte. Würde dieses Reich wie Deutschland angebaut feyn, so wäre der Ertrag, bey dem ausgezeichnet fruchtbar ren Boden, unermeßlich. Allein diese Abgabe ist Ursache den ohnedies trägen Mauren und Araber noch träger zu machen. Sie sagen: warum sollen wir uns das ganze Jahr hindurch plagen, um des Bey willen? Und so ge- schieht es, daß ganze Strecken des Landes öde liegen blei- ben. Um die Segnungen des Evangeliums gehörig fchä- zen zu lernen, nicht nur in religiöser, sondern auch in bür- gerlicher Beziehung; muß man in das Land des Halbmon- des kommen und hier den Greuel der Verwüstung sehen! XXIII. Tunis, den 1. Dezember 1835. Gouletta, oder wie die Mauren diesen Ort nennen; Chalk Elwed, die Gurgel des Fluffes; weil er an der Mündung des Kanals liegt, der das Meer mit dem See von Tunis verbindet, ist der Hauptlan- dungsplatz aller Schiffe, die aus Europa oder sonst woher kommen. Der Platz ist deshalb befestigt und hat zwei Reihen Batterien, welche mit einer Menge Ka- nonen besetzt sind. Allein da sie beständig der Sonnen- hitze und dem Regen ausgesetzt sind, nie gereinigt wer- den, so befinden sie sich in schlechtem Zustande. Sie werden nur sehr selten gebraucht, und nur in dem Falle, wenn ein fremdes Kriegsschiff begrüßt werden soll. Hier befindet sich eine Garnison von etwa 200 Mann, das Zeughaus der Regierung und das Gefängniß der Verbrecher. Mehrere Christen und einige jüdische Fami- lien haben sich des Handels wegen hier angesiedelt. Ein Gouverneur wohnt hier, der die Aufsicht über die, von den Mauren sehr wichtig gehaltene, Festung hat. Nach 183 meiner Ansicht aber kann dieser Ort nicht über zwölf Ladungen europäischer Kriegsschiffe aushalten. Da hier kein eigentlicher Haven ist, fo müffen alle ankommenden Schiffe in offener See, nicht weit von Gouletta, an kern. Dies ist oft sehr gefährlich und insbesondere des Winters. Bei meiner Ankunft sah ich noch einige Trüm- mer von Schiffen, die kurz vorher durch Sturm verun- glückten. Vor einigen Jahren hatte der verstorbene Bey das Unglück an dieser Stelle durch Sturm seine ganze Flotte zu verlieren. Kommt ein Schiff vom Ausland an, so begiebt sich der Kapitän ans Land und berichtet dem Gouverneur, woher er komme, wen und was er geladen habe. Von ihm hängt die Erlaubniß zu lan- den ab. Ist die Erlaubniß ans Land gehen zu dürfen ausgewirkt, so fährt man in einem Boote durch den Kanal in den See von Tunis und gelangt in wenigen Stunden bis vor das Thor der Hauptstadt. Dieser See ist 5 Meilen lang, 2 breit und bedeckt einen Theil der Ruinen des alten Karthagos. - Tunis hat ohngefähr 5 englische Meilen im Um- fange. Es gränzt nördlich an seinen See, westlich an die Ruinen von Karthago, östlich an den großen Be- gräbnißplatz und füdlich an die Kafuba, oder ehema ligen Residenz des Bey. Der längste Durchmesser ist von Westen nach Osten, während derselbe von Norden nach Süden kaum eine halbe Meile betragen mag. Die Stadt ist in drei Theile abgetheilt: Medina, die Stadt; Babs wik und Bab el Bechar; zwei Vorstädte. Die eigentliche Stadt, Medina, wird durch eine hohe Mauer mit 5 Thore von den Vor- städten getrennt. Das Ganze aber wird nochmals mit einer Mauer, hie und da mit sich selbst überlaffenen Kanonen besetzt, und von 11 Thore umgeben. Jeder Stadt theil hat einen eigenen Scheick el Medina, Polizei- Direktor, der namentlich die Aufsicht während der Nacht hat. Die Straffen find hier breit und ziemlich gut ge- halten, worauf in der neuesten Zeit sehr gesehen wird. Die meisten können mit Wagen befahren werden, und dieß ist besonders in der eigentlichen Stadt der Fall. Da Tunis das Haupt des Landes ist, und hieher fast alle Erzeugniffe des Innern kommen und hinwiederum die Bedürfniffe für das Innere aufgekauft werden: so gleicht die ganze Stadt einem großen Markte. In den Vorstädten befindet sich der Obst- und Gemüse-, der Butter- und Eier-, der Oel- und der Geflügel-, der Vieh- und der Pferde-, der Kohlen- und Holz-, der Häute - und der Segeltuch- c. c. Markt. Jeder der - Märkte hat einen besondern Aufseher, Omin, der die Zölle einsammelt, welche von der Regierung an den Meistbietenden verpachtet werden. Im innern der Stadt _ 185 ist der Spezereimarkt einer der schönsten; sodann der Silber-, Gold-, Juwelen-, Schuh-, Kleider- und Sclavenmarkt. Der Handel wird hier ganz anders be- trieben, als in Europa. Jeder Markt hat einige eigne Mäkler. Des Morgens 0 Uhr find die Waaren zum Verkauf ausgelegt. Die Kaufslustigen erscheinen, stellen sich links und rechts auf; während die Mäkler die Waare ergreifend, damit auf- und abgehen, rufend: so viel kostet dieses Stück, wer giebt mehr? Dem Meist- bietenden wird sie zugeschlagen. Gegen 11 Uhr ist aller Markt vorüber und die nicht verkauften Waaren werden dem Eigenthümer zugestellt, um morgen abermals in Handel zu kommen, Eine eigenthümliche Einrichtung hat es hier auch in Beziehung auf die verschiedenen Handwerker. Diese wohnen nicht bunt durcheinander, sondern jegliche Zunft bewohnt eine eigene Straffe. Hier werden Schuhe ver- fertigt, und man sieht in der ganzen Straffe nur Häu- fer von Schuhmachern bewohnt; dorten werden Kleider verkauft, und in der ganzen Straffe wohnen nur Schnei- der c. c. Jedes Handwerk hat einen Zunftmeister, die Kaufleute werden auch als Zunft behandelt, und Kla- gen gegen einzelne Handwerker, als solche, werden vor den Zunftmeister gebracht. Alle Zunftmeister zusammen 186 bilden eine Art von Handelsgericht, das über das Wohl der Untergebenen wachen soll. Die Anzahl der Bewohner ist sehr schwer auszu- mitteln. Da weder Geburts- noch Sterberegister ge- führt werden, und jeder Mahomedaner oder Jude hier über befragt, ausweichende Antwort giebt, weil sie es für Sünde halten, die Volkszahl zu zählen. Man hat daher durchaus keinen sichern Anhaltspunkt. Bei meiner ersten Ankunft sagte man mir, es mögen an 120.000 Seelen hier feyn; allein ich bin der Meinung, daß deren sicher an 200.000 hier sind. Meine Beob achtungen stützen sich auf die wogende Menschenmenge in den Straffen, und auf die bedeutende Anzahl der Häuser, mehr als 12000. Ich sah das Innere man cher, in denen 50 – 60 Personen leben und diese Häu- fer find keine von den übervollsten. Die Einwohner von Tunis find Mauren, Ara- ber, Türken, Neger, Juden und Christen. Die Kleidung der Mauren besteht in ein paar sehr weiten Beinkleidern, eine runde Weste, über welche eine andere gezogen wird, die gewöhnlich mit vielen Goldstickereien geziert ist. Um die Hüften liegt ein Gürtel, und je nach dem Besitzer, bald mehr bald weniger kostbar. Strümpfe werden sehr selten und nur von alten Per fonen getragen, die Füße sind gewöhnlich nackt in Pan- 187 toffeln. Ueber das Ganze wird der Kaftan, eine Art Ueberrock getragen, Sobald der Jüngling 22 Jahre erreicht hat, erhält er den Turban und läßt den Bart, die schönste Zierde des Mannes, wachsen, je länger die fer ist, desto größer ist die Schönheit. Die hiesigen Mauren find ein sehr höfliches Volk, und ihre Begrüßung nimmt fast kein Ende. Wie gehts? Wie steht das Be- finden? Bist du wohl? Ist kein Uebel dir nahe? Nicht wahr es geht dir gut? Ja, Gottlob, es geht dir gut? Der Gegrüßte antwortet: Gottes Segen auf dir! Gott gebe dir Frieden! Gott verlängere deine Tage! Gott verlängere deine Jahre! Gott gebe dir Gutes! Diese Redensarten werden sehr schnell hinter einander gesprochen, und da immer einer den andern übertreffen will, fo werden sie so oft wiederholt, daß es für einen Euro päer eine wahre Last wird, Die Beschäftigung der Mauren ist mancherlei. Viele sind Güterbesitzer in der Nähe und in der Ferne, und haben eine Menge Sclaven, und leben, so lange die Regierung sie in Ruhe läßt, herrlich und in Freu- den. Andere gehören dem Kaufmannsstande an, welcher ein Lieblingsgeschäft der Mahomedaner zu seyn scheint. Andere haben eine Art Seidenfabrik, und verfertigen vielerlei Seidenzeuge. Sehr viele geben sich mit Verfer- tigung der rothen Mützen, Schafchia, ab, welche sehr 188 berühmt find und weithin versendet werden. Flinten, Pi- stolen, Säbel werden in Menge hier verfertigt und gehen ins Innere. Der Verkehr mit den innern Theilen ist in der That außerordentlich. Im vorigen Jahre kamen über 400 Schiffe hier an. Der Großhandel aber ist groffentheils in den Händen der Europäer, welche sich ungeheure Reichthümer erwerben. Die Ausfuhr besteht in Oel, Wachs, roher Häute, Wolle, zuweilen auch in Getraide, Der Maure bleibt selten in seinem Hause, derje- nige, der keinen Laden hat, bringt seine Zeit auf dem Kaffehaus zu. Selbst an ihren Festtagen mögen fie nicht zu Hause bleiben. Als ich einst einen bekannten Mauren fragte: warum er denn heute an seinem Feier- tage nicht zu Hause bei seinen Frauen und Kindern bliebe? Antwortete er: Zu Hause habe ich immer Lan- geweile, hier sehe ich doch Leute vorübergehen. Die Frauen der Mauren gehen höchst selten über die Straffe, und thun fie das, so find sie dergestalt eingehüllt, daß man wähnt es bewege sich irgend eine umhüllte Maschine. Im Hause tragen sie gewöhnlich ein paar weite kurze Beinkleider, wie der Mann, über welche sie ein feines weites Hemd werfen, das nur bis an die Hüfte reicht. Zuweilen wird über das Hemd eine kurze, reich mit Gold gestickte, Weste gezogen, und 189 über diese der Kaftan, eine Art Oberkleid mit halben Aermeln, der bis an die Knie reicht. Alle Finger find voll Ringe, Arm und Füße mit Goldbändern geziert, das Haar zierlich geflochten und mit Juwelen besteckt. Da sie weder Schule noch Moschee besuchen, so find sie sehr unwissend und werden im Hause als eine Art Obersklavin betrachtet. Der Maure begnügt sich hier selten mit einer Frau, die Meisten haben deren 4, und die Reichen haben so viele als sie ernähren können oder wollen. - Das Innere der Häuser ist prächtig, überall glänzt es von Gold und Silber und da die Mauren sehr viel auf Bequemlichkeit halten; so fehlt auch zu dieser gar nichts. Allenthalben im Hause finden sich Ruhekiffen, Sophas, weiche Lager c.; allein was wir Europäer für ganz unentbehrlich halten, das findet sich nirgends. Kein Meffer, keine Gabel, kein Löffel, kein Tisch c. ist zu sehen. Jeder, von dem Geringsten bis zum Vor- nehmsten ißt mit den Fingern. Ich wurde gleich nach meiner ersten Ankunft von einem Mauren, zu Gastege- laden. Die Tafel war reichlich besetzt. Vor dem Effen kam eine Sklavin, welche den Gästen Waffer über die Hände goß und ein Tuch zum Abtrocknen reichte. Hier- auf setzte sich die ganze Tischgesellschaft, welche natürlich nur aus Männern bestand, nieder. Vergebens sah ich 190 mich nach einem Löffel um, und als ich auf dem gan- zen Tische keinen wahrnahm, beobachtete ich meine Nachbarn und machte es, wie diese. Jeder brach sich - ein Stück Brod von dem breiten Kuchen ab und ge- brauchte dieses als Löffel, fuhr damit zur Schüffel und als er genug Suppe genoffen hatte, aß er feinen Löffel hintendrein. Ich machte es auch also, und es ging. Als aber der Hauswirth mit feinen Fingern in die Schlüffel fuhr, ein großes Bein herausbrachte, das Fleisch mit den Fingern losmachte und mir solches vor- legte, da verspürte ich eine sonderbare Regung im Ma- gen und konnte durchaus nicht mehr effen, - Nur um den Wirth nicht zu beleidigen, that ich als ob ich äße. Nach Tische kam die Sklavin abermals, um uns die Hände zu waschen. - Türken hat es hier seit der letzten Revolution, vor 18 Jahren, nur noch wenige. Doch geniesen sie noch immer viele Vorrechte. Die meisten Staatsdiener gehören zu dieser Nation, der Divan und insbesondere alle höheren Militärstellen sind durch sie besetzt. Araber hat es eine bedeutende Anzahl zu Tunis. Sie kommen aus dem Innern, halten sich hier als Ar- beiter, Taglöhner, Knechte c. auf. Ihre Anzahl kann durchaus nicht ermittelt werden; weil sie sich nur einige 191 Jahre aufhalten , dann in die Heimath zurückkehren, eine Zeitlang ausbleiben und wieder hieher kommen. Die Anzahl der Juden ist sehr bedeutend; aber auch diese können nicht genau angegeben werden; doch mögen es an 30 bis 40000 Seelen sein. Der Bey ist natürlich die höchste Behörde des Landes; indessen erstreckt sich feine Hoheit nur über die Städte des Reiches. Die Araber im Innern haben ihre eigene Regierungsform, werden von ihrem Scheick regieret, und der Tribut, den sie dem Bey zu entrichten haben, muß immer mit Gewalt eingefordert werden. In Tunis steht nach dem Bey und Divan, der Gouverneur, Dou- letti, an der Spitze der städtischen Obrigkeit, und in gewiffen Fällen kann von ihm nicht einmal an den Bey appelliert werden. Geht dieser aus, welches höchst selten, und nur dann geschieht, wann er die Moschee besucht; so schreitet vor ihm her ein Ausrufer, welcher ruft: Gott fegne unsern Herrn! Ein großes Gefolge bildet seinen Nachzug. Nach dem Gouverneur folgt der Aga der Kasuba, der Aga des Stuhls; der Kahieder el Pafcha und dann der Scheik el Medina. Jeder dieser Beamten hat seine eigene Mameluken jeder entscheidet als unabhängiger Richter. Und bei der Par- thei steht es, vor welchen sie ihre Klage bringen wollen, vor einen der fünf Beamten, oder auch vor den Bey. 1992 Das geistliche Gericht, vor welchem sich auch der Bey beugen muß, besteht aus einem Pascha Mufti, 6 Mufti und 2 Kadi. Der Pascha Mufti führt immer den Vorsitz. Da sich hier die Muselmänner in die zwei Hauptfekten des Mahomedanismus theilen, in Malakia und Hanafia; so hat jede Sekte 3 Mufti uud einen Kadi, welche die Angelegenheit ihrer Sekte besorgen. Der Pafcha Mufti gehört jedesmal der Sekte an, zu welcher sich der Bey bekennt. Zur Sekte der Malakia gehören alle Mauren und Araber, zur Sekte der Hanafia die Türken und ihre Nachkommen aus gemischten Ehen. Beide sind eif rige Anhänger des Koran und trennen sich nur im Ze- - remonialgesetz. Unter dem geistlichen Gericht steht die übrige Geist- lichkeit, 500 an der Zahl. Sie sind Erklärer des Ko- rans, Ausleger des Gesetzes, Professoren der hohen Schu- le und Angestellte an den verschiedenen Moscheen, der ren es sehr viele hier hat; aber nur zwei derselben zeich- nen sich durch ihre Größe als auch durch ihre Berühmt- heit aus: eine den Malakia und eine den Hana- fia gehörend. An ersterer Moschee sind 150 Geistliche, Alama geheißen, angestellt. In dieser werden auch oft Vorlesungen von den Gelehrten gehalten, Die Ho- heschule zu Tunis besteht aus 30 Kollegien mit etwa 193_ 800 Studenten, die in denselben wohnen und verpflich tet sind die Vorlesungen der Professoren zu hören. Alle Wiffenschaften, sagen die Mauren, werden hier cultivirt; nur allein Medicin nicht. Alle Gelehrten und Alama erhielten ehemals ihre Besoldung aus dem Bett el mal, Geldhaus, so wie die Studenten ihren Unterhalt. Eine Stiftung, wohin das Vermögen derer fließt, die ohne Erben sterben, oder auch aus ansehnlichen Vermächtnis- fen frommer Mohamedaner. Vor einigen Jahren aber, als der Bey in Verlegenheit war, zog er die Güter und Einkünfte dieses Instituts ein, und setzte den Pro- fessoren Besoldungen aus, versprach auch für den Unter- halt der Studenten zu sorgen. Dies ist aber so gering ausgefallen, daß die meisten Professoren nicht mehr le- fen und die armen Studenten sich jetzt selbst überlaffen, herum schwärmen, Muthwillen treiben und nichts thun. Die Unwissenheit des Volkes ist bedauernswürdig und selbst die Gelehrten sind nicht besser daran. Ge- schichte, Georgraphie, Astronomie sind ihnen ganz unbe- kannte Gegenstände. Sie richteten deshalb oft Fragen an mich, über welche bei uns ein Knabe lachen würde. Wie viele Jahre ich, z. B., auf dem Meere habe sein müffen, bei meiner Hieherreise? Oder, ob nicht der Sultan der Herr der ganzen Welt fey? Deshalb sind sie auch dem lächerlichsten und schrecklichsten Aberglauben 13 194 heimgefallen. Es wimmelt von Wahrsagern, Schwarz- künstlern, Geisterbannern und Amulettenschreibern. Er- fere find großentheils Frauen, welche in den Straffen herumlaufen und beständig schreien: Da gafi, Dagafi! Wahrsagerin! Die Leichtgläubigen laffen sie ins Haus kommen und hören von ihnen ihr Glück. Fast in je- dem Hause ist ein Poltergeist, oft kann dieser nicht ge- bannt werden, die Bewohner verlaffen in diesem Falle fammt und sonders das Haus, und niemand würde es mehr wagen in dasselbe einzuziehen. Das Haus bleibt also leer stehen und wird mit der Zeit eine Ruine. Auf diese Weise ist fast der sechste Theil der Stadt zur Ruine geworden. Ein fchrecklicher Aberglaube ist auch dieser, daß die Mohamedaner die Wahnsinnigen für Heilige halten. Solche Heilige gibt es theils wirkliche, theils verstellte und zwar männliche und weibliche. In den sonderbar- ften Kleidungen durchziehen sie die Straffen, oft halb, oft ganz nackt. Man gibt ihnen Geld und Speisen, und hält es für das größte Glück von einem solchen Heiligen berührt zu werden. Nach ihrem Tode werden Kapellen über ihr Grab errichtet, und diese sind dann Zufluchtsörter für Verbrecher. Einmal dieses Heilig- thum erreicht zu haben, ist auch der größte Verbrecher ficher und selbst der Bey kann einen solchen nicht heraus 195 nehmen laffen. Der Verbrecher wird in der Kapelle ernährt bis er begnadigt wird oder stirbt. Doch wenn ein Mörder dahin flüchtet, so hat der Bey das Recht ihn in der Kapelle einmauern zu laffen. Es gibt hier eine große Anzahl solcher Zufluchtsörter. Eine Straffe ist ganz damit angefüllt und heißt deswegen heilige Straffe. Doch der berühmteste Ort dieser Art ist 12 englische Meilen von Tunis, auf einem der drei Hügel, wo ehemals Karthago stand, Sidi Bufet ge- heißen. Wer diesen Ort erreichen kann ist allen Ver- folgungen enthoben. Es geschieht auch zuweilen, daß diese Heiligen mit Fahnen, Trommeln und Pfeifen durch die Straffen der Stadt ziehen, und dieß ist ein gräßlich schaudererregender Anblick. Während die einen trommeln und pfeifen, tanzen die andern, wobei sie die Augen und die Glieder verdrehen, und die scheußlichsten Geber den machen, 13 * 196 - – XXIV. Tunis, den 12. Dezember 1835. Die herrliche Frühlingszeit ist da und dauert noch bis zu Ende des kommenden Monats Januar. Alles grünt und blüht und das Herz erfreut sich Gottes schö- ner und freyer Natur, die aber auch wunderschön ist. Ich besuche in dieser herrlichen Jahreszeit die Umgegend von Tunis fehr oft, Die herrlichen Gärten und die schönen Landhäuser machen einen wohlthätigen Eindruck auf mich. Zuweilen treffe ich Mohamedaner vor ihren Landhäusern, die in gemächlicher Rnhe sitzend, ihre Pfeife schmauchen. Ich geselle mich zu ihnen und wir sprechen dann von allerlei gleichgiltigen Begebenheiten, bis wir endlich auch auf religiöse Materien kommen. Vor eini- gen Tagen ging ich schon sehr frühe zum Thore hinaus. Versunken in die herrliche Landschaft mochte ich vielleicht eine Stunde gegangen seyn, als ich vor dem Landhause eines vornehmen Mauren fand, der mit einem Gelehr- ten in der Nähe des Hauses auf dem weichen Rasen saß, seine Pfeife schmauchte und sich mit ihm unterhielt. 197_ Ich trat hinzu, wurde zum Niedersitzen eingeladen, wel ches ich auch gern that. Unser Gespräch lenkte sich bald auf die Religion. Der Gelehrte bat, ich möchte ihn die Anzahl unserer göttlichen Schriften angeben. Ich that es und hob den Inhalt derselben ganz kurz heraus, Als ich geendet hatte, wunderte sich der Mohamedaner nicht wenig über die geringe Anzahl derselben, und sagte mir: wir Moslemim haben deren nicht weniger als 104, welche von Gott durch den Engel Gabriel den Prophe ten gegeben wurden, Zehen dieser Bücher erhielt Adam; 50 Seth; 30 Henoch; 10 Abraham – diese Väter halten die Mohamedaner alle für Propheten –; die Thora erhielt Moses; die Psalmen der König David; das Evangelium der Propheten Jesus und endlich der Pro- phet Mahomed den Koran, der von Ewigkeit, und nicht geschaffen ist. Alle diese Bücher feyen unter Mohame- danern anzutreffen, versicherte mich dieser Gelehrte. Ich aber sah nur die Bücher, die Adam erhalten haben soll. Die Mohamedaner zählen aber auch nicht weniger als 124,000 Propheten und Gesandten Gottes an die Menschen: machen aber einen Unterschied zwi- fchen einem Propheten und einem Gesandten Gottes. Der Prophet Nabi, sagen sie enthält zwar eine Offen- barung Gottes, aber nur für sich, die er mitzutheilen nicht nöthig hat. Dagegen der Gesandte Gottes, Ra- 198 fuhl, werde immer zu einem Volke gesendet und zwar mit einem bestimmten göttlichen Auftrag an dieses Volk. Jede Nation hatte einen Gesandten Gottes gehabt. Mo- hamed ist der letzte, größte und beste Prophet gewesen. Dieser ist mit dem Koran zu allen Menschen von Gott gesendet; auch zu den Geistern. Es giebt deren, welche gläubig und deren welche ungläubig sind. Salomon aber ist das Oberhaupt aller Geister, von welchem eine Menge Fabeln erzählt werden. Auch eine Menge von Heiligen zählen die Moslemim. Der größte ist Abu- bekar, Schwiegervater Mohameds, diesem folgt Omar diesem Osman nnd diesem Ali. Engel gibt es in der mohamedanischen Theologie gute und böse. Die guten werden in verschiedene Klaf fen eingeheilt. Einige umgeben den Thron Gottes; an- dere sind auf der Erde; andere im Himmel; einige ste- hen immerdar; andere liegen und wieder andere knieen. Einige singen immer Loblieder zur Ehre Gottes; andere haben den Auftrag alle Handlungen der Menschen nie- derzuschreiben. Der Engel Gabriel ist der größte, stärkste und schnellste. In einer Stunde legt er die Reise vom Himmel zur Erde zurück. Er ist so stark, daß er mit einem feiner Flügel Berge versetzen kann. Er ist auch derjenige Engel, welcher Menschen im Na- men Gottes straft. Der Engel Agrail empfängt die 199 Seelen der Menschen nach dem Tode und Israfil hat die Posaune in Verwahrung, mit welcher er am jüngsten Tage blafen wird. Die bösen Engel, an deren Spitze Eblis steht, verführen die Menschen, Keine Lehre aber ist schrecklicher als die mohame- danische Lehre von der Prädestination. Das erste was Gott geschaffen, sagt ihre Glaubenslehre, ist die Feder, dann die Tafel, Luach, und dann befahl Gott der Feder die Schicksale aller Menschen auf die Tafel zu schreiben. Auf dieser Tafel nun stehe. Alles, was von Ewigkeit her geschehen ist und in alle Zukunft geschehen wird. Die Frömmigkeit der Gläubigen und ihre guten Handlungen sind voraus gesehen worden, gewollt, bestimmt verordnet, und gegraben auf die Tat fel, hervorgebracht, gut geheißen und geliebt von Gott. Ebenso ist der Unglaube der Gottlosen, die Laster und alle schlechten Handlungen derselben von Gott vorausge- sehen, gewirkt durch Gottes Willen und durch ihn her- vorgebracht. Diese Handlungen werden aber weder von Gott gut geheißen, noch mit Wohlgefallen betrachtet. Gott sieht voraus, will, bringt hervor, liebt und gibt den Glauben, die Frömmigkeit und alles, was gut ist; allein er liebt nicht die Gottlosigkeit, den Unglauben und alles, was böse ist; obschon er im Voraus sieht, wirkt und will die verschiedenen Werke. Daher ist nach 200 1. - t EA diesen Grundsätzen das Gute und das Böse von Gott voraus bestimmt, durch ihn hervorgebracht und von ihm gewollt. Daher kommt es, daß die Mohamedaner sich nicht mit dem Studium der Medizin befassen, keine An- falten gegen Pest, Cholera c, herstellen wollen; denn Alles ist ja vorher bestimmt. Daher aber auch ihre persönliche Tapferkeit gegen den Feind; denn keine Ku- gel trifft und kein Säbel schneidet, es sei denn von Gott voraus bestimmt. 201 XXV. Tunis, den 18. Dezember 1835. Vorgestern machte ich einen kleinen Ausflug nach Abdulia, dem schönen Landsitz des englischen Konsuls, Diese herrliche Residenz liegt 10 englische Meilen von der Stadt entfernt in einer sehr fruchtbaren Ebene, an welche sich Hügel reihen, die voll der köstlichsten Frucht- bäume stehen. In der Nähe dieses Landsitzes traf ich einige Mauren. Unsere Unterhaltung kam bald zu dem Punkte, über den sich die gelehrten Mauren vorzüglich - gerne mit Christen unterhalten. Ich habe noch keinen Mohamedaner gesprochen, der nicht völlig von dem Da- seyn Gottes und von der Unsterblichkeit der Seele über- zeugt gewesen wäre; dagegen hörte ich hier oft mit Ab- scheu von solchen Europäern sprechen, die beides leug- nen. Die mohamedanische Dogmatik legt Gott folgende Eigenschaften bei: Leben, Allwiffenheit, Allhö- rend, Allfehend, Allmacht, Sprache, Willen. Gott hat nicht seines Gleichen, hat keine Bedürfniffe noch Schwachheiten der Menschen, Er ist nicht gezeugt 202 und zeugt nicht. Er hat weder Frau noch Sohn noch Tochter. Er ist nicht im Himmel, nicht auf der Erde. Er hat weder Wohnung noch Aufenthaltsort. Er ist weder zur Linken noch zur Rechten, weder fern noch nahe, weder oben noch unten: er ist überall. Er hat weder Form noch Gestalt, weder Theile noch Farbe, er ist unsichtbar. Er hat weder Anfang noch Ende. Er ist unabhängig, hat weder Krankheit noch Verdruß, noch Furcht. Er ist keiner Veränderung unterworfen, Er war ehe die Welt war. Er bedarf niemanden und kann. Alles ausführen. Gott hat alles geschaffen, er ist Urheber aller menschlichen Handlungen, der Tugend fo- wohl als des Lastes, des Guten als des Bösen, des Glaubens als des Unglaubens. Er gibt Gesundheit und sendet Krankheit. Er macht daß das Feuer brennt und daß der Schnee kalt ist. Wird ein Moslim krank, so besuchen ihn seine Freunde um ihn zu trösten. Ein Arzt wird selten zu Rathe gezogen und in den meisten Städten und Dör- fern ist gar keiner anzutreffen, wenn nicht etwa ein Christ sich damit beschäftigt. Der Trost, den sie dem Kranken zurufen besteht darin: Bedenke, daß wir alle sterben müssen, daß alle deine Freunde gestorben sind oder später sterben müssen und daß in dieser Welt alles vergänglich ist. Des Kranken. Angesicht wird alsdann 203 gegen Morgen gerichtet und er spricht: La Allah illa Allah, Machmet Rafuhl Allah so lange fort bis er den Geist aufgegeben hat. Jetzt kommen alle seine Frauen und brechen in ein fürchterliches Geschrei aus, zerraufen sich die Haare, zerkratzen sich das Angesicht und geber den sich sehr jämmerlich. Ist der Verstorbene reich, so werden Klageweiber gemiethet, welche noch fürch- terlicher schreien und heulen als seine eigenen Frauen. Der Leichnam wird sodann gewaschen, in Tücher ein- gehüllt und mit Parfüm durchräuchert. Jetzt kommt ein Imam, Priester, liest über den Todten einige Ab- fchnitte aus dem Koran und bittet Gott um Verzeihung der Sünden des Verstorbenen, War der Verstorbene reich und angesehen, so wird die Leiche in eine Moschee getragen, daselbst werden von dem Mufti über ihn einige Gebete gelesen und dann mit ihm zum Grabe geeilt. Auf dem Wege dahin wird von der Begleitung das La illah c, gesungen. - Die Mohamedaner glauben, sobald der Todte i seinem Grabe ruht, sobald kommen zwei Engel Mon- ker und Nekir zu ihm, welche dem Todten folgende vier Fragen zur Beantwortung vorlegen. Wer ist dein Gott? Wer ist dein Prophet? Was für Religion hat du? Was hast du für eine Kibla? Ist der Verstor- bene ein Gläubiger, so antwortet er: Mein Gott ist 204 Allah, mein Prophet ist Mohamed, meine Religion ist der Islam und mein Kibla ist die Kaaba – Tem- pel in Mekka. – Sobald diese Anworten erfolgt sind, erfreuen ihn die Engel mit allerley Vergnügungen. Ist der Todte aber ein Ungläubiger gewesen, so kann er auf diese Fragen nicht antworten und er wird alsdann gemartert. Ueber den Zustand der Seele bis zum Auf erstehungstag sind die Meinungen der Gelehrten sehr verschieden. Sie haben in diese Lehr viel von den jü- dischen Fabeln angenommen. Die Hauptansichten da- rüber sind folgende: Die Seelen der Gottlosen kommen nach dem Tode an einen furchtbaren Ort, die Hölle, die Seelen der Halbböen bleiben auf dem Grabe ihres Leibes, die Halbguten kommen in das Paradies. Da- selbst steht ein ungeheuer großer Baum, auf den die Seelen sich setzen und warten bis der große Gerichts- tag anbricht. Die Guten aber können im Paradies herum fliegen wie und wohin sie wollen. Allein an jedem Freytag begibt sich die Seele auf ihr Grab. Deßwegen besuchen auch die Mohamedaner an diesem Tage die Gräber ihrer Verwandten und unterhalten sich mit den sich daselbst unsichtbar aufhaltenden See- len. Erst nach der Auferstehung gelangen die Moha- medaner in das eigentliche Paradies, welches der Koran bezeichnet. Diese Zeit, glauben sie allgemein, fey nicht _205_ mehr sehr ferne, In wenigen Jahren wird Konstanti- nopel von den Christen erobert werden, dann steigt das Elend der Moslemim anfs Höchste; aber es wird ihnen auch zu eben dieser Zeit Hilfe werden. Es wird der jüdische Messias Defchal erscheinen, viele Leute ver- führen – das Bild dieses jüdischen Messias wird ganz so, wie die Bibel den Antichrist zeigt, dargestellt –; dann wird Jesus vom Himmel herab auf den Thurm der Moschee zu Damascus fahren, den falschen Messias tödten, den Islam bekennen, 40 Jahre lang noch auf der Erde leben, sterben, und fein Grab neben dem Grabe Mohameds finden. Jetzt wird der große Mehdi erscheinen, Konstantinopel erobern, die ganze Erde sich unterwerfen und alle Menschen die den Islam nicht an- nehmen wollen, ermorden und der Glaube der Mosle- mim wird alsdann auf der ganzen Erde herrschen. Wann dieses geschehen feyn wird und Gott den großen Gerichtstag haben will; so befiehlt er dem Engel Js- rafil die Trompete zu blasen. Sobald dieses gesche- hen ist, stirbt jedes lebende Wesen auf der Erde und die Erde bleibt 40 Jahre in diesem Zustande. Dann erhält Israfil abermals Befehl. in die Trompete zu foffen. Jetzt stehen alle Todten auf. Die Propheten, die Heiligen und die Gläubigen finden schöne Kleider, womit sie sich bedecken und paradiesische Pferde, auf die 206 sie sich setzen und unter den Thron Gottes vor der großen Sonnenhitze fliehen, die auf die Ungläubigen fällt und die grausam martert. Diese Marter soll nach der Meinung einiger Gelehrten 1000, nach andern noch mehrere Jahre; ja einige wollen sogar die Ungläubigen 50,000 Jahre von der Sonne brennen laffen. Sind diese Jahre abgelaufen, so erhält jeder Mensch ein Buch, in welchem eine Handlungen aufgezeichnet stehen. Diese werden gewogen, und find die guten schwerer als die bösen, so kommt er in das Paradies; sind sie leichter und es betet kein Prophet oder Heiliger für ihn, oder Gott vergiebt ihm nicht, so muß er in die Hölle; daselbst bleibt er bis er seine bösen Hand- lungen abgebüßt hat. Eine Ewigkeit der Höllenstra- fen gibt es nicht. Ueber die Hölle weg führt eine Brücke, die nicht breiter ist als die Schneide eines De- gens. Die Frommen gehen ohne Furcht darüber, die Gottlosen aber fallen hinab ins höllische Feuer. Vor dem Paradies fammelt jeder Prophet sein Volk, Moses die Juden, Jesus die Christen, Mohamed feine Anhänger. Jeder Prophet lagert sich mit feinen Leuten vor einem groffen Wafferbecken, aus welchem sie sich erfrischen. Das Wafferbecken des Propheten Moha- med Elkevfir ist das größte. Der Durchschnitt des felben ist eine Monatsreise lang, um dasselbe herum 207 liegen goldne Schalen mehr als Sterne am Himmel sind. Dieser bedienen sich die Gläubigen zum Trinken. Das Waffer im Becken ist köstlicher den Milch und füßer als Honig und wer einmal davon getrunken hat, dem dürstet nimmermehr. Die Gläubigen, welche in das Paradies kommen, altern nicht, sondern bleiben, wie sie find und genießen alle die Freuden, die Moha- med feinen Anhängern versprochen und die im Koran bis zum Eckel wiederholt werden. In Europa wird viel darüber gestritten: ob Mo- hamed das weibliche Geschlecht von dem Paradiese aus- schließt oder nicht? Es gibt ausgezeichnete Orientalisten, die das Ausschließen des weiblichen Geschlechts hartnäckig behaupten, dagegen auch andere, welche es eben so strenge vertheidigen. Ohne über das Eine oder das Andere abstimmen zu wollen, so glaube ich, es könne dem auf merksamen Koranleser nicht entgehen; daß Mohamed feine Versprechungen, wie feine Drohungen nur an das männliche Geschlecht richtet und nur dieses verpflichtet die Gebote zu beobachten und fast nirgends, oder wo es dennoch geschieht, da wird im Vorübergehen von den Frauen gesprochen. Auch sind es ganz andere Frauen die Mohamed feinen Anhängern im Paradiese verspricht als ihre irdischen. Und nirgends sagt er, daß die Frauen der Moslemimen in jene paradiesische Jungfrauen ver- 208 wandelt werden sollen. Wenn man überdieß im Lande des Halbmondes in das eigentliche mohamedanische Leben blickt, und beobachtet wie das weibliche Geschlecht be- handelt wird, so kann man nicht anders als glauben, die Männer gedenken nicht daran ihre Frauen in das Paradies mitzunehmen. Die Frauen beten felten, gehen nicht in die Moschee, können in der Regel weder lesen noch schreiben, dürfen nie mit dem Manne ausgehen, nie mit ihm zu Tische sitzen, und selbst die Schwester sagt zum Bruder Sidi, mein Herr! Nur um der Kinder willen hat der Mohamedaner feine Frauen. Zwar enthält die Sura Elraad eine Stelle, die also lautet: Die geduldig aushalten, die das gesegnete Wohl gefallen ihres Herrn suchen, die das Gebet zur bestimm- ten Zeit beobachten, die von den Glücksgütern, welche wir ihnen beschieden haben, öffentlich und im Verborge- nen den Armen zukommen laffen, und die das Böse vergelten mit Gutem, die sollen das Paradies zur Woh- nung haben und in die Gärten Edens sollen sie ein- treten mit allen, die sich mit guten Werken beschäftigt haben, mit ihren Aeltern, Weibern und Angehörigen. Allein dieß ist nur den frommen Mohamedanern zur Belohnung versprochen; wenn sie dieses erfüllen, dann sollen auch ihre Weiber mit ihnen ins Paradies kom- men. Allein der Inhalt dieses wird ja nicht an die 209 Frauen selbst gerichtet, was nirgens der Fall ist. Ich habe hier mit einigen Gelehrten schon über diesen Punkt gesprochen, jetzt fragte ich meinen Gelehrten abermals: warum denn Mohamed der Frauen in dieser Beziehung gar nicht gedenke? Er antwortete: die Frauen seien der Männer Eigenthum, folglich gehören sie an den Ort ihrer Männer als Dienerinnen. – - Das Paradies hat acht verschiedene Eingänge und eben so viele verschiedene Aufenthaltsorte. Daselbst ist die Erde voll von Wohlgerüchen, alles übrige ist von Sil- ber, Gold und Edelsteinen. Auch die Hölle hat sie ben Abtheilungen und nur die Wachabia glauben an eine Ewigkeit der Höllenstrafen. Alle übrigen Mo- hamedaner glauben, daß die Seelen aus der Hölle können erlößt werden: durch Fürbitte der noch Lebenden, durch Allmosengeben, durch Lesenlaffen des Korans, durch Fürbitte der Heiligen und Propheten und durch Begna- digung Gottes: sonst müsse die Seele nach Verhält niß ihrer Sünden die Strafe selbst abbüßen. Diese sind zwar verschieden, Feuer ist aber immer die Haupt- strafe, Gebiffen werden von großen Schlangen und Skor- pionen, Baden im heißen Waffer und die beständige Gesellschaft der Dämonen sind ebenfalls Strafen, die in der Hölle statt finden, 14 210 XXVI. Tunis, den 24. Dezember 1835. Die Residenz des Bey liegt eine Stunde von Tu- nis entfernt nnd heißt Bordo. Hier wohnen auch die meisten Minister. Die europäischen Konsuln begeben sich zuweilen hieher, um dem Bey die Aufwartung zu machen und ihm die Hand zu küssen. Der englische und französische Konsul aber haben diese nicht sehr ehrenvolle Sitte bereits aufgegeben und dieß hat nichts geschadet, Seit dem Falle von Algier sind die sonst sehr stolzen Tunifier etwas gedemüthigt und halten sich dem Aeußern nach zu urheilen, freundlich zu den Christen. Die An- zahl aller Christen zu Tunis mag sich auf 2,000 See- len belaufen. Viele sind die Nachkommen ehemaliger Sklaven, hier geboren und erzogen haben sie die Sprache und die Sitten, die Gebräuche und den Aberglauben der Mauren angenommen. Andere find später eingewan- dert, wie die Spanier, Italiener, Malteser, Franzosen tc. welche sämmtlich der katholischen Confession angehören. Die katholische Kirche besitzt hier ein Kapuzinerkloster _211 mit einer geräumigen Kirche und acht Mönchen. Die Anzahl der Malteser beträgt an 600 Seelen; Griechen hat es hier auch mehrere Hunderte, welche eine für sich bestehende Gemeinde bilden, eine eigene Kirche und ei- nen Geistlichen haben! Die Zahl der evangelischen Chri- ften beträgt im Ganzen 40 Seelen, bestehend aus den Familien der englischen, amerikanischen, dänischen, schwe- dischen c. Konsuln und einigen Kaufleuten. Seit einem Jahre haben sie sich in eine Gemeinde gesammelt und ich halte, wenn ich hier bin, an den Sonntagen Got- tesdienst und predige in englischer Sprache. Ich hatte vor einigen Tagen eine sehr interessante Unterredung mit einem Mufti, der im Rufe großer Gelehrsamkeit steht. Ich erklärte ihm die Bergpredigt. Er feinerseits machte mich bekannt mit den Pflichten der Moslemim. Er mußte bekennen, daß der Inhalt die fer Rede einen höhern, reinern und göttlichern Gehalt habe als die Pflichten, die der Koran anbefiehlt. Diese find vorzüglich: Der Glaube an den einigen Gott, das Gebet an den fünf bestimmten Stunden zu verrichten, das Fasten am Ramadan, das Allmofen geben und wallfahren nach Mecka. Der Mohamedaner muß ehe er das Gebet verrichtet, sich waschen. Dieß geschieht auf dreifache Weise. Es wird erstens der ganze Leib vom Kopf bis zur Fußsohle 14 * 921) / gewaschen. Dieser Reinigung sind insbesondere die Ver, heiratheten unterworfen. Es werden zweitens das Ge- ficht, der Bart, die Hände, die Arme bis an den Ellbo- gen und die Füße bis an die Knie gewaschen, welches jedesmal vor dem Gebet statt finden muß. Es muß ferner drittens der Ort, an welchem das Gebet verrich- tet werden soll, rein, gewaschen, feyn. Ist der Moha- medaner verhindert in die Moschee zu kommen um zu beten: so verrichtet ers in seinem Hause, gewöhnlich auf dem Dache und kann dieses auch nicht sein, in der Werk stätte, im Laden oder auch auf dem Felde. Nichts aber kann denselben abhalten ein Gebet zu verrichten, wenn die bestimmte Stunde kommt. Das erste Gebet wird mit Sonnenaufgang verrichtet. Die Gelehrten be- haupten dieses Frühgebet fey von Adam selbst angeord- net worden. Das zweite wird des Mittags abgehalten und dieses soll von Abraham befolgt und befohlen feyn. Die dritte Gebetsstunde ist um 3 Uhr, und diese Stunde habe Jonas bestimmt. Das vierte Gebet wird mit Sonnenuntergang verrichtet und dieses habe Jesus bestimmt. Das fünfte wird mit Einbruch der Nacht verrichtet und diese Stunde habe Moses gewählt und angeordnet. Wenn der Mohamedaner betet, so wendet er das Gesicht immer nach Morgen, hebt die Hände in der 213 Art empor, daß er mit jedem Daumen ein Ohr berührt, Ist er in dieser Stellung, dann wird allemal die erste Sura des Korans und noch eine andere beliebige her- gesagt. Der nichtgelehrte Mohamedaner spricht eine der kleinsten, der Gelehrte dagegen eine größere Sura, Ist dieses geschehen, dann kniet er nieder, berührt mit der Stirne die Erde und sagt Allah hu akbar, Gott ist groß, oder der Erhabendste. Dieses wird jedesmal nach einer Sura wiederholt und zwar dreimal. Ist dieses geschehen, so fährt er mit der flachen Hand über die Augen, streicht sich den Bart, sieht rechts und links und sagt Salem alaicum: Friede mit euch. Dieß wird deßwegen gethan, weil sie glauben, die Engel stehen wäh- rend des Gebetes ihnen zur Rechten und zur Linken und merken auf das der Gläubigen. Beten, sagte ich zu meinem Mufti, kann man dieß doch wohl nicht nennen. Es ist ja nur ein Hersagen einiger Suren und der Inhalt dieser ist ja für viele ganz unverständ- lich. Denn wie kann man folgende Worte aus der 108. Sura ein Gebet nennen: Wahrlich, wir haben dir El- kevfir gegeben, darum bete zu deinem Herrn und richte dich auf; denn fürwahr, der dich hafft, soll auch des Schweifes beraubt werden. Er gestand meiner Behaup- tung das Recht zu, meinte aber, der Prophet habe es so be- fohlen. Die Stunden des Gebets werden von dem Thurm „“ 214 Minaret, der Moscheen bekannt gemacht. Ein dazu bestellter Mann steigt auf den Thurm, steckt eine weise Fahne aus und ruft nach Leibeskräften: Gott ist mäch- tig! Für alle bin ich Gott! Es ist kein ande- rer Gott! Für alle bin ich Mohamed, der Ge- fandte Gottes! Hieher kommt zum Gebet! Hieher kommt, um euch niederzuwerfen vor Gott! Gott ist mächtig! Es giebt keinen an- dern Gott, als Gott! Man siehet hier fast keinen Muselmann, der auf Anstand Anspruch macht, ohne die Corona, den Ro- senkranz, in der Hand zu haben und mit derselben zu beten, vom Kadi bis herab zum Unteroffizier. Sogar während man mit ihnen spricht geschieht es. Das Ge- bet besteht in Lobpreisungen Gottes. Er spricht: Ge- lobet fey Gott! Gott ist groß! Gepriesen fey Gott! Und jedesmal rollen einige Kügelchen herab. Dieses Rosen- kranzbeten wird für sehr verdienstlich gehalten. Der Mohamedaner unternimmt keine Arbeit, kein Geschäft, es fey groß oder klein, ohne vorher zu sagen: Bismillah, im Namen Gottes! Ist die Arbeit ge- than, oder das Geschäft abgemacht, so sagt er: gelobet fey Gott! Vor dem Effen sagt er Bismillah, tritt er in die Stube und ich sage zu ihm: fetze dich, so sagt 215 er Bismillah! Stehet er auf, um sich zu entfernen, so sagt er wiederum Bismillah! Jeder Muselmann muß, sobald er 14 Jahre alt ist, während des ganzen Monats Ramadan, Mitte Januar bis Mitte Februar, vom Aufgang bis zum Nie- dergang der Sonne fasten. Während dieser Zeit darf nicht geraucht, nicht geschnupft werden; ja sogar den Geruch der Speisen einzuathmen ist verboten. Ist aber die Sonne untergegangen, dann überläßt er sich der größten Ausgelaffenheit. Die Männer schwärmen bis nach Mitternacht in den Straffen herum oder auf den Kaffehäusern. Inzwischen werden auch die Moscheen besucht, die bis nach Mitternacht beleuchtet sind. Ist aber dieser Monat abgelaufen dann beginnt ein großes Fest, welches drei Tage währt. Kein Maure arbeitet während diesen drei Tagen; sondern ißt, trinkt und geht spazieren. Die Neger, deren es eine große Anzahl hier hat, sowohl freie als auch Sklaven, ziehen unter trom- meln und pfeifen durch die Straffen und führen ihre Nationaltänze auf Allmosen, soll nach den Vorschriften des Propheten, der zehnte Theil des Einkommens gegeben werden. Ich bin aber des Glaubens, daß die wenigsten Mohameda ner dieser Vorschrift gehorchen. Mein Bedenken hier über theilte ich meinem Mufti mit und bat ihn mir zu 21 (§ sagen, wie die Moslemim ihr Gewissen beruhigen können über eine so grobe und so häufige Verletzung des Ge- fetzes. Er war überrascht über diese Bemerkung und wußte lange nichts Wesentliches zu antworten. Endlich fiel ihm ein, die Heiligen und Propheten vermögen diese Sünde abzubitten. Ganz ruhig wurde er über diesen Punkt nicht, so lange er bei mir war. Ich stellte ihm die Nothwendigkeit einer göttlichen Versöhnung vor, er mußte mir dieses einräumen und sagte, er wolle die- fen wichtigen Punkt reiflich überdenken. Jeder Mohamedaner ist auch verpflichtet einmal im Leben nach Mecka zu pilgern. Diese Vorschrift wird vielleicht am gewissenhaftesten vor allen andern gehalten. Die Reise nach Mecka ist aber gewissermaßen als eine Vergnügungsreise anzusehen, die den Moslemin aus feiner alltäglichen Ruhe herausreißt. Die Reichen mat chen sie mit großem Gefolge und Prunk. So oft Pilg- rime von hier abreisen oder aus andern Städten und Ländern hier durchziehen werden sie von einer Menge Volks mit vielen Fahnen bis zur See begleitet. Dabei wird immer gesungen: La illah illah Allah Mahu- med rafuhl Allah. Die Armen pilgern von einer Stadt zur andern und arbeiten in einer jeglichen bis sie so viel erarbeitet haben, um ihr Reise weiter fort- fetzen zu können, oder sie treiben unterwegs einen klei 217 nen Handel, mit welchem sie sich forthelfen. So ge- schieht es, daß diese oft zwei, drei und mehrere Jahre auf dieser Pilgrimfahrt zubringen. Zu Mecka ange- kommen, wird zuerst der Tempel, Kaaba, besucht, der von Abraham und Ismael erbaut fey, und in welcher sich ein schwarzer Stein mit Mohameds Tritte eingetre- ten befinden soll. Dieser Stein wird geküßt, und so dann mehreremale um den Tempel herum gewalt. Ist dieses geschehen, so begiebt sich der Pilgrim in das Thal Mnia, in welches er einige Steine wirft, zum Anden- ken an Abraham, der in diesem Thale, als er feinen Sohn opfern wollte, von dem Satan versucht wurde, um Gott ungehorsam zu feyn. Abraham aber nahm Steine und warf sie nach dem Verführer, und trieb ihn auf diese Art von sich. Ist dieses geschehen, dann gehet der Pilgrim zum Brunnen Semifem und trinkt aus demselben. Dieß soll der nämliche Brunnen feyn, den der Engel Hagar zeigte, als sie Abraham wegschickte. Endlich wird noch das Grab des Propheten besucht und sodann die Rück- reise angetreten. Viele Pilgrime besuchen auch den Berg Sinai und Jerusalem, Kommt nun der Wallfahrer glücklich in seinem Vaterort an, so hat er das Recht den rothen Turban zu tragen und Anspruch auf den Ehren- titel Sidi Elhatsch, Herr Pilgrim. 218 XXVII. Tunis, den 28. Dezember 1835. Vorgestern wurde ich von einem bekannten Mau- ren zur Beiwohnung einer feyerlichen Trauung in einer der hiesigen Moschee geladen. Ich fäumte nicht mich bei dieser Zeremonie einzufinden. Ehe dieser Act in der Moschee vorgenommen wird, ist bereits schon. Alles durch den Vater des Bräutigams und der Braut abge- macht, ohne daß sich die zu Vermählenden je gesehen noch weniger gekannt haben, Ist der Handel geschloss fen, so wird ein Tag bestimmt, an dem die Verlobung vor dem Mufti vollzogen werden soll. An diesem Tage verfügen sich die Väter, Braut und Bräutigam, die männlichen Anverwandten beiderseits zu einer festgesetz- ten Stunde in die Moschee. Der Mufti von der vor- zunehmender Hankung bereits in Kenntniß gesetzt, er wartet die ganze Versammlung. Einer der Väter er- klärt jetzt öffentlich das Vorhaben und der Mufti spricht hierauf den Segen über das neue Paar aus, Sobald dieses geschehen ist, wird ein Trunk herumgereicht, von 21) welchem zuerst der Mufti dann die Väter, dann die Neuvermählten und sodann alle Anwesenden kosten. Wohlriechendes Waffer wird jetzt über die ganze Gesellschaft ausgegoffen und mit Weihrauch wird geräuchert, von den Mufti wird ein Gebet hergesagt und die hochzeitliche Feyer ist vorüber. Ich ließ die Gesellschaft abgehen und blieb noch eine kurze Zeit vor der Moschee stehen, um mich mit einigen Gelehrten zu besprechen. Warum fragte ich, sind diesen neuen Eheleuten nicht die Tugenden, die sie üben und die Laster, die sie fliehen sollen nach dem Gesetze erklärt und eingeschärft worden? Weil dieses nicht nöthig zu seyn scheint, war die Antwort. Warum nicht? Es stehe. Alles im Koran und jeder Muselmann ist verpflichtet diesen zu lesen und darnach zu thun. Welches sind nun die Haupttugenden, die der Musel- mann üben muß? Geduld, Vertrauen auf Gott, Dankbarkeit gegen Gott, Gottesfurcht, Aufrich- tigkeit, Demuth, Gutes von den Nächten denken, Wahrheit, Frömmigkeit c. Und welches sind die Laster, die er zu fliehen hat? Das Richten des Näch fien, die Heucheley, den Neid, den Stolz, die Selbstgefälligkeit, den Haß – d. h. wenn er jemanden haßt, der reicher und beffer als er selber ist, Haß gegen die Ungläubigen ist aber erlaubt, ja sogar lobenswerth, – die Liebe dieser Welt, Ehrgeiz, 220 übertriebene Hoffnung, Vergnügungsfucht, Furcht vor Armuth, Halsstarrigkeit, Freffe- rey c. Das ist Alles gut, und so stehts im Koran ge- schrieben und so sagen die Vorschriften der Gesetzeslehrer! Aber fagt mir, und bekräftiget es bey eurem Haupte, ob ihr einen Mohamedaner kennet, der diese Tugenden alle übt und diese Laster alle meidet? Hier stockten sie und wußten nicht zu antworten. Ich zeugte ihnen nun, daß der Mensch mothwendig durch Vergebung der Sün- den Gnade bey Gott finden muß und bat, sie möch- ten diesen Punkt reiflich überlegen, Eigentliche Festtage hat der Mohamedaner nicht. Der Freytag ist zwar eine Art von Feyertag, doch nur so, daß jeder trachtet in die Moschee zu gehen, um da- felbst zu beten. Nach der Gebetsstunde wird aber gear- beitet, wie an den andern Tagen. Hier werden noch am Freytag von 12 bis 1 Uhr, während das Gebet verrichtet wird, alle Stadtthore geschloffen; weil die Tradition fagt, daß einst die Christen an einem Freytage um diese Zeit die Stadt angreifen werden. - Das kleine und große Bairam, sind eigentlich auch keine Feste in religiöser Beziehung, obgleich eine hi- istorische religiöse Erinnerung zum Grunde liegt. Das Andenken an die Aufopferung Ismaels, nicht Ifaaks, wie die Türken behaupten. Das erstere folgt gleich nach 221 dem Ramadan und währt drei Tage. Jeder wohlhabende Mohamedaner schlachtet ein Schaf und theilt davon den Armen mit. Dieß ist die ganze religiöse Handlung, die übrige Zeit wird mit Effen, Trinken, Spielen c vergeu- det, wie oben schon berichtet ist. Das letztere folgt 70 Tage nach dem erstern und währt gewöhnlich 7 Tage, ob es gleich nur 4 Tage dauern sollte. Andere Feste kennen die Mohamedaner nicht. Ich hatte eine merkwürdige Unterredung mit einem gelehrten Mauren. In der Bibel, sagte er, kam ehe- mals der Name Achmed Mohamed, vor. Die Chri- sten und die Juden haben aber diese Stelle verfälscht. Ich antwortete: Das Alte und Neue Testament reicht ja viele Jahrhunderte über die Geburt Mohameds hin- aus? Juden und Christen haben daffelbe Alte Tstament. Es ist daher nicht möglich, daß eine solche Verfälschung statt gefunden haben könne? Warum habt ihr denn nicht einige Exemplare der unverfälschten Schrift auf bewahrt, wenn eure Aussage wahr ist ? hierauf erwi- derte er, mehrere Gelehrten behaupten, nicht der Text, sondern die Auslegung der Christen fey falsch; denn der Paraklet des Neuen Testaments sei kein anderer als Mohamed. Ich wiederlegte ihm diesen Irrthum auf das deutlichste und führte ihn auf die Nothwendigkeit einer Versöhnung mit Gott. Er gab diese zu; allein " . . 222_ er meinte durch Jesus könne diese Versöhnung nicht ge- fchehen feyn, da er ja nicht gekreuzigt worden, und be- rief sich auf eine Stelle im Koran, wo es heißt: Die Juden geben vor, sie hätten Jesus, den Sohn Miriams gekreuzigt. Sie haben ihn nicht gekreuzigt, sondern ei- nen andern an seine Stelle. Gott hat Jesus zu sich in den Himmel genommen. Zu dieser Stelle sagen die Aus- leger: Gott habe das Gesicht eines bösen Juden so ver- wandelt, daß es wurde wie das Gesicht Jesu und die fen haben die Juden gekreuzigt. - XXVIII, Tunis, den 6. Januar 1836. Da mich die Hand Gottes in die Nähe des einst so berühmten Karthago geführt, so fäumte ich nicht diese in der Geschichte höchst wichtigen Stadt, welche jetzt die Vergänglichkeit predigt, zu besehen. Oft bin ich über ihre Ruinen geritten, oft auf den Trümmern dieser ehemaligen Größe umhergewandelt, niemals aber durchschritt ich diese Steine, ohne mit Wehmuth an die Vorzeit zu denken, an Amilkas und Asdrubal, an Hannon und Bomilkas, an Magon, Han- nibal und Imilkon; an Tertullian, Cyprian, Arnobius und Lartanz c, Ich bestieg oft den Hü- gel, von welchem aus man die Stadt überschauen konnte, und wo, nach Virgil, Aeneas faß, um ihre Herrlichkeit, Pracht und die Geschäftigkeit der Bewohner zu bewun- dern. Im Jahre 800, nach andern 890, vor der Ge- burt Christi landete die königliche Dido, welche der Raubsucht ihres Bruders Pygmalion listig entronnen, 224 - an der Rordküste Afrikas und gründete eine Kolonie an den Ufern des Meeres. Lange fchweigt nun die Ge- schichte von ihr, dann aber hören wir, daß Karthago eine der schönsten und reichsten Städte der Welt fey, umgeben mit einer dreifachen Mauer, versehen mit ho- hen Thürmen, und von 700.000 Einwohnern bevölkert, herrschend über einen Theil von Spanien, über Sicilien, über mehrere Inseln des Mittelmeeres und über das jetzige Reich von Tunis. Wir hören, daß sie 3Cerxes unterstützt, mit Agathokles in Afrika, mit Pyrrhus auf Sicilien kämpfte, wodurch der Krieg herbeigeführt wurde. Regulus gieng nach Afrika und besiegte die Karthaginenser in mehreren Treffen, eroberte Tunis, das damals schon eine bedeutende Stadt war, und stand vor ihrer Stadt. Grausam behandelte er die Gefange- nen und auf ihre Beschwerden antwortete er stolz: Man muß entweder suchen zu siegen, oder suchen den Sieger zu unterwerfen. Karthago bat jetzt um Frieden, er wurde nicht gegeben. Entrüstet griff es zu den Waf- fen und ein tapferer Spartaner , welcher das Heer der Karthager führte, schlug jetzt Regulus und nahm ihn gefangen. Doch Rom fähickte neue Truppen, und noch fünfundzwanzig Jahre wüthete der Krieg, der erste punische geheißen. Mit dem Frieden ging für Karthago Sicilien, der Preis zweihunderjähriger An- 225 strengung, nebst den kleinen Inseln des Mittelmeeres verloren. 2200 Talente mußten in Fristen, und 100 sogleich bezahlt, die Gefangenen ohne Lösegeld entlaffen werden. Zwei und zwanzig Jahre lebte jetzt Karthago in Frieden mit Rom, jedoch nicht ohne innere Störung. Da brachen auf Sardinien die Miethstruppen der Karthager in Empörung aus. Die Römer, anscheinend um Karthago zu helfen, setzten Truppen über, behielten die Insel für sich, und forderten noch überdieß 1,200 Talente Unkosten, Karthago muthlos, unterschrieb. Aber jetzt rettete Hamilkar fein Vaterland wieder durch glän- zende Thaten im Innern und durch Eroberung nach Auffen, Spanien. Er fiel in einer Schlacht mit den Lufitanern. Als drubal ergriff jetzt das Schwert in Spanien und zwar mit Erfolg. Er fiel nach achtjähri- ger, glorreich geführter Macht, durch Meuchelmord. Jetzt wurde Hannibal von dem Heere zum Feldherrn er- koren und vom Senate bestätigt. Im zweiten Jahre feiner Macht griff Hannibal das den Römern verbün- dete Sagunt an, eröffnete hierdurch den von den Rö- mern ersehnten Krieg. Von Sieg zu Sieg führte Han- nibal seine Krieger, überstieg die Pyrenäen und die Alpen und kam nach Italien, nur um zu siegen, wie es schien. Aber geschwächt und ohne Verstärkung - 15 _226_ aus dem fernen Vaterlande zu erhalten, konnte er sich zuletzt kaum noch halten. Jetzt trug Scipio, der junge römische Konsul, den Krieg nach Afrika. Die Karthager wurden durch ihn schwer bedrängt. Vergebens suchten sie durch Waffen, vergebens durch Unterhandlungen den Sturm zu beschwören. Keine Hoffnung als Hannibal ist ihnen geblieben. Man ruft ihn aus Italien zurück und mit Seufzen verläßt er den Schauplatz seines Ruhms. Bei seiner Ankunft in Afrika erhebt sich der Muth der Karthager wieder. Hannibal war von Leptis über Adrometum nach Zama gegangen, und hier, fünf Tagreisen vor Karthago, traf er auf das römische Heer. Zweihundert und zwei Jahre vor Christi Geburt schlug gen die beiden größten Feldherren ihrer Zeit die Schlacht vor Zama, und Hannibal wurde gänzlich geschlagen. Seine 5000 Veteranen, grau geworden im Kriege, blie- ben hier bis auf den letzten Mann, Er selbst rettete sich nur mit einem sehr kleinen Theil seines Heeres nach Adrometum. Von dort wurde Hannibal nach der Hauptstadt gerufen, die er 36 Jahre lang nicht mehr ge- fehen hatte. Es wurde beschloffen auf jede Bedingung den Frieden zu erhalten. Karthago lieferte alle seine Elephanten und alle seine Kriegsschiffe bis auf 10 Tri- remen aus, zahlte an Rom innerhalb 50 Jahren 10.000 Talente, 26,058,270 Gulden, Kriegskosten, behält nur 227 seine Hauptstadt mit dem alten Gebiet in Afrika, ic, Von diesem Friedensschluß bis zum Jahre 140 vor Christi Geburt hatte Karthago Ruhe vor den Römern. Es erholte sich durch die Industrie der Bürger und durch die weite Verwaltung Hannibals. Allein die Eifer sucht und der Neid Roms ruhete nicht eher, bis ihm abermals der Krieg erklärt wurde, indem der alte Cato jede Rede im Senate mit den Worten: und endlich sage ich noch, Karthago muß zerstört werden, schloß. Ein Vorwand dazu wurde bald gefunden, die feindliche Be- handlung von Seiten Karthagos, die es gegen einen rö- mischen Bundesfreund, Maf kiniffa, des Königs von Numidien, übte, der nicht fehr fern in feiner schönen nnd befestigten Stadt Cirta, immer schlagfertig gegen Karthago stand, gab Veranlassung. Die beiden Konsuln Marcius und Manlius, erhalten den Auftrag mit 84,000 Mann nach Sizilien und von da nach Afrika überzugehen, und den Krieg nicht eher zu enden, als bis Karthago zerstört sei. Der dritte punische Krieg be- ginnt. Karthago wird aufgefordert die römische Armee mit Lebensmitteln zu versehen; es geschieht. Es wird aufgefordert, alle Waffen ins römische Lager abzuliefern, und nothgedrungen geschieht auch dieses. Als aber die treulosen Römer Karthago aufforderten, ihre Stadt niederzureißen und eine andere zu bauen, weit weg vom 15 * wir 228 Meere und ohne Mauern; da ergriff die Stadt die äuft erste Verzweiflung. Einmüthig wurde beschloffen ihre theure Stadt zu retten oder zu sterben. Gegen die sieg gewohnten Legionen hielt sich die hilflose Stadt helden- müthig bis ins dritte Jahr. Da führte Scipio Ae- milianus feine Krieger vor, und ließ stürmen. Vor her schon mußte sich Asdrubal Feldherr der Kartha- ginenser, welcher ein Miethsheer von 20.000 Mann außerhalb der Stadt befehligte, in diese zurückziehen. Die Mauern wurden überwältigt und der Kampf zog sich jetzt von Straffe zu Straffe fechs Tage lang, bis endlich die überhandnehmende Flamme Stillstand gebot. Von 700.000 Einwohnern blieben nur 50.000 am Le- ben, welche sich in die Burg, Byrsa, geflüchtet hatten, worunter Asdrubal mit dem Rest feiner Truppen war. Dieser übergiebt jetzt die Veste an die Römer. 900 rö- mische ueberläufer im Dienste Karthagos, über den Ver- rath ihres Anführers in Wuth gesetzt, stecken den noch unversehrten Tempel des Aeskulap in Brand und stürzen sich in die Flamme. Als drubals Gemahlin, um zu zeigen, daß sie die Handlungsweise ihres Ge- mahls verabscheue, stürzt sich und ihre Kinder ebenfalls hinein. 17 Tage wüthete das Feuer in dieser herrlichen, übergroßen, unglücklichen Stadt und machte sie zum Aschenhaufen. Selbst Scipio war bewegt, als er von 229 ferne die dunkelrothe, himmelansteigende Lohe der unter- gehenden Stadt fahe, die 750 Jahre lang Beherrscherin des Meeres war. Mit einem ahnenden Blick auf das künftige Schicksal Roms hörte man ihn die homerischen Verse aussprechen: Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilias hinfinkt, Priamos felbst und das Volk des lanzenkundigten Königs. Das Land der Karthager wurde von den Römern theils an das nahe Utika geschenkt, theils von ihnen in Be- fiz genommen, und von 10 aus Rom abgeschickten Commiffarien in eine römische Provinz verwandelt, Später erhob sich nochmals über den Trümmern des alten ein neues Karthago, fchon unter Tiberius Grachus angelegt, vom Julius Caesar vollendet blieb es noch Jahrhunderte hindurch die Hauptstadt der römischen Provinz an der Nordküste von Afrika. Vor Mitte des fünften Jahrhunderts kamen die Van- dalen, nachdem sie ganz Europa in Schrecken gesetzt hatten, unter ihrem Anführer Genferich oder Geife- rich nach Afrika, und eroberten im Jahr 439 nach Christi Geburt das neue Karthago, jetzt eine reiche römische Kolonie und fiften in dem Theile von Afrika, den sie den Römern abgenommen, das berühmte vanda- lische Reich, welches sich über hundert Jahre erhalten, bis es Justinian durch einen tapfern Feldherrn Be- 230 liar zerstören ließ. Mit 10.000 Fußsoldaten und 5000 Reitern schiffte sich Belisar im Sommer des Jahres 533 nach Christi Geburt im Hafen von Kon- stantinopel ein und segelte der Nordküste Afrikas zu, lan- dete zu Leptis, ging über Adromet um gerade auf Karthago zu, und befreundete sich überall den Eingebor- nen durch die strengste Mannszucht. Bald nach feiner Landung zog er als Sieger in Karthago ein, befestigte die Stadt und zerstörte in kurzer Zeit das Reich der Vandalen in Afrika. Karthago erhielt einen römischen Stadthalter, Eparchen, und wurde abermals das Haupt einer römischen Provinz. Belisar kehrte schon im Jahre 534, ein dritter Scipio, nach Konstantino, pel zurück. - - Das Christenthum hatte schon sehr frühe in Kar- thago und dessen Umgebung Wurzel gefaßt. Bereits zu Ende des zweiten Jahrhunderts tritt eine weit hin ver- breitete Kirche Christi aus der Dunkelheit in dieser Pro- vinz hervor. Tertullian sagt, daß zu dieser Zeit viele Tausende jedes Geschlechts und Standes dem Christen- thume gehuldigt, und Karthago, die Hauptstadt des prokonsularischen Afrikas scheint vorzüglich eine Pflanze schule des Evangeliums für die römischen Provinzen die fes Welttheils gewesen zu seyn, Die christliche Kirche erstarkte seit dieser Zeit immer mehr an dieser Küste und 231 breitete sich landeinwärts aus. Da erschienen die Van- dalen, ein grausames Volk, und zerstörten die schöne Pflan zung. Wie ein verheerender Strom überschwemmten sie das Land. Die römischen Legionen mußten ihnen überall weichen. Genferich war mit feinen wilden Haufen, nicht lange zuvor, von arianischen Geistlichen, zu ei- nem leeren Namenchristenthum bekehrt worden. Und da gerade bei seinem Erscheinen die afrikanische Kirche in- nerlich gespalten und tödlich verwundet war durch die blutigen Anfeindungen der Donatisten und Arianer, entschloß sich der Vandalenfürst, um bald festen Fuß und einen mächtigen Anhang im Lande zu gewinnen, auf die Seite der verfolgten Arianer überzutreten, und mit Feuer und Schwert die katholischen Kirchengemein- fchaften zu verfolgen. Kaum hatte er daher Karthago erobert, als er die Geistlichkeit der Landeskirche blutig verfolgte. Die standhaftesten Bischöfe der Kirche und andere angesehene Männer mußten entweder ihre Stellen verlaffen oder sich als Leibeigene ergeben. Den dama- ligen Bischof zu Karthago, ließ er mit seinen Geist- lichen, von Allem entblößt, auf ein leckes Schiff brin- gen, das jedoch trotz aller Gefahr glücklich in Neapel einlief. Die Verfolgungen der rechtgläubigen Geist lichen dauerte mit einzelnen Unterbrechungen fort, so lange die Vandalenherrschaft dauerte. Es sollen wäh- 239 rend dieses Zeitraums 54 Bischöfe aus der pro konfu- larischen Provinz, 125 aus Numidien, 120 aus Mauritania, 107 aus der Provinz Pyzamen c, im Ganzen 464 Bischöfe verbannt und verjagt worden feyn, aus deren Zahl 88 zu Karthago vor ihrer Abreise in die Verbannung unter den erlittenen Mißhandlungen das Leben eingebüßt haben. - Nach Zerstörung der Vandalenherrschaft auf der Nordküste Afrikas durch Belisar schien mit der neuen Regierung des griechischen Kaisers Justinian, eine neue und bessere Zeit für die christliche Kirche in diesen Thei- len angebrochen zu feyn; allein fie theilte mit dem zer- fallenen griechischen Reich, dem sie jetzt einverleibt war, daffelbe sittliche Verderben, und eben darum auch daffelbe Strafgericht Gottes, das sich hundert Jahre später gleich einer schwarzen Gewitterwolke an seinen östlichen Gren zen zusammenzog. Schon im Jahre 647. rückte das siegreiche Heer der mohamedanischen Araber in Nordafrika ein. Der Chalife Othman, auch Osman, dritter Nachfolger Mohameds, zerstörte das oströmische Reich, so wie die Kirche Christi in demselben. Eine mehrtägige, blutige Völkerschlacht, welche der arabische Feldherr Abdallah gegen den römischen Heerführer Gregorius gewann, entschied über das Schicksal der blühenden Provinzen 233 des nördlichen Afrikas, und die Kirche Christi in dem selben mußte Jahrhunderte lang das harte Sklavenjoch der Araber tragen, bis sie endlich von dem blutigen Schwerte des Islam auf allen Seiten verdrängt, der Herrschaft des Halbmondes für die kommenden Tage weichen mußte. Karthago wurde gänzlich zerstört, und seit dieser letzten Zerstörung ist die einst so berühmte Stadt immer mehr von der Erde verschwunden. Jetzt geht der Pflug über die ehemaligen volkreichen Straffen und der Hirt lagert seine Heerde dahin, wo einst pracht volle Gebäude gestanden, und der Wanderer geht gedan- kenvoll durch die Steinhaufen, uud fragt sich wehmüthig: Also hier stand einst Karthago? Von Tunis bis zum Mittelpunkt der Ruinen von Karthago sind 11 englische Meilen. Spuren derselben aber erstrecken sich beinahe bis vor die Thore der Stadt und nach der Gouletta. Einen guten Theil derselben deckt auch der See von Tunis. In der Nähe des Ha- fens von Karthago stehen jetzt mehrere schöne Landhäu- fer, von den herrlichsten Gärten umgeben. Daselbst woh- nen im Sommer die meisten europäischen Konsuln. Sehr gut werden noch die Hügel unterschieden, auf denen einst - das mächtige Karthago erbaut war, auf einem daselbst steht das maurische Dorf Sidi Bufeth, eine sehr be- rühmte Freistätte für Verbrecher. Nicht fern von diesem 234 Orte steht noch ein Thurm, erbaut durch Ludwig den Frommen, König von Frankreich, und nahe dabei befindet fich fein Grab. Zweimal bestieg ich diese Anhöhe, um die herrliche Aussicht zu genießen. Ein Panorama von 60 Meilen im Umfange stellt sich dem Blicke dar. Zur Lin, ken winkt das Vorgebirg Bona, Capa Bona, das Dorf Soliman, die hohen Berge von Hamam en- lief, die Veste und der Hafen von Gouletta, die Bai und der See vor Tunis und die Stadt felbst. Rechts das Dorf Ariana, der Busen des Mittelmeeres, Porto Farino, oder Ghor el Mahla, am Aus- fluß der Mejerda, und abwärts die Ruinen und Ebe- nen von Karthago. Die schönsten Ueberreste dieser einst so berühmten Stadt sind 14 noch gut erhaltene Zisternen, von welchen jede 80 Fuß Tiefe und 20 Fuß. Breite hat. Bruchstücke einer Wafferleitung, und Steinhaufen. Noch bis auf den heutigen Tag werden viele alte Münzen hier gefunden. Und es braucht nicht lange Suchens und Wühlens um deren habhaft werden, denn ich fand einige ohne große Mühe angewendet zu haben. 2 3 5 XXIX. Tunis, den 12. Januar 1836. Als die Araber im Jahr 647 die Nordküste von Afrika überschwemmten, drangen sie siegreich bis zur klei- nen Syrte, dem heutigen Reiche Tripolis, vor. Jetzt aber hinderten sie einheimische Kriege ihre Erober- ungen fortzusetzen, und mehrere andere Einfälle scheiter- ten nach anfangs glücklichem Erfolge, Abd al Malek schlug die einheimischen Partheien nieder und fandte ihm Jahr 692 Haffan mit einem starken Heer, zur endlichen Bezwingung Afrikas. Derselbe vollzog was ihm geboten war; er eroberte das Land und die Städte auf der Nordküste von Afrika: auch die alte Königin Ka rthago, jetzt noch Hauptsitz der bürgerlichen Indu- strie und der Kriegsmacht. Dreimal wurde diese ehr- würdige, unglückliche Stadt erstürmt und jetzt legte sie Haffan ganz in Asche. - Aber auch diese Eroberung war nicht von Dauer. Die Mauren, welche vor dem ungestümmen Angriff der Araber in die Thäler des Atlas geflohen waren, bra- " " _236 chen jetzt, im Jahre 698, daraus hervor, mit fanati scher Wuth und vereint unter der prophetischen Fahne ihrer Königin Cahina. Ihre barbarische Art Krieg zu führen zerstörte, was noch von Denkmalen alter Kunst und Größe übrig war, in dem einst so blüht enden, volk - und fädte - erfülltem Lande, welches aber drei Jahrhunderte hindurch unausgesetzt durch innere und äußere Stürme heimgesucht wurde. Jetzt erscheint Mufa, Haffans Nachfolger auf dem Schauplatz des blutigen Krieges, gesandt von dem Chat lifen Al Walid mit feinen Söhnen Abdallah und Abdalaziz nnd endigen im Jahr 709 diesen blutigen Krieg. Erst nach vielen schrecklichen Niederlagen der ein- heimischen Christen und Mauren und nach dem Verlust von 300.000 Gefangenen, unterwirft sich alle Bevölker rung dem Halbmond, gehorcht der Lehre des Korans, nimmt selbst die Sprache der Sieger an und verschmilzt hiedurch allmählig wie zu einem Glauben, so zu einem Volke. Sitz und Macht der Araber wurde von dem zerstörten Karthago nach Kairwan verlegt. Bald darauf im Jahre 805 wurde das Reich Tunis gegründet, früher schon Fez, im Jahre 788, später das Reich Marokko, im Jahre 1069. Um diese Zeit wurde Abou Ferez als König von Tunis ausgerufen, führte - 237 fiegreiche Kriege wider Marokko und erklärte sich zum Sultan über sämmtliche Staaten der Berberei. - Im dreizehnten Jahrhundert wurde in Frankreich beschloffen einen Zug nach Tunis zu unternehmen und im Jahre 1270 landete Ludwig der Heilige, König von Frankreich, bey den Ruinen von Karthago, marschierte gegen Tunis, geschlagen, starb er an der Pest und wurde auf Afrikas Boden begraben. Seit dieser Zeit blieben die Könige von Tunis in unbestrittenem Besitz ihres Reiches bis ins fechzehnte Jahrhundert, und führten in Gemeinschaft mit Algier, Tripolis nnd Marokko einen verderblichen Krieg gegen die Christenheit, beraub- ten ihre Schiffe und legten ihrer Mannschaft Sclaven- ketten an. Da erschien im Jahr 1535 Karl der Fünfte, König von Spanien mit einer Heeresmacht vor Tunis und eroberte die Stadt. Er befestigte den Landungs- platz Gouletta und ließ in Tunis die Burg Kafuba erbauen. Er wollte seine Eroberung ausdehnen, wurde POr Algier geschlagen und verlor alle seine Besitzungen an der Nordküste. Hierauf erklärte sich der Sultan Selim, der zweite, zum Schutzherrn über alle Staaten der Berberei und bestimmte, daß jeder Staat durch Pafcha regiert werden müsse. Er mußte aber diese Verordnung bald wieder aufgeben und gestatten, daß Mauren und Araber durch einen selbst gewählten Dey 238 regiert werden. Dies geschah. Aber bald erlangte Al- gier großen Einfluß und Tunis wurde bis zum Jahr 1684 von defen Dey regiert. In diesem Jahre schüt- telte Tunis das Joch Algiers ab und wählte sich feinen eigenen Bey, Namens Mohamed. Hierauf rückte Algier mit einer bedeutenden Schaar vor Tunis, der neue Bey flüchtete ins Gebirg und Algier ernannte ei: nen Türken, Mohamed ben Chules zum Bey von Tunis. Kaum aber waren die Truppen von Algier ent- fernt, als der vertriebene Bey Mohamed mit einer Armee Araber aus dem Gebirge herabrückte, Tunis an griff und eroberte, die Türken wieder nach Algier jagte und ruhig bis zu seinem Tode regierte. Ihm folgte der Bruder Ramadan Bey, welcher aber nach kurz zer Herrschaft von dem eigenen Neffen Murat getödtet wurde. Doch auch dieser hatte kaum die Zügel der Re- gierung erfaßt, als ihm ein gleiches Loos durch den Scherif Ibrahim zu Theil wurde. Dieser saß nicht lange auf dem Throne, als er genöthigt war den An- griffen Algiers abzuwehren; wurde aber in einer Schlacht gefangen und nach Algier gebracht. Jetzt wählte das Heer Haffan ben Ali, einen Renegaten der grie- chischen Kirche, von welchem in gehöriger Reihenfolge die heutigen Bey von Tunis abstammen. Der gefangen gehaltene Scherif Ibrahim entkam und wagte sich 239 in das Reich Tunis, um sich einen Anhang zn verschaf, fen, wurde aber ergriffen und auf Befehl Haffan ben Ali ermordet. Haffan ben Ali hatte kein besseres Loos, ihn stürzte sein Neffe Ali und verbanten ihn nach Sufa. Als er es später wagte sich des Reichs wieder zu bemächtigen, wurde er ermordet, feine zwei Söhne entkamen glücklich nach Algier. Der Regent daselbst ein Feind Ali Bey zog mit einer Armee nach Tunis, eroberte die Stadt ließ Ali Bey ermorden und hob Machmet, ältesten Sohn des Haffan ben Ali, auf den Thron. dieser starb bald nach feiner Er- hebung und hinterließ zwei minorenne Söhne Machmur und Ismael. Ali, Bruder des Verstorbenen regierte jetzt im Namen der minderjährigen Kinder feines Bru- ders, wußte es aber vor seinem Tode dahin zu bringen, daß sein Sohn Hamuda, als Bey ihm nachfolgte. Hamuda wurde auch wirklich im Jahre 1780 zum Bey erhoben. Dieser war einer der verständigten Män- ner, die je den Thron dieses Reiches besaßen, Er sprach arabisch, türkisch und italienisch, ihm verdankt das Reich viele nützliche Einrichtungen und Verbesserungen, er fam- melte eine Armee von 40.000 Mauren und 6000 Tür- ken, reinigte das ganze Land von Räubern und regierte mit Umsicht und Klugheit, 30 Jahre saß er auf dem Throne des Reichs, und als er an einem Abend des 240 Ramadan eine Taffe Kaffe zu fich genommen hatte, fiel er tod vom Stuhle. Der Kaffe war vergiftet. Os- in an dessen Bruder bestieg nun den Thron. Noch leb- ten aber Machmut und Ismael die rechtmäßigen Thronerben. Diesen gelang es Osmann und dessen beiden Söhne tödten zu laffen und Machmud bestieg im Jahr 1815 den Thron. Nicht lange hatte er die Zügel der Regierung in der Hand, als eine Verschwö- rung die der Sachab Ettaba, des Bey Tochtermann, leitete. Sie wurde entdeckt, der Sachab Ettaba und mehrere Personen sowohl schuldige als unschuldige mußten deßwegen bluten. Nur 5 Jahre regierte Machmut. Nach dessen Tode wurde Haffan, dem man, außer dem Antheil an der Mordthat feines Oheims und feiner Neffen, nichts vorzuwerfen weiß, als weichliches schwelge- risches Leben auf den Thron gesetzt. Haffan starb im Mai des vorigen Jahres und dessen Bruder Mu- stafa bestieg nach feinem Tode den Thron, von dem man nun Vieles erwartet. - - - - - - - - '- – - – - – - - ". - - - - - - - - - - - | | | | | | -- --- -| -| | -- - - | --- -| | - - -- --