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M E NT EM AL 1 T E T E XCO
O) F: B | B L | O T H E K
NATIONALBIBLIOTHEK
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3 2.
li e i f e
des
evangelischen Missionar
Christian Ferdinand Ewald,
v) On
Tunis nach Tripolis und wieder zurück.
Herausgegeben
-
von
Dr. Paulus Ewald,
Königl. Pfarrer zu Plech.
Mit vielen Kupfern:
- Ansichten, Pläne, Trachten ac. enthaltend.
Sococoojocajo Scac$00$30 ae Hocßx-–
Nürnberg, London,
Ferdinand v. Ebner. Black u. Armstrong.
1 S 4 e.
W. o r w o r t.
Gs bedarf wohl keiner weitläufigen Schutzrede zur
Herausgabe einer Reise, die über eine bedeutende
Strecke der Nordküste von Afrika interessante Auf-
schlüße gibt und über manche noch dunkle Region
der Geographie ein äußerst willkommenes Licht ver-
breitet. Nicht minder wichtig erscheinen für den
Alterthumsforscher die Anzahl der aufgenommenen
Ruinen und für den Historiker die sich daran knü-
pfende Geschichte der Alten; während den Freund
der Länder- und Völkerkunde Bemerkungen über Re-
ligion, Sitten und Gewohnheiten der Bewohner die
fer Länder, sowie über Verfassung, Einrichtung,
Rechtspflege c. der Städte, welche im Bereiche der
Reise sich finden, überraschen. Jeder aufmerksame
Leser aber wird überdieß wohl selbst finden, daß nur
derjenige Reisende im Lande des Halbmondes im
Stande ist, sich der zuverlässigsten Nachrichten er-
freuen zu können, der sich Sprache und Sitte eines
arabischen Muselmannes im hohen Grade anzueig-
nen weiß, Mühseligkeiten, Beschwerden und Gefahren
nicht achtend, nur dem hohen Ziele seines Berufes
zueilt. Reisebeschreibungen dieser Art sind selten
und werden eben deswegen in neuerer Zeit mit höch-
fem Intereffe und Beifall aufgenommen.
Der christliche Theolog wird durch den Inhalt
dieser Schrift merkwürdige dogmatische Aufschlüffe
über den Islam und insbesondere über die Glau-
bensgrundsätze der Secte der Wechabia finden,
die ihn in den Stand setzen, in dieser Beziehung ein
richtiges Urtheil zu fällen. -
Indeffen muß hier bemerkt werden, daß das
eigentliche Wirken des Reisenden als Missionar hier
nur im Vorübergehn berührt wurde, in so fern
nämlich als es zum Verständniß des Ganzen nöthig
zu feyn schien.
Die vielen beigegebenen Zeichnungen werden
das Erzählte recht veranschaulichen und von dem
Leben und Treiben der Moslemin auf der Nord-
küste von Afrika ein deutliches Bild zurücklaffen.
Sie sind fast alle an Ort und Stelle aufgenom-
men und sonach treue Spiegel der Natur.
Dr. Ewald.
I.
Solim an den 12. Mai 1835.
Gleich nach Ostern wollte ich meine Reise, der Küste
entlang, von Tunis nach Tripolis antreten. Allein
mancherlei Hindernisse stellten sich mir entgegen. Mein
Diener sonst so ziemlich ordentlich, hatte aber eine so
große Freude an Lügen, daß er mich, trotz häufiger
Warnungen, immer wieder aufs Neue anlog. Ich mußte
ihn deshalb fortschicken. Ein bekannter Mahomedaner
empfahl mir einen andern, den ich auch sogleich annahm.
Er gehörte dem Stamme Waraklia an. Dieser Stamm
lebt ungefähr 20 Tagreifen von Tunis, frei und unab-
hängig, von einem Scheick regiert Es find treue und
zuverläßige Leute und haben in Tunis das größte Zu-
trauen. Aus den Waraklia wird die Nachtwache gewählt
und nur ihnen die äußere Bewachung des Palastes an
vertraut. Wer hier einen treuen Menschen um sich haben
will, sendet nach dem Schaufch, Vorsteher derselben,
der sich für alle seine Leute verbindlich macht, um einen
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-
Waraklia zu erhalten. Ich war deshalb sehr erfreut.
Als ich aber meinen neuen Diener näher befah, fand ich,
daß er mit der dritten ägyptischen Plage übersäet war.
Mit aller Bescheidenheit machte ich ihn darauf aufmerk
fam, versprach ihm andere Kleider zu kaufen, um die
Seinigen dagegen auszutauschen. Hierüber wolle er mit
feinem Schaufch sprechen, war die Antwort. Sogleich
ging er zu ihm. Beide kamen nach kurzer Zeit zu mir
und der Vorsteher sagte, der Waraklia könne sich nicht
entschließen seine alten treuen Freunde zu verlaffen eines
Herrn wegen. Ich war also abermals ohne Diener.
Hierauf bot sich mir ein Malteser an. Ungerne wil-
ligte ich ein, weil diese Menschen in der Regel schlaue
Diebe find; doch ich mußte der Noth weichen! Auch
stellte sich jetzt Regenwetter ein, dazu kam noch, daß der
Bey sehr krank wurde und täglich fah man seiner letzten
Stunde entgegen. Man befürchtete nach feinem Ableben
eine Revolution, weil zwei mächtige Partheien am Hofe
sich feindlich gegenüber stehen. Die eine wünscht den Bru-
der des Bey Sidi Mustapha, die andere den Sohn
des Bey auf den Thron zu heben. An der Spitze der
letztern steht der Sachab Ettaba, Siegelbewahrer, und
gegenwärtig erster Minister, der die Zügel der Regierung
ganz allein in den Händen hat. Die erstere wird von
Sidi Mustapha, der allgemein geliebt ist, selbst ge-
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leitet. - Sollte nun nach dem Tode des Bey eine Revo-
lution ausbrechen, so könnte ein einsamer Wanderer, und
insbesondere ein Verkündiger des Evangeliums, in große
Gefahr gerathen. Darauf wurde ich selbst von einem
Freunde am Hofe aufmerksam gemacht. Da aber die
Krankheit des Bey sich verlängerte und heute von ihm
gesagt wurde: er befinde sich beffer und morgen: er fey
tödtlich krank, auch die Witterung sich unterdessen gebessert
hatte; so entschloß ich mich, mich im Namen des Herrn
auf den Weg zu machen. Bibeln hatte ich bereits nach
Sufa, wo ich längere Zeit zu weilen gedenke, gesendet.
Meine Vorbereitungen zu dieser Reise waren getroffen,
ich und mein Carmeli, Name meines Dieners, bestie-
gen nun einen gemietheten zweirädrigen Wagen, in wel-
chen ich alles zur Reife Nöthige gepackt hatte, und fuhr
ren gestern frühe 6 Uhr zum Thore Bab el gafir hin-
aus. Da die Funducken, oder Herbergen, den Reisenden
nichts als die vier Wände reichen; so muß man auch mit
Allem versehen feyn, was zur Leibesnahrung und Noth-
durft gehört. Sobald wir die Wohnungen der Lebendigen
verlaffen hatten, kamen wir zu den Gräbern der Verstor-
benen, die bis ans Stadtthor reichen. Mein Weg führte
eine Viertelstunde an denselben entlang und die weißen,
immer wieder neu übertünchten Gräber glänzten, beleuchtet
von der Morgensonne, an den nahen Hügeln. Hier
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4
wurde mir, beim Anblick dieser Hügel, der Ausspruch
des Herrn, Matth. 23, 27–29, sehr verständlich; denn
noch immer werden die Gräber der Juden und Mahome-
daner von Zeit zu Zeit mit Kalk übertüncht und gewäh-
ren dadurch, besonders in der Ferne, eine schöne Ansicht.
Der Morgen war schön, die Gegend noch schöner,
obgleich kaum halb angebaut, so grünt und blüht dennoch
die ganze Fläche umher. Liebliche Auen, gleich Blumen-
gewinden, wechselten mit Saatfeldern zu meiner Rechten,
während links, dem See von Tunis näher, sanfte Höhen,
besetzt mit Olivenbäumen, sich dem Auge darstellten.
Welch ein herrliches Land! Hier könnten Tausende und
aber Tausende von Menschen ruhig, friedlich und reichlich
leben und wirthen, thronte ein christlicher Fürst hier und
rührten sich christliche Hände auf Höhen und in der Tiefe.
Allein mahomedanische Grausamkeit hat alles umher ver-
ödet und entvölkert. -
Das erste Dörfchen, welches ich traf, heißt Sidi
Fatach Allah, eine englische Meile von Tunis entfernt.
Seinen Namen verdankt es einem Derwisch, Namens
Fatach Allah, der hier begraben liegt. Die Frauen,
wallen stark hieher, diesen Derwisch um Kinder anzu-
flehen. Der Freitag soll hiezu besonders geeignet sein.
Um erhört zu werden, ist es nöthig, einen Felsen, der in
der Nähe des Grabes dieses Heiligen sich findet, zu be-
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steigen, sich auf den Rücken zu legen, und so hinab in
die Tiefe zu rutschen.“) -
Eine englische Meile weiter, und ich hatte zu mei-
ner Rechten, auf einer Anhöhe liegend, zwischen dem
See von Tunis und dem Meere das Städtchen Rhades,
das alte Ades, wo Regulus den Sieg über die Kar-
thager davon trug, in der Nähe desselben bemerkt man
die Hügel, jetzt voll der schönsten Olivenbäume, wo Ha-
mon ungeschickter Weise seine Elephanten aufstellte, wel
ches seinem Heere den Untergang bereitete. Nicht fern
von Rhades fuhr ich über eine Brücke, unter welcher
der Fluß Miliane, der Cate da der Alten, fließt. Um
9 Uhr erreichten wir die warmen Bäder Hamman Enf,
zur Zeit der Römer schon berühmt und auch jetzt noch.
Hier hat der Bey von Tunis einen Winter-Palast und
ist zu dieser Jahreszeit mit seinem ganzen Hofe hier. Das
Aeußere dieses Gebäudes gleicht einem Nonnenkloster, seine
vielen Fenster sind alle, der Frauen wegen, mit Gitter
werken geschloffen, das Innere aber ist orientalisch, pracht-
*) Dieses hatte man mir erzählt; allein ich hielt es für zu
abgeschmackt, allen Anstand verletzend, und konnte es
nicht glauben. Als ich aber später in Begleitung des
schwedischen Konsuls und noch einiger Herren einen Ritt in
diese Gegend machte und an diesem Felsen vorüber kam,
sah ich eine Menge Frauen, welche obige Ceremonie
machten. -
-
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voll ausgeschmückt. Ein Ruff, Herr K..., der die Reise
eine Strecke mit mir machen will, hatte ein Schreiben
von Sachab Ettaba an den Wakil, Aufseher des Pal-
lastes, und dieses verschaffte uns die Gunst das Innnere
besehen zu dürfen. Der Wakil, ein Neger, Sklave des
ersten Ministers, führte uns durch alle Zimmer. Da Herr
K... nicht arabisch spricht, so machte ich den Dolmetsch,
deßhalb fah mich der Wakil für einen Diener des Herrn
K... an, und fagte mir nach maurischer Weise viel
schönes, das ich Herrn K... sagen mußte. Nachdem
wir alles besehen hatten, dachten wir, es fey billig, dem
Aufseher für seine Mühe ein Geschenk zu reichen. Herr
K. that dieses auf eine so feine Art, daß es die Umste-
henden nicht bemerken konnten. Allein wie bestürzt und
beschämt waren wir, als der Wakil, wie beleidigt, das
Geld von sich wieß, fagend: Nein, mein Herr, Geld
nehme ich nicht, Sie haben einen Brief von Seiner
Herrlichkeit an mich gebracht und wir sind nun Freunde.
Was ich habe steht zu Ihren Diensten. Wenn Sie
meine Augen wollen, so nehme ich sie heraus und gebe
fie Ihnen, Hierauf rief er seinen Sklaven, einen unter
ihm dienenden Neger, der uns überall mitbegleitet hatte,
und stellte diesem das Geld zu. In diesem Augenblick
fühlte ich mich in der That tief beschämt Aber laut
auf mußte ich lachen, als der großmüthige Wakil, da
––
wir alleine waren, sich an mich wendete und sagte: Sagen
Sie doch diesem Herrn wir sind nun Freunde, und was
ich habe steht zu seinen Diensten. Geld nehme ich für
meine Bemühungen nicht an, obschon wie Sie sehen, das
Treppen Auf- und Absteigen mich sehr ermüdet hat und
jetzt der Schweiß mir von der Stirn fließt; aber er soll
mir ein Paar schöne kleine Pistolen kaufen, die ich im
Gürtel tragen kann, wenn ich am Hofe vor. Seiner Ho-
heit dem Bey erscheine. An dem Palaste ist eine Art
Citadelle angebracht, auf welcher 8 Kanonen aufgepflanzt
sind. Die meisten warmen Bäder sind für den Bey
bestimmt, doch find auch einige zum allgemeinen Gebrauch,
daher finden sich beständig Leute hier, die sich deren bedie-
nen. Nachdem unsere Pferde abgefüttert waren, fuhren
wir im Namen des Herrn weiter. Die Gegend um und
in der Nähe von Hamman Enf ist öde und unan-
gebaut. Wir hatten nun den Meerbusen zur Linken und
die kahle Bergkette von Hamman Enf zur Rechten.
Indessen wird diese öde Gegend dadurch belebt, daß fie
beständig von einer Menge Karavanen, die entweder
von Tunis kommend oder dahin ziehend, durchschnitten
wird. Einige Sklavenhändler, furchtbar bewaffnet, auf
Kameelen reitend, und gegen hundert weibliche Sklaven
vor sich her treibend, stießen hier auf uns. Mein Herz
wollte brechen bei diesem jammervollen Anblicke. Arme
8
-
Geschöpfe, wann wird für euch die Stunde der Erlösung
schlagen! Wann wird bis zu euch die fröhliche Bot-
fchaft von Christo dringen, und der menschenfreundliche
Ruf unters Heilandes: Einer ist euer Meister, ihr alle
aber feyd Brüder ! Wann werden Menschen aufhören,
Menschen, Brüder und Schwestern, wie das unvernünf
tige Thier zu behandeln! Wohl dann erst, wann die
ganze Erde voll sein wird von der Erkenntniß Gottes in
Christo Jesu, Diese Unglücklichen kamen gerade aus dem
Innern des Landes, aus ihrer Heimath, von welcher
wilde Grausamkeit fielgeriffen. Sie waren noch nach ihrer
Landessitte gekleidet, hatten alle große bunte Glasperlen
um den Hals und verstanden nicht arabisch. Da ich es
wagte, einige anzureden, lachten sie wild auf und liefen
vorwärts. Jede derselben schien etwas aus der Heimath
bei sich zu haben, Ich fah eine, welche zwei Papageien
auf dem Haupte trug, Die Treiber waren aus Ga-
dams und sagten mir, fie feyen nun bereits schon sechs
Monate auf der Reise, Bald werden diese Unglücklichen
den Sklavenmarkt zu Tunis zieren. Da werden jeden
Morgen um 10 Uhr, mit Ausnahme des Freitags, die
unglücklichen Neger und Negerinnen auf den Markt ge-
bracht. Der Sklavenmäckler nimmt den Sklaven oder
die Sklavinn bei der Hand, führt eine Waare auf und
ab und ruft den Preis für den Sklaven aus. Zugleich
„“
9
rühmt er die Geschicklichkeit desselben. Der Käufer unter
sucht zuerst die Füße, die Hände, die Zunge, die Zähne u.fw.
des armen Schwarzen, und wird der Kaufgeschloffen; so
finden sich sogleich in der Nähe die Vorsteher des Mark
tes, welche ihn in die Bücher eintragen. Eine Re-
gerinn kostet gewöhnlich 3–400 Piaster = 200 Gulden,
ein Neger oft nur die Hälfte.
Keine angebauten Felder, keine Hütte erfreuen des
Wanderes Auge in dieser öden unwirthlichen Gegend,
doch fanden wir einige Brunnen mit frischem erquickenden
Waffer. Erst als wir Soliman vor uns sahen, gewann
das Land wieder Schönheit. Eine herrliche schöne Ebene mit
Feldern, Wiesen und kleinen Oliven-Wäldern, durchschnitt
ten und reichlich bewäffert von einem klaren Fuße, wird
sichtbar ; diese durchzogen, wir und langten. Abends 4
Uhr, nach zurückgelegten 24 Meilen *) in diesem Städt-
chen an. -
Solimans Lage ist nur eine Stunde ohngefähr vom
Meere entfernt. Die Stadt ist regelmäßig gebaut, hat eine
breite Hauptstraße, von mehreren Nebenstraßen durchkreuzt,
und einen schönen großen Marktplatz. Die Häuser sind, mit
Ausnahme weniger, nur ein Stockwerk hoch. Hier könnten
7–8000 Einwohner leben; aber sie zählt deren nur 700.
*) Englische Meilen, deren immer 5 eine deutsche betragen.
Zwei Drittel der Häuser liegen in Ruinen. Eine der
Vorstädte, durch welche wir kamen, die wohl an hundert
Häuser zählen mochte, ist ganz zerstört und hat fast keine
Bewohner. Die Pest, welche 1816 hier gräßlich wüthete,
hat mehr als die Hälfte der Einwohner ins Grab gelegt,
und von den Verschonten wanderten damals viele in ent
fernte Dörfer und kehrten nicht wieder zurück. Zu der
Entvölkerung dieses schönen Städtchens trägt auch noch
die unpolitische und tyrannische Regierungsweise des Bey
bei. Sobald der Bey erfährt, daß ein Einwohner von
Soliman sich im Wohlstande befindet, so läßt er nicht
nach bis er dessen Geld in feine Schatzkammer und den
Mann an den Bettelstab gebracht hat. Daher wandert, wer
nur immer kann, nach Tunis aus, wo man von solcher
Bedrückung einigermaffen verschont bleibt. Denn Tunis
wird, als unmittelbar unter der heiligen Fahne Mahomeds
stehend, wie eine Freistadt betrachtet, weshalb auch die
Einwohner keine direkten Abgaben zu entrichten haben.
Man sagt, die hiesigen Mauren feyen aus Andalusien
eingewandert und das Spanische soll noch vor 100 Jahren
dahier verstanden worden feyn. Ich konnte aber keine
Spur mehr davon entdecken, ich hörte nur von einem
Mauren sagen, daß vor einigen Monaten ein alter Mann
dahier gestorben sey, der noch etwas von dieser Sprache
verstanden haben soll. Die Konsuln der französischen,
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dänischen und neapolitanischen Regierungen besitzen hier
ein eigenes, gemeinschaftliches Haus. Da diese Herren
die Jagd lieben, so kommen sie öfters hieher, um in
dieser Umgegend zu jagen, und deren Güte verdanke ich die
Erlaubniß, während meines hiesigen Aufenthalts, dieses
Hausbewohnen zu dürfen. Eine Gefälligkeit, die nur derje-
nige ganz zu schätzen weiß, der mit dieser unwirthbaren
Gegend bekannt ist. Sobald ich mich etwas erholt hatte,
ging ich aus, das Städtchen zu besehen. Da ich einen
Brief an den hiesigen Vorsteher der Juden hatte, so
fuchte ich diesen auf. Auf dem Markte traf ich einen
Juden, den ich deshalb fragte. Da ich hebräisch mit
ihm sprach und nach dem Vorsteher fragte; so glaubte
er ich fey ein Jude, der, nach Jerusalem pilgernd, von der
Gemeinde eine Beisteuer verlange. Er ging daher sogleich
mit mir zur Wohnung. Den Vorsteher traf ich nicht,
wohl aber feine Frau und mehrere Kinder. Freund
fchaftlich wurde ich aufgenommen und sogleich wurde
nach dem Rabbi geschickt, um den überbrachten Brief
lesen zu laffen. Dieser kam, und ich hörte von ihm,
daß hier nur 10 jüdische Familien wohnen, welche außer
dem Vorsteher in der größten Dürftigkeit leben und von
den Mahomedanern sehr gehaßt, gedrückt und verfolgt
werden. Mit dem Rabbi sprach ich von dem Messias,
während dieser Unterredung versammelten sich um uns
-
12
die andern Nachkommen Israels zu Soliman und hörten
aufmerksam zu. Im Laufe des Gesprächs, sagte der
Rabbi, der seinen Talmud für das Höchste hielt, dieser
fey das Fundament des jüdischen Glaubens und Wiffens,
denselben zu studieren fey die größte Glückseligkeit, Gott
am wohlgefälligsten und wenn er es könnte durchsetzen,
so dürften die Kinder seiner Schule nur den Talmud
lesen. Ich machte ihn aufmerksam auf Moses und die
Propheten und bewieß ihm, daß nach der heiligen Schrift
der Messias schon gekommen seyn müsse, und daß dieser
kein anderer ist als Jesus von Nazareth. Es wurde
spät und wir gingen auseinander, um morgen unser
Gespräch fortzusetzen. Als ich in meine Wohnung zurück
kam hörte ich, daß der Scheick Elblad, Befehlshaber
des Städtchens, mich zu sprechen wünschte. Ich verfügte
mich sogleich in seine Wohnung. Daselbst angekommen,
wurde ich in einen Stall geführt. Hier saß der Scheick
in einer Ecke, um ihn herum die Vornehmsten des Orts
und in einer kleinen Entfernung standen einige Kühe an
der Krippe. Höflich wurde ich aufgenommen. – Ich
und Herr K..., der indessen auch dazu kam, wurden
gefragt, ob wir irgend Hülfe oder Beistand bedürfen,
ob wir mit Lebensmitteln versehen seien e. c. Wir dank
ten verbindlichst für die Aufmerksamkeit und versicherten,
daß wir Alles hätten, was nöthig fey. Da wir von
13
Tunis kamen, so erkundigte er sich ängstlich nach des
Bey Gesundheit und fragte mich, ob ich nicht Arzt sey?
Da er eine verneinende Antwort erhielt, so bedauerte er
es sehr, weil er gerne über Arzneikunde spricht, ob er
gleich nichts davon versteht. Ich erkundigte mich bei ihm
nach Allem, was mir interessant zu seyn schien und erhielt
bereitwillige Auskunft. Während wir uns miteinander
unterhielten, hörte ich plötzlich ein fürchterliches Trommeln
und Schreien. Ich fragte, ob des Bey Soldaten in
der Nähe wären? Nein, war die Antwort; sondern
es fey eine Negerinn im Hause fehr krank, und jetzt
haben sich die übrigen in der Stadt bei ihr versammelt,
um nach Landessitte die Krankheit zu verscheuchen. Ich
konnte mein Erstaunen über diesen Aberglauben nicht
zurückhalten, worauf aber nur ein Achselzucken die Ant-
wort war. Heidenthum und Mahomedanismus, dachte
ich, lassen sich also gut vereinigen. Wir verließen den
Scheick und feinen Audienzsaal, er versprach uns mor-
gen frühe Milch zum Kaffe zu senden. O, daß Ismaels
Nachkommen das helle Licht des Evangeliums annehmen
wollten! Wie ganz anders würde es um dasselbe, wie
ganz anders in hiesiger Gegend aussehen!
In der Nacht wurden wir sehr angenehm überrascht.
Der englische Vizekonsul kam von Nabal und kehrte
nach Tunis zurück. -
Diesen Morgen verließ mich Herr K..., um feine
Reise nach Nabal fortzusetzen. Ich konnte und wollte
nicht so schnell reisen, deswegen blieb ich allein zurück.
Ich ging bald hernach aus den Rabbi aufzusuchen. Auf
dem Wege zu ihm begegnete mir der Scheick. Er sagte
zu mir: Sie gehen jetzt nach Nabal, dort wohnt der
amerikanische Konsul, der ein geschickter Arzt ist. Sagen
Sie ihm, er soll mir eine Medizin schicken. Aber Sie
find ja nicht krank ? fagte ich. Sind Sie aber dennoch
krank, so fagen Sie mir, wo es Ihnen fehlt, damit ich
es dem Doctor fagen kann. Er soll mir nur eine Me-
dizin schicken, sagen Sie zu ihm, eine gute Medizin,
ich bin zwar gesund, aber ich will eine Medizin, die
mich recht stark macht, und da wir jetzt Freunde find,
nicht wahr. Sie haben die Milch heute frühe erhalten?
Ja, das habe ich. Nun, so senden Sie mir die Me-
dizin von Nabal durch einen Kourier.
Den Rabbi fand ich nach Landessitte auf der Erde
sitzend, in einer kleinen Stube, die zugleich als Syna-
goge dient, um ihn herum saßen 10 Knaben, feine
Schüler. Wir knüpften unser gestriges Gespräch wieder
an. Während unserer Unterredung gesellte sich die einzige
christliche Familie, die hier wohnt, zu uns. Da ich
wahrnahm, daß der Rabbi sehr arm fey, so schenkte ich
ihm eine hebräische Bibel und wir fähieden in -
-
15.
Auf meinem Rückweg bemerkte ich einen großen Zusam-
menlauf des Volkes. Ich ging hinzu um mich zu erkun-
digen und fragte, was dieses zu bedeuten habe? Die
Einwohner, sagte man mir, haben seit 10 Tagen ver-
fchiedene Nationalspiele aufgeführt, aus Freude über die
Genesung des Bey. – Der Bey war nämlich vor mehr
reren Monaten schon einmal fehr krank, wurde aber wie-
der hergestellt und konnte am letzten Beyramfest öffent-
lich erscheinen. Seine jetzige Krankheit ist Rückfall. –
Damals wollten die Großen des Hofes dem Leibarzt,
einem Italiener, ihre Erkenntlichkeit bezeugen, daß er
durch feine Kunst das Leben ihres Gebieters verlängert
habe. Eine Schüffel wurde im Vorzimmer des Serails
aufgestellt, ein Mameluk dahin postiert, welcher ausrufen
mußte: Wem des Bey Gesundheit lieb ist, der vergelte
es dem Wiederhersteller derselben, dem vortrefflichen
Doctor N. N. Es war daher ganz natürlich, daß jeder
am Hofe feine Anhänglichkeit an dem Gebieter öffentlich
darlegte und Geld in die Schüffel warf. Das Einge-
legte wurde immer mit folgenden Worten laut ausgeru-
fen: Herr N. N. hat eine große Anhänglichkeit an un-
fern Herrn und Gebieter öffentlich bezeugt und hat so
und so viel eingelegt. Auf diese Weise erhielt der Herr
Doctor 50,000 Franken. Diese Gewohnheit herrscht auch,
wenn ein Prinz oder eine Prinzessin verheirathet wird.
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16
Die Großen des Landes legen ihre Gaben in die auf
gestellten Schüffeln, und da dieses im Beisein des ganzen
Hofes geschieht, so will natürlich keiner der Letzte seyn
und große Summen Geldes und kostbare Steine werden
den Neuvermählten auf diese Art zugestellt. – So
eben wollten die Einwohner Solimans ihre Spiele wieder
beginnen, als plötzlich der Derwisch des Orts, der mo-
natlich nur einmal ausgeht, bewaffnet unter die Menge
trat, die Tische über den Haufen warf, auf die aufge-
stellten Fahnen schoß, und der Menge befahl auseinander
zu gehen. Gott wolle nicht haben, sagte er, daß die
Menschen sich ferner freuen sollten. Sodann setzte er
sich zu Pferd, sprengte unter das Volk und sagte: Sie
sollten nach Hause gehen. Bestürzt über diese Erschei-
nung, die jeder für ein böses Omen hielt, ging das Volk
nach Hause. Ich wollte nun auch diesen Wundermann
sehen und blieb deswegen stehen, bis er herzukam. Es
war ein kleines, verkrüppeltes, wildaussehendes Männchen,
hatte Hände und Gesicht mit Koch beschmiert, und war
mit Lappen von verschiedenen Farben bekleidet, hatte aber
einen Säbel an der Seite, zwei Pistolen im Gürtel und
eine Flinte über die Schulter hängen. Auf meinen Wan-
derungen durch das Städtchen zeigte man mir eine alte
Mauer, welche das einzige Ueberbleibsel aus der ehemali-
gen Christenzeit seyn soll.
- 17
- II.
Nabal den 14. Mai 1835.
Gestern frühe gegen 6 Uhr verließ ich Soliman. Es
hatte in der Nacht heftig geregnet und ein Fluß, den
wir passieren sollten, war ausgetreten. Wir mußten
daher einen Umweg machen, um wieder auf die große
Heerstraße zu gelangen, die von Tunis nach Sufa
führt. Der Weg brachte uns durch eine schöne, aber
kümmerlich angebaute Ebene, die sich vom Meere bis
ans Gebirg 2 – 3 Meilen weit erstreckt. Hie und da
waren kleine Olivengärten und mehrere Ruinen aus der
dhristlichen Zeit sichtbar. Gegen 11 Uhr langten wir in
Crumbalia, einem kleinen, nur von Muselmännern be-
wohnten, Dörfchen an. Auf der Ebene, die wir so eben
durchschnitten hatten, wohnten ehemals viele Tausende
von Menschen, jetzt aber ist alles öde und leer. Hier
wurde den Pferden Futter gegeben und auch wir stärkten
uns durch ein frugales Mahl. Schon eine Stunde vor
Crumbalia gesellten sich 8 Beduinen zu uns, die den
Kutscher fragten, wohin die Reise gehe, den Wagen genau
betrachteten und uns beständig beobachteten. Diese Be-
_-
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gleitung gefiel mir ganz und gar nicht, besonders als ich
fie unter einander sprechen hörte: Es sind nur zwei
Menschen im Wagen. Ich legte daher meine Pistolen
zurecht und fragte, woher sie kommen und wohin sie
wollten? Wir sind des Sachab Ettaba's Hirten, gehen,
um eine Schafe zu hüten, in jene Berge und haben
denselben Weg zu machen, den du gehst, war die Ant-
wort. Von den Schäfern des Sachab Ettaba war
nichts zu befürchten und ich war ruhig. Als sie aber in
Crumbalia auf mich warteten und fagten, wir begleiten
dich, da winkte mir ein alter Türke und fagte : Neh-
men Sie sich in acht vor diesen Hunden, es sind Be-
duinen aus der Gegend von Tripolis, schlechte Leute.
Hierauf wendete er sich zu den Beduinen und sagte:
ziehet eure Straße weiter, dieser Herr geht nach Nabal
und ihr habt einen ganz andern Weg. Zu dem Kut-
fcher sagte er, er solle nicht die Straße fahren, welche
diese Beduinen einschlagen. Dieser sagte aber zu mir, er
könne keinen andern Weg nehmen. Da wurde mir bei der
Sache doch nicht ganz wohl. Ich forderte einen bewaffne-
ten Mann, der uns bis nach Nabal begleiten sollte,
erhielt einen und wir zogen weiter. Als wir kaum eine
halbe Stunde zurückgelegt hatten, trafen wir die Bedui-
nen am Wege gelagert. So viel ich wahrnehmen konnte,
bemerkte ich, daß sie nicht bewaffnet waren. Wir aber
1)
waren gerüstet und fie ließen uns ruhig vorüberziehen.
Zu meinem Begleiter sagten fie: Und du gehest mit diesem
Christen? Ja, war die Antwort. –
Zwei Meilen, und wir fuhren bei einem Dörfchen,
Türki geheißen, vorüber, weithin erblickten wir mehrere
Ruinen. Die Gegend blieb immer gleich schön und gleich
fruchtbar, bis wir um 2 Uhr von der Hauptstraße ablenkten
und durch Wiesen und Felder gegen das Meer zu unsern
Weg nahmen, der übers Gebirg führt. Von nun an
wurde alles um uns her wild und unfruchtbar, wir paf
firten einen zwei Stunden langen Hohlweg, der in einen
runden, von allen Seiten mit Hügeln eingeschloffenen
Platz ausläuft, und einst der Aufenthaltsort einer Räu-
berbande gewesen feyn soll. Von hier stieg der Weg auf
wärts, wir gelangten auf eine bedeutende Höhe, von da
aus konnten wir das Meer und feine reich mit Oliven-
wäldern versehenen Ufer übersehen. Durch diese Wälder
führte unser Weg. Nachdem wir 36 Meilen zurückge
legt hatten, und während der letzten 23 Meilen kein Dörf
chen, kein Haus, nicht einmal ein Zelt fahen, langten wir
um 6 Uhr des Abends in Nabal an. Der amerika-
nische Konsul nebst Familie befindet sich feit einigen Ta-
gen hier und hatte die Güte schon vor meiner Ankunft
eine Wohnung für mich zu besorgen, die im Hause einer
Judenfamilie ist, in welche ich auch fogleich einzog,
92 st
20
Nabal ist ein bedeutendes Städtchen, eine Viertel-
funde vom Meere und eine Stunde von dem alten Nea-
polis gelegen. Es soll an 8000 Einwohner zählen,
könnte aber dessen Umfang nach zu urtheilen wohl noch
einmal so viele haben; allein man stößt bei jedem Schritte
auf Zerstörung und groß ist die Anzahl der zusammen-
gestürzten Häuser. Ursachen dieses Verfalls werden mehr
rere angegeben; theils Bedrückung von Seiten der Re-
gierung, theils Aberglaube von Seiten des Volkes. Wird
dem Bey hinterbracht, daß ein Bürger von Nabal im
Besitze von Geld sich befindet; so sucht er den Besitzer
durch irgend einen Vorwand in Prozeße zu verwickeln
und dann ist es auch gewiß um des Mannes. Habe
geschehen, er wird vom Hause vertrieben, daffelbe bleibt
leer stehen und der Zahn der Zeit nagt an demselben
bis es zusammenstürzt. Nicht selten geschieht es aber auch,
daß die Bewohner eines Hauses glauben es fey der Auf-
enthaltsort von Gespenstern und in diesem Falle wird
solches auf der Stelle verlaffen und dient den unsicht-
baren Geistern zum immerwährenden Aufenthalt. Es
befinden sich hier 9 Moscheen, acht derselben gehören den
Honafia, eine den Malakia. Ich habe nirgends in
der Berbereifo zuvorkommende Muselmänner getroffen als
hier. In Tunis ist es fast unmöglich, daß ein Fremder,
insbesondere ein Christ das Innere eines Hauses betreten
21
kann, hier wurde ich mehreremale eingeladen einzutreten,
und Männer, Frauen und Kinder sprachen mit mir; sogar
erhielt ich selbst Besuche auf meinem Zimmer von Frauen
in Begleitung ihrer Verwandten. Feldbau und Oehl
find die bedeutendsten Nahrungsquellen der hiesigen Be-
wohner, auch find einige Webereien in der Stadt und
das hier gefertigte irdene Geschirre ist berühmt, nnd
wird weithin ausgeführt. Die Umgegend ist vortrefflich:
Wiesen, Kornfelder, Rosenhaine, Olivenwälder und Feie
genbäume wechseln miteinander ab und schmücken die
Landschaft mit einer herrlichen Farbenpracht. Die Vieh-
zucht ist bedeutend, Milch und Butter in Ueberfluß vor-
handen. Es fehlen nur christliche Einwohner und deut-
fcher Fleiß, um dieses Land in das, was es einst war,
umzugestalten, in einen Garten Gottes. Das Klima wird
für eines der Gesundheit am zuträglichsten auf der ganzen
Nordküste Afrikas gehalten, deswegen ist es während der
Sommermonate der Aufenthaltsort vieler Tunier. Herr
schende Krankheiten unter den Einwohnern sind Aussatz
und Augenübel. - Kaum finden sich unter 10 Nabalen-
fern 2, die gute Augen haben und 4, die nicht levitisch
unrein wären.
Juden hat es hier an hundert Familien, die sich
nach und nach hier ansiedelten. Diese theilen sich nach
ihren ursprünglichen Einwanderungen in drei verschiedene
22
Klaffen: Tunifer, welche ehemals aus Tunis einwan-
derten, Gerbische, die um und aus Gerba kamen und
Hier geborne. Reich sind sehr wenige, sind aber ein
sehr einfacher, dienstfertiger und genügsamer Menschen-
fchlag, leben mit den Mahomedanern in Frieden und
zahlen an die Regierung eine jährliche Abgabe von 100
Piaster. Da hier alle Lebensmittel sehr wohlfeil find,
fo würden sie ruhig leben und der Stunde ihrer Erlö-
fung entgegen sehen können; wenn nicht die neu organi-
firten Truppen des Bey die Juden und die ganze Ge-
gend in Furcht und Schrecken setzten. Diese Soldaten,
aus der Hefe des Volkes mit Gewalt genommen, von
der Regierung schlecht gekleidet und noch schlechter bezahlt,
bilden eine wilde Horde und begehen beinahe ungestraft
alle Arten von Grausamkeiten, sie rauben und morden. Als
vor mehreren Wochen mehrere derselben in Tunis anwe-
send waren, da konnte man kaum mehr am hellen Tage
ungeplündert über die Straße gehen. Insbesondere aber
sind es Juden, die sie berauben. In Tunis wurde der
Bey genöthigt, auf Verwendung der europäischen Kon-
fuln, diesem Unfuge ein Ende zu machen; aber im Lande
umher treiben sie noch immer ihr Unwesen. Vor 20
Tagen ungefähr beraubte eine Abtheilung dieser Horde
eine Karavane, die von Susa her kam; eine christliche
Familie, die sich derselben angeschloffen hatte, wurde sehr
23
mißhandelt. Die Einwohner Nabals sind daher jetzt sehr
in Angst und Furcht gesetzt; da in der Nacht vor meiner
Ankunft 6 Soldaten in das Haus eines Juden brachen,
den alten 70jährigen Mann zu Boden warfen und schon
im Begriffe waren ihn zu tödten, als er mit 1000 Pia-
fer das Leben erkaufte. Eine ungeheure Summe für
die hiesige Armuth.
M ab al den 20. Mai 1835.
Gestern frühe ritt ich nach den Ruinen des alten Nea
polis. Sic transit gloria mundi! Kaum haben sich
noch einige Spuren dieser einst so blühenden römischen
Kolonie erhalten. Wo ehemals irdische Pracht und
Herrlichkeit thronte, da geht jetzt der Pflug einen lang
famen Gang. Herr Dr. Schaw fand vor hundert
Jahren noch viele Ruinen und Steine mit Inschriften
und sagt, der Ort läge eine Meile von der See ent-
fernt. Heute reicht das Meer bis an die wenigen noch
vorhandenen Spuren. In einigen Häusern nahe bei
den Ruinen wurden mir mehrere Steine mit römischen
Inschriften gezeigt, doch es war alles so verwischt, daß
24
ich durchaus nichts copiren konnte, mit Ausnahme eines
einzigen Steines, von welchem ich Abschrift nahm.
CoELIvs1AFI161
. IAEVS EI
IMC AE LIVSS VILLAB, I
PACA IV SAED
SVPE PROVAN IIIAIEMI
. . XIMIVL IIS PHDA-CIMALE
PAMINIA DESVO EPO GAIA
PECV NIA POSVER VINI
ILD DID
Darf man den Aussagen der hier wohnenden Leute
glauben, so befände sich in der See, eine Meile vom
heutigen Ufer entfernt, noch ein Thor der alten Stadt,
welches mit Kupfer beschlagen wäre.
Morgen werde ich das in der That mir liebgewor
dene Nabal verlaffen. Nie werde ich die liebevolle
Aufnahme, die mir hier von Seiten aller Einwohner zu
Theil wurde, und die patriarchalische Einfalt der hiesigen
Israeliten, die Aufmerksamkeit derselben, die sie beobach-
teten, als ich ihnen das Evangelium verkündigte, vergessen.
25
III,
Hammamet den 21. Mai 1835.
Was man schon lange vorausgesehen hatte, ist einge-
troffen. Heute frühe um 8 Uhr erhielt der amerikanische
Konsul zu Nabal die Nachricht von dem am 20d. M.
erfolgten Ableben des Bey von Tunis und von der Thron-
besteigung Sidi Mustapha's, Bruder des verstorbenen
Regenten. Gegen Erwarten lief alles ruhig ab. Zwar
hatte schon früher der Sachab Ettaba in der Nähe
der Residenz Burdo seine Truppen, 3000 Mann,
gelagert; allein er erhielt noch zu Lebzeiten des Bey
den Befehl dieselben zu entlaffen. In Tunis wurden
bei dieser Todesnachricht sogleich alle Läden geschloffen.
Sidi Mustapha schickte aber sogleich einen Hamlea,
Polizeibeamten, ab und ließ ansagen, man könne ganz
ruhig feyn und alle Läden sogleich wieder öffnen, was
auch geschah. -
Heute um 2 Uhr des Nachmittags verließ ich Na-
bal. Mein Weg führte längs des Meeresufers theils
durch unangebaute Strecken, theils durch Olivengärten
26
bis hieher, 9 Meilen von Nabal. Ich kam Abends
6 Uhr hier an und schlug für die Nacht mein Lager in
dem Funduck auf. In diesen Herbergen findet der Rei-
fende nichts als ein leeres Zimmer und wenn er nicht
buchstäblich verhungern will, so muß er alle Lebensmittel
mitbringen. Man kauft dann für einige Kreuzer Kohlen,
macht sich eine Taffe Kaffee, breitet die Matratze auf die
Erde aus und hat Stuhl und Bett zugleich.
Sobald ich angekommen war, erhielt ich von dem
Chalifen des Orts einen Besuch. Er fragte, ob ich die
Stadt besehen wolle, was mir natürlich fehr willkommen
war. Hammamet ist ein gut gebautes Städtchen, hat
gegen 1000 Häuser und gegen 6000 Einwohner, welche
alle Mahomedaner sind. Es liegt hart an der See,
deffen Wellen die hohen Mauern der Vestung bespülen.
Die ganze Besatzung dieser Burg besteht aus 50 Mann
Türken. Obgleich den Muselmännern das Weintrinken
verboten ist, so lieben sie denselben doch aufferordentlich.
Der Wirth kam in mein Zimmer, ich lud ihn ein, eine
Taffe Kaffee mit mir zu trinken. Wenn du Wein hast,
sagte er darauf, so gib mir eine Bouteille. Ich begnüge
mich mit Waffer, war die Antwort. Auch der Pitschi
Pafcha, Hauptmann der Besatzung, kam zu mir und
lud mich ein, mit ihm zu kommen, um eine Flasche auf
die Gesundheit des neuen Bey zu leeren, was ich höflich
27
ablehnte. Er schien aber bereits schon mehr als eine
Flasche geleert zu haben, denn er konnte kaum stehen.
Die Luft scheint hier noch reiner und gesünder zu
feyn als zu Nabal; denn ich fah weder Aussätzige noch
Augenkranke. Es hat hier zwar Weinberge, Olivengär-
ten und Zitronenbäume in Menge, dennoch ist die Ge-
gend weder so schön noch so fruchtbar als zu Nabal.
Als Herr Dr. Schaw hier war, fand er zwei römische
Inschriften, von welchen aber jetzt keine Spur mehr
sichtbar ist. Nach ihm soll das Städtchen feinen Namen
von den vielen wilden Tauben erhalten haben, die in
den nahen Gebirgen angetroffen werden. Tauben heißen
arabisch Hammam. /
28
IV.
Sufa den 23. Mai 1835.
Wenn schon der Gedanke: Ich stehe auf einem Felde,
wo die Asche von Tausenden ruht, wo die Gebeine der
ausgezeichnetsten Männer der Vorzeit modern, das Ge-
müth mächtig bewegt und mahnet an die Sterblichkeit
und Hinfälligkeit des irdischen Seyns, um so heftiger
wurde ich ergriffen und um so mächtiger wurde mein
Gefühl aufgeregt; als gestern eine Ruine der Vorzeit
nach der andern vor meinen Augen auftauchten und den
Blicken auf meinem Wege aufstießen. Hier war es wo
Karthager und Römer, Vandalen und Hunt
nen, Christen und Mahomedaner siegten und
besiegt wurden.
Hier stand also Clupea, hier die Civitas Sia-
gitana der Alten, hier die vielen Städte und Vesten
die Caefar fahe als er nach Hadrumet um segelte!
Hier standen die einst so blühenden römischen Städte Fara-
deefe und Veneria! Dieß war also ein Theil der einst
fo blühenden Provinz Zeugitana! Hier war der Boden,
29
wo das Evangelium von Christo frühe Wurzel schlug,
hier war es, wo einst die ausgezeichnetsten Kirchenväter
lebten und Klöster und Kirchen bis ins siebente Jahrhun-
dert das Land zierten und das Licht der Erkenntnis
Gottes in Christo Jesu leuchten ließen! Und jetzt –
kaum ist mehr eine Spur von diesem allen vorhanden.
Da möchte ich mit dem arabischen Poeten sagen: Wiffe,
daß diese Welt ist ein gebrechliches Haus, aber die zukünf
tige ein immerwährendes Haus. Hier nun leuchtet die
untrügliche Wahrheit des Evangeliums: Die Welt mit
ihrer Herrlichkeit vergeht, wer aber den Willen Gottes
thut bleibt in Ewigkeit. -
Um 5 Uhr des Morgens verließ ich Hammamet.
Kaum hatten wir das Städtchen im Rücken, so lagen
vor uns die Ruinen von Faradeefe, die am Meere
anfangend, sich weit über die Ebene hin ausbreiten,
und nach einer Stunde Wegs langten wir bei dem Brunnen
RZir Salem QM. Hier versammeln sich die Hirten
um ihre Heerden zu tränken, hier lagern sich die Kameele
der Karavanen, um frischen Vorrath Waffers zu laden
und hier löscht der müde Wanderer feinen brennenden Durst.
Wie ist doch alles in der heiligen Schrift so einfach und so
treu geschildert! An einem Brunnen lagert sich Eleafar,
Abrahams Knecht, mit feinen Kameelen, erwartend
die Frauen und Jungfrauen aus der Stadt, um Waffer
30
zu schöpfen. Bei einem Brunnen fand Jacob Rahel.
Mofes fliehend in das Land Midian, half an einem
Brunnen Jethros Töchtern Waffer schöpfen. An einem
Brunnen war es, wo der Herr mit der Samariterin
sprach. Diese Sitte herrscht noch heute unter den Ara-
bern. Zum Verständniß dieses muß man wissen, daß
die Küste Nordafrikas von drei verschiedenen Klaffen
von Arabern bewohnt wird. In den Städten nennt
man die Mauren; diese sperren Frauen und Töchter
ein und gehen sie aus, so müffen sie sich dergestalt ein-
hüllen, daß man nur eine lebendige Maffe sich bewegen
fieht. Andere bewohnen bald Dörfer, bald Zelte und
diese sind es, welche noch alle die Sitten haben, die
uns die Bibel schildert: diese nun heißen im Allgemeinen
Araber. Beduinen sind wandernde Araber, die
keine bleibende Stätte haben und von einem Platze zum
andern ziehen. Von Zeit zu Zeit stößt man auf einen
Brunnen, sobald der Abend naht, ziehen die Töchter
und Frauen aus ihren Zelten oder Häusern mit Krügen
auf den Achseln, um Waffer zu holen. Diese Krüge
haben die Form einer Urne mit zwei Hänkeln. Die
Brunnen find immer außerhalb des Orts und um der
Bequemlichkeit der Hirten willen eine ziemliche Strecke von
den Wohnungen entfernt. In der Nähe dieses Bir Salem
find die Ruinen der Civitas Siag itana der Alten,
31
berühmt zur Zeit Antonins. Von hier aus betraten wir
eine große unübersehbare Ebene, die am Meere anfan-
gend bis ans Gebirg wohl zwei Meilen breit und bis
nach Herkula vierzig Meilen lang ist. Auf dieser
langen Fläche ist alles öde, kein Baum, kein Haus wird
sichtbar, nur dann und wann bemerkt man Kameeltreiber,
Hirten mit ihren Heerden und Züge einer Karavane.
Vom Fuße des Gebirges herüber glänzte die Menarah,
ein römisches Mausoleum. Herr Dr. Schaw besuchte
dieses Grabmahl. Es hat 20 Ruthen im Durchmesser,
ist cylinderförmig gebaut und hat drei Altare mit folgen-
den Inschriften : L. Aemelio Africano Avvunculo.
C. Suellio Pontiano Patrueli. Vitelio Guarto Patr...
Das Ganze scheint einer einzigen Familie angehört zu haben.
Langsam, nur durchzogen wir diese lange Ebene, in
welcher uns zwei Züge Nomaden, Beduinen, begegneten.
Diese schlagen heute hier das Zelt auf, breiten die aus
Seegras geflochtene Matte auf die Erde und lagern sich
um ihre Heerde; ist die Weide nicht mehr hinreichend
oder es tritt sonst ein Hinderniß ein, so werden die
Pfosten aus der Erde gezogen, das Zelt aufgerollt, die
wenigen Habseligkeiten nebst Kindern, Hunden und
Katzen auf Esel und Kameele gepackt, fortgezogen bis
eine andere bequeme Stelle aufgefunden ist. Auf diese
Menschen hat der Islam, nämlich auf ihre alt gewohnten
Sitten, auf ihre angeborne Rohheit, Grausamkeit und
Unmenschlichkeit wenig oder gar keinen Einfluß geübt.
Sie sind geblieben wie sie vor Jahrtausenden waren,
und haben eigentlich keine Religion. Ihr ganzes Wiffen
in religiöser Beziehung beschränkt sich auf das mahome-
danische Glaubensbekenntniß: Es ist nur ein Gott und
Mahomed ist ein Prophet, und dieses genügt ihnen
vollkommen. Ihre Lebensweise ist einfach: Milch und
Butter. Ihre Kleidung ist eben so einfach: eine Art
wollene Decke wird um den Leib geschlagen und diese
ist Sommer und Winter das tägliche Kleid und des
Nachts das Bett.
Abends kamen wir nach Herkula, nachdem wir
42 Meilen zurückgelegt und fechs verschiedene Ruinen
pafiert hatten. Herkula ist das Hadrumetum der
Römer. Zwar ist über diesen Punkt viel Streit bei den
Geographen; allein Geschichte und Geographie der Alten
stimmen mit der Lage genau überein und nach genauer
Beobachtung stimme ich mit Herrn Dr. Schaw, der
es entschieden dafür hält. In der glücklichen christlichen
Zeit stand hier ein Kloster dessen Mönche im Jahre 426
Antheil an dem Streit zwischen Augustinus und
Pelagius nahmen. Diese hatten nachtheilige Folgerun-
gen aus Augustini Lehre von der freien Gnade gezo-
gen; deshalb richtete derselbe an diese Mönche eine zwei
33
Bücher: De gratia et libero arbitrio und de corrup-
tione et gratia. " Inschriften fand ich hier nicht mehr.
Alles was aus der Vorzeit noch übrig ist, beschränkt fich
auf einige zerbrochene Marmorsäulen und auf große Qua-
dersteine. Auf diesen Ruinen haben sich jetzt Beduinen
niedergelaffen. Der Funduck dahier war so schlecht, daß
ich es vorzog im Wagen zu übernachten. Während mein
Diener Feuer anmachte, um Kaffe zu kochen, ging ich ins
Dörfchen, ein wenig Milch zu erhalten. Es war gerade
die Zeit des Wafferschöpfens und Frauen und Töchter ge-
schmückt mit großen Ohrenringen, Fuß-, Hals- und Arm
bändern, bestehend aus großen und kleinen Seemuscheln,
die Krüge auf den Achseln, kamen mir entgegen. Gerne
hätte ich diese Kostbarkeiten in der Nähe sehen mögen;
aber sie liefen davon als ich mich ihnen näherte. Ich
war so glücklich ein wenig Milch zu erhalten, mit welcher
Beute ich, einem Sieger gleich, dem Funduck zueilte.
Inzwischen waren mehrere Karavanen angelangt, lauter
Araber, diese Menschen betrachteten mich sehr neugierig -
und bewunderten alles an mir. Mein Kaffe war fertig
und bald getrunken, und da ich noch Durst fühlte, bereit
tete ich mir ein blechernes Gefäß voll Zuckerwaffer, in
welches ich einige Tropfen Orangenblüthenwasser goß und
etwas trank. Als die Araber dieses sahen, glaubten sie
es wäre Medizin und alle umringten mich, um etwas
3
34
von dieser Lebenseffenz zu erhalten. Ich ließ den Becher
rund umgehen und ganz geleert kam er wieder zu mir.
Hierauf las ich ihnen etwas arabisch vor, alle hörten mit
gespannter Aufmerksamkeit zu. Es wurde Nacht, ermüdet
schlief ich im, mein Diener, unter dem Wagen ein. Des
Morgens um 3 Uhr verließen wir Herkula und kamen
um 9 Uhr hier an. Der englische Vizekonsul, an welchen
ich Briefe hatte, nahm mich freundschaftlich auf und
räumte mir Zimmer ein, die ich auch sogleich bezog.
V.
- Sufa den 6. Juni 1835.
Suf a liegt am Meer, ist mit einer hohen und guten
Mauer versehen und wohl befestigt. Diese Stadt wird
des Handels und der Lage wegen als die zweite im Reiche
Tunis betrachtet. Sie hat, wie man sagt, Gewisses in
dieser Beziehung kann man nicht erfahren, 1100 Häuser
mit 8000 Einwohnern und eine Garnison von 2500
Mann. Die Straßen sind ziemlich breit und reinlich, die
Häuser haben in der Regel nur ein Stockwerk. Die Ge-
bäude welche sich vor andern auszeichnen sind die Ca-
faba, Burg, und die Ueberreste einer ehemaligen spani-
fchen Kaserne, die in eine Moschee umgewandelt worden
ist und den Malakia gehörend. Der Markt, Suck ist
nicht reich, aber reinlich. Es sollte hier beständig ein
Gouverneur wohnen, da die Stadt eine Bezirkstadt ist, zu
welcher noch 24 Dörfer gehören; allein dieser zieht es vor
in Tunis zu bleiben, während derselbe nur einen Chalifa,
Verwalter, hier hält, vor welchem alle bürgerliche Streit
tigkeiten abgehandelt werden. Sachen der Religion
3 e
36
werden von dem Kady, Oberpriester, besorgt. Nach
Aussage eines gelehrten Mahomedaners, dessen Bekannt
fchaft ich machte, soll Sufa im fiebenten Jahrhundert
in der Nähe der Ruinen der ehemaligen Stadt erbaut
worden seyn. In der See, nahe am Hafen sind noch
einige Spuren von Ruinen vorhanden, mit welchen die
Wellen ihr Spiel treiben. Auch wird noch das Grabmahl
des Erbauers der alten Stadt gezeigt. Die auf demsel-
ben angebrachte unleserlich gewordene Inschrift soll ku-
fisch feyn. -
Der einzige Nahrungszweig der hiesigen Einwohner
ist der Oelbau. Die ganze Umgegend ist daher mit einer
ungeheuern Anzahl von Olivengärten angepflanzt; Feld-
bau wird nicht getrieben und Obstbau ist nicht vorhanden.
Wenn die Olivenernte gut ausfällt, so wird jährlich aus
den drei Hauptstapelplätzen Sufa, Media und Sfax
eine Million Medal Oel ausgeführt. Die Medal hält
15 bayerische Maas, und kostet zuweilen 8 – 12 und
dieses Jahr 20 Piafter. Die Einwohner von Sufa
müßten ungeheuer reich werden, wenn sie ihren Vortheil
verstünden. Allein der Islam verbietet unter den Gläu-
bigen Geld auf Zins zu leihen, deshalb gibt es auch uns
ter ihnen keine Kapitalisten. Haben sie Geld, so kaufen
fie goldene Ketten, Juwelen und Perlen, um ihre Frauen
damit zu schmücken, oder sie vergraben es, oder was noch
37
- -
häufiger der Fall ist, sie verschwenden es. Daher kommt
es, daß die Mauren hier fast immer ohne Geld find:
Tritt nun eine Zeit der Noth ein, so nehmen sie ihre Zu-
flucht zum Borgen, verpfänden ihre Kostbarkeiten und
zahlen an Juden und Christen 24 vom Hundert, soviel ist
Gebrauch und auch rechtmäßig. Die Christen, die sich ange-
fiedelt haben, 4–5 Familien, wurden mit wenigem Gelde
in kurzer Zeit sehr reich. Auch verkauft der Maure sein Oel,
das er allenfalls erntet, immer ein Jahr vor der Ernte.
Es hat z. B. der Maure einen Garten, dessen Ertrag
400 Medal Oel liefert, so verkauft er denselben voraus
an europäische Christen oder an Juden, immer um die
Hälfte des Werthes. So wurde im vorigen Jahre das
Medal für 7 Piaster im Voraus gekauft und für 20
verkauft. - -
Eingeborne Juden hat es hier an 100 Familien
und die Zahl mag ohngefähr auf 1000 Seelen hinlaufen.
Der Nahrungszweig derselben ist Handarbeit: Goldschmide,
Schneider, Schuhmacher, Weber c.; auch Kaufleute. Diese
haben einen eigenen Marktplatz, auf dem nur Juden ihre
Läden haben. Dazu kommen noch einige europäische Ju-
den, die sich nur des Handels wegen hier aufhalten: die
versenden Oel, Wolle und Wachs. Außerdem leben hier
noch von Handarbeit an 400 Malteser.
Seit meines Hierseyns habe ich täglich den Chriften,
38
Juden und Mahomedanern das seligmachende Evangelium
verkündigt. Die Christen, catholischer Confession, die
hier ohne Kirche und ohne Geistliche leben, waren sehr er-
freut das Wort Gottes zu erhalten. Obgleich die hiesigen
Mahomedaner sehr argwöhnisch und fanatisch find, so find
doch bereits zwei Kisten heiliger Schriften in Umlauf ge-
fetzt. Ein Mahomedaner traf mich letzthin auf der Straße
und sagte: Du bist also der Papas, Geistliche, der ara-
bisch lesen kann? Ja, ich kann etwas lesen. Nun so sage
mir frei heraus, welches ist die beste Religion? Die ma-
homedanische, die christliche oder die jüdische; da du sie
alle drei kennt. Die christliche ist die beste und einzig
wahre, gab ich zur Antwort. Wie! wie! das kann nicht
feyn. Komm mit mir auf mein Zimmer, so wollen wir
weiter reden. Er folgte und eine Menge Juden mit ihm.
Hier angekommen fagte ich: Beweise mir, daß der Koran
von Gott ist, und daß Mahomed ein Prophet war.
Er führte nun verschiedene Stellen aus demselben an, die
dieses beweisen sollten. Ich gab ihm aber zu verstehen:
diese Beweise könne ich nicht annehmen, bis er zuerst bei
wiesen haben würde, daß der Koran Gottes Wort fey.
Hierauf erwiderte er, ich bin nicht gelehrt genug um die
fes beweisen zu können, willst du aber mit mir gehen zu
einem unserer Gelehrten, der wird dir deine Fragen zur
Genüge beantworten. Ich nahm die Aufforderung an.
39
Schon brach die Nacht herein, dennoch folgte ein ganzer
Zug Juden und Mahomedaner bis ins Haus des
Scheick. Der Mahomedaner machte ihn mit der Ur-
fache unseres Erscheinens bekannt. Nach einigen Höflich
keiten, die wir gegenseitig annahmen und erwiederten,
sagte der Scheick: In der Bibel ist Mahomed erwähnt
und daß er kommen sollte geschrieben. Die Bibel habe
ich durchgelesen, aber keine Stelle gefunden, die Maho-
med erwähnt. Hast du aber eine Bibel, in welcher diese
Stelle enthalten ist, so habe die Güte mir sie zu zeigen.
Er stand auf, holte ein Buch und las mehrere Stellen
aus dem Alten und Neuen Testamente vor. Z. B.
5. Buch Mos. 18. 18, den ganzen 72. Psalm und Joh.
15. 26. Bei dieser Stelle bemerkte er: der Tröster
könne kein anderer als Mahomed sein. Ich zeigte ihm,
daß alle diese Stellen keinen Bezug auf Mahomed haben
können. Hierauf führte er die bekannte Stelle aus der
Sura Effef an: Jesus der Sohn Miriam sprach,
o Kinder Israel! Ich bin der Gesandte Gottes an euch,
der das bestätigen soll, was vor mir schon in der Thora
gesagt worden ist, und eine fröhliche Nachricht von einem
Gesandten bringen, der nach mir kommen, und Achmet
heißen wird. Ich erwiederte: dieser Vers stehe wohl im
Koran, aber keineswegs im Evangelio. Der Koran
ist das Wort Gottes, sagte der Scheick, und Gotr kann
40 -
nicht lügen. Das Letzte gab ich zu, das Erste sollte er
mir noch beweisen. Unterdessen wurde es zu spät, um
unser Gespräch weiter fortsetzen zu können.
Der Aberglaube der hiesigen Mahomedaner übersteigt
alle Begriffe und ihr Fanatismus ist gränzenlos. Vor
einigen Tagen machte ich die Bekanntschaft eines Seifen-
händlers auf dem Markte, der ein wenig italienisch ver-
stand. Dieser bat, ich möchte ihm das italienische Alpha-
bet unter das arabische, das er aufgeschrieben hatte, setzen.
Als ich eben im Begriffe war dieses zu thun, kamen mehr
Tere Mahomedaner herzugelaufen und schrien: Was, du
gibt diesen Kafer, Ungläubigen, das Wort Gottes in
die Hand? Willst du denn in die Hölle geworfen
werden? Umsonst stellte mein Seifenhändler der lärmen-
den Menge vor: Es fey ja nur das Alphabet und ich
wollte ja nicht von ihm, sondern er von mir lernen.
Diese behaupteten aber: Alle Wörter im Koran sind von
Gott eingegeben. Diese feyen zusammengesetzt aus Buch-
staben und die Buchstaben machen das Alphabet; folglich
fey das Alphabet dem Koran gleich zu achten. Ich ent
zog mich und fagte, daß ich nicht gesonnen sei, jemand
zum Unrechtthun verleiten zu wollen. Christenhaß wird
hier mit der Muttermilch eingesogen, und versteckt lodert
er in den Herzen der hiesigen Bewohner. Zwar wagen sie
es nicht, seit dem Falle Algiers, ihn laut werden zu laffen;
41
------- -
aber wehe dem armen Christen, der unbehutsam genug
ist sich ihnen gänzlich und waffenlos anzuvertrauen. Ein
grausames Beispiel trug sich während meines Hierseyns
zu. Ein Malteser, der sich mit Contrabandhandel abgab
und deswegen mit einigen hiesigen Kaufleuten in Ver-
bindung stand, denen er Geld im Voraus auf die ihm
zu liefernden Waaren gab, wird seit sieben Tagen ver-
mißt. Er wohnte in einem Funduck, fein Zimmer wurde
durch den englischen Agenten durchsucht und seine Bücher
durchgesehen. Allein nichts führte zum Ziel; weil er aus
Furcht entdeckt zu werden, in seine Bücher nur fingierte
Namen eintrug. So viel aber ist gewiß, daß er vor wenig
Tagen einem Mauren 3000 Piaster im Voraus für die ihm
zu liefernden 25 Centner Wachs zahlte. – Wachs ist con-
traband. Dieses darf nur an ein privilegiertes Haus dahier
verkauft werden. – Es wird nun mit Recht vermuthet, daß
dieser Unglückliche von dem Mauren ins Innere eines Hau-
fes gelockt, daselbst ermordet und begraben worden sey.
Die kleinsten Kinder rufen den Christen nach: Romi,
ben kelb! Christ, Hundssohn! Dieser Ehrenname wurde
mir heute von einem kaum 5 Jahr alten Knaben beige-
legt, der mit seiner Mutter über die Straße ging und
mich fah. Sie werden zwar, wenn es zur Klage kommt,
hierüber gestraft; aber wer wagt es zu klagen?
Hic diximus, non eadem omnibus esse honesta
-
,
C
42
atque turpia, sed omnia maiorum morisiudicari, eine
alte und bekannte Wahrheit. Niemals aber ist mir diese
so einleuchtend gezeigt und vor die Augen gestellt worden
als hier. Den Turban abzunehmen, nachzusehn ob sich
keine Gäste einquartiert haben; die Halbstrümpfe abzuziehen,
fie von ihren Bewohnern zu befreien und die Gefangenen
ohne sich im geringsten zu genieren, morden; in das Zimmer
mit großen Geräusch zu spucken und alle diese Handlun-
gen vor den Anwesenden, nicht nur vor Geringen, fon-
dern auch vor Vornehmen zu verrichten, wird durchaus
nicht für unschicklich gehalten. Während ich einst mit mei-
nem Hauswirth und dessen Familie zu Tische saß und speiste,
kam ein Maure herein, setzte sich neben uns auf einen Stuhl,
öffnete den Kaftan und untersuchte seine Beinkleider. Ich
konnte nicht mehr effen; allein die hiesigen Christen find
an solche Operationen gewöhnt, es fällt ihnen nicht mehr
auf. Ich sagte: Nun der thut in der That, als ob er
hier zu Hause wäre. Es ist mein Mäckler gab man zur
Antwort. Die hier gebornen Christen sagen: die Mauren
in Sufa besäßen weder Ehrgefühl noch Dankbarkeit und
es sei gleich, ob man sie höflich oder unhöflich behandle.
Man darf sie heute wegen Schuldforderung ins Gefäng-
niß werfen, ihnen alles nehmen lassen; sobald sie die
Strafe überstanden haben, thun sie als wäre gar nichts
vorgefallen. Ein hier wohnender Italiener sagte mir, er
-
43
habe in seinem Hause einen sehr armen Maurenknaben
auferzogen und ihn zum Diener angenommen. Dieser
wurde von der ganzen Familie wie die eignen Kinder
behandelt. Man glaubte auch deswegen er sey dem Hause
sehr ergeben. Als vor drei Jahren der Bey von Tunis
und der König von Sardinien sich Krieg erklärten und
die Flotte des Letztern bereits schon vor der Vestung
Gouletta vor Tunis geankert hatte, da sagte dieser treue
Diener: Jetzt werden wir euch Christenhunde zu Susa
alle umbringen. Wie! auch du bist gegen uns? Auch du
kennt uns nicht mehr? sagte sein Herr. Jetzt ist keine
Zeit des Kennens, jetzt ist die Zeit der Rache gekommen,
versetzte der Mahomedaner. Damals schwebten die Chri-
ften in der That in großer Gefahr, der Herr hat diese
aber gnädig abgewendet.
Daß dießmal die Thronbesteigung des neuen Bey
eine unblutige war, ist den hiesigen Einwohnern ganz un-
begreiflich und in den Annalen dieses Reiches etwas ganz
ungewöhnliches. Mußten doch bei dem Regierungsantritt
des letzten Bey seine beiden Neffen, der Leibarzt, der
Sachab Ettaba, der Sekretär der auswärtigen An-
gelegenheiten, der ein Christ war, bluten. Es war ein
ergötzliches Schauspiel für diese Barbaren die beiden jun-
gen rechtmäßigen Thronerben enthauptet, den Sachab
Ettaba, der so viel zur Verschönerung von Tunis beige-
44
tragen hatte, eine schöne Moschee erbauen und viele Brun-
nen graben ließ, todt durch die Stadt schleifen zu fehen,
und jetzt soll alles so ruhig ablaufen, nicht einmal der
fehr gehaßte Sachab Ettaba erdrosselt werden? Alles soll
mit der Verbannung zweier Mameluken nach Gerba ab-
gethan feyn? Unmöglich! sagte das Volk. Nun aber
heißt es in den Büchern, welche die Priester besitzen, sey
gefunden worden: der jetzige Bey soll nur dritthalb Jahre
regieren, dann sollen Opfer genug fallen. Dieser Zeitpunkt
wird mit großer Sehnsucht erwartet; obgleich jede neue
Regierungsveränderung dem Lande viel Geld kostet. Denn
der Kaftan muß bei dem Großherrn immer sehr theuer
erkauft werden. Der Distrikt Sufa allein zahlt hiezu
jedesmal 40000 Piafter; dennoch wird eine solche Zeit
immer gerne gesehen. In einem Monat reist der schon
oben genannte Sachab Ettaba von Tunis nach Konstan-
tinopel um für seinen Prinzen den Kaftan in Empfang
zu nehmen. Zu diesem Behufe lagen schon lange einige
Kriegsschiffe zu Marseille in Arbeit. Vor einigen Tagen
langten diese in Tunis an, sogleich wurden Matrosen hiezu
gepreßt, in Susa allein 24. Armes, finsteres, unglück-
liches Land! Wer muß nicht fehnlichst wünschen und
beten, daß auch hier das Evangelium den Halbmond
und das Schwert verdränge, auf daß alle Herzen
zum Herrn bekehrt werden.
VI.
Münastir den 13. Juni 1835.
Am 8ten dieses, sehr frühe verließen wir, ich, mein
Diener und ein bewaffneter Maure auf Maulthieren sitzend
Susa; auch meine Habseligkeiten wurden von hier aus
auf diese Thiere gepackt. Unser Weg schlängelte sich der
See entlang bis hieher. Die Strecke, die wir durchzogen,
hat, außer schönen Olivenwäldern, nichts merkwürdiges.
Herr Felice Serra, an den ich empfohlen war, nahm
mich in sein Haus, räumte mir ein Zimmer ein und be-
wirthete mich bis zu dieser Stunde mit ausgezeichneter
Gastfreundschaft und Höflichkeit. Münastir ist sehr
schön gelegen, nur 12 Meilen von Susa entfernt, hart an
Meere, hat einen guten Hafen, ist mit einer Ringmauer
versehen und gut befestigt. In der Citadelle wohnt der
Tobfchi Pascha, Commandant, mit einer kleinen An-
zahl Soldaten. Die Stadt zählt 1400 Häuser und mag
gegen 12.000 Einwohner, worunter 50 Juden, 12 Chri-
sten und etliche Malteser sind. Münastir ist auch der
-
46
-
Sitz des Kaid und zu einem Distrikt gehören außer der
Stadt noch 12 Dörfer. Viehzucht und Ackerbau ist im
guten Stande, besonders ist die Gegend reich an Oel-
und Obst. Die Lage der Stadt ist der Gesundheit sehr
zuträglich: auf einer Seite das Meer auf der andern
schöne Gärten. Es find nun gerade 320 Jahre, als
die Spanier, die hier lange eine Kolonie hatten, vertrie-
ben wurden. Von ihrem ehemaligen Hierseyn ist alle
Spur, bis auf ein Malteserkreuz, welches an einem Thore
in eine Marmorsäule eingegraben, noch zu sehen ist, ver-
schwunden. Die Straßen sind breit und reinlich; die Häuser
haben nur ein Stockwerk. Die hiesigen Mauren sind viel
freundschaftlicher und weniger fanatisch als die zu Sufa.
Während meines Aufenthalts hatte ich täglich freie Unterre-
dungen mit ihnen und die kleine Anzahl arabischer Schriften,
die ich mit hieher bracht, wurde schnell vergriffen, und stünd-
lich werde ich um mehrere derselben angegangen; aber
leider habe ich keine mehr. Es herrscht hier großer Wohl-
stand, dabei sind die Bewohner aber dennoch arbeit-
fam und friedlich gesinnt. Gerne unterhalten sie sich mit
mir und erlaubten mir sogar einen Koran, der öffentlich
feil geboten wurde, zu kaufen. – Dieses Buch wird
nie um Geld verkauft, solches dafür zu nehmen wird
für eine Sünde gehalten; sondern für Brod, welches an
die Armen verheilt werden soll. Ich kaufte diesen Ko-
47 .
ran für 332 Brode. Allein anstatt daß der Verkäufer
die Brode annahm rechnete er den Werth derselben und
ich gab dafür das Geld, welches er, wie ich sicher weiß,
für sich behielt. – -
Abergläubisch fand ich aber die hiesigen Einwohner,
wie überall in der Berberei. Letzthin verlangte ein Maure,
ich sollte ihm Chat Erramel, Zauberkünste, die dem
Besitzer dieser Kunst Aufschluß geben zu wissen, wie lange
man lebe; die Macht verleihen Häuser einstürzen zu las
fen und über Leben und Tod anderer zu gebieten c. c,
lehren. Ich sagte zu ihm: öffne deinen Koran und lese
mir das Ende der Sura Lokiran, da wirst du hier
über Aufschluß bekommen. Ich bin unrein, sagte er, und
darf jetzt den Koran nicht berühren, hier liegt er, öffne
ihn und lies. Ich that es. Und las ihm deswegen diese
Stelle vor; weil hier der Koran sagt, daß dieses, näm-
lich zu wissen wie lange man noch zu leben habe, kein
Mensch wissen könne, es gehöre zu den fünf Dingen, die
nur Gott weiß, welche find: die Stunde des jüngsten
Gerichts, die Zeit des Regens, das Geschlecht im Mut-
terleibe, das zukünftige Schicksal des Menschen und wann,
wie und wo der Mensch sterbe.
Am eiften dieses Monats hatten wir eine Monds-
finsterniß. Einige Gelehrten fragten mich um die Ur-
fache dieser Erscheinung. Ich erklärte ihnen die Sache
48
- ganz einfach und da ich dabei erwähnte, die Erde drehe
sich um die Sonne, so erwiederten sie, das könne nicht
seyn. Die Erde ruhe auf dem Horn des großen Ochsen, die
fer stehe auf den großen Fischen und diese leben im Meere.
Hier half nun kein Demonstrieren, sie blieben bei dieser
lächerlichen Fabel. Das Grab eines merkwürdigen Ma-
rabut, Heiligen, befindet sich hier. Es ist, wie alle
diese Gräber eine Freistätte der Verbrecher, glücklich die
fes erreicht zu haben, bewirkt Freiheit und Straflosigkeit
Wunderbar genug, dieser Marabut, war Renegat, von
Geburt ein Italiener. Er wurde hier Mahomedaner und
bethörte das Volk lange Zeit mit allerlei Gaukeleien, bis
man ihn für einen Wundermann hielt. Einst schrieb er
seinem Vater, er möchte ihm doch aus der Heimath im
Spätherbste einige Kisten Trauben schicken. Der Schiffs-
kapitän, so wie die Mannschaft des Schiffes waren ge-
wonnen. Nach der Landung wurden die Kisten an
einem bezeichneten Orte vergraben. Als dies geschehen
- war, sagte er zu den Mauren: Gehet hin an das Ufer;
an dem Orte, wo der große Stein liegt, werdet ihr un-
ter der Erde Kisten mit frischen Reben finden. Der be-
zeichnete Ort wurde aufgesucht und der wunderbare Fund
zu Tage gefördert. Jetzt wurde er heilig gesprochen und
nach seinem Tode über das Grab eine Kapelle gebaut und
diese zu einer Freistätte erhoben. -
49
Die Juden hier find arm, haben eine Synagoge
und einen Rabbi. Ich konnte mit ihnen einfach und oft
fen reden und mit Freuden nahmen die Bibeln an. Frü-
her hatten sie gar keine. Ich fand bei meiner Ankunft
deren nur zwei in der ganzen Gemeinde und diese waren
von mir in Tunis gekauft worden. Die Lehren des Chris
fenthums waren ihnen noch ganz unbekannt. Auch das
kleine Häuflein der hiesigen Christen habe ich mit dem
Worte des Lebens versehen. Sie wohnen recht friedlich
und leben recht freundschaftlich unter einander; keiner von
ihnen ist aber verehelicht.
Nur eine Tagreise von hier liegt die sehr berühmte
Stadt Kairwan, daselbst ist das Grab eines Jugend-
freundes Mahomeds, und hier steht die größte und
schönste, mit 500 Granitsäulen ausgeschmückte, Moschee
der Berberei; dahin wallen die Pilger, denen es nach
Mekka zu reisen nicht vergönnt ist. Die Sage behaup-
tet: einst werde Mekka in die Hände der Christen fallen
und dann werde Kairwan der große Wallfahrtsort der
Moslemin werden. Gerne möchte ich diese Stadt bese-
hen; allein der Ort wird für zu heilig gehalten, als daß
es Christen sollte ohne höhere Bewilligung erlaubt seyn
dorthin reisen zu dürfen. Es darf daher ohne ganz be-
sondere Erlaubniß des Bey und dann nur unter Beglei-
tung von mehreren Mameluken, diese Stadt kein Christ
4
50
-
betreten. Ich muß mich daher mit der Aussage derer be-
gnügen, die daselbst waren. Kairwan foll gegen 6000
Häuser haben und verhältnismäßig bevölkert sein. In
der Kapelle, die über das Grab des Heiligen erbaut ist,
wird Tag und Nacht der Koran gelesen. Die Bewohner
Kairwans hatten früher viele Freiheiten und waren
von vielen Abgaben verschont. Als der jetzige Sachab
Ettaba ans Ruder kam, führte er, um die leere Schatz-
kammer feines Herrn zu füllen, neue Taren ein und
wollte davon auch die heilige Stadt nicht verschont wie
fen. Auch hier, wie im ganzen Reiche, sollten 25 Pro-
zent von allen verbrauchtwerdenden Lebensmitteln erhoben
werden. Die Einwohner Kairwans, stolz auf ihre
alten Rechte, empörten sich und 3000 der Bewaffneten
lagerten sich um die Stadt, die allenfalls anrückenden
Truppen aus Tunis zu bewillkommen. Der Sachab
Ettaba war damals gerade in Sufa, als er die Nach
richt von der Empörung der heiligen Stadt erhielt. So
gleich machte er sich, mit nur 50 Mann, die er bei sich
hatte, auf den Weg und erschien plötzlich und unvermu-
thet vor Kairwan. Diese Erscheinung setzte die tapfern
Kairwaner dergestalt in Furcht und Schrecken, daß
die Bewaffneten fammt und sonders auseinander liefen.
Der Sachab Ettaba stieg vor dem Hause des Kaid
ab, trat ein und fagte ganz kaltblütig: Laß" rufen N.
51
und N. c. e.: du gehst ins Gefängniß und du auf die
Galeere, sprach er. Auf diese Art entfernte er die Rä,
delsführer und legte der heiligen Stadt eine Contribution
von 4 Millionen Piaster auf, welche auf der Stelle be-
zahlt werden mußten. - -
Als Anekdote besonderer Art will ich nur noch er
wähnen, daß mir während meines hiesigen Aufenthalts
Briefe zugeschickt wurden, unter denen sich auch einer
aus England kommend befand. Dieser hatte die Reise
durch Frankreich, Italien c. c, gemacht, er wurde in
einer der Provinzen des letztern Landes geöffnet, gelesen,
durchstochen, wieder gesiegelt und folgende Worte darauf
angebracht: Netta fuori spurca dentro: außen rein,
inwendig unrein. Der Inhalt des Briefes war die
Antwort auf eine Anfrage, die ich bei dem Sekretär
der Missionsgesellschaft gemacht hatte.
VII.
Media den 16. Juni 1835.
Es rief gerade der Mahomedaner den Morgengruß den
noch schlummernden Bewohnern zu Münastir von
dem Thurm durch sein Allah Akbar! zu, als wir
auf Maulthieren, begleitet von zwei bewaffneten Musel-
männern zum Thore hinaus sprengten. Bald lagen uns
die schönen Gärten und fruchtbaren Felder der Stadt im
Rücken, und eine rauhe, einsame und unheimliche Ge-
- gend, doch voll von Ruinen aus alter Zeit nahm uns auf
Zuerst erreichten wir das Dörfchen Chanis, dann El-
karb, dieß hinter uns habend, lag vor unsern Augen
Lambta, das Leptisparva der Alten, ehemals eine
Meile im Umfange, jetzt ein elendes Dörfchen. Von der
alten Herrlichkeit dieses Platzes zeigen noch die Ruinen
der Burg, welche sich sichtbar von der Erde aus erheben.
Hierauf erreichten wir die Ruinen vom Buhadjar
und einige Meilen später langten wir bei den Ufern ei-
nes Salzsees an, der 3 Meilen lang und eine halbe
-
53
Meile breit sein mag, und Sibcha von den Eingebor
nen genannt wird. Unser Weg führte den Ufern
dieses Sees entlang. Die sonst sehr eifersüchtige Regie-
rung erlaubt, sonderbar genug, jedermann Salz nach
Belieben zu nehmen. Wir erreichten Tobulba, wo
sich ebenfalls Ruinen der Vorzeit finden; sodann Ma-
kalda. Da es jetzt anfing sehr heiß zu werden, fo ra-
steten wir eine kurze Zeit unter den Schatten, der Oli
venbäume, um unsere Thiere sich etwas erholen zu las
fen. Nur noch 9 Meilen Wegs war es von hier bis
nach Media und ich hoffte in 14 Stunden meine Tag-
reise geendet zu haben. Allein wir ritten eine Stunde,
dann wieder eine Stunde, immer in einem dichten Oliven-
walde und der sehnlichst gewünschte Ort wollte nicht
sichtbar werden. Meine Verlegenheit war groß, um
aber diese noch zu vergrößern verlor sich jetzt jede Spur
eines Weges und wir alle, fünf Reiter an der Zahl,
hielten und wußten nicht wohin. Jetzt erst ergab es sich,
daß meine Führer den Weg nicht wußten, wir hatten
uns also verirrt. Bei den Mahomedanern hilft es, bei
dergleichen Begebenheiten, durchaus nichts unwillig oder
unruhig zu werden. Mit größter Ruhe und Kaltblütig
keit heißt es immer: so fand's geschrieben, so will es
Gott haben! Nach langen Berathungen half mein Diener
aus dieser Verlegenheit. Herr, laffen Sie uns in die
54
fer geraden Richtung reiten, dort ist das Meer und
einmal am Ufer desselben angelangt, finden wir uns ge-
wiß zurecht. Dieser Rath wurde befolgt, wir fanden
uns glücklich aus dem Walde hinaus und dann sahen
wir in der Ferne Media glänzen. Ganz erschöpft und
mit einem schmerzlichen Kopfweh, verursacht durch die außer-
ordentliche Sonnenhitze, langte ich daselbst an. Hier
wohnen drei christliche Familien: eine italienische und zwei
französische, des Oelkaufens wegen. Ich war empfohlen
an Herrn Giuseppo Castellino, einen gebornen
Korsen, welcher mich mit vieler Zuvorkommenheit aufnahm.
Da mir einige Ruhe höchst nöthig war, weil der heutige
Ritt, während der größten Sonnenhitze, mich ganz ent
kräftet hatte, so legte ich mich nach der Ankunft sogleich
zu Bette. Später ging ich aus, die Stadt zu besehen.
Media oder auch Africa, der erste Ort, den die Rö-
mer an der Nordküste Afrikas erbaut haben sollen, liegt
auf einer Halbinsel, hat die schönsten und größten Rui
nen aus der alten Zeit, die ich bis jetzt gesehen habe.
Noch stehen am Eingange der Stadt drei gut erhaltene
Thürme und in dem gewölbten, mehr als 100 Schritte
langen Eingang, fand ich eine Inschrift, die aber leider
ganz unleserlich geworden. Eine Menge von Cisternen,
davon noch mehrere in gutem Stande, Marmorblöcke, Stücke
von ungeheuerer Größe, Thürme, Gräber in Felsen ,
55
gehauen und eine eingefallene Mauer zeugen von der
ehemaligen Größe. Jetzt hat die Stadt kaum 5000
Einwohner, mit einem Aga, der die in der Burg liegende
Besatzung befehligt, welcher zugleich Richter der Stadt
ist; einige Juden und genannte Christen. Die Luft soll
sehr gesund seyn und die Einwohner sehr alt werden. Vor
einigen Tagen starb eine Frau 120 Jahre alt. Oel hat
es hier im Ueberfluß und die Stadt ist von einer Menge
Gärten umgeben. Die Bewohner sind daher sehr reich,
aber träge. Gepflanzt wird nichts und nur das was
die Natur freiwillig darreicht wird gesammelt. Die Vieh-
zucht ist schlecht und der Europäer findet. Weniges seinem
Gaumen zusagend. Doch die Liebe reich zu werden und
sodann noch einige Jahre in Europa herrlich und in Freu-
den leben zu können überwindet die größten Schwierig
keiten bei dem gelddürftigen Europäer. Da ich mich nur
einen Tag hier aufhalte, so kann ich kaum ein Urtheil
über den Charakter der hiesigen Mahomedaner fällen.
Doch höre ich von den hiesigen Christen, welche unge-
stört hier leben, sie feyen wenig fanatisch.
VIII. -
Sfar den 21. Juni 1835.
Am 17ten frühe 4 Uhr, waren wir schon auf dem
Wege und hatten Media bereits im Rücken. Der Weg
schlängelte sich sieben Meilen lang durch schöne Gärten;
dann aber hörte alle Cultur auf und wir betraten das
Land der wilden Araber, die den Häusern feind, nur
unter dem Zelte leben, ihre Heerden weiden und was der
Boden freiwillig darbietet gerne annehmen. Vieles hatte
ich gehört von den schönen Ueberresten eines römischen Am-
phitheaters, in oder Mitte dieser Wüsteneien gelegen. El gem
- von den Arabern geheißen, bei den Alten Tisdras oder
Tysdrus. Meine Neugierde war sehr gespannt. Heute nun
sollte ich dieses Wunder der alten Zeit sehen, ja sogar in
deffen Nähe mein Nachtlager aufschlagen. Jetzt stieg unser
Weg allmählich bergan. Dort angelangt, sagte ich zu
mir, wirst du diesen Riesenbau der Alten ins Auge be-
kommen; allein ich täuschte mich. Nun von jener Höhe
aus wirst du ihn sehen können! Ich gab meinem Maul-
thier die Sporen, angelangt, und abermals ein anderer
-
Hügel deckte die Aussicht. Endlich riefen meine Füh-
rer: Hada Elgem! Had a elburtcha gabira!
Amtha elromi! Siehe, siehe dort ist Elgem! dort
die große Burg der Römer! Ich blickte hin, und ein
nicht zu beschreibendes wehmüthiges Gefühl durchzuckte
mein Innerstes. Mitten in dieser afrikanischen Wüste,
umgeben von rohen, wilden Horden, ohne alle Civili-
fation, ohne allen Sinn für Kunst ein Wunderwerk der
Baukunst zu schauen! Dieses Riesengebäude, von mei-
nem jetzigen Standpunkt aus betrachtet, stellte sich dem
Auge wie eine große deutsche gut erhaltene Ritterburg
dar. Die Sonne warf jetzt ihre Strahlen senkrecht, ich
litt unbeschreiblich von der Hitze und lenkte deswegen
vom Wege ab, um seitwärts den Schatten einiger küh-
lender Bäume zu erreichen: dort wollte ich den Abend
erwarten. Während ich dieses that, wich mein Auge
nicht von dem Wundergebäude, mein Geist aber versetzte
sich zurück in die Zeiten, in welchen Römer und Christen
dieses einst so gesegnete, nun aber so elende Land be-
wohnten. Doch meine Führer ließen mich nicht lange
gelagert, sie mahnten zum Aufbruch; weil sie fast ver-
schmachteten vor Durst. Ich mußte gehorchen und lang-
am ritten wir dem Raubnest entgegen, das unter diese
Ruinen erbaut, und von halb nackten Arabern, bewohnt
wird. Hier ist der Haltplatz aller Karavanen, die aus
-
58
verschiedenen Gegenden kommend, hier sich lagern. Das
her sind auch die hiesigen Funduken so voll von Ungezie-
fer aller Art, daß jeder Fremde genöthigt ist die ganze
Nacht hindurch thätig zu feyn. Diesem Uebel wollte ich
vorbeugen und deswegen verschaffte ich mir Empfehlungs-
schreiben an einen der hiesigen vornehmsten Araber. Ich
gab meine Briefe ab, der Araber schaffte seine Frauen
weg und nahm mich in seine Hütte auf. Ob ich gleich
sehr ermüdet, von dem 32 Meilen zurückgelegten Wege,
war, so eilte ich doch so bald es sich höflicher Weise thun
ließ ins Freie, um das Merkwürdigte, von allem was
ich bis jetzt gesehen hatte, genauer betrachten zu können.
Diese Ruine soll der großartigste Bau römischer Kunst
und Luxus gewesen feyn, der unter Gordianus, welcher
in der Nähe desselben, in der Stadt Tysdrus, zum rö-
mischen Kaiser proclamiert, aufgeführt worden seyn. -
Dieses Amphitheater hatte ehemals vier Reihen von -
Säulen übereinander und 64 Bogengänge. Gegenwärtig
ist aber die oberste Säulenreihe beinahe zusammengestürzt,
nur die drei übrigen sind noch gut erhalten. Von dem
Fundamente bis zum Anfang der vierten Galerie gemes
fen sind 90 Fuß, rechnet man die Säule 15 Fuß Höhe,
was ihre Größe ist, so betrug die Höhe des ganzen Ge-
bäudes 105 Fuß. Der innere Hofraum ist 300 Fuß
lang und 200 breit. In der Mitte findet sich ein Brun-
59-
nen, der aber jetzt verschüttet ist. Die Araber sagten
mir, dies fey der Eingang eines unterirdischen Ganges
gewesen, der bis nach Media geführt habe, was aber
nur ein Mährchen sein mag. Der Ueberrest dieses Am-
phitheaters ist noch heute so frisch und neu, als wäre es
eben jetzt erst aufgeführt worden. Vor 100 Jahren ohngefähr
ließ ein Bey von Tunis 4 Bogengänge in die Luft sprengen,
weil die Araber bei einem Aufruhr sich in das Gebäude
geflüchtet hatten und tapfern Widerstand leisteten. Die
Dicke dieser gesprengten Bogengänge beträgt 105 Fuß.
Der ganze Umfang des Gebäudes beträgt ohngefähr
1570 Fuß. In einem Winkel des Theaters liegt die
Statue der Venus; aka enthauptet. Am Gebäude
selbst ist noch das Haupt eines Widders und das eines
Mannes sichtbar. Der Contrast zwischen diesem Riesen-
bau und den armseligen Araberhütten ist unbeschreiblich.
Nie sah ich elendere Hütten und dürftigere Beduinen.
Die Umgegend ist voll von Marmorblöcken, Säulen,
Bruchstücken ehemaliger Gebäude und Cisternen. Unge
fähr eine Viertelstunde vom Theater fand die Stadt,
wo man noch sehr viele Ruinen bemerkt. Ich sah die
Marmorsäule eines Mannes von Riesengröße, aber lei-
der auch enthauptet. Der Fanatismus der Araber zer-
störte alle Gegenstände der Kunst. Ich konnte des An-
blicks dieses Gebäudes nicht satt werden und ging mehre-
60
- - - -
remal um dasselbige herum, um es von allen Seiten zu
besehen; während ein Schwarm von Beduinen, Männern,
Frauen und Kindern, mir immer auf dem Fuße nach
folgten, die gar nicht begreifen konnten, was doch hier
Merkwürdiges zu sehen fey. Sie brachten mir auch alte
Münzen, die ich kaufen sollte und bewunderten alles an
mir. Obgleich mein ganzer Anzug nur aus weißer Lein-
wand bestand, nämlich aus weiten Beinkleidern und aus
einem Kittel; so meinten sie dennoch ich fey nichts weniger
als ein Konsul, oder doch gewiß ein Kaufmann. Ein
Konsul aber ist bei diesen Leuten das non plus ultra.
Der großen Sonnenhitze wegen trage ich gewöhnlich weiße
Handschuhe, welche einigermaffen Kühlung an den Händen
gewähren. Meine Finger waren ihnen daher sehr auffal-
lend. Anfangs glaubten sie die Handschuhe feyen ange-
wachsen und fragten, wie es mir möglich wäre zu effen?
– man hat weder Meffer noch Gabeln, sondern ißt
mit den Fingern. –
Von hier bis nach Sfax sind noch 55 Meilen.
Meine beiden Führer fürchteten sich den Weg mit mir
allein zu machen. Da dachte ich es fey das Beste, am
Abend mit der von Tunis hier durchkommenden Kara-
vane weiter zu reisen. Während ich nun abermals diese
Ruine betrachtete und von den Beduinen begafft wurde,
61
sah ich zugleich Scenen die mich sehr betrübten. Mehrere
Beduinen wurden von den Mameluken des Bey grau-
am gemißhandelt und warum? Sie hatten im Voraus
an Europäer mehr Oel verkauft als sie zur Ernte erhielten
und nun schickten diese Europäer die Schergen, nicht um
das Oel zu holen, sondern den Preis dafür zu zahlen.
Der Araber, der unglücklicher Weise das Medal Oel für
5 Piaster verkauft hatte, mußte jetzt dem Christen 20
Piaster, dem Mameluken 2 für seine Mühe bezahlen.
Noch vor vier Jahren wußte man von solchen Schänd-
lichkeiten nichts. Damals waren es nur wenige Euro-
päer, die Oel aufkauften und solches nur von solchen,
die auch im Stande waren es zu liefern. Seit ein paar
Jahren aber hat die Hab- und Gewinnsucht viele Euro-
päer über das Meer getrieben. Mit wenig Geld will
jeder Europäer schnell reich werden und deswegen wuchern
fie so gräulich, daß die Annalen der größten jüdischen
Wucherer weit hinter diesen der sogenannten Christen
zurückstehen müßen. Das Ende dieser Oelkrämerei wird
gewiß, wie voraus zu sehen ist, sehr tragisch werden.
Die von den Europäern auf solche schändliche Weise ge-
plünderten und zu Grunde gerichteten Araber aufs
Aeußerte getrieben, werden die einzeln hin und her
im Lande lebenden Christen suchen auf die Seite zu
schaffen.
62
Es wurde jetzt Abend und ich ging in die Hütte
meines Beduinen. Dieser hatte eine große Schüßel Kus-
kusu bereitet, zu welcher er mich lud. Wir setzten uns
auf die Erde und aßen. Nach der Mahlzeit wurden
die Maulthiere wieder beladen und wir verfügten uns
auf den Sammelplatz der Karavanen, um dort bis
zum Aufbruch derselben zu warten. Mein Diener nebst
meinen zwei Begleitern hatten die Maulthiere im Auge,
während ich die schöne Wölbung über mir, den herrlich
flimmernden Sternenhimmel beobachtete. Mein Geister-
hob sich in der stillen Nacht zu dem, der über den Sternen -
thront, zu dem Allbarmherzigen, zu dem Allgütigen. –
Um 11 Uhr bewegte sich die Karavane, jeder legte
die Waffen zurecht, um bei einem etwa vorkommenden
Angriff zur Gegenwehr fertig zu feyn. Auch ich fah nach
meinen Pistolen und gürtete das Schwert, mehr um eine
Gewohnheit mit zu machen als mich darauf zu verlaffen.
Mein Vertrauen war nur bei dem, der alles weißlich len-
ket und leitet. Ich setzte mich auf mein Thier, mein
Diener that dasselbe, der eine Führer verließ auf einen
Augenblick das dritte Maulthier, um mir meinen Mantel
zu reichen und als er wieder zu demselben zurückkehren
wollte, siehe da! es war weg und mit ihm alle meine
Kleidung, meine Bücher c. c. in zwei Koffer gepackt.
Unsere Bestürzung war groß. Mein erster Gedanke war:
63
das Maulthier fey mit der Karavane, die inzwischen auf
gebrochen war, gelaufen. Ich schickte einen meiner Füh-
rer ab, dasselbe zu holen; allein er kam leer und bestürzt
zurück. Es war Mitternacht und finster. Was sollte
ich thun? Hier war guter Rath buchstäblich theuer. Ich
fragte nach dem Scheick des Orts und ließ auch den
Beduinen, an den ich empfohlen war und den ich jetzt
in Verdacht hatte, holen. Er erschien mit noch einigen
Beduinen, eben so der Scheick. Frei sagte ich nun die-
sen Beduinen ins Gesicht, daß ihre Leute, die immer
um uns herum geschwärmt seyen, die Diebe meines
Maulthiers wären. Der Scheick antwortete: seine Leute
seyen ehrlich, zugleich wurde ich gefragt ob Geld in den
Koffern fey? Geld ist nicht darinnen, aber meine Bücher
und meine Kleider, gab ich zur Antwort. Hierauf sagte
er: Sey unbesorgt wenn kein Geld darinnen ist, so be-
kommst du alles wieder. Es wurden nun Leute nach allen
Richtungen abgesendet, aber immer kamen sie leer zurück.
Jetzt standen mir nur noch zwei Mittel zu Gebote diese
Beduinen zu schrecken, um dadurch vielleicht wieder zu
meinem Eigenthum zu gelangen. Diese Menschen sind
sehr abergläubisch und wußten, daß ich arabisch verstand
und den Koran las. Nun durfte ich nur sagen: ich ver-
stünde die Zauberkunst Chat Erramel und diese
Kunst würde ich, im Fall mein Maulthier nicht sollte
64
zum Vorschein kommen, anwenden; dann würde der
jenige, der meine Habe sich zugeeignet hätte, es schwer
büßen müffen. Allein ich wollte ihren Aberglauben nicht
vermehren. Ich nahm zum zweiten Mittel meine Zu-
flucht. Die Engländer stehen bei den Arabern in großer
Achtung. Ich fagte deshalb, und es war mein voller
Ernst, ich werde bis zum Anbruch des Tages ruhig
warten und würde ich bis zu dieser Zeit meine Effekten
nicht zurück erhalten, dann schicke ich einen Eilboten von
meinen Leuten nach Tunis an den englischen Konsul,
dieser würde die ganze Begebenheit vor den Bey bringen
und dann würden sie mir mein Maulthier nebst Koffer
theuer bezahlen müßen. Sie stellten sich zwar als ob
fie nichts nach dem Bey, noch weniger nach dem Kon-
ful fragten; allein ich bemerkte auf der Stelle, daß
meine Worte auf diese Barbaren Eindruck machten.
Hierauf zerstreuten sie sich wieder, um zu suchen. Ich
und meine Leute verhielten uns jetzt ganz ruhig. Um
3 Uhr des Morgens kam ein Beduine, welcher zu mir
sagte: Sey ruhig, das Maulthier ist in meinem Hause.
Bald darauf wurde es herbeigeführt und diese Diebe bei
gleiteten es selbst. Meine Freude war groß, denn es
fehlte von allen meinen Sachen durchaus nicht das Ge-
ringste; obgleich zu sehen war, daß die Koffer abgepackt
und die Riemen mit Meffer durchschnitten, beschädigt war
65
ren. Nun versammelten sich viele Araber um mich und
jeder wollte eine Belohnung für seine Mühe haben, daß
er das Maulthier habe suchen helfen. Sie forderten mehr
als 100 Piaster. Da ich ihnen aber rund heraus er-
klärte, daß ich nichts geben, vielmehr mich über ihr un-
verschämtes Betragen beklagen werde, fürchteten sie sich
und sagten: Nun wenn du kein Geld hat, so wollen wir
es dir schenken, mache nur, daß du fortkommt. Allein
jetzt getraute ich mit meinen zwei Begleitern diese wilde
Gegend nicht zu passieren: eine menschenleere und um
fruchtbare Wüste von 55 Meilen, wie sie von Elgem
bis nach Sfar ist. Ich wendete mich daher an den
Beduinen, welchem ich empfohlen war und sagte: Ich
sehe dich jetzt als meinen Vater an, ich bin an dich ge-
wiesen, gib mir zwei vertraute Männer als Begleiter mit
bis nach Sfax. Hier stehen zwei, sagte er, wenn du
sie gut bezahlt, so werden sie dich geleiten. Es waren
aber gerade zwei von denen, von welchen ich überzeugt
war, daß sie Helfer beim Diebstahl waren. Ich nahm
daher meinen Beduinen zur Seite und sagte: Kennst du
aber diese Männer auch genau? Sind es ehrliche Leute und
kann ich mich auf sie verlaffen? Bei deinem Haupte und
bei dem Haupte Serras, Name des Herrn, der mich
an ihn empfohlen hatte, ich kenne sie, es sind ehrliche
Leute. Laß jetzt mein Haupt und das Haupt Serras,
5
66
gehen, sagte ich, und schwöre mir bei deinem Haupte und
bei dem Haupte deiner Kinder. Jetzt stotterte mein Be-
duine und wollte mit der Sprache nicht heraus. Dieß war
mir der sicherste Beweis von Hinterlist. Ich sagte jetzt
nur: Ich werde hier bleiben und die nächste Karavane
abwarten. Dieses that ich auch und dankte Gott für
seine Güte und Treue und für Bewahrung und blieb
im Namen des Herrn den folgenden ganzen Tag in ei-
nem elenden Winkel des Orts mit meinen Leuten gela-
gert. Abends um 6 Uhr kam eine Karavane aus Tu-
nis an, wir schloffen uns an sie und setzten unsern Weg
mit ihr fort. Die Führer, so wie alle Mitreisende einer
solchen Karavane sind gut bewaffnet. Der Führer,
welcher den Weg am besten weiß reitet voran, ein an-
derer Führer zur jeden Seite und einer schließt den Zug.
Maulthiere, Kameele, Pferde und Esel, alle sind des Wegs
kundig und man darf sich nur anschließen und die Thiere
ruhig fortziehen laffen. Die Führer kennen jeden
Baum, jeden Strauch, jede Krümmung des Wegs.
Sie rufen deshalb beständig: Gebt acht, hier ist ein
Baum! hier gehts Berg auf! oder, hier Berg, ab! Auch
haben sie beständig acht, daß Niemand einschläft, des
wegen haben sie bald mit diesem, bald mit jenem et
was zu reden. Ich fand diese Führer sehr sorgfältig
und höflich. Allmählig wurde es Nacht, wir sahen hie
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und da in der Ferne die Feuer der Beduinen brennen
und hörten ihre Hunde bellen. Diese Beduinen schlagen
ihr Lager nie nahe an der Straße auf, aus Furcht vor
überläftigen Gästen. Die Sterne warfen ihren hellen
Schein und die Nacht war sehr schön; doch die Bege-
benheiten der gestrigen, die sich jetzt meiner Seele erst in
ihrem ganzen Ernste darstellten, machten mich traurig
und ich blieb nicht ganz frei von Angst während dieser
Nacht. Dazu kam noch daß unser Weg durch eine schauder-
hafte Wüste führte. Gegen Morgen fühlte ich mich sehr
müde und der Schlaf stellte sich mit solcher Heftigkeit -
ein, daß ich mich kaum mehr im Sattel zu halten im
Stande war. Jetzt bemerkte ich auch in einiger Entfer
nung Häuser und glaubte diese feyen Sfax; allein man
sagte mir: es wären die Gärten und Landhäuser dieser
Stadt und von da aus feyen es noch 10 Meilen bis
an den Ort der Bestimmung. Ich war aber zu müde
um weiter kommen zu können, trat aus der Reihe des
Zuges aus und lenkte etwas von der Straße ab, sagte
meinem Diener er sollte mir eine Tasse Kaffee machen,
stieg ab und schlief auf der Stelle ein. Als der Kaffee
fertig war, wurde ich geweckt, ich trank, setzte mich auf
und wir ritten noch. die 10 Meilen durch die schönsten
Gärten und kamen durch Gottes Güte geleitet wohlbe-
halten hier an. Der englische Agent Herr Blankberg,
- 5 *
68
ein Schweizer, nahm mich freundschaftlich auf und nach
der ersten Begrüßung bat ich um mein Lager; dieses
wurde auch sogleich in Beschlag genommen, ich legte mich
nieder und schlief ein,
69
IX.
Sfax den 8. Juli 1835.
Vielleicht ist an den Ufern des Mittelmeers keine Stadt
deren Lage so gut, deren Umgebungen so schön und rei-
zend wären als Sfax. - Hart am Meere erheben sich
die hohen Mauern, welche 1200 Haupt- und 2400
Nebengebäude umschließen, und rechnet man nach der
Anzahl dieser Häuser und nach der Menge Menschen,
die sich beständig in den Straßen bewegen, so kann die
Seelenzahl der hiesigen Mahomedaner 10–12000 betra-
gen. Sfax ist gut befestigt und die Mauern sind mit
Kanonen versehen; doch konnte ich niemals eine Wache
wahrnehmen. In der Burg wohnt ein Aga mit eini-
gen Soldaten, die hier Suavi heißen, und noch nach
der alten türkischen Art gekleidet sind, während sie in
Tunis und an andern Orten schon seit 6 Jahren neu
organisiert Nazam heißen und nach europäischer Weise
gekleidet und eingeübt werden. Mit wenig Mühe und
Kosten könnte der Hafen sehr gut hergestellt werden; allein
jetzt ist er dergestalt mit Sumpf und Getränch verstopft
70
daß nur kleine Fahrzeuge bis an die Stadt gelangen
können, größere müffen eine halbe Meile entfernt in der
See Anker werfen. Die Straßen sind gut, zuweilen ge-
pflastert, die Häuser schön und im baulichen Stande ge-
halten. Es wäre daher eine Freude durch die Straßen
zu wandern, wenn diese nicht, wie überall in der Ber-
berei, mit Unrath aller Gattungen gleichsam verstopft
wären. Es ist nun einmal den Mahomedanern auf der
Nordküste Afrikas eigen, die Unreinlichkeit der Straßen
als nothwendig anzusehen. Ausgezeichnete Gebäude giebt
es hier nicht, wohl aber eine sehr große Moschee den
Malakia gehörend; Hanafia hat es hier nicht.
Nirgends fand ich so viele Zufluchtsörter für Verbrecher
zusammengehäuft als hier: nicht nur einzelne Heiligen-
kapellen; sondern ganze Distrikte der Stadt, welche nach
und nach den Kapellen der Heiligen geschenkt wurden,
gehören dazu. Einmal einen solchen Distrikt erreicht zu
haben, und jeder Verbrecher ist frei. Sfax hat auch
einige schöne und reiche Marktplätze, auf denen sowohl
inländische Produkte als auch europäische Manufaktur
waaren verkauft werden. Hieher kommen ganz besonders
die Karawanen aus Gadamas, um ihre aus dem
Innern von Afrika bringenden Waaren, als Goldstaub,
Elfenbein, Senearblätter, Straußfedern, Sklaven c,
umzusetzen. Die Einkäufe, welche sie gewöhnlich machen
71
bestehen in Glasperlen, Spiegeln, Scheeren, Meffern,
Papier c. Sonderbar ist der Gebrauch der Kaufleute
aus Gadamas: den Goldstaub z. B. geben sie nicht
eher aus den Händen bis ihnen der Betrag und zwar
in Silber eingeliefert ist, Goldmünzen nehmen sie nicht
an, Eigenthümlich ist es, daß in der Stadt selbst nur
Sfaxia, Eingeborne, wohnen dürfen. Kein Fremder
darf im Bereiche der Stadt ein Haus besitzen, weder
Araber noch Beduinen. Ankömmlinge aus Tunis, Trie
polis oder aus irgend einer andern mahomedanischen
Gegend müffen, wenn sie sich hier niederlaffen wollen,
ihre Wohnung vor der Stadt aufschlagen. … Die Bewoh-
ner von Sfax sind ohne Ausnahme reich, einen armen
Sfaxia gibt es nicht. Jeder besitzt einen schönen Gar
ten vor der Stadt und in demselben ein Landhaus, wo
er mit seiner ganzen Familie in den sechs schönen Mo-
naten des Jahres wohnt. Es ist ein herrliches Schau-
spiel in dieser Jahreszeit sich des Abends vor das Thor
zu begeben. Schaarenweise ziehen in der Kühle des
Tages alt und jung, groß und klein nach den schönen
Gärten, die eine Viertelstunde außerhalb der Stadt
beginnen, einen Halbzirkel bilden, dessen längster Durch-
meffer 12 Meilen beträgt. Innerhalb dieses Raumes
befinden sich an 6000 Gärten. Die Fruchtbarkeit des
Bodens ist unbeschreiblich: Aepfel, Birnen, Trauben,
72
/
---
Feigen, Granatäpfel, Aprikosen, Pfirsiche, Mandeln, Zitro-
nen, Pflaumen, Maulbeere c. und eine große Menge an
derer Südfrüchte schmücken die Gärten der Sfaxia. Da-
gegen werden Gemüße, von welchen die Mauren keine
Freunde sind, nur selten gebaut. Kartoffeln kennt man
auf der ganzen Küste Nordafrikas nicht. Die Europäer
laffen sich ihren Bedarf aus Malta kommen. Dagegen
- wachsen hier Gurken und Zwiebeln im Ueberfluß, welche
von den Einwohnern sehr geliebt werden. Getraide, be-
fonders Roggen und Gerste wird sehr viel gebaut; auch
Erbsen und Linsen größer und letztere röthlicher als in
Europa. Die Rindviehzucht ist im Allgemeinen gut, doch
nicht so schön als in Europa, Schaafe, sowohl lang
schweifige als gewöhnliche gibt es hier eine ungeheure
Menge. Pferde, Kameele und Maulthiere finden sich
auch sehr viele. Wild jeglicher Art hat es im Ueberfluß;
doch keine Raubthiere; zwar sollen deren noch im Innern
des Landes getroffen werden, doch nicht mehr in solcher
Anzahl als zur Zeit der Römer. Da die Jagd frei ist,
fo gehört sie zu den größten Vergnügungen der hiesigen
Europäer, welche oft wochenlang ihre Wohnungen ver-
laffen, jagen und immer kehren sie mit reicher Beute
zurück. Die Sfaxia find große Liebhaber von Fischen;
deren hat es aber auch sehr viele, welche ohne große
Mühe ganz einfach gefangen werden. Flechtwerke werden
'-
73
weit in die See hinein aufgestellt, am Ende derselben
ist das Netz angebracht. Die Fische einmal in den Rechen
dieser Flechtwerke angelangt suchen den Ausgang, indem
sie immer vorwärts schwimmen und deswegen dem Netze
zueilen. Dieses füllt sich gewöhnlich täglich zweimal.
Es ist nun gerade die Ernte hier. Gerste und Roggen
reifen zu gleicher Zeit. Jeder Bewohner bringt seine
Garben vor das Thor, wo sich ein großer freier Platz
zu diesem Behufe befindet, hier wählt er sich für seine
Garben eine besondere Stelle aus und häuft seine Gar-
ben nach und nach, wie er sie vom Felde bringt auf. Ist
dieses geschehen und die Garben fammt und sonders ein
gebracht, aufgehäuft; dann erscheint der Kaid der Stadt
und schätzt jeden Haufen, sprechend: dieser gibt 100 Maas
und dieser hier 500 c. Gegen diese Schätzung darf Niemand
Einsprache thun. Es ist der Zehent für den Lan-
desherrn. Auf der Stelle nun beginnt von allen
Bewohnern das Dreschen mit dem Dreschwagen der
Alten. Diese Wagen find für Gerste niedrig, mit vier
Walzen versehen und jede Walze mit 6–8 eisernen
Scheiben. Die Thiere werden angespannt und der Trei-
ber stellt sich auf den Wagen. Die Garben werden vor-
her ringsum gelegt und nun wird auf diese herumgefahr
ren, bis alles ganz klein und kurz gestoßen ist. Zum
Roggen bedient man sich nur eines dicken Brettes, etwa
74
4 Schuh lang und 2 breit. Im Brette selbst sind Stücke
von Eisen und Flintensteine eingetrieben. Der Ochs oder
Esel wird angespannt und der Treiber, auf dem Brette
stehend, beginnt nun seine Fahrt bis ebenfalls alles zer-
stoßen ist. Auf diese Weise wird in kurzer Zeit sehr viel
gedroschen. Um das Korn von der Spreu zu reinigen,
sind einige Leute mit großen Gabeln beschäftigt das Ge-
mich beständig aufzurühren, der Wind trägt alsdann
das Stroh weg und die Körner fallen zu Boden. Das
Getraide wird sodann in Säcke gefüllt, auf Kameele
geladen und in die Getraidekammer, die gewöhnlich un-
ter der Erde sich befindet, gebracht. Das ganz kurz ge-
stoßene Stroh wird ebenfalls sorgfältig gesammelt und
das nützliche Kameel bringt alles an den Ort der Bestim-
mung. Auf diese Weise ist in weniger als 10 Tagen
die ganze Ernte und Drechzeit abgethan. Mir wurden als
ich diese Beschäftigung fah folgende Stellen der heiligen
Schrift recht klar: Amos 1, 3. Mich. 4, 13. Hof. 10,
11. c. Als ich den Arbeitern sagte, wie man in Europa
das Getraide dresche, wunderten sie sich sehr und mein
ten: Die Europäer müßten wenig Getrade bauen; weil
sie eine so mühsame Art zum Ausdreschen hätten.
Juden sind zu Sfax an 200 Familien mit ohn-
gefähr 2000 Seelen. Sie bewohnen eine eigene Vor-
stadt, die durch eine Mauer mit einem Thore von der
75
übrigen Stadt getrennt ist. Ihre Beschäftigung ist
gleich den übrigen Juden an der nordafrikanischen Küste,
Gewerbe und Handel. Sie haben zwei große Synago-
gen, in welchen sie ihre Gebete verrichten, den Kindern
Unterricht ertheilen und den Talmud studieren. Ich habe
wenig reiche Juden hier gefunden. Die meisten erwerben
gerade soviel, als sie zum Leibesleben und zur Nothdurft
bedürfen. Da der Bürgerkrieg zu Tripolis über drei
Jahre wüthete, so haben sich über 80 jüdische Familien
von dort hieher geflüchtet. Die ganze jährliche Abgabe,
welche die jüdische Gemeinde an den Landesherrn zu zah-
len hat beträgt nicht mehr als 80 Piaster. Merkwürdig
ist es, daß sich die Juden der drei Staaten Tunis,
Tripolis und Algier durch ihre Kopfbedeckung vor-
züglich unterscheiden. Der Jude in Algier bindet ein
schwarzseidenes Tuch um die Stirn, der in Tunis hat
einen schwarzen Turban und der in Tripolis trägt einen
bunten Turban aus Seidenzeug. Die Frauen der Ju-
den aus Tripolis tragen an der Stirn ein Band, an
welchem Goldstücke hängen, dessen Menge und Größe
von dem Wohlstand des Mannes abhängt und oft trägt
auf diese Weise die Frau die ganze Habe des Mannes
an der Stirn.
Christen gab es noch vor zehn Jahren keine hier.
Die erste christliche Familie, die sich hier niederließ, war
76
die des französischen Konsular-Agenten, dieser folgte bald
darauf der fardinische Konsul und seit vier Jahren ist
auch ein englischer hier. Auch ließen sich um diese Zeit
einige christliche Kaufleute hier nieder. Als die Revolu-
tion in Tripolis ausbrach flüchteten sich ebenfalls mehrere
Familien hieher, die nun wohl hier bleiben werden. Mal
teser aber hat es eine Menge hier, die überall wie das
Unkraut um sich greifen und Schmach und Schande dem
- Christennamen bringen. Alle Christen aber müffen im
Judenquartier wohnen und nur aus besonderer Gunst ist
es dem englischen Agenten erlaubt in der Stadt wohl
nen zu dürfen. Die Europäer dahier sind alle in kurzer
Zeit reich geworden. Ich kenne deren, die vor vier Jahr
ren keinen Piaster besaßen und jetzt könnten sie in jeder
europäischen Stadt von ihren Kapitalien leben. Indes
fen nahmen die hiesigen Christen ein sehr lebhaftes In-
tereffe an meiner Mission und standen mir in jeder Hin-
ficht bei, obschon alle bis auf einen der catholischen Kirche
angehören. Bibeln nahmen sie sehr gerne an.
Die hiesigen Mahomedaner werden für sehr gelehrte
Leute gehalten und ich hatte mit vielen Unterredungen.
Sie empfingen auch von mir eine nicht unbedeutende An-
zahl Schriften in arabischer Sprache. Doch von ihrer
großen Gelehrsamkeit konnte ich wenig wahrnehmen. Einer
\-
77
von ihren Gelehrten der für sehr unterrichtet gehalten
wird, sagte mir als wir uns über Astronomie unterhiel-
ten: Es sind sieben Himmel, einer über den andern
erhaben. Jeder dieser Himmel hat seine eigene Sonne
und diese sieben Sonnen find, die, von den Christen
fälschlich gehaltenen, sieben Planeten. Ueber dem fie-
benten Himmel erhaben stehe der Stuhl Gottes und über
dem Stuhl das Bett. Das letztere wendete er ein, als
ich ihm sagte, es gäbe eilf Planeten.
Die Hitze wächst jetzt täglich und je weiter ich ge-
gen Morgen ziehe, desto stärker soll sie werden. Heute
haben wir 28 Grad Reaumur; doch trägt die Nähe des
Meeres etwas zur Milderung bei. Mehr als die Hitze
sind die Skorpionen zu fürchten, die hier eigentlich ihre
wahre Heimath haben. Gestern spielte ein Kind im
Sande in einem nahen Garten, wurde von einem Skor-
pion gestochen und starb wenig Stunden darnach. Im
Monat Juli und August find sie am gefährlichsten; doch
fallen sie den schlafenden Menschen nicht an, wenn er ganz
bewegungslos liegen bleibt, sobald er sich aber bewegt,
stechen sie. Das beste Mittel ist die Wunde sogleich mit
einem Rafirmeffer auszuschneiden, und diese einige Stun-
den lang mit Oel einzureiben. Die Schmerzen sollen in
diesem Falle nur 24 Stunden anhalten und die Gefahr
78
vorüber sein. Der Herr, der mich bis hieher behütet,
wird auch ferner eine Gnadenhand über mich halten.
Wir find in Afrika, wie in Europa in feiner Gna-
denhand!
X.
Gabis den 20. Juli 1835.
Von Sfax bis Gabis, einer Landschaft, welche 33
Dörfer in sich schließt, mögen zu Waffer an 100 Meilen
feyn. Da die Reise zu Lande dahin fehr gefährlich,
weil halb wilde Beduinen die Wege unsicher machen und
Schiffsgelegenheit sehr selten ist, so miethete ich mir ein
Boot, dessen Eigenthümer und Kapitän ein Malteser war.
Dieser mit feinen unter sich habenden drei Matrosen sollten
mich nach diesem Lande bringen. Sonntag Abends am
12ten erhob sich ein günstiger Wind, der Kapitän wollte die
fen benützen und mahnte deshalb zur Abreise. Ich stieg im
Namen dessen, der den Wellen gebietet in das schmale
Fahrzeug. Der Segel wurde gespannt und in wenig
Minuten lag Sfax hinter uns. Ich wurde sogleich,
wie gewöhnlich seekrank. Als die Nacht einbrach ergab
es sich, daß mein Kapitän diese Reise noch nie gemacht
hatte, des Weges ganz unkundig und deshalb auch die Anker
auswerfen mußte, um den Tag zu erwarten. Mir war
S0
dieses im höchsten Grade unangenehm, denn ich fah eine
langwierige Fahrt voraus und was noch schlimmer war,
ich hatte mich einem unsichern Führer anvertraut, der den
Weg nach Gabis, welcher sich längs der Küste hin zieht
und manche Klippen und Sandbänke hat, denen sorg-
fältig ausgewichen werden muß, noch niemals gemacht
hat. Ich konnte nichts thun als mich dem Willen des
Herrn ganz übergeben; da der Lügengeist nun einmal die
Menschen in dieser Gegend ganz besonders in Beschlag
genommen hat. Ehe ich Sfax verließ, that dieser Ka-
pitän, als kenne er jede Handbreit Landes an der ganz
zen Küste aufs genaueste; sonst würde ich mich ihm nicht
anvertraut haben. Mit der größten Geduld ergab ich
mich und wartete auf den anbrechenden Morgen. Als
dieser erschien gings wieder vorwärts. Allein kaum moch-
ten wir eine Stunde gefahren feyn, als ein Wind sich
erhob und etwas stark zu blasen begann; da behauptete
der furchtsame Kapitän sein Fahrzeug könne der Wellen-
gewalt nicht trotzen, lenkte deshalb wieder landeinwärts,
warf die Anker aus und rauchte ganz gemächlich feine
Pfeife. Erst gegen Abend wurden die Anker wieder ge-
lichtet und beim Einbrechen der Nacht wieder ausgewor-
fen. So geschahe es, daß wir erst am dritten Tage die
Ufer von Gabis erreichten. Viel litt ich auf dieser
kurzen Reise, sowohl durch die Seekrankheit als auch
_81_
durch die außerordentliche Sonnenhitze, die auf dem wind-
stillen Meere noch heftiger wirkt als auf dem festen
Lande. Allein ich wurde für meine Mühseligkeit auf
eine überraschende Weise durch den herrlichen Anblick der
Dattelwälder, welche die Ufer schmücken und die sich weit
landeinwärts erstrecken, belohnt. Wohl hatte ich schon
Palmbäume gesehen; aber so viele Waldungen derselben
und diese alle in der herrlichsten Blüthenpracht fah ich noch
nie. Die Frucht reift erst im Oktober. Gegen Mittag
liefen wir in dem Fluße des Landes. Gabis ein, der in
die See mündet. Er ist schmal und feicht, große Fahr-
zeuge können deshalb nie hieher kommen; selbst die klei
nen können nur zur Zeit der Fluth in denselben gelangen.
Die Einfahrt ist gefährlich; weil eine große Sandbank, wel-
che nur zur Zeit der Ebbe sichtbar wird, die See von
dem Fuße trennt. Manche Boote sind schon auf diese Bank
aufgefahren und gestrandet. Sobald die Fluth eintritt
ist die Brandung ungemein stark und es braucht viele
Erfahrung und kostet viele Mühe und Geschicklichkeit
hier ein- und auslaufen zu können.
Als wir geankert hatten stieg ich mit einem Ma-
trosen ans Land, der mich in den Hauptort des Lan-
des, nach Menfel, eine halbe Stunde vom Fuße ent-
fernt, geleitete. Der Weg führt sanft Berg auf und
bald fahen wir Menfel vor uns; ein andres Dorf
---
6
82
Namens Scharah blieb zur Linken. Der ganze Die
strikt Gabis ist gebirgig und Menfel wird als der
Hauptort und Mittelpunkt desselben angesehen; deswegen
suchte ich hieher Empfehlungsbriefe zu bekommen, Christen
wohnen hier keine und noch vor vier Jahren wäre es
sehr gewagt gewesen sich ohne starke Begleitung hieherzube-
geben; doch die Malteser haben auch diese Gegend auf
gefunden und kommen von Zeit zu Zeit hieher, um
Handel zu treiben. Gerade jetzt aber wohnt seit vier
Monaten ein wunderlicher Mann Signore F., ein Mal-
teser hier, an den ich empfohlen war. Die Sonne brannte
mit aller Macht und ehe ich den Ort meiner Bestim-
mung erreichte, war ich im Schweiße wie gebadet, kei
nen trockenen Faden am Leibe habend und ganz triefend
langte ich in Menfel an. Ich ließ mich sogleich zu
Herrn F. führen. Unter einer Halle vor dem Hause
fand ich ein kleines Männlein, ohngefähr 50 Jahre alt,
mit einem langen Schnurr- und Knebelbart, einer Brille
auf der Nase, halb europäisch halb türkisch gekleidet, im
Lesen beschäftigt und dieß war Herr F. Ich übergab
meine Briefe, welche sogleich durchgelesen und ich hier
auf bewillkommt wurde. Monsieur nous vivons ici
en Philosophe, fagte Herr F. zu mir, stimmen Sie
mit meiner Philosophie überein, so find Sie mir ein
willkommener Gast. Setzen Sie sich einstweilen hieher,
_83_
bis ich Befehle gegeben haben werde für Sie ein Zimmer
herzurichten, dann werde ich Sie bei meiner Familie eine
führen. Ich gehorchte. Skander! Skander! rief
jetzt Herr F. Ein Mulatenknabe erschien. Herr F. sagte
diesem etwas ins Ohr und entließ ihn. Jetzt nahete
sich mein Philosoph zu mir, wir setzten uns zusammen
und in kurzer Zeit hörte ich eine ganze Lebensgeschichte.
Geboren zu Malta, genoß Herr F. eine gute Erziehung,
wurde achtzehn Jahre alt. Gehülfskriegs - Sekretär.
Diese Stelle begleitete er 12 Jahre, wurde, ich erfuhr
nicht warum, entlaffen, reiste sodann durch ganz Eu-
ropa, kam nach Konstantinopel, ging nach Aleppo, Bagdad
und ließ sich endlich zu Alexandrien in Aegypten nieder.
Hier erwarb er sich innerhalb 12 Jahren durch gelungene
Handelsspekulationen ein schönes Kapital, ging damit
nach Tripolis, spekulierte unglücklich und verlor sein
Vermögen. Die Revolution brach aus und er wan-
derte mit noch mehreren Christen nach Sfax, wo
er das Unglück hatte ein Bein zu brechen. Nun war
er des herumtreibenden Lebens müde, sehnte sich nach
einen Winkel der Erde, wo er en Philosophe feine
übrigen Lebenstage zubringen könnte. Gabis wurde
ihm gerathen und dahin ging er. Um aber hier nicht
ganz müßig zu seyn, entschloß er sich Arzt zu wer
den und ist in seiner Praxis so glücklich, daß die Ara-
6 t
84
ber in Menge zu ihm kommen, um sich heilen zu laffen.
och soll ihm keiner feiner Patienten gestorben seyn.
Jetzt kam der Mulatenknabe und sagte: es fey Alles
in Ordnung. Herr F. erhob sich und bat mich ihn zu
begleiten. Die Hofhüre wurde geöffnet, wir gingen
durch. Herr F. zeigte mit dem Finger und wies mir
ein ganz dunkles Gemach ohne Fenster, ohne Thür,
nur vier Wände habend als mein Zimmer an. Ein
Philosophe Monsieur, en Philosophe comme vous
voyez, sagte Herr F. Gut, fehr gut. Herr F., fagte
ich. Und nun kommen Sie meine Familie zu besehen.
Herr F. hinkte voraus, ich folgte nach. Sehen Sie hier
diese Ziege? Das Geschenk eines Arabers, den ich von
der Schwindsucht heilte: sie gibt mir die Milch zum
Kaffe. Und dieses Schaaf hier? Das Geschenk einer
Frau aus Erkenntlichkeit, weil ich sie vom Tode rettete.
Was sagen Sie zu diesen beiden jungen Wildschweinen
hier? Man brachte sie aus den Bergen aus Dankbar
keit, weil ich eine große Probe der Heilkunst bewieß.
Diese vortrefflichen Hühner? Zahlung für geleistete
Dienste, eben so diese Tauben. Ah! Sie müffen noch
ein fchätzbares Glied der Familie sehen, meinen Raben.
Armes Thier! Es hatte daffelbe Unglück, wie ich, brach
das Bein. Ich habe es aber wieder ganz gut curirt,
leider, hinken wir aber jetzt alle beide, wie Sie sehen,
85
Dieses mein Herr, ist meine Familie, mit welcher ich in
beständigem Frieden lebe. Niemand aber macht mir so
viel zu schaffen als Skander, der mein eigenes Kind
von einer Negerin ist. Hier endete Herr F. seine Fa-
miliengeschichte und ich hatte Erlaubniß mich ein wenig
im Hause umzusehen. Ein wundersameres Gemisch von
der größten Dürftigkeit und von dem ehemaligen Reich-
thume hatte ich noch nie gesehen. Hier lagen die Ueber-
reste eines kostbaren persischen Teppichs neben einem
zerbrochenen Stuhl ohne Lehne. Dort hing an
der schmutzigen Wand ein Ding, das ehemals ein gro-
ßer Spiegel mit vergoldeten Rahmen war; jetzt gehörte
große Einbildungskraft dazu, um seine frühere Bestim-
mung zu errathen, Teller, Flaschen, Gläser c., Alles
lag bunt durcheinander, Ich ließ jetzt aus dem Schiffe
meine Effekten holen und richtete mich, so gut ich konn-
te, ein. -
Als der Scheik des Orts von von meiner An-
kunft hörte, fandte er sogleich eine Schüffel Kuskusu mit
dem Bemerken, daß er selbst die Ehre haben werde mit
uns zu speisen. Wirklich erschien er bald hernach und
wir setzten uns zu Tische. Da aber der Scheik nach
Landessitte mit den Fingern aß und in der ganzen
Schüffel herumwühlte, hatte ich bald fatt. Nach der
Mahlzeit ging ich aus, den Ort zu besehen. Die An-
-
86
zahl der Araber von Mensel mögen sich auf 5000
belaufen. Allein der Unrath, das Ungeziefer und der
Schmutz dieses Orts übersteigen alle Begriffe. Die Ein-
wohner dahier, so wie die Bewohner des ganzen Bezirks
von Gabis sind nicht mehr Mauren, sondern Araber,
bewohnen jedoch keine Zelte, sondern eine Art Häuser
oder vielmehr Höfe, welche die Chaufch nennen. Ein
solcher Hof ist ein, mit einer Mauer umgebener,
Platz, der mit einer Thüre geschloffen wird. Innerhalb
dieses Raumes befinden sich die Pferde, die Kameele, Kühe,
Ziegen, das Geflügel c. In einer Ecke dieses Hofes ist
das Bett angebracht, welches ein Dach von Palmblät-
tern und Vorhänge hat. In einer andern Ecke ist die
Küche. Auf einem andern Platze sind zwei oder drei
von Lehm und Steinen aufgeführte Kammern ohne Fen-
ster. Die Gabifer sind schöne Männer, schlanken
Wuchses, schwarzer Augen, kräftigen Ansehens und stol-
zer Haltung; insbesondere gute Reiter und geübte
Schützen, wie alle Gebirgsvölker, aber träg und arbeits-
scheu. Alle Geschäfte des Hauses und des Feldes, mit
Ausnahme des Ackerns, liegen den Frauen ob. Diese
gehen hier unverschleiert, haben viele Liebe für Ge-
schmeide, tragen deshalb Ohrenringe von ungeheuerer
Größe, Hals- und Stirnbänder, Arm - und Fußringe
aus Gold, Silber oder Kupfer gefertigt, Die Kleidung
-
",
87
der Armen wie der Reichen haben denselben Schnitt und
dieselbe Form. Ein weites baumwollenes Kleid, das
bis auf die Ferse reicht; an den Hüften eng anliegend,
sich hier in zwei Stücke theilend, von welcher das eine
die Brust, das andere den Rücken deckt, welches am
Halle mit einer silbernen Hafte geschloffen wird. Die
zwei Seiten des Körpers stehen daher beständig offen;
auch wird das Angesicht, besonders von dem Kinn bis
an die Lippen gemalt.
Die Menge großer gehauener Steine und Marmor-
säulen, die sich in der Nähe von Mensel vorfinden
find die sichersten Merkmahle einer nicht ferne von hier
gestandenen großen Stadt, Inschriften konnte ich nicht
finden. Die Entfernung dieser alten römischen Kolonie
mag von hier aus eine halbe Stunde betragen haben,
Ich fand noch drei Cisternen, von welcher sich eine in
sehr gutem Stand erhalten hat, Die Araber fabeln viel
von der Größe dieser ehemaligen Stadt. Nach ihren
Erzählungen waren daselbst 50 Marktplätze, jeder mit
500 Läden versehen. Jetzt steht in der Nähe dieser
Ruinen ein kleines Dörfchen Sidi Elbaba, welches
weder Juden noch Christen betreten dürfen, weil daselbst
ein großer Heiliger begraben liegt, der Mahomeds Leib-
barbier gewesen seyn soll. Der Boden der hiesigen Gee
gend mag fruchtbar feyn, allein die trägen Einwohner
-
/
88
pflanzen nicht viel, deshalb gibt es kaum etwas zu es
sen und der Europäer ist hier sehr übel daran, wenn
er sich nicht wie die Araber mit Brod und Oel begnü
gen will; die Palmenwälder dagegen sind wunderschön,
bei meinen Wanderungen in denselben war es mir oft
als träumte ich, oder als fey dieses eine Täuschung
Wie schön könnte es hier feyn, wie glücklich könnten
Menschen hier leben, wenn ein arbeitsames Volk, be-
kannt mit dem Evangelium, hier wohnete! Aber jetzt!
was nicht gleichsam von selbst wächst, das hat man nicht.
Der hiesige Araber liegt während des ganzen Tages in
Schatten und pflegt der Ruhe oder er schläft. Die
Mauren rauchen doch noch Taback und spielen im Brett,
oder sitzen in den Kaffehäusern, Barbierläden und schwär
zen, oder gehen ins Bad, um sich die Zeit zu vertrei-
ben. Von allen diesen weiß der Araber nichts. Nur
dann wird er aufgescheucht von einer Ruhe, wenn von
Krieg und Raub die Rede ist. Dann aber wird auch
sogleich das Pferd gesattelt, die Waffe ergriffen und im
Nu steht er zum Kampfe bereit: der Araber ist jetzt in
feinem wahren Elemente. An solchen Gelegenheiten fehlt
es aber auch nicht. Die verschiedenen Stämme der hie-
figen Gegenden führen unter sich fast immer Kriege,
und fehlt der Stämmekrieg, so zieht nicht selten Dorf
gegen "Dorf ins Feld. Gerade jetzt während meiner
so -
Anwesenheit fand ein solcher zwischen Mensel und
Scharah statt. Scharah ließ einen neuen Kanal anle-
gen, Menfel suchte dieses zu hindern. Sogleich wurde
zu den Waffen gegriffen. In einer Nacht machte Scharah
einen Angriff auf Mensel, es fetzte blutige Köpfe, die
Angreifer zogen sich zurück und seitdem ruht dieser Kampf,
wie lange, ist nicht vorauszusehen. -
- Es wohnen hier 150 jüdische Familien, die in
großer Armuth unter den Arabern leben und alle Arten
von Handwerken treiben. Hier sah ich den ersten Ju-
denschmied. Die Frauen der Juden kleiden sich wie die
der Araber, nur daß sie sich das Gesicht nicht bemalen. Ich
besuchte die zwei Rabbiner und hatte gesegnete Unterre-
dungen mit ihnen. Nur 60 Bibeln brachte ich mit hie-
her, und deswegen konnte die Menge, welche darnach
fragte nicht befriedigt werden. Von dem Christenthume
hatten diese armen Leute nie etwas gehört, mehrere nah-
men das Neue Testament mit Dank an. Auch mit den
Arabern sprach ich von der Wahrheit in Christo Jesu
und die wenigen arabischen Bibeln, welche ich mitbrachte
blieben auch hier,
XI.
Gabfs den 26. Juli 1835.
Die Luft ist hier sehr ungesund und das Waffer äußerst
schlecht. Da es hier keine eigentlichen Häuser hat, so
gibt es in denselben auch keine Cisternen. Der einzige
Brunnen ist eine halbe Meile von Menfel, dessen Waf
fer aber warm ist. Des Morgens und des Abends ge-
hen die Frauen und Jungfrauen sowohl der Juden als auch
der Araber in ihrem ganzen Schmucke an den Brunnen,
um Waffer zu holen. Die Reichen haben einen Esel,
der die Wafferkrüge trägt. Dieses Wasser muß aber
erst einige Stunden stehen bis es kalt wird, um ge-
trunken werden zu können, und auch dann ist es kaum
trinkbar für den, der nicht daran gewöhnt ist. Dafür
hat man aber einen reichen Ersatz an dem Safte des
Palmbaumes, der Leckme heißt, Am Gipfel des Bau-
mes wird ein Einschnitt gemacht, unter diesem ein Ge-
fäß befestigt, in welches der Saft fließt. Wird dieser
Saft des Morgens vor Sonnenaufgang und des Abends
nach Sonnenuntergang frisch vom Baume geholt, so er-
91
hält man einen köstlich labenden Trank, der überdieß
noch der Gesundheit sehr zuträglich ist. Sobald dieser
Saft aber nur einige Stunden stehen bleibt, so wird er
fauer und ich konnte ihn nicht mehr genießen; dagegen
tranken die Araber diesen Lekme lieber als den frischen,
weil er berauscht,
Zu Scharah, welches nur eine halbe Meile von
Menfel entfernt ist, wohnt der Chalife, oder Stadt-
halter des Landes. Gabis. Herr Doctor F. en Phi-
losophe, auf einem Esel reitend, begleitete mich dahin.
Auf der Hälfte des Weges befindet sich eine Art Fer
stung, mit einer türkischen Besatzung, welche deswegen
erbaut wurde, um die blutigen Kriege beider Dörfer
zu verhindern, der Zweck aber wird dadurch nur fel-
ten erreicht. Der Chalife, Sidi Amur empfing
mich wohlwollend und mit aller Freundlichkeit in einer
Gerichtshalle, versicherte mich eines Schutzes, und machte
mir ein Geschenk mit einer Melone und einigen Zwie
beln aus feinem Garten, welches ich mit Dank in Em-
pfang nahm. Da ich das Dorf besehen wollte, allein
herum zu wandern aber zu gewagt gewesen feyn würde,
so gab mir der Chalife einige seiner Leute mit zur
Begleitung. Dieses konnte aber nicht hindern, daß
mich ein Schwarm von Arabern verfolgte und begaffte,
um den Christen zu sehen. Es wohnen hier 40 jüdische
92
------- --
Familien, eben so arm wie die zu Menfel, " Auch hier
finden sich noch mehrere Marmorsäulen und viele große
Steine der alten Stadt. Nachdem ich den Ort besehen
hatte, nahm ich Abschied von dem Chalifen, der noch die
Güte hatte mich nach Menfel begleiten zu laffen, Herr
Doctor F. war gleich nach meiner Ankunft wieder mit
feinem Esel zurückgekehrt. Als ich in meine Wohnung
zurückgekehrt war, schickte der Scheik von Menfel,
der unterdessen meine gute Aufnahme bei dem Chalifen
gehört hatte, zu mir, und ließ mich ersuchen, in sein
Haus zu kommen, um mich mit einem Glas Leckme
bewirthen zu können. Ich verfügte mich zu ihm und
fand auch seine Frau gegenwärtig. Diese war pracht-
voll und mit Geschmack gekleidet, Obschon ihr Kleid
denselben Schnitt hatte, wie das der übrigen Frauen;
so war es doch von einem ganz andern kostbarern mit
Gold durchwirkten Stoffe, Das Hauptzierte ein schwarz
zer Turban und die Stirne ein Band, an wel-
chem vier Reihen Goldstücke nebst Perlen befestigt war
ren, und sie würde in Europa für eine Schönheit ge-
golten haben. Nachdem ich Lekme getrunken und wir
uns über allgemeine Gegenstände unterhalten hatten;
so glaubte der Scheik als ächter Araber berechtigt zu
feyn für diese mir erzeugte Gunst ein Geschenk zu ver-
langen. Zuerst gefiel ihm meine Uhr sehr wohl, dann
93
lobte er meine Pistolen und endlich zog mein Säbel
seine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Allein ich that
als verstünde ich dergleichen Lobeserhebungen nicht und
er mußte auch zufrieden feyn.
Die Tage brachte ich so ziemlich wohl in Menfel
zu; aber die Nächte waren schrecklich. Kaum hatte ich
mich in der ersten Nacht auf meine Matratze niederge-
legt, als ein Heer von Ungeziefer aller Art mich anfiel
und jämmerlich bewillkommte. Da ich es aber einmal
eingegangen hier en Philosophe zu leben, so wollte
ich nun auch meine Philosophie erproben, ich dachte zu-
erst: vielleicht kannst du dich an diese Infekten doch ge-
wöhnen, ich will fiel daher nur machen laffen. Ich war
aber mit meiner Philosophie bald zerfallen, denn ich
konnte es nicht lange aushalten. Ich suchte mir einen
Stuhl, stellte ihn vor die Thüre und setzte mich auf den
selben. In dieser Lage brachte ich drei volle Nächte
recht traurig zu und war daher froh, als die Stunde meiner
Abreise schlug. Ich dankte Herrn F. für feine Güte,
und begab mich auf ein Schifflein, welches einem Mal-
teser gehörte, und bereits schon vier Tage auf mich war
tete. Während der Nacht lagen wir im Fluße, um am
folgenden Tage die Ebbe zu erwarten. In der Nacht
aber nahm ich an dem Kapitän und an feinen Leuten
gewiffe Aeußerungen wahr, die mich zu dem Entschluffe
_94_
brachten, mich diesen schlechten Leuten nicht anzuvert
trauen. Zum Glücke lagen noch vier andere kleine ma-
homedanische Fahrzeuge im Fuße. Sobald es tagte ver-
ließ ich mein Schiff und kam mit dem Eigenthümer ei-
nes maurischen Schiffes überein, welcher versprach, mich
bis nach Gerba am Bord des Seinigen mitzunehmen.
Hierauf lies ich meine Effeckten ans Land setzen, zahlte
den Malteser uud verfügte mich wieder nach Menfel
in mein philosophisches Quartier; während mein Diener
beim Gepäcke bleiben mußte. Am Abend kehrte ich zu
meinem Diener zurück, ich ließ meine Sachen aufs
Schiff bringen, und wir selbst stiegen ein. Ich breitete
meinen Teppich auf dem Verdecke aus, legte mich nieder
und schlief im Namen des Herrn ein. Ich mochte ei:
nige Stunde geschlafen haben, als ich erwachte. Der
Sternenhimmel glänzte wunderschön, ich fand auf, MIN
die Herrlichkeit Gottes am Firmament zu schauen und
zu bewundern. Siehe da, als ich mich wieder nieder
legen wollte, war mein Teppich gestohlen. Ich war
überzeugt, daß die Schiffsmannschaft die Diebe nicht war
ren, sondern derselbe war einer der Strandwächter, der
in der Nähe unsers Ankerplatzes eine Hütte hatte.
Beim Nachforschen entdeckten wir auch die Fußstapfen
des Diebes, die wir bis zu einer Hütte verfolgten.
Da jetzt widriger Wind eintrat und wir den Fluß
95
nicht verlaffen konnten, so kehrte ich abermals mit Sack
und Pack zu meinem Philosophen zurück, um wo mög-
lich zu Lande nach Gerba zu reisen. Angekommen
zog ich den Scheik zu Rathe. Dieser versicherte aber
die Reise von hier zu Lande bis nach Gerba fey zu
gefährlich und 40 Mann Begleitung würden nicht hin-
reichen, um mich auf derselben schützen zu können.
Meine Verlegenheit war groß; denn ich wünschte nun
fehnlichst diesen für mich so traurigen und ungesunden
Ort zu verlaffen: allein ich mußte mich in Geduld fast
fen und noch länger bleiben. Der Anführer eines Ara-
berstammes langte gestern mit 15 feiner Leute von Tu-
nis kommend hier an und dieser erbot sich mich sicher
nach Gerba zu bringen. Ehe ich mich aber diesem Men-
fchen anvertraute, wollte ich noch die Meinung des Cha-
lifen zu Scharah in dieser Angelegenheit vernehmen.
Ich begab mich zu ihm und klagte meine Verlegenheit,
machte ihn auch mit der Entwendung meines Teppichs
bekannt. Was deine Reise betrifft, so sage ich dir, daß
du zu Lande nicht nach Gerba kommen kannst. Die
selben Araber, die sich erbieten dich sicher zu geleiten,
würden, wenn du dich ihnen anvertrautest, die ersten
feyn, dich umzubringen. Wiffe, daß diese Leute einen
Menschen um einer Zwiebel willen tödten, warte in Ge-
duld bis der Wind sich ändert, dann gehe in Gottes
96
Namen zu Waffer. Was nun aber deinen Teppich an
betrifft; so wollen wir die Sache gleich untersuchen,
Hierauf schickte er nach dem Hauptmann der Strand-
wächter, dann fagte er: nimm Platz an meiner Seite
und warte bis dieser kommt. Kaum hatte ich mich nie
dergesetzt, als mehrere Gerichtsverhandlungen angesagt
und vorgenommen wurden. -
Der Chalife fitzt auf einem erhabenen Thron in
einer großen Halle, der erste und letzte Sekretär ist ein
Jude, der an allen Streitfragen Antheil nimmt und mit
dem der Chalife sich bespricht. Zur Rechten und zur Lin-
ken in der Gerichtshalle sind längs den Wänden steinerne
Bänke angebracht, auf denen die Freunde nnd Bekann
ten des Chalifen fitzen und auch solche Einwohner des
Orts, die gerne den Verhandlungen zuzuhören wünschen.
Niemand darf bewaffnet in die Halle treten. Die Die
ner des Chalifen, ebenfalls ohne Waffen, gehen auf und
ab und verrichten die Befehle ihres Herrn. Der Klä-
ger tritt in die Halle, 3 oder 4 Schritte vor dem
Throne kniet er nieder und bringt in dieser Stellung
feine Sache vor. Die Einleitung zur Klage ist immer
folgende: Gott erhalte dich Chalife und fegne dein
Haupt und das Haupt deiner Kinder und lege zu dei-
nen dir bestimmten Jahren noch 30 bei und fey dir
gnädig. Hierauf erwidert der Chalife: Gott segne
97
dich, was ist dein Begehren? Mir wurde mein Kameel
von der Weide gestohlen, Wann? Gestern Abends
als ich es heimholen wollte, fand ich es nicht mehr.
War dein Thier ganz allein auf der Weide, oder noch
andere mit ihm? Ali ben Achmet und Mustapha
ben Achfan hatten ihre Kameele auf derselben Weide.
Und diese haben ihre gefunden? Ja, sie haben sie in
ihrem Hause. Chamude! Chamude! rief jetzt der
Chalife, gehe geschwind und bringe Ali ben Achmet
und Mustapha ben Achfan hieher, Dieses geschah
auch auf der Stelle. Es währte nur kurze Zeit und es
erschienen beide. Der Chalife erhob sich etwas und
sagte: Ihr habt Mafouts Kameel gestohlen, sogleich
gebt es heraus und geschiehts nicht binnen zwei Stun-
den; so laffe ich jedem von euch 500 auf die Fußsohle
geben. Bringt einstweilen diese Schelme ins Gefängniß.
Sie wurden auf der Stelle abgeführt. Kaum waren
die Angeklagten abgeführt, siehe, es kam jemand und
sagte: das Kameel fey gefunden und der Eigenthümer
könne es sogleich holen, es stehe im Hause des Ali ben
Achmet. Unmittelbar darauf wurde folgender Handel
vorgenommen. Zwei Kameltreiber hatten von einem
Kaufmanne in Menfel. Waaren erhalten, die sie nach
dem Elscherid bringen sollten. Die Fracht, 130 Pia-
fer, wurde ihnen gleich beim Aufpacken der Waare bei
7
98
zahlt, so sagte der Kaufmann. Die Kameeltreiber da-
gegen behaupteten nur die Hälfte des Geldes empfan-
gen zu haben. Zeugen waren nicht zugegen. Der Kauf
mann brachte dem Chalifen fein Buch, in welches er
diese Summe eingetragen hatte. Beide Theile machten
einen großen Lärmen und der Chalife benahm sich da-
bei mit einer Würde, die einem Lordkanzler von Eng-
land Ehre gemacht haben würde. Als beide Theile sich
ausgetobt hatten, fagte der Chalife zum jüngsten Ka-
meeltreiber; komm näher! Es geschah. Dann wendete
er sich zu dem ältern Kameltreiber und sagte: bei dei-
nem Haupte öffne deinen Mund nicht, bis ich dich frage.
Mein Sohn, zu dem jüngern sich wendend, du und die
fer hier haben die Waare nach dem Elfcherid ge-
bracht? Nam Sidi, ja mein Herr. Da du Men-
fel verließest, wie viel Geld hattest du in deiner Tasche?
Keinen Asper, auffer dem was mir der Kaufmann gab,
Du hattest also die Hälfte des Lohnes für dich? Ja
mein Herr. Als ihr zurückkamet theiltet ihr das noch
Uebriggebliebene, nachdem ihr die Reisekosten davon be-
zahlt hattet, wieviel bekamst du zum Antheil? 25 Pia-
ster, mein Herr. So, 25 Piaster, gut, recht schön. Nun,
wie lange warst du auf der Reise? 27 Tage, mein
Herr, Nicht wahr, die erste Nacht bliebst du in N.
Ja. Du hattest zwei Kameele und einen Esel, dafür
99
zahltest du dem Eigenthümer des Funtucks Stallgeld?
6 Karup. Und du selbst, wie viel hast du verzehrt?
Ich aß ein Brod, ein wenig Oel und Oliven für 4.Ka-
rup. Deine Thiere hatten aber auch Futter nöthig,
wo nahmst du das her? Ich kaufte für so viel Stroh
und für so viel Heu. Gut, das macht im Ganzen so
viel. Nun, von N. gingst du nach M., dort hast du
verzehrt? c. "Genug. Der Chalife erzählte nun die
ganze Reise hin und her, rechnete alle Karup zusam-
men und siehe da, die Summe von 130 Piastern kam
heraus. Es folgte sodann mit mathematischer Genauig-
keit, daß der Kaufmann recht, die Kameeltreiber unrecht
hatten. Diese wurden jetzt mit einem derben Verweiß
entlaffen. Unterdessen war der Hauptmann der Strand-
wache, ein alter gutmüthiger Neger, angekommen. Sa-
lim, fagte der Chalife, ich kenne dich, du bist treu
wie Gold und dir würde ich alle Schätze der Welt an
vertrauen, aber nicht alle sind wie du. Diesem Chri-
fen ist gestern in der Nacht ein Teppich von dem Schiffe
gestohlen worden. Die Christen sagen die Wahrheit,
die Muselmänner thun dieß nicht oft. Wäre er ein
Mahomedaner, er würde sagen: mir sind 500 Piaster
gestohlen worden und ich als Chalife des Landes
müßte sie ihm vergüten. Salim, du mußt nun sehen,
daß du diesen Teppich findet, wo nicht, so müßt ihr
7:
1 ()()
Wächter den Preis dafür zahlen. Allah segne dich,
Allah verlängere deine Tage, o Chalife! wo soll ich
den Teppich suchen? Beim Propheten, ich weiß nichts
davon! Wir sind nur Wächter des Strandes und an
der Zahl wenige, die Araber, wie du weißt, find große
Diebe; zudem war das Schiff schon eine ziemliche Strecke
des Fluffes hinabgesegelt und nicht mehr in unserer
Nähe, warum, o Chalife, sollen wir dafür verant-
wortlich feyn? Wie heißt ihr denn, die ihr da unten
an der Mündung des Fluffes euere Hütten aufgeschla-
- gen habt, wie nennt man euch? Wächter. Nun, so
wachet. Du hast dir selbst das Urtheil gesprochen. Ihr
feyd Wächter, als solche werdet ihr bezahlt; so wachet.
Es bleibt bei dem Gesagten. Suche den Teppich, ich
will nicht wissen, wer denselben einstweilen in Verwah-
rung genommen hat, bringe ihn nur. Jetzt empfahl ich
mich und sagte dem Chalifen: sollte der Teppich ge-
funden werden, so wäre es mir lieb, wenn aber nicht, so
wolle ich das Geld dieser armen Leute nicht annehmen,
Noch vier jammervolle Nächte mußte ich in Men-
fel zubringen, weil der Wind immer ungünstig
blieb. Da ich jetzt so ziemlich bekannt war; so brachte
ich die Tage unter Juden und Mahomedanern hin, de-
nen ich das Wort von der Erlösung verkündigte. Gerne
hätte ich die Bewohner im Innern der Gebirge besucht,
1(01
sowohl Mahomedaner als Juden, welche ihre Wohnun
gen nicht auf der Erde, sondern unter derselben haben,
Schon zu Malmatha, einer Tagesreise von hier, leben
diese Höhlenbewohner, Troglodyten, ich durfte es aber
nicht wagen unter fiel zu gehen.
102
XII.
Gerba (Dscherba) den 1. August 1835.
Endlich hatte sich der Wind gedreht und ich wanderte
abermals von Mensel dem verhängnisvollen Fluffe zu-
Der Wind war gut, aber uns mangelte die Fluth, um
ins Meer stechen zu können. Ich machte mich abermals
auf eine schlaflose Nacht gefaßt. Mit gespannten Pi-
stolen saßen die Matrosen die ganze Nacht hindurch zur
Wache, um die freifenden Araber abzuhalten. Alle Au-
genblicke tönte es: Man hu? Man hu? Wer da?
Langsam schlichen die nächtlichen Stunden vorüber, noch
langsamer kam mir die Fluth. Endlich zeigte die Uhr
die zwölfte Stunde des Tages und die sehnlichst erwar
tete Fluth kam. Wir ruderten nicht ohne große Mühe
in die See. Die Entfernung von Gabis nach Gerba
ist nur 50 Seemeilen, bei gutem Winde wird diese
Strecke in 3 oder 4 Stunden zurückgelegt. Schon
schmeichelte ich mir mit der frohen Hoffnung des Abends
in Gerba anzulangen. Doch ich sollte noch länger
103
geprüft werden. Wir hatten kaum 3 Meilen zurückge
legt, als ein sehr unwillkommner Gast, Gegenwind, uns
zurück ans Ufer trieb. Die Anker mußten ausgeworfen
werden und zwar in einer Gegend, wo wilde räuberische
Beduinen herumschwärmten, und die Schrecken der vori-
gen Nacht wiederholten sich. Um das traurige Gemälde
zu vollenden, stellte sich bei mir die Seekrankheit, und
Mangel an Lebensmitteln ein. Das Fleisch, welches ich
mit an Bord nahm war verdorben, das Brod war auf
gezehrt und ich und mein Diener hatten nichts als ein
wenig Thee. Am folgenden Morgen konnten wir die
Anker lichten und feeeinwärts stechen; aber kaum war
dieses geschehen als gänzliche Windstille eintrat. Die
Sonne versuchte jetzt ihre ganze Kraft an uns und
sehnlichst harrten wir alle auf ein wenig Wind, Ach,
nur ein wenig Wind, baten wir, welche Erquickung,
welche Hilfe! Die Nacht brach abermals herein und wir
waren heute noch nicht viel weiter gekommen. Die An-
ker wurden ausgeworfen und wer schlafen konnte, that
es, Am folgenden Morgen hatten wir wieder etwas
Gegenwind, wir kreuzten hin und her und kamen end-
lich doch in die Nähe der Insel Gerba. Nicht nur
ich und mein Diener hatten alles aufgezehrt; sondern
auch die ganze Schiffsmannschaft und noch drei Bedui-
nen welche an Bord waren litten Mangel. Doch diese
104
*-----------
Leute wissen sich zu helfen. Es wird Kuskusu bereitet.
Man nimmt einige Maas Gerste, richtet seine Hand-
mühle, welche aus zwei Steinen bestehet, zurecht, und
mahlt nun aus allen Kräften. Dann wird das Mehl
von der Spreu gereinigt, man nimmt ein wenig Waffer,
mischt dieses ins Mehl, thut einige Zwiebeln, etwas Oel
- und Pfeffer hinzu, stellt dieses Gemisch ans Feuer und
läßt es kochen. Ein solches Gericht ist der herrlichste
Leckerbissen für dieses Volk. Ich konnte diese Speise
aber nie recht schmackhaft finden.
Wir kamen endlich nach und nach der Insel Gerba
so nahe, daß wir mit einem kleinen Boote hätten im
Hafen auf der Ostseite einlaufen können. Die Stadt
aber liegt auf der Westseite noch 18 Meilen davon ent-
fernt. Wir erblickten auch ein Boot und freudenvoll
schrieen wir alle aus Leibeskräften, es solle sich uns
nähern; allein die Schiffsleute in demselben meinten wir
kämen von Tripolis, wo kürzlich eine türkische Armee
aus Konstantinopel anlangte, weßwegen jedes Schiff
von daher kommend Quarantäne machen muß. Das
Boot fegelte deswegen weiter, ohne sich um uns zu
kümmern, Die Beduinen waren entschlossen ans Land
zu gehen, auch ich wünschte daffelbe zu thun. Unser
Schiff ruderte so nahe ans Ufer als möglich, dann fie-
gen die Beduinen ins Waffer und wadeten ans Land,
105
Ich fagte jetzt zu meinem Diener, er solle auf dem
Schiffe bleiben, ich aber wolle ans Land gehen, von da
zur Stadt, und wenn ich einige Lebensmittel erhalten
könnte; so würde ich solche unverzüglich ans Schiff
schicken. Der Kapitän wollte mich begleiten und ein
alter ausgehungerter Matrose erbot sich, fo.fchwach er
auch war, mich ans Land zu tragen. Obgleich ich schon
seit 4 Tagen fast gar nichts geeffen hatte, so merkte ich
doch, daß dieser alte Mann, der auf dem Schiffe schon
nicht auf den Beinen fest stehen konnte, nicht im
Stande fey, mich ans Land tragen zu können. Doch
auf Zureden des Kapitäns gab ich es zu. Ich setzte
mich auf seine Schultern und wir fliegen ins Waffer.
Kaum hatten wir die Hälfte des Weges zurückgelegt,
als der alte Mann zu wanken anfing und gleich darauf
zusammenknickte. Wir fielen beide ins Waffer, da ich
aber das Ganze voraussah, so war ich gefaßt, machte
mich im Falle von ihm los, bekam bald Boden und
erreichte glücklich das Ufer, auch der alte Matrose folgte
nach.
Ich dankte dem Herrn für die Rettung und war
glücklich wieder festen Boden unter mir zu haben; nicht
der Gefahr, sondern vielmehr der abscheulichen Seekrank-
heit wegen, die mir immer vieles Leiden verursacht, weiß
ich doch, daß der Herr Meer und Land in seiner Gewalt
106
hat. Nachdem wir eine halbe Stunde gegangen waren
kamen wir zu einigen Häusern. Ich bat um einen Trunk
Waffer. Dieser wurde mir bereitwillig gereiche, welch
eine köstliche Labung war das! Gerne hätte ich auch
etwas geeffen, nichts war aber zu haben. Endlich wurden
zwei Eier aufgefunden, welch eine köstliche Speise! Ich
leerte sie roh, setzte mich sodann auf einen Esel, der mir
von dem Hauswirthe anvertraut wurde, und ritt 18
Meilen bis nach dem großen Markt oder der Stadt
Gerba. Matt, müde, erschöpft, von der Sonne verbrannt,
voll von Ungeziefer, aber dem Herrn fey Dank gesund,
erreichte ich den Funtuck, wo ich mir eine Tasse Kaffee
geben ließ, mich sodann niederlegte, um mich in etwas
nur zu erholen,
107
XIII.
Gerba den 4. August 1835.
Kaum hatte ich mich in der Halle des Funtuks
auf einen Stein niedergelegt, um von meiner Müdig-
keit auszuruhen, als der wohlwollende Thorhüter her-
beikam und mir frisches Waffer auf die Füße goß. Ich
kam nämlich ohne Strümpfe und Schuhe an. Jetzt
erst erkannte ich die große Wohlthat, einem ausruhen
den Wanderer die Füße zu waschen, wie wir es in der
heiligen Schrift oft lesen. Ich schlief ein und erwachte
erst nach geraumer Zeit. Sogleich schickte ich einige Le-
bensmittel für meinen Diener auf das Schiff, mit dem
Befehl, mit meinen Effekten, sobald er sich gelabt ha-
ben würde, zu mir zu kommen. Jetzt erschien auch der
Eigenthümer des Funtuks Sidi Mustapha, welcher -
Konsularagent aller christlichen Konsuln zu Tunis ist. An
ihn hatte ich Briefe, Er bewillkommte mich freundl h,
nahm mich auf sein Zimmer, und überreichte mir meh-
rere Briefe, welche für mich angekommen waren.
Es wurde spät, mein Diener mit meinen Effekten
108
war noch nicht angekommen, ich nahm daher die Einla-
dung Mustapha's, auf sein Landgut mit zu gehen,
an. Hier wurde das Abendessen auf europäische Art
für mich zubereitet, welches mir gar nicht unwillkommen
war; fodann nahm mich ein gutes Lager auf, und ich
schlief bis am hellen Morgen. Als ich wieder zurück
kam, wurde mir im Funtuck ein eigenes Zimmer, das
heißt ein Raum von vier Wänden eingeschloffen, einge-
räumt. Mein Diener war bereits mit meinen Effekten
angekommen, ich zog nun in mein Quartier und richtete
mich so gut es gehen konnte, ein. Ich war aber derge
falt entkräftet, daß ich an dem ersten Tage ganz un-
fähig war, irgend etwas zu unternehmen. Drei griechische
Schiffe lagen gerade im Hafen, einige Matrosen kamen
in den Funtuck und ich verheilte einige neue Testa-
mente in neugriechischer Sprache unter fie, mit welchen
fie freudig auf ihre Schiffe eilten und den erhaltenen
Schatz vorzeigten. Es dauerte nun nicht lange, und
die Mannschaft der Schiffe: Spezioten, Hydrioten
und von der Insel Syra, waren um mich versammelt,
alle wollten das Euangelion haben. Ich gab ihnen
alle Testamente, die ich in ihrer Sprache besaß. Bis
jetzt hatte ich zehn Kisten mit Bibeln an der Nordküste
Afrikas in Umlauf gesetzt.
Gerha (Dfcherba) ist eine Insel, 18 Meilen
109
*-----------
lang und eben so breit. Auf der Ost- und Westseite
befindet sich ein Hafen. Sie muß ehemals eine Halb-
insel gewesen seyn, denn die Ostseite ist kaum 1%, englische
Meile vom festen Lande entfernt. Wenn es je von
Menschen gesagt werden kann, daß sie ruhig unter ihr
ren Feigenbäumen und Weinstöcken wohnen: so ist es
hier der Fall. Die ganze Insel ist ein großer Park.
Mit Ausnahme zweier Judenstädte giebt es auf dieser
Insel weder Städte noch Dörfer, sondern immer nur
einzeln stehende Häuser, umgeben von den herrlichsten
Gärten. Jede Hand breit Landes ist hier cultiviert und
deßwegen findet man auf dieser herrlichen Insel alles
im Ueberfluße; Korn und Gerste Dattel- und Oliven-
bäume, den Weinstock und alle Arten von Obst und
Gartenfrüchten. In der Nähe der beiden Häfen befin-
den sich Marktplätze, wo in der Woche zweimal Markt
abgehaten wird, daselbst nur stehen einige Häuser bey-
fammen und mehrere Funtucks für Reisende. Der größere
Markt ist auf der Westseite, daselbst habe ich auch mein
Quatier aufgeschlagen. Da ich an der Ostseite landete
und von dort an bis an den Hafen auf der Westseite
ritt, so hatte ich gleich bey meiner Ankunft die Schön-
heit der Insel zu bewundern; indem ich die ganze Länge
dieser Insel passieren mußte. Die Gesammtzahl der Be-
völkerung mag sich auf 150000 Seelen belaufen. Et-
_110_
was Bestimmtes hierüber zu erfahren war mir nicht
möglich. Es sollen sich 400 Moscheen auf der Insel
befinden, und nach der Zahl dieser bestimme ich die
Seelenzahl. -
Die Bewohner dieser lieblichen Insel sind wie überall
auf der Nordküste von Afrika Mahomedaner. Diese their
len sich gewöhnlich in Hanafia und Malakia. Hier
traf ich nun noch eine dritte, sehr merkwürdige maho-
medanische Sekte, die Wechabia, Wechabiten, an.
Mehr als 4% der Insulaner bekennen sich zu ihrem
Glaubenssystem. Sie haben ihre eigene Sprache, ganz
verschieden von der arabischen, aber verwandt mit denen
welche im Innern von Afrika und in den Gebirgen des
Atlas gesprochen werden; sie haben ihre eigenen Mo-
fcheen und Lehrer, verheirathen sich nur unter sich und
betrachten die übrigen Mahomedaner als Ungläubige.
Zu den Grundsätzen dieser Sekte bekennen sich auch
viele Araber in den Gebirgen des Innern und es ist da
her wahrscheinlich, daß die Wechabiten auf Dfcherba
von diesen abstammen. Von den übrigen Mahomeda-
nern werden sie sehr gehaßt und wo diese die Mehrzahl
ausmachen, auch verfolgt,
Alle Mahomedaner ziehen, wenn sie beten nur die
Pantoffeln aus: die Wechabiten aber auch die Bein- -
kleider und beten Sanskülotte. Alle Mahomedaner he
111__
ben beim Gebete die Hände in die Höhe und rufen
zweimal: Allah hu Akbar! Die Wechabiten das
gegen laffen ihre Hände sinken und rufen viermal:
Allah hu Akbar! Sie verwerfen alle Ausleger des
Korans, halten sich nur an den Buchstaben in demsel-
ben und nennen sich Sunitten, Rechtgläubige.
Ich machte bald die Bekanntschaft eines wohl un-
terrichteten Wechabia und unterhielt mich oft und lange
mit ihm. Er theilte mir aus ihren religiösen Grund-
fätzen folgendes mit. Wir glauben dem Koran gemäß,
daß Gott von Ewigkeit vorausgesehen hat, welcher
Mensch gut und welcher böse werden wird, dem Guten
ist das Paradies, dem Bösen die Hölle bestimmt. Wer
in die Hölle kommt, der muß ewig in derselben bleiben.
Wir glauben, daß es nothwendig fey, um Gott zu ge-
fallen, ein stilles ehrbares und fittliches Leben zu führen
und treu zu seyn in jeder Sache. Wir stimmen mit
allen Muselmännern in den fünf Hauptlehren überein;
aber wir sind ferne mit ihnen zu glauben, daß derjenige,
welcher alles Böses während einer langen Reihe von
Jahren geübt hat; wenn derselbe nur nach dem Grabe
des Propheten pilgert, so feyen ihm alle Sünden ver-
geben. Was kann einem bösen Menschen diese Wall-
fahrt nützen? Das Herz bleibt doch wie es ist und wird
hernach nicht beffer. Wir glauben nicht mit den übri-
1 12
gen Mahomedanern, daß derjenige welcher noch vor sei-
nem Tode sagt: La illah, illa Allah, Mahomet
rafuhl Allah, komme in das Paradies. Nein, nur
derjenige kommt dahin, welcher gut war. Ein schlechter
Mensch mag dieses hundertmal sagen, so find die ewigen
Höllenstrafen doch ein Theil. Auch sind wir weit ent-
fernt zu glauben, wie die andern Mohamedaner, daß
der Mensch nur eine gewisse Zeit in der Hölle bleibe.
Rein, wer einmal in die Hölle verstoffen ist, muß ewig
in derselben bleiben. Die Wachabia halten es auch
für große Sünde Taback zu rauchen oder zu schnupfen.
Ein Seitenzweig der Wachabiten, deren es hier auch
mehrere giebt, Abaditen genannt, stimmen mit den er
fern in allen Dingen überein, haben aber noch einige
andere sonderbare Gebräuche zu ihrem System hinzu
gefügt. -
Die Bewohner von Dscherba sind nicht nur wohl
habend, sondern reich und führen ein wahrhaft orienta-
lisches, d. h. luxuriöses Leben. Auf dieser Insel werden
die schönsten Bernuß, Gürtel, Shwal und noch
eine andere Menge Wollenzeuge verfertigt und nach Ae
gypten, der ganzen Berberei, nach Maroko c. c. aus-
geführt. Allein in neuester Zeit haben diese Artikel viel
an Absatz dadurch verloren, weil der Großherr mit der
Bekleidung seiner Heere, diese tragen jetzt weder Bier-
113
nuß noch Gürtel mehr, eine Veränderung vorgenom-
men hat. Die hiesigen Fabrikanten wünschen ihm des
halb alles Böse: ja fie fagen öffentlich, der jetzige Sultan
sey ein Jude und kein Muselmann mehr. Indessen ist
die Ausfuhr obiger Artikel noch sehr bedeutend und bringt
viel Geld ins Land.
An jedem Montag und Donnerstag in der Woche
wird großer Markt abgehalten. Die Fabrikanten brin-
gen ihre Waaren auf den Platz, welche von den Frem
den aus den verschiedenen Gegenden des Landes aufge-
kauft und sogleich versendet werden. Wie in allen Fab-
rikorten die Menschen höflicher find als an solchen Ort
ten, wo es deren keine giebt, weil durch das Zusammen
treffen vieler Fremden und die dadurch herbeigezogene
Nahrungsquelle zu Höflichkeit zwingt; so ist es auch
hier. Nie fah ich zuvorkommendere Mahomedaner als
hier; nirgends find sie anständiger und bescheidener. Ich
hatte ein Empfehlungsschreiben an einen vornehmen Mau-
ren, der 9 Meilen vom Marktplatze auf seinem Landgute
wohnte. Als er meine Ankunft durch das Schreiben,
welches ich ihm zusandte, erfahren hatte, ließ er mich
sogleich durch einen feiner Söhne einladen zu ihm zu
kommen. Es wurde ein Tag bestimmt, an welchem er
mir ein Maulthier mit einem prächtigen Sitz geschmückt
schickte. Sidi Mustapha, mein Wirth und noch ei-
S
114. -
nige Vornehme der Umgegend wurden dazu geladen.
Es war ein sehr schöner Morgen als wir hinaus zu
Chasch Jones, so hieß der Maure, ritten. Ich wurde
in einer Halle des Vorhofes, welche mit schönen Pol-
fern und weichen Teppichen geziert war, empfangen.
Nachdem wir ein wenig geruht hatten, wurden Erfri-
fchungen herum gereicht. Zwei Söhne des Hauses ka-
men jetzt herbei, um mich zu begrüßen, blieben aber in
Gegenwart des Vaters in einiger Entfernung stehen; es
ist den Kindern nicht erlaubt in Gegenwart des Vaters sich
niederzusetzen. Bald darauf entfernten sich alle Anwesenden,
damit ich mich mit dem achtzig Jahre alten Chach Jones
frei unterreden konnte. Eine Höflichkeit, die ich sehr
wohl verstand. Von diesem erfuhr ich nun, daß er an vielen
Höfen Europas gewesen sei, auch einmal als Abgesandter
zu Konstantinopel. Er sprach die Linqua franca
und unterhielt sich mit mir auf eine freundschaftliche
und würdevolle Art, welche jedem europäischen Staats-
manne Ehre gemacht haben würde. Er besaß ehemals
ein ungeheures Vermögen, 50 Millionen Piaster, aber
die Regierung wußte sich einen Theil desselben zuzueig
nen; dennoch ist er der reichste auf der Insel. Als
wir uns eine halbe Stunde unterhalten hatten, zog
sich der Greis zurück, um seinen Söhnen das Vergnü-
gen zu gewähren, sich mit einem Christen unterhal-
115
ten zu können. Nach kurzer Zeit verließen wir die
Halle und traten in ein prachtvolles, auf orientalische
Weise ausgeschmücktes Zimmer, welches gleichsam in
Wohlgerüchen schwamm, hier setzte man sich auf kost-
bare Sophas; während 3 Neger am Eingange auf die
Befehle ihrer Herren lauschten. Kaffee in türkischen Taf
fen, deren Obertheil kostbares Porzellan, der Untertheil
mafives Gold war, wurde herumgereicht, wozu parfü-
mirter Taback geschmaucht wurde. Die Gesellschaft be-
stand außer mir aus sechs Mauren, und die Unterhal-
tung wurde lebhaft geführt, Man sprach vom Krieg
und Frieden, von der vorigen und jetzigen Regierung,
und die Söhne des Hauses äußerten sich dabei sehr frei
über den Mißbrauch und die Tyranney des Hofes,
worüber ich nicht wenig erstaunte. Die Ausdrücke war
ren so stark, daß selbst ein anwesender Maure darauf
aufmerksam machte. Da stan: plötzlich einer der Söhne
auf und sprach: ich frage nichts nach der Regierung von
Tunis, ich bin Engländer. Er verließ hierauf einige
Minuten lang das Zimmer, kam wieder, öffnete eine
silberne Kapsel, aus welcher er seinen englischen Schutz
brief hervorzog. Die christlichen Mächte haben mit dem
Bey von Tunis einen Vertrag geschloffen, wornach alle
Personen, die zu ihrem Konsulate gehören nicht mehr
des Bey, sondern des christlichen Königs Unterthanen
8*
_ 116
feyen. Zu diesen Personen werden nun nicht nur die
Angestellten im Konsulate sondern alle christlichen Kauf
leute, deren Diener und Mäckler gerechnet. Zuerst mach-
ten von diesem Vertrag die Juden Gebrauch: sie fuch-
ten die Mäkler der Kaufleute zu werden, der eigentliche
Mäckler nahm sich einen Untermäckler und dieser einen
Knecht c.; so ist es gekommen, daß jetzt viele Juden in
den Hauptplätzen an der Nordküste von Afrika unter
englischem, französischem, holländischem Schutze stehen,
Diese Leute können sich viel freier bewegen und sind den
Bedrückungen der Regierung nicht ausgesetzt. Nun haben
auch die Mahomedaner diesen Weg gefunden, und die
reichsten und angesehensten derselben schämen sich. nicht
irgend eines Konsuls Diener zu werden, um dadurch
der Raubgier des Bey zu entgehen. Jetzt wurde das
Mittagsmahl aufgetragen. Sidi Mustapha und ich
aßen auf europäische Art, die übrige Tischgesellschaft wie
gewöhnlich mit den Fingern. Während des Essens wird
nicht gesprochen, die Speisen werden schnell verschluckt,
bald abgetragen und gleich darauf durch andere ersetzt.
Ich zählte bei diesem Mahle 24 Gerichte. Trinkt je
mand, so sagt die übrige Tischgesellschaft: Sacha, wohl
bekomme es. Die Antwort ist: Jas el meck, Gott gebe
dir Frieden. Hat jemand satt oder will nicht mehr
effen, steht er sogleich, ohne ein Wort zu sagen, auf
117
winkt einem Sclaven, der ihm das Wafferbecken bringt,
und ihm Waffer auf die Hände gießt. Nach Tische
wurde abermals Kaffee herumgetragen und dann nach
Landesfitte jedem eine Stelle angewiesen, wo er Siesta
halten kann. Auch ich erhielt mein Plätzchen. Während
der ganzen Zeit meines Hierseyns schien es, als ob kein
weibliches Wesen im Hause wäre; allein das weibliche
Personal hatte sich nur in den Harem zurückgezogen,
und war wahrscheinlich von allem unterrichtet, was im
Hause vorgegangen war. Einen Christen zu bewirthen,
der wie ein Kadi den Koran nicht nur lesen, sondern
darüber auch feine Erklärungen abgeben kann, und die
fes. Alles in der heiligen Sprache der Moslemim, ei-
nen solchen Mann wieder ungesehen abziehen zu laffen;
das hieße die Evas Naturen zu sehr auf die Probe
zu stellen. Kaum hatte ich mich daher in einer
Ecke der Halle niedergelegt um ein Schläfchen zu ma-
chen, als gegenüber sich leise die Thür öffnete. Ich hörte
ein Geflüster, und bald darauf zeigten sich eine, dann zwei,
dann drei und zuletzt fünf Damen, welche mich von ferne
betrachteten. Er schläft! Neiner schläft nicht! Er ist groß!
Nein, er ist klein! Er ist jung! Nein, nein, er ist alt. Die
Damen traten dann näher und immer näher bis sie mir ganz
nahe kamen. Auf einmal lachten sie alle laut auf und liefen
der Thüre zu, welche sie schnell hinter sich verschloffen.
118
Jetzt sammelte sich die Gesellschaft, der alte Chasch
Jones kam auch herbei. Ein erfrischender Trunk wurde
herum gereicht; dann Kaffee in ganz andern aber wieder
sehr kostbaren Taffen. Ein Spazierritt in der Kühle
wurde vorgeschlagen und beliebt. Wir besuchten einige
Gärten und wurden mit Früchten aller Art erquickt,
Ein köstliches Nachteffen, ein Zeichen des Reichthums
und der Freigebigkeit des Wirthes, wurde aufgetragen;
hierauf unterhielten wir uns bis spät in die Nacht. Je
der begab sich nun zur Ruhe, und mich nahm ein koste
bares Lager auf. Am andern Morgen ritt ich mit mei
nem Wirthe Sidi Mustapha nach meinem Quartier
zurück.
119
XIV.
Gerba den 8. August 1835.
Gerba war früher eine wahre Goldgrube für die Gou-
verneure dieser Insel, denn diese zahlten der Regierung
jährlich nur eine gewisse, nicht zu hohe Summe, dage-
gegen hatten sie das Recht die Bewohner nach Gefallen
zu plündern. Seit undenklichen Zeiten war diese Stelle
bei der Familie Bernaiath in Tunis. Da aber der
jetzige Sachab Etta ba vom Sklaven zum ersten Mit
nister sich emporgeschwungen hatte, lag ihm nichts so sehr
am Herzen als die leere Schatzkammer feines Gebieters
anzufüllen. Und um diese Absicht zu erreichen, besuchte
er persönlich die verschiedenen Provinzen des Reichs.
Auch nach Gerba kam er. Der Gouverneur darauf
vorbereitet, empfing ihn in seinem Hause, das mehr als
königlich geschmückt war. " Diese Herrlichkeit und diese
Schätze sah der scharfsichtige Minister mit gierigen Aus
gen an, und kehrte nach Tunis zurück. Bald darauf
forderte er den Gouverneur vor sich und sagte ihm: Du
hast es recht wohl verstanden das Eigenthum deines Ge-
120
bieters in deine Schränke zu bekommen, du hast dir
Häuser gebaut und hat sie kostbar ausgeschmückt, wäh-
wrend unser Herr in der größten Noth war; du hast es
verdient gehenkt und deine Güter eingezogen zu werden,
doch aus Freundschaft für dich, will ich dir das Leben
schenken; allein du zahlst auf der Stelle zwei Millionen
Piaster in die Schatzkammer und wage es nie wieder
nach Gerba zu gehen. Das Erstere geschah ohne alle
Widerrede, das Letztere aber war zu demüthigend für
die ganze Familie der Bernaiath. Es wurden des
wegen mit dem erzürnten Sachab Ettaba Unterhand
lungen angeknüpft und solche fortgeführt bis sich der erste
Minister erweichen ließ. Der in Ungnade gefallene Gou-
verneur wurde wieder zu Gnaden angenommen und als
Kaid von Gerba neu bestätigt. Aber unter ganz
andern Bedingungen als früher. Zehen der vornehmsten
Gerbaner find als Räthe dem Gouverneur beigegeben
und verordnet, daß er ohne diese Männer weder
Steuer noch Abgaben erheben darf. Zugleich bestimmte
der erste Minister die jährliche Abgabe auf 130.000
Piaster. Diese Summe zieht der Rath der zehn Män
ner nach billiger Schätzung der Bewohner ein und fen-
det das Geld an den Bey und von diesem empfängt
jetzt der Kaid seine Besoldung. Jetzt braucht der Ger-
baner nicht mehr Armuth zu heucheln, sondern jeder kann
121
sich mit seinem Vermögen frei bewegen und feinen Reich-
thum öffentlich zur Schau stellen, was denn auch häufig
geschieht.
Im Umgange mit den Gerbanern bemerkt man ein
äußerst feines Benehmen, ihre Manieren sind gefällig und
wohlwollend, gegen den Christen herrscht keine Verachtung,
daß man beinahe vergäße man spreche mit den Erzfein-
den des Evangeliums; wäre nicht ein schaudererregendes
Denkmal des Christenhaffes an einer Stelle des Ufers
aufgeführt: eine Pyramide aus Christenschädeln und Chris
fenknochen. In letztem Kampfe der Spanier mit den
Mauren auf dieser Insel, hatten sich 800 wackere Käm-
pfer in eine Festung geworfen, die nahe am Ufer Er's
baut war und wehrten sich tapfer. Mehreremale ver-
suchten es die Mauren die Festung zu erstürmen, wur-
den aber immer mit großem Verluste zurück geschlagen.
Drei ihrer Anführer fielen im Kampfe und noch war
kein Spanier verletzt. Da stellte sich aber der gewöhn-
liche Schrecken der Belagerten ein, Mangel an Lebens-
mitteln. Vergebens harrte das kleine Christenhäuflein
von Tag zu Tag auf Hilfe und Ersatz; aber dieser wollte
nicht erscheinen. Durch Hunger gezwungen, kapitulierte
die Besatzung und freier Abzug wurde zugesichert. Allein
kaum waren die Mauren im Besitze der Festung, als sie
über diese 800 wehrlose Spanier herfielen, sie fammt
1929
und sonders niedermetzelten und mit ihren Schädeln und
Knochen ein Denkmal, würdig dieser Barbaren, an der
See aufführten. Dieses steht nun seit dieser Zeit und
wird dann und wann übertüncht. In der Nähe dieser
Pyramide liegen die Mauren, die im Kampf mit die
fen Braven gefallen find, begraben. Den Gräbern nach
zu urtheilen war die Zahl der vor der Festung gefalle
nen Mauren nicht wenig. Ueber die Gräber der drei
gefallenen Anführer ist eine Kapelle errichtet. Als ich
dieses unmenschliche Denkmahl der Verrätherei erblickt,
wurde mir ganz sonderbar zu Muthe. Es schien als
ob die grauen Knochen sich bewegten und die Arme
nach mir ausstreckten, als ob die hohlen Schädel mir
winkten und jeder Mund sagen wollte: Gehe hinüber
Wandrer, gehe hinüber in die Christenheit und sage,
daß wir schon Jahrhunderte diese Schmach tragen und
unsere Gebeine keine Ruhestätte gefunden haben. Viel
leicht trift der Schall deiner Stimme das Ohr from
mer Fürsten, und unsere Gebeine werden dann hinüber
geschifft ins Vaterland.
Auffer den Mahomedanern wohnen auch noch auf
dieser Insel an 600 jüdische Familien, welche zwei Städte
besitzen: Hara kabira, eine Meile von dem großen
Marktplatz und Hara Sraira, fünf Meilen davon
entfernt. Sie haben ihr von der Regierung bestätigtes
123
eigenes Oberhaupt, Nagid genannt. Dieses und einige
Rabbiner machen ihre höchste Behörde aus. Eine Meile
von der letztern Stadt entfernt steht auf einem einfa
men Platze eine Synagoge, Chraba genannt, welche
die älteste auf der ganzen Nordküste von Afrika feyn
soll. Ueber das eigentliche Alter dieser Synagoge stim-
men die Nachrichten der Juden nicht überein. Einige
behaupten sie fey nach der Zerstörung des ersten Tem-
pels erbaut worden; andere dagegen wollen wissen, fie
fey von Juden, welche aus Aegypten hier einwanderten
errichtet worden. Soviel ist gewiß, daß die Aufschrift
eines in der Nähe der Chraba aufgefundenen Grab-
feines zeigt, daß das Grab vor 1300 Jahren gemacht
worden sey. Das Alter dieses Bethauses geht auch aus
dem Umstande hervor, daß es nach dem Muster des
Tempels zu Jerusalem gebaut ist. Es hat einen Vor-
hof, ein Heiliges und ein Allerheiligstes. In
dieser Synagoge versammeln sich die Juden an jedem
Montag, Donnerstag und Sabbath um die Thora zu
lesen. Auch pilgern aus verschiedenen Gegenden Afrikas
die Nachkommen. Israels hieher, um in diesem alten
Heiligthume zu beten und verlaffen es nicht ohne Spende
zur Erhaltung. Selbst die Mahomedaner betrachten
diese Synagoge als ein ehrwürdiges Denkmal des Al-
terthums und obgleich dieses Gebäude ganz einzeln und
124
*---
fern von menschlichen Wohnungen steht, so würde es
nie einem Muselmann in den Sinn kommen Frevel an
demselben zu begehen. Aermere Juden und in so großer
Anzahl fah ich nie als zu Gerba. Wenn man diese
Nachkommen Jakobs hier beobachtet, so glaubt man
sich um 4000 Jahre in der Zeit zurück versetzt und
sieht sich gleichsam in Aegypten lebend, wie die Ju-
den als Sklaven dem Könige sein Pithon und
Raemfes bauen. Sie find die Steinbrecher, die
Maurer, die Taglöhner, die Blechschmiede c. der Insel.
Sie verrichten die gemeinten und allerschwersten Arbei-
ten und obschon der Handel mit inländischen Produkten
einen nicht unbedeutenden Gewinn abwirft, so fällt es
nie einem gerbaner Juden ein, Antheil daran zu nehmen,
dieser ist ganz allein in den Händen der Mauren. Die
meisten Juden besitzen hier als Kleidung nur ein langes
grobes Hemd, wenige ziehen über dieses noch ein wolle
nes und die allerwenigsten vermögen sich zu kleiden wie
die Juden in andern Orten der Berberei. Gerstenmehl
in welches ein wenig Salz und Waffer gerührt wird,
ist die einzige Nahrung vieler. Ihr geringer Verdienst
ist ganz der Nahrung angemeffen. Als ich vor einigen
Tagen an einem Steinbruche vorüberging, in welchem
Juden arbeiteten, machten sie gerade Feierabend. Ich
fragte: wie viel verdient durch diese Arbeit ein Mann
125
des Tages über? - Vier Karup, war die Antwort,
Vier Karup sind nur 6 Kreuzer. . . . . . . ."
Christen gab es hier noch vor zwei Jahren keinen
einzigen. Die Revolution in Tripolis hat aber eine
kleine Anzahl maltesischer Familien hieher getrieben, welche
bis jetzt noch in den Funtuken leben. In dem meini
gen nahmen 12 dieser Familien mit ihren Weibern und
Kindern, mit ihren Schweinen und Hühnern, Quartier und
diese machen den ganzen Tag über einen so heftigen Lärm
und verbreiten in dem Funtuke einen solchen abscheuli-
chen Geruch und Unrath, daß ich in den ersten Stun-
den nicht im Stande war etwas zu denken. Schon
ging ich mit dem Gedanken um meine Wohnung zu
ändern, doch passus graviora! dabit Deus his quo-
que finem, dachte ich und blieb. Außer den Maltesern
wohnen zur Zeit noch keine andern Europäer auf die
fer Insel. -
Schon vor meiner Ankunft wurde es von Sfax
aus bekannt, daß ein Christ komme, der mit Juden und
Mahomedanern über Gegenstände der Religion sprechen
würde. Als ich daher bald nach meiner Ankunft in
Begleitung Sidi Mustaphas dem Gouverneur der
Insel meine Aufwartung machte, so fragte dieser meinen
Wirth, ob ich der Christ sei, welcher gekommen wäre,
um über religiöse Gegenstände mit Juden und Mos-
_126
lemim zu sprechen? Als hierauf mit Ja geantwortet
wurde, so sagte er: Was die Juden betrifft, so will ich
die ersten Rabbiner hier zusammen kommen laffen und
du sollst mit ihnen reden, und wenn das Recht auf dei-
ner Seite ist, so will ich sie zwingen Christen zu wer-
den. Ich erwiderte hierauf: Es fey durchaus unsern
Grundsätzen zuwider die Religion Christi mit dem
Schwerte auszubreiten, sondern die Wahrheit unseres
Glaubens müffe durch eigene Ueberzeugung hervorgeru-
fen werden, es wäre deshalb mein Wunsch auch hier,
wie schon anderwärts geschehen ist, mit den Leuten in
ihren Häusern und Läden über diese wichtigen Gegen-
fände sprechen zu dürfen. Wenn du es besser versteht,
sagte der Gouverneur, so gehe hin und thue es; es wird
dir aber schwer werden auf diese Art die Menschen zu
überzeugen. Das überlaffe ich Gott, der Alles lenket,
war meine Antwort. Und nun ging ich hin und ver-
kündigte das Evangelium Juden und Mahomedanern:
der Herr wolle segnen, was gesprochen wurde.
- Die Luft in Gerba ist so rein und das Waffer fo
vortrefflich, daß ich während meiner Reise mich nie so
gesund fühlte als hier. Und ob wir jetzt gleich im Au-
gut find, welcher Monat der Europäer größte Feind
in Afrika ist, so ist die Hitze auf dieser Insel doch
nicht so stark als an manchen andern Orten der Küste.
1927
Allein etwas ist doch an jedem Orte Afrika's, was die
Menschen in Schrecken versetzt und beständig in Furcht
erhält. Hier find es abermals wieder die abscheulichen
Skorpionen. Auf der ganzen Küste giebt es deren nicht
so viele und nirgends sind sie so gefährlich. Will ein
Maure dem andern etwas Böses wünschen, so sagt er:
Daß dich ein Skorpion von Gerba föche! Es hat deren
hier mehrere Arten: gelbe, grüne, weisliche und schwarze.
Ich habe eine Anzahl dieses häßlichen und gefährlichen
Geziefers lebendig gefangen, und bewahre sie nun in
Weingeist auf. Die schwarzen Skorpionen find die ge-
fährlichsten. Sie kommen in der Regel in den Mona-
ten Juli und August zum Vorschein. Doch des Tages
über kann man vor ihnen so ziemlich ruhig feyn. Ge-
fährlich find sie aber zur nächtlichen Zeit, da verlaffen
fie ihre heimlichen Schlupfwinkel und machen ihre Aus-
gänge. Es brennt daher vor jeglicher menschlicher La-
gerstätte die ganze Nacht hindurch ein Licht. Wird je-
mand von ihnen gestochen, so ist das beste und einzige
Mittel die Wunde mit dem Rafirmeffer sogleich wie schon
oben gesagt wurde, auszuschneiden, und oberhalb der
Wunde einen festen Verband anzulegen, um das Einsaugen
des Blutes der Wunde zu verhüten, die Wunde selbst
ausbluten zu laffen, und mit Oel zu bestreichen. So
bald jemand gestochen ist, so stellt sich Fieber ein, der
128
-
Verwundete wird blau, auch schwarz über den ganzen
Körper, bekommt Erbrechen, es wird enge auf der Brust,
Hände und Füße werden kalt, Convulsionen treten ein,
und innerhalb 24 Stunden erfolgt der Tod. Wird
aber obiges Mittel angewendet, welches aber nur dann
geschehen kann, wenn der Stich an einem solchen Theil
des Körpers angebracht wurde, an welchem Einschnitte
gemacht werden können, so erfolgt oft nach 24 Stun-
den die Genesung. Ich lege daher in jeder Nacht ein
Rafirmeffer und Band zurecht. Der Herr aber hat
mich bis jetzt behütet und bewahret, ihm fey Lob, Dank
und Preis dafür gesagt,
XV.
Tripolis, den 3. September 1835.
Es war am 10. August des Nachmittags, als ich
die liebliche Insel Gerba verließ, und mich einem kleinen
Schifflein anvertraute, welches mich, unter dem Beis
stande des Herrn, nach Tripolis bringen sollte. Ob
gleich das Fahrzeug sehr klein ist, so hat der Kapitän,
ein Malteser, doch über 50 Paffagiere eingenommen: -
Mahomedaner, Juden und Christen, lauter früher aus
Tripolis Geflüchtete, die aber jetzt nach hergestellter Ruhe
wieder ihrem ehemaligen Aufenthaltsorte zueilen. Ich er
hielt gerade so viel Raum, um mich niederlegen zu können. -
Wir wollten noch am nämlichen Tage in die See fe-
chen; allein unser Schiff fuhr auf den Grund und wir
mußten auf die Fluth, welche sich erst Morgen in der
Frühe einstellt, warten. Als diese angekommen war, fe-
gelten wir vorwärts; allein bald darauf hatten wir Ge-
genwind und mußten kreuzen. Dieses verursacht eine
beständige und heftige Bewegung des Schiffes und ich
wurde bald wieder sehr seekrank. Am Abend mußten
- Q
-
130
wir in der Nähe von Ras Elmachbes die Anker
werfen, wo räuberische Beduinen hausen. Am folgen-
den Tage hatten wir noch heftigeren Gegenwind und
mußten deshalb den ganzen Tag über an Ort und
Stelle bleiben. Der Kapitän befahl jetzt Ballast einzu-
nehmen, dadurch das heftige Auf- und Niederfahren
des Schiffes zu verhindern. Die Bote wurden in's
Meer gelaffen, und die Matrosen gut bewaffnet fuhren
ans Land, um ihn einzunehmen. Ein Matrose feigt
unterdessen auf den Mast Wache zu halten, ob etwa
Beduinen sich dem Ufer nahen möchten. Es wurde zu
gleich verabredet, sobald man deren wahrnehmen sollte,
fo wolle man die Flagge aufziehen und in diesem Falle
sollten die Boote eiligst zurückkehren. Doch konnte,
was selten der Fall feyn soll, diese Unternehmung uns
gestört vollbracht werden. Da in der Regel die Ueber-
fahrt von Gerba nach Tripolis innerhalb zweyer
Tagen geschieht, so hatte mein Diener aus Trägheit oder
auch aus Unachtsamkeit nur für zwei Tage Lebensmittel
eingekauft und wir hatten jetzt Mangel. Auch der Vor-
rath der übrigen Passagiere ging zur Neige, und das
Waffer fing an selten zu werden. Das Unglück wollte,
daß der Gegenwind noch immer heftig blies und die
Unzufriedenheit auf dem Schiffe nahm sehr zu. Ich
wurde nun sehr krank und matt; wünschte etwas zu
- ,
131
effen; aber ich erhielt nichts. Der Wafferstreit wurde
immer heftiger, und da ich dem Kapitän deswegen. Vor
würfe machen wollte, sagte er mir, es fey ihm schon
begegnet, daß er 21 Tage lang an diesem Orte, des
widrigen Windes wegen, habe vor Anker liegen müffen,
Unsere Leiden zu vermehren trat jetzt eine gänzliche
Windstille ein. Bereits waren wir fünf Tage zu See, -
als sich endlich unser Loos zu beffern anfing. Am 15.
August des Nachmittags erhielten wir einen zwar schwa-
chen aber günstigen Wind, die Anker wurden sogleich
gelichtet und wir segelten vorwärts. Aber nun wurde
auch der Lärm um Waffer auf dem Schiffe sehr heftig und
schien einen bösen Charakter annehmen zu wollen. Ich
stellte deshalb dem Kapitän die ganze Lage vor und er
sagte, wir hätten ja jetzt günstigen Wind und könnten
nicht mehr sehr ferne von Tripolis ein. Er ließ sich
bewegen, und Waffer wurde ausgeheilt. Endlich hatten
wir die Freude am 16. August gegen Mittag die Küste
von Tripolis zu erblicken und am Abend wurden die
Anker nahe am Ufer, ohngefähr 6 Meilen von der Stadt
ausgeworfen. In der Nacht aber fiel ein so heftiger
Thau, daß ich und meine Matratze, auf welcher ich lag,
ich schlief nämlich der Bequemlichkeit wegen, auf dem
freien Verdecke, ganz durchnäßt wurden. Ich fürchtete
sogleich, daß diese Näffe meiner Gesundheit schädlich wer
9 *
__132
- den würde. Am 17. August fegelten wie dem Hafen
zu und liefen noch des Vormittags daselbst ein.
- Tripolis liegt auf einem Isthmus und wird von
sehr hohen Mauern umgeben, die sich über alle Gebäude
in der Stadt erheben und ist überdieß noch durch eine,
in einem Halbzirkel geformte Batterie, geschützt. Eine
Menge Kanonen sind aufgepflanzt und mehrere Werke
und Schanzen vertheidigen den Eingang des Hafens.
Gegenwärtig liegen 15 türkische Kriegsschiffe hier vor
Anker. Kaum hatten wir die Anker ausgeworfen als
ein Boot auf uns zusegelte und der Kapitän mußte die
nöthige Auskunft geben. Bald darauf erschien der Dra-
goman des englische Konsuls und brachte mir die Erlaubniß
ans Land steigen zu dürfen, von welcher ich auch sogleich
Gebrauch machte. Da jetzt die Türken Meister von
Tripolis sind, so fand ich auch die Thore durch türkische
Soldaten, welche europäisch gekleidet waren, besetzt. Ohne
angefragt zu werden pafirte ich durch die Eingänge in
die Stadt und mein erstes Geschäft war mir ein Quar-
- tier zu miethen. Ich fand auch bald was ich suchte
und miethete mich auf einen Monat lang ein. Hierauf
ließ ich meine Effekten vom Schiffe abholen und richtete
meinen neuen Aufenthalte ein, so gut es gehen konnte.
Ich wollte sodann dem englischen Konsul meine Aufwar
tung machend, konnte ihn aber heute nicht sprechen.
- 133
Kaum hatte ich mich ein wenig eingerichtet, als
sich bei mir ein heftiger Rheumatismus am rechten Arm
einstellte, der mich sogleich hinderte irgend etwas zu uns
ternehmen. Dieses Uebel nahm stündlich zu und es
zeigte sich an demselben Arm eine Art Ausschlag und
Geschwüre, der Magen war ganz außer Ordnung und
ich wurde sehr krank. Dieß war die Folge jener in
Schiffe mir zugezogenen Verkältung, der genoffenen schlecht
ten Lebensmittel und des darauf folgenden Hungerns,
Ich konnte weder schreiben noch lesen und Schmerzen
waren außerordentlich. Es waren Leidenstage von dem
Herrn gegeben, ich trug sie mit Ergebung und dachte an
die Heimath des Jenseits. Doch dem Herrn fey Dank
nach der Prüfung folgte wieder Genesung. Auf Zureden
einiger Freunde mußte ich, so sehr ich es auch scheute,
nach einem Arzt schicken, es kamen aber deren zwei und
fogleich gings ans Purgiren, Salben, Schmieren c., und
der Herr half
Ueber die interessante letzte Revolution zu Tripolis
erhielt ich an Ort und Stelle erst die rechte Aufklärung."
Seit länger als 150 Jahren hat die Familie der Ka-
ramalli den Thron von Tripolis behauptet und in
Gemeinschaft mit Tunis und Algier die Christen geplün-
dert und zu Sklaven gemacht. Doch Dank fey es dem
Herrn aller Herrn die Schandthat, die lange auf der
-
134
ganzen Christenheit lastete, ist seit 1816 abgeschafft.
Dadurch wurden aber die Einkünfte dieser Raubnefter
um ihren bedeutendsten Theil vermindert. Dieß war
insbesondere zu Tripolis der Fall. Der Pascha allein
soll von diesem Geschäft einen reinen Ertrag von
600.000 Dollars gehabt haben. Jufef Pafcha
fühlte den Verlust fehr, doch wußte er sich anfangs ein
zuschränken. Allein da er alt wurde, gewann er viele
Weiber lieb und diese stürzten ihn von einer Thorheit
in die andere. Er gerieth jetzt in große Schulden, die
Gläubiger verlangten Geld und der alte Pascha wußte
sich nicht anders zu helfen, als die Scheiks der Araber
kommen zu laffen. Diesen sagte er: er müffe Geld hat
ben, um seine Schulden zahlen zu können, er verlange
daher von jedem Araber eine gewisse Summe die in
kurzer Zeit von dem Scheike eingeliefert werden sollte.
Die Scheiks kehrten zu ihren Zelten zurück und verkün
digten ihren Horden des Pascha Begehren. Nach An-
hörung dieses Auftrags empörten sich sogleich alle Araber
und alle außerhalb Tripolis wohnenden Mauren und
nur eine Stimme erschallte in den Zelten und in den Dör-
fern und Städten außerhalb Tripolis: Jusef Pafcha
fey des Thrones unwürdig. Als Jusef dieses für ihn
so unangenehme Geschrei erfuhr, so handelte er fehr
klüglich, und entsagte auf der Stelle der Regierung zu
135
Gunsten seines Sohnes Ali Paf cha. Dieser bestieg
auch sogleich den Thron und wurde von allen Bewoh
nern der Stadt als Pascha anerkannt. Nicht so gehor-
fam zeigten sich die Bewohner des Landes. Sie fühlt
ten eine entschiedene Abneigung gegen Ali und wählten
die beiden Söhne, eines Bruders Ali, eines Sohnes
Jufef, deren Vater früher, der eigene Bruder Jusef
hatte ermorden laffen, welche auf dem Lande wohnten,
zu ihren Anführern. Von diesem fing der Bürgerkrieg
an und die Thore der Stadt mußten zu Anfang des
Jahres 1832 geschloffen werden. Mit abwechselndem
Glücke kämpften beide Theile ein volles Jahr. Der
Sultan schickte jetzt den Kaftan an Ali Pascha und
erklärte ihn dadurch zum rechtmäßigen Besitzer des Lan-
des. Allein die Landparthei ließ sich dadurch nicht ein-
schüchtern, sie setzte den Kampf mit der Stadt hart-
näckig fort. Wer jetzt die Stadt verlaffen konnte, der
that es. Mehrere europäische Konsuln, die meisten Chris
fen, der dritte Theil der Juden und die reichsten Mauren
wanderten aus; dadurch wurde Ali Pascha so sehr
geschwächt, daß ihm nicht mehr als einige Hunderte blie-
ben, welche nur dürftig die Stadt vertheidigen konnten.
Das ganze Land war gegen ihn in Waffen, es wußte
sich Kanonen und Mörser zu verschaffen, die Stadt
wurde an einigen Punkten belagert und viele Kugeln
136
und Bomben flogen in dieselbe, welche großen Schaden
anrichteten. Schon hatte dieser blutige Krieg drei Jahre
hindurch gewüthet, als ganz unvermuthet eine türkische
Flotte 35 Segel stark nebst einer Menge Transport-
schiffe, auf welchen 6000 Mann reguläres Militär sich
befand vor Tripolis ankerten. Jede Parthei glaubte
* nun die Türken feyen gekommen um sie zu unterstützen,
Ali Pascha verfügte sich sogleich aufs Schiff des tür-
kischen Befehlshabers, eines Pascha von drei Roßschweiz
fen, um ihn zu bewillkommen. Dieser empfing Ali
sehr freundschaftlich, versicherte ihn, daß er nur in der
Absicht komme, um ihn in seiner Würde zu beschützen.
Er würde, fügte er hinzu, sobald seine Truppen ans
Land gesetzt feyen, sogleich den Feind angreifen.
Allein in diesem Augenblick feyen seine Truppen von der
langen Fahrt noch zu sehr erschöpft, sie bedürfen daher
vorerst noch einiger Erholung. Er bat daher Ali, er
wolle vorerst erlauben die Soldaten ans Land zu setzen.
Mit der größten Bereitwilligkeit wurde dieses von Seit
ten Ali nicht nur erlaubt; sondern auch hiezu thätige
Hilfe geleistet. Sobald die Türken am Lande waren,
ließ der türkische Befehlshaber der Landparthei ebenfalls
versichern: er fey nur gekommen ihre Anführer auf den
Thron zu setzen, den Pascha der Stadt aber zu züchti-
gen. Das hierüber erfreute Landsvolk brachte der Armee
1Z7
Lebensmittel im Ueberfluß. Unterdessen besetzten die
Türken alle Posten der Stadt, die Vestungswerke und
nahmen die Kanonen auf den Schanzen in Beschlag,
Jetzt erließ der neue Befehlshaber an alle Bewohner
der Stadt einen Aufruf, wornach fiel aufgefordert wur-
deu ihre Waffen auszuliefern, weil sie derer nicht mehr
bedürfen, denn er habe hinlängliche Macht ihre Stadt zu
beschützen. Die Bewohner von Tripolis vermutheten
zwar mit Recht Verrath, doch gehorchten sie der Gewalt
und es geschah, was man verlangt hatte. Auch die
Landbewohner wurden aufgefordert ein Gleiches zu thun.
Doch diese gehorchten nicht und zogen es vor sich ins
Innere zurückzuziehen. Die beiden Brüder aber, die
Anführer der Araber, trauten jetzt keiner Parthei mehr,
der eine entfloh nach Malta und der andere entleibte
sich, aus Verdruß hintergangen worden zu sein. Nach
einigen Unterhandlungen indessen gehorchten auch die
Landbewohner und lieferten die Waffen aus. Während
diesen Vorgängen blieb der neue Pascha auf dem Schiffe
und hatte es noch nicht gewagt den Fuß ans Land zu
fetzen. Da er aber jetzt fah, daß ihm sein Vorhaben
ganz gelingen würde, so stieg er ans Land und machte
Ali seinen Besuch. Von diesem königlich empfangen
und bewirthet, verfügte er sich wieder auf sein Schiff
und ließ auch Ali zu sich laden, um ihn zu bewirthen.
138
Der getäuschte Pascha kam, wurde mit den Seinen wäre
devoll empfangen und ihm ein glänzendes Mahl gegen
ben. Als aber Ali wieder zurückkehren wollte, zeigte
der neue Pascha einen Firman des Sultans vor, nach
welchem ihm befohlen wurde sich sogleich nach Konstan-
tinopel zu verfügen, Nadiib Pascha aber, so hieß
der Befehlshaber der Flotte, das Regiment zu Tripolis
einstweilen zu übergeben. Der unglückliche Prinz durfte
nicht mehr in feine Residenz zurückkehren und am an
dern Tage schon war er mit einigen seiner Getreuen
nach der Hauptstadt des türkischen Reiches unter Segel.
Die Zügel der Regierung wurden nun von Nadiib
Pascha ergriffen, und die Residenz der Karamalli
nahm ihn auf. Der achtzig Jahre alte Jufef Pascha
wurde mit feinen drei Frauen und Kindern ausgestoßen
und ihm ein Gnadengehalt von 30 Gulden wöchentlich
ausgesetzt. So endete die neueste Revolution zu Tri-
polis, welche seit drei Jahren die Stadt entvölkert und
arm gemacht, den Handel derselben zu Grunde gerichtet
und dem ganzen Lande eine Wunde geschlagen, die noch
lange bluten wird. Der Staat Tripolis wird wohl eine
türkische Provinz bleiben und dadurch eine neue Aera
beginnen,
139
XVI.
Tripolis, den 10. September 1S35.
Die türkische Besatzung besteht aus 4500 Mann,
welche ganz europäisch gekleidet und eingeübt sind. Ihre
Haltung ist im Ganzen gut; allein das Stehen will
ihnen durchaus nicht behagen, und viele Wachen setzen
sich ganz gemüthlich auf ihre Posten, indem sie sich
einen Stuhl oder einen Stein dazu verschaffen. Sie
sind fest überzeugt von der Wahrheit, daß es sich
eben so gut sitzend Wache halten laffe, als stehend. Ein
anderes Aergerniß ist ihnen auch das Schuh- und Strümpf
Anziehen müffen. Sie entledigen sich aber auch dieser
Last sehr oft, oder ziehen die Schuhe wie Pantoffeln
an. Ich fah letzthin den Obristen eines Regiments seine
Leute exercieren. Geschmückt auf der Brust mit einem
Stern und Halbmond von Brillanten und mit Pantof
feln, welche früher Schuhe waren, bekleidet, machte er
mit feinem Regiment, die ebenfalls theils Schuhe, theils
Pantoffeln hatten, die europäische Schule durch. Da
die Mahomedaner fünfmal des Tages beten müffen und
140
vor jedem Gebet sich Hände und Füße bis an den El-
bogen und bis an die Kniee waschen, so läßt sich diese
Unbehaglichkeit der neuen Uniform leicht begreifen, Für
das europäische Auge ist es aber immer ein widerlicher
Anblick einen Officier in voller europäischer Uniform zu
fehen, der vor einem Barbierladen mit gekreuzten nackt
ten Füßen sitzt, und mit denselben spielt, was sehr häufig
der Fall ist; oder ihn ganz steif vorwärts schreitend zu
fehen, während hinter ihm einige Wachen gehen und
ein Bedienter die Tabakspfeife, den Beutel und den
Degen tragend. Sonst aber ist das Betragen der Sol
daten musterhaft, Nadiib Pafcha war bereits schon
vier Monate hier, und noch hatte er keine Moschee be-
fucht, welches unter den Moslemim nicht wenig Auf-
hen erregte. Vorgestern gefiel es. Seiner Hoheit dieß
zu thun. Vom Palast bis zur Moschee wurden Sol-
daten aufgestellt, der Kanonendonner verkündigte die An-
kunft. Vor dem Pascha kam eine Leibwache, 25 Mann,
nach alter Sitte gekleidet, jeder zwei Pistolen und einen
Degen im Gürtel tragend und einen großen mit Silber
beschlagenen Stock in der Hand. Nach diesen folgte
der Pascha, ein schöner Mann mit einem schwarzen Bart,
ohngefähr 35 Jahre zählend, fitzend auf einem stattlichen
Pferde, welches fehr reich geschmückt war. Bei seinem
Erscheinen präsentierte das Militär, die Officiere machten
141
mit dem Degen eine Bewegung zur Erde, berührten mit
der linken Hand dieselbe und küßten fie.
Die Hitze übersteigt gegenwärtig alles, was ich bis
her in dieser Beziehung erfahren habe. Sorgfältig wer-
den Thüren und Fenster geschloffen, um die Sonne und
den Wind auszuschließen, und dennoch ist es so heiß,
daß ich durch und durch den ganzen Tag über wie aus
dem Waffer kommend triefe, und die geringste Bewegung
wird lästig. Der jetzige Wind kommt aus der Wüste,
ist sehr trocken und heiß, und trägt zur Reife der Dat-
teln bey. Er ist zwar hier nöthig, aber für die Ge-
fundheit der Europäer sehr schädlich.
Der neue Pascha für Tripolis Achmet, kam ger,
fern hier an, ein fürchterlicher Kanonendonner empfieng
ihn; indessen freute sich niemand als die Türken; die
Araber ziehen sich immer mehr in das Innere zurück.
Nadiib Pascha ist zurück gerufen und wird in eini
gen Tagen abreisen, und der alte Jufef nebst ganzer
Familie mit allen Verwandten erhielten den Befehl nach
Konstantinopel zu gehen. Der Name Karamalli soll
aus dem Reiche Tripolis verbannt werden; ein sicherer
Fingerzeig, daß die Pforte gedenkt sich im Besitze des
Landes zu behaupten. Die Unzufriedenheit über diese
neue Maßregel ist unbeschreiblich; die Araber besuchen
deßwegen sehr selten mehr die Stadt.
142
Ich hatte es mir bei meiner ganzen Reise zum
Grundsatze gemacht, wo möglich immer ganz allein in den
Städten herumzustreifen, über dieß und jenes nur immer
mich von den Einzeln belehren und unterrichten zu laffen,
und ihnen das Evangelium zu verkündigen. So fand
ich auch vor einigen Tagen vor dem Thore an der
See und sah auf der andern Seite der Stadt die Tür
ken manövrieren. Ich nahm ein Boot und fuhr hin,
sprach mit einigen Zuschauern und wollte sodann wie
der in mein Quartier zurückkehren. Noch war ich nie
auf dieser Seite der Stadt gewesen, ich ging also ge-
trost dem vor mir sich befindlichen Thore zu. Plötzlich
fand ich vor einem gewölbten Eingang, der mit einer
starken Wache besetzt war. Dies ist ja wohl der Ein-
gang zur Stadt dachte ich, doch nicht ganz gewiß, fah
ich mich um, jemanden zu sehen den ich fragen könnte.
Ein Christ kam. Diesen redete ich in der Lingua franca
an, und fragte: Kann man hier durchgehen? Dunqua,
natürlich, gab er mir zur Antwort. Ich schritt vorwärts,
der finstere, gewölbte Bogengang war länger als ich mir
vermuthete und von Zeit zu Zeit stieß ich in demselben
auf eine Wache. Dies ist ein langer Gang, sagte ich
mir, und ein finsterer und froh war ich, als ich das
Tageslicht wieder erblickte. Doch kurz war die Freude,
Nur einige Schritte machte ich vorwärts, und eine
143
Treppe lag vor mir. Diese stieg ich hinauf und nun
war wieder alles finster. Ich verdoppelte meine Schritt,
um diesen Zauber bald zu lösen, ein dunkler Gang
wurde zurückgelegt, einige Treppen führten aufwärts,
mehrere Wachen passierte ich, und jetzt fand ich auf ei-
nem kleinen freien Platze, welcher mit Kanononen besetzt
war. Daß dieses der Eingang zur Stadt nicht war,
wurde mir deutlich; aber wo ich mich jetzt befand, das
war mir ein Räthel. Vergebens sprach ich mit der
Wache, sie verstand mich nicht, zeigte immer nur mit
der Hand vorwärts. Ich ging abermals vorwärts.
Jetzt hatte ich eine kleine hölzerne Treppe vor mir.
Was sollte ich thun, rückwärts schreiten? Wer weiß ob
du dich nicht noch mehr verwirrt in diesen Zauberhöh-
len, dachte ich, und stieg die Treppe hinan. Als ich
die letzte Stufe erreicht hatte, sah ich vor mir einen
nicht geräumigen Platz, in dessen Mitte waren Flügels,
thüren geöffnet, ich fah hinein, und welches Erstau-
nen ergriff mich! Ich fand vor dem Thronzimmer des
Palastes, innerhalb dessen europäische Möbeln sich
befanden und ein reich mit Gold gezierter Thron
stand. Meine Verlegenheit war groß, und stieg mit
jeder Minute; doch ich wollte dieses nicht merken
laffen, der vielen Wachen wegen, sondern eilte schnell
vorüber. Ich gelangte wieder in einen dunklen Gang,
144
welcher sich bald rechts, bald links drehte, ich passirte
Vorsääle und Zimmer, fah aber nur immer türkische
Wachen. Ich stieg Treppen auf und ab, der sehnlichst
gewünschte Ausgang aus diesem Labyrinth wollte sich
immer nicht zeigen. Ich redete jede Wache an, sprach
in allen Sprachen, die mir zu Gebote stehen; aber leis
der türkisch verstehe ich nicht, und so wurde ich auf alle
meine Fragen immer vorwärts gewiesen. Jetzt gings
wieder aufwärts, ich stieg viele Treppen hinan und kam
endlich vor eine Thüre zu stehen. Die dabei stehende
Wache öffnete diese ohne ein Wort zu sagen. Ich sah
durch und mir schwindelte, als ich hinaus ins Freie
blickte: ich befand mich auf den höchsten und äußersten
Punkte des Palastes. Da hinaus will ich, sagte ich
zur Wache, und diese zeigte mir abermals den Weg
vorwärts. Ich schlug ihn ein, er führte dicht an der
Mauer hin, welche von Zeit zu Zeit noch die Wunden
zeigte, die sie durch die Kugeln der Feinde erhalten
hatte. Ich mußte hier mit der größten Sorgfalt vor
wärts fchreiten um nicht in die Tiefe zu stürzen. Nach
einiger Zeit gelangte ich auf einen freien Platz, auf
welchem einige türkische Officiere fanden. Diese wer-
den doch arabisch verstehen, dachte ich, oder vielleicht
gar eine europäische Sprache. Ich wendete mich an
fie zuerst in der arabischen Sprache, dann in mehreren
145
europäischen Sprachen; allein vergebens. Es schien als
ob auch diesen der Mund geschloffen wäre. Eine Treppe
wurde mir gezeigt, die ich hinaufsteigen sollte, das war
alles, was ich von diesen Helden erfuhr. Ich konnte
nichts anders thun, als den Rath befolgen. Dein größtes
Glück ist, sagte ich zu mir selbst, daß es noch früh am
Tage ist, welche Verlegenheit, wenn es jetzt Nacht wäre!
Ich stieg muthig die Treppe hinan und gelangte zu ei-
nem Balkon, Ich fah hin, mir wurde bei dem Anblicke
doch nicht ganz wohl zu Muthe, denn in demselben faß
der Pascha auf einem reichen Sopha, umgeben von ei-
nen Großen. Die Wachen machten Platz, glaubten
wahrscheinlich ich wolle mit einer türkischen Hoheit
sprechen. "Da kam plötzlich einer der Großen, es war
der erste Minister, mir entgegen und sagte in der Lin-
qua franca: Wollen Sie gefälligst näher kommen,
womit kann ich Ihnen dienen? Ich sagte ihm, ich wäre
hieher in den Palast gekommen ohne dieses zu wissen
und suche bereits schon über eine Stunde den Ausgang
ohne ihn zu finden. Von welcher Nation sind Sie,
sind Sie ein Franzose? fragte der Minister. Nein,
mein Herr; ich bin ein Deutscher unter dem Schutze
Englands. Er rief einen Mann aus der Leibwache und
sagte zu diesem: Capia! dieser erwiederte Capia!
Capia sagte der Minister nochmals und noch einige
10
146
Worte, die ich nicht hören konnte. Hierauf bat er mich,
ich möchte nur dieser Wache folgen, welches ich mit Dank
annahm, mich empfahl und diesem Manne nachging.
Dieser brachte mich in kurzer Zeit glücklich an den schon
- lange von mir sehnlichst gewünschten Ausgang. Ich
fand jetzt vor dem nämlichen Thore, durch welches ich
eingegangen war. Der erste Minister, der mir in mei-
ner kritischen Lage vor dem Angesicht. Seiner türkischen
Hoheit diese große Gefälligkeit erwies heißt Beth
Elmal, den ich später noch einige Mal sah. Er be-
gleitete diese Stelle auch schon bei dem alten Pascha
Jufef. Während der Revolution spielte er eine bedeu-
tende Rolle. Zuerst schloß er sich der Stadtparthei AM,
später aber ging er zur Landparthei über. Segelte fel-
ber nach Malta und rüstete dort mehrere Schiffe aus,
mit welchen er zurück kam, um mit diesen von der
Seeseite aus die Stadt zu beschießen. Als die türkische
Flotte anlangte, flüchtete er sich auf ein englisches Kriegs-
schiff, welches damals vor Tripolis lag. Der neue
Pascha bat ihn aber ans Land zu kommen, mit der
Versicherung, daß er durchaus nichts zu fürchten habe.
Er ist nun abermals zum ersten Minister erhoben, und
der neuen Regierung fast unentbehrlich, weil er das ganze
Reich genau kennt und unter den Arabern viele Freunde
zählt. ---
-
147
XVII.
Tripolis, den 15. September 1ss.
Tripolis, das Ora der Alten, ist kleiner als Tunis
und Algier; aber reinlicher als beide. Die Straßen sind
breit und die Häuser die gewöhnlichen der Städte auf
der Nordküste von Afrika. Ausnahmen machen die
Häuser der europäischen Konsuln, eilf an der Zahl,
welche schön genannt werden müssen, und deren innere
Einrichtungen alle Bequemlichkeit für Europäer in sich
schließen. Der Palast des ehemaligen Pascha ist ein
unregelmäßiger Haufen von Gebäuden, die wie es scheint,
nach und nach, je nach Bedürfniß aufgeführt wurden,
die vermittelt dunkler Gänge, durch welche ich meine
Irrfahrt gemacht, verbunden sind. Vor der Revolution
soll Tripolis von 18000 Mahomedanern, 4000 Juden
und 2000 Christen bewohnt gewesen seyn. Jetzt ist
kaum die Hälfte dieser Anzahl mehr hier. Die Reichen
der Stadt find ausgewandert; viele nach Aegypten und
anders wohin und kehren nicht wieder zurück. Deshalb
fand ich ganze Reihen von Läden geschloffen, und ganze
10“ -
148
Straffen menschenleer. Die hiesigen Mahomedaner klei
den sich mehr nach Sitte der Araber als nach mauri-
scher Sitte; auch die Wissenschaften und Gelehrsamkeit,
die man anderwärts noch unter den Mauern findet,
wurden hier nie gepflegt. Wer studieren will geht nach
Tunis oder nach Aegypten. Der Sklavenmarkt war
hier vor der Revolution der bedeutendste auf der ganzen
Küste von Nordafrika. Hier war es, wo ganze Kara-
vanen solcher Unglücklichen aus dem Innern anlangten
und von hier aus erst weiter der Küste entlang zum
Verkaufe ausgeführt wurden. Jetzt nehmen die Skla-
venhändler einen andern Weg,
Zerstreut finden sich noch hin und wieder Spuren
von ehemaligen sehr schönen Gebäuden der Römer, doch
ist wohl das merkwürdigste Denkmahl altrömischer
Kunst ein Triumpfbogen mit Basrelief. Dieser ist
noch ziemlich gut erhalten und steht unweit des Marine-
thors, innerhalb der Stadt, errichtet unter der Regierung
Antoninus Pius, jetzt hat ein Malteser seinen La-
den in demselben eingenistet. -
- Die Anzahl der katholischen Christen mag sich jetzt
auf 2000 Seelen belaufen, es sind, außer einigen fran-
zösischen, italienischen und spanischen Familien, lauter
Malteser. Viele derselben haben mit Freude die heilige
Schrift aufgenommen. Es befindet fich, hier aus alter
-- 149
Zeit ein Kapuzinerkloster. Der Pater praefectus-
besuchte mich während meiner Krankheit und ich hielt es
daher für Pflicht, so bald ich genesen war, ihm einen
Gegenbesuch zu machen. Wir unterhielten uns mehrere
Stunden lang mit einander. Ich fand einen un-
terrichteten Mann, der mit vieler Milde und Liebe
eine große Belesenheit verband. Unser Gespräch wurde
bald polemisch. Er suchte mit allen ihm zu Gebote
stehenden Waffen die Würde des Papstes, die Verehrung
der Heiligen und Reliquien zu behaupten. Die Jung-
frau Maria nannte er Großherrin, eine Benennung,
die mir auffiel und die ich zuvor noch nie gehört hatte.
Da er aber feine Beweise nicht aus der Bibel schöpfen
konnte; so war es mir ein leichtes ihm, gestützt auf
Gottes Wort, über alle Punkte gehörige Antwort zu
geben. Indessen, er war kein Freund der heiligen Schrift,
sprach vielmehr den Bann an einem Sonntage über fie.
In Beziehung auf Luther sprach er sich mit mehr
Mäßigung aus, als ich von einem Mönche erwartete.
Er sagte, Luther sei ein Sohn der Kirche, ein guter
Christ gewesen; nur habe er zu viel verlangt. Luther,
nur ein armer Klosterbruder, habe verlangt, daß sich der
Papst vor ihm demüthigen sollte: daß wäre doch gar
zu viel verlangt gewesen von dem Oberhaupte der Kirche!
Vom diesem Pater erfuhr ich auch die Entstehung und
-
__ 150
die Geschichte des Klosters. Im Jahre 1687 wurde
von der Propaganda zu Rom ein Kapuziner als Mie
fionar hieher gesendet. Dieser wußte sich bald das Zu-
trauen und die Freundschaft des regierenden Pascha zu
erwerben und erhielt von diesem die große Gunst einer
Kirche mit drei Glocken, – ein Vorrecht, das in maho-
- medanischen Ländern fast ohne Beispiel ist –, dazu ein
Kloster für die Brüder, die nachkommen würden er-
bauen zu dürfen. Als aber einst dieser Kapuziner am
Hofe das Evangelium verkündigte und den Pascha auf
forderte den Glauben an den falschen Propheten fahren
zu laffen und ein Diener Jesu Christi zu werden, wur-
den die Hofleute dermaßen aufgebracht gegen den treuen
Prediger, daß sie nicht eher nachgaben bis der Befehl
zu feiner Hinrichtung ausgefertigt wurde. Der Pater
wurde zum Thor hinausgeführt, wo der Scheiterhaufen
bereits feiner wartete. Die Christen, welche sich hier
gesammelt hatten, folgten betrübt ihrem geistlichen Hir-
ten und klagten und weinten: ach, wie wird es uns
ergehen, wenn du nicht mehr bei uns sein wirst? Freu-
dig erwiederte der Pater: ich laffe euch mein Herz zu-
rück. Und siehe da, als man die Asche des Märtyrers
sammelte, fand man unter derselben das Herz ganz uns
versehrt. Dieses Herz kam in der Folge nach Jerusa-
lem und soll noch heute in dem dortigen Kapuziner-
ist -
kloster aufbewahrt werden, wo es noch gesehen werden
kann. Hierauf wurde von Rom aus ein anderer Par
ter abgesendet, die Stelle des erstern zu ersetzen und
wo möglich die erlangten Rechte der Kirche zu behaup-
ten. Dieser kam und machte bei Hof feine Aufwartung.
Er gefiel dem Pascha sehr, und wurde von diesem mit
vieler Gunst überhäuft, ihm auch viele Versprechun-
gen gemacht, wenn er dem Christenglauben entsagen und
ein Mahomedaner werden würde. Er ließ sich verfüh-
ren und wurde Muselmann. Jetzt erschienen vier dem
Herrn ergebene Brüder aus dem Christenlande, mach-
ten dem Abgefallenen im Beisein des Pascha Vorwürfe
über eine Treulosigkeit und trugen als Belohnung den
Matyrertodt davon. Später kamen andere Kapuziner -
an, die nachfolgenden Paschas wurden dem Kloster wie
der günstig und selbst mehrere machten ihm Geschenke,
Doch vor langer Zeit schon wußte es die hiesige Regie-
rung dahin zu bringen, daß Frankreich, unter dessen
Schutz das Kloster steht, einen Vertrag mit ihr ab-
schloß, kraft defen den Kapuzinern nur erlaubt ist den
Christen zu predigen, nie aber und unter keinem Vor-
wande den Mahomedanern. -
Evangelische Christen gibt es hier an 50 Seelen,
worunter die Familien von 5, zuweilen auch 6 euro-
päischen Konsuln sich befinden, Nie aber befand sich hier
152
ein evangelischer Geistlicher. Erst seit 1830 haben sich
die hiesigen Protestanten vereinigt und einen eigenen
Gottesacker, ungefähr eine Stunde vor der Stadt ent-
fernt, angelegt. Vor einigen Tagen starb dem amerika
mischen Konsul dahier ein Kind, ich begleitete die Leiche
zum Gottesacker und hielt die üblichen Gebete bei der
Beerdigung Seit meines Hierseyns versammelte sich
an einem Sonntage das Häuflein evangelischer Christen
im englischen Konsulate, ich hielt Gottesdienst und
theilte das heilige Mahl aus.
153
XVIII. .
Tripolis, den 18. September 1835.
Mir kam der Moniteur Algerien vor einigen
Tagen zu Gesicht. Der Redacteur desselben scheint eine
ganz besondere Ansicht über die Bedeutung des Wortes
Civilisation zu haben. Dieser meldet nämlich in
seinem Blatte, daß der berühmte deutsche Reisende der
Fürst Pückler Muskau auch Algier besucht, und von
da einen Ausflug ins Innere gemacht habe. Ueberall
fey derselbe von den Arabern gut aufgenommen und
gastfreundschaftlich bewirthet worden. Da der Fürst ei-
nen Flaschenkeller, gefüllt - des trefflichsten Weines, bei
sich hatte, so tischte er seinerseits auch aus demselben
den Arabern auf. Die Araber, heißt es, tranken davon,
ohne sich erst lange bitten zu laffen. Man trank auf
die Gesundheit des französischen Gouverneurs und der
Kaid der Beni Mufa ließ sich sogar herab zwei
Flaschen des besten Weines gefälliger Weise anzunehmen.
Dies ist gewiß ein Anfang der Civilisation.
Also die Annahme zweier Flaschen Weines ist ein Anfang
154
der Civilisation und das Weintrinken ein Fortschreiten
in derselben. Nach der Meinung dieses Redacteurs
wäre daher die Bildung der Menschen nach dem Wein-
trinken zu bemeffen, und je mehr ein Mensch tränke,
desto höher fände er auf der Stufe der Civilisation.
Wäre dieses der Fall, so müßte ich sagen, die Maho-
medaner auf der Nordküste von Afrika find in der Cit
vilisation weit vorgeschritten, und insbesondere fänden
die Bewohner von Tripolis gegenwärtig auf einer hohen
Stufe in der gebildeten Welt; denn sie trinken alle,
ohne Ausnahme. Wein. Mir ist selten noch ein
Mahomedaner vorgekommen, der den Wein nicht außer
ordentlich lieben sollte.
Juden gibt es gegenwärtig hier an 2000. Sie
bewohnen ein abgesondertes Quartier und besitzen 18
Synagogen, eine hohe Schule, auf welcher der Talmud
studiert wird. Sie haben aus ihrer Mitte einen Kaid,
der in Civilsachen erster Richter ist. Sie zahlen jähr
lich an tausend Thaler der Regierung und dürfen
treiben, was sie wollen. Nur mußten sie früher Sorge
tragen, daß der Pascha Jufef, welcher grausamer als
Herodes regierte, nicht erfuhr, daß sie im Besitze von
Geld feyen. Dieser Pascha hatte einen Juden zum
Aufseher der Münzen gemacht, deswegen mußte alles
Geld, welches die Regierung ausprägen ließ, durch seine
155
Hände gehen. Nachdem dieser Jude dem Geschäfte
viele Jahre vorgestanden hatte und nun alt wurde, ließ
Jufef ihm ein ganzes Vermögen nehmen, machte aber
deffen Sohn zum Wardein. Dieser hatte noch nicht
lange seinem Amte vorgestanden, als ihn der Pascha
einlud eine Tasse Kaffe mit ihm zu trinken. Der Kaffe
war vergiftet und der unglückliche junge Mann starb
Unter großen Schmerzen. Und warum dieser Mord?
Ein Sclave des Pascha hatte mit der Tochter feines Ge-
bieters Bekanntschaft angeknüpft, zufälliger Weise traf
der Jude einstens beide im Gespräch. Der Pascha er-
fuhr das Betragen seiner Töchter, und rasend über die
Schande, welche feinem Hause dadurch zu Theil wurde,
ließ er den Sclaven grausam morden, und erkundigte
sich genau, ob irgend jemand vorhanden fey, der von
dem Einverständniß beider Kunde habe. Der Jude war
so unglücklich gewesen, beide einmal im Gespräche zu
treffen. Damit er dieses nicht weiter fage, mußte er
sterben. Hierauf ließ Jusef den Bruder des vergifte
ten Israeliten rufen und machte ihn zu einem Münz-
verwalter. Drei Jahre versah dieser treue Diener fein
Amt mit aller Gewissenhaftigkeit, dann bat er den
Pascha er möchte ihn entlaffen und einen andern auf
stellen. Er legte pünktliche Rechnung und glaubte sich
fchon im Besitz der Erhörung. Jufef ließ ihn einstens
-
156
-
- *
- - -
rufen und sagte: Wenn du mir 600 Thaler gibt, so
entlaffe ich dich deines Amtes. Woher soll ich dieses
Geld nehmen, o Herr! erwiederte der Jude. Mache
nur nicht viele Umstände, sagte der Pascha, zahle, oder
du gehst ins Gefängniß und erhält morgen 200 Streiche
auf die Sohlen, und dann verlange ich 800 Thaler.
Da der arme Mann betheuerte er habe kein Geld, so
wurde er ins Gefängniß geworfen, erhielt am folgenden
Tage 200 Streiche, und 800 Thaler wurden für feine
Loslaffung gefordert. Die Freunde und Bekannten er-
legten hierauf das Geld und der Münzverwalter wurde
frei, küßte nach seiner Entlaffung dem Pascha die Hand
und dieser von Großmuth überfallen schenkte ihm 2 Tha-
ler, um einen Arzt kommen zu laffen, -
Dies waren aber nicht die einzigen Handlungen
der Grausamkeit, welche aufgezeichnet sind in den Anna-
len der Regierung Jusefs. In der Wohnung feiner
Mutter erdolchte er seinen Bruder, einen zweiten Bru-
der ließ er morden, und nicht zu zählen sind die übri
gen Opfer, die feiner Rache unterlagen. Im Palast
befindet sich ein tiefer Brunnen, in diesen wurden die
Leichen der Gemordeten geworfen; doch die Anzahl der
selben war zu groß, daß der Brunnen sie nicht mehr
faffen konnte, er mußte gereinigt werden, um wieder für
neue Opfer Raum zu bekommen. Einst hatte sich einer
157
seiner Minister seinen ganzen Unwillen zugezogen, er
sollte dafür bluten. Der Regent ließ ihn bald darauf
zu sich rufen, besprach sich mit ihm über gleichgültige
Sachen, endlich sagte der Pascha: Du kannst morgen
früh zu mir kommen, um den Kaffe mit mir zu trin-
ken. Der Minister entzückt über diese Gnade küßte die
Hand eines Gebieters und entfernte sich. Vergiß ja -
nicht, sagte beim Entlaffen der hinterlistige Pascha, ver-
giß ja nicht morgen das Frühstück bei mir zu genießen.“
Doch kaum hatte sich der Unglückliche einige Schritte ent-
fernt als Mammeluken sich seiner bemächtigten und ihn
erdrosselten. -
Ein Scheik der Araber hatte sich einstens etwas
gegen die Tyranney Jusef’s verlauten laffen, es wurde
dem Pascha wieder hinterbracht. Jusef suchte jetzt den
Scheik in einen Palast zu locken. Der Araber, nichts
Arges ahnend, ging in die Falle. Wenn du, sagte der
Pascha zu einem Araber, der sich bei ihm befand, die
fen, der jetzt ankommt, siehet die Treppe wieder herab-
steigen, fo morde ihn, und ich mache dich an seiner
Stelle zum Anführer feiner Leute. Der Pascha über-
häufte den unvorsichtigen Scheik mit Geschenken und
begleitete ihn die Treppe hinab. Unten an der Stelle
angekommen, wo der Meuchelmörder lauerte, zog sich der
Pascha zurück, und der Scheik wurde erdolcht. Es ent-
158
stand jetzt ein großer Lärm im Palast, der Pascha kam,
erkundigte sich was vorgefallen fey. Man zeigte ihm
den blutigen Leichnam und den Mörder. Hund, schrie
der Pascha, du wagst es meinen Freund in meinem
Hause zu morden! Man schlage auf der Stelle dem
Nichts würdigen das Haupt ab. Diese Execution wurde
auch sogleich vorgenommen.
Das Maas der Sünden dieses Mannes ist nun
voll und der Herr aller Herrn hat dem alten Tyrannen
vergolten nach seinen Thaten. Vom Throne gestoffen,
muß er jetzt, ein 80 Jahre alter Greis, feine wenigen
Lebenstage, als Verbannter und Geächteter zu Konstan-
tinopel in Armuth verleben.
-
150
XIX.
Tripolis, den 20. September 1835.
Das Königreich Tripolis ist einer der größten
ehemaligen Raubtaaten auf der Nordküste von Afrika,
Seine größte Länge von Suara bis zum Ros Hala
beträgt 900 englische Meilen. Es grenzt nördlich an
das Mittelmeer, südlich an Tunis, östlich an Aegypten
und westlich an das Reich Fetan. Das Innere des
Landes ist bis jetzt weniger bekannt, als das der Reiche
von Tunis und Algier. Nach Aussage der Araber be-
finden sich im Innern noch viele Ruinen aus den Zei-
ten der Römer. An der Küste ist eine der bedeutend-
sten Städte: Bengasi, das alte Berenice, mit ei-
nem ziemlich guten Hafen und 400 Einwohnern. Von
Bengasi erhält die Garnison auf Malta ihr Schlacht-
vieh, und viele Wolle wird ausgeführt, Es wohnen
mehrere christliche Familien hier, die Katholiken be-
fizen eine Kirche und haben einen Kapuziner als Seelsor-
ger; auch befinden sich ein englischer und ein französischer
Vicekonsul daselbst. In der Nähe von Bengasi sind
160
die Ruinen von Ptolomais. Daselbst finden sich
noch viele und merkwürdige Alterthümer. Der englische
Konsul in Tripolis besitzt deren eine nicht geringe An-
zahl, die dessen Schwiegersohn, Vicekonsul in Bengasi
hat ausgraben laffen. Eine schönere Sammlung der Art
habe ich noch nicht gesehen. Auch Derna und Ben ba
welche oberhalb von Tripolis liegen, find nicht unbedeu-
tend. Die Ufer an der Küste entlang sind bis weit
hinab gut angebaut und sehr volkreich. Es ist beson-
ders der Palmbaum, der hier ein wahres Vaterland
hat, und die Datteln von Tripolis werden allen andern
vorgezogen. - -
Nur zwei Tagreisen von Tunis entfernt, befinden
sich die Ruinen von Lepida, Ueberreste des einst so
berühmten Leptis magna der Alten, von den Phöni-
ciern gegründet, und eine der ältesten Städte in Afrika,
die nach Plinius den Karthagern einen täglichen Trie
but von einem Talent geben mußten. Noch befinden
sich hier die Ruinen eines Tempels, mehrere Triumpf
bogen, Wafferleitungen, Säulen c. c. Der englische
Konsul zu Tripolis hat schon viele Gegenstände der
Kunst hier ausgraben lassen und nach England entsen-
det. Vieles soll noch im Schoose der Erde ruhen und
wartet nur auf europäische Kunstfreunde, die es zu
Tage fördern sollen,
- -
161 –
So schlecht indessen Tripolis selbst gegenwärtig be-
völkert ist; so stark ist dagegen die nächste Umgebung
Mefchia genannt. Man gibt die Anzahl der Bewoh-
ner auf dem Lande in der Nähe der Stadt auf 300.000
Seelen an, die alle in ihren Gärten, ohngefähr wie in
Gerba, wohnen sollen. In der Umgebung von Tripolis
stehen 10 Millionen Palmbäume, die jährlich gegen
15 Millionen Gulden dem Lande einbringen. Der Bo-
den der Meschia ist zwar fandhaltig, aber dennoch sehr
fruchtbar. Das Klima wird sehr gerühmt, und der
englische Konsul, welcher bereits über 20 Jahre schon
mit seiner Familie hier wohnt, sagte mir, daß Krank-
heiten, außer Ophthalmie, welche aber auch fehr herr
fchend ist, gar nicht gekannt sind und viele Menschen
ein Alter von 110 bis 130 Jahre erreichen. .
Ich fand die hiesigen Mauren sehr zugänglich und
konnte frei mit ihnen über die Wahrheiten unserer selig-
machenden Religion sprechen. Dies ist aber auch der
Fall mit den Juden. Meine Bibeln find nun alle,
eine nicht unbedeutende Zahl, in Umlauf gesetzt; dadurch
find viele Mahomedaner, Juden und Christen mit dem
Worte des Lebens erfrischt worden und ich hoffe zu dem
Herrn, daß er auch einen belebenden Hauch über diese
Saatfelder ausgießen wird, damit sie grünen, blühen
und Früchte fürs ewige Leben tragen.
--- 11
162
XX.
- - Gerba, den 12. October 1835.
-
Ich bin nun wieder auf dieser lieblichen Insel;
allein mein jetziger Aufenthalt ist nicht so freundlich,
wie der frühere, weil ich lange Quarantäne aushalten
muß. Meine Fahrt von Tripolis bis hieher, war von
kurzer Dauer, nur zwei Tage. Als wir hier ankamen,
wurde uns befohlen zwanzig Tage lang Quarantäne
zu halten. Diese Nachricht schlug mich sehr nieder;
denn für meine bereits sehr geschwächte Gesundheit,
würde ein so langer Aufenthalt unter freiem Himmel,
in einem Lande, wo des Nachts gewöhnlich ein sehr
starker Thau fällt, sehr gefährlich gewesen seyn. Ich
schickte daher sogleich nach meinem alten Wirth Sidi
Mustapha und ließ ihn bitten mich zu besuchen. Er
kam, und ich bat ihn, doch Sorge zu tragen, daß ich
ein Zimmer bekäme, weil es mir unmöglich wäre so
lange Zeit unter solchen traurigen Umständen aushalten zu
können. Der Gouverneur hat in der Nähe des Meeres
ein Haus und Mustapha eilte sogleich zu ihm, stellte
_163
meine traurige Lage vor und bat, er möge erlauben,
daß ich mich während der Quarantäne in demselben
aufhalten dürfe. Dies wurde bewilligt und mir ein
Zimmer im Hause eingeräumt. Ich zog ein und würde
mich ziemlich wohl befunden haben, denn ich hatte meine
beßten Freunde, meine Bücher, in guter Anzahl bei mir;
allein eine ungeheure Menge von Fliegen theilte mit
uir das Zimmer, hinderte mich zu schreiben und machte
mir selbst das Lesen recht beschwerlich. Ich war Tag
und Nacht in einer beständigen Bewegung, bald sprang
ich von meinem Sitze oder Lager auf, bald stampfte ich
mit den Füßen, bald schüttelte ich die Hände, bald fuhr
ich mit einem Tuche übers Gesicht. Es waren dieses
traurige Tage, die langsam durch die Zeit schritten.
Doch auch sie gingen mit der Hülfe Gottes vorüber,
meine Thür öffnete sich und ich genoß die köstliche Frei-
heit und die herrliche Natur dieser Insel.
Die Mahomedaner haben durchaus keinen Begriff
von Sanitätsanstalten, sie seien gegen die Pest oder
gegen die Cholera gerichtet. Allein die Europäer haben
es durch viele Vorstellungen doch endlich so weit gebracht,
daß in dem Reiche Tunis alle Schiffe, welche aus ver-
dächtigen Häfen kommen Quarantäne machen müffen.
Ob nun dieses gleich Befehl der Regierung ist, so ist
das Volk doch nicht im Geringsten über den Nutzen
11 *
164
solcher Anstalten belehrt, wohl deswegen, weil sie in direkt
ten Widerspruch mit den Lehren der Religion stehen.“
Wenn der Mensch sterben foll, so stirbt er, ob er in
oder außerhalb der Quarantäne ist. Dies ist sogar
Grundsatz der gebildetern Araber. Vor einigen Tagen
kam ein Bewohner der Gebirge nach dem Markt zu
Gerba herab und nach abgemachten Geschäften wollte er
nach Gewohnheit am Ufer des Meeres einen Spazier-
gang machen. Unglücklicher Weise kam er in die Nähe,
wo die von Tripolis Gekommenen sich gelagert hatten.
Die Wache rief dem Gebirgsmann zu: weiche!! hier ist
die Quarantillie. – Die Mauren sagen anstatt
Quarantäne Quarantillie. – Erstaunt eine ganz
neue Benennung zu hören, ein Wort, welches nie ein
Ohr vernommen hatte, glaubte er, es sey etwa ein frem-
des Thier oder ein Seeungeheuer hier zu sehen. Und
weil er einen Haufen Menschen nicht fern davon ver-
sammelt sah, die, wie er glaubte, das fremde Thier bei
schauten; so hielt er sich eben sowohl wie diese berechtigt
hinzugehen. Er schritt also vorwärts. Jetzt rief die
Wache aus allen Kräften Quarantillie! Quaran-
tillie! Der Araber sah sich nach allen Seiten um,
wurde aber nichts besonders gewahr. Das Rufen der
Wache aber führte inzwischen den Rais Elmorfa,
Kapitän des Hafens, herbei und dieser ließ auf der
165
Stelle den erstaunten Gebirgsbewohner zur Erde werfen
und ihm 10 Streiche auf die Fußsohlen geben. Nach
empfangener Strafe erklärte er ihm, was das Wort
Quarantilie zu bedeuten habe. Verwundert rief jetzt
der Gebirgsmann aus: Was doch die Christen für ver-
nünftige Leute find! Die wissen sogar ein Mittel gegen
den Todt. Aber warum habt ihr mir dieses abscheuliche
Wort nicht früher erklärt?
Mehrere Marokaner kamen von der Wallfahrt aus
Mekka, und wollten in ihr Vaterland zurückkehren. Da
fie aber den Weg über Tripolis nahmen, so mußten sie
hier die verhaßte Quarantillie machen, Für einen Maho-
medaner eine fürchterliche Aufgabe sowohl für seine an
unbegränzte Freiheit gewohnte Natur, als auch wegen
seinen religiösen Grundsätzen. Diese Last nun fähüttelten
in einer Nacht drei Pilgrime ab und flohen ins Gebirg.
Am andern Morgen wurde ihre Flucht entdeckt, und
sogleich dem Rais Elmorfa gemeldet. Dieser kam
bald darauf an, und mit ihm einige seiner Leute, welche
mehrere lange Ketten trugen. Er befahl sogleich alle Ma-
rokaner mit diesen Ketten zu binden, um nicht davon
laufen zu können. -
Vorgestern war die Zeit unserer Gefangenschaft
abgelaufen und wir sollten auch entlaffen werden. Unser
Schiffskapitän wollte auch sogleich die Anker lichten, um
-
166
nach Sfaxzusegeln. Allein wir mußten zuvor noch das Zeug
niß des Gouverneurs haben, daß wir hier wirklich Quaran-
täne gemacht hatten, um nicht abermals eine so lange
Zeit anderwärts gefangen gehalten zu werden. Der Gouver-
neur aber wohnt 10 Meilen vom Ufer entfernt. Ich verfügte
mich daher am Tage der Freiheit in die Gerichtshalle, um
die Papiere ausstellen zu laffen. Dort angekommen fand
ich den Vicegouverneur. Diesen bat ich, er möchte uns
nicht länger aufhalten und das Zeugniß ausstellen. Er
lachte und sagte, ich verstehe die große Kunst zu schrei
ben nicht. Nun so will ich es schreiben, sagte ich, fage
mir nur, was geschrieben werden muß und besiegele es
mit dem Siegel des Landes. Wir haben jetzt weder
Papier noch Dinte und Federn, sprach hierauf der Vi-
cegouverneur. Ich mußte erst zu Sidi Mustapha
schicken um diese Gegenstände holen zu laffen. Sie ka-
men und ich schrieb das benöthigte Zeugniß. Nun aber
wurde mir gesagt: das Siegel fey in den Händen des
Gouverneurs und nicht hier. Ich mußte noch einen Ex-
preffen nach dem Aufenthaltsorte des Gouverneurs schicken,
mehrere Meilen landeinwärts, damit dieser das Siegel
darauf drücke, weil sonst das Papier ungültig ist. Die
fen Abend werden wir es erhalten und dann im Namen
des Herrn absegeln.
167
XXI.
Tunis, den 24. October 1835.
Ich kam, Gott sei Dank, ohngefähr nach einer
fünf monatlichen Abwesenheit glücklich wieder hier an.
Meine Reise von der Insel Gerba bis hieher war so
ziemlich gut abgelaufen. Am Bord eines kleinen tunisi
fchen Schiffes, Schebecka, hatte ich Zeit über mich
und über den Landestrich, den ich durch Gottes Gnade
durchreist hatte, nachzudenken. Alle Scenen tauchten
abermals in mir auf und gingen gleich lebendigen Ge-
mälden vor meiner Seele vorüber. Mein Blick
schweifte sodann hinüber in die Christenheit. Ich ver-
glich die Wohlthaten, welche das Evangelium über
Europa feit Jahrhunderten verbreitete und noch verbreitet
mit der Grausamkeit und der Tyrannei welche der Js-
lam auf seine Bekenner legte und noch legt. In den
Ländern der Gläubigen Jesu, welch ein Licht und wel
cher Segen! In den Ländern der Anhänger des falschen
Propheten, welch eine Finsterniß und welcher Fluch! –
Mein Reisegefährte war unter andern auch ein in
168
teressanter Mameluk, der von Tripolis kommt und eben
falls nach Tunis geht, Dieser junge Mann wurde,
kaum 8 Jahre alt, als er das Vieh feines Vaters hü-
tete, von Menschenräubern überfallen, feinen christlichen
Aeltern und Vaterlande Georgien entrissen und mit
noch einigen Knaben nach der türkischen Kaiserstadt ge-
bracht, daselbst als Sclave ausgestellt und verkauft.
Sein erster Herr war ein Pascha, der den achtjährigen
Knaben zum Muselmann machte und ihm den Namen
Rüstam gab. Hier wurde er in allen Lastern und In-
triquen eingeweiht und dann einem andern Pascha als
Geschenk übergeben. So geschah es, daß er als Jüngling
mehrere Herren wechselte: er wurde nämlich immer von
dem einen Pascha an dem andern als fehr brauchbares
Werkzeug überreicht. Zuletzt kam er an Nadib
Pascha, mit welchem er nach Tripolis segelte. Als
aber dieser nach Konstantinopel zurück berufen wurde;
fo machte er mit Rüft am dem Bey von Tunis ein
Geschenk - und Rüst am … mußte sich selbst überbringen.
Schon zu Gerba, während der Quarantäne sprach ich
viel mit ihm und ein angesehener Grieche, der gerade
auf der Insel anwesend war, erbot sich, ihn feinen Ael-
tern wieder zuzuführen. Es gab zwar Augenblicke, in
denen Rüstam feinen beffern Gefühlen nachzugeben schien
und das Anerbieten annehmen wollte; allein es gab
169
aber auch wieder Tage, an welchen er von nichts, als
von feiner zukünftigen Größe träumte und nichts wissen
wollte weder von Eltern noch Vaterland. Rüstam er
innerte sich noch sehr wohl seiner christlichen Eltern,
wußte auch noch einige christliche Gebete in der lateini-
fchen Sprache herzusagen, und sprach überdies außer
türkisch das Neugriechische und Italienische. Da ich oft
mit ihm über sein Heil sprach, so konnte es nicht feh-
len, daß er nach und nach aufmerksam wurde. Es
gab auch Stunden, wo er sehr zugänglich war. Dieses
war insbesondere der Fall, als er hörte, daß im Kerker
zu Gerba einer feiner Landsleute, der auch Sclave am
Hofe zu Tunis war, schon über 3 Jahre lang schmach
tete. Wie leicht kann auch dieses mein Loos feyn! O
daß ich wieder im Hause meiner Eltern wäre! rief er
aus. Ehe wir abreisten machte Rüstam feinem Lands-
manne im Kerker einen Besuch, und dieser Unglückliche
erzählte ihm die Ursache, warum er hier schmachte. Er
war in der neuorganisierten Armee von Tunis als
Hauptmann angestellt. Zog fich hier, er wußte nicht
warum, den Haß des Sachab Ettaba zu. Mit die
fem machte er eine Geldeinziehungsreise im Lande um
her, und kam auch nach Gabis. Hier wurde er un-
wohl, da sagte der Sachab Ettaba zu ihm: Gehe
nach Gerba, um dich zu erholen; ich will dir Empfeh-
170
lungsbriefe mitgeben. Der Hauptmann segelte mit ei-
nigen feiner Leute nach der Insel. Daselbst angekommen,
übergab er seine Briefe uud wurde darauf sehr freund-
fchaftlich aufgenommen. Man bat, er möge nur befeh-
len, wo er logieren wolle. Man schlug ihm mehrere
Häuser und zuletzt die Vestung vor; weil daselbst die
schönsten und bequemsten Zimmer feyn sollen. Er besah
fich jetzt die Vestung. Kaum aber hatte er sich daselbst ein
wenig umgesehen als die Soldaten über ihn herfielen,
ihn in Ketten warfen, und in den Kerker abführten.
Dorten schmachtet der Unglückliche, und wird wohl sein
Leben daselbst enden müffen.
Wir hatten zwar Anfangs Gegenwind, doch langten
wir nach 48 Stunden glücklich in dem Hafen zu Sfax
an. Von hier zieht morgen eine Karavane nach Tunis,
und dieser gedenke ich mich anzuschließen.
Die Karavane ist richtig hier eingetroffen. Wir
verließen Abends um 6 Uhr Sfax, ritten die ganze
Nacht hindurch und kamen am andern Morgen um 8
Uhr nach dem für mich so merkwürdigen Elgem. Des
fehr heißen Windes, Keple genannt, wegen, mußten
wir den ganzen Tag über hier weilen. Die Nacht kam,
wir brachen auf und nach zurückgelegten 36 Meilen ka-
men wir am andern Morgen nach Elgemel, einem
großen Dorfe. Da sich die hiesigen Einwohner einst
gegen die Regierung von Tunis empörten; so wurden
ihre Häuser alle niedergeriffen, und seit dieser Zeit dür
fen sie nie wieder mit Steinen bauen, sondern mit Erde,
deßwegen haben sie auch alle elende Erdhütten. Außer
halb des Dorfes wurde eine Kapelle zum Andenken ei-
nes Derwisch gebaut. Jung und Alt war bei diesem
Bau beschäftigt. In der Nähe des Bauplatzes standen
einige Männer mit Trommeln und Pfeifen, um die
Arbeiter zu ermuntern. Von hier hatten wir eine starke
Tagreise nach Herkula und abermals eine nach Crum-
balia. Ich fah wieder viele Ruinen, die ich auf mei-
ner Hinreise nicht fehen konnte, weil der Weg ein an-
derer war. Wir passierten einen Ort wo es 40 Grab-
stätten mahomedanischer Heiligen hat. Jedes Grab ist
mit einem Dattelbaum geschmückt und mit einer Mauer
umgeben, der Ort heißt Elar baim, die Vierzige.
Der Anführer unserer Karavane nahm einige Hände
voll Staub von diesen Gräbern und warf ihn auf die
Pferde und Maulthiere. Warum dieß?" fragte ich, da-
mit die Thiere stark und fett werden, war die Antwort.
Endlich erreichten wir Crumbalia, das letzte Nacht
lager vor Tunis und Tags darauf kam, ich glücklich
daselbst an. Lobe den Herrn meine Seele und vergiß
nicht, was er dir Gutes gethan hat.
-
-
XXIII.
Tnnis, den 24. November 1835.
Tunis fängt an sich täglich zu verschönern. Vor
einigen Jahren war der Unrath in den Straffen unbe-
schreiblich; in der Regenzeit konnte man manche Gaffen
gar nicht passieren, und im Sommer waren die Ausdün-
stungen in denselben fürchterlich. Jetzt fährt an jedem
Morgen ein Wagen durch die verschiedenen Stadtviertel
und nimmt den Unrath mit fort. Dadurch hat die
Stadt fehr gewonnen. Es wäre aber ganz gewiß noch
nicht zu dieser wohlthätigen Anordnung gekommen, wenn
die Cholera sich nicht in dem Nachbarstaate Algier ge-
zeigt hätte. Die Europäer fürchteten diese Geißel, und
bewirkten endlich, daß die Regierung in der Anordnung,
welche die fremden Konsuln vorschlugen, einwilligte.
Eine andere schöne Einrichtung hat jetzt die hiesige Kauf-
mannschaft zu Stande gebracht, einen Lesezirkel oder
Kafino, welches seit einigen Wochen geöffnet ist. Die
fes Lokal dient zugleich als Börse.
Seit einigen Monaten war man hier in großer
173
Besorgniß und das Gerücht sagte, die Türken wollten,
es mit Tunis machen, wie sie es in Tripolis gethan:
es wurde hinzugesetzt, der Großherr rüste eine Flotte
aus, die hieher bestimmt sey. Es kam noch hinzu, daß
der Sachab Ettaba, welcher bereits schon früher nach
Konstantinopel gesegelt, um den Kaftan für den neuen
Bey zu holen, nichts von sich hören ließ. Allein diese
Besorgniß schwand, da derselbe vor einigen Tagen hier
anlangte, und Alles zur größten Zufriedenheit des Bey,
besorgte. Vorgestern war seine Quarantäne abgelaufen
und heute hielt er den feierlichen Einzug nach feinem Land-
gute Sidi Ismael, welches zwischen Tunis und
Bardo, der Residens des Bey, liegt. Die ersten Mit-
glieder des Divans zu Pferde bewillkommten ihn auf
der Hälfte der Weges, zwischen hier und der Gouletta.
Eben so rückten 3000 Mann ihm zum Willkomm ent-
gegen und brachten den Abgesandten in feine Wohnung.
Der Zug war schön geordnet: Voraus kamen die Mit-
glieder des Divans, alte ehrwürdig aussehende Männer,
dann erschien der Sachab Ettaba, auf einem reich,
geschmückten Pferde, in der neuen Uniform eines Gene-
rals, blau, mit goldnen Epaulettes, in der rechten Hand
einen blau seidenen Beutel, in welchem sich der Firman,
Bestätigungsschreiben, des türkischen Kaisers befand, in
der linken Hand ebenfalls einen blau seidenen Beutel
174
------
haltend, in welchem sich der Degen befand, den der
Großherr dem hiesigen Bey sendet. Gestern war die
feierliche Anerkennung des Bey. Dieß zu sehen ging ich
nach Bardo, der Residenz. In dem großen Vorhofe
des Schloffes war der Thron aufgestellt. Gegen 8 Uhr
erschien der Bey, umgeben von allen Prinzen, denen seine
fünf Scharfrichter in rother Uniform folgten. Während
der Bey den Thron bestieg und sich setzte stellten sich
die Prinzen zur Rechten und die Scharfrichter zur
linken Seite und die Großen des Reichs. Jetzt sprach
der Oberscharfrichter mit lauter Stimme einen Segen.
Die Großen des Reichs naheten sich und küßten dem
Bey die Hand. Hierauf erschienen alle Mitglieder des
Divans bestehend aus 300 Autopafchas und 400
Bulkpaschas. Die ganze Regierung ist nämlich tür-
kischen Ursprungs und deswegen müffen auch alle Mit-
glieder des Divans Militärs und desselben Ursprungs
feyn. Sobald der Knabe, dessen Vater von türkischen
Blute ist, geboren wird, hat derselbe schon von der Re-
gierung einen Nasri, Pfennige, täglicher Löhnung.
Ist der Knabe 15 Jahre alt, so wird er als Soldat
eingeschrieben, und erhält täglich 4 Nasri. Hat er
eine Zeitlang gedient, so kann er zum Autopascha
und in der Folge zum Bulkpascha erhoben werden,
und ist sodann Mitglied des Divans. Früher war das
__175
stehende Militär türkischen Ursprungs, man nahm keinen
Mauren dazu, und noch jetzt sind alle Vestungen im
Lande von Türken besetzt. Da aber gegenwärtig die
Armee neu organisiert und gegen 5000 Mann allerley
Volks zählt, so verlieren die türkischen Milizen immer
mehr Einfluß und werden wahrscheinlich mit der Zeit
ganz aufgehoben werden. Früher waren die Mitglieder
des Divans sehr sonderbar gekleidet; jetzt ist aber alles
nach dem Muster des Großherrn vereinfacht und sie er
schienen diesesmal ohne Turban, mit der rothen, Mütze,
Schaf.chia. Als der Divan eingetreten war, kamen
alle Officiere und Unteroffiziere der beiden nun bestehen
den neuen Regiementern, zuletzt die europäischen Kons
fuln. Nur die Mitglieder des Divans hatten Sitze.
Als alle Personen, die zur Aufwartung kamen, um den
Thron versammelt waren, wurden die Fahnen und die
Roßschweife hereingebracht. Jetzt erst erschien der
Sachab Ettaba, mit dem aus Konstantinopel mit-
gebrachten Ehrenkleid, bestehend aus einem Ueberrock
und Mantel. Der Bey zog diese Kleidung sogleich an.
Hierauf wurde der von dem Sultan überschickte Orden
aus Brillanten angeheftet; so wie auch der neue Degen
umgürtet, der Firman des Großherrn abgelesen und noch
mehrere andere Glückwünschungsbriefe, die für den Bey
aus Konstantinopel angekommen waren. Die Versamm-
176
lung wurde zum Handkuffe zugelaffen. Auch die euro
päischen Konsuln naheten sich. Seiner mahomedanischen
Hoheit, die Hand zu küssen. Militärmusik ließ sich hö-
ren und Kaffe wurde herum gereicht. Es ist übrigens
Sitte bei jeder außerordentlichen Feyerlichkeit die christ-
lichen Konsuln nach Hofe zu laden. Im vorigen
Jahre war dieß bei der Hochzeit eines Prinzen des
verstorbenen Bey der Fall, der zu seinen vier Frauen
noch eine Fünfte nahm. Die Braut war die Tochter
des Safch Mufti, Obersten der Geistlichen. Am
Tage vor der Hochzeit waren die Konsuln geladen.
Der englische Konsul, der nicht beiwohnen wollte oder
konnte, gab mir einen Wagen, und ich fuhr mit den hier
anwesenden Konsuln nach der Residenz. Angelangt am
Hofe, fuhren wir durch einen gedeckten Bogengang, der bis
zum Eingang des Vorhofes führte, wo rechts und links
eine Menge bewaffneter Mameluken sich befanden. Im
großen Vorhof vor dem Palast stiegen wir ab, und
fanden eine große Anzahl Araber und Mauren, die ge-
kommen waren dem Bey Glück zu wünschen. ir
wurden in das Zimmer des ersten “
führt. Bald daranf wurde uns kund gethan, der Bey
fey bereit uns zu empfangen. Man führte uns in
das Innere des Palastes, in des Bey großen Prunk-
saal. Vor dem Eingang desselben faßen eine Menge
Sklavinnen welche fangen und Musik machten. Der Saal,
in den wir jetzt eintraten, hatte keine Fenster und war nur
durch ein einziges Wachslicht erleuchtet. Als ich daher
eingetreten war, konnte ich fast gar nichts wahrnehmen
und tappte wie ein Blinder. Indeffen währte diese Duns
kelheit nur einige Augenblicke. Ich fah bey den schwa-
chen Kerzenschimmer den Bey im Hintergrunde auf einem
Throne sitzen. Er war in blauer Seide gekleidet, hatte
einen goldnen Dolch im Gürtel und einen großen Bril-
lant am Finger, der in dem dunklen Zimmer ein herr
liches Farbenspiel entfaltete. Die Konsuln naheten sich
jetzt Seiner mahomedanischen Hoheit und küßten die äus
fere Fläche der Hand. Diese zu küßen ist nur den Chris
ften vergönnt; während den Mahomedanern die innere
Fläche dargereicht wird, Auch mir wurde diese Ehre zu
Theil. Hierauf setzten wir uns rechts und links zur
Seite des Bey. Jetzt hatte ich Muße mich ein wenig
umzusehen. Welche Ueberraschung! In den ersten Aus
genblicken glaubte ich mich in einen Feenpalast versetzt.
Die Wände des Saals waren mit goldgestickten Tape-
ten behängt und eine Menge reich geschmückter Frauen
standen längs den Wänden. Dolche, Säbel, Flinten,
alles mit Gold und Edelsteinen geziert hingen vor uns.
Uhren, feines Porzellan, alle Arten fein gearbeiteter eu-
ropäischer Möbeln standen bund durch einander, und
12
178
*----
der Fußboden war mit den kostbarsten Teppichen belegt.
Die Dunkelheit des nur sparsam erleuchteten Saals, das
Glittern und Glänzen des Goldes und der Edelsteine,
das immerwährende Bimeln und Schlagen an den Uh-
ren, die Anwesenheit des ganzes Hofes, der christlichen
Konsuln, des Bey mit allen feinen Nachkommen, machte
einen wundersamen Eindruck auf mich. Nach einer
Pause wurden Erfrischungen herumgereicht und während
wir davon nahmen und aßen, ließ sich die Militärmu-
fik, welche außerhalb des Saals aufgestellt war, hören.
Der Bey that einige unbedeutende Fragen an die Kon-
fuln, welche eben so unbedeutend beantwortet wurden.
Eine halbe Stunde mochten wir in diesem Zaubersaal
zugebracht haben, als der Bey aufstand und dadurch
das Signal gab, daß die Audienz vorüber wäre. Hierauf
wurden wir durch alle Zimmer des Harems geführt und
sahen alle Kostbarkeiten in denselben. Unter allen aber
zeichnete sich das Zimmer der Braut sowohl an Schön-
heit, als auch an Reichthum aus. Als wir unsere Wan-
derung gemacht und zurück kamen, fanden wir den
Bey und seinen Hof in einer großen Halle stehend,
wo er uns huldvoll entließ. An demselben Tage des
Abends 3 Uhr hielt die Braut ihren Einzug in den
Pallast. Die Straße von Tunis nach Bordo war
auf beiden Seiten von Neugierigen besetzt, die den Ein-
zug sehen wollten. Die Araber hielten ein Pferderennen
und ergötzten sich an ihren Nationalspielen ebenfalls auf
der Straße nach Bordo. Das Rennen und Spiel bei
steht vorzüglich darinn, daß sie auf ihren Pferden pfeil-
fchnell dahin sprengen, während des Reitens ihre langen
Flinten laden uud abfeuern. Um drei Uhr verließ der
Zug mit der Braut die Thore von Tunis und bewegte
sich langsam nach Bordo. 28 geschloffene Wägen, in
welchen die weiblichen Verwandten der Braut saßen, er-
öffneten ihn, ihnen folgte der Wagen der Braut, gezogen
durch acht Maulthiere und jedes derselben von zwei
Trabanten geleitet. Um diesen Wagen schwärmten be-
ständig Wachen zu Pferd. Jetzt folgten eine Menge
Wagen und Pferde, welche den Zug schlossen. Am fol-
genden Morgen wurden die Frauen der Konsulm gela-
den, um die Braut zu beleben, eine Gunst die den
Männern nie gestattet wird. Die Damen wurder alle
köstlich bewirthet nnd ins Zimmer der Braut geführt.
Diese saß auf einem erhabenen Throne, einer Statue
gleich, mit geschloffenen Angen und beladen mit Edel
feinen. Sie durfte sich nicht bewegen, die Augen nicht
öffnen; sondern mußte sich den ganzen Tag begaffen las
fen. Bald nach dieser Vermählung wohnte ich der Hoch-
zeit des damaligen Sachab Ettaba bey, welcher von
dem Bey eine feiner Töchter zur Frau erhielt. Bey die
12 *
180
der Vermählung trug sich ein sonderbarer Umstand zu.
Als der Sachab Ettaba mit seiner Gemahlin zum
erstenmale ins Zimmer ging, fo trat diese ihn auf den
Fuß, Dieß ist ein Zeichen der Demüthigung, und bei
deutet, der Mann fey ein Sclave der Frau, fiel eine
Prinzefin vom Geblüte und Gebieterin. So verstand
es auch der stolze Minister. Zornig verließ er das
Gemach, begab sich auf der Stelle zum Bey und for-
derte Rache für die eben wiederfahrne Beleidigung. Der
Bey und der ganze Hof geriethen in die größte Be-
stürzung. Sogleich vernahm der Bey alle seine Frauen,
um auszumitteln, welche der jungen 13 jährigen Prin-
zefin dieß angerathen habe. Es ergab sich, daß es die
Schwester war, die ebenfalls an einen ehemaligen Scla-
ven, der sich zur hohen Würde emporgeschwungen hatte,
verheirathet war. Die Frauen wurden bestraft und der
beleidigte Minister verließ noch an demselben Tage Tunis
und begab sich ins Innre, um Geld zu erpreffen. Dieß
geschieht auf folgende Weise. Zweimal des Jahres wer-
den die Abgaben eingesammelt. Der Minister verläßt
mit ungefähr 200 Mann Tunis und damit rückt er ins
Innere. So wie er aber vorwärts schreitet, so verstärkt
sich feine Mannschaft, indem sich immer mehrere Araber
zu ihm gesellen. Am Ziele seiner Reise angelangt, hat
der Minister ein Korps von 1000 bis 1500 Mann
181
beisammen, das sich aber auf gleiche Weise wieder ver.
liert, je näher es Tunis kommt. Dadurch kommt
jährlich zweimal eine bedeutende Summe in die Staats-
kaffe. Der Bey bezieht aber auch noch von allen ein
geführten Waaren einen Zoll von 5 Prozent. Es herrscht
aber dabei der sonderbare Unterschied, daß die mahome-
danische Geistlichkeit, ein großer Theil von ihr gehört
zum Kaufmannsstande – und die Europäer nur 3 Pro-
zent, Juden und Mahomedaner aber 5 Procent entrich-
ten müffen. Allein diese wissen den Bey zu hintergehen,
indem beynahe alle Waaren von Auslande an christliche
Kaufleute gesendet werden, welche eine Kleinigkeit für ihre
Bemühung nehmen nnd der Bey erhält demnach nur 3 Pro-
zent. Dem Bey gehört ferner der vierte Theil aller Landes-
produckte. Würde dieses Reich wie Deutschland angebaut
feyn, so wäre der Ertrag, bey dem ausgezeichnet fruchtbar
ren Boden, unermeßlich. Allein diese Abgabe ist Ursache
den ohnedies trägen Mauren und Araber noch träger zu
machen. Sie sagen: warum sollen wir uns das ganze
Jahr hindurch plagen, um des Bey willen? Und so ge-
schieht es, daß ganze Strecken des Landes öde liegen blei-
ben. Um die Segnungen des Evangeliums gehörig fchä-
zen zu lernen, nicht nur in religiöser, sondern auch in bür-
gerlicher Beziehung; muß man in das Land des Halbmon-
des kommen und hier den Greuel der Verwüstung sehen!
XXIII.
Tunis, den 1. Dezember 1835.
Gouletta, oder wie die Mauren diesen Ort
nennen; Chalk Elwed, die Gurgel des Fluffes; weil
er an der Mündung des Kanals liegt, der das Meer
mit dem See von Tunis verbindet, ist der Hauptlan-
dungsplatz aller Schiffe, die aus Europa oder sonst
woher kommen. Der Platz ist deshalb befestigt und
hat zwei Reihen Batterien, welche mit einer Menge Ka-
nonen besetzt sind. Allein da sie beständig der Sonnen-
hitze und dem Regen ausgesetzt sind, nie gereinigt wer-
den, so befinden sie sich in schlechtem Zustande. Sie
werden nur sehr selten gebraucht, und nur in dem Falle,
wenn ein fremdes Kriegsschiff begrüßt werden soll.
Hier befindet sich eine Garnison von etwa 200 Mann,
das Zeughaus der Regierung und das Gefängniß der
Verbrecher. Mehrere Christen und einige jüdische Fami-
lien haben sich des Handels wegen hier angesiedelt. Ein
Gouverneur wohnt hier, der die Aufsicht über die, von
den Mauren sehr wichtig gehaltene, Festung hat. Nach
183
meiner Ansicht aber kann dieser Ort nicht über zwölf
Ladungen europäischer Kriegsschiffe aushalten. Da hier
kein eigentlicher Haven ist, fo müffen alle ankommenden
Schiffe in offener See, nicht weit von Gouletta, an
kern. Dies ist oft sehr gefährlich und insbesondere des
Winters. Bei meiner Ankunft sah ich noch einige Trüm-
mer von Schiffen, die kurz vorher durch Sturm verun-
glückten. Vor einigen Jahren hatte der verstorbene Bey
das Unglück an dieser Stelle durch Sturm seine ganze
Flotte zu verlieren. Kommt ein Schiff vom Ausland
an, so begiebt sich der Kapitän ans Land und berichtet
dem Gouverneur, woher er komme, wen und was er
geladen habe. Von ihm hängt die Erlaubniß zu lan-
den ab. Ist die Erlaubniß ans Land gehen zu dürfen
ausgewirkt, so fährt man in einem Boote durch den
Kanal in den See von Tunis und gelangt in wenigen
Stunden bis vor das Thor der Hauptstadt. Dieser
See ist 5 Meilen lang, 2 breit und bedeckt einen Theil
der Ruinen des alten Karthagos. -
Tunis hat ohngefähr 5 englische Meilen im Um-
fange. Es gränzt nördlich an seinen See, westlich an
die Ruinen von Karthago, östlich an den großen Be-
gräbnißplatz und füdlich an die Kafuba, oder ehema
ligen Residenz des Bey. Der längste Durchmesser ist
von Westen nach Osten, während derselbe von Norden
nach Süden kaum eine halbe Meile betragen mag. Die
Stadt ist in drei Theile abgetheilt: Medina, die
Stadt; Babs wik und Bab el Bechar; zwei
Vorstädte. Die eigentliche Stadt, Medina, wird
durch eine hohe Mauer mit 5 Thore von den Vor-
städten getrennt. Das Ganze aber wird nochmals mit
einer Mauer, hie und da mit sich selbst überlaffenen
Kanonen besetzt, und von 11 Thore umgeben. Jeder Stadt
theil hat einen eigenen Scheick el Medina, Polizei-
Direktor, der namentlich die Aufsicht während der Nacht
hat. Die Straffen find hier breit und ziemlich gut ge-
halten, worauf in der neuesten Zeit sehr gesehen wird.
Die meisten können mit Wagen befahren werden, und
dieß ist besonders in der eigentlichen Stadt der Fall.
Da Tunis das Haupt des Landes ist, und hieher fast
alle Erzeugniffe des Innern kommen und hinwiederum
die Bedürfniffe für das Innere aufgekauft werden: so
gleicht die ganze Stadt einem großen Markte. In den
Vorstädten befindet sich der Obst- und Gemüse-, der
Butter- und Eier-, der Oel- und der Geflügel-, der
Vieh- und der Pferde-, der Kohlen- und Holz-, der
Häute - und der Segeltuch- c. c. Markt. Jeder der -
Märkte hat einen besondern Aufseher, Omin, der die
Zölle einsammelt, welche von der Regierung an den
Meistbietenden verpachtet werden. Im innern der Stadt
_ 185
ist der Spezereimarkt einer der schönsten; sodann der
Silber-, Gold-, Juwelen-, Schuh-, Kleider- und
Sclavenmarkt. Der Handel wird hier ganz anders be-
trieben, als in Europa. Jeder Markt hat einige eigne
Mäkler. Des Morgens 0 Uhr find die Waaren zum
Verkauf ausgelegt. Die Kaufslustigen erscheinen, stellen
sich links und rechts auf; während die Mäkler die
Waare ergreifend, damit auf- und abgehen, rufend:
so viel kostet dieses Stück, wer giebt mehr? Dem Meist-
bietenden wird sie zugeschlagen. Gegen 11 Uhr ist aller
Markt vorüber und die nicht verkauften Waaren werden
dem Eigenthümer zugestellt, um morgen abermals in
Handel zu kommen,
Eine eigenthümliche Einrichtung hat es hier auch
in Beziehung auf die verschiedenen Handwerker. Diese
wohnen nicht bunt durcheinander, sondern jegliche Zunft
bewohnt eine eigene Straffe. Hier werden Schuhe ver-
fertigt, und man sieht in der ganzen Straffe nur Häu-
fer von Schuhmachern bewohnt; dorten werden Kleider
verkauft, und in der ganzen Straffe wohnen nur Schnei-
der c. c. Jedes Handwerk hat einen Zunftmeister, die
Kaufleute werden auch als Zunft behandelt, und Kla-
gen gegen einzelne Handwerker, als solche, werden vor
den Zunftmeister gebracht. Alle Zunftmeister zusammen
186
bilden eine Art von Handelsgericht, das über das Wohl
der Untergebenen wachen soll.
Die Anzahl der Bewohner ist sehr schwer auszu-
mitteln. Da weder Geburts- noch Sterberegister ge-
führt werden, und jeder Mahomedaner oder Jude hier
über befragt, ausweichende Antwort giebt, weil sie es
für Sünde halten, die Volkszahl zu zählen. Man hat
daher durchaus keinen sichern Anhaltspunkt. Bei
meiner ersten Ankunft sagte man mir, es mögen an
120.000 Seelen hier feyn; allein ich bin der Meinung,
daß deren sicher an 200.000 hier sind. Meine Beob
achtungen stützen sich auf die wogende Menschenmenge
in den Straffen, und auf die bedeutende Anzahl der
Häuser, mehr als 12000. Ich sah das Innere man
cher, in denen 50 – 60 Personen leben und diese Häu-
fer find keine von den übervollsten.
Die Einwohner von Tunis find Mauren, Ara-
ber, Türken, Neger, Juden und Christen. Die
Kleidung der Mauren besteht in ein paar sehr weiten
Beinkleidern, eine runde Weste, über welche eine andere
gezogen wird, die gewöhnlich mit vielen Goldstickereien
geziert ist. Um die Hüften liegt ein Gürtel, und je
nach dem Besitzer, bald mehr bald weniger kostbar.
Strümpfe werden sehr selten und nur von alten Per
fonen getragen, die Füße sind gewöhnlich nackt in Pan-
187
toffeln. Ueber das Ganze wird der Kaftan, eine Art
Ueberrock getragen, Sobald der Jüngling 22 Jahre
erreicht hat, erhält er den Turban und läßt den Bart,
die schönste Zierde des Mannes, wachsen, je länger die
fer ist, desto größer ist die Schönheit. Die hiesigen
Mauren find ein sehr höfliches Volk, und ihre Begrüßung
nimmt fast kein Ende. Wie gehts? Wie steht das Be-
finden? Bist du wohl? Ist kein Uebel dir nahe? Nicht
wahr es geht dir gut? Ja, Gottlob, es geht dir gut?
Der Gegrüßte antwortet: Gottes Segen auf dir! Gott
gebe dir Frieden! Gott verlängere deine Tage! Gott
verlängere deine Jahre! Gott gebe dir Gutes! Diese
Redensarten werden sehr schnell hinter einander gesprochen,
und da immer einer den andern übertreffen will, fo
werden sie so oft wiederholt, daß es für einen Euro
päer eine wahre Last wird,
Die Beschäftigung der Mauren ist mancherlei.
Viele sind Güterbesitzer in der Nähe und in der Ferne,
und haben eine Menge Sclaven, und leben, so lange
die Regierung sie in Ruhe läßt, herrlich und in Freu-
den. Andere gehören dem Kaufmannsstande an, welcher
ein Lieblingsgeschäft der Mahomedaner zu seyn scheint.
Andere haben eine Art Seidenfabrik, und verfertigen
vielerlei Seidenzeuge. Sehr viele geben sich mit Verfer-
tigung der rothen Mützen, Schafchia, ab, welche sehr
188
berühmt find und weithin versendet werden. Flinten, Pi-
stolen, Säbel werden in Menge hier verfertigt und gehen
ins Innere. Der Verkehr mit den innern Theilen ist in
der That außerordentlich. Im vorigen Jahre kamen
über 400 Schiffe hier an. Der Großhandel aber ist
groffentheils in den Händen der Europäer, welche sich
ungeheure Reichthümer erwerben. Die Ausfuhr besteht
in Oel, Wachs, roher Häute, Wolle, zuweilen auch in
Getraide,
Der Maure bleibt selten in seinem Hause, derje-
nige, der keinen Laden hat, bringt seine Zeit auf dem
Kaffehaus zu. Selbst an ihren Festtagen mögen fie
nicht zu Hause bleiben. Als ich einst einen bekannten
Mauren fragte: warum er denn heute an seinem Feier-
tage nicht zu Hause bei seinen Frauen und Kindern
bliebe? Antwortete er: Zu Hause habe ich immer Lan-
geweile, hier sehe ich doch Leute vorübergehen.
Die Frauen der Mauren gehen höchst selten über
die Straffe, und thun fie das, so find sie dergestalt
eingehüllt, daß man wähnt es bewege sich irgend eine
umhüllte Maschine. Im Hause tragen sie gewöhnlich
ein paar weite kurze Beinkleider, wie der Mann, über
welche sie ein feines weites Hemd werfen, das nur bis
an die Hüfte reicht. Zuweilen wird über das Hemd
eine kurze, reich mit Gold gestickte, Weste gezogen, und
189
über diese der Kaftan, eine Art Oberkleid mit halben
Aermeln, der bis an die Knie reicht. Alle Finger find
voll Ringe, Arm und Füße mit Goldbändern geziert,
das Haar zierlich geflochten und mit Juwelen besteckt.
Da sie weder Schule noch Moschee besuchen, so find
sie sehr unwissend und werden im Hause als eine Art
Obersklavin betrachtet. Der Maure begnügt sich hier
selten mit einer Frau, die Meisten haben deren 4, und
die Reichen haben so viele als sie ernähren können oder
wollen. -
Das Innere der Häuser ist prächtig, überall glänzt
es von Gold und Silber und da die Mauren sehr viel
auf Bequemlichkeit halten; so fehlt auch zu dieser gar
nichts. Allenthalben im Hause finden sich Ruhekiffen,
Sophas, weiche Lager c.; allein was wir Europäer
für ganz unentbehrlich halten, das findet sich nirgends.
Kein Meffer, keine Gabel, kein Löffel, kein Tisch c. ist
zu sehen. Jeder, von dem Geringsten bis zum Vor-
nehmsten ißt mit den Fingern. Ich wurde gleich nach
meiner ersten Ankunft von einem Mauren, zu Gastege-
laden. Die Tafel war reichlich besetzt. Vor dem Effen
kam eine Sklavin, welche den Gästen Waffer über die
Hände goß und ein Tuch zum Abtrocknen reichte. Hier-
auf setzte sich die ganze Tischgesellschaft, welche natürlich
nur aus Männern bestand, nieder. Vergebens sah ich
190
mich nach einem Löffel um, und als ich auf dem gan-
zen Tische keinen wahrnahm, beobachtete ich meine
Nachbarn und machte es, wie diese. Jeder brach sich -
ein Stück Brod von dem breiten Kuchen ab und ge-
brauchte dieses als Löffel, fuhr damit zur Schüffel und
als er genug Suppe genoffen hatte, aß er feinen Löffel
hintendrein. Ich machte es auch also, und es ging.
Als aber der Hauswirth mit feinen Fingern in die
Schlüffel fuhr, ein großes Bein herausbrachte, das
Fleisch mit den Fingern losmachte und mir solches vor-
legte, da verspürte ich eine sonderbare Regung im Ma-
gen und konnte durchaus nicht mehr effen, - Nur um
den Wirth nicht zu beleidigen, that ich als ob ich äße.
Nach Tische kam die Sklavin abermals, um uns die
Hände zu waschen. -
Türken hat es hier seit der letzten Revolution,
vor 18 Jahren, nur noch wenige. Doch geniesen sie
noch immer viele Vorrechte. Die meisten Staatsdiener
gehören zu dieser Nation, der Divan und insbesondere
alle höheren Militärstellen sind durch sie besetzt.
Araber hat es eine bedeutende Anzahl zu Tunis.
Sie kommen aus dem Innern, halten sich hier als Ar-
beiter, Taglöhner, Knechte c. auf. Ihre Anzahl kann
durchaus nicht ermittelt werden; weil sie sich nur einige
191
Jahre aufhalten , dann in die Heimath zurückkehren,
eine Zeitlang ausbleiben und wieder hieher kommen.
Die Anzahl der Juden ist sehr bedeutend; aber
auch diese können nicht genau angegeben werden; doch
mögen es an 30 bis 40000 Seelen sein.
Der Bey ist natürlich die höchste Behörde des Landes;
indessen erstreckt sich feine Hoheit nur über die Städte
des Reiches. Die Araber im Innern haben ihre eigene
Regierungsform, werden von ihrem Scheick regieret,
und der Tribut, den sie dem Bey zu entrichten haben,
muß immer mit Gewalt eingefordert werden. In Tunis
steht nach dem Bey und Divan, der Gouverneur, Dou-
letti, an der Spitze der städtischen Obrigkeit, und in
gewiffen Fällen kann von ihm nicht einmal an den Bey
appelliert werden. Geht dieser aus, welches höchst selten,
und nur dann geschieht, wann er die Moschee besucht;
so schreitet vor ihm her ein Ausrufer, welcher ruft: Gott
fegne unsern Herrn! Ein großes Gefolge bildet seinen
Nachzug. Nach dem Gouverneur folgt der Aga der
Kasuba, der Aga des Stuhls; der Kahieder el
Pafcha und dann der Scheik el Medina. Jeder
dieser Beamten hat seine eigene Mameluken jeder
entscheidet als unabhängiger Richter. Und bei der Par-
thei steht es, vor welchen sie ihre Klage bringen wollen,
vor einen der fünf Beamten, oder auch vor den Bey.
1992
Das geistliche Gericht, vor welchem sich auch der
Bey beugen muß, besteht aus einem Pascha Mufti,
6 Mufti und 2 Kadi. Der Pascha Mufti führt
immer den Vorsitz. Da sich hier die Muselmänner in
die zwei Hauptfekten des Mahomedanismus theilen, in
Malakia und Hanafia; so hat jede Sekte 3 Mufti
uud einen Kadi, welche die Angelegenheit ihrer Sekte
besorgen. Der Pafcha Mufti gehört jedesmal der
Sekte an, zu welcher sich der Bey bekennt.
Zur Sekte der Malakia gehören alle Mauren
und Araber, zur Sekte der Hanafia die Türken und
ihre Nachkommen aus gemischten Ehen. Beide sind eif
rige Anhänger des Koran und trennen sich nur im Ze- -
remonialgesetz.
Unter dem geistlichen Gericht steht die übrige Geist-
lichkeit, 500 an der Zahl. Sie sind Erklärer des Ko-
rans, Ausleger des Gesetzes, Professoren der hohen Schu-
le und Angestellte an den verschiedenen Moscheen, der
ren es sehr viele hier hat; aber nur zwei derselben zeich-
nen sich durch ihre Größe als auch durch ihre Berühmt-
heit aus: eine den Malakia und eine den Hana-
fia gehörend. An ersterer Moschee sind 150 Geistliche,
Alama geheißen, angestellt. In dieser werden auch
oft Vorlesungen von den Gelehrten gehalten, Die Ho-
heschule zu Tunis besteht aus 30 Kollegien mit etwa
193_
800 Studenten, die in denselben wohnen und verpflich
tet sind die Vorlesungen der Professoren zu hören. Alle
Wiffenschaften, sagen die Mauren, werden hier cultivirt;
nur allein Medicin nicht. Alle Gelehrten und Alama
erhielten ehemals ihre Besoldung aus dem Bett el mal,
Geldhaus, so wie die Studenten ihren Unterhalt. Eine
Stiftung, wohin das Vermögen derer fließt, die ohne
Erben sterben, oder auch aus ansehnlichen Vermächtnis-
fen frommer Mohamedaner. Vor einigen Jahren aber,
als der Bey in Verlegenheit war, zog er die Güter
und Einkünfte dieses Instituts ein, und setzte den Pro-
fessoren Besoldungen aus, versprach auch für den Unter-
halt der Studenten zu sorgen. Dies ist aber so gering
ausgefallen, daß die meisten Professoren nicht mehr le-
fen und die armen Studenten sich jetzt selbst überlaffen,
herum schwärmen, Muthwillen treiben und nichts thun.
Die Unwissenheit des Volkes ist bedauernswürdig
und selbst die Gelehrten sind nicht besser daran. Ge-
schichte, Georgraphie, Astronomie sind ihnen ganz unbe-
kannte Gegenstände. Sie richteten deshalb oft Fragen
an mich, über welche bei uns ein Knabe lachen würde.
Wie viele Jahre ich, z. B., auf dem Meere habe sein
müffen, bei meiner Hieherreise? Oder, ob nicht der
Sultan der Herr der ganzen Welt fey? Deshalb sind
sie auch dem lächerlichsten und schrecklichsten Aberglauben
13
194
heimgefallen. Es wimmelt von Wahrsagern, Schwarz-
künstlern, Geisterbannern und Amulettenschreibern. Er-
fere find großentheils Frauen, welche in den Straffen
herumlaufen und beständig schreien: Da gafi, Dagafi!
Wahrsagerin! Die Leichtgläubigen laffen sie ins Haus
kommen und hören von ihnen ihr Glück. Fast in je-
dem Hause ist ein Poltergeist, oft kann dieser nicht ge-
bannt werden, die Bewohner verlaffen in diesem Falle
fammt und sonders das Haus, und niemand würde es
mehr wagen in dasselbe einzuziehen. Das Haus bleibt
also leer stehen und wird mit der Zeit eine Ruine.
Auf diese Weise ist fast der sechste Theil der Stadt zur
Ruine geworden.
Ein fchrecklicher Aberglaube ist auch dieser, daß die
Mohamedaner die Wahnsinnigen für Heilige halten.
Solche Heilige gibt es theils wirkliche, theils verstellte
und zwar männliche und weibliche. In den sonderbar-
ften Kleidungen durchziehen sie die Straffen, oft halb,
oft ganz nackt. Man gibt ihnen Geld und Speisen,
und hält es für das größte Glück von einem solchen
Heiligen berührt zu werden. Nach ihrem Tode werden
Kapellen über ihr Grab errichtet, und diese sind dann
Zufluchtsörter für Verbrecher. Einmal dieses Heilig-
thum erreicht zu haben, ist auch der größte Verbrecher
ficher und selbst der Bey kann einen solchen nicht heraus
195
nehmen laffen. Der Verbrecher wird in der Kapelle
ernährt bis er begnadigt wird oder stirbt. Doch wenn
ein Mörder dahin flüchtet, so hat der Bey das Recht
ihn in der Kapelle einmauern zu laffen. Es gibt hier
eine große Anzahl solcher Zufluchtsörter. Eine Straffe
ist ganz damit angefüllt und heißt deswegen heilige
Straffe. Doch der berühmteste Ort dieser Art ist
12 englische Meilen von Tunis, auf einem der drei
Hügel, wo ehemals Karthago stand, Sidi Bufet ge-
heißen. Wer diesen Ort erreichen kann ist allen Ver-
folgungen enthoben. Es geschieht auch zuweilen, daß
diese Heiligen mit Fahnen, Trommeln und Pfeifen
durch die Straffen der Stadt ziehen, und dieß ist ein
gräßlich schaudererregender Anblick. Während die einen
trommeln und pfeifen, tanzen die andern, wobei sie die
Augen und die Glieder verdrehen, und die scheußlichsten
Geber den machen,
13 *
196 - –
XXIV.
Tunis, den 12. Dezember 1835.
Die herrliche Frühlingszeit ist da und dauert noch
bis zu Ende des kommenden Monats Januar. Alles
grünt und blüht und das Herz erfreut sich Gottes schö-
ner und freyer Natur, die aber auch wunderschön ist.
Ich besuche in dieser herrlichen Jahreszeit die Umgegend
von Tunis fehr oft, Die herrlichen Gärten und die
schönen Landhäuser machen einen wohlthätigen Eindruck
auf mich. Zuweilen treffe ich Mohamedaner vor ihren
Landhäusern, die in gemächlicher Rnhe sitzend, ihre Pfeife
schmauchen. Ich geselle mich zu ihnen und wir sprechen
dann von allerlei gleichgiltigen Begebenheiten, bis wir
endlich auch auf religiöse Materien kommen. Vor eini-
gen Tagen ging ich schon sehr frühe zum Thore hinaus.
Versunken in die herrliche Landschaft mochte ich vielleicht
eine Stunde gegangen seyn, als ich vor dem Landhause
eines vornehmen Mauren fand, der mit einem Gelehr-
ten in der Nähe des Hauses auf dem weichen Rasen
saß, seine Pfeife schmauchte und sich mit ihm unterhielt.
197_
Ich trat hinzu, wurde zum Niedersitzen eingeladen, wel
ches ich auch gern that. Unser Gespräch lenkte sich bald
auf die Religion. Der Gelehrte bat, ich möchte ihn
die Anzahl unserer göttlichen Schriften angeben. Ich
that es und hob den Inhalt derselben ganz kurz heraus,
Als ich geendet hatte, wunderte sich der Mohamedaner
nicht wenig über die geringe Anzahl derselben, und sagte
mir: wir Moslemim haben deren nicht weniger als 104,
welche von Gott durch den Engel Gabriel den Prophe
ten gegeben wurden, Zehen dieser Bücher erhielt Adam;
50 Seth; 30 Henoch; 10 Abraham – diese Väter
halten die Mohamedaner alle für Propheten –; die
Thora erhielt Moses; die Psalmen der König David; das
Evangelium der Propheten Jesus und endlich der Pro-
phet Mahomed den Koran, der von Ewigkeit, und nicht
geschaffen ist. Alle diese Bücher feyen unter Mohame-
danern anzutreffen, versicherte mich dieser Gelehrte. Ich
aber sah nur die Bücher, die Adam erhalten haben soll.
Die Mohamedaner zählen aber auch nicht weniger
als 124,000 Propheten und Gesandten Gottes
an die Menschen: machen aber einen Unterschied zwi-
fchen einem Propheten und einem Gesandten Gottes.
Der Prophet Nabi, sagen sie enthält zwar eine Offen-
barung Gottes, aber nur für sich, die er mitzutheilen
nicht nöthig hat. Dagegen der Gesandte Gottes, Ra-
198
fuhl, werde immer zu einem Volke gesendet und zwar
mit einem bestimmten göttlichen Auftrag an dieses Volk.
Jede Nation hatte einen Gesandten Gottes gehabt. Mo-
hamed ist der letzte, größte und beste Prophet gewesen.
Dieser ist mit dem Koran zu allen Menschen von Gott
gesendet; auch zu den Geistern. Es giebt deren, welche
gläubig und deren welche ungläubig sind. Salomon
aber ist das Oberhaupt aller Geister, von welchem eine
Menge Fabeln erzählt werden. Auch eine Menge von
Heiligen zählen die Moslemim. Der größte ist Abu-
bekar, Schwiegervater Mohameds, diesem folgt Omar
diesem Osman nnd diesem Ali.
Engel gibt es in der mohamedanischen Theologie
gute und böse. Die guten werden in verschiedene Klaf
fen eingeheilt. Einige umgeben den Thron Gottes; an-
dere sind auf der Erde; andere im Himmel; einige ste-
hen immerdar; andere liegen und wieder andere knieen.
Einige singen immer Loblieder zur Ehre Gottes; andere
haben den Auftrag alle Handlungen der Menschen nie-
derzuschreiben. Der Engel Gabriel ist der größte,
stärkste und schnellste. In einer Stunde legt er die
Reise vom Himmel zur Erde zurück. Er ist so stark,
daß er mit einem feiner Flügel Berge versetzen kann.
Er ist auch derjenige Engel, welcher Menschen im Na-
men Gottes straft. Der Engel Agrail empfängt die
199
Seelen der Menschen nach dem Tode und Israfil
hat die Posaune in Verwahrung, mit welcher er am
jüngsten Tage blafen wird. Die bösen Engel, an deren
Spitze Eblis steht, verführen die Menschen,
Keine Lehre aber ist schrecklicher als die mohame-
danische Lehre von der Prädestination. Das erste
was Gott geschaffen, sagt ihre Glaubenslehre, ist die
Feder, dann die Tafel, Luach, und dann befahl
Gott der Feder die Schicksale aller Menschen auf die
Tafel zu schreiben. Auf dieser Tafel nun stehe. Alles,
was von Ewigkeit her geschehen ist und in alle Zukunft
geschehen wird. Die Frömmigkeit der Gläubigen und
ihre guten Handlungen sind voraus gesehen worden,
gewollt, bestimmt verordnet, und gegraben auf die Tat
fel, hervorgebracht, gut geheißen und geliebt von Gott.
Ebenso ist der Unglaube der Gottlosen, die Laster und
alle schlechten Handlungen derselben von Gott vorausge-
sehen, gewirkt durch Gottes Willen und durch ihn her-
vorgebracht. Diese Handlungen werden aber weder von
Gott gut geheißen, noch mit Wohlgefallen betrachtet.
Gott sieht voraus, will, bringt hervor, liebt und gibt
den Glauben, die Frömmigkeit und alles, was gut ist;
allein er liebt nicht die Gottlosigkeit, den Unglauben
und alles, was böse ist; obschon er im Voraus sieht,
wirkt und will die verschiedenen Werke. Daher ist nach
200
1.
- t
EA
diesen Grundsätzen das Gute und das Böse von Gott
voraus bestimmt, durch ihn hervorgebracht und von ihm
gewollt. Daher kommt es, daß die Mohamedaner sich
nicht mit dem Studium der Medizin befassen, keine An-
falten gegen Pest, Cholera c, herstellen wollen; denn
Alles ist ja vorher bestimmt. Daher aber auch ihre
persönliche Tapferkeit gegen den Feind; denn keine Ku-
gel trifft und kein Säbel schneidet, es sei denn von
Gott voraus bestimmt.
201
XXV.
Tunis, den 18. Dezember 1835.
Vorgestern machte ich einen kleinen Ausflug nach
Abdulia, dem schönen Landsitz des englischen Konsuls,
Diese herrliche Residenz liegt 10 englische Meilen von
der Stadt entfernt in einer sehr fruchtbaren Ebene, an
welche sich Hügel reihen, die voll der köstlichsten Frucht-
bäume stehen. In der Nähe dieses Landsitzes traf ich
einige Mauren. Unsere Unterhaltung kam bald zu dem
Punkte, über den sich die gelehrten Mauren vorzüglich -
gerne mit Christen unterhalten. Ich habe noch keinen
Mohamedaner gesprochen, der nicht völlig von dem Da-
seyn Gottes und von der Unsterblichkeit der Seele über-
zeugt gewesen wäre; dagegen hörte ich hier oft mit Ab-
scheu von solchen Europäern sprechen, die beides leug-
nen. Die mohamedanische Dogmatik legt Gott folgende
Eigenschaften bei: Leben, Allwiffenheit, Allhö-
rend, Allfehend, Allmacht, Sprache, Willen.
Gott hat nicht seines Gleichen, hat keine Bedürfniffe
noch Schwachheiten der Menschen, Er ist nicht gezeugt
202
und zeugt nicht. Er hat weder Frau noch Sohn
noch Tochter. Er ist nicht im Himmel, nicht auf der
Erde. Er hat weder Wohnung noch Aufenthaltsort.
Er ist weder zur Linken noch zur Rechten, weder fern
noch nahe, weder oben noch unten: er ist überall. Er
hat weder Form noch Gestalt, weder Theile noch Farbe,
er ist unsichtbar. Er hat weder Anfang noch Ende.
Er ist unabhängig, hat weder Krankheit noch Verdruß,
noch Furcht. Er ist keiner Veränderung unterworfen,
Er war ehe die Welt war. Er bedarf niemanden und
kann. Alles ausführen. Gott hat alles geschaffen, er ist
Urheber aller menschlichen Handlungen, der Tugend fo-
wohl als des Lastes, des Guten als des Bösen, des
Glaubens als des Unglaubens. Er gibt Gesundheit
und sendet Krankheit. Er macht daß das Feuer brennt
und daß der Schnee kalt ist.
Wird ein Moslim krank, so besuchen ihn seine
Freunde um ihn zu trösten. Ein Arzt wird selten zu
Rathe gezogen und in den meisten Städten und Dör-
fern ist gar keiner anzutreffen, wenn nicht etwa ein
Christ sich damit beschäftigt. Der Trost, den sie dem
Kranken zurufen besteht darin: Bedenke, daß wir alle
sterben müssen, daß alle deine Freunde gestorben sind
oder später sterben müssen und daß in dieser Welt alles
vergänglich ist. Des Kranken. Angesicht wird alsdann
203
gegen Morgen gerichtet und er spricht: La Allah illa
Allah, Machmet Rafuhl Allah so lange fort bis
er den Geist aufgegeben hat. Jetzt kommen alle seine
Frauen und brechen in ein fürchterliches Geschrei aus,
zerraufen sich die Haare, zerkratzen sich das Angesicht
und geber den sich sehr jämmerlich. Ist der Verstorbene
reich, so werden Klageweiber gemiethet, welche noch fürch-
terlicher schreien und heulen als seine eigenen Frauen.
Der Leichnam wird sodann gewaschen, in Tücher ein-
gehüllt und mit Parfüm durchräuchert. Jetzt kommt
ein Imam, Priester, liest über den Todten einige Ab-
fchnitte aus dem Koran und bittet Gott um Verzeihung
der Sünden des Verstorbenen, War der Verstorbene
reich und angesehen, so wird die Leiche in eine Moschee
getragen, daselbst werden von dem Mufti über ihn
einige Gebete gelesen und dann mit ihm zum Grabe
geeilt. Auf dem Wege dahin wird von der Begleitung
das La illah c, gesungen. -
Die Mohamedaner glauben, sobald der Todte i
seinem Grabe ruht, sobald kommen zwei Engel Mon-
ker und Nekir zu ihm, welche dem Todten folgende
vier Fragen zur Beantwortung vorlegen. Wer ist dein
Gott? Wer ist dein Prophet? Was für Religion hat
du? Was hast du für eine Kibla? Ist der Verstor-
bene ein Gläubiger, so antwortet er: Mein Gott ist
204
Allah, mein Prophet ist Mohamed, meine Religion ist
der Islam und mein Kibla ist die Kaaba – Tem-
pel in Mekka. – Sobald diese Anworten erfolgt sind,
erfreuen ihn die Engel mit allerley Vergnügungen.
Ist der Todte aber ein Ungläubiger gewesen, so kann er
auf diese Fragen nicht antworten und er wird alsdann
gemartert. Ueber den Zustand der Seele bis zum Auf
erstehungstag sind die Meinungen der Gelehrten sehr
verschieden. Sie haben in diese Lehr viel von den jü-
dischen Fabeln angenommen. Die Hauptansichten da-
rüber sind folgende: Die Seelen der Gottlosen kommen
nach dem Tode an einen furchtbaren Ort, die Hölle,
die Seelen der Halbböen bleiben auf dem Grabe ihres
Leibes, die Halbguten kommen in das Paradies. Da-
selbst steht ein ungeheuer großer Baum, auf den die
Seelen sich setzen und warten bis der große Gerichts-
tag anbricht. Die Guten aber können im Paradies
herum fliegen wie und wohin sie wollen. Allein an
jedem Freytag begibt sich die Seele auf ihr Grab.
Deßwegen besuchen auch die Mohamedaner an diesem
Tage die Gräber ihrer Verwandten und unterhalten
sich mit den sich daselbst unsichtbar aufhaltenden See-
len. Erst nach der Auferstehung gelangen die Moha-
medaner in das eigentliche Paradies, welches der Koran
bezeichnet. Diese Zeit, glauben sie allgemein, fey nicht
_205_
mehr sehr ferne, In wenigen Jahren wird Konstanti-
nopel von den Christen erobert werden, dann steigt das
Elend der Moslemim anfs Höchste; aber es wird ihnen
auch zu eben dieser Zeit Hilfe werden. Es wird der
jüdische Messias Defchal erscheinen, viele Leute ver-
führen – das Bild dieses jüdischen Messias wird ganz
so, wie die Bibel den Antichrist zeigt, dargestellt –;
dann wird Jesus vom Himmel herab auf den Thurm
der Moschee zu Damascus fahren, den falschen Messias
tödten, den Islam bekennen, 40 Jahre lang noch auf
der Erde leben, sterben, und fein Grab neben dem
Grabe Mohameds finden. Jetzt wird der große Mehdi
erscheinen, Konstantinopel erobern, die ganze Erde sich
unterwerfen und alle Menschen die den Islam nicht an-
nehmen wollen, ermorden und der Glaube der Mosle-
mim wird alsdann auf der ganzen Erde herrschen.
Wann dieses geschehen feyn wird und Gott den großen
Gerichtstag haben will; so befiehlt er dem Engel Js-
rafil die Trompete zu blasen. Sobald dieses gesche-
hen ist, stirbt jedes lebende Wesen auf der Erde und
die Erde bleibt 40 Jahre in diesem Zustande. Dann
erhält Israfil abermals Befehl. in die Trompete zu
foffen. Jetzt stehen alle Todten auf. Die Propheten,
die Heiligen und die Gläubigen finden schöne Kleider,
womit sie sich bedecken und paradiesische Pferde, auf die
206
sie sich setzen und unter den Thron Gottes vor der
großen Sonnenhitze fliehen, die auf die Ungläubigen
fällt und die grausam martert. Diese Marter soll nach
der Meinung einiger Gelehrten 1000, nach andern noch
mehrere Jahre; ja einige wollen sogar die Ungläubigen
50,000 Jahre von der Sonne brennen laffen.
Sind diese Jahre abgelaufen, so erhält jeder Mensch
ein Buch, in welchem eine Handlungen aufgezeichnet
stehen. Diese werden gewogen, und find die guten
schwerer als die bösen, so kommt er in das Paradies;
sind sie leichter und es betet kein Prophet oder Heiliger
für ihn, oder Gott vergiebt ihm nicht, so muß er in
die Hölle; daselbst bleibt er bis er seine bösen Hand-
lungen abgebüßt hat. Eine Ewigkeit der Höllenstra-
fen gibt es nicht. Ueber die Hölle weg führt eine
Brücke, die nicht breiter ist als die Schneide eines De-
gens. Die Frommen gehen ohne Furcht darüber, die
Gottlosen aber fallen hinab ins höllische Feuer.
Vor dem Paradies fammelt jeder Prophet sein
Volk, Moses die Juden, Jesus die Christen, Mohamed
feine Anhänger. Jeder Prophet lagert sich mit feinen
Leuten vor einem groffen Wafferbecken, aus welchem sie
sich erfrischen. Das Wafferbecken des Propheten Moha-
med Elkevfir ist das größte. Der Durchschnitt des
felben ist eine Monatsreise lang, um dasselbe herum
207
liegen goldne Schalen mehr als Sterne am Himmel
sind. Dieser bedienen sich die Gläubigen zum Trinken.
Das Waffer im Becken ist köstlicher den Milch und
füßer als Honig und wer einmal davon getrunken hat,
dem dürstet nimmermehr. Die Gläubigen, welche in
das Paradies kommen, altern nicht, sondern bleiben,
wie sie find und genießen alle die Freuden, die Moha-
med feinen Anhängern versprochen und die im Koran
bis zum Eckel wiederholt werden.
In Europa wird viel darüber gestritten: ob Mo-
hamed das weibliche Geschlecht von dem Paradiese aus-
schließt oder nicht? Es gibt ausgezeichnete Orientalisten,
die das Ausschließen des weiblichen Geschlechts hartnäckig
behaupten, dagegen auch andere, welche es eben so strenge
vertheidigen. Ohne über das Eine oder das Andere
abstimmen zu wollen, so glaube ich, es könne dem auf
merksamen Koranleser nicht entgehen; daß Mohamed
feine Versprechungen, wie feine Drohungen nur an das
männliche Geschlecht richtet und nur dieses verpflichtet
die Gebote zu beobachten und fast nirgends, oder wo es
dennoch geschieht, da wird im Vorübergehen von den
Frauen gesprochen. Auch sind es ganz andere Frauen
die Mohamed feinen Anhängern im Paradiese verspricht
als ihre irdischen. Und nirgends sagt er, daß die Frauen
der Moslemimen in jene paradiesische Jungfrauen ver-
208
wandelt werden sollen. Wenn man überdieß im Lande
des Halbmondes in das eigentliche mohamedanische Leben
blickt, und beobachtet wie das weibliche Geschlecht be-
handelt wird, so kann man nicht anders als glauben,
die Männer gedenken nicht daran ihre Frauen in das
Paradies mitzunehmen. Die Frauen beten felten, gehen
nicht in die Moschee, können in der Regel weder lesen
noch schreiben, dürfen nie mit dem Manne ausgehen,
nie mit ihm zu Tische sitzen, und selbst die Schwester
sagt zum Bruder Sidi, mein Herr! Nur um der
Kinder willen hat der Mohamedaner feine Frauen.
Zwar enthält die Sura Elraad eine Stelle, die also
lautet: Die geduldig aushalten, die das gesegnete Wohl
gefallen ihres Herrn suchen, die das Gebet zur bestimm-
ten Zeit beobachten, die von den Glücksgütern, welche
wir ihnen beschieden haben, öffentlich und im Verborge-
nen den Armen zukommen laffen, und die das Böse
vergelten mit Gutem, die sollen das Paradies zur Woh-
nung haben und in die Gärten Edens sollen sie ein-
treten mit allen, die sich mit guten Werken beschäftigt
haben, mit ihren Aeltern, Weibern und Angehörigen.
Allein dieß ist nur den frommen Mohamedanern zur
Belohnung versprochen; wenn sie dieses erfüllen, dann
sollen auch ihre Weiber mit ihnen ins Paradies kom-
men. Allein der Inhalt dieses wird ja nicht an die
209
Frauen selbst gerichtet, was nirgens der Fall ist. Ich
habe hier mit einigen Gelehrten schon über diesen Punkt
gesprochen, jetzt fragte ich meinen Gelehrten abermals:
warum denn Mohamed der Frauen in dieser Beziehung
gar nicht gedenke? Er antwortete: die Frauen seien der
Männer Eigenthum, folglich gehören sie an den Ort
ihrer Männer als Dienerinnen. – -
Das Paradies hat acht verschiedene Eingänge und
eben so viele verschiedene Aufenthaltsorte. Daselbst ist die
Erde voll von Wohlgerüchen, alles übrige ist von Sil-
ber, Gold und Edelsteinen. Auch die Hölle hat sie
ben Abtheilungen und nur die Wachabia glauben
an eine Ewigkeit der Höllenstrafen. Alle übrigen Mo-
hamedaner glauben, daß die Seelen aus der Hölle
können erlößt werden: durch Fürbitte der noch Lebenden,
durch Allmosengeben, durch Lesenlaffen des Korans, durch
Fürbitte der Heiligen und Propheten und durch Begna-
digung Gottes: sonst müsse die Seele nach Verhält
niß ihrer Sünden die Strafe selbst abbüßen. Diese
sind zwar verschieden, Feuer ist aber immer die Haupt-
strafe, Gebiffen werden von großen Schlangen und Skor-
pionen, Baden im heißen Waffer und die beständige
Gesellschaft der Dämonen sind ebenfalls Strafen, die in
der Hölle statt finden,
14
210
XXVI.
Tunis, den 24. Dezember 1835.
Die Residenz des Bey liegt eine Stunde von Tu-
nis entfernt nnd heißt Bordo. Hier wohnen auch die
meisten Minister. Die europäischen Konsuln begeben
sich zuweilen hieher, um dem Bey die Aufwartung zu
machen und ihm die Hand zu küssen. Der englische und
französische Konsul aber haben diese nicht sehr ehrenvolle
Sitte bereits aufgegeben und dieß hat nichts geschadet,
Seit dem Falle von Algier sind die sonst sehr stolzen
Tunifier etwas gedemüthigt und halten sich dem Aeußern
nach zu urheilen, freundlich zu den Christen. Die An-
zahl aller Christen zu Tunis mag sich auf 2,000 See-
len belaufen. Viele sind die Nachkommen ehemaliger
Sklaven, hier geboren und erzogen haben sie die Sprache
und die Sitten, die Gebräuche und den Aberglauben
der Mauren angenommen. Andere find später eingewan-
dert, wie die Spanier, Italiener, Malteser, Franzosen tc.
welche sämmtlich der katholischen Confession angehören.
Die katholische Kirche besitzt hier ein Kapuzinerkloster
_211
mit einer geräumigen Kirche und acht Mönchen. Die
Anzahl der Malteser beträgt an 600 Seelen; Griechen
hat es hier auch mehrere Hunderte, welche eine für sich
bestehende Gemeinde bilden, eine eigene Kirche und ei-
nen Geistlichen haben! Die Zahl der evangelischen Chri-
ften beträgt im Ganzen 40 Seelen, bestehend aus den
Familien der englischen, amerikanischen, dänischen, schwe-
dischen c. Konsuln und einigen Kaufleuten. Seit einem
Jahre haben sie sich in eine Gemeinde gesammelt und
ich halte, wenn ich hier bin, an den Sonntagen Got-
tesdienst und predige in englischer Sprache.
Ich hatte vor einigen Tagen eine sehr interessante
Unterredung mit einem Mufti, der im Rufe großer
Gelehrsamkeit steht. Ich erklärte ihm die Bergpredigt.
Er feinerseits machte mich bekannt mit den Pflichten der
Moslemim. Er mußte bekennen, daß der Inhalt die
fer Rede einen höhern, reinern und göttlichern Gehalt
habe als die Pflichten, die der Koran anbefiehlt. Diese
find vorzüglich: Der Glaube an den einigen Gott,
das Gebet an den fünf bestimmten Stunden
zu verrichten, das Fasten am Ramadan, das
Allmofen geben und wallfahren nach Mecka.
Der Mohamedaner muß ehe er das Gebet verrichtet,
sich waschen. Dieß geschieht auf dreifache Weise. Es
wird erstens der ganze Leib vom Kopf bis zur Fußsohle
14 *
921) /
gewaschen. Dieser Reinigung sind insbesondere die Ver,
heiratheten unterworfen. Es werden zweitens das Ge-
ficht, der Bart, die Hände, die Arme bis an den Ellbo-
gen und die Füße bis an die Knie gewaschen, welches
jedesmal vor dem Gebet statt finden muß. Es muß
ferner drittens der Ort, an welchem das Gebet verrich-
tet werden soll, rein, gewaschen, feyn. Ist der Moha-
medaner verhindert in die Moschee zu kommen um zu
beten: so verrichtet ers in seinem Hause, gewöhnlich auf
dem Dache und kann dieses auch nicht sein, in der Werk
stätte, im Laden oder auch auf dem Felde. Nichts
aber kann denselben abhalten ein Gebet zu verrichten,
wenn die bestimmte Stunde kommt. Das erste Gebet
wird mit Sonnenaufgang verrichtet. Die Gelehrten be-
haupten dieses Frühgebet fey von Adam selbst angeord-
net worden. Das zweite wird des Mittags abgehalten
und dieses soll von Abraham befolgt und befohlen feyn.
Die dritte Gebetsstunde ist um 3 Uhr, und diese Stunde
habe Jonas bestimmt. Das vierte Gebet wird mit
Sonnenuntergang verrichtet und dieses habe Jesus
bestimmt. Das fünfte wird mit Einbruch der Nacht
verrichtet und diese Stunde habe Moses gewählt und
angeordnet.
Wenn der Mohamedaner betet, so wendet er das
Gesicht immer nach Morgen, hebt die Hände in der
213
Art empor, daß er mit jedem Daumen ein Ohr berührt,
Ist er in dieser Stellung, dann wird allemal die erste
Sura des Korans und noch eine andere beliebige her-
gesagt. Der nichtgelehrte Mohamedaner spricht eine der
kleinsten, der Gelehrte dagegen eine größere Sura, Ist
dieses geschehen, dann kniet er nieder, berührt mit der
Stirne die Erde und sagt Allah hu akbar, Gott ist
groß, oder der Erhabendste. Dieses wird jedesmal nach
einer Sura wiederholt und zwar dreimal. Ist dieses
geschehen, so fährt er mit der flachen Hand über die
Augen, streicht sich den Bart, sieht rechts und links und
sagt Salem alaicum: Friede mit euch. Dieß wird
deßwegen gethan, weil sie glauben, die Engel stehen wäh-
rend des Gebetes ihnen zur Rechten und zur Linken
und merken auf das der Gläubigen. Beten, sagte ich
zu meinem Mufti, kann man dieß doch wohl nicht
nennen. Es ist ja nur ein Hersagen einiger Suren
und der Inhalt dieser ist ja für viele ganz unverständ-
lich. Denn wie kann man folgende Worte aus der 108.
Sura ein Gebet nennen: Wahrlich, wir haben dir El-
kevfir gegeben, darum bete zu deinem Herrn und richte
dich auf; denn fürwahr, der dich hafft, soll auch des
Schweifes beraubt werden. Er gestand meiner Behaup-
tung das Recht zu, meinte aber, der Prophet habe es so be-
fohlen. Die Stunden des Gebets werden von dem Thurm
„“
214
Minaret, der Moscheen bekannt gemacht. Ein dazu
bestellter Mann steigt auf den Thurm, steckt eine weise
Fahne aus und ruft nach Leibeskräften: Gott ist mäch-
tig! Für alle bin ich Gott! Es ist kein ande-
rer Gott! Für alle bin ich Mohamed, der Ge-
fandte Gottes! Hieher kommt zum Gebet!
Hieher kommt, um euch niederzuwerfen vor
Gott! Gott ist mächtig! Es giebt keinen an-
dern Gott, als Gott!
Man siehet hier fast keinen Muselmann, der auf
Anstand Anspruch macht, ohne die Corona, den Ro-
senkranz, in der Hand zu haben und mit derselben zu
beten, vom Kadi bis herab zum Unteroffizier. Sogar
während man mit ihnen spricht geschieht es. Das Ge-
bet besteht in Lobpreisungen Gottes. Er spricht: Ge-
lobet fey Gott! Gott ist groß! Gepriesen fey Gott! Und
jedesmal rollen einige Kügelchen herab. Dieses Rosen-
kranzbeten wird für sehr verdienstlich gehalten.
Der Mohamedaner unternimmt keine Arbeit, kein
Geschäft, es fey groß oder klein, ohne vorher zu sagen:
Bismillah, im Namen Gottes! Ist die Arbeit ge-
than, oder das Geschäft abgemacht, so sagt er: gelobet
fey Gott! Vor dem Effen sagt er Bismillah, tritt
er in die Stube und ich sage zu ihm: fetze dich, so sagt
215
er Bismillah! Stehet er auf, um sich zu entfernen, so
sagt er wiederum Bismillah!
Jeder Muselmann muß, sobald er 14 Jahre alt
ist, während des ganzen Monats Ramadan, Mitte
Januar bis Mitte Februar, vom Aufgang bis zum Nie-
dergang der Sonne fasten. Während dieser Zeit darf
nicht geraucht, nicht geschnupft werden; ja sogar den
Geruch der Speisen einzuathmen ist verboten. Ist aber
die Sonne untergegangen, dann überläßt er sich der
größten Ausgelaffenheit. Die Männer schwärmen bis
nach Mitternacht in den Straffen herum oder auf den
Kaffehäusern. Inzwischen werden auch die Moscheen
besucht, die bis nach Mitternacht beleuchtet sind. Ist
aber dieser Monat abgelaufen dann beginnt ein großes
Fest, welches drei Tage währt. Kein Maure arbeitet
während diesen drei Tagen; sondern ißt, trinkt und geht
spazieren. Die Neger, deren es eine große Anzahl hier
hat, sowohl freie als auch Sklaven, ziehen unter trom-
meln und pfeifen durch die Straffen und führen ihre
Nationaltänze auf
Allmosen, soll nach den Vorschriften des Propheten,
der zehnte Theil des Einkommens gegeben werden. Ich
bin aber des Glaubens, daß die wenigsten Mohameda
ner dieser Vorschrift gehorchen. Mein Bedenken hier
über theilte ich meinem Mufti mit und bat ihn mir zu
21 (§
sagen, wie die Moslemim ihr Gewissen beruhigen können
über eine so grobe und so häufige Verletzung des Ge-
fetzes. Er war überrascht über diese Bemerkung und
wußte lange nichts Wesentliches zu antworten. Endlich
fiel ihm ein, die Heiligen und Propheten vermögen diese
Sünde abzubitten. Ganz ruhig wurde er über diesen
Punkt nicht, so lange er bei mir war. Ich stellte ihm
die Nothwendigkeit einer göttlichen Versöhnung vor,
er mußte mir dieses einräumen und sagte, er wolle die-
fen wichtigen Punkt reiflich überdenken.
Jeder Mohamedaner ist auch verpflichtet einmal
im Leben nach Mecka zu pilgern. Diese Vorschrift wird
vielleicht am gewissenhaftesten vor allen andern gehalten.
Die Reise nach Mecka ist aber gewissermaßen als eine
Vergnügungsreise anzusehen, die den Moslemin aus
feiner alltäglichen Ruhe herausreißt. Die Reichen mat
chen sie mit großem Gefolge und Prunk. So oft Pilg-
rime von hier abreisen oder aus andern Städten und
Ländern hier durchziehen werden sie von einer Menge
Volks mit vielen Fahnen bis zur See begleitet. Dabei
wird immer gesungen: La illah illah Allah Mahu-
med rafuhl Allah. Die Armen pilgern von einer
Stadt zur andern und arbeiten in einer jeglichen bis
sie so viel erarbeitet haben, um ihr Reise weiter fort-
fetzen zu können, oder sie treiben unterwegs einen klei
217
nen Handel, mit welchem sie sich forthelfen. So ge-
schieht es, daß diese oft zwei, drei und mehrere Jahre
auf dieser Pilgrimfahrt zubringen. Zu Mecka ange-
kommen, wird zuerst der Tempel, Kaaba, besucht, der
von Abraham und Ismael erbaut fey, und in welcher
sich ein schwarzer Stein mit Mohameds Tritte eingetre-
ten befinden soll. Dieser Stein wird geküßt, und so
dann mehreremale um den Tempel herum gewalt. Ist
dieses geschehen, so begiebt sich der Pilgrim in das Thal
Mnia, in welches er einige Steine wirft, zum Anden-
ken an Abraham, der in diesem Thale, als er feinen
Sohn opfern wollte, von dem Satan versucht wurde, um
Gott ungehorsam zu feyn. Abraham aber nahm Steine
und warf sie nach dem Verführer, und trieb ihn auf diese
Art von sich. Ist dieses geschehen, dann gehet der Pilgrim
zum Brunnen Semifem und trinkt aus demselben. Dieß
soll der nämliche Brunnen feyn, den der Engel Hagar
zeigte, als sie Abraham wegschickte. Endlich wird noch
das Grab des Propheten besucht und sodann die Rück-
reise angetreten. Viele Pilgrime besuchen auch den Berg
Sinai und Jerusalem, Kommt nun der Wallfahrer
glücklich in seinem Vaterort an, so hat er das Recht den
rothen Turban zu tragen und Anspruch auf den Ehren-
titel Sidi Elhatsch, Herr Pilgrim.
218
XXVII.
Tunis, den 28. Dezember 1835.
Vorgestern wurde ich von einem bekannten Mau-
ren zur Beiwohnung einer feyerlichen Trauung in einer
der hiesigen Moschee geladen. Ich fäumte nicht mich
bei dieser Zeremonie einzufinden. Ehe dieser Act in der
Moschee vorgenommen wird, ist bereits schon. Alles
durch den Vater des Bräutigams und der Braut abge-
macht, ohne daß sich die zu Vermählenden je gesehen
noch weniger gekannt haben, Ist der Handel geschloss
fen, so wird ein Tag bestimmt, an dem die Verlobung
vor dem Mufti vollzogen werden soll. An diesem Tage
verfügen sich die Väter, Braut und Bräutigam, die
männlichen Anverwandten beiderseits zu einer festgesetz-
ten Stunde in die Moschee. Der Mufti von der vor-
zunehmender Hankung bereits in Kenntniß gesetzt, er
wartet die ganze Versammlung. Einer der Väter er-
klärt jetzt öffentlich das Vorhaben und der Mufti spricht
hierauf den Segen über das neue Paar aus, Sobald
dieses geschehen ist, wird ein Trunk herumgereicht, von
21)
welchem zuerst der Mufti dann die Väter, dann die
Neuvermählten und sodann alle Anwesenden kosten.
Wohlriechendes Waffer wird jetzt über die ganze Gesellschaft
ausgegoffen und mit Weihrauch wird geräuchert, von den
Mufti wird ein Gebet hergesagt und die hochzeitliche
Feyer ist vorüber. Ich ließ die Gesellschaft abgehen und
blieb noch eine kurze Zeit vor der Moschee stehen, um
mich mit einigen Gelehrten zu besprechen. Warum fragte
ich, sind diesen neuen Eheleuten nicht die Tugenden, die
sie üben und die Laster, die sie fliehen sollen nach dem
Gesetze erklärt und eingeschärft worden? Weil dieses
nicht nöthig zu seyn scheint, war die Antwort. Warum
nicht? Es stehe. Alles im Koran und jeder Muselmann
ist verpflichtet diesen zu lesen und darnach zu thun.
Welches sind nun die Haupttugenden, die der Musel-
mann üben muß? Geduld, Vertrauen auf Gott,
Dankbarkeit gegen Gott, Gottesfurcht, Aufrich-
tigkeit, Demuth, Gutes von den Nächten denken,
Wahrheit, Frömmigkeit c. Und welches sind die
Laster, die er zu fliehen hat? Das Richten des Näch
fien, die Heucheley, den Neid, den Stolz, die
Selbstgefälligkeit, den Haß – d. h. wenn er
jemanden haßt, der reicher und beffer als er selber ist,
Haß gegen die Ungläubigen ist aber erlaubt, ja sogar
lobenswerth, – die Liebe dieser Welt, Ehrgeiz,
220
übertriebene Hoffnung, Vergnügungsfucht,
Furcht vor Armuth, Halsstarrigkeit, Freffe-
rey c. Das ist Alles gut, und so stehts im Koran ge-
schrieben und so sagen die Vorschriften der Gesetzeslehrer!
Aber fagt mir, und bekräftiget es bey eurem Haupte,
ob ihr einen Mohamedaner kennet, der diese Tugenden
alle übt und diese Laster alle meidet? Hier stockten sie
und wußten nicht zu antworten. Ich zeugte ihnen nun,
daß der Mensch mothwendig durch Vergebung der Sün-
den Gnade bey Gott finden muß und bat, sie möch-
ten diesen Punkt reiflich überlegen,
Eigentliche Festtage hat der Mohamedaner nicht.
Der Freytag ist zwar eine Art von Feyertag, doch nur
so, daß jeder trachtet in die Moschee zu gehen, um da-
felbst zu beten. Nach der Gebetsstunde wird aber gear-
beitet, wie an den andern Tagen. Hier werden noch
am Freytag von 12 bis 1 Uhr, während das Gebet
verrichtet wird, alle Stadtthore geschloffen; weil die
Tradition fagt, daß einst die Christen an einem Freytage
um diese Zeit die Stadt angreifen werden. -
Das kleine und große Bairam, sind eigentlich
auch keine Feste in religiöser Beziehung, obgleich eine hi-
istorische religiöse Erinnerung zum Grunde liegt. Das
Andenken an die Aufopferung Ismaels, nicht Ifaaks,
wie die Türken behaupten. Das erstere folgt gleich nach
221
dem Ramadan und währt drei Tage. Jeder wohlhabende
Mohamedaner schlachtet ein Schaf und theilt davon den
Armen mit. Dieß ist die ganze religiöse Handlung, die
übrige Zeit wird mit Effen, Trinken, Spielen c vergeu-
det, wie oben schon berichtet ist. Das letztere folgt
70 Tage nach dem erstern und währt gewöhnlich 7 Tage,
ob es gleich nur 4 Tage dauern sollte. Andere Feste
kennen die Mohamedaner nicht.
Ich hatte eine merkwürdige Unterredung mit einem
gelehrten Mauren. In der Bibel, sagte er, kam ehe-
mals der Name Achmed Mohamed, vor. Die Chri-
sten und die Juden haben aber diese Stelle verfälscht.
Ich antwortete: Das Alte und Neue Testament reicht
ja viele Jahrhunderte über die Geburt Mohameds hin-
aus? Juden und Christen haben daffelbe Alte Tstament.
Es ist daher nicht möglich, daß eine solche Verfälschung
statt gefunden haben könne? Warum habt ihr denn
nicht einige Exemplare der unverfälschten Schrift auf
bewahrt, wenn eure Aussage wahr ist ? hierauf erwi-
derte er, mehrere Gelehrten behaupten, nicht der Text,
sondern die Auslegung der Christen fey falsch; denn der
Paraklet des Neuen Testaments sei kein anderer als
Mohamed. Ich wiederlegte ihm diesen Irrthum auf
das deutlichste und führte ihn auf die Nothwendigkeit
einer Versöhnung mit Gott. Er gab diese zu; allein
" . . 222_
er meinte durch Jesus könne diese Versöhnung nicht ge-
fchehen feyn, da er ja nicht gekreuzigt worden, und be-
rief sich auf eine Stelle im Koran, wo es heißt: Die
Juden geben vor, sie hätten Jesus, den Sohn Miriams
gekreuzigt. Sie haben ihn nicht gekreuzigt, sondern ei-
nen andern an seine Stelle. Gott hat Jesus zu sich in
den Himmel genommen. Zu dieser Stelle sagen die Aus-
leger: Gott habe das Gesicht eines bösen Juden so ver-
wandelt, daß es wurde wie das Gesicht Jesu und die
fen haben die Juden gekreuzigt. -
XXVIII,
Tunis, den 6. Januar 1836.
Da mich die Hand Gottes in die Nähe des einst
so berühmten Karthago geführt, so fäumte ich nicht
diese in der Geschichte höchst wichtigen Stadt, welche
jetzt die Vergänglichkeit predigt, zu besehen. Oft bin
ich über ihre Ruinen geritten, oft auf den Trümmern
dieser ehemaligen Größe umhergewandelt, niemals aber
durchschritt ich diese Steine, ohne mit Wehmuth an die
Vorzeit zu denken, an Amilkas und Asdrubal,
an Hannon und Bomilkas, an Magon, Han-
nibal und Imilkon; an Tertullian, Cyprian,
Arnobius und Lartanz c, Ich bestieg oft den Hü-
gel, von welchem aus man die Stadt überschauen konnte,
und wo, nach Virgil, Aeneas faß, um ihre Herrlichkeit,
Pracht und die Geschäftigkeit der Bewohner zu bewun-
dern. Im Jahre 800, nach andern 890, vor der Ge-
burt Christi landete die königliche Dido, welche der
Raubsucht ihres Bruders Pygmalion listig entronnen,
224
-
an der Rordküste Afrikas und gründete eine Kolonie an
den Ufern des Meeres. Lange fchweigt nun die Ge-
schichte von ihr, dann aber hören wir, daß Karthago
eine der schönsten und reichsten Städte der Welt fey,
umgeben mit einer dreifachen Mauer, versehen mit ho-
hen Thürmen, und von 700.000 Einwohnern bevölkert,
herrschend über einen Theil von Spanien, über Sicilien,
über mehrere Inseln des Mittelmeeres und über das
jetzige Reich von Tunis. Wir hören, daß sie 3Cerxes
unterstützt, mit Agathokles in Afrika, mit Pyrrhus
auf Sicilien kämpfte, wodurch der Krieg herbeigeführt
wurde. Regulus gieng nach Afrika und besiegte die
Karthaginenser in mehreren Treffen, eroberte Tunis,
das damals schon eine bedeutende Stadt war, und stand
vor ihrer Stadt. Grausam behandelte er die Gefange-
nen und auf ihre Beschwerden antwortete er stolz: Man
muß entweder suchen zu siegen, oder suchen den Sieger
zu unterwerfen. Karthago bat jetzt um Frieden, er
wurde nicht gegeben. Entrüstet griff es zu den Waf-
fen und ein tapferer Spartaner , welcher das Heer
der Karthager führte, schlug jetzt Regulus und nahm
ihn gefangen. Doch Rom fähickte neue Truppen, und
noch fünfundzwanzig Jahre wüthete der Krieg, der
erste punische geheißen. Mit dem Frieden ging für
Karthago Sicilien, der Preis zweihunderjähriger An-
225
strengung, nebst den kleinen Inseln des Mittelmeeres
verloren. 2200 Talente mußten in Fristen, und 100
sogleich bezahlt, die Gefangenen ohne Lösegeld entlaffen
werden.
Zwei und zwanzig Jahre lebte jetzt Karthago in
Frieden mit Rom, jedoch nicht ohne innere Störung.
Da brachen auf Sardinien die Miethstruppen der
Karthager in Empörung aus. Die Römer, anscheinend
um Karthago zu helfen, setzten Truppen über, behielten
die Insel für sich, und forderten noch überdieß 1,200
Talente Unkosten, Karthago muthlos, unterschrieb. Aber
jetzt rettete Hamilkar fein Vaterland wieder durch glän-
zende Thaten im Innern und durch Eroberung nach
Auffen, Spanien. Er fiel in einer Schlacht mit den
Lufitanern. Als drubal ergriff jetzt das Schwert in
Spanien und zwar mit Erfolg. Er fiel nach achtjähri-
ger, glorreich geführter Macht, durch Meuchelmord. Jetzt
wurde Hannibal von dem Heere zum Feldherrn er-
koren und vom Senate bestätigt. Im zweiten Jahre
feiner Macht griff Hannibal das den Römern verbün-
dete Sagunt an, eröffnete hierdurch den von den Rö-
mern ersehnten Krieg. Von Sieg zu Sieg führte Han-
nibal seine Krieger, überstieg die Pyrenäen und die
Alpen und kam nach Italien, nur um zu siegen, wie
es schien. Aber geschwächt und ohne Verstärkung
- 15
_226_
aus dem fernen Vaterlande zu erhalten, konnte er sich
zuletzt kaum noch halten. Jetzt trug Scipio, der junge
römische Konsul, den Krieg nach Afrika. Die Karthager
wurden durch ihn schwer bedrängt. Vergebens suchten
sie durch Waffen, vergebens durch Unterhandlungen den
Sturm zu beschwören. Keine Hoffnung als Hannibal
ist ihnen geblieben. Man ruft ihn aus Italien zurück
und mit Seufzen verläßt er den Schauplatz seines Ruhms.
Bei seiner Ankunft in Afrika erhebt sich der Muth der
Karthager wieder. Hannibal war von Leptis über
Adrometum nach Zama gegangen, und hier, fünf
Tagreisen vor Karthago, traf er auf das römische Heer.
Zweihundert und zwei Jahre vor Christi Geburt schlug
gen die beiden größten Feldherren ihrer Zeit die Schlacht
vor Zama, und Hannibal wurde gänzlich geschlagen.
Seine 5000 Veteranen, grau geworden im Kriege, blie-
ben hier bis auf den letzten Mann, Er selbst rettete
sich nur mit einem sehr kleinen Theil seines Heeres nach
Adrometum. Von dort wurde Hannibal nach der
Hauptstadt gerufen, die er 36 Jahre lang nicht mehr ge-
fehen hatte. Es wurde beschloffen auf jede Bedingung
den Frieden zu erhalten. Karthago lieferte alle seine
Elephanten und alle seine Kriegsschiffe bis auf 10 Tri-
remen aus, zahlte an Rom innerhalb 50 Jahren 10.000
Talente, 26,058,270 Gulden, Kriegskosten, behält nur
227
seine Hauptstadt mit dem alten Gebiet in Afrika, ic,
Von diesem Friedensschluß bis zum Jahre 140 vor
Christi Geburt hatte Karthago Ruhe vor den Römern.
Es erholte sich durch die Industrie der Bürger und durch
die weite Verwaltung Hannibals. Allein die Eifer
sucht und der Neid Roms ruhete nicht eher, bis ihm
abermals der Krieg erklärt wurde, indem der alte Cato
jede Rede im Senate mit den Worten: und endlich sage
ich noch, Karthago muß zerstört werden, schloß. Ein
Vorwand dazu wurde bald gefunden, die feindliche Be-
handlung von Seiten Karthagos, die es gegen einen rö-
mischen Bundesfreund, Maf kiniffa, des Königs von
Numidien, übte, der nicht fehr fern in feiner schönen
nnd befestigten Stadt Cirta, immer schlagfertig gegen
Karthago stand, gab Veranlassung. Die beiden Konsuln
Marcius und Manlius, erhalten den Auftrag
mit 84,000 Mann nach Sizilien und von da nach Afrika
überzugehen, und den Krieg nicht eher zu enden, als bis
Karthago zerstört sei. Der dritte punische Krieg be-
ginnt. Karthago wird aufgefordert die römische Armee
mit Lebensmitteln zu versehen; es geschieht. Es wird
aufgefordert, alle Waffen ins römische Lager abzuliefern,
und nothgedrungen geschieht auch dieses. Als aber die
treulosen Römer Karthago aufforderten, ihre Stadt
niederzureißen und eine andere zu bauen, weit weg vom
15 *
wir
228
Meere und ohne Mauern; da ergriff die Stadt die äuft
erste Verzweiflung. Einmüthig wurde beschloffen ihre
theure Stadt zu retten oder zu sterben. Gegen die sieg
gewohnten Legionen hielt sich die hilflose Stadt helden-
müthig bis ins dritte Jahr. Da führte Scipio Ae-
milianus feine Krieger vor, und ließ stürmen. Vor
her schon mußte sich Asdrubal Feldherr der Kartha-
ginenser, welcher ein Miethsheer von 20.000 Mann
außerhalb der Stadt befehligte, in diese zurückziehen.
Die Mauern wurden überwältigt und der Kampf zog
sich jetzt von Straffe zu Straffe fechs Tage lang, bis
endlich die überhandnehmende Flamme Stillstand gebot.
Von 700.000 Einwohnern blieben nur 50.000 am Le-
ben, welche sich in die Burg, Byrsa, geflüchtet hatten,
worunter Asdrubal mit dem Rest feiner Truppen war.
Dieser übergiebt jetzt die Veste an die Römer. 900 rö-
mische ueberläufer im Dienste Karthagos, über den Ver-
rath ihres Anführers in Wuth gesetzt, stecken den noch
unversehrten Tempel des Aeskulap in Brand und
stürzen sich in die Flamme. Als drubals Gemahlin,
um zu zeigen, daß sie die Handlungsweise ihres Ge-
mahls verabscheue, stürzt sich und ihre Kinder ebenfalls
hinein. 17 Tage wüthete das Feuer in dieser herrlichen,
übergroßen, unglücklichen Stadt und machte sie zum
Aschenhaufen. Selbst Scipio war bewegt, als er von
229
ferne die dunkelrothe, himmelansteigende Lohe der unter-
gehenden Stadt fahe, die 750 Jahre lang Beherrscherin
des Meeres war. Mit einem ahnenden Blick auf das
künftige Schicksal Roms hörte man ihn die homerischen
Verse aussprechen: Einst wird kommen der Tag,
da die heilige Ilias hinfinkt, Priamos felbst
und das Volk des lanzenkundigten Königs.
Das Land der Karthager wurde von den Römern theils
an das nahe Utika geschenkt, theils von ihnen in Be-
fiz genommen, und von 10 aus Rom abgeschickten
Commiffarien in eine römische Provinz verwandelt,
Später erhob sich nochmals über den Trümmern des
alten ein neues Karthago, fchon unter Tiberius
Grachus angelegt, vom Julius Caesar vollendet
blieb es noch Jahrhunderte hindurch die Hauptstadt
der römischen Provinz an der Nordküste von Afrika.
Vor Mitte des fünften Jahrhunderts kamen die Van-
dalen, nachdem sie ganz Europa in Schrecken gesetzt
hatten, unter ihrem Anführer Genferich oder Geife-
rich nach Afrika, und eroberten im Jahr 439 nach Christi
Geburt das neue Karthago, jetzt eine reiche römische
Kolonie und fiften in dem Theile von Afrika, den sie
den Römern abgenommen, das berühmte vanda-
lische Reich, welches sich über hundert Jahre erhalten,
bis es Justinian durch einen tapfern Feldherrn Be-
230
liar zerstören ließ. Mit 10.000 Fußsoldaten und
5000 Reitern schiffte sich Belisar im Sommer des
Jahres 533 nach Christi Geburt im Hafen von Kon-
stantinopel ein und segelte der Nordküste Afrikas zu, lan-
dete zu Leptis, ging über Adromet um gerade auf
Karthago zu, und befreundete sich überall den Eingebor-
nen durch die strengste Mannszucht. Bald nach feiner
Landung zog er als Sieger in Karthago ein, befestigte
die Stadt und zerstörte in kurzer Zeit das Reich der
Vandalen in Afrika. Karthago erhielt einen römischen
Stadthalter, Eparchen, und wurde abermals das
Haupt einer römischen Provinz. Belisar kehrte schon
im Jahre 534, ein dritter Scipio, nach Konstantino,
pel zurück. - -
Das Christenthum hatte schon sehr frühe in Kar-
thago und dessen Umgebung Wurzel gefaßt. Bereits zu
Ende des zweiten Jahrhunderts tritt eine weit hin ver-
breitete Kirche Christi aus der Dunkelheit in dieser Pro-
vinz hervor. Tertullian sagt, daß zu dieser Zeit viele
Tausende jedes Geschlechts und Standes dem Christen-
thume gehuldigt, und Karthago, die Hauptstadt des
prokonsularischen Afrikas scheint vorzüglich eine Pflanze
schule des Evangeliums für die römischen Provinzen die
fes Welttheils gewesen zu seyn, Die christliche Kirche
erstarkte seit dieser Zeit immer mehr an dieser Küste und
231
breitete sich landeinwärts aus. Da erschienen die Van-
dalen, ein grausames Volk, und zerstörten die schöne Pflan
zung. Wie ein verheerender Strom überschwemmten sie
das Land. Die römischen Legionen mußten ihnen überall
weichen. Genferich war mit feinen wilden Haufen,
nicht lange zuvor, von arianischen Geistlichen, zu ei-
nem leeren Namenchristenthum bekehrt worden. Und da
gerade bei seinem Erscheinen die afrikanische Kirche in-
nerlich gespalten und tödlich verwundet war durch die
blutigen Anfeindungen der Donatisten und Arianer,
entschloß sich der Vandalenfürst, um bald festen Fuß
und einen mächtigen Anhang im Lande zu gewinnen,
auf die Seite der verfolgten Arianer überzutreten, und
mit Feuer und Schwert die katholischen Kirchengemein-
fchaften zu verfolgen. Kaum hatte er daher Karthago
erobert, als er die Geistlichkeit der Landeskirche blutig
verfolgte. Die standhaftesten Bischöfe der Kirche und
andere angesehene Männer mußten entweder ihre Stellen
verlaffen oder sich als Leibeigene ergeben. Den dama-
ligen Bischof zu Karthago, ließ er mit seinen Geist-
lichen, von Allem entblößt, auf ein leckes Schiff brin-
gen, das jedoch trotz aller Gefahr glücklich in Neapel
einlief. Die Verfolgungen der rechtgläubigen Geist
lichen dauerte mit einzelnen Unterbrechungen fort, so
lange die Vandalenherrschaft dauerte. Es sollen wäh-
239
rend dieses Zeitraums 54 Bischöfe aus der pro konfu-
larischen Provinz, 125 aus Numidien, 120 aus
Mauritania, 107 aus der Provinz Pyzamen c,
im Ganzen 464 Bischöfe verbannt und verjagt worden
feyn, aus deren Zahl 88 zu Karthago vor ihrer Abreise
in die Verbannung unter den erlittenen Mißhandlungen
das Leben eingebüßt haben. -
Nach Zerstörung der Vandalenherrschaft auf der
Nordküste Afrikas durch Belisar schien mit der neuen
Regierung des griechischen Kaisers Justinian, eine neue
und bessere Zeit für die christliche Kirche in diesen Thei-
len angebrochen zu feyn; allein fie theilte mit dem zer-
fallenen griechischen Reich, dem sie jetzt einverleibt war,
daffelbe sittliche Verderben, und eben darum auch daffelbe
Strafgericht Gottes, das sich hundert Jahre später gleich
einer schwarzen Gewitterwolke an seinen östlichen Gren
zen zusammenzog.
Schon im Jahre 647. rückte das siegreiche Heer
der mohamedanischen Araber in Nordafrika ein. Der
Chalife Othman, auch Osman, dritter Nachfolger
Mohameds, zerstörte das oströmische Reich, so wie die
Kirche Christi in demselben. Eine mehrtägige, blutige
Völkerschlacht, welche der arabische Feldherr Abdallah
gegen den römischen Heerführer Gregorius gewann,
entschied über das Schicksal der blühenden Provinzen
233
des nördlichen Afrikas, und die Kirche Christi in dem
selben mußte Jahrhunderte lang das harte Sklavenjoch
der Araber tragen, bis sie endlich von dem blutigen
Schwerte des Islam auf allen Seiten verdrängt, der
Herrschaft des Halbmondes für die kommenden Tage
weichen mußte. Karthago wurde gänzlich zerstört,
und seit dieser letzten Zerstörung ist die einst so berühmte
Stadt immer mehr von der Erde verschwunden. Jetzt
geht der Pflug über die ehemaligen volkreichen Straffen
und der Hirt lagert seine Heerde dahin, wo einst pracht
volle Gebäude gestanden, und der Wanderer geht gedan-
kenvoll durch die Steinhaufen, uud fragt sich wehmüthig:
Also hier stand einst Karthago?
Von Tunis bis zum Mittelpunkt der Ruinen von
Karthago sind 11 englische Meilen. Spuren derselben
aber erstrecken sich beinahe bis vor die Thore der Stadt
und nach der Gouletta. Einen guten Theil derselben
deckt auch der See von Tunis. In der Nähe des Ha-
fens von Karthago stehen jetzt mehrere schöne Landhäu-
fer, von den herrlichsten Gärten umgeben. Daselbst woh-
nen im Sommer die meisten europäischen Konsuln. Sehr
gut werden noch die Hügel unterschieden, auf denen einst -
das mächtige Karthago erbaut war, auf einem daselbst
steht das maurische Dorf Sidi Bufeth, eine sehr be-
rühmte Freistätte für Verbrecher. Nicht fern von diesem
234
Orte steht noch ein Thurm, erbaut durch Ludwig den
Frommen, König von Frankreich, und nahe dabei befindet
fich fein Grab. Zweimal bestieg ich diese Anhöhe, um die
herrliche Aussicht zu genießen. Ein Panorama von 60
Meilen im Umfange stellt sich dem Blicke dar. Zur Lin,
ken winkt das Vorgebirg Bona, Capa Bona, das
Dorf Soliman, die hohen Berge von Hamam en-
lief, die Veste und der Hafen von Gouletta, die
Bai und der See vor Tunis und die Stadt felbst.
Rechts das Dorf Ariana, der Busen des Mittelmeeres,
Porto Farino, oder Ghor el Mahla, am Aus-
fluß der Mejerda, und abwärts die Ruinen und Ebe-
nen von Karthago. Die schönsten Ueberreste dieser einst so
berühmten Stadt sind 14 noch gut erhaltene Zisternen,
von welchen jede 80 Fuß Tiefe und 20 Fuß. Breite hat.
Bruchstücke einer Wafferleitung, und Steinhaufen. Noch
bis auf den heutigen Tag werden viele alte Münzen
hier gefunden. Und es braucht nicht lange Suchens
und Wühlens um deren habhaft werden, denn ich fand
einige ohne große Mühe angewendet zu haben.
2
3
5
XXIX.
Tunis, den 12. Januar 1836.
Als die Araber im Jahr 647 die Nordküste von
Afrika überschwemmten, drangen sie siegreich bis zur klei-
nen Syrte, dem heutigen Reiche Tripolis, vor.
Jetzt aber hinderten sie einheimische Kriege ihre Erober-
ungen fortzusetzen, und mehrere andere Einfälle scheiter-
ten nach anfangs glücklichem Erfolge, Abd al Malek
schlug die einheimischen Partheien nieder und fandte
ihm Jahr 692 Haffan mit einem starken Heer, zur
endlichen Bezwingung Afrikas. Derselbe vollzog was
ihm geboten war; er eroberte das Land und die Städte
auf der Nordküste von Afrika: auch die alte Königin
Ka rthago, jetzt noch Hauptsitz der bürgerlichen Indu-
strie und der Kriegsmacht. Dreimal wurde diese ehr-
würdige, unglückliche Stadt erstürmt und jetzt legte sie
Haffan ganz in Asche. -
Aber auch diese Eroberung war nicht von Dauer. Die
Mauren, welche vor dem ungestümmen Angriff der
Araber in die Thäler des Atlas geflohen waren, bra-
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chen jetzt, im Jahre 698, daraus hervor, mit fanati
scher Wuth und vereint unter der prophetischen Fahne
ihrer Königin Cahina. Ihre barbarische Art Krieg
zu führen zerstörte, was noch von Denkmalen alter
Kunst und Größe übrig war, in dem einst so blüht
enden, volk - und fädte - erfülltem Lande, welches aber
drei Jahrhunderte hindurch unausgesetzt durch innere
und äußere Stürme heimgesucht wurde.
Jetzt erscheint Mufa, Haffans Nachfolger auf dem
Schauplatz des blutigen Krieges, gesandt von dem Chat
lifen Al Walid mit feinen Söhnen Abdallah und
Abdalaziz nnd endigen im Jahr 709 diesen blutigen
Krieg. Erst nach vielen schrecklichen Niederlagen der ein-
heimischen Christen und Mauren und nach dem Verlust
von 300.000 Gefangenen, unterwirft sich alle Bevölker
rung dem Halbmond, gehorcht der Lehre des Korans,
nimmt selbst die Sprache der Sieger an und verschmilzt
hiedurch allmählig wie zu einem Glauben, so zu
einem Volke. Sitz und Macht der Araber wurde von
dem zerstörten Karthago nach Kairwan verlegt.
Bald darauf im Jahre 805 wurde das Reich Tunis
gegründet, früher schon Fez, im Jahre 788, später das
Reich Marokko, im Jahre 1069. Um diese Zeit wurde
Abou Ferez als König von Tunis ausgerufen, führte
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fiegreiche Kriege wider Marokko und erklärte sich zum
Sultan über sämmtliche Staaten der Berberei.
- Im dreizehnten Jahrhundert wurde in Frankreich
beschloffen einen Zug nach Tunis zu unternehmen und
im Jahre 1270 landete Ludwig der Heilige, König von
Frankreich, bey den Ruinen von Karthago, marschierte
gegen Tunis, geschlagen, starb er an der Pest und wurde
auf Afrikas Boden begraben. Seit dieser Zeit blieben
die Könige von Tunis in unbestrittenem Besitz ihres
Reiches bis ins fechzehnte Jahrhundert, und führten
in Gemeinschaft mit Algier, Tripolis nnd Marokko
einen verderblichen Krieg gegen die Christenheit, beraub-
ten ihre Schiffe und legten ihrer Mannschaft Sclaven-
ketten an. Da erschien im Jahr 1535 Karl der
Fünfte, König von Spanien mit einer Heeresmacht vor
Tunis und eroberte die Stadt. Er befestigte den Landungs-
platz Gouletta und ließ in Tunis die Burg Kafuba
erbauen. Er wollte seine Eroberung ausdehnen, wurde
POr Algier geschlagen und verlor alle seine Besitzungen
an der Nordküste. Hierauf erklärte sich der Sultan
Selim, der zweite, zum Schutzherrn über alle Staaten
der Berberei und bestimmte, daß jeder Staat durch
Pafcha regiert werden müsse. Er mußte aber diese
Verordnung bald wieder aufgeben und gestatten, daß
Mauren und Araber durch einen selbst gewählten Dey
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regiert werden. Dies geschah. Aber bald erlangte Al-
gier großen Einfluß und Tunis wurde bis zum Jahr
1684 von defen Dey regiert. In diesem Jahre schüt-
telte Tunis das Joch Algiers ab und wählte sich feinen
eigenen Bey, Namens Mohamed. Hierauf rückte
Algier mit einer bedeutenden Schaar vor Tunis, der
neue Bey flüchtete ins Gebirg und Algier ernannte ei:
nen Türken, Mohamed ben Chules zum Bey von
Tunis. Kaum aber waren die Truppen von Algier ent-
fernt, als der vertriebene Bey Mohamed mit einer
Armee Araber aus dem Gebirge herabrückte, Tunis an
griff und eroberte, die Türken wieder nach Algier jagte
und ruhig bis zu seinem Tode regierte. Ihm folgte
der Bruder Ramadan Bey, welcher aber nach kurz
zer Herrschaft von dem eigenen Neffen Murat getödtet
wurde. Doch auch dieser hatte kaum die Zügel der Re-
gierung erfaßt, als ihm ein gleiches Loos durch den
Scherif Ibrahim zu Theil wurde. Dieser saß nicht
lange auf dem Throne, als er genöthigt war den An-
griffen Algiers abzuwehren; wurde aber in einer Schlacht
gefangen und nach Algier gebracht. Jetzt wählte das
Heer Haffan ben Ali, einen Renegaten der grie-
chischen Kirche, von welchem in gehöriger Reihenfolge
die heutigen Bey von Tunis abstammen. Der gefangen
gehaltene Scherif Ibrahim entkam und wagte sich
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in das Reich Tunis, um sich einen Anhang zn verschaf,
fen, wurde aber ergriffen und auf Befehl Haffan ben
Ali ermordet. Haffan ben Ali hatte kein besseres
Loos, ihn stürzte sein Neffe Ali und verbanten ihn
nach Sufa. Als er es später wagte sich des Reichs
wieder zu bemächtigen, wurde er ermordet, feine zwei
Söhne entkamen glücklich nach Algier. Der Regent
daselbst ein Feind Ali Bey zog mit einer Armee nach
Tunis, eroberte die Stadt ließ Ali Bey ermorden
und hob Machmet, ältesten Sohn des Haffan ben
Ali, auf den Thron. dieser starb bald nach feiner Er-
hebung und hinterließ zwei minorenne Söhne Machmur
und Ismael. Ali, Bruder des Verstorbenen regierte
jetzt im Namen der minderjährigen Kinder feines Bru-
ders, wußte es aber vor seinem Tode dahin zu bringen,
daß sein Sohn Hamuda, als Bey ihm nachfolgte.
Hamuda wurde auch wirklich im Jahre 1780 zum
Bey erhoben. Dieser war einer der verständigten Män-
ner, die je den Thron dieses Reiches besaßen, Er sprach
arabisch, türkisch und italienisch, ihm verdankt das Reich
viele nützliche Einrichtungen und Verbesserungen, er fam-
melte eine Armee von 40.000 Mauren und 6000 Tür-
ken, reinigte das ganze Land von Räubern und regierte
mit Umsicht und Klugheit, 30 Jahre saß er auf dem
Throne des Reichs, und als er an einem Abend des
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Ramadan eine Taffe Kaffe zu fich genommen hatte,
fiel er tod vom Stuhle. Der Kaffe war vergiftet. Os-
in an dessen Bruder bestieg nun den Thron. Noch leb-
ten aber Machmut und Ismael die rechtmäßigen
Thronerben. Diesen gelang es Osmann und dessen
beiden Söhne tödten zu laffen und Machmud bestieg
im Jahr 1815 den Thron. Nicht lange hatte er die
Zügel der Regierung in der Hand, als eine Verschwö-
rung die der Sachab Ettaba, des Bey Tochtermann,
leitete. Sie wurde entdeckt, der Sachab Ettaba und
mehrere Personen sowohl schuldige als unschuldige mußten
deßwegen bluten. Nur 5 Jahre regierte Machmut.
Nach dessen Tode wurde Haffan, dem man, außer dem
Antheil an der Mordthat feines Oheims und feiner
Neffen, nichts vorzuwerfen weiß, als weichliches schwelge-
risches Leben auf den Thron gesetzt. Haffan starb
im Mai des vorigen Jahres und dessen Bruder Mu-
stafa bestieg nach feinem Tode den Thron, von dem
man nun Vieles erwartet.
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