Z227668905

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- - - * = - - Österreichische Nationalbibliothek +Z227668905 Wiſgerbriefe aus dem heiligen Tande. Von Dr. Anton Jerſch6aumer. Wien, 1863. Mechithariſten-Congregations- Buchdruckerei. Uamensverzeichniſ der P. T. Protektoren, Mitglieder, Theilnehmer und Pränumeranten des Vereines zur Verbreitung guter kath. Bücher. 1 0 5 0 – B --- - ---- - -..-- -T- - - -T- - -- - --- -- -- -- - - - – - * - - --- - - - -- - --- - S-- - - - - ----- --- ------ - --- - - - - -- -- -- - - - > - -- - –---- ---- - - - - -3 - - 8. - - - - - - - - - - - - - - - - ---- -sº ----- - -- --- -.--- -- - - - ------ - -- - -- - - - - -E-- - - - - - - - ----- --" - - -- - - - - - - - - - - - --3-- - -- es - --- - -- - - - - - -- -- -- - --- - - - -- - -- - - . - - - - - - - - ..-- - - - - -: . .---:------ - -- -z-- ----- --- - “ -- -----*- --- -- s- - -- - - - - - - -- - - - - ----- z-:: - ; sº ------. ---- - --» - - -2:- ----- ----- - -- - - 5 -- ---- - :-- ------z» --- e-- --- » --- -- - - -- - - --z- - - -- - - - - ---- - - ---- -- ----- --«- . 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Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzherzogin Sophie etc. etc. Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Karl Ludwig etc. etc. Ihre k. k. Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzherzogin Maria Annunziata etc. etc. Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Ludwig Viktor etc. etc. - Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Albrecht etc. etc. Ihre k. k. Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzherzogin Hildegarde etc. etc. - Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Carl Ferdinand etc. etc. Ihre k. k. Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzherzogin Eliſabeth etc. etc. * * - Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Wilhelm etc. etc. . . * » Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Sigmund Leopold etc. etc. Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog Rainer Ferdinand etc. etc. - Ihre k. k. Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzherzogin Maria etc. etc. - - Seine k. k. Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog - - - - - - Ludwig etc. etc. Seine königliche Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzherzog “Franz v. Oeſterreich-Eſte, Herzog v. Modena etc. etc. Ihre königliche Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzher- zogin Adelgunde von Oeſterreich-Eſte, Herzogin vo Modena etc - Seine königliche Hoheit der durchlauchtigſte Herr Erzher- zog Maximilian von Oeſterreich-Eſte, etc. etc. "Ihre königliche Hoheit die durchlauchtigſte Frau Erzher- zogin Maria Beatrix von Deſterreich-Eſte, Infantin von Spanien etc. etc. - ºr . . . - –=Sºss– . . ? - - - - Da von vielen der Hochw. Conſiſtorien die Pränumerations- Liſten noch nicht eingelangt ſind, – wir jedoch mit der Veröffent- lichung nicht länger warten können, ſo ſind hier blos die bis jetzt ein- gelaufenen Pränumeranten verzeichnet und wird ſeiner Zeit von den ferner eintreffenden Liſten ein Nachtrags-Verzeichniß ausgegeben werden. -u«a«Nº e 2– Erz-Diöeeſe Wien, P. T. Mitglieder. Abnehmer von 6 Eremplaren, Se. Eminenz der Hochgeborne Hochwürdigſte Herr Herr Othmar Rit- ter von Rauſcher Cardinal Fürſterzbiſchof von Wien etr. Se. Hochw. u. Gnaden Herr Dr. Helfersdorfer, Abt bei den Schot- ten. etc. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Mislin Abt und Domherr. Se. Hochw. u. Gnaden Herr Domherr Stöger, Schulenoberaufſeher. Se. Hochw. u. Gnaden Herr Conſiſtorialrath Etzk. k. Hofcaplan u. Pfarrer. - - - : -- Se. Hochwürden und Gnaden Herr Dechant Willim, Pfarrer. Se. Hochw. u. Gnaden Herr P. Georg Patiß, Provinzial der Geſell- ſchaft Jeſu. - Se. Hochwürden und Gnaden Herr Ant. Krottenthaler, Pfarrer f. e. b. Conſ. Rath und Rector bei den Piariſten. Se. Hochwürden Herr P. Martin Derler, Superior der P. P. Lazza- riſten. - Se. Hochwürden Herr Dr. Anton Gruſcha, Domprediger bei St. Stephan. Se. Hochwürden Herr P. Urban Loritz, Pfarrer am Schottenfeld. S. Hochwürden Herr Martin Tentſchert Pfarrer zu St. Ulrich. Se. Hochw. der Hochgeborne Herr Ludwig Graf s odensee Se. Hochwürden Herr Schloßraplan Seitl in Schönbrunn. Hochwürdiges Barnabiten-Collegium zu St. Michael. - Hochwürdiges Barnabiten-Collegium am Mariahilf. Se. Hochgeboren Herr Graf von Fries. - Se. Exzellenz Herr Baron von Buol. - - Se. Hochwohlgeboren Herr k.k. Hofrath von Weber, - Se. Hochwohlgeboren Herr k.k. Hofrath Friedr. Hurter, , Se. Hochwohlgeboren. Herr Georg von Schwarz, k.k. Conſul. .. Se. Hochwohlgeboren. Herr Leopold von Hofmann, k. k. Legation rath... . . . . . . -, Se. Hochwohlgeboren. Herr Joſ. Aigner, Official beim k.k. Ju- ſtizminiſterium. Ihre Wohlgeboren, Frau Th. The her. - -- Herr Ignaz Mattis, Hauseigenthümer, Vorſtand und Mitglied mehrerer k. Vereine. . . - Herr Sebaſtian Gräff, Handelsmann, Vice Präſes und Ausſchußmit- - glied mehrerer k. Vereine. . . . - Lt, rº . . - - f. T. Theiluehmer und Pränumeranten: : Se. Hochwohlg. Herr Prof. Dr. Ludw. Arndt, t. k. Regierungs- rath.-t: - - Ihre Durchlaucht Fürſtin Wilhelmine von Auersperg geb. Fürſtin Colloredo-Mannsfeld. Se. Wohlgeboren. Herr Joſ. Bauer, Hausinhaber in Lieſing, .. Se. Hochwürden. Herr Michael Baweg, Pfarrer in Stixneuſiedl. - Se. Hochwürden Herr Anton Berger, Pfarrer in Wipersdorf. - Se. Hochwohlgeboren. Herr Baron von Biegeleben, k. k. Hofrath. Se. Hochgeboren Herr Max- Graf von Biſſingen, - - Se. Hochgeboren Herrn Ferdinand Graf von Biſſingen. - - - Herren Blaſchka u. Comp. Se. Hochwürden Herr Gerard Bäumel, Cooperator. - - Seine Exzellenz Herr Graf von Blome, k.k. Geſandter. Se. Hochwohlgeboren. Herr Herrmann von Born, k. k. Hofrath. - Ihre Hochwohlgeboren Frau Freiin von Breuner, geb. Reichsfreiin von Münch-Bellinghauſen, k. k. Hofrathswitwe. - - Hochwürdige Pfarre in Buchberg, Poſt Neunkirchen. . . Ihre Excellenz Frau Baronin von Buol. . - Se. Hochwürden Herr Rupert Burger, Cooperator: r . . Se. Hochwürden Herr Dr. Thomas Chriſt, Domherr... Ihre Hochwürden Herren Chryſowon und Method, Prediger des Kapuziner-Ordens. - - - - Se. Wohlgeb. Herr Joſef Chwalla, Fabrikant... 3. - - Se. Wohlgeb. Herr Joſef Colognati. - - - - - - Se. Hochwürden Herr Carl Czernig: » Se. Hochw. Herr Czernohorsky, fürſterzb. Curprieſter bei St. Stefan. Löbliche Damen-Leihbibliothek am Bauernmarkt-3,2... ... sº Se. Hochwürden Herr Joh. Dienſtl, Pfarrer in Pernegg...: Se. Hochwürden Herr Carl Dietrich, Rector im fürſterzbiſchöfl- Knabenſeminar. r Ihre Excellenz Frau Sophie Gräfin von Dietrichſtein. - Hochw. Herr Franz Fab. Dinghofer, Cooperator in Penzing. sº Herr Döll Eduard 3 Exemplare. 73, ft Herr Joſeph Effenberger, k.k, Bezirksarzt in Hietzing S 3 Se. Hochwürden Herr Johann Engel, Director der k.k. Oberreal- ſchule am Schottenfeld. Se. Hochwürden Herr Joh. Erkinger, Pfarrer in Hartmannsdorf. Löbliches Erziehungs-Inſtitut der P. P. Jeſuiten in Kalcksburg. Se. Hochwürden Herr Pet. Feltl, Pfarrer in Ottenthal. Se. Wohlg. Herr Joſef Fichtner, Hausinhaber. ...n, sº Herr Karl Fink, Bäckermeiſter in Lainz, Mitglied mehr.k: Vereine. Se. Hochwürden Herr Joh. Evang. Fliedl, Cooperator. . . . . Seine Erlaucht Herr Landgraf von Fürſtenberg - ſº Seine Erlaucht Herr Landgraf Fürſtenberg-Auersperg. Se. Wohlgeboren Herr Jac. Fuſſenegger in Pottendorf. - - Ihre Hochwohlgeboren Frau Baronin Louiſe von Graebe.... 2 Se. Hochwürden Herr Carl Götz, Pfarrer in Hanfthal... 3 Se. Hochwürden Herr Jakob Hain, Katechet bei St. Anna. - - Se. Hochwürden Herr Pfarrer Hanauska in Ebenfurth. - - Ihre Hochgeboren Frau Rudolfine Gräfin von Harrach, Stiftsdame Se. Hochwürden Herr Moritz Heeg, Cooperator. - - Ihre Wohlg. Frau Magdalena Helbig. - - - - Ihre Hochgeboren Frau Gräfin Caroline von Henſenſtein. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Herborn im deutſchen Hauſe. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Herzog in Schwarzenbach. Se. Wohlgeb. Herr Georg Hinterlechner, Realſchuldirector. Se. Hochwohlgeb. Herr Sections-Rath v. Hirſch. Herr Hofrath *** in Wien, Stadt. - - * - Frau Barbara Höfner, Buchhalterswitwe. Se. Wohlgeboren Herr Franz Holzinger, Armenvater u. Gemeinde- Ausſchuß. - » - - - Seine Excellenz Herr Baron von Hornſtein, k. k. Oberſt, r Se. Hochwürd. u. Gnaden Herr v. Hurez, Superior der Barmherzigen. Se. Excellenz Herr Graf von Huyn, k. k. General. Ihre Wohlgeb. Frau Barbara Iro. - Herr Joſef Jurſchitſchek. - - Se. Hochwürden Herr G. Kaſtner Pfarrer in Höflein. Se. Hochwürden Herr Adolf Kern Cooperator. Ihre Durchlaucht Frau Wilhelmine Fürſtin von Kinski, geb. Gräfin von Mannsfeld. Se. Hochwürden Herr Math. Kittner, Canonicus an der Collegiat- kirche zu St. Wenzel in Nicolsburg. Se. Hochwohlgeb. Herr Klinkowſtröm, k.k. Archivsconcipiſt. Se. Hochwürden Herr Mauritz Köhrer, Cooperator. Se. Hochwürden Herr Joſeph Kopetzky, Pfarrer in Göttlesbrunn. Se. Hochwürden Herr Kornheuſel, fürſterzbiſchöfl. Sekretair. Ihre Wohlg. Fräulein Marie Kothmeier. - Se. Wohlgeboren Herr Dr. Kraus, k. k. Sectionsrath. Herr Anton Krowot, Sechshaus Nr. 156. Se. Hochwohlg. Herr Joſef Krſowſki, Ritter v. Kroſowitz, Fabrikant. Seine Biſchöfl. Gnaden der hochwürdigſte Herr Dr. Johann Kutſch- ker, Weihbiſchof. etc. - Se. Hochwürden Herr Wolfgang Lauer, Pfarrer in Vöſendorf. Se. Wohlgeboren Herr Joſef Leange, Director d. mag. Conſeripti- onsamtes und Hausinhaber. - Se. Hochwürden Herr J. N. Leberl, Pfarrer in Dürnkrut. Se. Hochwürden Herr J. N. Lechner, Pfarrer in Alt-Lichtenwörth. Ihre Wohlg. Frau Libotzki, Inſtitutsvorſteherin. - Ihre Durchlaucht Frau Franziska Fürſtin von Liechtenſtein 2 Expl. Ihre Durchlaucht Frau Marie Fürſtin von Liechtenſtein. Se. Hochwürden Herr Robert Lintner, Pfarrer in Pfaffſtätten. Die Ehrwürdige Marie Ludovica, Oberin der Urſulinerinnen. Herr Ferdinand Maier, Sechshaus Nr. 124. - - Se. Hochwürden und Gnaden Herr Canonicus Mayer, Alumnats- Director. - - - - - - - - - - - - - - Herren Mayer und Comp, Buchhändler. Herr J. Mayr, Obercapitain der Donau-Dampfſchifffahrts-Geſellſchaft. Hochw. Herr Michael Mechtler, Pfarr-Cooperator in Reindorf. Se. Excellenz Herr Baron von Mecſery, k. k. Polizei-Miniſter. Frau Franziska Merva, Untermeidling Nr. 336. - - Ihre Hochg. Frau Gräfin von Merveldt geb. Gräfin Czernin. Ihre Durchlaucht Frau Hermine Fürſtin von Metternich. Se. Excellenz Herr Baron von Meyſenbug, Unterſtaats-Sekretär. Herr J. A. Moshammer, k. k. Obercommiſſair. Se. Hochwürden Herr Otto Mosmeyer, Cooperator. Ihre Hochwohlg, Frau Baronin von Münch. Se. Hochwürden Herr J. N. Nachtigall, Pfarrer in Leopoldsdorf. Se. Hochwürden Herr Martin Neuwirth, Director der Zollerſchen Hauptſchule. - Ihre Durchlaucht Frau Leopoldine Fürſtin von Palm. Herr von Patruban. Se. Hochwürden Herr Don Joh. B. Peter, Senior u. Jubilarprie- ſter zu St. Michael. - - Herr Johann Petſch, k.k, Rechnungsrath, Mitglied mehr. k. Vereine in Penzing. . . . Se. Hochwürden Herr M. Poppenberger, geiſtlicher Rath und Pfarrer. - - - Hochwürdiger Wiener Prediger-Convent. - - Herr Anton Prokſch, Braunhirſchen. ... - Se. Hochwürden Herr Ant. Putz, Pfarrer in Hausbrunn. . . - Se. Hochwürden Hrrr P. Alois Rakriſan, Subprior im Stift Schotten. - - Se. Hochgeboren. Herr Graf von Reiſchach, in Leopoldsdorf. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Reisleithner in Jedenſpeigen. Se. Hochwürden Herr P. Anſelm Ricker, Cooperator. Se. Hochwürden Herr Carl Rofler, Pfarrer in Guntersdorf. * - Ihre Hochgeboren Frau Gräfin von Salm. - Ihre Hochwohlg. Frau Baronin von Schloiſſnigg, geb. Baronin va Pilgram. . Se. Hochwohlgeboren. Herr Hofrath von Schmidt. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Schnabel in Zemling. . Se. Wohlgeboren Herr Ignaz Schör, Bürger. - - - - Ihre Wohlg. Frau Marie Schreiber. - - - - Se. Hochwürden Herr Chriſt. Schüller, Catechet bei St. Anna. Ihre Wohlg. Frau Anna Schwackhöfer. - Ihre Hochwohlg. Frau Anna Schwarz, Conſuls-Gattin. Se. Hochwürden Herr Heinr. Schwarz, Cooperator in Oberlaa. Ihre Wohlgeboren Frau Thereſia Seitz, Hausinhaberin. Se. Hochwürden Herr Setzer, Domprediger bei St. Stefan. Se. Hochwürden. Don Ludwig Siegl, Provinzial zu St. Michael und Conſiſtorialrath. Se. Hochwürden Herr Skrk anek, Seelſorger am Wiedner Spital. Se. Hochwürden Herr Heinr. Smirnitzki, Provinzial der hochw. Minoritten. Se. Hochwohlg. Herr Baron Auguſt von Spens, Miniſterial-Sekretair Se. Hochwürden Herr Norbert Stanko, Pfarrer. Ihre Wohlgeboren Fräulein Joſefine Stefko. - Se. Hochwürden Herr Cooperator Steiner. Se. Wohlg. Herr Joh. Georg Stetter, Armenfonds-R ngs-Führer und Chordirektor. - - - Ihre Excellenz Frau Emilie Gräfin von Szechenyi. Se. Hochwürden Herr Cooperator Vogl. Sr. Hochgeboren Herrn Graf Teodoro de Volo. Se. Hochwürden Herr Franz Wagner, Vice-Rector und Kirchen-- director im Piariſten-Pfarr-Collegium. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Waiſer. Se. Hochwürden HerrFranz Wald, Catechet am Blindeninſtitut. - - Ihre Hochgeboren Frau Joſephine Gräfin von Wallis. Ihre Hochgeboren Frau Gräfin von Wenkheim, geb. Gräfin - Zichy. iz Ihre Wohlg. Frau Anna Werner. - Se. Hochwürden. Herr Ant. Wieſinger, f. e. b. Conſ. Rath, Pfarrer in Hadres. - - - * Se. Hochwürden Herr Wilfing, Pfarrer in Trumau. – - Se. Hochwürden Herr Vinzenz Willim, Pfarrer in Oberwaltersdorf. Se. Wohlgeb- Herr Ign. Witteck. Se. Hochw. u. Gnaden. Herr Canonicus Zenner, k. k. Hofcaplan Ehrendomherr 2c. Herr Leopold Zehetgruber, Sechshaus Nr. 21. Herr Eduard Zeilinger, Fünfhaus Nr. 94. Ihre Excellenz Frau Molly Gräfin von Zichy-Ferrari. Ihre Wohlg. Frau Carolina Zinsler, Fleiſchhauerin 2 Exemplare. Ihre Wohlg. Frau Franziska Zinsler, Fleiſchhauerin, in Stockerau. -g-G-ORSO-D-2- cº - : - -- ' - - öe eſ eS - It . - D o ce e S t. Pö k el.: 5, 3 ? . . -an-« «. . . . . .“ .. P. T. Mitglieder: . . . . . - T. - - Se. biſchöfliche Guaden der Hochw. Herr Dr. I. Geigerle Biſchof von St. Pölten c. is . . * ! “ - «. . . « a. -- . . . . . . . . rr. Teilnehmer und Frinneranten Se. Hochwürden Herr Anton Erdinger, Vicerektor am Marianum in Krems. . . . . . . . . . . . . . . . . . ? Se. Hochwürden Herr Ignaz Humpel, Pfarrer in Zuggers.é: Se. Hochwürden Herr Carl Metz, Canonicus Dechant und Stadtpfar- rer in Tulln. . . . . . . . . un: - - . . . . . . . . . . . . - 9 a . . . . . . . . . D 0 c e e L in j: - - - P. T. Theilnehmer und Prättumeranten: - Se. Hochwürden Herr Ignaz Bauer, Pfarrer in Weichſtetten. Se. Hochwürden. Herr Friedrich Baumgarten, Stadtpfarrer in Wels. Se. Hochwürden Herr Breſelmaier, Pfarr-Vikar in Mehrnbach. Se. Hochwürden Herr Simon Brunner, Caplan in Riegersburg. Herr Vinc. Fink, Buchhändler in Linz. - Se. Hochwürden Herr J. C. Haidler, Pfarrer in Viechtenſtein. Se. Hochwürden Herr J. Höller, Cooperator in Urfahr-Linz. Se. Hochwürden Herr Michael Krakowitzer, Pfarrer in Altenberg. Se. Hochwürden. Herr P. Nivard Kohlendorfer, Pfarrvikar in Kirchdorf. Se. Hochwürden Herr Joſef Kratſchmer, Prieſterhaus-Direktor in Mitterberg. - . . . es 4 Se. Hochwürden Herr Cöoperator Obertimpfler in Trais- kirchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . Se. Hochwürden und Gnaden Herr Joh. Ezelsberger, Ehrendomherr Conſ. Rath, Dechant und Vorſtadtpfarrer in Wels... Se. Hochwürden Herr Michael Pauspertl von Drachenthal Pfarrer in Deſſelbrunn. Se. Hochwürden Herr Johann Pauzenberger, Cooperator in Nie- der Neukirchen. Se. Hochwürden Herr Cooperator Georg Reiſinger, in Iſchl. Se. Hochwürden Herr Johann Reſch, Pfarrer in Windhaag. - Se. Hochwürden Herr Wenzel Richter, Pfarrer in Partſchendorf Se. Hochwürden Herr P. Edmund Rogner, Pfarrer in Nusbach. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Nepom. Ign. Rotter, Abt von Braunau. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Dechant Schiedmayr, in Linz. Se. Hochwürden Herr Peter Schwarz, Pfarr-Adminiſtrator in Eitzing. Se. Hochwürden Herr Simon Schwarz, Hauptpfarrer in Riegersburg. Se. Hochwürden Herr Leopold Stimmböck, Pfarrer in Holzhauſen. Se. Hochwürden Herr Franz Thaninger, Pfarrer in Pöſtlinberg. Se. Hochwürden Herr Michael Ully, Pfarrer in Fehring. - - Se. Hochwürden Herr Franz Weilgung, Pfarrer in Wolfern. Se. Hochwürden Herr Fr. Weinmayr, Cooperator in Iſchl. Erz-Diöe eſ e Salzburg. P. T. Mitglieder: Se. Gnaden Herr Dr. Albert Eder, Abt des Benediktiner-Stiftes in Salzburg. P. T. Theilnehmer und Prännmeranten: Se. Wohlgeboren Herr Med. Dr. von Sauter in Salzburg. Se. Hochwohlgeboren. Herr Baron von Stillfried in Salzburg. Se. Hochwürden Herr Joſef Stadler, Vice-Dechant in Altmünſter. - -- - er; Di deeſe Prag r. T. Mitglieder: . - - - - Se. Eminenz der Hochw. Herr Friedrich Fürſt von Schwarzen- berg, Cardinal und Fürſt-Erzbiſchof in Prag. c. c. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Jacob Beer, Generalgroßmeiſter des ritterl. Ordens der Kreuzherren mit dem rothen Sterne e. in Prag. - Se. Hochwürden und Gnaden Herr Hieronymus Zeidler, Abt zu Strahoff in Prag. . r. T. Theilnehmer nnd Pränumeranten: Ihre Hochgeboren Frau Gräfin von Biſſingen, Stiftsdame im Da- menſtift in Prag Hradſchin. - - Se. Hochgeboren. Herr Graf von Biſſingen, Dienſtkämmerer Sr. Majeſtät Kaiſer Ferdinand I. in Prag. Se. Hochwürden Herr Vine. Bradac Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden Herr Herrmann Dichtl, k. k. Hofcaplan in Prag. Se. Hochwürden Herr Fr. Dittrich, Domkuſtos in Prag. Se. Hochwürden Herr Adalbert Hron, fürſterzbiſchöflicher Conſiſt. Canzler in Prag. - Se. Hochwürden Herr W. Houska, F. E. Secretair in Prag. Se. Hochwürden Herr Anton Iandaurek, Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Joh. Jareſch, Prior des Johanniter- Ritterordens c. , - - - - - - Se. biſchöflichen Gnaden Herr Peter Fr. Krejci, Weihbiſchof in Prag Se. Hochwürden Herr Albertus de Küffer, Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden Herr Dr. Joh. Marau, Domſcholaſticus in Prag. Privatbibliothek Sr. Majeſtät Kaiſer Ferdinands in Prag. Se. Hochwürden Herr Dr. Karl Prucha Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden Herr Fr. Plauzar Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden Herr Georg Sorger, Domcapitular in Prag. Se. Hochwürden Herr Nicolaus Tomek Domcap. in Prag. Se. Hochwürden Herr Dr. Adolf Würfel, Domcapitular in Prag. Diöe eſ e Königgrätz. P. T. Theilnehmer und Pränumeranten: - Seine biſchöflichen Gnaden der Hochwürdigſte Herr Dr. Karl Hanl, Bi- ſchof von Königgrätz. c. - - Se. Hochw. u.Gnaden Herr Johann Rais, infulirter Domdechant und Präſes des biſchöfl. Conſiſtoriums und Ehegerichtes in Kö- niggrätz. Se. Hochw. Herr Franz Pelikán, inful. Archidiacon und Kanzlei-Di- rektor des biſchöfl. Conſiſtoriums in Königgrätz. - Se. Hochw. u. Gnaden Herr Johann Janſa, Domſcholaſt in Königgrätz- Se. Hochw. u. Gnaden Herr Wenzel Hrdina. Domcapitular in König- gräß. Se. Hochw. u. Gnaden Herr Anton Kukla, Domcapitular in König- gräß. - - - - - - - - - - Se. Hochw. u. Gnaden Herr Leodegar Wacek, Ehrenkanonikus und Rektor im biſchöfl. Alumnate in Königgrätz. . . . Se, Hochw. u. Gnaden Herr Johann Klein, Spiritual des biſchöfl. Alumnates in Königgräß. . . . . . . . Se. Hochw. u. Gnaden Herr Franz Grusz, Subrektor im biſchfl. Sem- nar in Königgrätz. - - - Se. Ehrw. Herr Joh. Gottſtein, Alumnus des I. Jahres in König- gräß. Se. Ehrw. Herr Joſef Kudrn àé, Alumn. des I. Jahres in Königgrätz Se. Ehrw. Herr Anton Thim, Alumn, des I. Jahres in Königgrätz. Se. Ehrw. Herr Libor Schaner, Alumn. des II, Jahres in Königgrätz. Se. Ehrw. Herr Eduard Knopp, Alumnus des II. Jahres in Königgrätz. Se. Ehrw. Herr Guſtav Schourek, Alumn. des III. Jahres in König- gräb. . . . . . . . . . . . Se. Ehrw. Herr Ignaz Lhota, Alumn. des IV. Jahres in Königgrätz. Se. Ehrw. Herr Ferdinand Kutſcher, Alumn. des IV. Jahres in Königgrätz. Se. Ehrw. Herrn Wilhelm Helmich, Alumnus des IV. Jahres in Kö- niggräß. - 4 : , Löbl. biſchöfliche Seminar-Bibliothek in Königgrä Erz-D is eefe D m . . – – «. . . . . . r. 1. Mitglieder Seine fürſtliche Gnaden der Hochw. Herr Friedrich Landgraf von Für- ſtenberg, Fürſterzbiſchof von Olmüß. etc. etc. - Se. biſchöfl. Gnaden Herr Rudolf Freiherr von Thyſebaert, Weih- biſchof in Olmüß. - Se. Hochgeboren. Herr Graf Auguſt Sylva Taroucca k.k. Kämmerer und Herrſchaftsbeſitzer in Czech. * P. T. Theilnehmer und Pränumeranten: - Seine Erlaucht Herr Landgraf Ernſt von Fürſtenberg-Moſchtenitz in Prerau. - Se. Hochwürden und Gnaden Herr Freiherr von Pete ani, Domprobſt A in Olmütz. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Joh. Ritter von Wiedersperger, infulirter Abt und Domcapitular in Olmütz. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Wilh. Freiherr von Schneeberg, Domprälat in Olmütz. - Se. Hochwürden und Gnaden Herr Guſtav Graf von Belrupt, Dom- capitular und Hausprälat Seiner Heiligkeit in Olmütz. Se. Hochwürden Herr Freiherr von Weitterheim, Domcapitular in Olmütz. Se. Hochwürden Herr Heinrich Ritter von Spaun, Domcapitular in Olmütz. - Se. Hochwürden. Herr Dr. Joſ. Mikula Superior des Fürſt-Erz- biſchöflichen Seminars in Olmütz. - - Se. Hochwürden. Herr Joſ. Schebeſtik, Dompfarrer in Olmütz. Se. Hochwürden Herr Eduard B. von Unkrechtsberg, Stadtpfarrer und Probſt in Olmütz. " . . . . . . . . Se. Hochwürden Herr H. Schön, Pfarrer zum heiligen Michael in Olmütz. - - « . . . . . . Se. Hochwürden Herr Dr. Joſ. David, Vieeſuperior des fürſterzb. Seminars in Olmütz. - - Se. Hochwürden Herr Ign. v. Haas, Spiritual d. Fürſt-Erzbiſchöft. Seminars in Olmütz. - - - Se. Hochwürden Herr Dr. A. Klug, Adjunct im fürſterbz. Seminar zu Olmütz. Se. Hochwohlgeboren. Herr Baron von Danckelmann, k. k. Kämme- rer in Olmütz. - Ihre Hochwohlgeboren Frau Baronin von Danckelmann, geborne von Bartenſtein in Olmüß. Se. Hochwohlgeb. Herr Joſef von Eichhoff, Gutsbeſitzer in Olmütz. Ihre Hochwohlgeboren Frau Marie Baronin v. Eichhoff geb. Gräfin Hohenwart-Gerlachſtein in Oimütz. . . Se. Hochwohlgeboren Herr Joſef Jahn von Vonau, k. k. Bezirks- hauptmann in Olmütz. Se. Wohlgeboren Herrn J. Kreiml, Bürgermeiſter in Olmütz. Se. Wohlgeboren Herr Dr. Oswald Trog her, in Olmütz. Ihre Hochgeboren Frau Gräfin Agnes zu Stolberg-Stolberg in Czech. Se. Hochwürden Herr Joſ. von Penka, Canonicus in Kremſier. Herr Fr. Groſe, Buchhändler in Olmütz. Di ö c eſ e Brünn. r. T. Mitglieder - Seine Cxcellenz der Hochw, Hochgeborme Herr Anton Ernſt Graf von Schaafgotſche, gen. Freiherr auf Kynass und Greifenſtein, Biſchof von Brünn, geh. Rath c. c. P. T. Theilnehmer und Präuumeranten: Se. Hochwürden und Gnaden Herr Andreas von Hammermüller Domdechant und erſter infulirter Prälat in Brünn. - Se. Hochw. und Gnaden Herr Carl Nostig, Domcapitular in Brünn. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Auguſtin v. Kiowsky, Domca- pitular in Brünn. Se. Hochwürden nnd Gnaden Herr Dr. Franz v. Janitſchek, Dom- capitular in Brünn. Se. Hochwürden Herrn. Fr. v. Geißler, Alumnats Regens in Brünn. Se. Hochwürden Herr Domcapitular Sim. v. Baar in Brünn. Ihre Hochgeboren Frau Gräfin Anna von Canal, Stiftsdame in Brünn Se. Hochwürden Herr Math. Privel, Pfarrer in Sedlnitz. Ihre Hochgeboren Frau Thereſia von Vaſy, k.k.Majorsgattin in Brünn. Hochwürd. Benediktinerſtift Raigern bei Brünn. Diöeeſen Gran,Seckau, Fünfkirchen und Leitmeritz e. r. T. Mitglieder: - Seine Eminenz der Hochwürd. Herr Herr Johann Baptiſt Scitovszky von Nagy-Kér, Cardinal-Fürſt-Primas von Ungarn c. inGran. Seine fürſtlichen Gnaden der Hochwürd. Herr Herr Ottokar Maria Graf von Attems, Fürſtbiſchof von Seckau. r. T. Theilnehmer und Pränumerauten: Se. biſchöfl. Graden der Hochw. Herr Dr. von Girk. Biſchof von Fünf- kirchen. Se Biſchöfl. Gnaden Herr Auguſtin Bartholom. sille, Biſchof von Leitmeritz. Se Hochw. Herr P. Othmar Berger, Hauptſchuldirector in Admont. Se. Hochw. Herr P. Joh. Bouchal, Kaplan in Grulich. Hochwürd. Braunauer-Vicariat in Böhm. Wernersdorf. Se. Hochwürden Herr Ad. Breyer, in Hermanſeifen. Se. Hochw. und Gnaden Herr Ben. Büchſe, Dechant in Schönlinde. Se. Hochwürden Herr Caplan Anton Chriſten, in Gottsdorf. Herren Damian und Sorge Buchhändler in Graz. Se. Hochwürden Herr Fr. Demel, biſchöfl. Notar und Secretair in Leitmeritz. . - Se. Hochwürden Herr Joh. Do wič, Cooperator in Naſſenfuß. Se. Hochwürden Herr Paul Duſilek, Pfarrer in Huttendorf. Herr J. Feitzinger Buchhändler in Biala. r Löbliche Ferſtl'ſche Buchhandlung in Gratz. Se. Hochwürden Herr Anton von Glaſer, Pfarrer in Prieſen. Se. Wohlgeb. Herr Bernhart Greiner, Verwalter in Königshof. Se. Hochwürden Herr Al. Guttinger, Pfarrer in Paldau. Se. Hochwürden. Herr Theodor Hampel, Dechant in Hotzenplotz 2 Expl. Se. Hochw. u. Gnaden Herr Wenzel Hanuß, Dechant und Vizeerz- prieſter in Wodnau. Se. Hochwürden und Gnaden Herr Joſef v. Herz um, Ehrencanonicus. Bezirksvicair, Erzdechant und Pfarrer in Eidlitz. Se. Hochwürden Herr Cooperator Fr. Hinke in Kamnetz. Se. Hochw Herr Ignaz Holzmann, Dechant und Pfarrer in Fakert. Se. Hochw. Herr Joſef Jerin, Cooperator in Niederdorf. Se. Hochwürden Herr Pfarrer Anton Knoppek, in Kurzwald. Se. Hochwürden Herr Johann Kohn, Pfarrer in Tragöß. Se. Hochwürden Herr Joh. Kottas, Pfarrer in Zabrzeg. Se. Hochwürden Herr Franz Kraczmann, Pfarrer in Czechowitz. Se. Hochwürden Herr Vincenz Kröhn, Caplan in Hohenelbe. Se. Hochwürden Herr S. Lendl, in St. Margarethen. Se. Hochwürden. Herr P. Franz Mäuſel Dechant und biſchöfl. Bezirksvicar in Rochlitz. - Se. Hochwürden Herr Engelbert Müller, Pfarrer in Hörſching. Se. Hochwürden Herr J. Friedr. Müller, Ehrendomherr und Pfar- rer in Cobertz. . . Se. Hochwürden Herr Blas. Neubauer, Dechant und Hauptpfar- rer in Straden. Se. Hochwürden Herr Anton Neukircher, Pfarrer in Schönberg, Se. Hochwürden und Gnaden Herr Dr. Joh. Nog àll, Domcapitular in Großwardein. . - - Se. Hochwürden Herr Carl Olah, Bibliothekar u. Lehrer für die Elementar Ober-Claſſe in Baja. Se. Hochwürden Herr Val. Prettner, Pfarrvicar in Heiligenkreuz. Se. Hochwürden Herr Joſef Brückner, Cooperator in Proßnitz. Se. Hochw. und Gnaden Herr Carl von Publa, Domherr in Gran. Se. Hochwürden Herr Johann Türſch, Dechant in Proßnitz. Herr Carl Rauch, Buchhändler in Innsbruck. Se. Hochw. und Gnaden Herr P. Joſef Richter, Dechant in Oſchitz. Se. Hochwürden Herr Joh. Roßmann, Pfarrer und Dechant in Treffen, Krain. * - Se. Hochwürden Herr Ignaz Richtarski, Local in Ellgott. Ihre Hochgeb. Frau Gräfin von Saurau, in Graz. Se. Hochwürden Herr P. Anton Sax, Pfarrer in Mithovitz. Se. Hochwürden Herr Alois Seeling, Stadtpfarrer in Leoben. Hochwürd. Römiſch-Katholiſche Seminar in Großwardein. Se. Hochwürden Herr Fanz Speckbacher, Curat in Pfunds. Se. Hochwürden. Herr P. Anton Swoboda, Kaplan in Garlitz. Se. Hochwürden Herr Franz Vatix, biſchöfl. Vicair in Steinſchönau- Se. Hochwürden und Gnaden Herr Anton Wagner Conſiſtorialrath- und Dechant in Kralup. Se. Hochwürden Herr Ferdinand Weidinger, Kaplan in Paſſail. Se. Hochwürden. Herr Fr. Weiſs, Dechant in Auſſig. Se. Hochwürden Herr P. J. Wichner, Cooperator in Lorenzen. Se. Hochwürden Herr Bertram Zachenhofer, Cooperator in Friedberg. : , # - - - - - - - - *, -- - - - - - - - - - - - - - - - 7 : * - : -- -- - - - - - - - - - - --- , : Ein Blick auf dieſes Namensverzeichniß zeigt, daß unter den Ständen und Völkern unſerer Monarchie ein edler Wetteifer“ beſteht, Europa's ſchönſtem Länderkranze den wohlverdienten Namen des katholiſchen Oeſterreichs und den ruhmvollen Charakter eines „eon- ſervativen Hortes für jedes Recht zu erhalten. Dieſe ehrenhaften Namen erinnern an Männer, deren katholiſche Geſinnung ſich allenthalben würdig ihrer großen Väter und würdig der großen Aufgabe des Katholizismus – beſonders in unſerer Zeit – er- weist, an Männer, deren aufrichtiger Patriotismus für die katholiſch- conſervative Monarchie ſchon durch ihr Haus, durch ihre Geſchichte, In tereſſen und Stellung außer allem Zweifel ſicher iſt." Der Beitritt dieſer katholiſch-patriotiſchen Eminenzen bom aller- höchſten Hofe bis zum entfernteſten Pränumeranten in Böhmen, Un- garn, Tirol hat das Vereinsunternehmen in Ä gemein- ſchaftlichen Landesfürſten mit einem ſehr erwünſchten Glanze umfaßt. Dieſe höchſt intelligenten und ebenſo katholiſchen wie patriotiſchen Männer haben das Vereinsunternehmen durch ihren Beitritt zu einem katholiſchen und patriotiſchen erhoben: ihr Beiſpiel, ihre Stellung, ihre Geſinnung fordert alle Andern Katholiken und Patrioten auf, die ſo ehrenhaft erhobene Fahne aller edlen Völkerſchaften der Monarchie mit vereinten Kräften zur Ehre Aller hoch zu erhalten. Alle ſind wir berufen, dieſe Gelegenheit zu benützen, um ein eclatantes Zeugniß zu geben, daß in Oeſterreich der Name des Katholizismus und des allerhöchſten Kaiſer- hauſes noch zu großen Einigungen, Opfern und rühmlichen Thaten alle Edlen zu begeiſtern vermag. Schlecht iſt die entartete anti-katholiſche und anti-öſterreichiſche Preſſe: aber was wird ſie vermögen, wenn die beſten Männer ſich um die Fahne der guten Preſſe nach dem Vorgange des a. Hofes und der Edelſten aus allen Kronländern ſchaaren! Soll aber der Glanz, mit welchen die eben mitgetheilten hohen Namen unſere Anfänge umgeben, immer mehr Glanzwürdiges verklären, ſoll ein patriotiſches Unternehmen den Beifall, welchen ihm alle Katho- liken und Freunde der Ordnungsmonarchie ſo gern entgegenbrachten, verdienen: ſo bittet der Verein, daß Alle, die von der Wichtigkeit der katholiſchen Preſſe überzeugt ſind, auch mit Geiſtesbeiträgen unſer Un- ternehmen bereichern und heben mögen. Wer Beſſeres zu rathen weiß: rathe uns, wir bitten darum; wer Gediegeneres zu ſchreiben vermag: der ſende es ein, die katholiſche Fahne bedarf es; wer ſelbſt nicht mit- rathen oder mitwirken kann: gebe den Arbeitern die Mittel an die Hand, auch ſtatt ſeiner und für ihn arbeiten zu können, das geſchieht durch den Beitritt und das Ausharren beim Vereine, worum wenigſtens für das Jahr 1863 im Namen des Katholizismus und des Patriotis- mus gebeten wird. - Zur angenehmen Nachricht der P. T. Vereinsgenoſſen diene, daß Alle, welche die erſchienenen Schriften geleſen und deren Zweck begriffen haben, wieder auf die Fortſetzung derſelben pränumerirten. Es ſei uns erlaubt, in dieſer Hinſicht nebſt den hochw. Episcopate und andern angeſehenen einzelnen Mitgliedern, die geiſtlichen Corporationen, vor- züglich die immer wiſſenſchaftlichen P. T. Schotten, Jeſuiten, Pia- riſten, die Prämonſtratenſer in Strahof u. a. m. dankbar zu erwäh- nen; ſie ſind auch für dieſes Jahr die Erſten geweſen, die ihr Ver- bleiben beim Vereine als Mitglieder (6 Exemplare) zu wiſſen machten. Möge dieſes auch jene Herren und Damen zum Ausharren einladen, die anderwärtig zu ſehr in Anſpruch genommen, ſich ſelber von dem Inhalte und der Tendenz der Vereinsſchriften zur ferneren Verbreitung derſelben noch nicht beſtimmen laſſen konnten. . Kommt, wie man ſpricht, in nächſten Jahren der Würzburger Verein zur Förderung der katholiſchen Preſſe zu Stande, und gelingt es dieſem, neben der Katholizität ſeines Gebotenen auch geographiſch-katho- liſch, d. h. allgemein und ſomit auch den ſpeciellen Verhältniſſen der Länder Oeſterreichs gerecht zu werden: ſo wird den Völkerſchaften unter Oeſterreichs Monarchen immer noch die Ehre bleiben, in Wien früher die Fahne angefertigt und, ſo weit möglich, Würzburg entgegengetragen zu haben. Wir haben unitis viribus, ein Zeugniß von unſerem Katho- lizismus und Patriotismus mit vereinten Händen und Stimmen gege- ben, und können uns dann an Alles Katholiſche und Conſervativ-patrio- tiſche mit Satisfaction und ruhmvoll anſchließen. Von Seite Böhmens, Mährens, Ungarns . . . . iſt bereits die Idee angeregt, die Schriften des Wiener Vereines auch in der Landesſprache aus der Metropole zu be- ziehen. Die genannten Länder haben ſich durch zahlreiche Pränumera- tionen dem Verein der Metropole in der Abſicht angeſchloſſen, durch Hebung und Sicherſtellung derſelben behufs der Ausgaben in deutſcher Sprache, dann dieſelben Schriften für der deutſchen Sprache Nichtkun- dige auch in der Landesſprache beziehen zu können. Es ſcheint faſt, als ob das katholiſche Beſtreben des Vereins nebſtbei mit einem allgemein erſprießlichen Viribus unitis, belohnt werden wollte. Gott lenke die Herzen! Geiſtige Intereſſen verbinden frei, mit Liebe, für immer. - Der Katholizismus iſt die Weltmacht, welche Alles in Wahrheit, Rechtsachtung und Liebe einigt, ſtärkt, verewigt. Wer den Katholizis- mus fördert, der fördert Oeſterreichs Größe durch freiheitliche, recht- liche und liebreiche Einigung Aller zum Beſten Aller. Jene Herrn, denen unſere Vorkämpfer etwas zudringlich dünken, bittet der Verein um gütige Nachſicht. Auf dem Preßgebiete iſt es den ſo vordringlichen Gegnern gegenüber nicht möglich, die Con- currenz zu beſtehen, ohne an den Hochw. Clerus und die bekannt ent- ſchiedenen katholiſchen Notabilitäten mit kühnen Erwartungen und Vor- ausſetzungen hinanzutreten, die dann allerdings einige Kämpfer im Feuereifer leicht nahe bis an Zudringlichkeit utriren. Auch uns iſt jeder Schritt peinlich, der uns durch die Größe der Gefahr, durch den Vor- ſprung der Gegner und deren rückſichtsloſe Eindringlichkeit, gegen unſere Neigung, auch gegen die gewünſchte Schonung der von ſo vielen Seiten in Anſpruch genommenen Repräſentanten katholiſchen Lebens, abgedrungen wird. Aber wir bitten die Freunde der heiligen Intereſſen, für die wir kämpfen müſſen, um Nachſicht, wir beten um richtige Füh- rung, wir ringen und dulden, wir ermuthigen uns mit dem Spruche: Viel für Religion und * – viel für Thron und Vaterland L5 • für Alle! Die noch immer einlaufenden Pränumeranten-Liſten werden nachträglich bekannt gegeben. Bezüglich jener P. T. Herrn die in neueſter Zeit dem Vereine beitreten, bietet der Verein Alles auf, um dieſelben auch in den Beſitz des Jahrganges 1862 der Vereinsſchriften zu ſetzen, da dieſelben ge- wiß den neuen Cyclus der Schriften vollſtändig zu beſitzen wünſchen. Es zeigt das ihrerſeits auf eine große Opferwilligkeit – Gott möge auch den Lohn dafür gleich groß ſein laſſen ! Das Comité des Vereines zur Verbreitung guter, katholiſcher Bücher. Vorwort. Meine Pilgerbriefe, die ich vom heiligen Lande aus ſchrieb, und die durch den Druck veröffentlicht wur- den, erfreuten ſich einer beifälligen Aufnahme von Seite des Publikums. Schon lange iſt die Auflage vergriffen, und die Nachfrage darnach mehrt ſich von vielen Seiten. Statt einer neuen unveränderten Auflage, zu der ich aufgefordert wurde, entſchloß ich mich zu einer ganz neuen Bearbeitung derſelben. Die während der Pilger- reiſe geſchriebenen Briefe hatten zwar den Vorzug der Unmittelbarkeit, aber den Nachtheil der Kürze. Oft war ich darin gezwungen auf die mündliche Erzählung näherer Details zu verweiſen, und unzählige Mal wurde ich ſelbſt angegangen, die darin verſprochenen Schilderun- gen nachzutragen. In der hier vorliegenden ganz neuen und aus mei- nem Pilgertagebuch geſchöpften Ueberarbeitung der ur- ſprünglichen Pilgerbriefe hoffe ich den Erwartungen 1 : IV meiner vielen Freunde, welchen ich auch dieſes Buch wie das frühere widme, entgegenzukommen. Reiſeſchilderungen, insbeſondere authentiſche Be- richte aus dem heiligen Lande, liest man ja ſtets gerne, doppelt gerne, wenn man irgend ein Intereſſe für die darin vorkommenden Perſonen hat. Und das iſt gerade bei der Pilgerreiſe der Fall, welche hier beſchrieben wird. Ich will von meiner Perſon abſehen – obwohl ich weit und breit als „der Pilger aus Jeruſalem“ bekannt bin –; wer aber kennt in der herrlichen Kaiſerſtadt zu Wien nicht den frommen und gelehrten Stiftsherrn zu St. Peter Joſeph Hubinger? wem ſind die lieben Dichtungen eines Erneſt von Marinelli unbekannt? wer hat nicht von dem biederen Tiroler Joſeph Leonard Mayr gehört, der die erſte Pilgerkarawane anregte, und den patriotiſchen Gedanken hegte, am Grabe des Herrn für die glückliche Rettung unſeres Kaiſers aus Mörderhand zu danken? Zehn Jahre ſind ſeit jener ſo glücklich vollbrachten Reiſe, welche den ſpäteren Karawanen nach Jeruſelem, die der Severinusverein zu Wien organiſirte, den An- ſtoß gab, verfloſſen. Indem ich mein treu geführtes Pilgertagebuch zur Hand nehme, um das vorliegende Buch zu Stande zu bringen, tauchen all die großartigen und heiligen Erin- nerungen mit inniger Lebendigkeit in meiner Seele auf. Mein Herz iſt voll des Dankes gegen die göttliche Vor- V ſehung, welche die beſchwerliche und gefährliche Reiſe ſo wunderbar beſchützte. Welch ein Glück iſt es, das irdiſche Jeruſalem zu ſehen und den Boden des heiligen Landes zu betreten! Ich hoffe und ahne es, daß mir dieſe gnadenvolle Reiſe einſt die große Pilgerreiſe in's himm- liſche Jeruſalem erleichtern wird. Möge der freundliche Leſer fromme und beleh- rende Eindrücke aus den Pilgerbriefen in ſich aufnehmen, und die Reiſe ins heilige Land wenigſtens im Geiſte machen. Für gebildete und der Sache auf den Grund ge- hende Leute ſind im Anhange eigene Anmerkungen beige- fügt worden. St. Pölten, am 9. November 1862. Der Verfaſſer. Meinen Freunden. I. Abſchied von der Heimath. – Anlaß zur Pilgerreiſe.– Entſchluß dazu. – Seelenjubel darüber. – Befürchtungen wegen der ruſſiſch-türkiſchen Wirren. – Vorbereitungen zur Reiſe. – Abſchiedsbeſuche. – Exercitien im Gebirge. – Ein ſchöner Zug eines Holzknechtes. – Ein Talisman. – Die Reiſecolle- gen. – Warum im Hochſommer nach dem Orient? – Die Pilgerbriefe. – Wien, 30. Juni 1853. Lieber Freund! Am Tage vor meiner Abreiſe in's heilige Land drängt es mich Dir, lieber Freund, noch zu ſchreiben, um von Dir Abſchied zu nehmen. Wie Du wohl geleſen haben wirſt, hat Herr Leonard Mayr, ein Tiroler, vor einigen Monaten in den Zeitungen angekündigt, daß er entſchloſſen ſei, eine Pilgerreiſe i’ns heilige Land anzu- treten, um dort am Grabe des Erlöſers für die glückliche Rettung Sr. Majeſtät des Kaiſers aus Meuchelmörders Hand zu danken. Sein Aufruf fand freudigen Wiederklang in meiner Seele, worüber Du Dich nicht wundern wirſt, denn Du kennſt mich. Im Monat Mai – ich hatte eben über das Thema gepredigt: „Des Menſchen Leben, eine Pilgerfahrt“ – faßte ich den Gedanken, mich dieſer Pilgerreiſe anzuſchlie- ßen. Drei Tage trug ich mich mit Pilgergedanken herum, ſchwankend zwiſchen heißen Wünſchen und kaltblütigen 1() Erwägungen. Die Gnade, Jeruſalem zu ſehen und das heilige Land zu betreten, kam mir ſo großartig, ſo außerordentlich vor, daß ich (Du ſchüttelſt vielleicht den Kopf) ein Zeichen vom Himmel verlangte, gleichſam als Fingerzeig, ob mein Vorhaben gut und heilig ſei, oder nicht. Nun wartete ich zwar gerade nicht auf wirkliche Zeichen und Wunder, aber es that mir wohl und be- ſtärkte mich in meinem Vorhaben, daß ich bei allen mei- nen Freunden und Bekannten die regſte Theilnahme und Aufmunterung fand, überall Glückwünſche, nirgends Neider. Alle Zweifel und Bedenklichkeiten ſchwan- den vor mir wie leichte Nebelgebilde im Sonnenlichte. Ich ſah keine Hinderniſſe, keine Schwierigkeiten, keine Gefahren mehr, ſondern ich ſchaute in heiliger Vorfreude nur das heilige Land und Jeruſalem. Als endlich auch mein biſchöflicher Oberhirt mir freudig ſeinen Segen ertheilte, da war es mir, als ſtünde ich eine Stufe über dem gewöhnlichen irdiſchen Leben, als ſchwebte ich in höhern Regionen der Seligkeit. Ich konnte nicht eſſen, nicht ſchlafen, nicht ſtudiren, nur ju- beln konnte ich im Stillen und mich freuen aus voller Seele. Wie oft dachte ich in dieſer frommen Gemüths- ſtimmung an die Kreuzritter des Mittelalters, die in hei- liger Begeiſterung ſich das rothe Kreuz auf die muth- volle Bruſt hefteten, und mit dem Jubelrufe: „Gott will's“ das tapfere Schwert umgürteten, um mit wun- derbarem Gottvertrauen ins heilige Land zu ziehen! Dieſe ſtille Seelenfreude wurde jedoch in etwas durch die täglich bedenklicher lautenden Nachrichten über die Verwicklungen im Oriente getrübt. Wie Dir nämlich, lieber Freund, bekannt iſt, hat der außerordentliche Ge- ſandte Rußlands Fürſt Mentſchikoff jüngſt in auffallen- 11 der Weiſe Conſtantinopel verlaſſen, weil der türkiſche Sultan in die ungeſtümen Forderungen Rußlands nicht einwilligte. Alles wittert nun Krieg mit der hohen Pforte. Wie oft ſagte ich mir im Stillen: Warum mußte gerade jetzt dieſer Blitzſtrahl den heiteren Himmel durch- furchen? Sollten meine ſchönen Pilgerpläne nur Fata morgana ſein, die am roſigen Morgenhimmel entſtehen und am nächtlichen Horizont verſchwinden, nachdem ſie etwa einige Stunden uns durch ihre Täuſchung ergötzet? Indeß wer ein großes Ziel vor Augen hat, läßt ſich nicht leicht durch Hemmniſſe ſchrecken. Darum han- delte ich ſo, als ob das Unterbleiben der Pilgerreiſe eine Unmöglichkeit wäre. Die kurze Zeit vor dem Antritt der Reiſe wurde zur nöthigen Vorbereitung benützt, und ältere und neuere Werke über den Orient und insbeſon- dere Jeruſalem wurden mit Gier verſchlungen. Die letzte freie Woche verwendete ich zu Abſchieds- beſuchen. Du weißt, mein Lieber, ich ſtehe ſo ziemlich allein da in der Welt. Die Eltern ruhen ſchon lange im Grabe – ihnen galt mein erſter Beſuch. – Meine ein- zige Schweſter hätte mir faſt bange gemacht als ſie mit Thränen im Auge ſprach: „Der Gedanke dich, lieber Bruder, zu verlieren, iſt mir ſchrecklich.“ Ich tröſtete ſie, daß ich ja überall unter Gottes allmächtigem Schutze ſtehe, und daß das Sterben leichter ſein müſſe, wenn man jene Stelle geküßt hat, wo der Tod überwunden wurde. Der gütige Himmel hat mir, wie Du, mein Lieber, öfter bemerkteſt, als Erſatz für den frühen Verluſt der Eltern viele Freunde gegeben. Das fühlte ich nie mehr als jetzt am Beginne meiner Pilgerreiſe. Wo ich hin- kam, fand ich freundliche Theilnahme und überall erhielt ich die herzlichſten Verſprechungen, daß fromme Gedan- 12 ken und Gebete auf der heiligen Pilgerreiſe mich und meine Pilgerfreunde begleiten werden. Freilich lud ich auch die Verpflichtung der Fürbitte an den heiligen Stät- ten auf mich; doch dieſes Reiſegepäck kann und darf ja einem Pilger nicht ſchwer fallen. Auch meine bevorzugten Gebirgsfreunde beſuchte ich nochmal. Am heiligen Aloyſiustage las ich in der Schloßkapelle der edlen Gräfin Colloredo zu Greſten die heilige Meſſe. Es war der ſchönſte Abſchied von den frommen Schloßbewohnerinnen. „Gott mit Ihnen“, rief mir die edle Gräfin noch vom Fenſter nach, als ich nach Hauſe ging. - Ergreifend war das Wiederſehen beim alten Pfar- rer zu Lackenhof am Fuße des Oetſchers, das Du ſcherzhafter Weiſe mein „la Trappe“ zu nennen beliebſt. Du haſt recht, dieſer Ort, der einſt den Karthäuſern zu Gaming gehörte, hat etwas eigenthümlich zur Andacht Stimmendes in ſeiner imponirenden Einſamkeit. Ich kann Dir, lieber Freund, gar nicht ſagen, wie wohl und wehmüthig mir in jenen friedlichen Bergen und freundli- chen Thälern zu Muthe war. Ich möchte die Paar Tage, die ich daſelbſt zubrachte, meine geiſtlichen Exerzitien vor der Pilgerreiſe nennen, denn ſo geſammelt dachte ich über Mittel, Zweck und Erfolg der Reiſe nie nach, als dort. Das ganze Thal und Gebirge nahm übrigens war- men Antheil an meiner Reiſe, denn Alles – Klein und Groß – kennt mich dort. Einen ſchönen Zug muß ich Dir doch mittheilen. Als ich dem Führer, der mir einen näheren Fußweg zeigte und meine Reiſetaſche trug, zum Dank für ſeine Mühe Geld geben wollte, nahm er unter keiner Bedingung etwas an, ſondern bat nur um ein 13 Vater unſer und ein ganz kleines Andenken aus Jeruſa- lem. Das war ein Holzknecht! Du wirſt vielleicht glauben, daß ich von dem vie- len Abſchiednehmen weich geſtimmt worden ſei? Doch da irreſt Du. Ein einziges Mal traten Thränen in meine Augen, als ich nämlich meinen Biſchof um ſeinen apoſto- liſchen Segen zur Reiſe bat, und er in lateiniſcher Sprache eben ſo ſchöne als fromme Worte, die auf den Zweck der Reiſe Bezug hatten, ſprach; ja in dieſen hei- ligen Augenblicken, wo ich die warme ſegnende Hand auf mir ruhen fühlte, während ich auf den Knieen lag, da weinte ich, ſonſt nirgends. Im Gegentheile, wenn Andere weinten, ſo lachte ich, denn meine Seele jubelte ob des bevorſtehenden Glückes. Manche ſchüttelten den Kopf da- bei, daß ich meine Zukunft ſo leichtſinnig auf's Spiel ſetze. Doch welch ſchönere Zukunft kann es geben als den Boden zu küſſen, wo die Füſſe des Herrn geſtanden? (Pſalm. 131, 7.) Das iſt das Herrliche eines großen Unternehmens, daß alles Kleinliche davor verſchwindet. Uebrigens nahm ich gerne das ſilberne Crucifix an, das mir eine hohe Dame als Talisman während der Reiſe verehrte, auf deſſen Kehrſeite die Worte ſtanden: „Er geleite Sie.“ Dieſes Pilgerkreuz hing ich um, mit dem Vorſatze es nie von meiner Bruſt wegzugeben, ſo lange die Reiſe dauert. Noch muß ich Dich mit meinen Reiſecollegen be- kannt machen. Der älteſte unter uns iſt der eigentliche Unternehmer der Pilgerreiſe Joſeph Leonard Mayr, ein biederer Tiroler aus Lienz im Puſterthale, früher Großhändler jetzt Privatier in St. Pölten, wo ich ihn kennen lernte; ein erfahrner, vielgereister, geſchäftsge- wandter und wahrhaft frommer Mann; er iſt der Papa 14 der Karawane. – Der zweite College iſt der hochwür- dige Herr Joſeph Hubinger, Canonicus am Colle- giatſtift zu St. Peter in Wien, ein fein und allſeitig ge- bildeter Mann, hochgeachtet in hohen Kreiſen; er wollte ſchon im vorigen Jahre nach dem heiligen Lande pilgern und ſchloß ſich nun auf meine Einladung hin uns an. – Als dritter Reiſebegleiter ſtellte ſich unvermuthet der Chorherr vom Stifte St. Florian Ernſt von Mari- nelli ein. Er hatte von unſerer vorhabenden Reiſe ge- hört, und da ihm Plan und Leute zuſagten, ſo ward als- bald Freundſchaft geſchloſſen. Marinelli iſt ein Dichter- talent, er hat es in ſeinem „Chriſtnachtstraum" (Wien, Beck, 1852) erprobt. Haltung und Rede thun an ihm den Mann von guter Erziehung kund, und aus ſeinen ſchwarzen Augen ſpricht das Feuer des einſtigen Solda- ten. Obwohl ein Jahr jünger als ich ſieht er doch viel kräftiger und männlicher aus, und trägt ſchon einen be- deutenden Pilgerbart, der ihm gut ſteht. – Noch in der letzten Stunde ſo zu ſagen kam ein vierter Reiſecollege zu uns Namens Honorat San to Caſella. Mayr hatte ihn als Jugend- und Geſchäftsfreund von dem Projecte in Kenntniß geſetzt reſp. zur Reiſe eingeladen. Caſella iſt ſeines Geſchäftes ein Kaufmann zu Augsburg, ſeiner Geburt nach ein Comaske, alſo ein Italiener. Der erſte Eindruck, den er auf mich machte, war eben nicht gewin- nend. Denke Dir eine echte Kaufmannsnatur mit klug berechnendem Auge, ſchlichtem Haar, ſchwadronirender Zunge, unterſetzter Statur, mehr commandirend und räſonirend als nachgiebig und ſchweigſam, und Du haſt ein ſchwaches Bild von dem Manne, der halb Baier, halb Oeſterreicher und halb Italiener iſt. Doch vielleicht thue ich ihm unrecht, der Erfolg wird es lehren. Zwi- 15 ſchen Reiſenden knüpft ſich ja von ſelbſt ein eigenthümli- ches Verhältniß freundſchaftlichen Vertrauens. – Noch ein Fünfter hatte ſich zum Mitreiſen angemeldet, ein Geiſtlicher aus Graz Namens Hoffmann; da wir je- doch nicht über Rom die Reiſe machten, wie er wollte, ſo gab er uns auf und ging allein. Eines muß ich noch berühren. Du wirſt Dich wun- dern, daß ich jetzt im hohen Sommer eine Reiſe in den heißen Orient unternehme. Allerdings iſt die Zeit dazu nicht die günſtigſte, indeß Noth bricht Eiſen. Du weißt daß ich in meiner Stellung als Profeſſor nur über die Ferialmonate gebieten kann, und meine Reiſecollegen fügen ſich mit mir dem Drang der Verhältniſſe. Für morgen den 1. Juli iſt die Abreiſe von Wien feſtgeſetzt. Darum eile ich zum Schluße. Am Abend vor der Pilgerreiſe iſt das Herz bewegt, und auch die Zeit zu kurz, um länger ſchreiben zu können. Die Gefühle wech- ſeln, und ich vermöchte nicht Dir Alles zu ſchildern, was in meinem Inneren vorgeht. Nimm dieſe Zeilen gleich- ſam als Einleitung zu den Pilgerbriefen (ich bin ſtolz darauf dieſes deutſche Wort zuerſt zu gebrauchen), welche ich Dir, ſo Gott will, während meiner Reiſe von Zeit zu Zeit ſchreiben werde. Was ich ſchreibe, ſchreibe ich Dir, und durch Dich meinen Freunden. Lebe wohl. Morgen früh neun Uhr fahren wir mit dem Eil- dampfſchiff von Wien directe nach Conſtantinopel. Wir hoffen, daß die ruſſiſch-türkiſchen Wirren kein Hinderniß in unſerm Reiſeplane bilden werden – hofft und ver- langt ja ganz Europa den Frieden. An kleinen türkiſchen Inſulten mag es wohl nicht fehlen. Immerhin! Was wäre eine Pilgerreiſe ohne heilige Romantik! Gott be- fohlen. Procedamus in pace. Mit treuer Liebe Dein 2c. –<>HO->– 16 II. Von Wien nach Galaz. – Abreiſe von Wien. – Schutz- und Trutzbündniß. – Der Eildam- pfer „ Franz Joſeph“. – Ein Empfehlungsſchreiben. – Lunch. – Die einſtige Grenze des deutſchen Elementes. – Die Krönungsſtadt Preßburg. – Die Feſtung Komorn. – Die Kathedrale des Primas zu Gran. – Keine Gunſterwirkung. – Peſt und Ofen. – Ungariſche Reminiscenzen. – Ein Bretterſarg als Liegeſtätte. – Ein kirchlicher Morgengruß. – Mohacz. – Zuthunliche Magyaren. – Die Korn- kammer Oeſterreichs. – Das Grabmal Capiſtrans. – Das öſterrei- chiſche Gibraltar. – Das Militärgrenzland. – Die Zukunft Ungarns. – Die Feſtung Belgrad. – Orientaliſche Liederlichkeit. – Türkiſche Barbarei und europäiſche Civiliſation. – Die romantiſche Fahrt durch's eiſerne Thor. – Ein curioſer Pope zu Altorſowa. – Ein Do- mauſturm. – Die Wallachei. – Die erſten ruſſiſchen Soldaten. – Ein humoriſtiſches Intermezzo. – Die Reiſegeſellſchaft. – Eine in- tereſſante Dichterin. – Eine Nacht unter freiem Himmel. – Das Einrücken der Ruſſen. – Die Ankunft in Galaz. Am Bord des „Franz Joſeph“. 4. Juli. Lieber Freund! Aus meinem vorigen Briefe konnteſt Du erſehen, mit welchen Gefühlen und Wünſchen ich meine Pilger- reiſe angetreten habe. Nun iſt ein bedeutendes Stück be- reits zurückgelegt, und es drängt mich Dir zu ſchreiben, denn gewiß erwarteſt Du ſchon Nachrichten von mir. Ich ſchreibe dieſe Zeilen am Bord des öſterreichiſchen Eil- dampfers „Franz Joſeph.“ Mit inniger Freude begrüßte ich den Morgen der Abreiſe, er war ſchön. In einem Fiaker fuhr ich zum Landungsplatz der Dampfſchiffe im Prater, wo die fünf 17 Pilger zuſammentrafen. Jeder war von Verwandten und Bekannten begleitet, nur ich ſtand alleine. That dieß ei- nerſeits weh, ſo hatte es doch anderſeits das Gute, daß ich leichter vom heimathlichen Boden ſchied als die an- deren; während es bei dieſen Thränen gab, ſtrahlte ich in Heiterkeit. Elternloſe Prieſter ſind geborne Miſſionäre. Wir beſtiegen den ſchönen, faſt neuen Eildampfer „Franz Joſeph“, der uns bis Galač bringen ſollte. Er iſt prachtvoll eingerichtet. Auf dem erſten Platze iſt ein reich ausgeſtatteter Salon, oberhalb welchem ſich eine breite Terraſſe befindet, von der man die Gegend über- ſieht. Unterhalb ſind die Schlafſtellen für die Paſſagiere, je zwei übereinander. Ich hatte mit Marinelli den zwei- ten Platz gewählt, wo wir jeder 40 fl. C. M. erſparten. Man hatte uns zwar in Wien durchaus den erſten Platz einreden wollen, es wäre aber wirklich Verſchwendung geweſen. Wir erhielten die beſtgelegenen Schlafſtellen an- gewieſen und wurden mit wahrer Auszeichnung be- handelt. Viel trug dazu ein Empfehlungsſchreiben an ſämmtliche Inſpectoren, Agenten und Kapitäne der Do- nau-Dampfſchifffahrts-Geſellſchaft bei, worin unter An- derm ſtand: „Sie wollen dieſen Herrn mit aller Zuvor- kommenheit begegnen, und bereitwilligſt jede Gelegenheit wahrnehmen, jede gewünſchte Auskunft zu ertheilen, und überhaupt ihnen allen und jeden Vorſchub angedeihen zu laſſen.“ Auf dem zweiten Platze waren nur zwölf Paſſagiere, beiläufig nochmal ſo viel auf dem erſten. Um neun Uhr Morgens wurde zur Abfahrt ge- läutet. Wir Pilger traten auf der hohen Terraſſe zuſam- men, legten die Hände ineinander und ſchloſſen ein Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 2 18 Schutz- und Trutzbündniß für die ganze Pilgerreiſe. Alle waren guter Dinge, und betrachteten es als eine gute Vorbedeutung, daß das Schiff, welches uns mit Dam- pfeseile dem Orient entgegen trug, den Namen Sr. Ma- jeſtät unſers vielgeliebten Kaiſers führte. Kaum waren die heimiſchen Ufer verlaſſen, ſo flog das Eilboot ſtolz und hurtig dahin, der Stephans- thurm entſchwand unſeren Augen und zwiſchen Auen und geſegneten Fluren bei herrlich blauem Himmel ging es ſtromabwärts. Das Eildampfboot unterſcheidet ſich von den gewöhnlichen Paſſagierſchiffen, daß es nur wenige Stationen macht, und faſt Tag und Nacht unausgeſetzt fortrudert. Bald nach der Abfahrt war Luncheon d. h. Ga- belfrühſtück, welches in zwei gut zubereiteten Fleiſchgat- tungen ſammt Zubehör und Wein beſtand. Wir waren bei gutem Appetit. Mit Schnelligkeit fuhren wir an Petronell und dem römiſchen Carnuntum vorüber, in deſſen Nähe vor Kurzem ein großes Römergrab aufgefunden wurde, das Baron Eduard v. Sacken in der Wiener Akademie der Wiſſenſchaften ſo einläßlich beſchrieben hat. – Die Hunnenburg Hainburg iſt lieblich gelegen; kecke Felſen- formen drängen ſich ans Ufer vor, im Hintergrund er- ſcheint die impoſante Schloßruine, vorne die Tabakfa- brik, die Donau iſt wie ein See abgeſchloſſen. – Unter- halb iſt das romantiſch gelegene Theben am Auslaufe der kleinen Karpathen, die einſtige Grenzſtätte des deut- ſchen Elementes. Schon nach eilf Uhr fuhren wir durch die Schiffs- brücke in Preßburg. Ich hätte mir dieſe Krönungs- ſtadt ſchöner vorgeſtellt; viele Häuſer ſind verfallen. An der Façade längs der Donau prangen wohl elegante ---- - 19 neugebaute Häuſer, und der grüne Bergmantel, der die Stadt einhüllt, verleiht ihr ein freundliches Anſehen. Die alte Schloßruine erinnert faſt an Heidelberg. – Von Preßburg an verflachen ſich die Ufer immer mehr, ein- zelne Bäume wechſeln mit Auen, grünen Inſeln, und zahlloſen Schiffsmühlen. Weit und breit iſt kein Berg zu ſchauen. Die ungariſchen Dörfer ſind unanſehnlich, das Land aber iſt fruchtbar, ſo weit das Auge reicht. Um drei Uhr fuhren wir an Komorn vorüber, am Einfluße der Waag in die Donau. Trübe Erinnerun- gen an den letzten ungariſchen Feldzug wurden im Ange- ſichte dieſer nach Außen unanſehnlichen Feſtung wachge- rufen. Wie viele Todte liegen hier begraben! Noch ſtan- den etliche Häuſer ausgebrannt und zerſtört am Strande. Am rechten Ufer wurde an der Errichtung eines neuen Fortsgearbeitet. Nun wurde das Diner ſervirt. Es beſtand aus vier gut zubereiteten Speiſen, Wein, Erdbeeren und Cafè; nur das Waſſer war abſcheulich lau – eine Vor- probe des Orients. Den Cafè nahmen wir im Freien im Angeſichte von Gr an, das ſich ſchon von Ferne in ſei- ner Majeſtät präſentirte. Am rechten Ufer breiten ſich die grünen Hügel des Bakonyerwaldes aus, beiläufig wie bei Greifenſtein, und auf einer ſtattlichen Anhöhe er- hebt ſich die neuerbaute Kathedrale des Primas von Ungarn, an die prachtvolle Walhalla bei Regensburg erinnernd. Die Glocken läuteten eben zum Abendſegen, und ich gedachte des verſtorbenen Cardinals Rudnay und ſeines raſtlos thätigen Vorfahrers zur Reforma- tionszeit Cardinals Pazmann, deſſen Stiftungen noch ge- genwärtig für Ungarn von großem Nutzen ſind. Die 2 : 20 Stadt iſt rings um eine Anhöhe gebaut, hat aber ein ſehr idylliſches Ausſehen. Während wir einem langen Train nachſahen, der auf dem linken Ufer in der Richtung nach Wien dampfte, kam der Kapitän des Schiffes auf uns zu, fragte um unſere Namen, und erſuchte uns höflich ihm zu folgen. Er führte uns auf den erſten Platz und meinte, wir ſollten dort verbleiben und auch unſere Effecten dahin bringen laſſen. Wir dankten verbindlich, und äußerten nur den Wunſch mit den Reiſecollegen des Erſten Platzes ungehindert verkehren zu können. – Der Augsburger- Kaufmann Caſella ließ dabei das Wort „Gunſterwir- kung“ fallen, das mir durch die Seele ſchnitt. Gnaden- bezeugungen will ich von Niemand als von Solchen an- nehmen, die über mir ſtehen; wer mir aber die erwie- ſene Gnade fühlen läßt, der ſteht unter mir. Es gibt einen Adel der Seele und des Geldes; jener erhebt, dieſer erniedrigt. – Wir benützten ſofort den erſten Platz, um mit unſeren Collegen auf der Terraſſe zu pro- meniren und insbeſondere den Cafè miteinander zu nehmen. Von Gran abwärts engt ſich die Donau zwiſchen Bergen ein, und die Ufer werden immer pittoresker. Beſonders ſchön iſt Waitzen gelegen, mit der Kirche auf dem Berge und den gut gebauten Häuſern. Vor der Stadt ankerten drei Dampfer: Nador, Samſon und Gönyö. Um ſieben Uhr Abends erblickten wir die königliche Burg und Feſtung Ofen mit der Stadt, die ſich ma- leriſch an den Berg anlehnt. Die majeſtätiſche Ketten- brücke erregte unſere volle Bewunderung. Da unſer Eil- dampfer in Peſt zum erſten Mal Station hielt, ſo be- 21 nützten wir die freie Stunde, um die reiche Handelsſtadt mit ihren prächtigen Neubauten zu beſichtigen. Die Stadt hat etwas Wieneriſches, viel Eleganz und Militär. Ich kaufte noch einige Utenſilien für die Reiſe ein, wie Feld- flaſche, graue Brillen gegen die grellen Sonnenſtrahlen und dgl. und eilte an den Hafen zurück, um die Abfahrt unſeres Dampfers nicht zu verſäumen. Im Hafen lagen acht Dampfer vor Anker. Indeß war die Dämmerung eingebrochen, und die vielen Lichter an den Ufergelanden ſpiegelten ſich in den ſchnell laufenden Fluthen. Ich hüllte mich in meinen grauen Radmantel, und ließ – auf der Schiffsterraſſe promenirend – die ungariſche Geſchichte an meinem Geiſte vorüberziehen. Von welch großen Ereigniſſen iſt dieſer Schauplatz Zeuge geweſen! Türken hausten hier hundert Jahre; reiche Magnaten lebten hier in fürſtlicher Eleganz; Koſſuth und Conſorten revoltirten von hier aus das edle aber leicht erregbare Volk der Magyaren, Graf Lamberg fand hier den ſchauerlichen Tod durch meuchleri- ſchen Verrath; Hentzi und Allnoch ſtarben hier den Hel- dentod. Peſt machte in politiſcher Beziehung einen ähnli- chen Eindruck auf mich wie Mailand im vorigen Jahre. Glimmende Aſche! Zehn Uhr Nachts ſtieß unſer Schiff von Ufer, ließ ohne Rädergebrauch ſich längs der Häuſerreihe ſtromab- wärts treiben, und durchfurchte dann die Wellen mächtig wie früher. Sterne flimmerten am Firmamente und Blitze wetterleuchteten am fernen Horizont. In der Kajüte ward Thee ſammt Zubehör ſervirt, worauf wir uns zur Ruhe begaben. Unſere Liegſtätte beſtand aus einer Art Bretter- ſarg, gerade groß genug um die Glieder auszuſtre- 22 cken; das Bettzeug war reinlich und Vorhänge trennten den Schlafenden von der übrigen Tiſchgenoſſenſchaft. –––><><>--– Du weißt, mein Lieber, daß ich gern früh aufſtehe. Schon um halb vier Uhr war ich wach und begab mich auf die Terraſſe, um das Brevier zu beten. Als ich eben die Laudes begann, ſtieg die Sonne in prachtvoller Ma- jeſtät über den Auen empor. Wie niemals fühlte ich den Sinn des ſchönen Hymus in der Prim: „Jam lucis orto sidere Deum precemur supplices, Ut in diurnis actibus Nos serveta nocentibus.“ (Die Sonne ſteiget ſchon herauf. So fleh'n wir denn zu Gottes Güte, Daß er durch dieſes Tages Lauf Vor jedem Schaden uns behüte). Auch die anderen Reiſecollegen kamen nach und nach auf die Terraſſe, nur Marinelli nicht, der ein Sie- benſchläfer iſt. Der Morgen war mild und freundlich. Die niedrigen Ufer ſind von Auen begränzt, die theilweiſe unter Waſſer ſtanden. Links paſſirten wir eine Stadt, die Baja zu ſein ſchien, rechts dehnten ſich Weinhügel aus, im Hintergrunde erſchienen die Karpathen. Es begegneten uns das Dampfboot „Hildegarde“, viele kleine Schiff- chen, ſogenannte Einbäumer, und große Ruderſchiffe. Man ſah auch viele Baracken aus Zweigen oder Schilf- rohr in Zeltform, bei deren Anblick ich mich fragte: Sind das Wohnungen? 23 Sechs Uhr früh landeten wir in Mohacs, die zweite Station ſeit Wien. Die Stadt liegt flach und knapp am Ufer, die Häuſer ſind einfach und mit Stroh gedeckt. Am Ufer ſtanden Leute beiderlei Geſchlechtes im einfach- ſten Coſtüm von der Welt: Hemd und breite Gattie. Die Männer hatten verbrannte Geſichter, aber edle Phyſio- gnomien. Ich ſchenkte einem ein elaſtiſches Cigarrenrohr, worüber er große Freude bezeugte. Als ich ſeinem Nach- bar auch eine Cigarre gab, da kamen alle her und ſchmun- zelten, aber keiner bettelte. Das gefiel mir, und ich gab was ich hatte. Leider konnten wir uns nur durch Zeichen verſtändigen, denn ich wußte nur „jo róggel“ zu ſagen, aber Zeichen ſprechen oft mehr als Worte. Als das Schiff wegfuhr, ſchwenkten ſie die Hüte und grüßten noch, als wir bereits in der Mitte der Stromes waren. – Gleich außer der Stadt dehnt ſich die große Ebene aus, auf welcher 1526 die unglückliche Schlacht geſchlagen wurde, in welcher der zwanzigjährige letzte König Un- garns Ludwig II. unter der Laſt ſeines in dem Sumpfe geſtürzten Roſſes ſein Leben aushauchte, wodurch die Türken Herren Ungarns wurden, das ſie durch andert- halb Jahrhunderte mit Feuer und Schwert verheerten, bis Wien herauf ſtreifend und die Fortſchritte der Civili- ſation hemmend und dämmend. Auf der weiten fruchtba- ren Ebene lagerten mehrere tauſend Stück Pferde, Och- ſen und Schweine untereinander. Landeinwärts beiläufig eine halbe Stunde erſchien ſpäter Fünfkirchen, wo der jetzige Primas Scitovsky früher Biſchof war. Auf den ungeheuren Kornfeldern war eben der Schnitt, und golden leuchtete der Segen des Himmels; das Banat iſt ja die Kornkammer von Öſterreich. 24 Nachdem wir die Mündung der Drau in die Donau bei Eſſek paſſirt hatten, wurde die Gegend wieder ſchö- ner. Auf einem Hügel zeigten ſich die Ruinen des Stamm- ſchloſſes der Grafen Palffy und Erdödi, ſpäter erſchien das romantiſch gelegene Illok, eine Beſitzung des römi- ſchen Fürſten Odescalchi, mit einer alten Franziskaner- kirche, in der das Grabmal Capiſtrans ſich befindet. Die Lage dieſes Ortes erinnerte mich an Aggſtein an der oberen Donau. Die Gegend glich hier einem wohlgepfleg- ten Parke. Der Dampfer „Donau“ fuhr mit ſechs eiſer- nen Schleppſchiffen, in welchen ſich Schweine meldeten, ſtrommaufwärts an uns vorüber. Nun zeigte ſich Peterwardein, vom Peter Ere- mita ſo genannt, das öſterreichiſche Gibraltar. Die rie- ſige Feſtung liegt auf einem hohen Serpentinfelſen, um deſſen Fuß ſich im Halbkreiſe die Stadt ſchlingt. Eine Schiffsbrücke verbindet die Feſtung mit der Stadt Neu- ſatz, die noch an Kirchen und Häuſern die Spuren des letzten Krieges trug. Bald darnach erreichten wir Carlowitz, die Reſi- denz eines griechiſchen Erzbiſchofs. Hier beginnt bereits das Militär-Gränzland. Die Donau theilt ſich in zwei Arme. Wir fuhren in einer ſchmalen und ſchwerfälligen Waſſerſtraſſe, und gelangten zur Mündung der Theiß, die ſich durch weitgedehnte Sümpfe und hohes Schilf charak- teriſirt. Es begreift ſich, daß dieſe Niederung fieberreich iſt. Das Land ſtrotzt übrigens von Fruchtbarkeit, und die Weinrebe gedeiht üppig wie in Italien. Ein reiches, und doch ſo armes Land! Ungarn hat noch eine große Zukunft. Gegen fünf Uhr Abends landeten wir in Semlin, dritte Station ſeit Wien. Dieſe Stadt liegt an der Mün- dung der Save in die Donau, gegenüber von Belgrad, 25 alſo an der Gränze Öſterreichs. Am Ufer lagen viele Dampfſchiffe vor Anker, darunter Kübeck, Neptun, So- phie, Gyulay. Ich ſtieg ans Land, das mir aber ebenſo ſchmutzig vorkam wie die Leute, die am Ufer ſtanden. Die Hitze war faſt unerträglich. Wie gerne hätte ich gebadet, aber die Zeit war zu kurz. – Schon nach einer halben Stunde fuhren wir wieder fort, und ergötzten uns an dem erſten Anblick der ſerbiſchen Feſtung Belgrad. Je näher wir jedoch den verfallenen Baſtionen kamen, deſto mehr verlor ſich das Impoſante derſelben, und offenbarte ſich die orientaliſche Liederlichkeit. Der Name Feſtung klingt jetzt wie eine Ironie, denn man erzählte uns, daß einige Mauern einſtürzten, als in deren Nähe zur Begrüßung des Kaiſers Franz Joſeph im Jahre 1852 einige Kanonen gelöst wurden. Einſt jedoch muß die Fe- ſtung Belgrad dieſen Namen mit Recht verdient haben, denn ſie überſtand 40 Belagerungen. Hier ſiegten der Heldenmuth und Heldenglaube eines Johann Hunyad und Capiſtran (1456), hier fochten mit Glück ein Prinz Eugen (1717), und Laudon (1789), und doch umſonſt – denn im Friedensvertrage 1791 ging Belgrad für Öſter- reich wieder verloren. Ob für immer? wird die Zukunft lehren. Es berührt das chriſtliche Gemüth keineswegs an- genehm, daß die türkiſche Barbarei ſo weit in die euro- päiſche Civiliſation hereinragt. Während am linken noch zu Öſterreich gehörigen Ufer das chriſtliche Abendgeläute ertönt, ruft am rechten Ufer der Muezin des Propheten Lob von den ſtolzen Minarets herab. Auch im Äußern zeigt ſich der ganze Verfall der türkiſchen Wirthſchaft. Elende Baraken ſtehen am Ufer und auf der Anhöhe, und hie und da lehnt eine türkiſche Schildwache unter einem 26 Sonnenſchirm einen Blauſtrumpf ſtrickend. Die zwiſchen den Häuſern beſindlichen Bäume geben dem Ganzen in der Ferne allerdings ein freundliches Ausſehen, allein ſie können die gränzenloſe Armſeligkeit in der Nähe nicht verhüllen. So ſtelle ich mir alle orientaliſchen Städte vor; ſie bezaubern nur in der Ferne, die Natur thut Al- les, der menſchliche Fleiß nichts. Am linken Ufer, das ganz flach iſt, ſah man die ärmlichen Häuschen der öſterreichiſchen Militärgränze, oft näher, oft ferner. Darin zu leben, muß ein troſtloſes Geſchäft ſein. Bei Pancſowa trafen wir die erſten Segelſchiffe. Die Sonne ging blutroth hinter ſchwarzem Ge- wölk unter, und der emporwirbelnde Dampfſchiffrauch bildete eine herrliche Strahlenbrechung. Siehe da das Bild des ringenden Öſterreich, das ſiegend die Civiliſa- tion nach dem Oſten trägt, während die türkiſche Barba- rei in Europa ihrem Untergange nahe iſt. Matt und fahl ſchimmert der Halbmond auf den türkiſchen Moſcheen, der Abendhimmel umdüſtert ſich, und es ſcheint ein Ge- witter zu drohen, dem wir jedoch mit Dampfesſchnelle entkommen. Ich muß mich darauf beſchränken nur die hervor- ragenden Punkte unſerer Donaureiſe zu nennen und kurz zu beſchreiben. Das türkiſche Semendria beſteht aus einer Ruine im Viereck mit etlichen zwanzig ſtattlichen Wartthürmen, die ſich ſchön präſentiren. Um neun Uhr Abends legten wir bei Baſiaſch an, ein ganz einfacher Statiousplatz mit etlichen Häuſern. Der Dampfer ver- weilte hier die ganze Nacht, um die gefährliche Parthie des eiſernen Thores mit Hilfe eines Lootſen beim Tages- licht zu befahren. 27 Schon drei Uhr früh – am 3. Juli – wurden die Anker gelichtet, und ich ſtieg aufs Verdeck, um von der ro- mantiſchen Fahrt nichts zu verſäumen. Das früher ſo breite Strombett verengte ſich nun zwiſchen Bergen und ſenkrecht emporſteigenden Felſenwänden. Am Eingang der Felſenſchlucht mitten im Waſſer ſteht ein altes Schloß auf ſpitzigem Felskegel, Columbacz, berühmt wegen der Mückenſchwärme, die hier hauſen ſollen, von denen wir aber nichts wahrnahmen. Auf dem Schloße wehte die öſterreichiſche Flagge. Die Gegend hat einige Ähnlichkeit mit der ſächſiſchen Schweitz, dort wo ſie wildromantiſch iſt. Die ſchroffen höhlendurchlöcherten Felſen ſind zumeiſt bewachſen. Am linken Ufer ſchlängelt ſich die den Felſen abgezwungene Kunſtſtraſſe hin, die in ihrer Kühnheit an die Römerzeiten erinnert, ein Werk des edlen Grafen Ste- phan Széchény. Bei dem elenden Neſte Drenkowa beginnt eigent- lich erſt recht das eiſerne Thor. Schneller und reißender überſtürzen ſich die Wellen, brauſend und rauſchend toben die zahlloſen Wirbel, ſo daß das rieſige Dampfſchiff ins Schwanken kommt. Übrigens ſind dieſe einſt ſo verſchrie- enen Donaukataracten nicht mehr ſo gefährlich wie ehe- dem, ſeitdem die niedrigen Felsbänke größtentheils ge- ſprengt worden ſind. Bei dem uns günſtigen hohen Waſ- ſerſtande ſahen wir nicht einmal die verſteckten Klippen, und ſicher brachte uns der Lootſe hinüber nach Altor- ſova der letzten Gränzſtadt des Kaiſerthums Öſterreich gegen Oſten. Es war ein Sonntag. Die am Ufer ſtehenden Leute waren leicht aber reinlich gekleidet. Sonnenverbrannte Weiber mit kühn geſchlungener Kopfbedeckung, ſchlecht verwahrtem Buſen und eigenthümlich ausgefranztem 28 Gürtel ſaßen ſtill und boten Kirſchen zum Verkauf. Ich ſchenkte einem kleinen Mädchen einen Kreuzer, worauf mich alle verwundert anſahen, als ich wieder fortging ohne Kirſchen zu verlangen. Die großen Männergeſtalten ſtan- den ernſt und finſter da mit verſchlungenen Armen. Das Dampfboot hielt hier zwei Stunden an, während welcher Zeit unſere Päſſe viſirt wurden. Ich benützte die kurze Friſt, um das Gränzſtädt- chen näher zu beſichtigen. Die Häuſer der Donau-Dampf- ſchifffahrts-Geſellſchaft ſind ſolid gebaut, und wurde auch in deren Nähe deutſch geſprochen. Einwärts biegend in die hügelige Straſſe, traf ich eine Art Rebecca, die aus einem Ziehbrunnen Waſſer ſchöpfte. Weniger aus Durſt denn aus Neugierde, ob ſie den Fremdling tränken würde, bat ich ſie pantomimiſch um einen Trunk Waſſer. Schwei- gend reichte ſie mir den großen zinnernen Krug, und ging dann fort. In der Nähe war eine griechiſch ſchismatiſche Kirche. Ich ging hinein und kam eben recht zu einem Tauf- acte. Ein alter Geiſtlicher mit langem weißen Bart, im ſchmutzigen Pluviale, verrichtete die heilige Handlung, aber nicht ſehr erbaulich. Während er die Gebete mur- melte, commandirte er mit den herumſtehenden Leuten und zuſehenden Kindern. Als er mich und meinen Beglei- ter ſah, rief er uns zu, daß er eben einen Chriſten mache. Auf meine Frage, ob er ſchon damit fertig ſei? erklärte er willig den griechiſchen Ritus des Untertauchens, und ich glaube er hätte auf mein Verlangen den nackten Bu- ben nochmal getauft. Die ſtädtiſch gekleidete Mutter des Pathen, der noch ein Knabe war, lächelte, zeigte aber keine Verlegenheit. Zuletzt ſchnitt er brillenbewaffnet dem kleinen Erdenbürger an drei Stellen des Hauptes Haare 29 ab, wobei ich in ſteter Beſorgniß ſchwebte, daß er denſel- ben verletze. Doch es geſchah ihm nichts, und triumphi- rend führte er uns und die Mutter des Pathen zum Tauf- protokolle, das neben einem rieſigen Tintenfaß ſich auf einem Tiſch in der Kirche befand, und ſchrieb – nebenbei plaudernd – das Nöthige ein. Dann legte er den Ves- permantel ab, führte uns in redſeliger Heiterkeit in der kleinen Kirche herum, und reichte zuletzt einen Teller mit der Bitte um Almoſen für die Kirche. Der gute Mann benahm ſich in der Kirche buchſtäblich wie zu Hauſe. Mit den uns nachfolgenden Collegen machte er es ebenſo. Die katholiſche Kirche iſt etwas entfernt und ſehr einfach. Die Glocken riefen eben zum Gottesdienſte, dem wir jedoch nicht beiwohnen konnten, denn die Schiffsglocke läutete bereits zum zweiten Mal zur Weiterreiſe. Als Andenken von Orſowa nahm ich mir ein Blatt von einem prächtigen Lindenbaume mit. Unterhalb Orſowa erſcheint die türkiſche Feſtung Neuorſowa, die impoſant auf einer Inſel liegend, den ganzen Strom beherrſcht. Kaiſer Leopld I. ließ ſie er- bauen, um die Donau zu ſperren, denn gegenüber liegt das Eliſabethfort mit maſſiven Baſtionen. Allein jetzt iſt dieſe Miniaturausgabe einer Feſtung faſt verfallen, und die weiß übertünchten Wälle bergen kaum die morſchen Häuſer, die dahinter ſtecken. Bei Turnſeverin umzog ſich plötzlich der Him- mel und ein kalter Sturm blies mit ſolcher Heftigkeit, daß man auf der Terraſſe kaum zu ſtehen vermochte. Das Thermometer fiel von 26. R. auf 16, und ich hüllte mich gleich den Anderen in den Reiſemantel. Die Wellen gin- gen ungemein hoch, faſt wie im Meere, brachten auch die- ſelbe Wirkung wie auf dem Meere hervor, denn trotz al- Z() les Sträubens unterlag ich zweimal der fatalen Seekrank- heit mitten auf der ſonſt ſo heimiſchen Donau. Traurige Ausſichten! Unſer Dampfer aber durchfurchte kühn und kräftig die ſich ſtauenden Wogen und es war ganz gebüh- rend, daß die türkiſchen Soldaten vor uns präſentirten, als wir an ihren erbärmlichen Wachhäuschen vorüberfuhren. Widdin am rechten Ufer der Donau ſcheint eine anſehnliche Stadt aber eine unanſehnliche Feſtung zu ſein. Über zwanzig Minarets ragen aus ihr empor. Hier hielt ſich lange Zeit der flüchtige Koſſuth auf, und viele emi- grirte Ungarn ſchwuren da den chriſtlichen Glauben ab, um Mohamedaner zu werden. Ein Beamter der öſterrei- chiſchen Diplomatie wollte in Widdin ausſchiffen, aber der heftige Sturm machte es geradezu unmöglich, und ſo fuhr er mit uns weiter bis Conſtantinopel. Einmal brach ſogar die fauſtdicke Speiche im Räderkaſten unſeres Schiffes, ſo daß wir mitten im Fluſſe Anker werfen muß- ten, um die nöthigen Ausbeſſerungen vorzunehmen, was über eine Stunde in Anſpruch nahm. – Bei hereinbre- chender Nacht fuhren wir an Rahowa vorüber, wo we- gen des nahen Bairamfeſtes die drei Minarets beleuchtet waren – ein ſchöner Anblick. Während der Nacht lag das Schiff vor Anker. Als ich am 4. Juli vier Uhr Morgens erwachte, war das Schiff bereits im beſten Gange. Die Sonne hatte ſich eben über dem Waſſerſpiegel erhoben, der Sturm ſich mehr gelegt, und es ſchien ein ſchöner Tag zu werden. Zahlloſe Seevögel umſchwärmten uns: Schneehühner, Möven, Waſſerenten, wilde Gänſe, Schwalben, Pelikane 31 etc. und Schaaren von wilden Schwänen erhoben ſich im ſchweren Fluge über die meilenbreit mit Schilf bewachſe- nen Pfützen. Das Waſſer war ſchmutziggrau, faſt ſchwärz- lich. Ein Storch ſaß auf ſeinem Neſte und ſah uns ſtolz an, als wir an ihm vorüberfuhren. Auf dem Schiffe be- fand ſich ein gutes engliſches Fernrohr, durch welches man die Einſamkeit auf dem Schiffe beleben konnte. Am rechten Ufer liegt Bulgarien, links die Walla- chei. Erſteres bietet mehr Abwechslung als letzteres. Die türkiſche Feſtung Nicopoli, (ſo genannt wegen des Sieges Kaiſer Trajans über die Dacier) ruht auf einem Kreidefelſen, von dem herab die rothe Fahne des Prophe- ten wehte. Große Segelſchiffe lagen im Hafen. Später er- ſchien am ſelben Ufer Siſtowa. Die Berge ſind faſt kahl, vieles Terrain liegt brach und unbebaut. Was könn- ten hier chriſtliche Kolonien unter dem Schutze der Groß- mächte alles wirken! Doch iſt auch auf dem linken (wal- lachiſchen) Ufer noch viel zu civiliſiren. Die Häuſer da- ſelbſt ſind nichts als ein pyramidenförmiges Strohdach über einer Grube in der Erde. Überhaupt kündet ſich in mancher Hinſicht der nahe Orient an. Nun kamen wir in ein mehr kriegeriſch ausſehen- des Bereich. Auf den Anhöhen bei Rusſchuk bivouakirte die türkiſche Kavallerie unter grünen Zelten, während in dem gegenüber liegenden Giurge wo die erſten ruſſiſchen Soldaten (ſie hatten am 2. Juli den Pruth überſchritten) Lager ſchlugen. Letztere trugen lange graue Röcke und ſa- hen keineswegs kriegeriſch darein; ſie waren eben damit beſchäftigt ſtehend ihr Mittagsmal unter freiem Himmel aus gemeinſchaftlicher Schüſſel zu genießen. Wir landeten auf einem Umwege in Giurgewo und ſtiegen ans Ufer, um den walachiſchen Ort in Augenſchein zu nehmen. Die 32 - Häuſer ſind unanſehnlich, doch meiſtens mit Ziegeln ge- deckt. In einem Caféhaus, wo auch Billard geſpielt wurde, ſahen wir die erſten Türken auf ihren Säbelbei- nen kauern. Schachernde Juden machten ſich bemerkbar. Auf dem großen Platze lag fußhoher Staub, und die Schweine ſpazierten in holdſeliger Freiheit durch die Straſſen. Nach den Zeitungen hätte hier Alles ſchon von Ruſſen wimmeln ſollen; indeß ſahen wir, wie geſagt, nur einen kleinen Vortrab und einige mit kleinen Pferden be- ſpannte ruſſiſche Fuhrwerke. Das ſteigerte unſeren Muth. Nach kurzem Aufenthalt ging es ohne alle Hinder- niſſe weiter nach Turtukai, das wir um zwei Uhr paſ- ſirten, ein türkiſcher Ort mit unanſehnlichen Lehmhäuſern und dazwiſchen liegenden ſaftig grünen Bäumen, welche dem Ganzen ein liebliches Ausſehen gaben. Sonſt war die Gegend und auch die Fahrt monoton. Da brachte ein hu- moriſtiſches Intermezzo eine kleine Abwechslung und Auf- regung unter den Schiffspaſſagieren hervor, das ich Dir, mein Lieber, doch auch mittheilen muß, ſelbſt auf die Ge- fahr dahin, daß Du ſo etwas für einen Pilgerbrief nicht ganz paſſend findeſt. Indeß Du biſt ja kein Feind eines harmloſen Scherzes, und nur einen ſolchen will ich Dir ſchildern. Beim letzten Mittagstiſch auf dem Eildampfer „Franz Joſeph“ wird den Paſſagieren gewöhnlich ein Extrawein zum Deſſert credenzt. Wir Inhaber des zwei- ten Platzes hatten einen feurigen Ungar, jene des erſten Platzes dagegen Champagner. Es war gerade nicht Neid, der uns verſtimmte, aber es war uns doch nicht ganz recht, daß die Reiſecollegen gar ſo laut und luſtig wa- ren, und uns arme Schlucker ordentlich zu bemitleiden ſchie- nen. Marinelli und ich promenirten ſchon lange auf der 33 Terraſſe, die Cigarre zerbeißend, da kamen die Schlemmer voller Späſſe zu uns herauf und neckten unſere Nächtern- heit. Das verdiente Strafe. Ich redete Marinelli zu auf die illuminirten Pilger eine Satyre zu dichten. Geſagt, gethan. Er griff zur Bleifeder und in einigen Minuten war das Gedicht fertig, das ich Dir mit ſeiner Erlaubniß weiter unten mittheile. Nun begann eine orginelle Szene. Die drei Pilger- collegen des erſten Platzes ſaßen auf dem Mitteldivan wie auf einer Anklageblank, während Marinelli und ich mit verſchränkten Armen vor ihnen ſtanden. Wir geboten Stille und der Dichter declamirte folgendermaſſen: »Ihr Praſſer! Trinkt Waſſer und laßt uns den Wein! Was frommt es euch Pilgern benebelt zu ſein? Sagt, reist man von Augsburg ins heilige Land, Und trinket ſich Räuſche im Pilgergewand ? O Santo Caſella, du Stöpſelpatron, Und du grauer Wiener, wie ſprecht ihr uns Hohn! Auch der von Sankt Pölten ſoll mir's noch entgelten. Vom Trinken, vom Trinken die Aeugelein blinken, Und ach! die Gedanken, die hüpfen und ſchwanken Und ſegeln daher durch's Champagnermeer. »Potz tauſend, was treibt ihr? Der Neid zu euch ſpricht. Da ſitz' ich verlaſſen – ein trockener Wicht – Und euch, meine Brüder, euch kümmert Das nicht? Trinkt Waſſer, trinkt Waſſer, oder ſchenkt uns vom Wein, Denn Freiheit und Gleichheit für Alle muß ſein. Drum löst eure Schulden mit etlichen Gulden, Und zahlt auch uns Beiden, die neben euch leiden, Im fröhlichen Tauſch den Champagnerrauſch; Denn Gleichheit muß ſein auch beim perlenden Wein. Und wenn ihr nicht wolltet (doch 's fällt euch nicht ein) So ſolltet, ſo ſolltet ihr bruderlos ſein! Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 3 /“ 34 „Und nun noch zum Ende die praktiſche Lehr': Gebt Ihr den Champagner nicht gutwillig her, So laß über's Jahr dieß Liedchen ich drucken, Und Ihr müßt's mit meinen Papieren verſchlucken“. Das Gedicht that vollſtändig ſeine Wirkung. Wäh- rend Alle dem Dichter applaudirten, lief der zuerſt getrof- fene Caſella fort, um eine Flaſche Champagner zu beſtel- len. Weil wir inzwiſchen einen enormen Lärm vollbrach- ten, ſo erſchien auch der erſte Schiffskapitän, und fragte was es gebe? Auf ſeine Bitte wurde das Gedicht noch- mal vorgeleſen, und es gefiel ihm – obwohl er nur ſehr wenig deutſch ſprach – dergeſtalt, daß er uns gleichfalls eine Champagnerbouteille bringen laſſen wollte. Das wäre des Guten zu viel geweſen. Wir dankten höflich und luden ihn zur Flaſche Caſella's. Der Stöpſel flog in die Luft, und unter heiteren Späſſen wurden dem Dichter, Kapitän, Geber etc. Toaſte gebracht. Eben ſank die Sonne prachtvoll im Weſten hinab und ergoß ein roſiges Licht über die begeiſterte Gruppe. – Das iſt die Macht des Genie's, es ſchafft leicht und ſchnell, während das Talent ſich abmüht im Schweiße des Angeſichtes; jenes electriſirt und begeiſtert, dieſes erregt kalte Bewunderung. Marinelli hat etwas vom Genie. Für mich war dieſer Abend noch in anderer Bezie- hung intereſſant und merkwürdig. Doch bevor ich Dir da- von erzähle, will ich noch einige Perſonen unſerer bunten Reiſegeſellſchaft ſkizziren, denn in dieſen vier Tagen wur- den wir mit allen mehr oder weniger bekannt. Das weite 35 und ſchöne Ziel unſerer Pilgerfahrt erweckte allenthalben Sympathie und Bewunderung. Da war ein ſehr neugieriger und geſprächiger Ge- fährte, der einen mit endloſen Fragen behelligte. Unter andern fragte er auch, ob ich ledig ſei oder nicht? Man ſagte mir ſpäter, daß er ein Iſraelite war. Zum Glück verließ er das Schiff ſchon am erſten Tage. Ebenſo verließen uns in Peſt zwei galante Damen, die viel über Oper, Muſik und Bildung ſchwatzten, und etwas zudringlich waren. Beim Ausſteigen bedauerten ſie unſere angenehme Geſellſchaft ſchon verlaſſen zu müſſen, was ich in der Rückantwort natürlich auch bedauerte, ob- wohl ich im Herzen froh war, daß wir ihrer los gewor- den. Aber ſo iſt unſere moderne Converſation. Wahrheit findet man ſelten darin, die Lüge iſt privilegirt, wenn ſie nur mit einem äſthetiſchen Firniß übertüncht iſt, und das nennt man dann Bildung! Ich begreife, daß ſolche, die die Welt kennen und deren Täuſchung genoſſen haben, ſich nach der Einſamkeit ſehnen und darin glücklicher fühlen. Unter den Kommenden und Gehenden auf den Mit- telſtationen waren auch ungariſche Magnaten, die in die Bäder Mehadia's reisten. Eine ungariſche Dame, deren Gemal gut kaiſerlich geſinnt war, ſprach längere Zeit mit mir, und beneidete mich um das Glück das heilige Land zu betreten. Als ſie mich zufällig bei einer mir ſonſt frem- den Manipulation traf, nämlich die Bänder an den Strohhut zu befeſtigen, um ihn gegen den Wind zu ſichern, bedauerte ſie, daß ich ihr nicht Gelegenheit gegeben habe, einem Pilger einen kleinen Gefallen zu erweiſen. Eine komiſche Figur iſt unſer Schiffsintendant, der die Verköſtigung der Paſſagiere, welche im Fahrtarif miteinbegriffen iſt, zu beſorgen hat. Er iſt ein redſeliger Z :: Z6 Hamburger und trinkt gerne. Manchmal erlaubt er ſich an unſerem Tiſche an's Gemeine ſtreifende Späſſe. Als ihm Marinelli auf eine unanſtändige Äußerung ein ernſt rügendes „Pfui“ zurief, entſchuldigte er ſich artig und ſagte: „Erwarten Sie denn von einem alten Schiffs- manne einen anderen Ausdruck?“ Er wird faſt allge- mein ignorirt, obwohl man mit der Verköſtigung zu- frieden iſt. Der zweite Schiffskapitän iſt ein Däne, ein gar jun- ges Blut noch, war ſchon in Weſtindien und hat Vieles mitgemacht. Wir ſprachen oft mitſammen, er zeichnete mir auch etwas in mein Tagebuch als Andenken. Die engliſche Romanliteratur kannte er ganz genau, aber ein Gebetbuch mag er ſchon lange Zeit nicht in der Hand gehabt haben. In meinem Brevier, das er durchblätterte, fand er ein Bild mit der Unterſchrift: „Prèparation a la bonne mort“ (Vorbereitung zu einem guten Tode). Es ſchien ihn anzuſprechen, denn er betrachtete es lange. Vielleicht hätte er es als Geſchenk angenommen, aber weil er Prote- ſtant war, ſo wollte ich ihm nicht aufdringlich erſcheinen. Wir ſprachen nebſt vielen weltlichen Dingen auch über die göttliche Vorſehung und dgl. Der junge Mann hatte ein gutes Herz, denn als wir Abends auseinander gin- gen, fragte er: „Werden Sie an mich in Jeruſalem den- ken?“ Blaſirte junge Leute, welche die Welt frühzeitig ſatt genoßen, erwecken mir immer Bedauern, es ſind frühreife Grabesblüthen. - Auch mehrere vornehme und reiche Ruſſen waren auf dem Schiffe. Eine geborne Wienerin, die ihre Ver- wandten beſucht hatte, ſprach ſich ſehr zufrieden über das Leben in Rußland aus; ſie iſt eine reiche Bäckermeiſterin in Odeſſa. 37 Von dem Diplomaten habe ich ſchon oben geſpro- chen, ich hoffe ihn noch beſſer kennen zu lernen. Die intereſſanteſte Reiſebekanntſchaft war aber je- denfalls eine adelige Dame aus Rußland, die während der erſten Tage der Reiſe ganz theilnahmslos erſchien, und erſt am letzten Tage aufzuthauen begann, beſonders ſeitdem ſie von dem improviſirten Gedichte Marinelli's gehört hatte. Nach den Berichten der Reiſecollegen des erſten Platzes war ſie ſehr gebildet, jedoch total ungläu- big, was meinen Wunſch ſie perſönlich kennen zu lernen ſteigerte. Dieß machte keine Schwierigkeiten, und bald ent- ſpann ſich zwiſchen uns beiden eine längere Converſation, über welche ich Dir getreu referiren will, weil ich gewiß bin, daß Du davon mit Theilnahme höreſt. Obwohl ungläubig, lenkte ſie ſelbſt das Geſpräch auf den Glauben. Sie geſtand, daß ſie auf ihren großen Reiſen durch Frankreich, England und Deutſchland um allen Glauben gekommen ſei. Ihr kindliches Gemüth ſträubte ſich eigentlich gegen den Unglauben. In Folge der geiſtigen Überbildung und in der Unbefriedigtheit ih- rer Seele griff ſie nach dem Gott des Pantheismus und ſchwärmte in den vagen Gefühlen einer Naturreligion. Ich fand es begreiflich, daß ſie nur „ſchwarze Blätter" dichtete, denn ungetrübter Frohſinn des Lebens gedeiht nur bei dem Glauben an einen perſönlichen Gott. – Wir ſprachen viel über Poeſie und deutſche Dichter, die ſie alle kannte. Für unſere Pilgerreiſe zeigte ſie ein beſon- deres Intereſſe und fand es poetiſch, daß wir jungen Leute aus freiem Antriebe und aus religiöſen Motiven miteinander zum heiligen Grabe pilgerten; ſie verhehlte es nicht, daß ſie an einer ſolchen Pilgerfahrt gerne theilnehmen möchte. 38 Daran knüpfte ich einen Gedanken, der wir zufällig in den Sinn kam. Ich hatte ein nettes franzöſiſches Bild, das einen jungen Pilger vom göttlichen Heiland geführt darſtellt. Auf der Rückſeite ſtanden franzöſiſche Verſe, deren erſte Strophe in deutſcher Überſetzung lautet: „Wenn feſt entſchloſſen du die Wahl getroffen, Denk zur Vergangenheit nicht mehr zurück. An deinen Heiland, ohne Rückhalt, offen Mit ganzem Herzen häng' nur deinen Blick. Er iſt's, der dir den ſichern Weg bereitet, Der dich zu ew'gen Himmelsfreuden leitet.“ Dieſes Bildchen verehrte ich ihr als Andenken an uns Pilger und ſie nahm es mit unverholener Freude an. Da ſie früher geſtanden, daß ſie einſt gedichtet habe, ſo bat ich ſie als Andenken von ihrer Seite um etliche Verſe. Nach vielem Entſchuldigen und Widerſtreben gab ſie end- lich nach, und verfügte ſich in die Cajüte. Nach dem Abendtiſch kam ſie wieder auf die Teraſſe herauf uud händigte mir die verſprochenen Verſe ein. Ich hielt es nicht für angezeigt ſie ſogleich zu leſen, ſon- dern ſteckte das Blatt zu mir. Mich freute das Andenken im Vorhinein, obwol ich das Fräulein nicht einmal dem Namen nach kannte. – Wir ſpazierten noch anderthalb Stunden auf der Teraſſe auf und ab, und ſprachen mit- einander über den Glauben. Ich ſuchte der jungen Zweif- lerin mehr Vertrauen auf Gott einzuflößen, und ihre ſchwarzen Gedanken von Tod, Vergänglichkeit u. ſ. w. zu berichtigen. Theilweiſe ſchien es mir zu gelingen, denn öfters blieb ſie ſtehen, ſah mir ſtarr ins Angeſicht, und lächelte dann ſo freundlich, als ob ſie eine frohe Nach- richt empfangen hätte. In ſolchen Momenten war ſie ſchön zu nennen, obwol eine tiefe Wehmuth auf ihren 39 zarten Zügen lagerte, ein Beweis, daß das Antlitz ein Spiegel der Seele iſt. – Wer einmal einen kindlichen Glauben beſaß, (und den hatte ſie im frommen Eltern- hauſe) kann nie mehr radical ungläubig werden; ſolche glauben mehr, als ſie ſich ſelber eingeſtehen. Wo ein guter unverdorbener Kern in der Seele ſitzt, da iſt die Willensſcheue und Nervenſchwäche bei vernünftig liebe- voller Leitung leicht zu brechen. Ich fragte ſie auch gar nicht, ob ſie eine Griechin, Proteſtantin oder Katholikin ſei, denn bei Leuten dieſer Gattung iſt die kirchliche Confeſſion weniger vom Be- lange; ſondern ich bemerkte nur, daß es gewiß nicht Zu- fall ſei, daß ſie nun am Schluße ihrer langen Reiſen uns Pilger kennen gelernt habe, und daß Gott uns viel- leicht als Werkzeug benütze, um ſie wieder zur Seligkeit des kindlichen Glaubens zurück zu bringen. Als ſie ſich äußerte, daß ſie als Kind ſo glücklich war, wo ſie noch beten konnte, bat ich ſie wenigſtens Einmal die Worte am Pilgerbilde „Confido in Domino Jesu" (ich vertraue auf den Herrn Jeſus) mit dem kleinen Gebete zu ſpre- chen. Das gelobte ſie denn auch von heute an zu thun mit dem Geſtändniß, daß ſie ein angenehmes Gefühl bei dem Gedanken durchdringe, wieder glauben und beten zu können. Auch ich verſprach für ſie zu beten, und insbe- ſondere im heiligen Lande ihrer zu gedenken. Sie meinte, ich werde ihr Schutzgeiſt für die Zukunft ſein, und nie könne ſie dieſe Stunde vergeſſen. Sie war zuletzt wie ein gutes Kind – Gott gebe, daß es ſo bleibe. Mit einem feſten Händedruck gaben wir einander gute Nacht, und ſchieden. Es war ein wunderſchöner Sternenhimmel. Die Neugierde nach dem mir als Andenken verehr- ten Gedichte trieb mich bald in die Kajüte hinab. Das 40 Vlatt war mit Bleifeder beſchrieben, und enthüllte am Ende auch den Namen der edlen Dichterin. Anknüpfend an die Worte des Pilgerbildes begann das Gedicht, wie folgt: „Nicht mehr rückwärts ſoll ich ſchaueu In des Schmerzes Schattenreich? Wohl! Ich will dem Pilger trauen! Dieſe Hand, die ich ihm reich' – Sympathetiſch hingegeben – Bürge für den neuen Bund." „Darf ich dorthin auch nicht ziehen, Wo das Grab der Chriſten ſteht, Nie verſtummen Pſalmodien, Gläub'ge nahen im Gebet: O mir bleibt das ſüße Wähnen, Lindernd meinen Seelenſchmerz, Daß dem Heiland mich verſöhnen Will ein edles Pilgerherz.“ „Dorthin will ich oft nun ſchauen, Wo das Licht im Oſten tagt. Solche Pilger, voll Vertrauen, Ziehen gläubig, unverzagt. Geiſtig dieſem ſchönen Bunde Schließe ich mich freudig an, Segmend dieſe Lebensſtunde, Die mir ſolch ein Glück gewann.“ Eilſchiff Franz Joſef, 4. Juli 1853. Baroneſſe Bertha . . . . Das Gedicht freute mich ungemein, denn es galt mir als Beweis, daß meine Worte nicht ſpurlos verhallt waren, ſondern Wiederklang gefunden hatten in einer ringenden Seele. Ich verſuchte zu ſchlafen, aber es ging nicht. Das ſchwachgläubige unglückliche Kind ſtand immer vor meinen Augen. Das iſt das Schöne und Großartige 41 im Prieſterleben, daß man mit einer Seele ringet und leidet, als ob es uns ſelber gälte. So wenig kann der Prieſter eine ihm anvertraute Seele vergeſſen, als er ſich ſelbſt vergeſſen kann. Ich betete für Bertha um Glauben und Vertrauen zu Gott. – Da alles Bemühen einzu- ſchlafen vergebens war, und auch die Mücken abſcheulich ſekirten, ſo pakte ich mich zuſammen, nahm meinen Man- tel, legte mich auf eine hölzerne Bank auf dem Verdecke und übernachtete unter freiem Himmel. Die Liegeſtätte war zwar etwas hart, und um Mitternacht wurde es empfindlich kalt. Doch ließ ich mich davon nicht anfechten, ſondern ſchlief prächtig, bis mich die zahlloſen Vöglein aus dem Schlummer ſangen. Man glaubt ſich verzaubert, wenn man in ſolcher Umgebung mitten auf dem Waſſer plötzlich erwacht. Wir hatten nämlich ſpät Abends mitten im Fluße Anker ge- worfen, nachdem wir vorher Siliſtria und die halb- mondförmige Feſtung Hirſowa paſſirt hatten. Um drei Uhr früh wurden ſchon die Anker gelich- tet, und ich genoß, der Einzige unter den Paſſagieren, das herrliche Schauſpiel des Sonnenaufgangs. – Im großen Hafen von Ibraila, wo wir uns kurz aufhielten, erfuh- ren wir, daß die Ruſſen in Jaſſy eingerückt ſeien. Neue Bedenklichkeiten. Doch nun iſt es Zeit, mein Lieber, daß ich dieſen Brief ſchließe, denn wir nähern uns bereits dem erſten Ziel der Reiſe, nämlich der Handelsſtadt Galacz. Zahl- loſe Segelſchiffe liegen im Hafen, von den öſterreichiſchen Dampfbooten: Friedrich, Peſt, Ferdinand und Perſia. – Nun heißt es von dem lieb und heimiſch gewordenen Eil- ſchiffe „Franz Joſeph", dem Kapitän und der Mehrzahl 42 V der Mitreiſenden Abſchied nehmen, denn Viele gehen nach Odeſſa, Wenige nach Conſtantinopel. Wir trennen uns ſchwer, denn ſo bequem und angenehm werden wir kaum wieder reiſen. Eben ſuchte ich die ruſſiſche Dame in der - - Kajüte auf, gab ihr mein Billet mit der Adreſſe, und erneuerte das Verſprechen nach der Pilgerreiſe zu ſchrei- ben. Ein Händedruck, und wir ſchieden, um uns vielleicht im Leben nie mehr zu ſehen. Schon nach einer Stunde ſoll der bereit liegende Lloyddampfer „Ferdinand" uach Conſtantinopel abfahren. Daher lebe wohl, es grüßt Dich tauſendmal Dein :c. –888– III. Von Galacz nach Conſtantinopel. – Wechſel der Szene auf dem Lloyddampfer Ferdinando primo. – Einrichtung auf dem Schiffe. – Ueberfüllung von Paſſagieren. – Flucht der türkiſchen Frauen vor den heranrückenden Ruſſen in Tult- ſcha. – Die geſährliche Fahrt durch die verſandete Sulinamündung. – Erhebender Anblick des ſchwarzen Meeres. – Ruhige Fahrt. – Eine romantiſche Dame. – Ein gewaltiger Streit mit den Türkinen, die dafür abgeſperrt werden. – Feſtung Varna. – Soldatentransporte. – Miſerables türkiſches Militär. – Ein unbeanſtändeter Gang durch die Feſtung. – Ergötzliche Verwirrung auf dem Schiffe. – Ein ge- müthlicher Conſtantinopolitaner. – Ein Onkel Tom. – Illumination zu Burgas. – Seekrankheit beim Anblick des Bosporus. – Herrliche Fahrt durch denſelben. – Landung im Hafen zu Conſtantinopel. – Lieber Freund! Am Bord des Lloydſchiffes „Ferdinand“ 7. Juli. Der Aufenthalt in Galacz dauerte nicht lange, was uns nicht unangenehm war, denn es begegneten uns aller- 43 hand unheimliche Geſichter. War das ein Herumbalgen bei Viſirung des Paſſes! Wir hielten uns gar nicht län- ger in den ſtaubigen Straßen auf, ſondern lenkten unſere Schritte nach dem weiter unten liegenden Lloyddam- pfer, wohin indeß auch unſer Reiſegepäck geſchafft wor- den war. Der Lloyddampfer, der uns gaſtlich an Bord nahm, hieß „Ferdinando Primo." Er iſt viel höher gebaut, aber bei weiten nicht ſo elegant wie das Eilſchiff „Franz Joſeph." Auf dem Schiffe herrſchte eine große Regſamkeit, wie ſie nur in Seehäfen getroffen wird, wo man Schiffe zu einer weiteren Reiſe ausrüſtet. Alles zeigte an, daß wir einer neuen uns unbekannten Welt entgegenkamen, denn wir Pilger Öſterreichs galten hier als Fremdlinge. Man ſah, hörte und roch den Orient. Das war ein Wechſel der Szene und Reiſegeſell- ſchaft! Da kauerten Türken auf Teppichen und ſchmauch- ten ihren Tſchipuk, dort watſchelten Türkinen in gelben Pantoffeln und mit verſchleierten Geſichtern, da ſäugten Griechinen und Jüdinen ganz offen ihre Kinder, dort feilſchten Wallachen und Serbier in ihren landesüblichen Trachten. Auf dem zweiten Platz des Schiffes wäre es nicht möglich geweſen zu bleiben, denn es dunſtete dort wie in einer nicht gereinigten Kinderſtube. Wir bezahlten daher die Billeten für den Erſten Platz, wo ſich nicht mehr als zwanzig Paſſagiere befanden. Der Camariére wies uns die Liegeſtätte an, deren je zwei eine Kabine bilden. Nun ſtiegen wir auf's Verdeck hinauf, um die Ab- fahrt des Schiffes zu ſehen. Der Steuermann mußte eine Viertelſtunde lavieren um fortzukommen, weil der Hafen voll von Schiffen war. Welche Freude empfanden wir, 44 als wir auf dem Balkon eines nahen Hauſes den Kapi- tän des Eilſchiffes „Franz Joſeph" und die rnſſiſche Dame erblickten! Die weißen Tücher wehten noch lange einander Abſchiedsgrüſſe zu, bis wir dieſelben wegen zu großer Entfernung nicht mehr ſahen. Uns alle rührte dieſe Aufmerkſamkeit. Unſer Schiff ging etwas ſchwerfällig, man merkte es ihm an, daß es ſchon manchen Seeſturm mitgemacht. Die Einrichtung iſt ganz wie auf Seeſchiffen. Wenn die Ablöſungsſtunde iſt, ſo läutet der Steuermann, und eine Glocke am Vorderdeck telegraphirt das Zeichen zurück, und mit militäriſcher Pünktlichkeit begeben ſich nach der Ordnung die Kapitäne, der Steuermann, Maſchiniſt, die Matroſen und Heitzer auf ihren Poſten. – Um zehn Uhr war Collation, eine Art Gabelfrühſtück, beſtehend aus Thee, Salami, Schinken, doppeltem Fleiſch, Eierſpeiſe, Wein, Kaffee, Käſe, Mandeln. Es waren unſer zehn bei Tiſch, der Kapitän präſidirte. Die Converſation ward in italieniſcher Sprache geführt, deren Mayr und Caſella vollſtändig mächtig ſind. Die Matroſen nannten uns ni padroni“ (die Herren) des Schiffes. Nach der Collation hielt ich eine Rundſchau auf dem Schiffe, und ſtellte darüber meine Betrachtungen an. Hinter einem Verſchlage in der Nähe des Steuerruders hockten die verſchleierten Türkinen, lauter häßliche und eckelhafte Geſtalten, die ganze Rauchwolken aus ihren langen Pfeifen in die Luft dampften, einige ſchnupften auch und zwar ganz entſchiedene Priſen. So viel ich bemerken konnte, hatten die Weiber ſchwarzgefärbte Augenbraunen, rothgefärbte Nägel, und ungeheure Naſen, die wie ein Vorgebirge aus dem ſonſt ver- ſchleierten Geſichte hervorragten. – Die erwachſenen 45 Türken kümmerten ſich nicht um die Weiber, von denen ſie abgeſchloſſen waren, ſondern ſpielten apathiſch mit gewaltigen Roſenkränzen. – Die kleinen Türken liefen unter den Füſſen herum, oder vollbrachten ein Conzert in allen möglichen Tonarten. – Der Kaffetier Achmed, ein flinker Grieche, hatte für dieſe Gattung Reiſender eine eigene Bude auf dem Verdecke, und war vollauf beſchäf- tigt ſeine männlichen und weiblichen Kunden zu befrie- digen. Die Fahrt ging glücklich vorwärts in einem breiten Donauarm, das Auge ſuchte jedoch umſonſt einen Ruhe- punkt. Die Dörfer in der Moldau ſind ebenſo armſelig wie in der Wallachei. Nur die Alexanderkirche, welche der ruſſiſche Kaiſer dieſes Namens an der Stelle bauen ließ, wo er über die Donau ging, iſt ein ſtattliches Ge- bäude. Einige wollten auch die Reſte der Trajansmauer bemerken, die der römiſche Kaiſer Trajan von der Donau nach dem ſchwarzen Meere querhin ziehen ließ. Auf einem Berge entdeckten wir ein türkiſches Kavallerielager mit grünen Zelten und etwa hundert campirenden Pferden. Die erſte Landung fand in dem türkiſchen Hafen Tultſcha ſtatt, in den wir zwiſchen zahlloſen Segelſchif- fen hineinfuhren, um eine Strecke vom Ufer entfernt Anker zu werfen. Nun entfaltete ſich ein merkwürdiges Schauſpiel. Von allen Seiten ruderten Schiffe herzu mit einer Unzahl von neuen Paſſagieren. Ganze Rudel türki- ſcher Frauen kamen mit Katzen, Eunuchen, Mohren und Sclavinen, die eine Ladung von Decken und Teppichen mit ſich ſchleppten. Das gab eine ergötzliche Verwirrung, ein Keifen, Streiten und Schreien ohne Ende, es war wie eine eilige Auswanderung in angſtvoller Beſtürzung vor dem heranrückenden Feinde. Faſt ſchien es, als 46 wollten alle Paſcha und Unterpaſcha ihren Harem bei Zeiten in Sicherheit bringen. So übertrieben waren die kriegeriſchen Gerüchte, die den Ereigniſſen vorauszogen. Etliche fünfzig Weiber nahmen die Hälfte des erſten Platzes ein. Als wir die Fahrt nach einſtündigem Auf- enthalt fortſetzten, herrſchte jedoch trotz der Menſchen- menge eine unheimliche Stille, und wir waren faſt die einzigen, die ſprachen. Bald außer Tultſcha trennt ſich die Donau in mehrere Arme, die nordwärts ziehen und ſich unanſehn- lich in das Meer verlieren. Wir lenkten in die ſogenannte Sulin amündung ein, die nichts als ein breiter zwi- ſchen hohem Schilfrohr eingeengter Donauarm iſt. – Um drei Uhr war Diner von ſechs Speiſen, die jedoch nicht ſo ſchmackhaft zubereitet waren wie auf dem „Franz Joſeph". Als wir vom Speiſen aufſtanden, kündete Alles die Nähe des Meeres an. Es war eine leicht begreifliche Spannung des Gemüthes auf dem gewaltigſten Strome Deutſchlands ſich hinaustragen zu laſſen in das weite Meer, das die Küſte Aſiens beſpült. Unzählige Schiffe, gewiß etliche tauſend, benützten den günſtigen Wind und ſteuerten mit vollgeblähten Segeln in die Donaumündung herein, und unſere Kapitäne kommandirten mit wahren Stentorſtimmen, um die entgegenlaufenden Schiffe zum Ausweichen zu bewegen. Die Sulinamündung iſt nämlich ſtark verſandet, und daher für die Schiffe ſehr gefährlich. Wir ſahen etliche fünfzehn Wrack geſcheiteter Boote, von denen nur mehr die hohen Maſten über dem Waſſerſpie- gel emporſchauten. Die ſeichten Stellen waren mit rothen Tonnen bezeichnet. Unſer Dampfer glitt an allen gefährlichen Stellen glücklich vorüber, und ſchon lachte uns der weite Spiegel 47 des Meeres entgegen, als plötzlich eine allſeitige Beſorg- niß entſtand. Die Matroſen hielten krampfhaft die Anker- ketten, andere liefen beſtürzt bald dahin bald dorthin, der Kapitän war wüthend. Da lenkte der Steuermann, und in günſtiger Wendung ſtach das Schiff in die volle See hinaus. Es war, als hätte man uns eine ſchwere Laſt von der Bruſt gewälzt, und wir athmeten wieder frei. Ein ſtolzes Gefühl beſeelte uns, denn ſoweit das Auge reicht, ſah man nichts als den dunklen Waſſerteppich des ſchwarzen Meeres, auf den ſich der roſige Horizont ſtützte. Der Anblick des Meeres hat ſtets etwas Erheben- des, denn das Unermeßliche und Majeſtätiſche mahnt an die Gottheit. Ich hatte wohl das Meer bei Trieſt geſehen und befahren, aber hier machte es auf mich einen weit großartigeren Eindruck. Marinelli, der das Meer noch nie geſehen, verherrlichte es durch ein Gedicht, das Du vielleicht ſpäter einmal zu leſen bekommen wirſt. Es war auch wirklich prachtvoll. Die Sonne ſank eben mit heili- ger Ruhe in das naſſe Grab hinab, und hinterließ ein herrliches Farbenſpiel in den Wolken. Es war zum Be- ten ſchön. Die See ging ruhig, und alle Befürchtungen wegen einer ſich einſtellenden Maretta erwieſen ſich als grundlos. Ein leiſer Wind, der die dunklen Wellen ſanft kräuſelte, war angenehm erfriſchend. Die Schwankungen waren unbedeutend. Ich blieb bis nach acht Uhr auf dem Verdecke, nahm dann etwas Thee, und legte mich in das reinlich hergerichtete Bett ſchlafen, mich mit dem unver- meidlichen Mantel bedeckend. Mit angenehmen Träumen ſchlief ich ein, und zwar am beſten ſeit dem Antritt unſe- rer Reiſe. 48 Nach drei Uhr wurde ich wach, und eilte auf das Verdeck, um den Aufgang der Sonne nicht zu verſäumen. Im Oſten graute es bereits, und langſam und würde- voll erhob ſich das Tagesgeſtirn mitten aus dem Meere. Schade, daß Marinelli ſo ein Siebenſchläfer iſt. Es war nicht kalt und nicht windig, ſondern ſanft wie geſtern fuhr unſer Dampfer durch die ſchwärzlichen Wogen. Je mehr es Tag wurde, deſto lebendiger wurde es auf dem Schiffe. Die untereinander kauernden Türkinen (ſie mußten die ganze Nacht auf dem Verdecke zubringen) erhoben ſich von ihren Pölſtern und zogen die über Nacht zum Trocknen ausgehängten Windeln zu friſcher Benüt- zung ein. – Eine häßliche alte Katzenmutter griff zuerſt nach ihrer Tabakspfeife, und ſuzelte am großen Bern- ſteinknopf, den ſie ganz in den zahnloſen Mund hinein- ſteckte. Die Kinder erwachten und konzertirten wie geſtern. – Ein gutmüthiger Mohr, eine Art Onkel Tom, nahm ſich der Kleinen an, trug ſie auf ſeinen Armen, ſpielte, lachte, tanzte und ſpazierte mit ihnen, und die Kleinen herzten ihn; er kam auch öfter auf mich zu, um ſeinen Klienten eine Abwechslung zu bieten. – Die Juden bete- ten und ſangen mit ihren Riemen an den Händen; einige Armenier laſen in den Gebetbüchern. – Endlich kamen auch die Collegen herauf und Caſella antwortete auf die Begrüßung: „Aber ſo lange ſchlafen!" mit ſeinem Lieb- lingsſprichworte: „Hat vollſtändigen Grund." Gegen acht Uhr Morgens ſahen wir rechts das feſte Land und einen hohen Römerthurm; weiße Vögel ließen ſich blicken, und das Waſſer war ſchön dunkelblau. Wir näherten uns dem Vorgebirge Gilgard. Die Küſte iſt weißlicher Kreidenfelſen, und die Uferwände ſind hoch und ſteil, mit rothen Schichten durchzogen. Die Nähe des 49 Landes thut dem Binnenländler ſtets wohl, ein Zeichen, daß er zu keinem Seemanne taugt. Mittags entſtand ein gewaltiger Streit unter den Türkinen. Einige beſchwerten ſich, daß der junge Schiffs- lieutenant ſie immerfort anſehe, und beriefen ſich darauf, daß ſie unter öſterreichiſchem Schutze reiſten. Sie keiften ſelbſt untereinander, daß dieſe oder jene beſagten Schiffs- lieutenant angeſehen habe, und eine ſchob es auf die andere. Die Weiber hatten eine ſehr geläufige Zunge, obwol ſie türkiſch ſprachen. Als der Kapitän davon hörte, und die Weiber bei ihm ſich beklagten, ließ er den ganzen Weiberplatz mit einem Segeltuch abſperren, ſo daß ſie wie in einer großen Hühnerſteige ſaßen, in der ſie Nie- mand mehr beläſtigen konnte. Die Jüngeren ſahen wohl traurig drein, denn wahrſcheinlich war es nur Neid und Eiferſucht der Alten, die zu dieſem Intermezzo Veranlaſ- ſung gaben. Übrigens konnte faſt gar keine derſelben auch nur beſcheidene Anſprüche auf Schönheit machen, und ſelbſt die blendendſte Schönheit müßte in ſolch ſchmutzigem Anzuge verlieren. Das Unäſthetiſche kann nie ſchön ſein. Inzwiſchen näherten wir uns der hiſtoriſch und ſtrategiſch wichtigen Feſtung Varna, und gegen Mittag kollerte der Anker mit tüchtigem Gepolter auf den Mee- resgrund. Eben landete auch das türkiſche Dampfboot „Bosporus", welches Soldaten an Bord hatte, die hier ausgeſchifft wurden. Das kriegeriſch bemannte Dampf- ſchiff, an deſſen oberſtem Maſte die türkiſche Flagge mit Stern und Halbmond wehte, bot einen impoſanten An- blick. – Die Feſtung ſieht von der Ferne nicht übel aus; ſie erhebt ſich auf einem ſanft vom Meere aufſteigenden Hügel, und zeigt ein Häuſerlabyrinth mit emporragenden Cypreſſen und Minarets. Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 4 50 Da wir einige Stunden in Varna anhielten, ſo benützten wir die Zeit, und ſchifften mit dem Kapitän in einer Barke ans Land, um die Stadt zu beſehen. In un- ſerer Geſellſchaft befand ſich auch eine Frau, die einen blendend weißen Beduinenmantel trug, und ſich von einem Herrn am Arme führen ließ, worüber ſich die Türken höchlich verwunderten, zumal ſie ganz unverſchleiert war; denn niemals geht ein Türke auf öffentlicher Straße mit einer Dame. Einigen ſchien jedoch dieſe abſonderliche Sitte des fränkiſchen Barbaren zu gefallen, denn ſie lächelten ganz beifällig. Das Innere der Stadt iſt ſchmutzig, die Häuſer ſind von Holz, die Straßen enge. Die Feſtungswerke ſehen theilweiſe erbärmlich aus, doch ſind einige von deutſchen und franzöſiſchen Ingenieuren ganz neu ange- legt worden. Auf der Anhöhe, die den Hafen beherrſcht, ſah man die grünen Zelte eines Lagers und viele Ver- ſchanzungen. – Wir zogen über eine Stunde in der Stadt herum, ohne daß uns jemand ein böſes Geſicht zeigte. Man ſagte, es ſei dieß die Folge einer erſt kürzlich ausgeführten Exekution, indem der Paſcha einigen über- müthigen Türken, die einen Engländer halbtodt prügelten, die Baſtonade geben ließ. – Wir beſuchten auch den Bazar d. h. öffentliche Verkaufsbuden, die durch ihren Schmutz ſich auszeichneten. In einem Kaffeehaus ſah es ſo eckelhaft aus, daß wir wieder fortgingen ohne einen Kaffee zu nehmen. Als wir zum Hafen zurückkehrten, kamen uns die inzwiſchen ausgeſchifften türkiſchen Soldaten entgegen, lauter traurige abgelebte Figuren; auch die Offiziere ſchleppten ſich mehr als ſie gingen. Vorne zog eine Mu- ſikbande mit verſtimmten Horninſtrumenten, aus denen 51 ſie unisono einen ohrenzerreiſſenden Marſch blies, wor- auf dann getrommelt und gepfiffen wurde. Es mögen im Ganzen bei 400 Mann geweſen ſein. – Aber nicht nur die Haltung der Mannſchaft war nachläſſig, auch ihre Equipirung ließ manches zu wünſchen übrig. Auf dem Kopfe trugen ſie den rothen Fes, der gar nicht gegen die Sonne ſchützt, daher ſie auch alle bronceartig colorirte Geſichter hatten; der blaue Rock mit einer Reihe Meſ- ſingknöpfe zeigte rothe ſchäbige Aufſchläge; eine faden- ſcheinige weiße Pantalon bedeckte die Säbelbeine; die Fußbekleidung endlich war pantoffelartig, damit man ſie leicht abſtreifen kann, weil der Türke nach mohamedani- ſchen Grundſätzen bei dem viermaligen Gebete des Tages unbeſchuht ſein ſoll. Wahrlich, dieſer erſte Anblick der einſt ſo gefürchteten Türken war nicht imponirend. Welch ein Abſtand gegen das öſterreichiſche Militär! Sowie in dieſem die Kraft des Staates, ſo liegt im türkiſchen Mi- litär das Siechthum der Türkei ausgeprägt. Als wir für zwei Piaſter wieder zu unſerem Dampfboote zurückſchifften, fanden wir dasſelbe von neu- hinzugekommenen türkiſchen Frauen und Kindern ſo über- füllt, daß man ſich kaum umdrehen konnte. Doch der Ka- pitän ſchaffte bald Ordnung. Er kommandirte italieniſch, und der Dragoman des Schiffes dolmetſchte es den Tür- ken. Hier lernte ich auch das Geheimniß, wie man ſchelten könne, daß es in allen Sprachen verſtändlich iſt. – Die Sprache des Kapitäns imponirte. Er ließ den ſchon be- ſtehenden Weibertrakt verlängern, ſo daß er die ganze Hälfte des erſten Platzes der Länge nach einnahm. Frei- lich war dieß den Weibern, die ſich's ſchon bequem ge- macht hatten, unlieb; auch ein dicker Türke, der von ſeinem Teppichdivan weichen mußte, nahm die Maßregel ſehr 4* 52 mißfällig, aber folgſam auf. Dieſe Umlagerung dauerte ziemlich lange, und ging nicht ohne Keifen und Murren ab. Endlich nach anderthalbſtündigem Aufenthalt war alles in Ordnung, und wir verließen den Hafen. In kurzer Zeit begegneten wir zwei türkiſchen Dampffregatten, die voll Soldaten waren. Dieſer krie- geriſche Anſtrich hat ſein Intereſſantes; zum Glück reiſen wir jedoch dem allfälligen Kriegsſchauplatze davon. – Beim Diner war es ganz heiter, wozu ein alter Kauf- mann aus Conſtantinopel, Namens Vitalis, viel bei- trug. Er theilte gaſtfrei ſeine aus Varna mitgenommene Lieblingsſpeiſe unter uns aus, nämlich ſaure Milch mit Zucker, die mir wohl nicht behagte, die der gute alte Herr aber in ſtaunenswerthen Porzionen zu ſich nahm. Er hatte offene und noble Manieren, redete in allen Sprachen, und war ein guter Katholik. An unſerm Tiſch befand ſich auch jene elegant ge- kleidete Dame mit dem weißen Beduinenmantel, die ich früher erwähnte; ſie war noch jung, aber ein auffallen- der Zug wehmüthigen Ernſtes umſpielte ihre Lippen. Von dem mitreiſenden Diplomaten, der über Alles in- ſtruirt iſt und über alle Verhältniſſe bald mit einer gewiſſen non chalance bald heimlich thuend, zu ſprechen weiß, erfuhren wir ihre Lebensſchickſale. Sie iſt aus guter Familie, wofür auch ihr Benehmen und die ferme Kenntniß des Italieniſchen und Franzöſiſchen bürgt. Ein revolutionärer Flüchtling lernte ſie im Hauſe ihrer Eltern kennen, gewann ihr Herz und entführte ſie. Ein Pope fand ſich, der ſie traute, und ſo lebten ſie eine kurze Zeit miteinander. Als ſie über die Gränze kamen, gab ſich der Schurke als Jude zu erkennen, und verließ die ſchmählich Getäuſchte, deren Herz er geraubt, deren 53 Unſchuld er geknickt hatte. Die Unglückliche getraute ſich nicht zu ihren Eltern zurück, ſondern irrte ſeitdem herum, und fiel ſo in die Hände jenes Herrn, der ſie zu Varna am Arme geführt. Bedauernswerthes Weſen! Die Fur- chen in deinem noch ſo jungen und idealen Geſichte ſind erklärlich. So iſt die Liebe die Quelle des Segens und Fluches! " Nach Tiſchtheilten wir unſeren Kaffee mit dem gutmüthigen Mohren und dem dicken Türken, die darüber hoch erfreut waren und mit rührenden Worten, die wir leider nicht verſtanden, dankten. – Die Weiber auf dem Schiffe ließen ſich's gut geſchehen, ſie rauchten und ſchnupften was ſie konnten; einige, die Kinder hatten, improviſirten für dieſe in der Luft ſchwebende Wiegen; die Halberwachſenen kauten Citronen, oder aßen rohe Gurken ohne allen Zubehör; ein Bub im Hemde und mit Sporen an den Pantoffeln lief ſo lange trabend auf und ab, bis es ihm der Kapitän unterſagte. Abends gegen neun Uhr kamen wir in die Nähe von Burgas, dem zweiten und letzten Landungsplatz am ſchwarzen Meere. Ein Kanonenſchuß auf unſerem Schiffe ſollte wahrſcheinlich als Warnungszeichen für die Schiffe im Hafen dienen. Alle Minarets der Stadt waren be- leuchtet, was ſich gut ausnahm, ſo daß die großen und kleinen Türkinen laut ihre Freude äußerten. – In Burgas wiederholten ſich dieſelben Auswanderungsſze- nen; der Schreck vor den Ruſſen muß paniſch auf die Leute gewirkt haben. Ich hatte die Sache bald ſatt, kroch in meine Bettſtelle hinein, und hörte nichts mehr von der Abfahrt des Schiffes. 54 Heute Morgens, mein Lieber, erwachte ich mit hochgeſpannten Erwartungen, denn es ſollte uns das Glück zu Theil werden die berühmte Hauptſtadt Con- ſtantinopel, das alte Byzanz, zu ſehen. – In blauer Ferne war die Meeresküſte ſichtbar; je näher wir jedoch derſelben kamen, deſto ſtärker wurden in Folge der Bran- dung die Schwankungen des Schiffes. Ein leichtes Un- wohlſein nahm mir den Kopf ein, und ich verſuchte auf einer Bank des Verdeckes zu ſchlafen, aber es wollte nicht gehen, denn die türkiſchen Weiber ächzten und krächzten bereits in der unanſtändigſten Weiſe. Das Unwohlſein wurde immer ärger, der Brechreiz unwiderſtehlich. Zwei- mal überwand ich den Anfall der Seekrankheit, das dritte Mal aber mußte ich dem Meere den ſchuldigen Tribut zahlen. Mich ärgerte dabei nur, daß ich erſt jetzt dem Übel erlag, wo es faſt nicht mehr der Mühe werth war, denn wir hatten den heimtückiſchen Pontus Euxinus be- reits hinter uns, und fuhren eben in die Meerenge des Bosporus ein, die aſiatiſche Küſte lag vor unſeren Augen. Die Einfahrt dürfte kaum eine halbe Stunde breit ſein. Es war zehn Uhr Morgens. Nun begann eine himmliſch ſchöne Fahrt, die bei- nahe zwei Stunden währte, nämlich durch die Meerenge des Bosporus. Nicht leicht wird ſich irgendwo ſo viel Reiz beiſammen finden, wie auf dieſer majeſtätiſchen Waſ- ſerſtraße. Zu beiden Seiten erheben ſich ſanft gewölbte Hügel, von reizenden Querthälern durchſchnitten, und nur ein ſchmaler Raum iſt für die Ortſchaften, Paläſte und Schlößer geblieben, die das beiderſeitige Ufer ſchmü- cken. Man glaubt ſich in einen Zaubergarten verſetzt, in dem die herrlichſten Bäume, vor allen Cypreſſen und Palmen blühen. Es begreift ſich, wie ein Engländer eigens 55 hieher reiſen konnte, um etliche Mal den Bosporus auf- und abzufahren, und dann mit dieſen Eindrücken heimzu- kehren, ohne die Stadt Conſtantinopel betreten zu haben. – Das Auge hat kaum Zeit zu ſehen, und viel zu ſchnell fliegen die ſchönen Punkte vorüber, die man gar ſo gern feſthalten möchte. Heute war noch dazu hoher Feſttag, nämlich das Bairamfeſt, und alle Schiffe prangten daher im Schmucke von vielen tauſend und tauſend vielfärbigen Fahnen und Fähnlein. Da die Strömung ungeheuer iſt, ſo fliegen die Burgen und Schiffe und Ufer am Auge vdrüber, und da bei einer jeden neuen Krümmung der Waſſerſtraſſe ein neues überraſchendes Bild erſcheint, ſo iſt es als ob die Couliſſen einer Schaubühne langſam und leiſe zurücktreten und eine Szene mit der anderen wechſelt. Das tiefe Blau des ſüdlichen Himmels ſpiegelte ſich in dem noch tieferen Lazur des eilig dahin wogenden Meeres, und ein herrlicher Sommertag goß ſeine Be- leuchtung über die unvergleichliche Landſchaft. Stelle dir das, mein Lieber, nur ein bischen in deiner Phantaſie vor, und Du wirſt mir glauben, daß ich ſchnellſtens auf mein Unwohlſein vergaß, und alle meine Sinne auf das paradieſiſche Schauſpiel conzentrirte. Was ich mir in Eile von den Explicationen des Conſtantinopolitaners Vitalis, der den freundlichen Cice- rone machte, merken konnte, iſt folgendes: Der Eingang in den Bosporus iſt mit Forts verſehen und vielen Strandbatterien, ſo daß man glauben ſollte es ſei unmög- lich von dieſer Seite Conſtantinopel zur See beizukom- men. Ein Leuchtthurm, eine alte Genueſerfeſtung, zahlloſe Kriegs- und Kauffahrteiſchiffe. Rechts in der innerſten Bucht liegt Bujukdere, wo die europäiſchen Geſandten ihre Landhäuſer haben. Auf der Anhöhe iſt ein Aquäduct 56 mit hohen Bogenſäulen ſichtbar, der das Trinkwaſſer nach der Hauptſtadt leitet, ein Römerbau. Unzählige Pa- läſte der Griechen und Armenier, der Miniſter und Sul- tane, bald am aſiatiſchen bald am europäiſchen Ufer, bald kleiner bald größer, ſtets in wunderſchöner Lage und mit den obligaten Gitterfenſtern für die Sultansfrauen. Die hölzernen Häuſer ſind meiſtens mit rothen Ziegeln ge- deckt. Kleine weiß angeſtrichene türkiſche Paſſagierbote fahren geſchäftig hin und her. Der Erdboden ſieht jetzt zur Sommerszeit ausgebrannt aus, aber wie ſchön muß es hier im Frühjahre ſein, wenn alles grün iſt! Rumeli- Iſar und Anatoli - Iſar ſind einander correſpondi- rende Feſtungen auf den verſchiedenen Ufern. Endlich erblickten wir in der Ferne wie im blauen Luftmeere ſchwebend die byzantiniſche Kaiſerſtadt und jetzige Sultansreſidenz Conſtantinopel. Es war ein freudiger Schreck, der die Seele beim erſten Anblick durch- bebte, indem hier die geſchichtlichen Erinnerungen wie vielleicht nirgends ſo die Phantaſie mit Bildern über- füllen. Da erhob ſich aus dem amphitheatraliſchen Häu- ſermeere das Serail des Großherrn mit den ſchlanken Spitzthürmen der Sophienmoſchee; da zeigte ſich das aſiatiſche Scutari mit der ungeheuren Kaſerne; da lag der Leanderthurm mitten im Meere; da breitete ſich das Marmarameer mit den Prinzeninſeln aus bis zum fernen Horizont, den der ſchneebedeckte Olymp mit ſeiner kühn geformten Gebirgskette beherrſcht. Wahrlich, ein Pracht- anblick; meine Erwartungen waren nicht befriedigt, ſon- dern übertroffen. Nachdem wir an den Vorſtädten Pera, Galata und Tophana vorübergefahren waren, und die neue Ka- ſerne, die wie ein Belvedere von der Anhöhe niederblickt, 57 bewundert hatten, lenkte unſer Schiff, und im Angeſichte des goldenen Horns fielen die Anker, – wir waren in Conſtantinopel. Es war gerade zwölf Uhr Mittags. Die unvergeßliche Fahrt durch den Bosporus hatte eine Stunde und zwanzig Minuten gedauert. – Kaum ange- kommen donnerten von allen Seiten die Kanonen. Faſt hätte man ſich einbilden können, der feſtliche Empfang gelte den angekommenen Fremden; indeß erfuhren wir bald, daß heute der erſte Tag des Bairamfeſtes (türkiſche Oſtern) ſei, der erſte Freudentag nach überſtandenem Ra- mazan (Faſtenmonat). Zuerſt krachten die Strandbatte- rien am Serail, dann die von Topchana, dann von allen türkiſchen Schiffen, die im Hafen lagen, ſo daß es einer ganzen Bataille glich. Der große weite Hafen mit dem dicht gedrängten Maſtenwald und den leicht dahin flie- genden Gondeln war in Pulverdampf gehüllt. – Das öſterreichiſche Dampfboot „Wien" lag dicht neben uns. – Unzählige Möven ſchaukelten ſich ungenirt in dem blau- grünen Waſſer, das knapp bis an die Häuſer reicht. Leute und Schiffe drängen ſich herzu, Kaiksführer tragen ihre Dienſte an mit dem Zuruf: „siamo patrioti" (gut Freund). Das Hafenleben iſt ungemein bewegt. Nun beginnt die Ausſchiffung, wobei die Weiber ebenſo viel Umſtände wie die Türken Lärm machen. Gerne wäre ich auch ſogleich ans Land gefahren, aber Collega Caſella fand es beſſer zuerſt allein an's Land zu fahren, um ein für uns paſſendes Gaſthaus zu ſuchen. Ich war über dieſe unpraktiſche Bevormundung etwas unwirſch, denn es kommt mir gerade ſo vor, als ob jemand von der Belvederelinie in Wien nach der Stadt führe, um den „Matſchakerhof" oder die „Stadt Frankfurt" anzuſehen, und dann die Reiſekollegen dahin abzuholen. Die Geduld- 58 probe iſt für mich umſo härter, weil mich in Folge der über- ſtandenen Seekrankheit der Hunger plagt. – Doch das Warten von zwei Stunden hat das Gute, daß ich dieſen Brief an dich, mein Lieber, noch ſchreiben und ſchließen kann. Eben kommt die Nachricht, daß wir ausſchiffen und im erſten Hotel von Conſtantinopel logiren werden. Gott zum Gruß. Bald mehr aus Conſtantinopel. Mit Liebe Dein 2c. –cBZ 8 – IV. Erſter Aufenthalt in Conſtantinopel. – Unheimlicher Eintritt in das Innere der Stadt. – Schmutz und Unrath. – Hotel de l'Europe. – Eine verbrauchte Schreckensfinte. – Ein katholiſches Leichenbegängniß. – Ein türkiſches Todtengaſtmal. – Die Hundepolizei. – Die Morgenkanonade am Bairamfeſte. – Ein gewagter Blick in's Türkenviertel. – Ein Minneſänger auf der Straße. – Die türkiſche Frauenwelt. – Der brave Führer Criſtofero. – Der Sultan zu Bebek. – Eine luſtige Kaiksfahrt zu den himmliſchen Ge- wäſſern. – Gefühle bei Betretung des aſiatiſchen Bodens. – Der Plumpſack auf dem Spielplatz der Sultansfrauen. -– Als Giaur in Scutari begrüßt. – Der große Cypreſſenhain. – Ein Grabmal für ein Lieblingsroß. – Ein unſicheres Bad beim Leanderthurm. – Tolle Bairamsluſt. – Die Herrlichkeit und Beſchwerlichkeit eines türkiſchen Bades. – Schickſale eines kaiſerlichen Ferman. – Beſuch des Serail, der Sophienmoſchee c. – Der Bazar. – Landsleute. – Ein Probe- ritt. – Der katholiſche Erzbiſchof. – Die öſterreichiſche Geſandtſchafts- kapelle. – Die tanzenden Derwiſche. – Das goldene Horn. – Die ſüſſen Wäſſer Europas. – Blinde Kuh. – Rekruten. – Jardin des fleurs. – Modifikation des Reiſeplanes. – Lieber Freund! Conſtantinopel, 11. Juli. Nun iſt ein bedeutendes Stück unſerer Pilgerreiſe bereits zurückgelegt. Ich ſchreibe Dir dieſe Zeilen aus der 59 alten Weltſtadt Conſtantinopel, wo ich mich bereits ſeit vier Tagen befinde. Ach wie viel habe ich in dieſen Tagen ſchon geſehen, gehört und erlebt; welch' bange und hoff- nungsvolle Gefühle durchdringen hier das gläubige Herz. Ich will Dir nach dem Leitfaden meines Tagebuches Alles gerne und getreu mittheilen, und benütze dazu einige ru- hige Stunden, um Dir im Anblick des zauberiſch ſchönen Himmels, der ſich über das goldene Horn vor den Fen- ſtern meiner Wohnung wölbt, zu ſchreiben. Wir kamen, wie ich Dir letzthin ſchrieb, am erſten Tage des Bairamfeſtes nach Conſtantinopel, und wir ſahen vom Schiffe aus Alles im Prachtgewande und Feſt- tagsſchmucke. Doch welche Enttäuſchung für das wonne- trunkene Auge, als wir in einer Barke ans Ufer ſchifften und den einſtigen byzantiniſchen Boden betraten! Schon bei dem erſten Schritt ans Land zeigte ſich die ganze Er- bärmlichkeit der türkiſchen Staatswirthſchaft. – Wir landeten beim Zollamt, mit welchem der Beſitzer unſeres Hotels, der uns eigens entgegengekommen war, im guten Einvernehmen zu ſtehen ſchien; die Unterſuchung war – bevor ſie begann – mit einem Bakſchiſch (Trinkgeld) beendigt. Nun begann eine andere Szene. Die zahlreich her- umſtehenden Hamals (Laſtträger) fielen über unſer Ge- päck her als ob es ihnen gehörte, und rauften ſich um den Verdienſt etlicher Piaſter (beiläufig ein Silberſechſer). Endlich waren vier robuſte Träger auserſehen, die ſich kameelartig auf die Kniee niederließen, und auf ihre Schul- terſättel unſere Koffer und Reiſeſäcke luden. – So ging es durch ein kleines Thor (Tophana), wo vor etlichen Stunden ein Doppelmord vorgefallen war. – Der erſte Eintritt in die Stadt war etwas unheimlich, denn es 60 fehlte nicht an Geſichtern, in welchen ſich eine ſouveräne Verachtung der fränkiſchen Giaurs ausſprach, die es wagten am Bairamsfeſte die Chalifenſtadt zu betreten. Wir gingen ſchweigend an Allen vorüber, und ließen uns muſtern. Aber wie abſcheulich und eckelhaft war das In- nere der Stadt, deren Anblick aus der Ferne ſo bezau- berte! Die kothigen Straßen waren mit allerhand Miſt und Unrath bedeckt, auf dem ſich mitunter räudige Hunde ſonnten und zwar mit ſolcher Behäbigkeit, daß keiner ſich rührte, ob auch zur Rechten und Linken die Leute im bunten Gewimmel durcheinander wogten. Wir gingen durch enge (nach der Vorſtadt Pera) bergan ziehende Gäßchen auf erbärmlichem Pflaſter. Da hier kein Wagen fahren kann, ſondern alles getragen werden muß, ſo kamen uns alle Augenblicke ſchreiende Hamals und la- mentirende Eſel entgegen, denen man ausweichen mußte, indem man ſich an die Mauer drückte. Die größtentheils hölzernen Häuſer waren buntfärbig angeſtrichen, ſchienen baufällig, und machten mit den verſchleierten Gitterfen- ſtern einen melancholiſchen Eindruck. Sofort kamen wir über den Viktualienmarkt, wo die Hunde noch zahlreicher herumlagen, und zogen an vielen ſchmutzigen Buden vor- über, in denen verkauft und gearbeitet wurde, bis wir nach einer guten Viertelſtunde beim erſehnten Gaſthauſe anlangten, das den Namen führte: Hôtel de l'Europe. Das Haus lächelte uns freundlich an, denn es war groß, ſolid und im europäiſchen Geſchmacke neu gebaut. Der Eingang und die Altanen waren mit Blumen ge- ſchmückt, und der Hotelsinhaber, ein Italiener, führte uns bewillkommend ſogleich in die bereits accordirten Zimmer. Wir drei Geiſtlichen wohnten im zweiten Stock in nobel eingerichteten Gemächern, die in einen gemein- 61 ſchaftlichen Saal ausmündeten, der von Spiegeln und Tapeten ſtrotzte, und zugleich eine prachtvolle Ausſicht auf den Bosporus, das Serail und einen Theil des gol- denen Horns gewährte. Die eiſernen Betten waren mit großen weißen Vorhängen zur Abwehr der Mücken ver- ſehen. Mit dieſem Comfort an der Schwelle des Orients waren wir alle höchlich zufrieden, und wollten uns eben gemüthlich für den Aufenthalt einiger Tage einrichten. Da erſchien plötzlich und unerwartet der alleswiſ- ſende Diplomat, den ich Dir ſchon im letzten Briefe ſchil- derte, und verſicherte mit geheimnißvoller Miene, daß der türkiſche Fanatismus gegenwärtig ſehr groß ſei, daß man heute einen Ausbruch der Feindſeligkeiten gegen die Chri- ſten erwarte, daß wir gut thäten Conſtantinopel baldigſt zu verlaſſen, er könne für nichts gut ſtehen u. d. gl Mir eckelte bei dieſen Worten, denn ich durchſchaute die alte ſchon tauſendmal verbrauchte Schreckensfinte des Bai- ramfeſtes, und ſprach meine Überzeugung auch furchtlos und entſchieden gegen den Diplomaten und die Collegen aus. Dadurch gelang es die bangenden Gemüther zu beſchwichtigen und den geſunkenen Muth zu heben; ſelbſt der ſogenannte Diplomat fügte ſich. Du wirſt Dich lie- ber Freund, über meine Courage wundern? Wundere Dich immerhin, es iſt reine Wahrheit, auf Reiſen wächſt mir der Muth. Indeß war für uns Gäſte eine Collation im Gar- tenſalon bereitet worden, der wir weidlich zuſprachen, beſonders ich mit dem von der Seekrankheit hart mitge- nommenen Magen. Wie köſtlich war eine Schaale Thee, ein gebratenes Huhn, ein Glas Tenedoswein u. ſ. w. – Weil ein Beſuch im Türkenviertel an dem erſten Tage unſeres Aufenthaltes nicht gerathen war, ſo ſchlenderte 62 ich mit Marinelli in den engen und holperigen Gäſſen des Frankenviertels Pera herum; es war ſehr belebt darin, hie und da ſtanden ſtattliche Häuſer. Unter anderm kamen wir auf einen freien Platz, wo der katholiſche Friedhof war. Ein Europäer, den wir fragten, und der zufällig ein deutſcher Arzt war, theilte uns mit, daß man ſogleich die Leiche eines Katholiken hier beerdigen werde. Richtig erſchien auch bald ein katholiſcher Prieſter im Rochet mit Miniſtranten im Chorrock; aus dem Rauch- faß qualmte der Weihrauch, und voran ward das Kreuz getragen. Ein an und für ſich trauriger aber zugleich ein wohlthuender Anblick am Bairamsfeſte zu Conſtantino- pel. Ich hätte mir nicht gedacht, daß in der Türkei, noch dazu in der Sultansſtadt, der katholiſche Cultus ſich ſo öffentlich zeigen dürfe; denn ſolche Freiheit hat die Kirche nicht einmal in manchen chriſtlichen Ländern! Später erfuhr ich, daß auch die Frohnleichnamsprozeſſion öffent- lich und feierlich in Conſtantinopel abgehalten werde. Freilich liegt die Urſache dieſer Toleranz mitunter auch in der jetzigen Apathie der Türken. Kurz – das Leichen- begängniß erfreute uns. So berühren ſich oft die Kontraſte des Lebens: Freude und Wehmuth. Nun lenkten wir unſere Schritte wieder zurück und gingen längs der großen türkiſchen Artilleriekaſerne, vor welcher Kanonen aufgepflanzt waren, über einen türki- ſchen Friedhof, auf welchem ſo eben zwölf luſtige Türken ein Todtengaſtmaleinnahmen; ſie kauerten auf dem Grab- hügel und ließen ſich's gut geſchehen. – Glücklich kamen wir in unſer Hotel zurück, wo um 6 Uhr Abends das Diner ſervirt wurde, an welchem nebſt uns zwölf Eng- länder, größtentheils Kadeten und Offiziere aus der eng- liſchen Marine theilnahmen. Die ſieben Speiſen waren 63 gut gekocht. – Nach Tiſch wären wir noch gerne fortge- gangen, aber vorſichtshalber blieben wir zu Hauſe und ergötzten uns an der abendlichen Bairamskanonade von dem Balcone aus, auf weichgepolſterten Divans bis 9 Uhr plaudernd und ſchmauchend. Nach einer überſtandenen Seefahrt hat man ſtets das Gefühl, als dauerten die Schwankungen noch fort, beſonders wenn man im Bette liegt. Deßungeachtet ſchlief ich die erſte Nacht in Conſtantinopel ganz vortrefflich. So eine Nacht am Bosporus hat aber auch etwas ſehr Ein- lullendes. Nicht einmal einen Glockenſchlag vernimmt man, nur die Beſtien von Hunden bellen und heulen zu- weilen, beſonders wenn ein paßloſer Collega ſich in ein anderes Viertel verirrt, was ſtets eine hundspolizeiliche Verfolgung mit eclatantem Straßenlärm abſetzt. Die Morgenkanonade des zweiten Bairamfeſtta- ges weckte mich bald nach drei Uhr früh aus dem ſüßen Schlummer. Ich eilte zur Altane und ſah in der Däm- merung das Blitzen aus etlichen hundert erdröhnenden Kanonen. Es war ein milder ſchöner Morgen, kein Wölk- chen am Himmel. Ein ſanftes Säuſeln des Windes er- friſchte die Luft und die Glieder, und die erſten Strahlen der Sonne ſpiegelten ſich in den vergoldeten Halbmonden der himmelanſtrebenden Minarets. Im Hafen unten ent- faltete ſich ein luſtiges Leben, und Schiffe in zahlloſer Menge fuhren den Bosporus hinauf und hinunter. Nach genommenem Kaffee machten Marinelli und ich uns auf, um die koſtbare Zeit zu benützen. Die Neu- gierde trieb uns nach dem Türkenviertel, dem eigentlichen Conſtantinopel, und zwar ohne Führer. Wir wollten nur 64 einen Blick hineinwerfen, und dann wieder umkehren. Das wäre aber bald ſchlimm abgelaufen. – Als wir nämlich durch viele lange Gäßchen bergab gegangen waren, ſtanden wir auf einmal vor einer großen Brücke, welche die Vorſtädte Pera und Galata mit dem eigentli- chen Conſtantinopel verbindet. Viele Leute drängten ſich auf derſelben hinüber und herüber. Unſerm Glücksſtern vertrauend mengten wir uns ohne viel zu überlegen in den Menſchenſchwall, als wir plötzlich angehalten wur- den. Wir wußten nicht, warum ? verſtanden auch nicht was der Mann ſagte, indeß erriethen wir bald, daß wir ein Brückengeld zu bezahlen hätten. Wir gaben etliche Piaſter, womit der Mann höchlich zufrieden war (denn die Taxe iſt drei Para), und gingen weiter. – Die Brücke iſt im ſchlechten Zuſtande und hat zwei Erhöhun- gen, durch welche die Schiffe paſſiren. In dem Meerbu- ſen des goldenen Horns war ein betäubendes Geſchrei, überall wurde gehandelt, gekauft und verkauft wie an Werktagen, und doch war das Bairamfeſt und zwar über- dieß noch Freitag, alſo türkiſcher Sonntag! Türken ſaßen in ihren Buden, denn die Koransexegeſe verbietet an Feiertagen nur das Arbeiten, nicht das Verkaufen. Bis jetzt ging Alles gut. Meinen Reiſeerfahrungen zufolge ſtellte ich mich, als ob mir ohnehin ſchon Alles gründlich bekannt wäre; aber Marinelli's Wißbegierde hätte uns beiden bald übel bekommen. Er blickte forſchend herum, ſo daß etliche Wichte unſere Schwäche erkannten und mit impertinenter Zudringlichkeit ſich uns als Cice- rone antrugen. Trotz aller Remonſtrationen ließen ſie ſich nicht abwehren, ſondern folgten explizirend auf dem Fuße, bis Marinelli einem ſolchen Zudringlichen einige rauhe Worte entgegenſchleuderte, worauf dieſer wohl ſtehen 65 blieb, aber uns den für die jetzigen Zeitverhältniſſe ſehr be- denklichen Schimpfnamen nachrief: „Russi, Moscov", als ob wir Spione wären. Selbſt die Türken, an denen wir ſonſt unangefochten vorübergingen, richteten jetzt ihr Augenmerk auf uns, und wir lenkten deßhalb in eine Straße ab, wo eine alterthümliche Moſchee ſtand, in deren Vorhof ſich gerade viele Türken an den zahlreichen Waſſerbecken die Hände und Füße wuſchen, wie dieß vor dem Gebete in der Mo- ſchee bei ihnen üblich iſt. Hier war es womöglich unheim- licher, und ich verſetzte meinem ſonſt ſo lieben Reiſekol- legen, der einen Türken um den Namen dieſer Moſchee frug, einen ſanften Rippenſtoß, und rieth ihm zum Rück- zuge. Wie leicht hätte uns hier etwas geſchehen können, ohne daß unſere Reiſefreunde etwas wußten. So traten wir alſo den Rückzug an durch unzäh- lige ſtinkende Handwerksbuden, in denen friſch gearbeitet wurde, und Hunderte von herrenloſen Hunden gelbbrau- ner Farbe neben Verreckten ihres Gleichen herumlagen, bis wir glücklich zur oberen Brücke kamen, die ſchön und neu iſt, beiläufig 630 Schritte lang, und auf welcher kein Brückengeld zu bezahlen war. So waren wir wohlbehal- ten wieder am anderen Ufer, in der Vorſtadt Galata und trachteten nach Hauſe. In den Gäſſen herrſchte manchmal ein unausſtehlicher Geruch. Die Häuſer trafen wir in der Regel feſtgeſchloſſen und an der Pforte mit einem Klopfer verſehen. Die Bauart iſt faſt überall gleich: die höheren Stockwerke ſchieben ſich über die unteren heraus, und ſind mit zahlreichen Erkern geſchmückt, die Fenſter mit dichtem Holzflechtwerk vergittert. Hie und da produ- zirte ſich vor etwa zwanzig Umſtehenden ein öffentlicher Sänger, der mit monotoner Begleitung von Trommel und Pfeife ein altes Heldengedicht zum Beſten gab. In Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 5 66 der einzigen breiteren Straße ſahen wir auch einſpännige, ſtark vergoldete und äußerſt ſchwerfällige Räderkaſten, in welchen türkiſche Frauen mit ihren Kindern ſich befanden. Die Frauen trugen reiche, bunte Kleider, und ſchienen ſehr vergnügt zu ſein, obwohl ſie auf dem holperigen Pfla- ſter tüchtig herumgebeutelt wurden und der Wagen ent- ſetzlich raſſelte und rumpelte. Wir ſchauten dieſe Frauen- gebilde mit der vom Diplomaten uns eingeprägten Schüch- ternheit und Eingezogenheit an, was nicht verhinderte, daß die Weiber deſto kecker nach uns blickten. Alle trugen den weißen Schleier (Jaſchmak), der das ganze Geſicht mit Ausnahme der Naſe verhüllt; doch kam es mir vor, als ob die ſchöneren Geſichter einen viel durchſichtigeren Schleier hätten als die häßlichen. Einige Frauen waren erſtaunlich beleibt und ſtrotzten im Fette – das ſoll in der Türkei als Schönheit gelten. Keine türkiſche Frau begegnete uns in Begleitung eines Mannes, aber auch nicht allein, ſondern mit einer Freundin oder Sclavin. Ihre Tracht iſt plump aber nicht geſchmacklos. Alle tragen eine weite baumwollene oder ſeidene Türkenhoſe und einen einfärbigen Mantel, der den Schnitt eines Schlafrockes hat, und der mit dem Kragen bis auf die Knie reicht, den Körper dergeſtalt einhüllend, daß gar keine Formen zu errathen ſind. Auf- fallend häßlich aber ſind die gelben kurzen Stiefel mit weiten Schäften, die den Fuß (Strümpfe ſind ſelten) bekleiden, und noch überdieß in gelben Pantoffeln ſtecken, was wahrſcheinlich jenen watſchelnden Elephantengang verurſacht, der an der türkiſchen Frauenwelt ſo abſcheu- lich iſt. Schmuck tragen ſie ſelten; nur die Güte des Stof- fes unterſcheidet die reiche von der ärmeren Klaſſe. Die Haare flechten ſie in kleinen Zöpfen, die nach unten hinab- 67 fallen. Die Nägel und inneren Handflächen ſind roth gefärbt, Augenbraunen geſchminkt, oft auch die Wangen; die Finger voll von Ringen. Bei dieſem kurzen Ausflug ſahen wir wenig Schönes, viel Häßliches, einige wahre Vogelſcheuchen. Gegen zehn Uhr kamen wir von der ge- wagten Excurſion glücklich in unſer Hotel zurück. Während der Collation theilte der artige Hotels- beſitzer, der die zudringlichen Fliegen mit einem eleganten Wedel verſcheuchte, die Nachricht mit, daß an dieſem Feiertage der Sultan in Gala nach der Moſchee in Be- bek fahre. Wir beſchloſſen ſogleich uns dahin zu verfü- gen und nahmen zu dieſem Behufe einen verläßlichen Füh- rer, der uns empfohlen ward, zugleich als Dragoman mit. Er hieß Criſtofero, war ein katholiſcher Grieche, aus Athen gebürtig, und ſprach geläufig italieniſch, franzö- ſiſch, griechiſch und türkiſch. Wir behielten ihn auch für die folgenden Tage, und bezahlten ihm für jeden Tag nur fünf Franken. Mit ihm gingen wir zum Meere hinab, wo wir einen Kaik mit drei Ruderer mietheten, denen wir für den ganzen Tag 6 fl. C. M. nebſt Bakſchiſch entrich- teten. Die Kaiks ſind feingeſchnittene und leicht gebaute Schiffe, lang und ſchmal, ſo daß ſie beim geringſten Übergewichte umſchnappen. Die Ruderer waren robuſte, ſchöne Leute, die mit faſt lautloſem Ruderſchlag pfeil- ſchnell zwiſchen zahlloſen ihres Gleichen dahin fuhren, ohne je anzuſtoßen oder auch nur einen Augenblick anzu- halten; jeder Mann handhabte zwei Ruder. Bänke gibt es keine in einem ſolchen Schiffe, ſondern man ſitzt tür- kiſch auf der Erde d. h. auf der Bodenfläche des Schiffes. Anfangs hat das Schwanken bei der geringſten Bewe- gung etwas Unheimliches, aber man gewöhnt es ſehr 5 (58 bald; mir für meine Perſon war die ſchnelle Kaiksfahrt ſtets lieber als in einer ſchwerfälligen Barke. Luſtig ging es ſtromaufwärts an dem Sommerpa- laſte des Sultan vorüber, wo die kaiſerlichen Kaiks mit goldverbrämten Thronhimmel nebſt anderen eleganten Schiffen und vieler Dienerſchaft in Bereitſchaft ſtanden. Kaum waren wir an dem prachtvollen Gebäude vorüber, als es zwölf Uhr ſchlug, und von allen Seiten die Kano- nen erdröhnten, ſo daß unſer Schifflein ganz in Wolken gehüllt war. Alsbald kam das Sultansſchiff mit ſeinen vier Begleitungsſchiffen, die in großer Schnelligkeit da- hinflogen, uns nach. Auf einem jeden dieſer Schiffe be- fanden ſich 20 weißgekleidete und rothumgürtete Ruderer, welche die Ruder dergeſtalt nach dem Takte handhabten, daß man nur Einen Schlag hörte. In dem Mittelſchiffe unter dem Thronhimmel ſaß der Sultan Abdul-Med- ſchid, (geboren 1823), ihm gegenüber und etwas tiefer vier Große des Reiches, darunter der ſchwarze Miniſter für die inneren häuslichen Angelegenheiten und der Eu- nuchengeneral (Kislar Aga) in Paſchauniform. Wir fuh- ren ſo nahe, daß wir die Phyſiognomien ausnehmen konn- ten. Die Geſtalt und Haltung des Sultan kam mir edel vor, ſein Angeſicht war blaß aber ſchön, und ein mit Sorgfalt gepflegter ſchwarzer Bart zierte dasſelbe. Sein Anzug war einfach: dunkelblaue Uniform mit goldgeſtick- tem Fes und Reiherbuſch. Ich weiß nicht, mir flößte ſein Anblick faſt Erbarmen ein, und ich fragte mich: Iſt das der Sprößling der einſt ſo mächtigen Osmanen? Mit weicher Gutmüthigkeit blickte er auf uns Franken her- über, worin zugleich ſein Gruß beſteht; man ſagt, er ſoll die Franken lieb haben. Einige von uns nahmen die Hüte ab, was aber in Conſtantinopel nicht üblich ſein ſoll. 69 Überhaupt kam es mir vor, als ob die Theilnahme des Volkes an dieſer Feſtlichkeit gering ſei; nirgends war ein Drängen der Leute bemerkbar, obwohl der Sultan nur ſelten ſich dem Volke zeigt. – Am Ufer ſtand die kaiſer- liche Garde in Doppelreihen aufgeſtellt und präſentirte das Gewehr, während muſikaliſche Klagetöne von Schell- bäumen begleitet erklangen. Die Garde trug die Bairams- feſtkleidung, nämlich weiße Beinkleider, ſcharlachrothe Jaken mit ſchwarzen Aufſchlägen und gelben Borden, ro- then Fes; die Fußbekleidung war auch bei der Nobelgarde ſchadhaft. Die Handgriffe bei den militäriſchen Exerzitien waren ganz europäiſch, einige Commandoworte ſogar deutſch. Der Sultan kam natürlich früher nach Bebek als wir, und wir hörten wohl den feierlichen Empfang da- ſelbſt, ſahen ihn aber nicht. Nachdem wir bei der Moſchee gelandet waren, gingen wir unbehelligt an der aufgeſtell- ten Kaiſergarde und an vielen hohen Würdenträgern vorüber, wendeten uns dann links um die Moſchee herum, weil es hieß, daß der Sultan dort ſeinen Rückweg neh- men werde, und warteten mit etlichen zwanzig Perſonen. Man hörte den choralartigen Geſang aus der Moſchee, während die herumlungernden Leibgardiſten und Solda- ten ſich niederſetzten, ſchmauchten und Waſſer tranken. So hielten wir anderthalb Stunden aus, obwohl die Sonnen- ſtrahlen glühend heiß auf uns niederbrannten. – End- lich hieß es: der Sultan kommt, und wirklich wurde ein herrliches arabiſches Roß mit vergoldetem, diamantenbe- ſetzten Geſchirr und perlengeſtickter rother Schabrake zur Moſchee geführt. Der Sultan kam auch, aber leider nicht auf der Seite, wo wir umſonſt ſo lange gewartet hatten. Dafür hörten wir eine Art türkiſche Volkshymne, wäh- 7() rend welcher die Soldaten etwas wie Vivat riefen, prä- ſentirten und mit der rechten Hand ſalutirend den Fes berührten; auch ſahen wir eine Menge Paſcha und Mini- ſter in reichen militäriſchen Uniformen. - - Etwas unbefriedigt über das lange Warten beſtie- gen wir wieder unſer Schifflein, durchſchnitten quer den Bosporus und fuhren nach Anatoli - Iſar d. h. nach Aſien. Der Hotelsinhaber hatte uns nämlich für dieſen Tag einen Ausflug zu den himmliſchen Gewäſſern angerathen. Mit dieſem pompöſen Namen bezeichnen die arabiſchen Dichter den kleinen aſiatiſchen Fluß Gökſu, der ſich unterhalb der Feſtungsmauern Anatoli-Iſars in den Bosporus ergießt. Bei dem Mangel an trinkbarem Waſſer in dem heißem Klima Aſiens begreift ſich dieſe Übertreibung, aber ſonſt fand ich weder am Bache, noch an dem Thale viel Poetiſches, ſo zwar daß mir der Bach zu Lackenhof am Fuße des Ötſchers, und das Helenenthal bei Baden viel romantiſcher vorkommt. – Wir fuhren in unſerem ſchmalen Kaik etwa eine Viertelſtunde im Fluße aufwärts durch buſchige Ufer, bis wir einer großen von Bergen umſäumten und mit ſchattigen Bäumen bepflanzten Wieſe anſichtig wurden, auf welcher maleriſche Gruppen türkiſcher Frauen ſaßen, während in einiger Entfernung die Männer iſolirt nnd ſchweigſam ihren „Käff“ pflegten d. h. in graziöſer Gedankenloſigkeit das dolce far niente der Franken bei Tſchipuk oder Nargileh (Waſſerpfeife) genoßen. – Wir ſtiegen unter einer ſtattlichen Eiche an's Ufer, und ſpazierten in dem ſchönen Thale eine geraume Zeit herum. Ein eigenes Gefühl durchbebte meine Seele bei dem Gedanken einen neuen Welttheil zu betre- ten, und zwar die Wiege des Menſchengeſchlechtes: Aſien! – Auch wir pflegten eine kurze Zeit der Ruhe 71 auf dem von der Sonne ausgebrannten Wieſenplatze un- ter dem gaſtlichen Schatten eines Baumes. – In der Nähe befand ſich auf einer kleinen Erhöhung der ſchat- tige Spiel- und Tummelplatz der Sultansfrauen, der ganz abgeſchloſſen werden kann; gegenwärtig ſtand er frei und Kinder ſpielten darauf mit dem ſogenannten Plump- ſack in der Runde. Bei dieſer kindlichen Plumpſackexecu- tion fiel mir ein, wie gut es wäre, wenn man die ganze Türkenwirthſchaft wenigſtens aus Europa hinaus „maß- regeln“ möchte. Aber man liebt auch europäiſcherſeits das dolce far niente! – Im Hintergrunde ſah man die Häuſer einer Waſſerleitung und den Hügel Bulguru, von dem man eine prachtvolle Ausſicht genießen ſoll; leider erlaubte die Hitze den Ausflug dahin nicht. Nach kurzem Aufenthalt in einer nahen Töpferfa- brik verfügten wir uns zu unſerem Kaik, und fuhren die „himmliſchen Gewäſſer“ hinab und hinaus in die eiligen Fluthen des Bosporus, die uns nach Scutari brachten, das gleichfalls auf der aſiatiſchen Seite gegenüber von Conſtantinopel liegt (das alte Chryſopolis, Chalcedo ?). Als wir landeten, ſchrie und lärmte am Ufer eine große Menge Volkes mit furchtbaren Geſten. Wir ſtiegen nicht ohne Sorge aus dem Schiffe, weil man uns ſchon früher geſagt hatte, daß die Türken von Scutari gegen die Chri- ſten vorzüglich fanatiſirt wären. Ein Proletarier, welcher das Kaik hielt, bekam ein Bakſchiſch, und unſer Drago- man ging voran, um durch die dichtgedrängten Maſſen Platz zu machen. Einige ſahen uns gleichgiltig an, An- dere mit ſchnöder Verachtung, und etliche Male vernahm ich den Schimpfnamen Giaur d. h. ungläubiger Chri- ſtenhund, doch that uns niemand etwas zu Leide. Ohne uns aufzuhalten gingen wir auf dem ſpitzigen Straſſen- 72 pflaſter aufwärts dem berühmten Cypreſſenhaine zu, der anderthalb Stunden im Umfange hat und der beliebteſte Begräbnißplatz der Moslim iſt. Man vergißt faſt auf einem Friedhofe zu ſein, denn die durch den dunklen Hain laufende Poſtſtraſſe iſt ſtets belebt von ſpazierenfahren- den Frauen, Reitern, ſpielenden Kindern, und mitten un- ter den Grabmälern erheben ſich Cafébuden, in und neben welchen die Türken mit gekreuzten Beinen ſitzen und ſchmauchen. Die Tauſende und abermal Tauſende von Grabmälern beſtehen größtentheils aus Sandſtein, liegen etwas ſchief und enden entweder in Pyramidalform oder mit einem bunten Turban, alle ſind mit vergoldeten Ko- ransverſen geſchmückt. Zahlloſe Steine liegen auf dem Boden. – Beiſpielsweiſe will ich Dir, lieber Freund, die Inſchrift eines türkiſchen Leichenſteines in Überſetzung mittheilen; ſie lautet in Gebetsform: „Gott iſt unver- gänglich. Verzeihe mir, o Herr, kraft des glänzenden Fir- mamentes und der Leuchte des Korans. Tretet an mein Grab, o Freunde, und gönnt meiner Seele ein Gebet. Die in Gott verſchiedene N. N. Der Allmächtige erbarme ſich ihrer Seele. Betet für ſie“.– Wenige Grabmäler ſind um- gittert, und an den vergoldeten Spangen hängen eine Maſſe kleiner buntfärbiger Lappen, eine Art Talisman. Ein Paſcha ließ auch ſeinem Lieblingspferde einen ſieben- ſäuligen Tempel errichten, und daneben ſein eigenes Grab ſetzen – gar gemüthlich! Ich durchſtöberte dieſes Laby- rinth von Leichenſteinen noch weiter, und mußte mich manchmal durch ellenhoch wachſendes Unkraut hindurch- arbeiten. – Am Ende des Waldes breitet ſich eine große Ebene aus, auf der die Wallfahrer nach Mecca ſich ſam- meln, um vom Sultan den letzten Gruß und vom Der- wiſch den Segen zu empfangen. Mit der Fronte nach Con- 7Z ſtantinopel erhebt ſich in der Nähe eine große Kaſerne. Die Ausſicht iſt von dieſer Hochebene wahrhaft himmliſch. Man überſieht ganz Conſtantinopel mit dem goldenen Horn, das ſanft geglättete Marmarameer mit den Prin- zeninſeln, den ſchneebedeckten Olymp u. ſ. w. Da die Hitze furchtbar war, ſo fragte ich den Dra- goman, ob man nirgends im Meere baden könne? Er ant- wortete, daß in Conſtantinopel niemand im Meere bade, es gebe nur warme Bäder; doch hätten ſich ſchon Manche beim Leanderthurm gebadet, obwohl es dort wegen der ſtarken Strömung und der vielen Haifiſche unſicher ſei. Da ich glaubte vor Hitze verſchmachten zu müſſen und im Schwimmen wie Du weißt, geübt bin, ſo vermochte ich die Collegen mich dahin zu begleiten. Wir nahmen alſo den Rückweg durch die offenen Buden und durch die lär- mende Volksmenge hinab zum kleinen Hafen, wo unſer Kaikſtand, das uns nach dem berühmten Leanderthurm brachte. Derſelbe ſteht mitten im Meere an der Ausmün- dung des Bosporus in das Marmarameer, und ſein Name ſtammt von der bekannten Sage, die Schiller in ſeinem „Hero und Leander“ verewigte. Der Thurm iſt halbverfallen. An der Schattenſeite ſaßen etliche 30 Tür- ken, die ſich bei Pfeife und Café gütlich thaten, und uns mit Gleichgiltigkeit ankommen ſahen. Kaum war ich über die Grundſteine hinausgeklettert und ſchwamm im erqui- ckenden Waſſer, als wirklich in der Nähe ein Hai auf- ſchlug, und mich zur ſchleunigſten Rückkehr mahnte. Ein alter Türke breitete neben mir ſeinen Teppich aus, und verrichtete der untergehenden Sonne zugewendet ſein Abendgebet. Auch ich dankte Gott für die überſtandene Gefahr. Wären die Türken in Conſtantinopel wirklich ſo fanatiſirt geweſen, als man ſie ausgab, ſo hätten ſie auf 74 dieſer Felſeninſel uns leicht wegſchaffen können, und Nie- mand hätte je etwas davon erfahren. Herzlich froh beſtiegen wir unſer Schiff und ruder- ten nach Conſtantinopel hinüber. In den Gäſſen herrſchte tolle Bairamsluſt: Ringelſpiele, Schaukeln etc. wie im Wienerprater, dabei ein ohrenzerreiſſender Lärm und Ju- bel. Des Feſttages wegen war erſt um 7 Uhr Diner, wozu auch der Diplomat kam. Er erzählte von einer Se- renade, die dem amerikaniſchen Conſul hätte gebracht werden ſollen, weil er Ungarn und Italien leben ließ, die aber unterblieb. Es ſcheinen hier viele Emigranten und politiſche Flüchtlinge zu ſein. Nach Beſichtigung de Abendcanonade ſchlief ich im Geſpräche ein. - Tags darauf war der dritte und letzte Tag des tür- kiſchen Bairamfeſtes. Die Collegen hatten beſchloſſen ein türkiſches Bad zu nehmen, und da ich über die Vorzüge und Sonderbarkeiten desſelben ſchon viel geleſen hatte, ſo ging ich aus Neugierde mit, und will Dir davon eine anſchauliche Schilderung machen.– Es gibt in Conſtantino- pel unzählige Bäder (Hamam), die alle einen beſtimmten Namen haben, z. B. für Aſtronomen, Dichter, Derwiſche, Banditen etc. Unſer Dragoman führte uns in das Ha- mam für Pferdeliebhaber, das in Pera lag. Wir traten in ein großes rundes Gebäude mit einer Gallerie. Ein Die- ner führte uns hinauf und hieß uns unter luſtigen Freu- denſprüngen die Kleider ablegen. Freute er ſich ſo ob des anzuhoffenden Bakſchiſch, oder weil er einige Franken recht ſtriegeln konnte? Ich weiß es nicht. Wir wurden 75 mit Tüchern behangen, dann abwärts geführt, wo wir Holzpantoffeln erhielten, um auf dem heißen Marmor- pflaſter gehen zu können. Aus einem engen Gemach, in das wir traten, qualmten uns heiße Dämpfe entgegen; doch nicht genug, – von da ging es noch in ein größeres Loeale, wo eine drückende Hitze mir den Athem hemmte, ſo daß ich glaubte es nicht aushalten zu können und einen Schlaganfall befürchtete. Weil aber die Anderen blieben, ſo blieb ich auch. – Jetzt bereitete der Hamamſchi (Ba- dediener) eine Decke über eine Art mamornen Herd aus, welcher durch unterirdiſches Feuer erwärmt wird, und ließ uns alle der Reihe nach hinlegen, und etwa fünf Mi- nuten braten bis der Schweiß aus allen Poren drang. Nun kam zu einem Jeden aus uns ein ſeparater Hamam- ſchi, und begann alle Glieder zu kneipen, zu kneten und zu drücken. Ich meinte ſchon meine letzte Stunde ſei gekom- men und hielt mich für ein geliefertes Schlachtopfer, die- ſer türkiſchen Prozedur, denn je flehentlicher ich den Ha- mamſchi anſah, deſto energiſcher erfüllte er ſeine ſchauer- liche Pflicht. Dabei that mir nur leid, daß mein dicker Nachbar Caſella einen jungen Hamamſchi hatte, der ihn viel zu zart behandelte, während meinen Leichnam ein ro- buſter Koloßmißhandelte.–Froh dieſe unheimliche Opera- tion überſtanden zu haben, ſetzte man uns jeden abſonder- lich in eine Ecke neben einem kleinen ſteinernen Baſſin, in das aus Röhren warmes und kaltes Waſſer floß. Hier kniete der Hamamſchi nieder, zog einen filzernen Fauſt- handſchuh an, und begannn die zweite Operation, indem er den ganzen Körper frottirte, rieb und bürſtete, beiläu- fig ſo wie man ein Pferd ſtriegelt; dann begoß er ſein Schlachtopfer fortwährend mit warmem Waſſer und Seifenſchaum , – kurz eine Mißhandlung folgte 76 der andern.–Faſt athemlos ſteht man auf, wird in große Decken gehüllt (überhaupt geſchieht alles ſehr dezent), ſteigt in die mit Stelzen verſehenen Holzpantoffeln, und wandert nach kurzer Raſt in die früheren Gemächer zu- rück, wo man einem anderen bekleideten Hamamſchi über- geben wird, der einen auf die Gallerie zurück begleitet. Keuchend kommt man daſelbſt an, und wird auf einen der vielen bereitſtehenden Divans gelegt und zugedeckt, und um die Prozedur vollends türkiſch zu machen, wird einem ein großer Turban um den Kopf gewunden. Nachdem man etwas ausgeſchnauft hat, bringt ein Diener die lange Pfeife (Tſchipuk) und eine Taſſe Café, und nun ſchmaucht und trinkt und liegt man echt türkiſch. – So bleibt man wohl eine Stunde liegen, um ſich in eine natürliche Transſpiration zu bringen und die erſchrockenen Lebens- geiſter wieder zu wecken; man bleibt auch gerne liegen, weil man halbtodt müde iſt. Endlich kommen Buben mit Kamm und Spiegel, helfen Dir Toilette machen, und dan- ken mit herzlichem Ew-Allah für den erhaltenen Bak- ſchiſch. Das iſt die Herrlichkeit und Beſchwerlichkeit eines türkiſchen Bades. Nein, Einmal und nicht wieder. – Die Collegen lobten die Wirkſamkeit des Bades mehr; ich fühlte nur einen horrenden Appetit, und an dem fehlt es mir ohnehin nicht. Viele Fremde ſollen ſich überdieß in türkiſchen Bädern auch Krankheiten geholt haben. ––«- &«S>> >>– Inzwiſchen hatte unſer Hotelsinhaber für uns und ſeine Gäſte aus England einen kaiſerlichen Ferman be- ſorgt, mit deſſen Behelf wir die Wohnung des Sultan, 77 die Sophienmoſchee und andere Merkwürdigkeiten des Se- rail beſehen konnten. Freilich koſtete er 1000 Piaſter (100 f.), aber unter 20 Perſonen vertheilte ſich die Summe leicht. Unſer Dragoman mußte für dieſe Expe- dition einem jeden aus uns Pantoffel kaufen, weil nach orientaliſcher Sitte das Innere des Hauſes, notabene das Heiligthum des Sultan, nicht mit den gewöhnlichen Schuhen betreten werden darf. Nach der Collation ſetzte ſich unſere Karawane in Bewegung. Den Anführer machte mit dem Ferman in der Hand unſer Hotelsinhaber, an ſeiner Seite hinkte ein kaiſerlicher Gardeoffizier als Schutz- und Ehrenbeglei- tung. In ſieben Kaiks fuhren wir zum Serail, jenem berüchtigten Fleck Erde, der eine ſo großartige aber auch ſo blutige Geſchichte erzählen könnte. Hier ſtand die Kai- ſerburg des alten Byzanz, von der noch Überreſte vorhan- den ſind; hier hausten in fluchwürdiger Weiſe die Nach- folger des Propheten; wer wird noch hier Wohnung neh- men? Mit einem ängſtlich pochenden Herzen nähert man ſich dieſem hiſtoriſchen Schauplatze. Wir ſtiegen bei den Strandbatterien in der Nähe eines großen Kiosk (Luſthaus) an's Land, und wollten die Wanderung weiter fortſetzen. Doch halt! da ſtellten ſich uns eigenthümliche Hinderniſſe entgegen. Eben in der ver- floſſenen Nacht erſt war das türkiſche Miniſterium geän- dert worden, weil es mit den über den Pruth geſchritte- nen Ruſſen pacifiziren wollte; und nun wurden gegen unſern geſtern ausgeſtellten Ferman Zweifel erhoben, ſo daß wir ſchon beſorgten zum zweiten Mal den Ferman bezahlen zu müſſen. Nach etwa einer halben Stunde kam der Hotelsdirektor mit der Nachricht zurück, daß uns der 78 Eintritt geſtattet ſei, denn das changirte Miniſterium ſei inzwiſchen wieder dechangirt worden. Auch nicht übel! Wir traten durch ein coloſſales Thor, an welchem eine Art Burgwache paradirte, und befanden uns in einem großen Hofraum mit ſchattigen Bäumen, Fontänen und ausgebrannten Raſenplätzen. Nun hieß es das erſte Mal die Schuhe ausziehen und die Pantoffel anſtecken, was uns ſpäter noch ein Dutzendmal traf, ſo daß wir zu- letzt die läſtige Manipulation vereinfachten, indem wir die Pantoffeln ſogleich über die Schuhe anzogen und von dieſen wieder abſtreiften. Was geht nicht alles in der Türkei! – Das erſte Mal alſo legten wir die Schuhe ab, um über eine breite Treppe in die Empfangsſäle des Sultan zu gehen, die ich mir aber pompöſer vorgeſtellt hätte. Es waren große Zimmer mit Tapeten, Vorhängen, vergoldeten Möbeln, üppigen Divans etc.; der Zimmer- boden war mit Strohmatten bedeckt. – Faſt altfränkiſch war die Einrichtung in dem Tract, den die penſionirten Sultansfrauen bewohnen, und deſſen Converſationsſäle mit weißen Marmorbaſſins und daranſtoſſenden langen Corridors zum Spazierengehen gegenwärtig leer ſtanden. Es fiel mir auf, daß die vielen Bilder größtentheils Sze- nen aus dem Leben des erſten Napoleon darſtellten; viel- leicht zum Zeitvertreib. Wie viele Seufzer widerhallten in dieſen Gemächern, wie viel Neid, Kabale und Intri- gue mag in denſelben ſich entfaltet haben! Bayle mag nicht unrecht haben, wenn er Conſtantinopel eines der größten europäiſchen Klatſchneſter nennt. Mich ſtimmten dieſe goldenen Kerker traurig. - Auch in das Schlafzimmer des Sultan durften wir gegen Entrichtung eines aparten Bakſchiſch einen Blick werfen, betreten aber darf es niemand. Es iſt hoch und 79 mit ſchweren carmoiſinrothen Damaſt tapeziert, ſo daß das ganze Bett davon eingehüllt iſt, oben läuft die Dra- perie in eine Krone aus. – In der Nähe des kaiſerlichen Schlafzimmers wird auch die berühmte Fahne des Pro- pheten aufbewahrt, die nur bei großen Staatsbedräng- niſſen enthüllt wird; wir ſahen ſie – im Futterale. – Nach Beſichtigung der inneren Gemächer kamen wir zu einem zweiten hohen Thore mit arabiſchen Inſchriften, und auf einen freien Platz, der einſt buchſtäblich mit Blut getränkt war, indem hier (1829) die Janitſcharen nieder- gemetzelt wurden; an der öſtlichen Mauer ſteht ein ſteiner- ner Stuhl, von dem aus Sultan Mahmud der Blutſzene zuſah. – Daran ſchloß ſich der Stall mit Reitpferden, worunter echt arabiſche Hengſte waren; mich intereſſirte jedoch der Stall wenig, obwohl ich am Morgen im Bade für Pferdeliebhaber geweſen. – Am meiſten gefielen mir die Gärten des Serail, die von Blüthen: und Blumen ſtrotzten, und mit vielem Geſchmack angelegt ſind. Duf- tende Roſenbüſche wechſeln da ab mit ſchattigen Plätzen, Rieſenplatanen mit ſchlanken Cypreſſen, Orangen, Lor- beeren, Granaten, Citronen, wohlriechenden Geſträuchen, und an den Teraſſen rankt ſich der Epheu ſo üppig empor, daß das Auge faſt keinen Stein entdeckt. Ein Wienergärt- ner ſoll das Ganze ſo rangirt und ſich viel dabei verdient haben. Die friſche Luft vom weiten Becken des Marma- rameeres ſtreift ſtets auf dieſen Gefilden, und es ließe ſich auf der Serailsſpitze, die zugleich den ganzen Bos- porus beherrſcht, wahrlich von einem irdiſchen Paradieſe träumen. Doch – was iſt das für ein Paradies, wo man auf Gräbern wandelt? Und ſo iſt es hier, denn unter einem jeden der größeren Blumenbeete ruhet eine Favori- tin des Sultan. – Auch den Gartenſalon mit erfriſchenden 80 Springbrunnen, Spiegeln und Luſtres ſahen wir noch, und glaubten ein Märchen aus Tauſend und einer Nacht zu ſchauen, ſo ſchön war alles hier. Das Serail d. h. das Reſidenzſchloß, die Burg des türkiſchen Kaiſers iſt ſo groß wie eine kleine Stadt und hat mit den Gärten gewiß eine halbe Stunde im Umfang. Manches iſt noch aus alter Zeit erhalten, daher der byzan- tiniſche und mauriſche Stil zu ſehen iſt. – Wir gingen wieder durch einen großen Hofraum, der zur Pagenſchule gehört, und ſtanden vor dem vierzehneckigen Bibliothek- gebäude, das viele Manuſcripte enthalten ſoll. Ich zweifle, daß ſie viel benützt wird, denn es herrſcht großes Dunkel darin. Die Engländer der Karawane, die ſich überhaupt etwas dreiſt benahmen, wollten das Gebäude gar keines Blickes würdigen; doch ſetzten wir Deutſchen es durch, daß wir auf kurze Zeit hineingingen, indem einer ſagte, er zahle ſonſt nichts, weil im kaiſerlichen Ferman auch das Bibliothekgebäude zu beſehen geſtattet wurde. Die Engländer fügten ſich vor dieſem Rechtstitel, ließen ſich aber lieber von der Sonne braten, als daß ſie hinein- gingen. Echt John Bull. Weiter kamen wir in den ehemaligen Thronſaal der Sultane, wo ſie die Geſandten unter vielen Demüthi- gungen empfingen, wofür ſich dieſe jetzt in gehöriger In- ſolenz an dem „kranken Manne“ rächen. Gegenwärtig war Alles ſo mit Teppichen belegt und verhängt, daß man faſt nichts ausnehmen konnte. – In der Nähe befindet ſich die Wohnung der weißen Eunuchen. Es ſtanden etliche 20 herum, alte und junge, lauter fahle, geiſtloſe, mitun- ter erbärmliche Geſtalten, die theils Mitleid, theils Ab- ſcheu einflößten, nur einige Knaben hatten nette Geſich- ter. Solch unglückliche Individuen gibt es viele in 81 der Türkei, und ihre traurige Exiſtenz hängt mit dem Ha- remsleben zuſammen. Dieſe entmannte Palaſtgarniſon beträgt in Conſtantinopel allein bei tauſend. Eine Fami- lie in Conſtantinopel hat eine Art Monopol mit dieſem Menſchenhandel, und die Waare wird im zarten Alter fa- brizirt, oft ſo barbariſch, daß viele daran ſterben. In ih- rer Anſtellung bilden die Eunuchen eine wichtige Rolle, und manche beſitzen den Rang eines Generals. Welche Entwürdigung! In der Regel ſind dieſe Leute voller In- triguen, lieben Titel, Geld und glänzende Uniformen. – Noch weiter trafen wir die ausgedehnte großherrliche Küche, aus der ein angenehmer Speiſeduft uns entge- genquoll; es ſollen hier täglich etliche hundert Hühner und Schafe verarbeitet werden; die zahlloſen Kamine ha- ben die Form von Kuppeln. – Endlich kamen wir noch zu einem hohen Thor, an deſſen Zacken früher die Köpfe der Paſcha ausgeſtellt wurden. Mir war ordentlich leich- ter, als ich dieſe Localitäten des Fluches hinter mir hatte, und ich athmete freier, als wir auf einen offenen Platz hin- austraten, wo ein Rieſenbaum ſeine weiten Äſte ausbrei- tete, ſo daß zehn Männer ſeinen Stamm nicht umfaſſen konnten. Wenn dieſer Baum ſprechen könnte! – Sofort führte man uns in das Arſenal, eine Art Zeughaus, wo Gewehre, Waffen, und eroberte Chriſtenfahnen ge- ſchmackvoll aufgeſtellt waren. Dieſes kriegeriſche Locale war einſt eine Kirche der h. Irene, das Mittelſchiff iſt noch zu erkennen. In den anſtoſſenden Gängen und Ge- wölben waren ausgegrabene Antiquititäten, wie römiſche Meilenſteine, altgriechiſche Köpfe und Rümpfe, Sarko- phage und dgl. ohne alles Syſtem aufgeſtellt. Wie viel müßte auf dieſem claſſiſchen Boden noch zu eruiren ſein! Neben einem großen Haufen Feuerſteine aus Chalcedon Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 6 82 ſtand eine Wache; ich bat den Mann mimiſch mir einen davon nehmen zu dürfen, was er ſogleich zuſagte. Wahr- lich, dieſer Wachpoſten iſt ein Bild der ganzen Türkei! Jetzt folgte das Merkwürdigſte, die Sophienmo- ſchee (Agia Sophia). Plötzlich ſtanden wir vor dem Rie- ſengebäude, bei deſſen Vollendung (538) Kaiſer Juſtinian ausrief: „Salomo, ich habe dich übertroffen“. Die chriſt- liche Kirche iſt durch ſpätere türkiſche Zubauten und be- ſonders durch die viercoloſſalen unſymmetriſchen Minarets ganz entſtellt worden; ſtatt des Kreuzes prangt auf dem Gipfel der Kuppel ein vergoldeter Halbmond von 50 tür- kiſchen Ellen im Durchmeſſer. Die Dimenſionen der Kirche ſind ungeheuer.–Wir traten durch den ehemaligen Vorhof der Büſſer zur Linken in einen Thurm der jetzigen Mo- ſchee, in welcher ſich eine finſtere breite Steintreppe em- porwindet, auf der man bequem hinaufreiten könnte. Zuerſt gelangten wir auf eine große Gallerie, die das Innere umläuft, und einen Überblick über den majeſtäti- ſchen Tempel gewährt. Das Auge irrt mit Staunen durch die rieſenhaften Räume und bewundert die kühne Span- nung der gewölbten Kuppel. Alle chriſtlichen Abzeichen ſind verſchwunden, nur über dem Hochaltar ſchimmert die Geſtalt eines ſegnenden Salvators durch, denn die koſt- baren Moſaikgemälde (ähnlich denen in der Marcuskirche zu Venedig) wurden von den Türken übertüncht und überklebt mit Ausnahme der vier Seraphs in der Kuppel- wölbung, die man beließ aber durch einen Wirrwarr von ſechs Flügeln und durch eine gemalte Sonne ſtatt des En- gelantlitzes entſtellte. Die Wände ſind jetzt ſchmucklos, größtentheils weiß. Auf großen grünen Tafeln ſteht mit goldenen Buchſtaben öfters der Namenszug des Prophe- ten. Selbſt von den herrlichen Säulen, deren manche von 8Z Heliopolis, Athen und Epheſus ſtammen, ſind viele über- tüncht, und der hie und da noch erhaltene Marmorboden iſt mit Binſenmatten belegt.–Welche Pracht müßte es ſein dieſe Kirche in ihrem vollen chriſtlichen Schmucke zu ſchauen! 900 Jahre diente ſie zum chriſtlichen Gottes- dienſte, nun ſind faſt alle Spuren des Kreuzes daraus verſchwunden. Ob für immer? s' iſt faſt nicht möglich. Wie die Sage erzählt, ritt Sultan Mahmud nach der Ero- berung Conſtantinopels im Jahre 1453 auf den Köpfen der in der Sophienkirche verſammelten Chriſten zum Hochaltar, dem Patriarchen den Kopf zerſpaltend. „Venit summa dies et ineluctabile fatum“. Es kommt für Alles der Tag der Vergeltung. Nach der Prophezeiung eines grie- chiſchen Mönches, ſollen die Türken nur 400 Jahre in Conſtantinopel verbleiben und dann verjagt werden. Nun da wäre jetzt gerade der günſtigſte Zeitpunkt. Doch die Rathſchlüſſe Gottes ſind unerforſchlich! – Wir ſtiegen wie- der die breite Steintreppe hinab, und zwar einige Stufen tiefer als die Umgebung, und befanden uns in dem berühm- teſten Kirchengebäude des ganzen Morgenlandes. Bettler ſtanden an den Thüren. In den weiten Räumen waren etliche hundert Moslims zerſtreut, einige knieten mit aus- gebreiteten Armen und beteten, andere ſangen für ſich oder küßten den Boden, noch andere ſaßen in Gruppen beiſammen und plauderten, einige lagen auch ausgeſtreckt auf dem Boden und ſchliefen; und dieß geſchah alles wäh- rend ein Derwiſch auf der Kanzel ſtand und predigte. Nur etwa 30–40 Perſonen umlagerten im weit geſpann- ten Halbkreiſe den Prediger, ſchienen ſich aber in ih- rer apathiſchen Ruhe nicht ſtören zu laſſen, obwohl der alte Derwiſch öfter laut ſingend aufſchrie und tüchtig in die Kanzel hineinſchlug. Ich verſtand wohl nicht was er 6 84 ſagte, aber ſo ſtelle ich mir einen Fanatiker vor. Vielleicht war er es auch, denn als ein Engländer ſich in ſeine Nähe ſchlich und ſtehen blieb, wendete er ſich ſogleich ge- gen ihn, und wir thaten gut weiter zu gehen. Auch Freund Marinelli hätte, wiewohl ohne ſeine Schuld, bald etwas Übles angeſtellt, weil er ausſpukte – es war ihm ein Barthaar in den Mund gekommen. Sogleich umringten ihn einige Türken. Zum Glück war unſer Dragoman in der Nähe, der den Vorfall dadurch gut machte, daß er mit dem Sacktuche pro forma den Bodenreinigte. Wahr- ſcheinlich hatten ſie geglaubt, man wolle die heilige Stätte verunehren. Es liegt darin eine ernſte Lehre für laue Chriſten. – Wir gingen in dem Inneren der Kirche ohne Anſtand herum. Dort wo einſt der Hochaltar ſtand, iſt die Symmetrie inſoferne geſtört, weil die Mihrab(Gebetsni- ſche zur Aufbewahrung des Koran) nicht in der Mitte, ſondern mehr rechts davon angebracht iſt, um die vorge- ſchriebene Richtung nach Mecca (Südoſt) anzudeuten; zwei hohe dicke Wachskerzen befanden ſich daneben; ober- halb iſt die Sultansloge.–Wir wären gerne länger geblie- ben, aber unſer Anführer mahnte zum Aufbruch, um die Moslims am Bairamfeſte nicht zu reizen. Mit Wehmuth ſchied ich aus dieſem entheiligten Prachttempel, und ich ſuchte Troſt bei dem alten Monogramm Chriſti, das ich beim Ausgang an einer Pforte aus Erz entdeckte. Es wollte mir ahnen, daß hier noch das reine und wahre Opfer Gott dargebracht werden wird, denn dort, wo das Kreuz zuerſt geſiegt hat, kann das Chriſtenthum nicht untergehen. Von da beſuchten wir die Achmed smoſchee, einen großen Kuppelbau mit ſechs Minarets. Es iſt charakteri- ſtiſch, daß die meiſten Moſcheen Conſtantinopels ſchüler- 85 hafte Copien der Sophienkirche ſind, die hinwieder das ein- zige chriſtliche Bauwerk iſt, das die Türken verſchonten. Der Islam zerſtörte, ſchuf aber nichts. – Im Inneren der Moſchee hing eine Unzahl kleiner Glaslampen, als Symbol der Leuchter des rechten Weges, und Straußen- eier als Symbol der Fortdauer und Auferſtehung. Auf den Gallerien und in den Nebengemächern bemerkte ich Tauſende von Koffern, welche von den nach Mecca Pil- gernden hier zur Aufbewahrung hinterlegt werden; kehren ſie nach fünf Jahren nicht zurück, ſo gehört der Geſammt- inhalt jener Moſchee, bei welcher der Koffer aufbewahrt iſt; daher ſoll auch der große Reichthum der türkiſchen Moſcheen ſtammen. Die glänzendſte Moſchee Canſtantinopels iſt die Suleiman je, ein ſymmetriſch ſchöner Bau auf einem freien Platze, welchen mildthätige Stiftungen umſchließen. Im Vorhofe ſpielten und lärmten Knaben ohne ſich um uns zu bekümmern. Große Säulenhallen laufen von au- ßen herum, die den 28 ſich über- und untereinander erhe- benden Kuppeln als Stützen dienen. Aus den Mauern fließt in zahlreich angebrachten Röhren friſches Waſſer, damit die Türken die vom Koran vorgeſchriebene Wa- ſchung leicht vornehmen können. Sonderbar, daß die Tür- ken ſich ſo viel waſchen, und doch ſo ſchmutzig ſind! – Im Inneren ſind faſt alle Moſcheen gleich: unzählige Lampen, Strohmatten, die Mihrab d. h. der Hochaltar mit dem Manuſcript des Koran, die Mimber d. i. eine hohe mit Siegestrophäen geſchmückte Kuppel, von wo aus das Gebet für den Herrſcher vollzogen wird, die mei- ſtens unſcheinbare Kanzel, auf der die gewöhnliche Frei- tagspredigt gehalten wird; oft iſt auch ein doppeltver- ſchlungenes Hu (Er) an den Wänden ſichtbar, eine Abkür- 86 zung des beliebten Ausdruckes: Allah hu Allah (Gott iſt Gott). – An einer jeden Moſchee iſt wenigſtens Ein pfefferbüchſenähnlicher Thurm (Minaret), an welchem eine Gallerie herumläuft, von welcher der Gebetsausru- fer fünfmal des Tages in langgedehnten dumpfen Lauten zur Erfüllung der religiöſen Pflicht mahnt. Manchen ge- fällt dieſe Mode beſſer als das chriſtliche Geläute, mich jedoch hat das türkiſche Gebetsausrufen nie recht erbaut. Wie erhebend iſt dagegen der metallene Klang der Glocken, die mit ihren ehernen Zungen weithin das Lob Gottes verkünden, und mit der menſchlichen Zunge im Gebete wetteifern. “ Noch beſuchten wir die Moſchee mit den Gräbern des zuletzt verſtorbenen Sultans und der jüngſt verſtorbe- nen Sultanin Mutter Valide. Große, lange, mit koſtba- ren Teppichen überhangene Särge ſtanden nebeneinander, auf dem mittleren ſtrahlte ein Fes mit Diamanten. Es war hier ſtill, wie ſich's für eine Gruft geziemt, und die wachhabenden Diener imponirten mit ihrem Ernſte. Jede Leiche erregt eine gewiſſe heilige Scheu, weil wir wiſſen, daß das Gericht darüber nicht mehr uns, ſondern Gott zuſteht. Der Sultan ſoll öfter hieher kommen, um am Grabe ſeiner Mutter zu beten – das ehrt ihn. Zu die- ſem Zwecke befanden ſich eigene Divans in dem Locale und ſchön gemeißelte Sitze aus Marmor. Damit war die ermüdende Beſichtigung geſchloſſen und die Karawane ging auseinander. Auf dem Heimwege ſahen wir noch die verbrannte Säule Conſtantins aus Porphyr, die durch Erdbeben theilweiſe zertrümmert und durch Feuersbrünſte entſtellt worden iſt. – Auch den be- rühmten Bazar durchwanderten wir; er beſteht aus überwölbten Straſſen, in welchen ſich zahlloſe Buden 87 nach allen Richtungen befinden, ſo daß man ſich leicht da- rin verirren könnte. Es gab ſchöne und viele Waaren von allen Gattungen. Hier bekam ich das erſte türkiſche Pa- piergeld (Kaimes), das ſehr lumpig ausſieht. Fremde wer- den beim Einkauf furchtbar geprellt z. B. ein Bernſtein- ſpitz aus Wien koſtete 8 fl., ein einfaches Tſchipukrohr 7 fl., man läßt daher beſſer durch Unterhändler einkaufen. Ich kaufte mir ein türkiſches Sacktuch mit Handſtickerei, welch letztere einen gewiſſen Urzuſtand verräth. Nachmittags machten wir dem öſterreichiſchen Ge- neralconſul v. Michanovicz unſere Aufwartung. Wir gingen durch die Kanzleien, in welchen etliche Herren uns zuvorkommend als Landsleute begrüßten. Der General- conſul nahm unſer Empfehlungsſchreiben entgegen und trug in liebevoller Weiſe uns ſeine Dienſte an. Er be- wohnt ein freundliches Haus, das eben großartig umge- baut und reſtaurirt wird. Wir wollten auch dem k. k. In- ternuntius v. Bruck unſer Kompliment machen, allein er war auf ſeiner Villa in Bujukdere. Der folgende Tag war ein Sonntag, an welchem wir zu celebriren wünſchten. Es war daher in der Ord- nung, daß wir uns dem katholiſchen Erzbiſchofe Hillernau vorſtellten, um die Meßlicenz zu erhalten. Da er jedoch weit vom Hotel wohnte und wir ſchon müde waren, ſo wurden Pferde beſtellt. Das war mein erſter Ritt. Ach, warum habe ich bei dem Exküraſſier Maxl in der Pfarre Greſten nicht früher Lection genommen! Wie das ſchupfte und beutelte, noch dazu auf ſo holperigem Pflaſter! ich mußte mich an dem Sattelknopfe feſthalten, um nicht her- abzufallen, und nebenbei über meine Unbehilflichkeit beim erſten Studium der edlen Reitkunſt noch lachen. Das fiel aber Niemanden auf, und glücklich kamen wir zum 88 erzbiſchöflichen Palaſte, der ziemlich groß und gutgelegen iſt. Ein Bedienter führte uns in einen Salon, in welchem uns der greiſe Erzbiſchof im ſchwarzen Talar mit der gol- denen Bruſtkette empfing. Wir zeigten ihm unſere For- maten, worauf er ſogleich eigenhändig die Meßlicenz un- terfertigte. Nachdem er einiges über Öſterreich geſpro- chen, und uns die Furcht vor dem Orient benommen hatte, entließ er uns. Die Eonverſation war franzö-ſ ſiſch. – Der Rückritt ging etwas ſchneller, und ich war etliche Male nahe daran aus dem Gleichgewicht zukom- men; doch ſaß ich ſchon viel ſicherer als anfangs. Was man in der Noth alles lernen kann! – Abends hörte ich noch einen Weiberzank in einem benachbarten Hauſe, wo- gegen ein Wiener - Fratſchlerinnen-Conzert eine unwür- dige Parallele iſt. Doch laſſen wir ſie ſtreiten, ich muß ſchlafen. - - - – ºxº-+-- - - Am nächſten Sonntagsmorgen las ich um 7 Uhr in der öſterreichiſchen Geſandtſchaftskapelle, die von Franziskanern beſorgt wird, die h. Meſſe, bei welcher Mehrere communizirten. Es waren ziemlich viele Leute aus beſſeren Ständen in der Kirche; die Europäerinnen gingen unverſchleiert, die Griechen behielten in der Kirche den Fes auf. Später hörte ich in derſelben Kirche das Frag- ment einer Predigt, die der Prieſter vom Altare aus hielt. Es war mir recht ſonntäglich zu Muthe, und mich be- ſchäftigte ſtets der Gedanke, daß wir in jener Stadt ſeien, wo einſt der h. Chryſoſtomus predigte, wo ein h. Gregor von Nazianz die h. Geheimniſſe feierte, ein Conſtantin, 89 eine Irene etc. lebten, und wo ſo großartige Kirchenver- ſammlungen gehalten wurden. Und jetzt! Nachmittags beſuchten wir die tanzenden Der- wiſche (Mevlevi) in ihrem Kloſter zu Pera. Dieſe tür- kiſchen Mönche, deren Andachtsübung zugleich Leibes- übung iſt, ſtehen in des Sultans unmittelbarem Schutze und beſitzen auch bei dem Volke großes Anſehen. Einige aus ihnen ſind verheirathet, einige nicht. Ihre Tracht iſt einfach: lange braune Kaftans und ein weißer Filzhut in abgeſtumpfter Kegelform. Ihr Geſicht hat etwas Unheim- liches. – In der Mitte des Kloſters auf einem erhöhten Platze befand ſich ein Tempel aus Holz, reinlich, weiß ge- tüncht, eine Art Circus mit geglättetem Boden. An den inneren Barriéren des Circus ſaßen 27 Derwiſche; auf dem Ehrenplatz unter dem Namenszug des Propheten be- fand ſich der Vorſteher, ein junger faſt mädchenhaft aus- ſehender Mann, der als Abkömmling Mohameds einen grünen Turban trug; er verrichtete eben ein ſtilles Gebet, wobei er ſeine Handflächen ganz nahe vor dem Munde hielt. Unter den Derwiſchen waren alte und junge, von 18 bis 60 Jahre beſonders fiel mir einer im gelben Kleide auf, vielleicht war er ein Novize –, jedenfalls war er der jüngſte und tanzte am beſten. Nun wurde von ſeitwärtspoſtirten Derwiſchen das Loblied des Propheten angeſtimmt, und zugleich erſchall- ten Tamburin und Schalmeien. Plötzlich warfen die Derwi- ſche die braunen Mäntel weg und zeigten ſich in einem weißen Weiberreifrock. Der junge Vorgeſetzte erhob ſich mit vielem Anſtande und ging gemeſſenen Schrittes mit gekreuzten Armen dreimal mit den Übrigen im Kreiſe herum, einer hinter dem andern; ſo oft ſie zum Namens- zuge des Propheten kamen, machten ſie eine tiefe Verbeu- 90 gung, und zwar nach dem Tacte. Endlich blieb der Vorge- ſetzte ſtehen, und nun begann der eigentliche Tanz, wobei jeder mit horizontal ausgeſtreckten Armen ſich um ſeine eigene Are drehte, zuerſt langſam, dann immer ſchneller und ſchneller. Sie bildeten zwei Ringe, zwiſchen welchen ein paar ältere Derwiſche mit gekreuzten Armen ernſt und blaß einherſchritten, um die Ordnung unter den Tänzern aufrecht zu erhalten. Und wirklich berührte keiner den an- dern, obwohl der Tanz eine halbe Stunde dauerte. Alle waren barfuß, und der goldgelbe junge Derwiſch bewegte ſich ſo ſchnell und leicht, daß man das Auftreten ſeiner Füſſe kaum merkte; nach Marinelli's Berechnung machte er in dieſer halben Stunde 5400 Umdrehungen. Es trat eine kurze Pauſe ein, und jeder hockte an der Stelle nieder, wo er ſich eben hingedreht hatte, ohne die geringſte Spur von Schwindel zu zeigen; nur ſtarker Schweiß bedeckte ihre erglühten Geſichter. Doch bald er- hob ſich das Haupt der Derwiſche aufs Neue, die Gebete und Umdrehungen wiederholten ſich wie früher, was nach der Verſicherung des Dragoman noch 4–5 mal geſche- hen ſollte. Wir hatten genug, und gingen fort. – Mich ſtimmte das Geſehene mehr zum Mitleid als zum Lachen; denn die Haltung dieſer Derwiſche hatte etwas Schwär- meriſch-Andächtiges. Alle Mortification ohne den Hauch des heiligen Geiſtes, ohne den Prüfſtein der Wahrheit gleicht dem Herumtappen eines Blinden. Es gibt auch chriſtliche Eiferer, die ſich in übel verſtandenen Strenghei- ten überbieten und auf eigene Fauſt heilig werden wollen. Sie leben ebenſo in beklagenswerther Täuſchung, wie die eben geſchilderten und wie die ſchreienden Derwiſche der Türken, welche ſich heulend und lärmend ſchlagen, ſte- chen, peinigen, glühende Kugeln in den Händen bewegen 91 und allerlei Gaukeleien treiben. Letztere ſollen in Scutari ein Kloſter haben, wo ſie jeden Donnerstag eine derartige Produktion veranſtalten, der wir jedoch nicht beiwohnten. Wie belehrend, oder wenn Du willſt, wie beſchämend iſt dieſes Beiſpiel der Derwiſche! - - - Um uns zu zerſtreuen, machten wir einen Ausflug zu den ſüßen Wäſſern Europas d. h. einem Fluße, der ſich in das goldene Horn ergießt und gleichfalls wegen ſeiner ſchönen Umgebung ſehr geprieſen wird. In zwei ſchwerfälligen Barken fuhren wir in anderthalb Stunden dahin. Die Fahrt war jedoch ſehr angenehm, denn wir durchſchnitten der Länge nach das goldene Horn (fo heißt der eigentliche innere Hafen Conſtantinopels), über- ſahen die ſieben Hügel, auf welchen das alte Byzanz er- baut war, die uralten Feſtungen, das Arſenal, vor dem ſich ſechs abgetakelte Kriegsſchiffe befanden u. ſ. w. An den Ufern bemerkten wir zahlloſe Ziegelöfen.–Die Waſſer- ſtraſſe wurde immer enger, bis wir endlich in das ſüße Waſſer einlenkten, das aber noch lange den Meergeſchmack beibehielt. Ich fand die Umgegend nicht beſonders ſchön, ſolche Thäler gibt es viele. Die Berge und Wieſen wa- ren von der Sonne ausgebrannt, nur hie und da ſtanden vereinzelte Baumgruppen, in deren Schatten Zigeuner und jüdiſche Familien maleriſch campirten, und in Be- gleitung eines Inſtrumentes ſangen. Manche ſahen wir ſehr nahe, denn ſie waren neugierig und unverſchleiert. Die Jüdinnen hatten eine halbmondförmige Kopfbedeckung und einen meßgewandähnlichen Überwurf. – Bei dem Kiosk des Sultan, wo kleine Kinder „blinde Kuh“ ſpiel- ten, und große Leute im Freien Cafè tranken, machten wir Halt, und ſtiegen auf kurze Zeit ans Land. – Die Rückfahrt war noch angenehmer, denn es wurde ſchon 92 Abend.–Als wir in Conſtantinopel ans Ufer traten, trafen wir mehrere Tauſend eben aus dem Inneren Aſiens an- gekommener Redifs (Rekruten), die wahrſcheinlich für den bevorſtehenden Krieg in Anſpruch genommen werden; es waren lumpige Kerle mit verſchmitzten Geſichtern, eine Auswahl von Vagabunden. Wir beeilten uns durchzu- kommen, was auch gelang. Nach dem Diner gingen wir noch mitſammen in den „Jardin des fleurs“, einen Garten in Pera, wo all- abendlich die vornehme Welt Conſtantinopels, inſoweit ſie fränkiſch iſt, ſich verſammelt, um ſich durch Converſa- tion zu erheitern, mit Bier und Gefrornem zu erquicken, und den harmoniſchen Klängen einer erſt jüngſt organiſir- ten Muſikbande zu lauſchen. Ich glaubte mich nach Hie- tzing verſetzt, als ich bekannte Walzer von Strauß und Lanner hörte. – Es war ſchon ſpät, als wir aufbrachen um nach Hauſe zu gehen. Da es in Conſtantinopelpoli- zeiliche Vorſchrift iſt Nachts eine Laterne zu tragen, weil es keine Straſſenbeleuchtung gibt, ſo kauften wir eine ſolche und leuchteten uns ſelbſt nach Hauſe. Die Straſ- ſen waren ziemlich belebt, denn wie in Italien beginnt und endet der Abend hier ſpät. ----c (S-6 Q-D-2--- : . . - Bevor ich dieſen Brief ſchließe, muß ich Dir noch von einer unliebſamen Modification unſeres Reiſeplanes ſchreiben. Wir glaubten nämlich Conſtantinopel alsbald verlaſſen zu können, um dem weiten Ziele unſerer Pilger- reiſe näher zu kommen. Doch ſiehe! da brachten wir in Erfahrung, daß erſt nach zwölf Tagen ein Lloydſchiff nach 93 dem Orient fahre, das wir benützen können. Es entſtand nun eine Debatte, womit dieſe Zeitfriſt nützlich ausgefüllt werden könne? Die älteren Pilgerfreunde ſprachen ſich dafür aus in Conſtantinopel zu verbleiben. Allein mir war der Gedanke unerträglich ſoviele Zeit zu verlieren, und auf noblem Fuße zu leben ohne dabei etwas zu pro- fitiren. Jeder Tag koſtete im Hotel für den Kopf wenig- ſtens 12 Franken. Ich ſchlug daher vor dieſes Geld zu einem Ausfluge nach Griechenland oder nach Bruſſa, wo Abdel-Kader ſich aufhalte, zu verwenden. Zum Glück hatte ich mir darüber einige Notaten gemacht, die ich vor- las, und ſo wurde der Ausflug nach Brºſſa beſchloſſen, den wir morgen antreten werden. Auch die Conſulats- beamten riethen dazu, und der Conſul gab uns eine Em- pfehlung an den dortigen ruſſiſchen Conſul und an einen Hotelsbeſitzer mit. Die Paßbeſorgung und der nöthige Qua- rantainezettel koſteten 86 Piaſter; der viertägige Aufent- halt im Hotel für uns alle 24 Ducaten. Unſer braver Dragoman Chriſtoferos macht die Reiſe als unſer Bedien- ter mit. Die Koffer laſſen wir indeß im Hotel zurück, denn wir nehmen nur das Nothwendigſte mit: Reiſeta- ſche, Mantel und Waffen; aus Borſorge mußte Chriſto- fero auch Sättel zum Reiten kaufen, die ziemlich theuer zu ſtehen kamen. - Heute haben wir nicht viel unternommen. Die Ka- rawane wurde inſoferne geordnet, daß der rechnungs- geübte Caſella zum Caſſier der Communkaſſa ernannt wurde, in welche jeder vorläufig 100 fl. legte. Auf nob- lem Fuße reiſen wir, das iſt wahr. Ich für meine Perſon würde einfacher leben, aber da heißt es: mitgefangen mit- gehangen. – Wir benützten die freie Zeit, um Briefe in die liebe Heimat zu ſchreiben; ein einfacher Brief nach 94 Wien koſtet 21 kr. in Silber. – Beim Diner erſchien unvermuthet noch unſer Freund, der Diplomat, der mor- gen mit dem Dampfſchiffe nach Wien zurückreist. Faſt möchte einen dabei etwas Heimweh anwandeln. Doch ſtill davon. Wir denken und fühlen trotz der mitunter profa- nen Erlebniſſe, die ich Dir, mein Lieber, bisher ſchilderte, wie die frommen Pilger des Mittelalters, und ſingen be- geiſtert mit ihnen: „In Gottes Namen fahren wir, Seiner Gnaden begehren wir. Nun helf uns die göttliche Kraft Und das heilige Grab.“ Es gedenkt Deiner in Liebe und Freundſchaft Dein etc. –-s5 V. Ausflug nach Bruſſa. Die Einrichtung eines türkiſchen Dampfers. – Fahrt über das Mar- marameer. – Ein fechtender Exbei. – Das verfallene Nicäa. – Spe- culanten zu Mudania. – Rittſtudien nach Bruſſa. – Wie einer zwei- mal ſein Pferd verliert. – Ein piſtolenbewaffneter Kaffeeſieder. – Ho- tel Loſchi. – Die Heilquellen zu Bruſſa. – Der ruſſiſche Conſul. – Das Türkengebet. – Ein Chriſtenmord. – Eine Hexe. – Ein Nimrod. – Elaſtiſche Bauten wegen drohender Erdbeben. – Die Gräber der Osmanen. – Ein Mißverſtändniß. – Audienz beim berühmten Emir Abdel Kader. – Sein Autograph. – Ein türkiſcher Feiertag. – Sei- denfabriken und Sittlichkeit. – Aqua sancta. – Derwiſchkinder. – Strapazierliche Beſteigung des myſiſchen Olymp. – Ein unpraktiſcher aber eigenſinniger Reiſemarſchall. – Schwerer Abſchied vom paradieſi- ſchen Bruſſa. – Die ſonntägliche Andacht in einer Nothkapelle. – Ein 95 fabelhaftes Weinetabliſſement. – Ein Geſchäft mit Olympier. – He- bung einiger Bedenken über den Inhalt der Pilgerbriefe. – Bruſſa, 17. Juli. Lieber Freund! Wie Du aus meinem letzten Briefe aus Conſtanti- nopel erſehen haben wirſt, war unſer Vorhaben während der unfreiwilligen Wartezeit von eilf Tagen einen Aus- flug nach dem altberühmten Bruſſa zu machen. Dieſes Vorhaben wurde auch ausgeführt, und ich will es Dir beſchreiben. Es war der wunderliebliche Morgen des 12. Juli, an dem wir durch den belebten Hafen des goldenen Horns zu dem Dampfboote ſteuerten, das um acht Uhr nach Bruſſa fuhr. In dieſer kurzen Zeit begegneten uns fünf türkiſche Paſſagierboote, deren Räderbewegung unſern Kaik ſchaukelte. Drei Lloydſchiffe lagen vor Anker: Jmpe- ratrice, Persia und Helena. Über Nacht waren zwei eng- liſche Kriegsfregatten angekommen, die ſich im Angeſichte Conſtantinopels mit imponirendem Stolze gelagert hat- ten. – Das türkiſche Dampfboot, welches wir beſtiegen hatte eigentlich keinen Namen, ſondern zeigte auf der Um- ſchallung des Räderkaſtens nur den Namenszug des Sul- tan in Sonnenſtrahlen; es hatte zwei Schornſteine, ſah aber ſchon etwas abgenützt aus. – Die Einrichtung des Schiffes war echt orientaliſch; es mangelte an Sitzen und Bänken. Die Paſſagiere waren meiſtens Türken, die auf ihren Säbelbeinen kauernd beſtändig mit dem türkiſchen Roſenkranze (der aus 99 Kügelchen beſteht, die die Eigen- ſchaften Gottes bezeichnen) ſpielten; man ſagte mir, daß dieſes Spielen beten heiße. Bequem! Auch einige Tür- kinnen waren auf dem Schiffe und eine unverſchleierte 96 Griechin, die mit Grazie eine Papiercigarre ſchmauchte und ſich überhaupt mit edler Ungenirtheit benahm. Fran- ken waren nur 6 oder 7 auf dem Schiffe. Die Fahrt ko- ſtete für alle 240 Piaſter. – Acht Uhr Morgens fuhren wir aus dem Hafen. Zur Rechten lag das Serail mit den weitläufigen Gärten, und die Hauptfronte der Sophien- moſchee. Die Stadt iſt mit hohen Mauern, die dem Ver- falle nahe ſind, eingeſäumt, bis hinab zum Schloß der ſieben Thürme, wo einſt die Geſandten der europäiſchen Mächte bei ausbrechenden Kriegen eingeſperrt wurden. Von da aus ſahen wir erſt die weite Ausdehnung Con- ſtantinopels. Wir ſteuerten in das Marmarameer hinaus, das glatt wie ein Spiegel war (uaouaoao heißt glänzen). Das Schiff ſchaukelte unbedeutend, von einer Seekrankheit war keine Spur. Große Delphine ſchlugen aus den Dampfſchiffwellen empor, machten Purzelbäume, und be- gleiteten uns neugierig eine kurze Strecke. Die Fahrt war ſehr angenehm. – Links erſchienen die Prinzeninſeln, theils bewaldete theils felſige Eilande, wohin einſt miß- liebige Prinzen verbannt wurden. Kaiſerin Irene verlebte dort ihre letzten Tage in klöſterlicher Zurückgezogenheit. Gegenwärtig ſollen gelehrte griechiſche Mönche daſelbſt wohnen. – Während der Fahrt machte Marinelli Be- kanntſchaft mit einem gutmüthigen, geſprächigen und freundlichem Türken, der einſt die Stelle eines Bei beklei- dete, ein dicker, kleiner Mann. Er bot gaſtfrei ſeinen Im- biß an nämlich gekochten Reis, der ſich wurſtartig in Weinblättern befand, und Dolma hieß. Auch eine Fecht- übung nahm er zum Zeitvertreib vor, wobei er ſich wohl geſchickt, Marinelli aber flinker bewies. Am meiſten be- wunderte er einen Spazierſtock Collega Hubingers, in 97 welchem ein Paraplui ſteckte, und den ſchönen Soldaten- ſäbel Marinelli's. – Die bewachſenen Vorgebirge Aſiens, über die ein röthlicher Flor ausgegoßen ſchien, kamen uns immer näher, und im Hintergrunde präſentirte ſich der greiſe Olymp mit ſeinen felſigen noch mit Schnee bedeck- ten Riffen und Spitzen. Das Meer war wunderſchön blau und kräuſelte ſich ſanft im weißlichen Schaume. So weit das Auge reichte, war die Waſſerfläche mit reizen- den Bergformen eingeſäumt, ſo daß die Meeresfahrt einer Fahrt auf einem großen Gebirgsſee glich. Zahlloſe Segel- ſchiffe begegneten uns. – In der linken Meeresbucht, die ſich weit ins Land hinein bildete, lag einſt das berühmte Nicäa, wo die erſte allgemeine Kirchenverſammlung ab- gehalten wurde (325); jetzt ſoll es ein armſeliges Neſt ſein. Wie tief iſt doch dieſes Land geſunken, ſeitdem das Kreuz von ihm gewichen iſt! Aber nicht blos die rohen Sarazenen tragen die Schuld daran, ſondern vielleicht mehr noch die abtrünnigen Diener der chriſtlichen Kirche, die dem Gottesleugner Arius huldigten und die Ketzereien beſchützten. Wann wird dieſes Land wieder chriſtlich wer- den? Hier verſteht man die Worte der h. Schrift: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der iſt zum Eckſteine geworden. Vom Herrn iſt dieß geſchehen, und es iſt wunderbar in unſern Augen. Darum ſage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen, und einem Volke gegeben werden, das die Früchte desſelben hervor- bringt.“ (Matth. 21, 42). - - So verſunken in religiöſe Betrachtungen langten wir am Ziele unſerer Fahrt, Mudania, an; es war 2 Uhr Nachmittags. Am Landungsplatze ſtanden geſchäftige Spe- culanten, die von der Ankunft der Fremden Vortheil zie- hen wollten; ſie führten uns die Pferde bis ins ſeichte Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 7 98 Meer entgegen. Während Criſtofero dieſelben auswählte, nahmen wir in einer naheſtehenden hölzernen Barake ſchwarzen Café, wobei wir von der außen harrenden Menge wie Wunderthiere begafft wurden. Nun begann der erſte ernſtliche Ritt nach Bruſſa. Ich erhielt einen Braun mit hohem türkiſchen Sattel, der einſt mit blauem Sammet überzogen war; nachdem ich dem türkiſchen Braun einige gut gemeinte deutſche Worte zugeſprochen hatte, ſchwang ich mich auf ihn, und es ging vorwärts. Aber wie! So lange wir im Schritt ritten, ging es noch; aber beim Trab war das Stoßen unerträg- lich, und trotz aller Vortheilsverſuche mußte ich mich oft am Sattel halten, um nicht herabzufallen. So iſt's, wenn man die Gelegenheit zum Lernen verſäumt, man muß erſt durch Schaden klug werden. Die Anderen ritten vortreff- lich, beſonders Marinelli, der wie ein Offizier feſt im Sattel ſaß und ſein Pferd gehörig tummelte. Unſere Ka- rawane beſtand aus acht Perſonen, nämlich 5 Pilger, 1 Dragoman, und 2 Türkeu. – Da Alle wegen der Un- ſicherheit des Weges ſtark bewaffnet waren, ſo bat ich Marinelli um eines ſeiner Mordinſtrumente, denn er be- ſaß nebſt dem Säbel noch zwei Piſtolen. Gefällig überließ er mir ſeine Lieblingspiſtole, die ich in Ermanglung eines Gürtels in die Seitentaſche meiner Blouſe ſteckte. Dieſes kriegeriſche Koſtüm fällt hier gar nicht auf, weil die Ein- gebornen faſt alle wenigſtens mit Piſtolen bewaffnet ſind. Gott ſei Dank, wir durften von den Waffen keinen Ge- brauch machen, es ſchien Alles ſo friedlich, wie die Ge- gend, durch die wir zogen. Die Karawane nahm ſich ſtatt- lich aus, voran ritten die Türken in ihrem maleriſchen Koſtüme, deren einer öfter in ſeine Peitſche pfiff. – Nach einiger Zeit holten wir eine andere Karawane ein, 99 die größtentheils aus türkiſchen Frauen beſtand, und die wir natürlich nicht ſcharf anſahen, um die wachſame Be- gleitung nicht zu provoziren; die Frauen ſaßen alle nach Männerart zu Pferde. Der Weg führte anfangs am Meeresſtrand, bog aber bald rechts ein auf ſanft ſich erhebenden Hügeln. Überall zeigte ſich üppige Fruchtbarkeit an Oliven, Fei- gen, Trauben und Maulbeeren. Die Weinrebe iſt nicht an einen Stock gebunden, ſondern ſchlingt ſich frei auf dem Boden fort und erhebt ſich an Geſträuchen und Bäumen. Das Getreide lag in Bündeln auf dem Felde, an einigen Orten wurde es eben eingeſcheuert. Schafe und Ziegen ganz eigenthümlicher Art weideten zahlreich auf den weit- läufigen Triften, und ein patriarchaliſcher Hirt hielt ein kläglich ſchreiendes Lämmlein auf ſeinen Armen. Auch einen großen himmelblauen Vogel ſahen wir, kurz Alles deutete den aſiatiſchen Himmelsſtrich an.–Du kannſt Dir, lieber Freund, keine Vorſtellung machen, wie ſehr Natur und menſchlicher Fleiß hier kontraſtiren. Denke Dir die üppigſten Saaten, die blühendſten Bäume, die fruchtbar- ſten Felder, das ſaftigſte Grün, den mildeſten Himmel– und dieſem entgegen die Verwahrloſung ohne Grenzen, die Unthätigkeit und Faulheit in ihren ausgeprägteſten Formen, die Liederlichkeit allüberall. Die Natur thut hier Alles, der Menſch nichts. Wie viel Grund und Boden liegt da unbenützt, der vielleicht hundertfach die geringe Mühe lohnen würde, die man auf ſeine Bebauung ver- wendete! Da iſt keine Straße, keine Einzäunung u. dgl., ſondern Staub und Koth wetteifern miteinander, und ein tiefliegender Pfad für Saumthiere iſt die Hauptpoſt- ſtraße, welche die alte Kaiſerſtadt Bruſſa mit der neuen verbindet. – In gewiſſen Zwiſchenräumen trafen wir 7 :: 1()() einen ſo genannten Khan d. i. ein halbverfallenes hölzer- nes Gebäude, eine Art Herberge, wo die Pferde Waſſer und die Reiſenden Café bekommen. – An einer ſolchen Station hielten wir an und ſtiegen vom Pferde. Der Wirth hockte beim Feuer und bereitete – die Piſtolen im Gür- tel – den Café. Dieſe Manipulation war paradieſiſch einfach. Er nahm einen kleinen Blechtiegel, gab zerſtoße- nen Zucker und Café hinein, goß heißes Waſſer darüber, hielt ihn über das Feuer, und in fünf Secunden war der Café fix und fertig, und zur Ehre des Wirthes ſei es ge- ſagt, das Getränk war gar nicht übel. – In der Nähe des Khan floß ein kleiner Bach, in welchen drei Schritte von mir eine große Viper ſprang und darin verſchwand. Tauſende von röthlichen Heuſchrecken, viel größer als bei uns, ſprangen zirpend herum, ſie müſſen hier eine wahre Landplage ſein. – Nach kurzer Raſt ging es vorwärts. Seufzend beſtieg ich meinen Braun, nicht ahnend, daß ich ihn in Kürze zweimal verlieren ſollte. Wie das geſchehen, wirſt Du ſogleich hören.–Auf einer Bergfläche befand ſich ein Sumpf, über den wir ſetzen mußten. Ich verließ mich auf meinen Braun, aber der fürchtete ſich zu verſinken, griff aus, brachte mich aus dem Gleichgewicht, der hohe Sattel rutſchte ſeitwärts, und ich fiel rechts auf einen Hügel hinab. Zum Glück that ich mir nicht weh, ſondern ſtand ſogleich auf und ſuchte mein Pferd. Dieſes lief etwas herum, ließ ſich aber leicht fangen, und ging – nachdem ich es am Halſe geſtreichelt hatte, ruhig weiter. Doch das Ärgere folgte. – Eine Stunde vor Bruſſage- wahrte ich zu meiner nicht geringen Beſtürzung, daß Ma- rinelli's Lieblingspiſtole in meiner Blouſentaſche fehlte. Als ich dieſen ſchmerzlichen Verluſt Freund Marinelli mittheilte, kehrte er ſogleich um, um die verlorne zu ſu- 101 chen. Indeß entdeckte ich bei einer genaueren Viſitation, daß die ſchwere Piſtole, welche den Sack durchgeriſſen hatte, im Unterfutter der Blouſe ſteckte, was ich eiligſt dem Fortreitenden nachrufen wollte. Doch – o Mißgeſchick – in demſelben Augenblick als ich mich umdrehte, drehte ſich auch der zu leicht geſchnallte Sattel, und ich fiel – glaube es mir gegen meinen Willen – zum zweiten Mal in den Staub hinab. Dießmal war es ernſter. Zwar that ich mir abermals nicht weh, aber das Pferd lief, als man es fangen wollte, mit dem Sattel unter dem Bauch da- von, und zwar weit in die Ebene hinein, bis man es nicht mehr bemerkte. Meine Collegen bedauerten mich, ich auch. Schon beſorgte ich den arabiſchen Braun bezahlen zu müſſen, aber unſer braver Dragoman Criſtofero ſetzte dem Flüchtling ſo lange nach, bis er ihn bekam und im Triumphe zur Karawane zurückbrachte, wofür er verdien- ten Dank und Lohn erhielt.– Glücklicherweiſe war uns in- deß der Hotelsbeſitzer Loſchi aus Bruſſa, dem wir em- pfohlen waren, entgegen geritten; dieſer trat mir ſeinen Schimmel ab, auf deſſen feſtem europäiſchen Sattel ich viel ſicherer und beſſer ſaß. Je näher Bruſſa, deſto brei- ter wird das Thal, in das man von der mühſam über- wundenen Höhe hinabſteigt, und mit Entzücken begrüßt man die herrliche Lage der alten Stadt Bruſſa, welche den nordweſtlichen Fuß des Olympus umgürtet. Nach fünfſtündigem Ritt zogen wir gegen acht Uhr Abends in Bruſſa ein. Ich war wie gerädert und litt furchtbare Kreuzſchmerzen, ſo daß die Collegen den Kopf ſchüttelten, als wollten ſie ſagen: Wie kann der die Reiſe in den Orient wagen? – Die Ruhe und Erholung von Schreck und Strapatzen that wahrlich noth. Die Nacht verlief ruhig, aber ich ſtand mit ſolchen 102 Kreuzſchmerzen auf, als ob ich in der Mitte abgeſchnitten wäre. Ich begab mich auf die oberhalb des Hauſes be- findliche Terraſſe, von der man eine prachtvolle Ausſicht genoß. Die weite Ebene, von ſchöngeformten Bergen um- gürtet, dehnt ſich vor den Augen aus, ſtolze Cypreſſen ra- gen zwiſchen niedlichen Baumgruppen und Geſträuchen empor, und das ſaftige Grün der Weinrebe belebt die paradieſiſche Gegend. Zur Rechten breitet ſich die alte Hauptſtadt der Osmanen aus, die noch heutzutage 80000 Einwohner zählt; gerade vor Dir liegt eine ro- mantiſche Burgruine, die einſt die Genueſen bauten, und auf der jetzt die rothe türkiſche Fahne weht. Die Gegend erinnert etwas an Kaltern in Tirol, iſt aber ohne Ver- gleich ſchöner. Wäre hier Civiliſation, ſo müßte Bruſſa der ſchönſte Landaufenthalt ſein, und wäre hier Fleiß, ſo müßten hier die reichſten und glücklichſten Leute wohnen. – In der Geſchichte hat Bruſſa einen klangvollen Na- men. Von dem bythiniſchen König Pruſias erhielt die Stadt ihren Namen, und diente dem berühmten Hannibal als Zufluchtsſtätte, gleichwie jetzt der vielbewunderte Fürſt der Wüſte, Abdel Kader, daſelbſt ſeine Freiheit ge- nießt. Später wurde es die Reſidenz der Osmanen, bis ſie Conſtantinopel eroberten. Seitdem hat Bruſſa viel verloren, und der Verfall zeigt ſich überall in der Ärm- lichkeit der Privathäuſer und öffentlichen Gebäude. Das Hôtel d'Olymp, in welchem wir wohnen, hat zwei Stöcke und iſt erſt vor zwei Jahren von einem ita- lieniſchen Emigranten Namens Loſchi erbaut worden. Wir ſind mit Zimmern und Koſt zufrieden, und richten es uns ſo bequem als möglich ein, um die unfreiwillige orienta- liſche Sommerfriſche ſo angenehm als möglich zu genie- ßen. Der Hotelsbeſitzer, der eine Laibacherin, die gebro- 103 chen deutſch ſpricht, als Wirthſchafterin hat, beklagt ſich, daß in Folge der Kriegswirren gegenwärtig ſo wenig Gäſte ſeien, ſo daß ſein Hotel größtentheils leer ſtehe; wirklich wohnt außer uns nur noch ein Franzoſe darin. Früher gab es hier viele politiſche Flüchtlinge, von denen einige nicht den beſten Ruf hinterließen; jetzt ſind ſie kraft eines Vertrages mit der Pforte eine Tagreiſe von hier in Kutahia internirt. Schon zur Zeit der Römer war Bruſſa ob ſeiner heilſamen Bäder berühmt. Aus dem myſiſchen Olymp, der Bruſſa umgürtet, ſtrömen zahlloſe Quellen kriſtallhel- len Waſſers, woher der Reichthum und die Fruchtbarkeit der Ebene ſich erklärt. Einige dieſer Quellen ſind ſchwe- fel- und eiſenhältig, und erinnern in ihrer Wirkſamkeit an Gaſtein und Teplitz. Ob, wie man behauptet, der alte Her- kules an dieſen heilſamen Quellen ſeine Wunden gewa- ſchen habe, laſſe ich dahingeſtellt; gewiß aber iſt es, daß die Römer dieſe Heilquellen kannten, die osmaniſchen Kai- ſer ſie benützten, und zahlloſe Menſchen aus allen Welt- theilen hier Linderung ihrer Schmerzen und die verlorne Geſundheit wiederfanden. Beſonders wirkſam ſollen ſie ſich in Haut- und Unterleibskrankheiten, Gicht etc. erweiſen. Als Sommerfriſchler wollten wir doch auch von dieſer Wohlthat der Natur Gebrauch machen, und gingen daher zehn Uhr Morgens zu der eine halbe Stunde von der Stadt entfernten Hauptquelle, die am Abhange des Berges liegt. Wir traten in ein großes kuppelförmiges Gebäude mit mehreren Abtheilungen. In der ſaalartigen Vorhalle befand ſich ein Springbrunnen, deſſen friſches Waſſer die Luft kühlte. Hier legten wir die Kleider ab, die Criſtofero verwahrte. Nun ging es durch eine warme Ab- 104 theilung in eine noch wärmere, in welcher die heiße Heil- quelle (bei 400 R.) ſich befand. In einer rund gebauten Halle war ein rundes Baſſin von 4–5 Klaftern im Durch- meſſer. Die Heilquelle floß mannesarmdick zu und wieder ab, und eine Dunſtwolke erhob ſich zu den an der Kuppel angebrachten Luftlöchern. Das Waſſer reichte mir bis an den Hals und brannte ſo, daß ich es kaum aushalten konnte. Nachdem ich etliche Mal herumgeſchwommen, ging ich wieder in die Vorhalle zurück, nahm die Kleider, und begab mich ins Freie, während die Collegen in den mar- mornen Nebengemächern ſich abermals bürſten und ſtrie- geln ließen. Nein, ich bleibe bei meinem Vorſatze: Ein- mal und nicht wieder. – Der Luxus in den Bädern von Bruſſa muß einſt groß geweſen ſein, Marmor und Mo- ſaik war hier verſchwendet. Gegenwärtig herrſcht jedoch die größte Einfachheit; die ärmſten Türken baden neben dem reichen Griechen, und alle empfangen die gleiche Be- handlung. Ich fühlte eine wohlthuende Reaction nach dem Bade, die Kreuzſchmerzen waren wie verſchwunden. – Nach einer Stunde kamen auch die Collegen, und wir ließen uns im Hotel die gut zubereitete Collation mit echtem Olympierwein trefflich ſchmecken. Darnach machten wir, um uns an die orientaliſche Sitte und Faulheit zu gewöh- nen, eine Mittagsſieſta, – man ſagt, daß dieß geſund ſei. Bei Eſelsgeſchrei ſchlief ich ein, und unter detto Eſels- geſchrei, das in Bruſſa faſt nie aufhört, erwachte ich. Nachmittags vier Uhr machten wir dem ruſſiſchen Conſul Falkeiſen, dem wir von Conſtantinopel aus em- pfolen waren, einen Beſuch. Er befand ſich in ſeinem Kaufgewölbe in einem coloſſalen Khan, und lud uns ein, ihn in ſeiner Wohnung zu beſuchen. Als geborner Schweitzer ſpricht er deutſch. Auf unſere Frage, ob wir 105 in Bruſſa etwas zn befürchten hätten, antwortete er: Nein, denn der jetzige Paſcha ſei ein energiſcher Mann und habe Haare auf den Zähnen. – Auf dem Rückwege kamen wir durch den Bazar, der beſonders reich an Seidenartikeln iſt. In vielen Buden knieten die türkiſchen Verkäufer und beteten, worin ſie ſich nicht ſtören ließen, wenn man ſich auch als Käufer zur Bude hinſtellte. Wenn der Türke betet, hört und ſieht er nichts; ſollte man nicht manchen Chriſten empfehlen türkiſch zu beten? – Grie- chen, Türken und Armenier waren da untereinander. Letztere ſollen durch Wucher ſich große Reichthümer ſam- meln, wogegen die Türken verarmen; daher auch die Er- bitterung der Türken gegen die Chriſten. Erſt vor zwei Tagen wurde ein Armenier von einem Türken in Gegen- wart von etlichen zwanzig Menſchen mit einer Eiſen- ſtange erſchlagen, ohne daß ihm jemand zu Hilfe kam und ohne daß dem Türken etwas geſchah. Die Türken halfen dem Türken vor Gericht, und das Zeugniß eines Chriſten hat keine Beweiskraft. – Ich machte einige Einkäufe auf dem Bazar; ein ſeidenes Foulard koſtete 50 kr. C. M., um einen Piaſter (6kr.) erhielt ich eine ungeheure Düte feinen Rauchtabaks; ebenſo viel koſtete ein Päckchen Wie- ner-Zündhölzel mit dem privilegirten kaiſerlichen Adler. Auch an einigen Moſcheen, deren Thüren weit offen ſtanden, gingen wir vorüber, und ſahen die zahllo- ſen Lampen und Springbrunnen darin. Der Weg führte uns ferner über einen mit Cypreſſen bepflanzten Fried- hof, wo wir ein bischen ſtehen blieben. Augenblicklich er- ſchien ein häßliches Türkenweib und ſchmollte laut, daß wir Giaurs es wagten einen moslemitiſchen Friedhof zu betreten, wir ſollten uns packen u. ſ. w. Wirklich hatten wir die Hexe noch nicht aus den Augen, als uns ſchon 106 Steine über die Köpfe flogen. Solchen Angriffen gegen- über iſt der Fremde wehrlos, und er thut am beſten, wenn er fortzukommen ſucht. Das thaten wir denn auch, und kamen zur Haupttrinkquelle Bruſſa's, die wie ein kleiner Bach aus dem Berge hervorquillt, und von indu- ſtriöſen Franken zu Mühlen und Fabriken benützt wird, weil die Türken zu faul ſind von der Gabe Gottes zu profitiren. Das gute Trinkwaſſer iſt eine unſchätzbare Wohlthat für Bruſſa, es fließt aus zahlloſen Baſſins in allen Straßen der Stadt. – Wir kamen glücklich wieder in unſer Hotel zurück, wo acht Uhr Abends das Diner ſtattfand, für mich viel zu ſpät, denn um neun Uhr lag ich ſchon im Bette. Die Hitze bei Tag iſt groß aber erträglich, die Nächte ſind kühl, daher man die Fenſter Nachts nicht offen laſſen darf, ohne ſich der Gefahr eines Fieberanfalles auszuſetzen. Tags darauf ritten wir abermals als echte Som- merfriſchler in ein Bad, und zwar in ein anderes Heil- bad, welches dem Bruder des ruſſiſchen Conſuls gehört. Dieſer originelle und unternehmende Mann lebte zwei Jahre als Nimrod in den faſt unzugänglichen Urwäldern des Olymp mit einem gleichgeſinnten Freunde. Nur zu Zei- ten kamen ſie nach Bruſſa, um die Häute der Bären 2c. zu verkaufen. Er hatte ſich an einer romantiſchen Abda- chung des Gebirges in der Nähe einer unbenützten Eiſen- quelle von 339 R. ein geſchmackvolles Schweizerhaus aus Holz gebaut, wie er ſelbſt ſagte ziemlich elaſtiſch, damit es bei einem Erdbeben leicht nachgebe. Die Heilquelle leitete er ohne viel Mühe in ſein Haus hinein, und war nun eben daran ein Badehotel für europäiſche Gäſte zu 107 bauen. Gegenwärtig war Alles noch höchſt einfach. In den noch nicht getäfelten Zimmern befanden ſich Wannen nach europäiſcher Sitte. Ich hielt es aber in dieſem Bade nicht fünf Minuten aus, und war ſchon wieder marſch- fähig, bevor die Collegen im Bade waren. Nun wartete ich eine Weile, und plauderte mit dem Schweitzer ein gemüthliches Deutſch, dann aber machte ich mich auf, ließ mein Pferd zurück und ging zu Fuß voraus, in der Hoffnung daß die Anderen ohnehin bald nachkommen würden. Ich hatte eine ſolche Zuverſicht in die Sicher- heit dieſer paradieſiſchen Gegend, daß ich mich gar nicht fürchtete. Ohne es zu wollen, bereitete ich aber meinen Reiſekollegen nicht geringe Beſorgniß, wie Du gleich hören wirſt. Wohlgemuth meines Weges gehend kam ich zuerſt zu einer großen Moſchee, in welcher die koſtbaren Grab- mäler der in Bruſſa verſtorbenen osmaniſchen Kaiſer ſich befinden, die von den Türken beſonders verehrt werden. Kein Giaur darf ſie betreten. Da jedoch die Thür offen ſtand, ſo konnte ich der Neugierde nicht widerſtehen und ſchlich mich hinein, ſo daß ich die mit reichen Teppichen belegten Tomben zwiſchen den prachtvollen Marmorſäu- len bequem ſehen konnte. Als mich jedoch einige gerade dort knieende Türken bemerkten, entfernte ich mich ſchnell, und wendete mich zur nahe gelegenen Moſchee Amuraths, die beſonders ſchön zu ſein ſchien. Unglücklicherweiſe hatte ich gar kein türkiſches Geld bei mir, und ohne Bakſchiſch konnte ich nicht hoffen in die Moſchee hinein oder wieder heraus zu kommen. – Langſamen Schrittes ſchlenderte ich daher fort, kam unangefochten nach Hauſe und in mein Zimmer, ohne daß mich jemand vom Hauſe bemerkte. Viel ſpäter als ich kamen die berittenen Collegen in's 108 Hotel zurück und fragten voll Beſorgniß um mich. Da mich von den Wirthsleuten niemand geſehen hatte, ſo hielten ſie dafür, daß ich mich verirrt hätte oder gar ver- loren gegangen ſei, und der brave Criſtofero und der gute Reiter Marinelli ſprengten ſogleich fort um mich zu ſuchen. Freilich war das Mißverſtändniß bald geho- ben, indem ich ganz wohlbehalten im gemeinſchaftlichen Speiſeſaal erſchien. Nach einer Stunde kehrten die Su- chenden ganz erſchöpft und erhitzt zurück, und ich dankte ihnen für die Mühe, die ich ihnen ohne Schuld und Wiſ- ſen verurſacht hatte. - * - - Wie Du weißt, befindet ſich ſeit vier Monaten der berühmte Emir Abdel Kader in Bruſſa, und iſt (wenn ich ſo ſagen darf) eine Hauptmerkwürdigkeit dieſer Stadt. Wir trugen Alle das Verlangen dieſen Hannibal des neunzehnten Jahrhunderts kennen zu lernen, und ließen daher durch unſere Billeten um eine Audienz erſuchen. Zu unſerer großen Freude ſchrieb uns der Sekretär des Emir in franzöſiſcher Sprache zurück, daß der Emir uns mit Vergnügen morgen zwiſchen 3 –10 Uhr (à la Tur- que) empfangen werde, wenn wir es nicht etwa vorzögen noch heute zu kommen. – Wir beſchloßen noch an demſel- ben Tage dem edlen Emir unſere Aufwartung zu machen. Sogleich wurden Pferde beſtellt, und jeder machte ſo gut als es anging Toilette, wie ſie ſich für einen ſo hohen Beſuch geziemte. Ich applizirte mir zum erſten Mal die grauen Brillen, um mir ein mehr profeſſorliches Ausſe- hen zu geben. Endlich kamen die Pferde und die Kara- wane ſetzte ſich in Bewegung. Voran ritt ein Türke mit großem Turban, dann wir fünf Pilger hintereinander, den Schluß machte unſer Dragoman. Der Weg führte durch enge und ſchmutzige 109 Gaſſen der Stadt und durch die Gewölbe des Bazar faſt eine halbe Stunde lang, bis wir in einer abgelegenen Sackgaſſe Halt machten und vom Pferde ſtiegen – wir waren bei der dermaligen Reſidenz des arabiſchen Emir. Den Eingang bildete eine einfache Holzthür. Im inneren Hofraum, der mit ſchattigen Bäumen bepflanzt iſt, ſaßen Beduinen in großen weißen Mänteln. Das neugebaute Haus von Holz mit ſeinen großen Fenſtern und reinli- chem Anſtrich kontraſtirte gegen die baufälligen Wohnun- gen der nächſten Umgebung. Wir ſtiegen eine Treppe höher und wurden links in einen geräumigen Salon geführt, deſſen Fußboden mit feinen Srohmatten be- deckt war. An den Wänden herum befanden ſich zwei rothe Divans, ein Sopha und zwei Fauteuills, Spie- gel zierten die Wände, und blendend weiße mit rother Seide verbrämte Gardinen umliefen die oberen Theile der Fenſter. Kaum fanden wir Zeit dieſe Gegenſtände zu betrachten, als der Neffe des großen Emir kam uns zu bewillkommen. Wir ſaßen auf europäiſche Weiſe auf dem Divan, ſo auch der Neffe, der geläufig franzö- ſiſch ſprach, und mehr europäiſch als orientaliſch geklei- det war, nämlich im blauen Soldatenrock und rothem Fes. Wir ſprachen kurze Zeit mit ihm über unſere Reiſe. Als ſein jüngerer Bruder eintrat, der gleichfalls franzö- ſiſch ſprach, entfernte er ſich, um uns beim Emir zu mel- den. Indeſſen kamen fünf ſchwarze Araber herein, kredenz- ten einem jeden von uns einen faſt klafterlangen Tſchipuk mit koſtbarer Bernſteinſpitze, und ſetzten den Pfeifenkopf mit ceremoniöſer Grazie auf einen runden Meſſingteller, wahrſcheinlich damit keine herabfallende Kohle die feinen Strohmatten verletze. Und wir begannen ganz türkiſch zu ſchmauchen. 110 Auf einmal trat Abdel Kader ein. Niemand ſagte es uns, daß er es ſei, außer er ſelbſt durch ſeine würde- volle Erſcheinung. StelleDir einen großen ſchönen Mann vor mit ſchwarzem Bart auf dem ernſten weißen Geſichte, auf dem ebenſoviel Majeſtät als Melancholie lag. Ein weißer Turban ſaß auf ſeinem Haupte und ein himmel- blauer Kaftan umſchlang ſeine Schultern. Wir ſtanden alle vom Sitze auf, und machten eine Verbeugung. Er grüßte mit der rechten Hand ohne den Kopf zu bewegen, ging mit Gravität auf den der Thüre gegenüber befindli- chen Divan zu und ſetzte ſich darauf, indem er die Füße kreuzweiſe unterſchlug. Ein Diener brachte ihm die lange Pfeife, und er gab uns zu verſtehen, daß wir uns gleich- falls niederſetzen und fortrauchen ſollten. Wir ſaßen links von ihm der Reihe nach, ich in der Mitte. Zur Rechten des Emir ſaß ſein 15 jähriger Neffe, der mit kindlichem Reſpekt zu ſeinem großen Oheim hinaufſah. – Nun be- gann die Converſation, indem der junge liebenswürdige Neffe das von uns franzöſiſch Geſprochene ins Arabiſche überſetzte, und umgekehrt die Rede des Emir uns dol- metſchte. Der Emir ſprach ungemein lebhaft und ſchnell, ausdrucksvoller durch Mienen und Geberden als durch Worte. Seine Stimme hatte trotz ihrer Reinheit etwas Kreiſchendes, woran vielleicht die mit Emphaſe geſpro- chenen Gutturallaute Schuld waren. Die Antworten des Emir hatten etwas Epigrammatiſches und er verſprach ſich nie mit einem Worte. Was ihm etwa ſchmeicheln konnte, nahm er mit abwehrendem Ernſte auf; ſichtbar gerührt aber war er, als wir ſeiner alten Mutter, an der er mit Innigkeit hängt, erwähnten, und den Wunſch äußerten, Gott möge ſie ihm noch lange erhalten. – Er fing ſelbſt an um Neuigkeiten zu fragen, namentlich um 111 Nachrichten von dem Kriegsſchauplatze. Das Auftreten Rußlands gegen die Türken nannte er zu wiederholten Malen ungerecht, und ſchüttelte mißbilligend das Haupt dabei. Als wir ihm ſagten, daß Öſterreich wahrſcheinlich die Vermittlung zwiſchen den kriegführenden Mächten übernehmen werde, ſchien er befriedigt. An Allem nahm er den lebhafteſten Antheil z. B. an dem Darniederliegen des Handels in der gegenwärtigen Kataſtrophe; an dem ſtattgehabten Attentate auf das Leben des öſterreichiſchen Kaiſers; an unſerer Pilgerreiſe nach Jeruſalem; an der projektirten Beſteigung der Olymp u. ſ. w. – Als wir uns wegen des Reiſecoſtüms entſchuldigten, ſagte er, daß ihm dasſelbe gefalle, daß er es anſtändig, ja nobel finde; er vielmehr müſſe ſich entſchuldigen, daß er in ſeinem Haus- anzuge ſei. Auf die Äußerung, daß wir Deutſche ſo offen ſprechen, wie wir denken, antwortete er: „Das ſei bei jedem Volke wünſchenswerth, und nur jene Sprache ſei ſchön, die am beſten die Wahrheit ausdrücke." Als wir ſchließlich verſprachen am Ziele unſerer Pilgerfahrt ſei- ner zu gedenken, ſagte er dankend: „Leute, die nach Jeru- ſalem reiſen, reden gewiß die Wahrheit." So nahm die Converſation ihren Lauf ohne ins Stocken zu gerathen. Frankreichs erwähnten wir abſichtlich nicht, weil wir nicht wußten, welche Gefühle es in ihm erregen würde. – Indeß hatten die ſchwarzen Diener in kleinen Taſſen ſehr guten Kaffee ſervirt, dem Emir zuletzt; bei dieſem Akte hielten ſie die linke Hand auf die Bruſt, und mit der rechten gaben und nahmen ſie die Taſſe. – Nach einer halbſtündigen unvergeßlichen Audienz bei dieſem räthſel- haften Manne des 19. Jahrhunderts, der ebenſo viel Prophetiſches als Fürſtliches an ſich hat, ſtanden wir auf, dankten und empfahlen ihn dem Schutze Gottes. 112 Freundlich nahm er die Worte entgegen, lud uns ein ihn nochmal zu beſuchen, erhob ſich mit uns, und ging bis in die Mitte des Saales, wo er einem Jeden ſeine ſchöne nervige Hand zum Abſchiede reichte. Wir verbeugten uns und gingen. Vollkommen befriedigt ritten wir nach Hauſe, und zählten einſtimmig dieſen Beſuch zu einem der inter- eſſanteſten Erlebniſſe auf der ganzen Reiſe, und Nie- manden reute es nach Bruſſa gegangen zu ſein. – Mir waren bei dieſem Beſuche nur zwei Dinge unangenehm: einmal, daß ich die grauen Brillen trug, auf welchen ich ſchlecht ſah, und dann, daß mir der ſtarke Tabak den Kopf einnahm, ſo daß ich das erſte Zeichen zum Aufbruch gab. Doch war Letzteres auch in anderer Beziehung rathſam, denn es war der Vorabend des türkiſchen Feſttages, nnd Abdel Kader iſt ſehr genau in Verrichtung ſeiner religiö- ſen Pflichten; ſo z. B. geht er täglich fünfmal zu Fuß in die nächſte Moſchee, um dort zu beten. – Es begreift ſich, welch' unwiderſtehlichen Einfluß dieſer Mann auf die Wüſtenſöhne ausüben mußte. Nun iſt er eine gefallene Größe, und Frankreich hält wegen ihm einen eigenen Conſul in Bruſſa, der jeden Schritt und Tritt des Emir überwachet. Wir kamen nicht mehr zur Wiederholung des Be- ſuches, aber Marinelli hatte den Muth nach etlichen Tagen den Sekretär um ein Autograph des Emir als Andenken an unſere Audienz zu erſuchen. Der Emir ſchrieb eigenhändig mit kräftigen arabiſchen Buchſtaben vier Zeilen folgenden Inhaltes: „Lob ſei Gott dem Ein- zigen. Die Urſache der gegenwärtigen Schrift iſt Euch zu grüſſen. Ihr habt uns beſucht, und nachdem wir Bekannt- ſchaft mitſammen gemacht, ſo fanden wir in Euch Männer der That und der Bildung. Wir lieben Thatkräftige und 113 Gebildete. Gruß Euch von Seite Abdel-Kadir's, welcher zum Leben erwecket die Religion. Im Monat Schewel des Jahres 1269." Tags darauf war türkiſcher Feiertag, nämlich Frei- tag. Vormittags beſuchten wir eine der vielen hier exiſti- renden Seidenſpinnereien; ſie gehört einem Europäer Namens Paulachi; in dem großen Gebäude befindet ſich eine Dampfmaſchine. Die blendend weiße Seide von Bruſſa iſt berühmt. Auch der Sultan hat hier eine neue großartige Seidenfabrik errichtet. In allen Fabriken wurde friſchweg gearbeitet, und zwar von lauter griechi- ſchen Mädchen, keinem türkiſchen. In der Fabrik, die wir beſuchten, waren bei 80 Mädchen von 8–25 Jahren, die die Seide auf kunſtvolle Weiſe abwanden. Die Mäd- chen ſangen und lachten, und genirten ſich nicht vor uns. Wie wir hörten, ſollen dieſe Fabriken Schulen der Un- ſittlichkeit ſein, was um ſo trauriger iſt, als unter den Türkinnen ein unſittlicher Lebenslauf zur Seltenheit gehört. – Auf der Sultansfabrik wehte ſowie auf dem hohen Kaſtelle die rothe Fahne. – In der Nähe der Fa- brik befand ſich unter einer Trauerweide eine Fontäne, deren Waſſer beſonders kühl und ſchmackhaft war; es ſoll die Wunderkraft haben vom Fieber zu heilen, weshalb es auch aqua santa (heiliges Waſſer) heißt; ein griechi- ſcher heiliger Johannes ſoll einſt an der Quelle gelebt haben. Ob ſich das Mittel allüberall erprobt, möchte ich bezweifeln, da es in Bruſſa viele Fieberkranke gibt; frei- lich eſſen die Leute das Obſt ganz unreif, was die vor- ſichtigeren hier wohnenden Europäer vermeiden, und daher vom Fieber befreit bleiben. Mir ſelbſt heilte die Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 8 114 Quelle eine Wunde, die ich mir in Folge eines Sturzes über die Hotelsſtiege verurſacht hatte. – Auf dem Rück- wege begegneten wir kleinen Derwiſchen, d. i. den Kindern der türkiſchen Mönche, welche durch einen himmelblauen Kaftan ſich auszeichnen. Auch den türkiſchen Friedhof, aus dem man uns vor etlichen Tagen verjagt hatte, paſ- ſirten wir dreiſt, denn wo Eſel und Pferde weiden, darf wohl auch ein ehrlicher Menſch ſich ſehen laſſen. Noch muß ich dir von der Beſteigung des myſiſchen Olymp erzählen, die ich meinen Collegen anrieth. Es war zu einladend dieſen alten Bergrieſen, der allein in weiter Umgebung ſein greiſes Haupt erhebt, zu beſteigen; zudem hatte ein heftiges Gewitter die Luft gemildert und gereinigt. Ich entwarf einen Plan, wie ich ihn nach der Erfahrung auf meinen vielen Gebirgsexpeditionen am entſprechendſten hielt; allein ich fand einen redſeligen Gegner an Freund Caſella, der überhaupt in allem gern den Ton angab, und daher auch den Spitznamen „Reiſe- marſchall" ſich erwarb. So z. B. ſetzte er durch, daß wir den Berg nicht zu Fuß, ſondern zu Pferd beſtiegen, und zwar nicht beim Tage, ſondern bei der Nacht. Vergeblich waren alle Gegenvorſtellungen, daß der Olymp kein Rigi ſei, daß es gefährlich ſei auf unbekannten Gebirgswegen bei nächtlichem Dunkel zu reiten 2c.; alles umſonſt. Mit exemplariſcher Subordination fügten wir uns dem Kom- mando des Reiſemarſchalls, der für Alles zu ſorgen ver- ſprach. Höre wie die Expedition ausfiel, die ich zeitlebens im Gedächtniß behalten werde. Um 9 Uhr Abends hätten die Pferde kommen ſollen, ſie erſchienen aber erſt um 10 Uhr. Bei ſpärlicher La- ternbeleuchtung wurde geſattelt und aufgepackt, endlich ſetzte ſich der Zug in Bewegung. Wir hatten zwei türki- ] 15 ſche Führer und ein Packpferd, alſo im Ganzen neun Pferde. Die Hunde machten einen entſetzlichen Spektakel, als wir durch die finſteren Straßen Bruſſa's ziehend ihre nächtliche Ruhe ſtörten. Gleich außer der Stadt ging es bergan auf ſteilen ſteinigen Wegen; manchmal waren es glatte Felſen, auf denen das arme Thier emporklimmen mußte. Marinelli meinte, daß ein europäiſches Pferd der- lei zu leiſten oder auszuhalten nicht im Stande wäre. Ich überließ mich ganz und gar der Kunſtfertigkeit meines Pferdes, das ſich ſtets knapp an ſeinen Vorgänger hielt, um ihn nicht aus dem Auge zu verlieren. Zum Glück leuch- tete der Mond, und ein Sternenmeer, – wie ich es nie glänzender ſah, ſchmückte den nächtlichen Himmel. Dreimal verirrten ſich unſere Führer, und zwar das letztemal bedenklich an einer felſigen Höhe in der Nähe eines Ab- grundes mitten im Dickicht. Das Pferd fand kaum Raum genug ſich umzudrehen. Da die Türken keinen Wein trin- ken, ſo konnte nur die im Terrain liegende Schwierigkeit unſere ergrauten Führer vom rechten Pfade abgelenkt haben. – Der unterſinkende Mond, die ſtille Mitternacht, und meine aufgeregte Phantaſie zauberten mir allerlei Geſtalten und Erſcheinungen vor, und es war mir als huſchten die olympiſchen Geiſter an mir vorüber. Wir ritten ununterbrochen bis 2 Uhr Nachts, wo wir im Walde Raſt machten. In der Nähe befanden ſich Heerden, deren Hunde uns mit echoweckendem Geheule empfingen. Es war empfindlich kalt, ſo daß die Glieder vor Kälte, Ermattung und Schlafloſigkeit zitterten. In der Nähe ſtand ein Wachholderſtrauch, deſſen Zweige zu einem Feuer benützt wurden, um welches herum wir lagerten. Obwohl nur ein harter Felſen mir als Kopfkiſſen diente, ſchlief ich doch in meinen Mantel gehüllt vortrefflich, 8 116 die Müdigkeit ſchloß die Augen. Doch ſchon nach einer Stunde wurde wieder Lärm gemacht und mit dem Wört- chen: heida (vorwärts) zum Aufbruch gerufen. Jetzt zeigte ſich erſt wie unpraktiſch die Expedition unternom- men worden war; es war keine Möglichkeit vorhan- den, den Sonnenaufgang auf dem Gipfel des Berges zu ſchauen, denn die Morgenröthe meldete ſich bereits am Firmamente, und wir hatten noch drei Stunden Weges vor uns. Eine Stunde konnten wir noch auf der Hoch- ebene im Trab reiten, einer hinter dem andern, doch dann hörte jede Möglichkeit zu reiten auf, und es hieß abſtei- gen, um den letzten Gipfel voll Felſen-Zickzack und Ge- rölle zu Fuß zu erklimmen. Hier hörte alle Vegetation auf, und nur ſpärliches Knieholz überdeckte den Boden. In vielen Klüften und Riſſen lag noch glänzender Schnee, der von hier in ganzen Schiffsladungen nach Conſtanti- nopel transportirt wird. Der Weg zog ſich ſehr in die Länge, und wenn man ſchon bald am Ziele zu ſein glaubte, ſo zeigte es ſich, daß man nur einen vorſprin- genden Abhang erklettert hatte. Endlich hatten wir die letzte Spitze 8000“ hoch erreicht, Mayr zuerſt, dann ich und Marinelli. Hubinger und Caſella waren bei den Pferden zurückgeblieben. Auf freier Bergeshöhe erweitert ſich das Herz und man vergißt alle Mühen und Beſchwerden; deſto entſchie- dener aber melden ſich Durſt und Hunger. Aber ach! es mangelte Alles, um die erſchöpften Kräfte zu ſtärken. Wir ſchmachteten auf dem Gipfel des Götterberges, und hatten doch einen vollgefüllten Flaſchenkeller und Pro- viant genug um ein eigenes Packpferd damit zu beladen mitgenommen! Doch ſiehe, es grünet die Hoffnung, denn der brave Criſtofero keucht da den Berg herauf beladen 117 mit dem Reiſeſacke Caſella's, den er uns nachgeſendet, und in welchem ſich Piſtolen, Perſpektive und etwas Proviant befanden. Aber haben ſich denn die Götter des Olymp gegen uns verſchworen? Der Sack iſt verſchloſ- ſen, und der Schlüſſel dazu ſteckt in der Taſche unſeres dicken für Alles (?) ſorgenden Reiſemarſchalls! – Da war es nicht zu wundern, daß uns das herrliche Pano- rama, das wir von dem Gipfel des Berges aus genoßen, nicht ſo befriedigte als wir erwarteten. Bei einem hun- gernden Magen hört alle Poeſie auf. – Gegen Kleinaſien zu dehnte ſich eine lange Gebirgskette ohne beſonders ſchöne Formen aus, und gegen Europa zu lag das blaue Becken des Marmarameeres, über das ſich ein leichter Dunſt gelagert hatte. Die Luft war rein, der Himmel wolkenleer, die Temperatur milde, ſo daß es ſehr ange- nehm geweſen wäre länger da oben zu raſten, aber der gebieteriſche Hunger trieb uns abwärts, wobei ich einige ſchöne Immortellen ſammelte. – Als wir zu den Pferden kamen, die an einer eiskalten Quelle ſich gelagert hatten, wurde unter freiem Himmel Collation gehalten (die An- dern ließen ſich's ſchon ſchmecken). Eier, Brod, Fleiſch, Käſe waren im Überfluß vorhanden, ſo daß auch unſere Führer und die in der Nähe befindlichen Hirten davon bekamen; dem köſtlichen Olympierwein wurde mit vielen – lauten und ſtillen Intentionen wacker zugeſprochen. – Nach einem mehrſtündigen Aufenthalt ritten wir volle vier Stunden unter den ſengenden Strahlen der Sonne auf halsbrecheriſchen Wegen bergab, ſo daß wir vier Uhr Nachmittags total erſchöpft in Bruſſa ankamen. Das war das Arrangement Caſella's! Um wie viel angenehmer und lohnender hätte dieſe Gebirgsexpedition werden kön- nen, wenn ſie vernünftiger veranſtaltet worden wäre! 118 Zum Glück wurde keiner krank, und die göttliche Vorſe- hung hatte jeden Unfall verhütet; nur einer hätte durch einen heftig zurückprallenden Aſt beinahe ſein Auge verlo- ren. – Ich ging ſogleich zu Bette, und ſchlief meinen Gram bis in den ſpäten Morgen aus. Heute iſt Sonntag. Auf der Terraſſe unſeres Hau- ſes, wo ich ſo viele angenehme Stunden zugebracht, ſchreibe ich Dir dieſe Zeilen unter einem weißen gegen die Sonnenſtrahlen ſchützenden Zelte, angeweht von balſami- ſchen Lüften. O könnteſt Du auf einige Stunden hier ver- weilen, um Dich an dem Anblicke zu weiden, an dem das Auge unmöglich ſatt werden kann! Meine Feder iſt zu ſchwach Alles ſo zu ſchildern, wie es wirklich iſt und wie mein eigen Herz es fühlet. Wäre dieſes Land chriſtlich, ſo beſuchte ich es gewiß wieder; ſo aber lebet wohl ihr Berge, ihr geliebten Triften! Der Abſchied fällt mir ordentlich ſchwer, zumal heute, wo die Natur ihr ſonntäg- liches Feierkleid angezogen. – Nur Eines entbehrten wir doch: eine katholiſche Kirche. Eine ſolche exiſtirtin Bruſſa nicht; erſt ſeit etlichen Monaten weilt hier ein katholi- ſcher Prieſter, welcher allſonntäglich in einem Privat- hauſe die heilige Meſſe lieſt. Da wir die nöthigen For- maten in Conſtantinopel zurückgelaſſen hatten, ſo mußten wir uns begnügen der ſtillen heiligen Meſſe beizuwoh- nen, welche der franzöſiſche Prieſter um 10 Uhr im Hauſe eines reichen Fabriksbeſitzers hielt. Es mochten etwa im Ganzen 20 Perſonen ſein, die daran mit An- dacht Theil nahmen, darunter 6 Frauen, meiſtentheils Franzoſen und Italiener. Man war ſehr artig gegen uns nnd brachte uns Stühle aus dem anſtoſſenden Zimmer. 119 Das Zimmer war entſprechend zu einer Nothkapelle her- gerichtet. Der Geiſtliche las andächtig, und ich folgte ihm mit inniger Geiſtesſammlung. Das Memento für meine Freunde brachte mich dieſen nahe, denn wie Fenelon ſagt: „Il n'y a entre ceux, dont Dieu est le centre com- mun." Dieſe Sonntagsmeſſe hatte ſo zu ſagen etwas Urchriſtliches. Nach der Meſſe wurde für den Prieſter geſammelt, auf dem Teller lag großes Silber, wir ließen uns nicht ſpotten. Darnach machten wir noch dem ruſſiſchen Konſul, der Proteſtant iſt, und in der Nähe ein geſchmackvolles Haus bewohnt, auf dem die ruſſiſche Flagge wehte, einen Beſuch. Mit ſchweizeriſchem Erfindungsgeiſte hatte er den terraſſenförmigen Hügel in einen Garten umgewan- delt, der gerade in voller Blüthe ſtand. Da waren lieblich duftende Blumenbeeten, da plätſcherte ein Springbrun- nen, da wölbten ſich die üppigen Geſträuche zu einladen- den Lauben, da war eine kühle Grotte, und auf dem be- ſchatteten Tiſche lag die Augsburger Allgemeine Zeitung. – Konſul Falkeiſen betreibt in Bruſſa ein großartiges Weingeſchäft, und da die Türken keinen Wein bauen, ſo hat er das Monopol. Sein Wein- Etabliſſement gränzt an's Fabelhafte, denn in dem theils von der Natur, theils durch Kunſt im Tufſtein gebildeten Felſenkeller liegen wenigſtens 10000 Eimer Olympier, der weit und breit verſendet wird. Der Konſul ließ die ungeheure Keller- grotte beleuchten, was an ein Bergwerk erinnerte. Wir koſteten drei Sorten, alle waren vortrefflich. Mayr und Caſella machten Beſtellungen auf etliche Eimer, die Falk- eiſen durch ſeinen Spediteur über Conſtantinopel nach Wien zu liefern verſprach. Um drei Uhr war Diner, weil wir die Rückreiſe 120 nach Conſtantinopel antreten ſollten. Die Abreiſe verzö- gerte ſich aber bis zum ſpäten Abend, weil Caſella einen Landsmann in Erfahrung gebracht hatte, den er beſu- chen wollte. Unſere Zeche in Bruſſa ohne Pferde betrug 1100 Piaſter. Ehe ich jedoch dieſen Brief ſchließe, drängt es mich, einem Bedenken entgegen zu treten, das vielleicht in Dei- ner Bruſt, lieber Freund, oder doch bei Andern, die dieſen Brief leſen, entſtehen mag. Es könnte nämlich Jemand fragen: Wie? ſind das Pilger, die derlei treiben? und ſind das Pilgerbriefe, die von weltlichen Dingen und Unterhal- tungen erzählen? Gemach, mein Lieber! – Ein Pilger gleicht einem Fluße, der durch viele Länder zieht, und im Vorüberziehen das Spiegelbild derſelben auf ſeinen Wellen trägt. So nimmt auch der Pilger in ſeine Seele auf, was während ſeiner Pilgerfahrt ſich ihm bietet. Ich bin über- zeugt, daß Du, der Du ſo vielen Sinn für alles Edle und Schöne haſt, mir hierin beiſtimmen wirſt. Zudem kann ich tröſtend beifügen, daß von nun an die Pilgerbriefe mehr und mehr ihrem Namen entſprechen werden, je näher wir dem Ziele unſerer Pilgerreiſe kommen. Bis jetzt ſind wir Alle geſund, wohl, guter Dinge und voll Vertrauen. Sage dieß Allen, die ſich für uns und unſere Reiſe inter- eſſiren, damit ſie ſich beruhigen mögen. Entſchuldige mein langes Schreiben; es grüßt Dich tauſendmal 2c. ––-HOH-– e N z i 121 VI. Zweiter Aufenthalt in Conſtantinopel. Nächtliche Abreiſe von Bruſſa nach Mudania. – Seebad. – Das engliſche Dampfboot Wright. – Noch drei Tage in Conſtantinopel. – Moſchee Mehmed, einſt die Lieblingskirche des heil. Chryſoſtomus. – Engliſche Grobheit. – Sclavenmarkt. – Palaſt Beliſar. – Hippo- drom. – Contraſte zwiſchen einſt und jetzt. – Ein türkiſches Wachsfi- gurenkabinet als Muſeum. – Straßenadvokaten. – Die hohe Pforte. – Die merkwürdigen Ciſternen. – Der Thurm von Galata. – Hiſto- riſch-politiſche Betrachtungen. – Die Stellung der Frauen. – Der phyſiſche und politiſche Verfall der Türkei. – Nutzloſigkeit aller Refor- men. – Einzige Rettung im Chriſtenthum. – Die Miſſion der barm- herzigen Schweſtern. – Schilderung der Orientalen. – Türkiſches Phlegma. – Sehnſucht nach Fortſetzung der Reiſe. – Hotelskoſten. – Eine Seeſchlacht der Engländer an der Table d'hote. – Ein beſoffener Gentleman. – Freiherr von Bruck. – Abſchied von Europa. Lieber Freund! Conſtantinopel, 20. Juli. Im letzten Brief ſchrieb ich Dir von der bevorſtehen- den Abreiſe aus Bruſſa. Mit der untergehenden Sonne verließen wir den paradieſiſchen Aufenthalt und ritten nach Mudania zurück. Dank der Inſtruktionen Marinelli's ſaß ich viel ſicherer und feſter zu Pferde, und konnte mit den Geübteren gleichen Schritt halten. Der Mond beleuchtete den Pfad und die Luft war rein und mild. Es begegneten uns wohl etliche Leute, und auf den Feldern erhoben ſich ſchlafende Hirten bei unſerer Annäherung, doch die Furcht vor Räubern war ſo geringe, und unſere Stimmung eine ſo gute, daß wir mit lauter Simme Lieder ſangen. Ein einziges Mal hielten wir eine kurze Raſt, und tranken auf einer Strohmatte kampirend Kaffee.–Bald nach Mit- 122 ternacht kamen wir an's Meeresgeſtade, und kurz darauf nach Mudania, wo wir die Ankunft des Dampfſchiffes, das von Gemlik kommen ſollte, abwarten mußten. In dem Wartlokale verſpürten wir aber ſo viel Flöhe, daß wir lieber ins Freie gingen. Hubinger und ich nahmen ein Seebad mit erquickendem Wellenſchlage, hüllten uns dann in den Mantel und ſchliefen in einem Schiffswrak, das am Ufer lag, etliche Stunden bis zur Ankunft des engliſchen Dampfbootes Wright, das uns an Bord nahm und glücklich nach Conſtantinopel zurückbrachte. Es hatte einen miſerablen Gang, denn es brauchte von halb 5 bis 12 Uhr Mittags, war ſchmutzig und vollgepfropft mit Waaren und Wollſäcken. Unter den 30 Paſſagieren befand ſich der gelehrte Autrent, Korreſpondent der Trie- ſterzeitung. Ich ſchlief auf den harten Dielen neben dem Steuerruder, und erwachte erſt im Angeſichte von Con- ſtantinopel. Zurückgekehrt von unſerem intereſſanten Ausflug nach Bruſſa brachten wir noch drei Tage in Conſtanti- nopel zu. Wir benützten dieſe Zeit, um die mancherlei Merkwürdigkeiten des alten Byzanz, die wir noch nicht geſehen hatten, kennen zu lernen. So gelang es uns z. B. die ehemalige prachtvolle Kirche der heil. Apoſtel zu betre- ten, wo ſo oft die Stimme des unerſchütterlichen Chry- ſoſtomus ertönte und einſt die Grüfte der morgenländi- ſchen Kaiſer waren; jetzt iſt ſie eine Moſchee (Mehmed), in welche ſie der Eroberer Conſtantinopels verwandelte. Einigen türkiſchen Weibern im Atrium der Moſchee ſchien unſere Nähe nicht genehm zu ſein, bis ſie unſer Drago- man mit der Verſicherung beruhigte, wir ſeien Engländer, die den Türken im jetzigen Kriege helfen. Freund Mari- nelli half ſich bei einer anderen Gelegenheit auf ähnliche 123 Weiſe aus der Patſche. In den engen Straßen Pera's ſtieß er nämlich mit ſeiner gewaltigen Schulter an einen gravitätiſchen Muſelmann, der ihn mit herausforderndem Blicke vom Kopf bis zum Fuße maß. Marinelli aber ſprach ruhig und voll Selbſtbewußtſein: „Inglese" d. h. ich bin ein Engländer, und die Sache war abgethan; beide gingen ihres Weges. Freilich liegt in dieſer natio- nalen Selbſthilfe das Privilegium der Grobheit. Unſer Weg führte uns auch an dem Sclaven- markt vorüber, der jetzt in Folge der Remonſtrationen der europäiſchen Geſandten in den inneren Hofraum des Hauſes verlegt worden iſt. Die Thür zu dieſem Hauſe ſtand offen, und wir ſahen eine ziemliche Anzahl ſchwar- zer Sclaven beiderlei Geſchlechtes auf dem Boden kauern – unglückliche Geſchöpfe! Der Sclavenhandel wurde in Conſtantinopel zwar ſchon im Jahre 1847 verboten, aber bis auf den heutigen Tag ignorirt und duldet man ihn. Nur der Handel mit weißen Sclaven wird etwas gehei- mer betrieben. Aus Georgien wird dieſe Waare noch immer en gros importirt; der Preis eines Sclaven wech- ſelt von 1000–50000 Piaſter. Intereſſant war auch der Beſuch des Palaſtes Beliſar, eine großartige Ruine mit noch größeren Er- innerungen. Ich kletterte waghälſig darauf herum, und nahm mir eine Felſenpflanze als Andenken mit. In den zerfallenen Gemächern wohnen jüdiſche Familien, die mit ekelhafter Zudringlichkeit für die geſtattete Beſichtigung der Ruine Bakſchiſch forderten. In dieſem Judenviertel ſah ich wahrhaft klaſſiſche Schönheiten: blendend weißen Geſichtsteint und edle geiſtreiche Züge. Ein türkiſcher Bube, der uns verfluchte und mit Steinen warf, wurde von einem alten Türken mit etlichen Ohrfeigen zur Ord- 124 nung verwieſen. In der Nähe iſt der Pfeilplatz, ein mit vielen Steinen beſpikter Hügel. In dem eigentlichen Conſtantinopel beſuchten wir auch noch den Hippodrom d. i. den einſtigen Rennplatz, den Kaiſer Severus anlegte, wo die feſtlichen Spiele ſtattfanden, und die zahlloſen Aufſtände der orientaliſchen Siebenhügelſtadt ihren Anfang nahmen. Die Stelle, wo früher die ſilberne Statue der dünkelhaften Kaiſerin Eu- doxia ſtand, und den Platz, wo der ränkeſüchtige Gottes- leugner Arius ſeinen grauenhaften Tod fand, – wer kann ſie ſchauen, ohne die Welt- und Kirchengeſchichte mit ihren praktiſchen Anwendungen für das tägliche Le- ben tief ergriffen zu rekapituliren? Hier ſtanden einſt die geprieſenſten Kunſtwerke des griechiſchen und römiſchen Alterthums z. B. das Viergeſpann der Siegesgöttin, das jetzt die Markuskirche zu Venedig ziert. Gegenwärtig be- decket Schmutz und Staub den unebenen Boden, und Pferde und Eſel weiden unter dem Schatten vereinzelt ſtehender Platanen. Der Platz war einſt viermal ſo groß, und mit prachtvollen Paläſten umgeben; jetzt verunſtal- ten ihn elende baufällige Häuſer. Hier wurden die be- rühmten „Circenses" gehalten, gegen welche Chryſoſto- mus ſo eiferte. Zwei verſtümmelte Monumente, eine Säule und ein Obelisk, ſtehen noch auf dem Platze. Trau- riger Contraſt zwiſchen Einſt und Jetzt! – In der Nähe des Platzes befindet ſich das türkiſche Muſeum, das wir gegen drei Piaſter Entrée beſichtigten. In einem hohen Saale waren über hundert Wachsfiguren in Le- bensgröße aufgeſtellt, alle in den früher üblichen Koſtü- men gekleidet; es waren darunter Hofchargen und Mili- tärwürden, vom Großweſſier bis zum kaiſerlichen Waſ- ſerträger, Eunuchen, Derwiſche, Janitſcharen, Pagen, 125 Frauen 2c. Die Figuren waren ohne Ausnahme trefflich gearbeitet mit den entſprechenden Phyſiognomien. – Beim Herumſchlendern im Türkenviertel fielen mir auch die öffentlichen Schreiber auf, welche an den Ecken der Straßen unter freiem Himmel ihre Kanzlei hatten und auf dem Schooße ſchrieben. – Die hohe Pforte iſt das eigentliche Regierungsgebäude, worin das Miniſterium des Äußern ſich befindet, ein großes langes Haus mit einer herrlichen Fronte und ſieben Pforten, aber alles ſehr verliederlicht. Der Eintritt wurde uns nicht ge- ſtattet. Noch eine Sehenswürdigkeit Conſtantinopels ließen wir nicht unbeachtet, nämlich die Ciſternen, d. i. ein unterirdiſcher Palaſt mit 1000 Säulen und darüber. Sie wurden zum Behufe der Waſſerleitung gebaut, gegen- wärtig dienen ſie zu einer Seidenſpinnerei. Die Säulen ſind etwa 20“ hoch und ſtehen vielleicht zur Hälfte im Schutte. Auf Leitern ſteigt man in die unheimlichen dum- pfen Gewölbe hinab, wo man prächtig verſchwinden könnte, ohne daß jemand etwas merkte. Mich erinnerte das Ganze an den Roman von Booz: Niklas Nikelby. Die an vielen Stellen noch erhaltene Waſſerleitung ließ Kaiſer Valens aus den Steinen der geſchleiften Stadt Chalcedon errichten. Um einen Totaleindruck von der Stadt Conſtanti- nopel zu erhalten, beſtiegen wir den von den Genueſern erbauten Thurm von Galata, ein maſſives rundes Gebäude mit 29 dicken Mauern, auf dem ſich die Feuer- wache mit Spießen und Speeren befindet. Die Ausſicht oben iſt ungemein lohnend, denn ganz Conſtantinopel mit der Bosporusſtrömung und dem pittoresken Goldhorn, an deſſen beiderſeitigem Ufer ſich die vielfarbigen in zahl- 126 reichen Winkeln gebrochenen Holzhäuſer terraſſenförmig übereinander erheben, liegen unmittelbar zu Füſſen. Ich ſtarrte mit hiſtoriſchen Träumen in das unvergleichliche Panorama hinein. Welche Poeſie und Geſchichte verſam- melt ſich auf dieſer Gränzmarke zweier Welttheile! Wie ein rieſenhaftes Geſchichtsbuch lag die byzantiniſche Sie- benhügelſtadt vor mir, welcher der erſte chriſtliche Kaiſer ſeinen Namen gab. Ich ließ meine Augen über die alten Feſtungsmauern hinausgleiten zu dem ſogenannten Ka- nonenthor, einſt Thor des heil. Romanus genannt, bei welchem 1453 der letzte der Paläologen als chriſtlicher Held fiel, und mit ihm das oſtrömiſche Kaiſerreich. In ſeiner jetzigen zaubervollen Melancholie kam mir Con- ſtantinopel wie ein ungeheurer Leichenhof untergegange- ner Völker vor, und ich ſah die Feinde, welche die Stadt 24 mal belagerten und beſtürmten, die Griechen und Römer, die Perſer und Avaren, die Araber und Bulga- ren, die Lateiner und Osmanen! Seitdem das Kreuz daſelbſt geſtürzt worden iſt, iſt dieſer Boden das blutge- tränkte Feld wilder Gräuelthaten geworden, und aller Naturreiz, welcher Conſtantinopel auch jetzt noch umgibt, vermag die Gebeine der gemordeten Vorwelt nicht zu verdecken. Die in das neunzehnte Jahrhundert herein- ragende aſiatiſche Barbarei (für das chriſtliche Europa ſchon lange eine Schande) kann nicht länger beſtehen. Die ohnehin nur durch die Eiferſucht der übrigen Mächte noch lebende Leiche des türkiſchen Reiches iſt dem Abſter- ben nahe; der letzte Muezzim mag ihr das Grablied ſin- gen, damit die ewig jungfräuliche Macht der Kirche ſich entfalten möge, und das ſeit 400 Jahren verſchollene Te Deum wieder erklinge. Was der fanatiſche Haß des Propheten zerriſſen hat, möge die chriſtliche Charitas 127 wieder vereinigen! – Als ich ſo in dieſe mehr düſteren als erfreulichen Betrachtungen vertieft war, erklang ein Glöcklein, – in Conſtantinopel eine große Seltenheit. Der ſanfte Klang kam aus dem Kloſter der barmherzigen Schweſtern, welche in Galata ein Spital und ein großes Erziehungsinſtitut beſitzen. Die frommen Frauen ſpazier- ten mit den Schulkindern in dem Kloſtergarten; – ein friedlich tröſtender Anblick! Mir fielen dabei die Worte des berühmten „Lanzknecht" ein, der ſagte: Vor einer barm- herzigen Schweſter ſoll man „Gewehr heraus" rufen. Dieſe Frauen haben noch eine große Miſſion im Orient, und werden unſtreitig die Türken eher reformiren als alle türkiſchen Reformen. Dieß bringt mich auf die Stellung der Frauen und die Reformtürken zu ſprechen. Die Frauen haben in der Türkei eine ſehr niedrige Stellung und Bildung. Es gibt in der Türkei weder ein geordnetes Familien- noch ein wahrhaft öffentliches Leben, und daran iſt eben das Haremsleben und die Vielweiberei Schuld. Der Orientale kennt nicht das Wort Familie in unſerer Be- deutung, er hat wohl Haus und Hof, Weib und Kind, aber nach letzteren zu fragen iſt ſchon eine Beleidigung. Damit fällt aber auch alles geſellige Leben, aller Einfluß, den die Frauen in ſo zarter Weiſe auf die öffentliche Sitte üben, hinweg. Im Orient gibt es keine Frauen, nur Weiber, und trotz oder vielleicht gerade wegen der Vielweiberei graſſiren dort jene Laſter, die vorzugsweiſe orientaliſche genannt werden. Der phyſiſche Verfall einer Nation iſt aber zugleich auch der politiſche. Um der verſinkenden Türkei aufzuhelfen hat man es mit Reformen verſucht, aber alle Reformen ſind für die Türkei ein fremdartiges Weſen, eingeimpft einem 128 durch und durch krankhaften Organismus. Reformen ret- ten die Türkei nicht von ihrem Untergange, denn ein moderniſirter Türke iſt zehnmal ſchlechter als ein Alt- türke, indem er die Gebrechen einer überfeinerten Civili- ſation, mit der Europa geſegnet iſt, und die Laſter des Orients vereinigt. So ein Alttürke hat doch noch einige ererbte Tugenden, die ihn ehrwürdig machen; er iſt ſtolz auf ſeinen Glauben, er hat ein unendliches Vertrauen auf Gottes Vorſehung, und aus einem jeden echten Türken- geſichte ſtrahlen die Worte: „Allah ſorgt für uns"; er enthält ſich vom Genuſſe berauſchender Getränke, er iſt gutmüthig, genügſam und ehrlich. Hingegen ein Reform- türke bläht ſich in ſeinem geſchwollenen Rationalismus, wetteifert mit den Europäern im Genuße geiſtiger Ge- tränke, übt vielleicht weniger Gewaltacte als ein Alt- türke, aber deſto mehr Betrügereien. Das ſind die Re- formfortſchritte in der Türkei. Nein, aller – wenn auch noch ſo ſchillernde Humanitätsfirniß kann die inneren Schäden eines Landes nicht ausrotten, höchſtens über- tünchen. Rettung für den Orient iſt nur in der Rückkehr zum Chriſtenthume, eine ſolche aber iſt nicht denkbar ohne Änderung der Stellung der Frauen, ohne Regeneration des Familienlebens. Nur in der ſacramentalen Ehe iſt die Würde des Weibes gewahrt, und die Erziehung der Kinder geſichert. Der größte Schatz einer Nation liegt in der Keuſchheit der Mütter, welche ihren Kindern Reli- gion und Tugend mit der Muttermilch mittheilen. Der Islam hat die orientaliſchen Nationen auf Irrwege ge- leitet, und nur der gute Hirt, welcher der Weg, die Wahr- heit und das Leben iſt, kann ſie wieder auf den rechten Pfad zurückbringen. 129 Obwohl alſo in Coſtantinopel ein eigentliches geſel- liges Leben fehlt, ſo herrſcht doch in den Straßen ſtets zu jeder Stunde des Tages ein buntes Gemenge von allen möglichen Phyſiognomien und Coſtümen. An dieſem Zuſammenſtoß zweier Welttheile und Meere finden ſich alle Nationen zuſammen. Ich ſchweige von den Euro- päern und ſchildere Dir nur kurz die Orientalen. – Der Osmane trägt eine bunte Damaſtjacke, darüber einen Leibgürtel und einen einfärbigen mit Pelz ausgeſchlage- nen Kaftan, den glattraſirten Schädel bedecket er mit dem rothen Fes, um welchen ein ſchmutziges grünes Tuch gewickelt iſt; die faltigen Beinkleider ſtecken in rothen unförmlichen Schuhen und Überſchuhen; die Geſtalt iſt muskulös, die Farbe dunkel. – Die Alttürken ſind bleich und wohlbeleibt, ſie rauchen auf den Säbelbeinen kauernd mit unbeweglichem Geſichte von Früh bis Abend, ein langer Bart iſt ihr Stolz, und ein wurſtähnlich ge- wundenes Stück Muſſelin bildet als majeſtätiſcher Tur- ban ihren Kopfputz. Die Tracht iſt in der Regel koſtbar, aber eben darum wird ſie ſelten gewechſelt und ſtrotzt oft vom Schmutze. Eine Mode gibt es in der Türkei nicht.– Die Armenier mit der charakteriſtiſchen ſtark geboge- nen Naſe tragen einen dunkelblauen Kaftan, eine knappe Jacke von braunem Filztuch, und enge bis an die Kniee reichende Beinkleider. – Die Bulgaren ſind an ihren zottigen kleinen Schafpelzmützen kennbar. – Die Alba- nier (Arnauten) mit liſtigen feurigen Augen und hoher ſchlanker Geſtalt, tragen einen ſchneeweißen vielfaltigen Rock, Gamaſchen mit reichen Stickereien, Weſte und Jacke mit fliegenden Ärmeln. – Die Griechen mit edlem Geſichtsſchnitt tragen blaue Sackhoſen, prunkende Jacken, den unvermeidlichen rothen Fes und ein kurzes Wams, Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 9 130 über deſſen Kragen das weiße Hemd zierlich gelegt iſt. – Die Perſer ſind nicht zu verkennen am rothen Bart; ebenſo wenig die Tſcherkeſſen an den gelben langen Beinkleidern, dem blauen enggegürteten Rock und der hohen mit langzottigem Schafspelz beſetzten Mütze. – Außer dieſen Nationen wogt es in Conſtantinopel noch von Kurden, Serben, Zigeunern und Juden, und unter den Schwarzen von Berbern, Abyſſiniern, Äthiopiern und Negern. Und doch herrſcht, wie geſagt, bei all dieſer Man- nigfaltigkeit und Lebendigkeit kein eigentliches Leben, und das macht Conſtantinopel unheimiſch und ungemüthlich. Selbſt in den zahlreich beſuchtgn Kaffeehäuſern läßt ſich der Türke nicht aus ſeiner phégmatiſchen Ruhe bringen. Als wir einſt in einem Kaffeehauſe mitten unter Türken ſaßen und eben Feuerlärm entſtand, blieben dieſe regungs- los auf ihrem Divan liegen und ſpektakelten den Tabak- rauch aus den langſchläuchigen Nargilehs. Allah iſt groß! Die drei Tage unſeres zweiten Aufenthaltes ver- floßen ſchnell. Übrigens ſind wir froh, daß wir von Con- ſtantinopel fortkommen, wo uns das Mißgeſchick im wah- ren Sinne des Wortes hatte ſitzen laſſen. Wenn man ein ſo weites Ziel vor Augen hat, wie es bei uns der Fall iſt, ſo wird der zu lange Aufenthalt auf einer Zwi- ſchenſtation faſt unleidlich. Du wirſt mir darum gerne glauben, lieber Freund, daß ich die Stunde der Abreiſe erſehnte. Die unfreiwillige Verzögerung von eilf Tagen hat nicht nur Zeit, ſondern auch Geld gekoſtet (einem Jeden über 126 fl. C. M.). – Auch fanden wir uns im Hotel nicht mehr ſo heimiſch, wie beim erſten Aufenthalt. Während unſerer Abweſenheit in Bruſſa hatte ſich darin eine bedeutende Anzahl engliſcher Marineoffiziere und Kadeten einquartiert, die ſich mit einer impertinenten 1Z1 Ungenirtheit benahmen. Bei der Table d'hôte gehörte ihnen das Wort und der Speiſevorrath faſt allein. Einer der älteren Offiziere gab den Ton an, die jüngeren be- wunderten ihn. Beſonders ſetzten die Söhne Albions dem edlen Rebenſaft gewaltig zu, und wenn er in den Adern kochte, dann ertönten Toaſte mit erſchütterndem Gebrülle. Es bekümmerte ſie gar nicht, daß noch andere Gäſte an derſelben Tafel ſaßen und in demſelben Hotel wohnten; ich hörte ihr Lärmmachen bis nach Mitternacht in mein Zimmer hinauf. Nach Ausſage des Wirthes leerten ſie an einem Abend 25 Champagnerbouteillen. Roole Bri- tania! – Doch die Palme unter Allen verdiente ein, wenn ich nicht irre, penſionirter oder quiescirter Schiffskapi- tän. Er hatte die ganze Welt durchſegelt und lallte etwas franzöſiſch. Seine Reden bei Tiſch waren ein beſtändiges Fluchen, und die Dienerſchaft commandirte er mit der Reitpeitſche; ſeine ohnehin vom Weine glühenden Wan- gen beſtrich er ſich mit Kirſchenſaft, und als er ſo beſof- fen war, daß er nicht mehr gehen konnte, mußte man ihn ins Zimmer tragen. Und das iſt ein Gentleman! Ich bemerkte jedoch, daß auch die Engländer mit dieſem Lands- manne nicht viel zu thun haben wollten, denn als er zu ſpät zur Tafel kam, machte ihm niemand Platz. Da lobe ich mir die Franzoſen, die wenigſtens äußerlich ſtets ho- nett und ſolid bleiben. Vor unſerer Abreiſe machten wir noch dem öſter- reichiſchen Internuntius Freiherrn von Bruck unſere Aufwartung. Er ſprach mit jedem Einzelnen freundliche Worte und lud uns ein ihn in Bujukdere auf ſeiner Villa zu beſuchen, wozu uns leider die Zeit mangelte. Er er- kundigte ſich um unſeren Reiſeplan, und ſchrieb motu proprio in unſerer Gegenwart einen Empfehlungsbrief 9- 132 an alle Kapitäne und Agenten der öſterreichiſchen Lloyd- geſellſchaft, der uns nützen dürfte, denn die Stellung die- ſes geiſtreichen und gewandten Staatsmannes iſt bei den verwickelten Verhältniſſen der Gegenwart eine ſehr ange- ſehene. – Der öſterreichiſche Conſul empfahl uns beim Abſchiede noch beſonders den Libanon. Die Billeten im Bureau des Lloyd ſind bis Caifa, alſo bis zum Beginn des heiligen Landes gelöſt. Der erſte Platz koſtete 99 fl. 20 kr., der zweite 69 fl. 20 kr. in Silber. Da ſehr wenig Paſſagiere ſich einfanden, ſo wählten Marinelli und ich den zweiten Platz. Mit Olym- pierwein tranken wir noch ein Lebewohl dem ſcheidenden Europa, denn um halb drei Uhr Nachmittags begeben wir uns an Bord des Lloyddampfers „Italia", der uns dem Pilgerziele näher bringt. So Gott will, ſchreibe ich Dir bald. Mit Liebe Dein 2c. –-->Gº-GSO»e 2– 133 VII. Von Conſtantinopel nach Imyrna. Der Lloyddampfer „Italia.“ – Ein romantiſches Abenteuer vor der Abfahrt von Conſtantinopel. – Das Leben auf dem Schiffe. – Ein unvorſichtiger Sohn Iſraels. – Fahrt durch die Dardanellenſtraße. – Ein Negerkoloß. – Der Archipelagus. – Klaſſiſche Erinnerungen. – Die engliſch-franzöſiſche Kriegsflotte in der Beſchikabai. – Inſel Tenedos. – Engliſche und franzöſiſche Marineoffiziere. – Mytilene.– Eine Kiendl'ſche Cither. – Nächtliche Ankunft in Smyrna. – Oeſter- reichiſche Militärmuſik. – Das Frankenviertel. – Inundatio came- lorum. – Die Burg Maſtuſia. – Unſicherheit der Gegend. – Das Grab des heil. Polykarp. – Die ſich aufopfernden soeurs de la cha- ritè. – Wienerdeutſch. – Uebler Leumund der Emigrirten. – Der Coſtaſkandal im Club British. – Unheimliche Galgenphyſiognomien. Am Bord des Lloyddampfers „Italia" 23. Juli 1853. Lieber Freund! Dieſe Zeilen ſchreibe ich Dir am Bord des öſter- reichiſchen Lloyddampfers „Italia", Kapitän Pullich. Das Schiff iſt ſolid gebaut, 60 Schritt lang, hat 2 Maſtbäume und 260 Pferdekraft. Der Nutzen des Empfehlungsſchrei- bens des Internuntius zeigte ſich gleich anfangs, indem der Kapitän uns ſelbſt antrug, den erſten Platz nach Be- lieben zu gebrauchen. Auch die andern zwei Kapitäne waren liebe und höfliche Leute, junge Dalmatiner, gute öſterreichiſche Patrioten. Die Camarieri ſind flinke Ita- liener, der Koch und Maſchiniſt Deutſche. Auf dem zwei- ten Platze ſind Marinelli, ich und noch zwei Herren die einzigen Paſſagiere, die Verdecksperſonen abgerechnet. Einer der Kapitäne war früher Militär, und kennt viele Offiziere vom Regiment Heß. Sein Sprichwort iſt 134 „Öſterreich über alles“, und wir reden uns daher ſehr leicht mit einander. Doch ich will Dir die ganze bisherige Fahrt ſchildern und zwar ſo detaillirt als thunlich, weil Du es ſo wünſcheſt. Unſere Abfahrt aus dem Hafen von Conſtantinopel geſchah um 5 Uhr Abends den 21. Juli. Ein romanti- ſches Intermezzo verzögerte etwas die Abfahrt. Höre! Unter andern Paſſagieren kam auch eine junge wirklich ſchöne türkiſche Dame mit einem anderthalbjährigen Kinde Namens Jusdeth in Begleitung zweier Diener an Bord der „Italia“, um nach Beirut zu fahren, wo angeblich ihr Mann als Major ſich befand. Die Liebe drängte ſie ihrem Manne nachzureiſen, wovon aber ihr Vater gar nichts hören wollte. Unter dem Vorwande einer Spazier- fahrt nach Scutari, entkam ſie der väterlichen Aufſicht und begab ſich direct an Bord unſeres Schiffes, von dem ſie wußte, daß es in die Levante fährt. Der alte Türke, der Verdacht ſchöpfen mochte, ging ihr nach, und kam wüthend herangefahren. Nun entſtand eine förmliche Theaterſzene, ein wahrer Spectakel. Der Alte polterte, bat, ſchmollte, fluchte, und ſuchte die Entfliehende zurück- zubehalten. Sie aber wußte die weiblichen Waffen aus- gezeichnet zu gebrauchen, um ihren Vater zu beſänftigen; ſie zerfloß in Thränen, küßte ſeine Hände, umarmte ihn, fiel ihm zu Füßen 2c. Ich weiß nicht, wie lange dieſer Wettkampf gedauert haben würde, wenn nicht der Kapi- tän dem Alten mit Ernſt bedeutet hätte, daß das Schiff ſogleich abſegeln werde, und er ſomit entweder mitreiſen oder umkehren müſſe. So endigte alſo das Intermezzo: der Alte ging und die junge Dame blieb. Einige wollten bezweifeln, ob der Major in Beirut der einzige Magnet ſei, aber warum ſollte man das nicht glauben dürfen? 135 Es muß doch auch von den Türken gelten, daß die Liebe ſtark wie der Tod iſt. Wir bogen um die Serailsecke und ſagten dem Goldhorn und Bosporusparadieſe Lebewohl. Lange noch ſchwebte die alte Kaiſerſtadt mit dem vervehmten Schloß der ſieben Thürme auf den ſich kräuſelnden Wogen des Marmarameeres vor uns, bis ſie mit der einbrechenden Dämmerung den Augen entſchwand. Der Schornſtein ſprühte Feuer und ein günſtiger Wind blies die aufge- ſpannten Segel, ſo daß wir ſchnell vorwärts kamen. Die Türken verrichteten mit vielem Bodenküſſen und Hand- ausbreiten ihr Nachtgebet, manchmal laut dabei ſingend. Mir war wohl und ich verſuchte zu erproben, ob gut eſſen und viel ſchlafen das beſte Gegenmittel gegen die See- krankheit ſei. Es iſt ein eigenthümliches Gefühl, wenn man ſein Leben auf eilf Tage einem Bretterhauſe anvertraut, das kühn und ſchwach über die Wogen gleitet. Indeß der Deutſche gewöhnt endlich Alles, und ſo wurden wir bald auf dem fremdartigen Elemente in der uns angewieſenen Behauſung heimiſch. Anfangs beengt wohl Beſorgniß die Bruſt des Binnenländlers, wenn das Schiff bei den im- merwährenden Schwankungen kracht und knattert, und die Magennerven haben allerdings eine harte Probe zu beſtehen, an der ſie erſtarken oder erlahmen. Ich kroch in die mir angewieſene Schlafſtelle Nr. 49, und ſchlief trotz alledem gut. Mit Sonnenaufgang näherten wir uns Gali- poli, das am Eingange der Dardanellen am europäi- ſchen Ufer liegt. Ein altes zertrümmertes Felſenſchloß lehnt maleriſch an dem geſträuchloſen Hügel, und die zwiſchen Weinhecken verborgenen Häuſer gleichen Holz- 136 ſchuppen. Wir hielten nicht lange an. – Bei Ausſchiffung der Paſſagiere wäre bald ein Unglück geſchehen. Ein unvorſichtiger Sohn Iſraels verfehlte die Treppe, fiel ins Meer und zappelte etliche Minuten darin, den Geld- beutel krampfhaft in der Hand emporhaltend. Zwei Bar- ken hatten zu thun, um ihn zu retten, was auch glücklich geſchah. – Als wir aus der ſchönen Bucht fuhren, wurde eine Kanone gelöſt, als Signal, daß wir in die Dardanellen (Hellespont, Propontis) einlenkten. Die Dardanellenſtraße hat einige Ähnlichkeit mit dem Bospo- rus, nur ſind die Ufer nicht ſo pittoresk. Rechts und links erheben ſich Berge, und Du kannſt Dir denken, mit welcher Aufmerkſamkeit ich mich jenem klaſſiſchen Lande zuwen- dete, wo jeder Stein und jeder Hügel eine Erinnerung, und wo die Heimath der geprieſenſten Heroen der Kunſt und Wiſſenſchaft iſt. Hier ſchlug Xerxes die Brücke über den Hellespont, und ſetzte mit ſeinem Heere nach Aſien; hier iſt die eigentliche Stelle, die Hero und Leander für die Poeſie unvergeßlich machten (Lord Byron durch- ſchwamm ſie in einer Stunde und zehn Minuten); hier beklagte Orpheus ſeine Euridice; hier ſtand das alte Troja, deſſen Fall der Heldenpoet Homer beſang. – Das Meer iſt ſehr eingeengt, beſonders dort, wo die Dar- danellenſtraße in das ägäiſche Meer ausmündet. Eine Menge Forts und aufgeworfene Verſchanzungen, denen man jedoch trotz aller Reparatur den Verfall anſieht, ſtehen ſtolz an den Ufern; den Schluß bilden zwei größere burgartige Feſtungen, die ſogenannten Dardanellen- ſchlöſſer, welche mit Fug und Recht die Hellespontpo- lizei heißen, weil ſie die Ein- und Ausfahrt eines jeden Schiffes überwachen und beherrſchen. – In Anatoli d. h. am aſiatiſchen Ufer hielten wir an, um Paſſagiere - 137 aufzunehmen, meiſt Türken und Juden, die Tag und Nacht auf dem Verdecke zubringen, auf ihren Teppichen kauernd und rauchend. Der zuführende Bootsmann war ein rieſiger Neger, an dem das Fett ſchlotterte; ich ſah noch nie ein ähnliches Menſchenexemplar; ſeine Stimme war die eines Bären, ſein Auge das eines Adlers; die zwei Ruder, welche er handhabte, krachten bei einer jeden Bewegung. Alle ſchienen ſich vor ſeinem Commando zu fürchten. Als Nebengeſchäft betrieb er den Verkauf grüner Krüge mit Goldverzierung in antiker Form. Nach kurzem Aufenthalt ſteuerten wir in das ägäi- ſche Meer (Archipelagus) hinein, der in der alten Ge- ſchichte ſo berühmt geworden iſt. Eine Inſel erſchien nach der andern, es war eine luſtige Fahrt, wie auf einem majeſtätiſchen Strome voll Abwechslungen (nach der Landkarte kann man ſich gar keine Vorſtellung davon machen). Zuerſt erſchien Lemnos, rechts der Berg Athos, links der Berg Ida, beide aus den zahlreichen Hügeln hervorragend und ſchön geformt. Bei Burgas in der Beſchickabai lag die große engliſch-franzöſiſche Kriegsflotte, welche den Türken gegen die Ruſſen zu Hilfe kam, ruhig vor Anker. Die vielen Maſten mit den ver- ſchiedenen Landesfarben boten einen impoſanten Anblick; es mochten bei 50 Schiffe ſein, darunter vielleicht 20 Fre- gatten und Linienſchiffe, deren Kanonen wie aus einer Waſſerburg zu uns herüberglotzten. Welche wird noch ihre Beſtimmung ſein? Die zehn engliſchen Marineoffi- ziere, welche von Conſtantinopel aus mit uns fuhren, ſchifften hier aus. Nett und reinlich gekleidete engliſche Matroſen holten ſie in einer Barke ab, hißten ein Segel auf, und fluggs ruderten ſie fort. Glück zur Reiſe! 138 Um 10 Uhr kamen wir vor Tenedos an; ein ärm- liches Dorf mit einer Art Feſtung in kahler Gegend. Deſto ſchöner ſoll das Innere der Inſel ſein, auf welcher einer der beſten Weine wächſt. Auf jeder Haltſtation fuhr zuerſt der dritte Kapitän (Schiffslieutenant) an's Land, um die ſogenannte "Pratica" zu erhalten und zu geben, d. h. zu bezeugen, daß kein Peſtkranker (?) an Bord des Schiffes ſei. Es ſtiegen mehrere Paſſagiere ein, unter andern ein junger franzöſiſcher Marineofſizier des „Ju- piter" mit ſeinem achtjährigen Knaben, der gleichfalls marinemäßig gekleidet war. Mit dieſem artigen und gebil- deten Manne unterhielt ich mich durch längere Zeit ſehr angenehm. Nun entfernten wir uns immer mehr von dem europäiſchen Feſtlande und ſchifften links, die Inſel My- tilene im Auge behaltend. Sie muß ſehr groß ſein, denn eine langgeſtreckte unabſehbare Gebirgskette zog ſich dem Meere entlang; am Ufer bemerkte man Weinpflanzungen; ſonſt aber ſoll der fruchtbare Boden verwahrloſt und ſo ſchlecht bebaut ſein, daß er nicht einmal genug Getreide für die Eingebornen erzeugt; die letzten Kriege zwiſchen der Türkei und Griechenland mögen wohl auch viel dazu beigetragen haben. Einſt hieß die Inſel Lesbos und wetteiferte mit Athen – auch im Leichtſinne, daher das Sprichwort entſtand: er lebt wie ein Lesbier. Sie iſt der Geburtsort der Dichterin Sapho und Theophraſts. Auch der Apoſtel Paulus landete auf dieſer Inſel (Apoſtelgeſch. 20, 14). – Die Stadt, bei der wir 4 Uhr Nachmittags hielten, liegt in einer Bucht in die man zwiſchen zwei Leucht- thürmen gelangt. Am Lande ſtehen freundliche Conſulats- und Landhäuſer; das Caſtell iſt groß, zackig und terraſ- ſenförmig. Leute boten friſches Obſt zum Verkauf an. 139 Nachdem das Schiff wieder im Gange war, ſpeiſten wir zu Mittag. Die beiden Schiffskapitäne, welche uns dabei Geſellſchaft leiſteten, behandelten uns mit großer Achtung und Aufmerkſamkeit, und nennen uns ſtets Don Antonio und Don Ernesto. Die Hitze wurde ſtärker, man merkt es, daß wir ſüdlich ſteuern. Als ich nach Tiſch die Collegen des erſten Platzes beſuchte, entdeckte ich in der Kajüte ein Etui mit einer Either von Kiendl aus Wien. Das zarte Inſtrument ge- hörte einem öſterreichiſchen Conſulatsbeamten v. Scholz, der als Kanzler nach Beirut verſetzt wurde. Du kannſt Dir, lieber Freund, meine Freude denken. Sogleich bat ich den jungen gefälligen Beamten etwas zu ſpielen, und lernte von ihm zwei Stückchen, die ich „Pilgerſehn- ſucht“ und „Pilgerheimweh" nannte, weil ſie dieſe Gefühle trefflich in Muſik ausſprachen. Mir thaute bei den ge- müthlichen Klängen dieſes heimiſchen Inſtrumentes das Herz auf, und als der junge Schiffslieutenant noch eine Quittare zur Begleitung brachte, da verſchwanden die Abendſtunden ſo ſchnell und angenehm, daß wir es gar nicht merkten, daß wir ſchon lange in der Bucht von Smyrna fuhren. Um halb eilf Uhr Nachts fielen die Anker. Die Berge des weiten Golfs ſchimmerten im Mondenſcheine und am Ufer leuchteten unzählige Lichter. Ich empfahl mich bei dem franzöſiſchen Marineoffizier, der hier ans Land ſtieg, und begab mich zur Ruhe. Als ich heute Morgens erwachte, hörte ich die be- kannten Klänge einer Militärmuſik. Ich eilte aufs Ver- deck, und ſiehe da, nicht weit von uns lagen im Hafen drei öſterreichiſche Kriegsſchiffe, die Brigg „Huſſar" nnd die zwei Fregatten „Novara" und „Bellona." Die wohl- bekannten weißen Uniformen waren eben zur Morgen- 140 revue ausgerückt, wozu die Muſik ſpielte. Wie mich das anheimelte, kann ich dir gar nicht ſagen. Im Hinter- grunde lag amphitheatraliſch die Blume der Levante, die berühmte Hafenſtadt Smyrna. Da unſer Dampfſchiff bis 4 Uhr Nachmittags hier verweilte, ſo beſchloſſen wir einen Ausflug ans Land zu machen. In Begleitung eines Dragoman, der bis an unſer Schiff gekommen war um ſeine Dienſte anzutragen, – ein Erzſpitzbube – fuhren wir in einer Barke an's Ufer. Zuerſt beſuchten wir das Frankenviertel. Hier tra- fen wir prächtige ſeit dem letzten Brande von Stein neu gebaute Häuſer, an denen ein wahrer Luxus von Mar- mor und Moſaik beſonders in den Vorhallen der Erdge- ſchoße ſich bemerkbar machte. Aus den Fenſtern ſchauten hie und da ſchöne weibliche Geſichter mit großen Augen, ſchwarzen Haaren, weißem Teint und edlen Zügen. In den Straßen begegneten uns die erſten Kameele, große Laſten im ſchweren Tritte einherſchleppend. Bei der ſoge- nannten Karawanenbrücke ſahen wir ſie zu Hunderten, meiſtens je ſieben zuſammengehängt, ſo daß eines hinter dem andern ging, das letzte hatte eine Glocke, voran ritt der Führer auf einem Eſel (minundatio camelorum." Isaias 60, 6). - Ich hatte eine große Sehnſucht die alte Burg Ma- ſtufia, welche die Stadt beherrſcht, und deren ſchon Pli- nius erwähnt, zu beſteigen, und vermochte die Collegen mir zu folgen. Weil aber unſere Zeit kurz und die Hitze groß war, ſo mietheten wir an einer Ecke Maulthiere und ritten auf ihnen bergan. Oben ſtehen noch die alten Ringmauern und Thürme; in Mitte der zerfallenen Mauern befindet ſich eine Moſchee; aus einer waſſerlee- ren Ziſterne wachſen Feigenbäume, und die Reſte einer 141 römiſchen Waſſerleitung ſind nicht zu verkennen. Das Panorama über die zu Füßen liegende Stadt und den belebten Hafen iſt entzückend. Man ſah auch tief ins Land hinein gegen Epheſus, wo der Apoſtel Johannes mit der Mutter Jeſu lebte, aber ein Dunſtkreis lag auf der jetzt ſo öden Gegend und hemmte die Fernſicht. Die Berge und Hügel ſtanden alle kahl wie glatt geſchorene Türkenköpfe. – Erſt ſpäter erfuhren wir, daß die Beſtei- gung dieſes Berges keineswegs gefahrlos ſei, und kürzlich der Sohn eines reichen Kaufmannes von Smyrna hier gefangen, gebunden, weggeführt und erſt gegen baare Er- legung eines bedeutenden Löſegeldes freigelaſſen wurde. Uns geſchah jedoch nichts, obwohl wir eine Stunde auf den weitläufigen Schloßruinen herumſpazierten. – Wir ritten ohne allen Argwohn auf unſern Eſeln noch dazu auf Umwegen bergab, um das Grab des heiligen Polycarp zu beſuchen. Es liegt einſam auf einem kleinen Bergvor- ſprung, von türkiſchen Gräbern umringt, und von einer Cypreſſe beſchattet. Die Türken ehren das Grabmal dieſes heil. Kirchenvaters, der hier, faſt hundert Jahre alt, den Martyrertod durch Flamme und Schwert ſtarb. Ob die erſten Chriſten von Smyrna nicht etwa auf dieſer Stelle den „dies natalis" des heil. Biſchofes durch Gebet und Opfer feierten? Gewiß iſt, daß in dieſer Stadt die Chri- ſten nie ausſtarben, und gegenwärtig die katholiſchen Franken eine ſo bedeutende Anzahl ausmachen, daß ein Biſchof hier ſtationirt iſt. – Die Geiſtlichen gehen hier in ihrer Ordenskleidung, und die barmherzigen Schweſtern (soeurs de la charité) genießen gleich große Achtung von Chriſten, Juden und Türken. Wer ſollte ſich aber auch wundern darüber, der da weiß, mit welcher Aufopfe- rung dieſe zarten Frauen hier zur Zeit der Cholera thätig 142 waren, ohne darauf zu achten, welchem Kultus die Kran- ken angehörten; wer es ſieht, mit welch' unverſiegbarer Wohlthätigkeit ſie tagtäglich Kranke pflegen, Arzneimittel ſpenden, Waiſenkinder erziehen und unterrichten! Nur die große Unterſtützung von Seite des franzöſiſchen (Lyoner) Vereines zur Verbreitung des Glaubens macht die Aus- übung ſolch edler Handlungen im Großen möglich. Wir beſuchten das Penſionat der frommen Frauen und über- zeugten uns von der Ordnung und chriſtlichen Liebe, die ſich dort allenthalben kund gab, und ließen einen Du- katen als Almoſen zurück. Y Auf dem Bazar kaufte ich mir eine leichte Som- merkleidung von grauer Farbe. Wie ſtaunte ich, als ich neben mir zwei halbgewachſene Mädchen echtes Wiener- deutſch reden hörte! es waren die Töchter eines hier angeſiedelten Flüchtlings, deren es in Smyrna überhaupt viele geben ſoll. Sie beſitzen aber nicht den beſten Leu- mund. Schon auf dem Dampfſchiffe hatte man uns aller- lei Stücklein von ihnen erzählt; was wir aber in Smyrna hörten, überbot alles Frühere. Als wir nämlich in einem Kaffeehauſe am Hafen (Club British) Limonade mit Eis nahmen, hörten wir von der ſkandalöſen Coſtaaffaire, deren Kunde inzwiſchen gewiß auch zu Euch gedrungen ſein wird. Ein öſterreichiſches Kriegsſchiff hatte den un- gariſchen Flüchtling Coſta an Bord genommen, für den ſich der Kapitän eines amerikaniſchen Schiffes und der amerikaniſche Conſul zu Smyrna intereſſirten. Beide verlangten, daß Coſta freigegeben werde, widrigenfalls das öſterreichiſche Kriegsſchiff, an deſſen Flanke ſich jenes aufſtellte, zuſammengeſchoſſen werden würde. Der öſter- reichiſche Generalconſul v. Weckbecker, deſſen Frau und Kind man vor ſeinen Augen umzubringen drohte, ent- 143 ſchied, um Übleres zu verhüten, für die Freilaſſung des Flüchtlings. Damit war aber die Sache noch nicht abge- than. Der Haß der Emigranten gegen Öſterreich war ſo groß, daß ſie gegen zwei Marineſoldaten, die im „Club British" im Freien ſaßen, meuchlings einen Angriff wag- ten, und den Schiffskadeten Baron Hackelberg ermorde- ten. Wir ſaßen vielleicht an derſelben Stelle, wo der junge hoffnungsvolle Mann am 23. Juni den Todesſtoß erhielt, an dem er im Meere, in das er ſich rettend ſprang, verblutete. Nun fielen uns auch erſt die unheim- lichen Galgenphyſiognomien auf, die wir hier herum- ſchleichen ſahen, und wir begriffen, warum es unter dieſen Verhältnißen keinem öſterreichiſchen Matroſen ge- ſtattet iſt, ans Land zu gehen. Das ſind die Früchte der Freiheit! Wir machten, daß wir fortkamen, und ſchifften uns um 4 Uhr Nachmittags wieder an Bord der „Italia" ein, wo wir die Bekanntſchaft des öſterreichiſchen Kanz- lers Baron Walcher machten, an den ich Empfehlungs- ſchreiben hatte. Du ſiehſt, mein Lieber, es fehlt unſerer Pilgerreiſe nicht an Romantik, auch nicht an allerlei Ge- fahren. Doch der bisher geholfen hat, wird auch weiter helfen; dieß hoffen wir mit Zuverſicht. Gedenke in Freundſchaft und Liebe Deines 2c. 144 VIII. Von Imyrna nach Beirut. Die erſten Anfälle der Seekrankheit. – Ein Dichter aus Deſpera- tion. – Schiffsgottesdienſt. – Inſel-Labyrinthe.– Hiſtoriſche Erinne- rungen. – Die Inſel Rhodus. – Die Ritterſtraße. – Wehmüthige Eindrücke. – Maltheſer. – Durch volle vierzig Stunden zwiſchen Waſſer und Himmel. – Philoſophiſche Debatten und linguiſtiſche Stu- dien. – Beobachtungen auf dem Schiffe. – Ein Kohlenbrand glücklich gelöſcht. – Nutzloſes Inſektenpulver. – Tharſus und Merſina. – Ein ausſätziger Santo. – Ein fataler Umweg. – Das Fieberneſt Aleſ- ſandretta. – Einfluß der Lloydſchifffahrt auf die Landeskultur in der Levante. – Ein franzöſiſches Kriegsſchiff. – Ausflug nach Caſtell Gottfried von Bouillon. – Vorübergehender Schreck. – Das Schiff der Wüſte. – Ein Mord. – Waldbrand und Citherſpiel. – Latakia. – Ein junges Ehepaar. – Franziskanerconvent. – Arabiſche Schule. – Hundshaie. – Die Inſel Cypern einſt und jetzt. – Beſuche zu Larnaca. – Die von den Türken verehrte heil. Lucia. – Cyprerwein und Kellerwirthſchaft. – Anblick des Libanon. – Ankunft in Beirut. Am Bord der „Italia", 31. Juli. Lieber Freund! Als wir am 23. Juli Abends den Golf von Smyrna verließen, begann für mich eine qualvolle Zeit. Ein hef- tiger Wind wühlte die Wogen auf und verſetzte das Schiff in ein beſtändiges Schwanken, dergeſtalt, daß ich von der fatalen Seekrankheit befallen wurde. Das iſt eine trübſelige Geſchichte, wenn man mit geſchloſſenen Augen ſo daliegen muß, damit einem die ſchwindelnden Geiſter nicht den Kopf verdrehen, wenn man an nichts, auch nicht an dem Eſſen theilnehmen kann. Es war mir in dieſem Zuſtande der Verlaſſenheit nicht einmal recht, wenn mich jemand anredete, ſo zuwider waren mir alle 145 Menſchen und Dinge. Dieſe ſtille Deſperation machte mich – Du wirſt dich wundern – ſogar zum Dichter, denn ich komponirte folgendes Epigramm auf mich ſelber: »Warum ich zur See in ſo kränklicher Lage? Weil ich keinerlei Schwankung vertrage«. Meine Collegen waren, Marinelli abgerechnet, den es auch einmal erwiſchte, ganz wohl und ließen ſich Eſſen und Trinken gut ſchmecken. Wer der Seekrankheit nicht unterworfen iſt, für den iſt eine Meeresfahrt das ſchönſte Vergnügen. – Am erſten Morgen unſerer Fahrt – es war ein Sonntagsmorgen – veranſtaltete Hubinger einen Privatgottesdienſt in der leerſtehenden Damenka- jüte, welchem auch der Kapitän und der Konſulatskanzler beiwohnten. Ich hörte laut beten, wagte mich aber nicht in die Kajüte hinab, ſondern ſendete meine Sonntagsge- danken zum blauen Himmel empor. Die Fahrt war überaus intereſſant und bot reich- haltigen Stoff zu geſchichtlichen Erinnerungen. Links erſchien die Inſel Samos, das Vaterland des Pytha- goras. Beim letzten Aufſtand der Griechen gegen die Türken konnten ſich die Bewohner trotz aller Opfer und Anſtrengungen nicht frei machen, und die Töchter und Gattinen der Gefallenen wurden in die Sclaverei abge- führf. – Dasſelbe iſt von Chios zu ſagen. – Unter den ſporadiſchen Inſeln zog mich beſonders Pathmos an, wo der Apoſtel Johannes in der Verbannung die Apoka- lyps ſchrieb. – Auch Nicaria, durch den unglückſeli- gen Flug des jungen Icarus bekannt, grüßte ich, und die Inſel Coß als das Vaterland des Apelles und Hippo- krates. Die kleinen unbewohnten Inſeln bilden ein wahres Labyrinth, und man glaubt auf einem Fluße zu fahren; rechts und links erheben ſich die Ufer in zahlloſen Krüm- Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 10 146 mungen; auf den kahlen Bergen iſt kein Baum, kein Haus, kein Feld ſichtbar, nur hie und da klettert eine Ziegen- heerde, um das ſpärliche Futter zu ſuchen. Es koſtet viel Phantaſie, um die Poeſien der griechiſchen Klaſſiker an dieſen jetzt ſo verödeten Stätten zu begreifen. Alles hat ſich geändert, nur der Himmel wölbt ſich klar und rein wie ehedem über dieſe Inſelgruppen. So vergeht Alles auf der Welt, nur die Liebe bleibt, weil ſie vom Himmel ſtammt. - Um halb ſechs Uhr Abends kamen wir nach der Inſel Rhodus, deren Berge wir ſchon lange in Sicht hatten. Der alte Hafen iſt verſandet und von dem welt- berühmten Koloß, durch den einſt die Schiffe fuhren, iſt nichts mehr ſichtbar. Wir lenkten zwiſchen zwei ſteiner- nen Thürmen in den neuen Hafen ein, der weder groß noch tief iſt. Nun waren wir in dem Bollwerk der einſt ſo tapferen Kreuzritter. Großartige Feſtungswerke aus Quadern zeigten ſich dem Auge, hohe Mauern und Thürme, wie für die Ewigkeit gebaut. Natürlich lockte uns die Neugierde ans Ufer, und da wir im Hafen über- nachteten, ſo beſchloſſen wir noch vor Sonnenuntergang einen Gang in die Stadt zu machen. Der öſterreichiſche Conſul, der als Lloydagent zu unſerm Schiff herange- fahren kam, war ſo freundlich uns ſeinen Sohn als Füh- rer mitzugeben. Eintretend durch das Hafenthor ſahen wir zuerſt die öffentliche Richtſtätte, wo erſt vor etlichen Monaten zwei Türken, welche einen Chriſten getödtet hatten, ent- hauptet wurden. Dann gingen wir durch die Ritterſtraße (strada dei cavalieri), meiſtentheils Häuſer aus Stein im gothiſchen Geſchmacke mit den noch erhaltenen Wap- penſchilden ober dem Portale. Die ganz nette Straße, 147 in der einſt die Söhne der edelſten Familien Europas wohnten, ſteht jetzt ſozuſagen leer, weil die indolenten Türken darin nicht heimiſch werden können, und vergit- terte Holzbaraken den chriſtlichen Wappenhäuſern vor- ziehen. Es ergreift die Seele ein tiefes Weh bei dem An- blick dieſer Ruinen, auf welchen die Stille eines Kirchho- fes herrſcht! – Wir beſtiegen einen zerklüfteten Thurm, von dem man eine ſchöne Ausſicht auf die gange Stadt und das weite Meer genießt. Hier ſahen wir die erſten Palmen und die erſten flachen Dächer. Da lag ſie zu unſeren Füßen die edle Ritterſtadt – eine entblätterte zerknickte Roſe, ein Heldengrab auf offener See. Was den Eindruck noch wehmüthiger machte, waren die Spu- des letzten Erdbebens (1851), welches den einſtigen Palaſt des Großmeiſters zerklüftete und in Schutt ver- wandelte. – Wir gingen durch ein großes gothiſches Thor, bei welchem eine uralte Platane ſtand, und kamen in die Citadelle, wo ungeheure Kanonen mit detto ſtei- nernen Kugeln ſich befanden. Dann beſuchten wir die prachtvolle gothiſche Kirche des heil. Johannes, die jetzt als Moſchee benützt wird, und das einſt ſo großartige Hoſpital, das gegenwärtig als Getreidemagazin dient. Man athmet hier ordentlich den Geiſt des edlen Ritter- ordens, von dem unſer Schiller ebenſo wahr als poetiſch ſingt: „Religion des Kreuzes! nur du verknüpfeſt in Einem Kranze der Demuth und Kraft doppelte Palme zugleich.“ Ewig Schade, daß in der Drangperiode der Kirchenre- formation Niemand daran dachte, die letzten Kreuzritter im wahren Sinne des Wortes in ihren Kämpfen zu unter- ſtützen! Sie vertheidigten die Inſel nach dem Falle Jeru- ſalems bis zum Jahre 1520 gegen die Türken, wo ſie, nachdem ſie Wunder der Tapferkeit vollbracht und einen 10 * 148 viermaligen Sturmangriff zurückgeſchlagen hatten, ſich den Türken unter Zuſage ehrenvollen Abzuges ergaben. Im Jahre 1530 erhielten ſie die Inſel Malta. In unſerm Jahrhundert verloren ſie auch dieſen Beſitz, und gegen- wärtig iſt nichts als der Name „Maltheſer" und das Ordenskreuz als Ehrendekoration geblieben: der Geiſt des Ordens iſt erſtorben. Inzwiſchen brach der Abend heran, und es war höchſte Zeit die Stadt zu verlaſſen und zum Schiffe zu- rückzukehren, weil nach Sonnenuntergang die Stadtthore geſchloßen werden, und kein Chriſt darin wohnen darf. Die Türken, welche unter ſchattigen Bäumen und an murmelnden Springbrunnen in Elend und Faulheit ſaßen, gafften uns mit herausfordernden Mienen an, und gleich hinter uns ſchloß man die Thore. Nein, auf dieſem Boll- werk des Chriſtenthums können die Türken höchſtens Herr und Meiſter ſpielen, nicht bleiben. Der letzte Schim- mer der Abenddämmerung lag auf den nahen Thürmen des heil. Michael und Nikolaus, als wir glücklich wieder an Bord unſeres Schiffes zurückamen. Des andern Morgens, es war am 25. Juli, ver- ließen wir um 7 Uhr den Hafen von Rhodus, nachdem eine Kanone gelöſt worden war, und wir gewannen bei ſchönem Wetter bald die hohe See. Die jetzige Fahrt war die längſte, denn ſie dauerte ungeachtet des günſtigen Wetters volle 40 Stunden; es war zugleich die ruhigſte Fahrt, ſo daß man mit Appetit eſſen konnte ohne die läſtige Mahnung der Seekrankheit zu verſpüren; ja ich ſchmeichelte mir ſchon die letztere vollkommen überwun- den zu haben, aber das war, wie die Folge lehrte, eine gemüthliche Täuſchung. 149 So ein Tag zwiſchen Waſſer und Himmel auf ſchwankenden und krachenden Brettern ſchleppt ſich unge- mein langſam dahin. Wie lange dauert da eine Stunde, bei welcher ſtets der Steuermann mit der Glocke das Zeichen zur Ablöſung gibt. Wer geſund iſt, vertrieb ſich die Zeit mit Leſen und Briefſchreiben, oder converſirte und debattirte über irgend ein aufgeworfenes Thema. So z. B. forderte uns der zweite Kapitän, der heute den Philoſo- phen machte, zur Polemik heraus, indem er unter anderm behauptete, es müſſe zwei Eva gegeben haben, eine weiße und eine ſchwarze, denn woher kämen denn ſonſt die Ne- ger? Die Debatte wurde in italieniſcher Sprache geführt, und inſoferne wäre auf einer Seereiſe die beſte Gelegen- heit zu linguiſtiſchen Studien. – Eine franzöſiſche Mo- diſtin, welche mit großer Zungengewandtheit ihren Verluſt erzählte (es wurden ihr in Smyrna bei der Ausſchiffung alle Effekten geſtohlen), gab Anlaß zum franzöſiſch Par- liren. – Die meiſte Zeit aber iſt der Reiſende auf ſich ſelbſt verwieſen, und ſo ſtellte ich denn auch meine Be- trachtungen und Beobachtungen an, von denen ich Dir einige mittheile, weil der Überfluß an freier Zeit dieſe Plaudereien geſtattet. Da liegt ein kleines Negermädchen, traurig und unbeweglich, nur mit wenigen Lappen bedeckt, auf einer Matte; es ſcheint ſehr von Ungeziefer zu leiden. Armes Geſchöpf! – Dort ſteht ein junger armeniſcher Theologe, der nach dem Libanon reiſt, und in die Wellen hinaus die klangvollen Verſe der Äneide declamirt; welche Zukunft erwartet ihn? – Auch die kleine Jusdeth fing mich zu intereſſiren an; ich machte mit dem Kinde, das ein Diener öfter herumführte, Späſſe, ſo daß die Kleine mir zugethan ward, und hinter dem Vorhange gleichſam Verſtecken ſpielte, bis der vorſorgliche Diener die kokette 150 Spalte verhängte. – So verfloß der langweilige Tag, während welchem wir nur einem Segelſchiffe und dem Lloyddampfer „Stambul“ begegneten. Indeß wäre bald in die Einförmigkeit des Schiffle- bens eine tragiſche Abwechslung getreten, von der wir erſt ſpäter Kenntniß erhielten. Ich weiß nicht durch welche Veranlaſſung wurde am zweiten Tage unſerer Fahrt unſer bedeutender Kohlenvorrath glühend, ſo daß es durch mehrere Stunden aus allen Poren des Schiffes rauchte und Waſſerſchläuche hinabgeleitet wurden, um den Kohlenbrand zu löſchen, was denn auch glücklich geſchah. So iſt der Menſch oft unzufrieden, wenn ſein Leben ſo gleichmäßig und wie es den Anſchein hat einförmig dahin fließt, und doch iſt es vielleicht die größte Gnade der Vorſehung! Auf dem Meere iſt auch die einladendſte Gelegen- heit zu phyſikaliſchen Beobachtungen. So fiel mir z B. auf, wie ſchnell im Orient die Nacht einbricht, denn das Crepusculum (die Dämmerung) dauert kaum eine Vier- telſtunde, und endigt mit empfindlicher Kälte und Feuch- tigkeit. – Von Müdigkeit und Langweile überwältigt ſuchte ich in meiner "couchette“ (Liegeſtätte) Ruhe, aber vergeblich, denn es war ſo unerquicklich heiß in der Ka- bine, daß mir die Schweißtropfen fortwährend auf der Stirne ſtanden, und dann wimmelte es trotz Rennthier- haut und Inſektenpulver von blutſaugenden Unthieren. – Am 26. Juli um 10 Uhr Nachts landeten wir in Merſina. Merſina iſt ein armſeliges Dorf von etlichen zwan- zig Häuſern oder beſſer geſagt Hütten; aber es iſt der Hafenplatz von Tharſus, der Vaterſtadt des heiligen Pau- 151 lus, die nur etliche Stunden landeinwärts liegt, und eine wichtige Handelsſtadt ſein ſoll. – Die Langweile und Neu- gierde trieb uns am nächſten Morgen an's Land, wo je- doch gar nichts Sehenswerthes iſt. Die hie und da mit Bäumen bepflanzte Fläche dehnt ſich bis zu den nicht fer- nen Bergen aus, und ſcheint nach dem üppigen Geſtrüppe, das am Strande wuchert, zu urtheilen ſumpfig, zu ſein. Der Staub lag knietief und die Hitze war zum Ver- ſchmachten. In dem ſchmutzigen Bazar waren wohlfeile Trauben zu kaufen, aber ich rührte keine aus Ekel an; denn mitten unter den Waaren und Leuten lag ein halb- nackter mit Geſchwüren behafteter Mann. Wir begaben uns daher bald wieder auf das Dampfſchiff zurück, wo ich mich durch hiſtoriſche Erinnerungen zu zerſtreuen ſuchte; zwei Helden fanden nämlich in den nahen Flüſſen ihren Tod, Alexander der Große im Cydnus und Friedrich Barbaroſſa im Selef. Die Kreuzritter hatten bei Tharſus ihr Lager aufgeſchlagen. Um 9 Uhr Morgens verließen wir Merſina. Die nächſte Station wäre nun Cypern geweſen, aber um des Handels willen machte das Schiff einen Umweg, der drei Tage in Anſpruch nahm, nämlich über Aleſſandretta und Latakia. Für die Paſſagiere iſt das freilich eine harte Fol- ter, aber die Waaren wiegen im Geſchäfte ſchwerer als Perſonen. Der erſte Tag verging monoton und langweilig wie der geſtrige. Um 6 Uhr Abends kamen wir in dem ſchönen Hafen von Aleſſandretta an, wo wir die Nacht und den folgenden Tag vor Anker lagen. Wir verkürzten uns den Abend mit Citherſpiel, dem auch die romantiſche Dame aus Conſtantinopel ein aufmerkſames Ohr ſchenkte, und blieben bis zehn Uhr auf dem Verdecke. Die Nacht 152 war wunderſchön, die Sterne, beſonders die Milchſtraſſe funkelten in einer Klarheit, wie ich ſie in Europa nie ge- ſehen. Deßungeachtet waren unſere Gedanken ſehr in der lieben Heimat, wohin uns die gemüthlichen Klänge des zarten Inſtrumentes von der Küſte Aſiens aus verſetzten. Aleſſandretta hat eine äußerſt günſtige Lage, und war einſt ein Hauptſtapelplatz des oſtindiſchen Handels; ſeit den Kreuzzügen iſt es zu einem elenden Dorfe herab- geſunken. Der Platz iſt aber für den Handel in der Le- vante ſehr wichtig, denn hier mündet die Karawanen- ſtraſſe aus dem eine Tagreiſe entfernten Antiochien und dem noch ferneren Aleppo. Deßhalb läßt ſich auch der Lloyd den Umweg nicht gereuen, und durch die Dampfſchifffahrt ſcheint der Ort wieder emporblühen zu wollen, wenigſtens erheben ſich am Ufer bereits ſtattliche Gebäude. Am 28. Juli ſieben Uhr Morgens ſchifften wir mit- ſammen ans Land, um uns die Zeit zu vertreiben. Als wir uns den Ruinen eines alten Khans näherten, wo einſt zur Zeit des oſtindiſchen Handels die Waaren lagen, flogen Adler und Geier auf, und beſchrieben weite Kreiſe über unſeren Häuptern. Marinelli legte auf einen ſeinen Cara- biner an, der aber leider verſagte. Das Waarenmagazin, von dem nur noch ebenerdige Gewölbe und Keller zu ſe- hen ſind, war ungemein feſt gebaut; jetzt wird es zu Pfer- deſtällen benützt. Im Schatten einiger Oleander- und Dattelbäume campirte die Poſt von Aleppo d. h. ein Du- tzend Pferde, welche zum Poſtdienſt verwendet werden; die Poſtillons (sit venia verbo) waren eben damit be- ſchäftigt in heißer Aſche Brod zu backen, das aber mei- nem Gaumen nicht zuſagte. Einige grüßten freundlich mit 153 »büon giorno“ (guten Tag), und fühlten ſich geehrt, wenn ſie angeſprochen wurden. Wir ſahen unter den Ein- gebornen martialiſche Geſtalten mit ſonnenverbranntem Antlitz und maleriſch geflicktem Koſtüme; auch die Weiber ſind wahre Coloſſe mit derben Zügen, ſchönen Zähnen und ſchmutzigen Geſichtern; die Haare hingen ihnen in viele Zöpfe geflochten frei über den Rücken hinab; einige hatten die Spindel in der Hand, um zu ſpinnen. Alles athmet hier patriarchaliſche Einfachheit; bei einem kleinen Herde ſitzt die Familie um eine niedrige Schüſſel, und die Pferde und Eſel ſchauen über die Köpfe neugierig hinüber. Die aſiatiſche Vegetation iſt überall ſichtbar; Dattelbäume blühen neben Granatäpfeln, Pal- men und Feigenbäumen. Doch liegt der größte Theil des Landes brach, und die Leute leben lieber ärmlich von Gurken, Waſſermelonen, Obſt u. ſ. w., als daß ſie durch Bebauung des Bodens ſich ihre Exiſtenz verbeſſern und das Klima geſünder machen wollten. Vielleicht trägt der durch die Dampfſchifffahrt neu auflebende Handel etwas zur Landeskultur bei, und in dieſer Beziehung hat die Ge- ſellſchaft des öſterr. Lloyd große Verdienſte, wie ihm überhaupt, was Ordnung, Solidität, freundliche Behand- lung der Paſſagiere, Reinlichkeit der Koſt 2c. betrifft, alle Anerkennung gebührt. Nach etlichen Stunden fuhren wir auf unſer Schiff zurück, um zu eſſen und die grelle Mittagshitze zu vermei- den. Im Verlaufe des Nachmittags kam ein großes fran- zöſiſches Kriegsſchiff in den Hafen, wobei die übliche Be- grüßung mit Abſchießung etlicher Kanonen und Aufhi- ßung von Fahnen ſtattfand. – Gegen 5 Uhr Abends hatte der erſte Kapitän die Güte uns ſeine eigene Barke anzutragen, um damit nochmal an's Land zu fahren, und 154 einen Ausflug nach dem eine halbe Stunde entfernten Caſtell Gottfried von Bouillon zu machen. Wir nahmen den Antrag dankbar an, und begaben uns ohne Führer dahin, weil die Richtung nicht zu verfehlen war. Der Weg war aber ſo mit Schilf und ſtacheligem Reisſtroh verwachſen, daß man oft mit Gewalt ſich Bahn brechen mußte in beſtändiger Furcht vor verſteckten Schlangen, deren es hier viele gibt. Endlich kamen wir zu einem Thurm und zu dem aus feſten Quaderſteinen erbauten Caſtell, das eine bedeutende Ringmauer umfaßt; es ſchien für die Ewigkeit gebaut zu ſein, und doch war es zerſtört. Ich beſtieg den Thurm, um den prachtvollen Sonnenun- tergang zu ſehen, und nahm mir eine Granatblüthe als Andenken mit. – Als wir uns der einbrechenden Däm- merung wegen zum Rückwege anſchickten, bemerkten wir vier Reiter, die zu unſerer nicht geringen Verwunderung vom Wege ablenkten und auf uns zuſprengten. Weit und breit war Niemand, und wir hatten keine Waffen. Schon machte ich mich auf den Verluſt meiner Baarſchaft gefaßt. Als jedoch die Reiter näher kamen und wir ſie italieniſch begrüßten, ergab es ſich, daß es der franzöſiſche Conſul mit ſeinem Sohne und zwei Begleitern war. Freudig überraſcht wechſelten wir einige Worte, worauf die Rei- ter davon ſprengten und wir zu Fuß ihnen folgten. Als wir am Strande ankamen, wo der Kapitän bereits in Sorge unſer harrte, war es Nacht. Dort trafen wir auch eine raſtende Karawane von etwa hundert Kameelen, die von Aleppo gekommen waren. Ein franzöſiſcher Juwelenhändler, der mit der Karawane angelangt war und ſich auf den Lloyddampfer zur Weiter- reiſe begab, erzählte uns, daß ſie auf dem Wege ein er- mordetes Weib gefunden, das noch röchelte; da ſie ihr 155 Geld noch bei ſich hatte, ſo ſcheinen die Mörder abge- ſchreckt worden zu ſein. – Es war eine merkwürdige La- gerſzene, ein Bild der Ruhe und Thätigkeit, denn man war eben daran die Kameele von ihrer Laſt zu befreien und mit neuer zu beladen, weil die Karawane in derſel- ben Nacht wieder nach Aleppo zurückreiſen ſollte. Welch eine große Wohlthat ſind doch die Kameele für dieſen hei- ßen Himmelsſtrich! Dieſe guten Thiere laſſen eine unge- heure Laſt ſich aufladen, während ſie käuend auf dem Bo- den liegen, und erheben nur dann knurrend die Stimme, wenn man ihnen eine übermäßige Laſt aufbürdet, ja manche ſollen ſich eher todtſchlagen laſſen, als daß ſie mit der überbürdenden Laſt aufſtehen. Auch eine Lehre für den Menſchen! Aleſſandretta iſt wegen ſeiner ſumpfigen Lage ſehr ungeſund, und die Leute ſchlafen daher nie ebenerdig, ſon- dern auf erhöhten Matten, die auf vier freiſtehenden Pfählen ruhen, um reinere Luft zu genießen. Man roch ordentlich die Fiebermiasmen. Daher beeilten wir uns, um auf unſer Schiff zu kommen, von deſſen Verdeck aus wir noch das ſeltene Schauſpiel eines großen Waldbran- des genoßen, deſſen Flammen ſich im Meere ſpiegelten. Wir waren dagegen ſo fataliſtiſch gleichgiltig, daß wir in der Nähe des Feuers Cither ſpielten. So divergiren oft die materiellen Intereſſen der Menſchheit. Es mochte zehn Uhr Abends ſein, als wir aus dem Hafen von Aleſſandretta fuhren, Gott ſei Dank, ohne Fieberanwandlungen; im Gegentheile ſchlief ich die Nacht hindurch beſſer als ſeit lange her, wahrſcheinlich in Folge der gemachten Bewegung. 156 Des andern Morgens – 29. Juli – um 7 Uhr erreichten wir Ladakia, das alte Laodicea. Es liegt maleriſch auf einem grünen Vorgebirge, die Häuſer ſind in Gärten verſteckt. Beim Eingang des Hafens ſtehen ſtattliche Thürme, die im letzten Kriege (1841) in Ruinen verwandelt wurden, und deren Schutt den ſo prächtigen Hafen verſandete. Von einigen Schiffen wehte die türki- ſche Flagge, denn es war Freitag. – Da wir abermals den ganzen Tag über hier verweilten, ſo ſchifften wir nach eingenommener Collation an's Land. Durch antike Wöl- bungen und Bazars gingen wir in die neue Stadt, um den öſterreichiſchen Conſul zu beſuchen. Auf dem Wege dahin fiel uns die große Zahl der Blinden und Einäugi- gen auf. Die Landluft that wohl, – der Boden zeigte eine üppige Fruchtbarkeit. Weinreben ſchlangen ſich an hohen Bäumen hinauf und die Cactusfeigen mit ihren ſtacheligen Blättern bildeten ganze Gehege; letztere ſind ein Leckerbiſſen für die Kameele, an Menſchen aber, die ſich damit ſtechen, erzeugen ſie Geſchwüre; der Frucht konnte ich keinen Geſchmack abgewinnen. Das Haus des Conſul lag außer der Stadt auf einer Anhöhe. Man führte uns zuerſt in einen Empfangs- ſalon, dann auf einen Corridor, wo angenehme Kühle wehte. Der Conſul, ein junger Venetianer, empfing uns ſehr freundlich und bewirthete uns mit Café, Tſchipuk und wohlriechendem Waſſer. Seine Frau, faſt noch ein Mädchen, benahm ſich als Hausdame mit richtigem Tacte; ſie war in Paris erzogen worden, was jedoch nicht hinderte, daß ſie orientaliſch ſaß und rauchte. Hier ſah ich die erſten Stereoscopbilder. - Der Conſul trug ſich ſelbſt an, uns in Ladakia ein bischen herumzuführen. Zuerſt gingen wir in den Convent 157 der Franziskaner, wo wir drei Prieſter trafen, darunter den Quardian P. Pacifico aus Bologna. Die guten Pa- tres waren froh jemand aus Europa zu ſehen, und als ſie hörten daß wir Öſterreicher ſeien, zeigten ſie uns mit Freude den neuen ſchönen Ornat, den unſer Kaiſer ihnen geſchenkt hatte. In der Kirche that es uns wohl vor dem Allerheiligſten ein bischen verweilen zu können. Ähnlich mag die Wonne der Seele ſein, wenn ſie nach ſo vielen Prüfungen und Entbehrungen in dieſem Leben vor Got- tes Angeſicht erſcheinen wird! In der Nähe des Kloſters befindet ſich eine Schule für Knaben und Mädchen unter Aufſicht eines Lehrers und einer Lehrerin. Die liebe Jugend vollbrachte einen entſetz- lichen Lärm. Ein winziges Mädchen verſchleierte ſich als wir eintraten; ich ließ etliche Buben arabiſch leſen. Klo- ſter und Schule befinden ſich mitten unter anderen Häu- ſern; im Hausgarten wuchs das Unkraut in Hülle nnd Fülle, und an den Hecken ſah man die traurigen Spuren der Traubenkrankheit. Die Franziskaner ſchienen hier trotz des Fanatismus der Einwohner wohl gelitten zu ſein, wenigſtens gehen ſie in ihrer Kutte herum, unbehel- ligt von den Türken. Dann beſuchten wir den gut erhaltenen Triumph- bogen des Septimius Severus, der jetzt theilweiſe als Moſchee benützt wird. In der Nähe ſollen ſehr lohnende Ausgrabungen gemacht werden, allein wer kümmert ſich darum? – Weiters beſtiegen wir noch einen Hügel, auf welchem eine Moſchee lag, die ein vor 17 Jahren aus Mecca zurückgekehrter heiliger Hatſchi (Pilger) mit Auf- wand erbauen ließ. Die Fernſicht, welche man von hier aus über Stadt, Land und Meer genoß, war herrlich. 158 Nachdem wir von dem jungen Ehepaar dankbar Ab- ſchied genommen und ein Paket Blättertabak (auf Ladakia ſoll der beſte Tabak wachſen) gekauft hatten, kehrten wir an Bord zurück, und ſtärkten die von der Hitze ermatte- ten Glieder in einem Seebade, zu welchem Behufe uns der freundliche Kapitän den Räderkaſten aufſperren ließ, wo wir bequem in den coloſſalen Räderſpeichen ſitzend den ſanften Wellenſchlag genoßen; außerhalb wäre das Schwimmen wegen der vielen hier vorkommenden Hunds- haie (pesci cani), die auf Menſchen losgehen, unſicher geweſen. – Um 5 Uhr Abends verließen wir den Hafen und ſteuerten nach der Inſel Cypern. - Am nächſten Morgen Früh 7 Uhr warfen wir An- ker vor der Inſel Cypern. Einer der Erſten auf dem Verdecke, ſah ich ſchon lange die hohen Gebirge in blauer Ferne. Die einſt ſo fruchtbare Inſel ſoll jetzt nicht einmal ſeine wenigen Einwohner nähren; es könnten zwei Mil- lionen auf der großen Inſel leben, und es ſind kaum 200.000, die hier kümmerlich ein armſeliges Daſein fri- ſten. Das iſt der Fluch der Türkenwirthſchaft. Einſt war hier der Mittelpunkt des Handels, beſonders im Mittel- alter. – Richard Löwenherz, der Cypern 1191 erobert hatte, ſchenkte die Inſel einem Grafen Luſignan, und die Könige aus dieſer Familie waren noch lange nach der Zerſtörung Jeruſalems die Vertheidiger des Chriſten- thums gegen die Türken. Nach dem Ausſterben dieſer Fa- milie ſetzte ſich Venedig auf Cypern feſt (1473), bis es 1571 Sultan Soliman II. eroberte und das Land zur Wüſte machte. Seit jener Zeit hatte Cypern keine glückli- 159 chen Tage mehr. Im letzten griechiſchen Aufſtand (1822) wurden auf der Inſel 25.000 Griechen ermordet, deren Weiber verkauft und deren Kinder erſäufet. So deckt der Staub der Jahrhunderte die Gräber des Glückes und Unglücks. Und was war die Inſel Cypern erſt zu Zeiten der alten Griechen und Römer! Welche Poeſie mußte dieſes Eiland umſchlingen, da man an ſeinem Geſtade aus dem Schaume des Meeres die cypriſche Venus erſtehen ließ? Auf dem dieſer Göttin geweihten kleinen Olymp der Inſel ſtanden ihr geheiligte Tempel, welche die Lüſtlinge aller Welt nach Cypern lockten. Das chriſtliche Mittelal- ter baute an deren Stelle Klöſter, welche die Türken wie- der zerſtörten. Nur die kunſtvoll angelegten Gärten haben ſich aus den Mönchszeiten noch erhalten, und ſind gegen- wärtig der Lieblingsaufenthalt der Cröſuſſe von Cypern, obwohl zur Sommerszeit auch dieſer Aufenthalt durch Fieber, Schlangen und giftige Thiere, welche in den nahen Moräſten gedeihen, verleidet wird. So wenig kann die Natur der Kunſt entbehren, und ſo gewiß wird der Tem- pel der Wolluſt zur Verwüſtung. Bevor wir an's Land ſtiegen, nahmen wir in dem wunderbar klaren und blauen Waſſer ein Seebad, wobei wir weit vom Schiffe ſchwammen, weil es hier ganz ſicher war. Nach der Collation folgten wir der Einladung des Kapitäns ihn in ſeiner Barke ans Ufer zu begleiten. In ſeiner angenhmen Geſellſchaft machten wir drei Beſuche. Zuerſt gingen wir zu einem reichen hageſtolzen Antiquar- händler Namens Matthei, der uns in ſeinem prächtigen Hauſe mit Cafè und Cigarren regalirte, wogegen wir alte ausgegrabene Münzen ankauften; er machte gute Ge- ſchäfte. – Dänn begaben wir uns bei greller Mittags- 160 hitze in das etwas entfernte Franziskanerkloſter zu Lar- naca, (das alte Cythium, die jetzige Hauptſtadt Cyperns), wo wir einen biederen Tiroler aus Salurn P. Eduard Vonderſtraßen als Quardian fanden. Ein prächtiger Mann! Durch ſeine Bemühungen wurden Kirche und Kloſter neu gebaut, und zwar größtentheils mit öſterrei- chiſchen Sammelgeldern. Die Kirche iſt groß, reinlich und geſchmackvoll, hat ſchöne Gemälde, die Geſchenke von Kö- nigen oder reichen Conſuls ſind, das zierliche Speißgitter aus Gußeiſen ſpendete auf des Quardians Bitte die öſterreichiſche Lloydgeſellſchaft. – Auch die Türken beſu- chen öfters die Kirche, und verehren darin wegen der hier ſo häufigen Augenkrankheiten das Bild der heil. Lucia, wie dieß die vielen von ihnen hieher geopferten ſilbernen Votivaugen beweiſen; auch liefern ſie das Öl zur Lampe, die ſtets vor dem Bilde brennt. – Im Convente trafen wir ſechs Patres, größtentheils Italiener. Ein Glas Ab- ſynth, das man uns im Refectorium kredenzte, war eine wahre Wohlthat. – Der dritte Beſuch galt dem öſter- reichiſchen Conſul, einem alten lieben Herrn, der uns mit Veilchenwaſſer, Bisquit und köſtlichem Cyperwein bewirthete. Vor unſerer Rückkehr auf das Schiff wollten wir auch noch eine Weinkellerwirthſchaft in Augenſchein neh- men, weil unter den Pilgern ein Kaufluſtiger war. Man führte uns in einen der berühmteren Keller, der jedoch gegen die Keller in Öſterreich eine Hühnerſteige iſt. Wir verkoſteten verſchiedene Gattungen; der Beſitzer des Kellers war aber mit dem Koſten ſehr ſparſam, denn mit einem Duodezgläschen mußten. Alle genug haben. Am Bord unſeres Schiffes trafen wir ſechs neue franzöſiſche Paſſagiere auf dem erſten Platz, während wir 161 auf dem zweiten Platze die einzigen und alleinigen blieben. Um 5 Uhr Abends wurden die Anker gelichtet, und wir nahmen die öſtliche Richtung nach Beirut. Heute iſt der letzte Tag unſerer eilftägigen See- reiſe. Lieber Freund, freue Dich mit mir, wir nahen uns dem heiligen Lande. Schon lange hatten ſich meine Augen an dem langgeſtreckten Libanon geweidet, jener ungeheuren Gebirgskette, die theils kahl, theils grün, theils mit Dörfern beſäet iſt, oder wie die arabiſchen Dichter ſagen: „die den Winter auf dem Kopfe, den Frühling auf den Schultern, den Herbſt im Schooße trägt, während der Sommer nachläſſig zu den Füßen ſchlummert."– Die Stadt Beirut liegt zwiſchen grünen Gärten am Fuße des Libanon, auf einem anmuthigen Hügel. So eben am 31. Juli Morgens 6 Uhr landeten wir glücklich in dem Hafen. Nun heißt es vom Bord der „Italia" Abſchied nehmen, deſſen Kapitäne uns mit ſo zuvorkommender Freundlichkeit behandelten. Einer von ihnen ertheilte uns das Lob, daß er noch nie mit Paſſa- gieren gefahren wäre, die ſich ſo für Alles intereſſirten. Wir ſtanden aber auch mit allen Schiffsleuten auf gutem Fuße. Als wir in die Barke hinabſtiegen, um an's Land zu fahren, erſchienen Abſchied nehmend auch der deutſche Koch und Maſchiniſt, die Matroſen ſalutirten mit ihren Hüten, und der Camerière Pepi küßte uns die Hand mit der Bitte auch ſeiner in Jeruſalem zu gedenken. So hätten wir denn unter dem beſonderen Schutze der göttlichen Vorſehung einen großen Theil der beſchwer- lichen Reiſe glücklich zurückgelegt, und ſchon winkt uns der Anfang des bibliſchen Schauplatzes, der Berg Liba- Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 11 162 non, deſſen ſo oft in der heiligen Schrift erwähnt wird. Mit innigem Danke gegen Gott haben wir dieſe Freude ſchon öfter gegeneinander ausgeſprochen und dabei innig an unſere lieben Freunde in Europa gedacht, die durch ihr inniges Gebet uns den Schutz des Himmels erflehen und mit ihrem frommen Wünſchen gleichſam als Schutzengel auf der Pilgerreiſe uns begleiten. Wenn uns die göttliche Vorſehung wie bisher beſchützt und ſtärket, ſo ſehen wir uns glücklich wieder, und Du, lieber Freund, und Alle die Dir gleichen, habt Theil an den Freuden und Leiden unſerer Pilgerfahrt. Lebe wohl. Dein 2c. –c85382– IX. Aufenthalt in Beirut. – Das Ordensfeſt des heil. Ignaz Loyola. – Das Wirken der franzö. ſiſchen Jeſuiten. – Licht und Schatten im Kloſterleben. – Eine Katze als Luxusbraten. – Merkwürdige Lebensgeſchichte eines Jeſuitenpa- ters. – Erziehung der arabiſchen Jugend. – Tantalusqualen. – Ordenskorreſpondenz über die Volksmiſſionen in Deutſchland. – Ge- fährliche Morgenpromenade. – Der öſterreichiſche Generalconſul. – Hôtel Bellevue. – Die Herrlichkeit des Libanon. – Lamartine und Lady Stanhope. – Ein gemüthlicher Theeabend. – Portiunkulafeſt. – Der traurige Todesfall eines Pilgers. – Eine poetiſche Blume auf ſein Grab. – Memento mori. – Wie ſich die Pilger orientaliſiren. –Die enorme Hitze in Beirut. – Frauenmode. – Projekt einer Excur- ſion auf den Libanon. – Beirut 2. Auguſt. Lieber Freund! Der 31. Juli, an welchem wir in Beirut landeten, war ein Sonntag, zugleich das Feſt des heil. Ordens- ſtifters Ignaz Loyola. Dieſer Umſtand und ein Empfeh- 163 lungsſchreiben des geehrten Abbé Mislin an den hier befindlichen Jeſuitenconvent bewogen uns dieſen zuerſt aufzuſuchen, um wo möglich nach langer Entbehrung wieder das heilige Meßopfer zu feiern. Wir mußten durch viele enge Straſſen bergan ſteigen, kamen dann auf einen freien Platz außer der Stadt und endlich zum einſtöckigen Hauſe der Jeſuiten, neben dem ſich eine kleine Kirche befindet. Wir ſtellten uns dem P. Superior vor, der bereitwillig die Meßlicenz ertheilte. Du wirſt es mir glauben, wenn ich Dir einfach ſage, daß ich bei der heil. Meſſe ſehr ergriffen war. Welch lange Entbehrung! Wie alle Jeſuitenkirchen, ſo war auch dieſe des hohen Feſtes wegen reichlich geſchmückt, um durch die würdevolle Pracht des äußeren Gottesdienſtes die gläu- bige Freude am kirchlichen Leben anzuregen. Die Jüng- linge und Jungfrauen hielten eben ihre Standeskommu- nion, und es war rührend und erbaulich anzuſehen, wie dieſe edlen arabiſchen Geſtalten, etwa 50 an der Zahl – mit geſenktem Blicke und über die Bruſt gefalteten Hän- den vom Altare zurückkehrten. Die Jungfrauen empfingen die heil. Komunion bei einem eigenen Kommuniongitter, weil in der Kirche das weibliche Geſchlecht von dem männlichen ſtrenge getrennt iſt. Die Kinder ſangen ein arabiſches Lied in Begleitung einer Physharmonika. Nach der Meſſe hielt ein Pater vom Altare aus eine lebhafte Predigt in arabiſcher Sprache, die mit Aufmerkſamkeit an- zugehört wurde. Die Miniſtranten nahmen ſich allerliebſt aus; ſie trugen weiße Alben mit rothen Binden und ein weißes Käppchen, auch war ihr Benehmen am Altare muſterhaft. Nach beendigter Meſſe nahmen ſie in der Sakriſtei zutraulich die Hand des Prieſters, küßten ſie und drückten ſie an die Stirne. Die Kinder (das bemerkten 11 * 164 wir im erſten Augenblicke) hingen hier mit derſelben zu- traulichen Liebe an den Vätern der Geſellſchaft Jeſu, wie es die Geſchichte des Ordens noch allwärts erwieſen hat, wo es ihm gegönnt war Schulen zu gründen. Auf dieſen intelligenten Knaben ruht aller Wahrſcheinlichkeit nach eine große Zukunft, und dieſe iſt das Werk der Jeſuiten- erziehung. Die hieſigen Patres ſind zumeiſt Franzoſen. Es iſt ein charakteriſirender Zug dieſes Ordens, daß, als er in Folge der Julirevolution aus Frankreich vertrieben wurde, er unter Anderm einige ſeiner eifrigſten Söhne in den Orient ſchickte, um daſelbſt Miſſionen unter den zerſtreut lebenden chriſtlichen Arabern zu begründen. So nützten die Ordensglieder ſelbſt im Exile ihrem Va- terlande, denn wer den Libanon hat, dem gehört die Zu- kunft Syriens. Bereits jetzt ſprechen und ſingen faſt alle Kinder ſchon franzöſiſch. – Das Haus in Beirut wurde von dem berühmten P. Ryllo gegründet, der ſpäter mit Dr. Knoblecher in die Miſſion nach Centralafrika ging, wo er dem aufreibenden Klima erlegen. Hier in Syrien, einige Stunden von Beirut im Berge Libanon machten Beide ihre Vorſtudien. Nach dem Frühſtück im Refectorium trug uns Prie- ſtern der P. Superior die drei Gaſtzimmer des Conven- tes an, wenn wir mit deren ärmlichen Einrichtung vor- lieb nehmen wollten. Wir nahmen die Einladung an, was uns jedoch ſpäter reute. Denn abgeſehen davon, daß wir die Patres in ihrer Ordnung ſtörten, ſo waren ſie auch für Bedienung der Gäſte gar nicht eingerichtet, wir mußten uns z. B. ſelbſt das Zimmer aufräumen c, auch bei Tiſch herrſchte eine eclatante Armuth, ſo daß ich täglich durſtig davon aufſtand, weil es an dem nöthigen Waſſer 165 mangelte; überdieß waren wir auch das erſte Mal von unſern Collegen, die im Hotel wohnten, getrennt, was bei der großen Hitze und Entfernung viel Unangenehmes hatte, kurzes war eine Kreuzesſchule, wie ſich's für Pil- ger nach Jeruſalem geziemte. Indeß hatte das Wohnen im geiſtlichen Hauſe auch ſein Gutes. Wir konnten täglich die heil. Meſſe leſen, mit den Patres converſiren, das Sanctiſſimum, wie es in allen Jeſuitenhäuſern üblich iſt, vor und nach Tiſch beſu- chen, gemeinſchaftlich beten; auch ſagte mir die einfache Tagesordnung viel beſſer zu als das noble Diniren in ſpäter Abendſtunde. Es gab Momente, in welchen ich mich ſogar ſehr heimiſch fühlte, aber auch überzeugte, daß derjenige zu keinem Ordensmanne taugt, der nicht die Reſignation beſitzt ſeinen Eigenwillen ganz und gar zum Opfer zu bringen. Wie Du ſiehſt, mein Lieber, iſt keine Beſorgniß daß ich Jeſuit werde, denn ich lamentire bei der geringſten Beſchwerde. Um 12 Uhr ſpeiſten wir zu Mittag, und zwar wur- den des Ordensfeſtes wegen mehr Schüſſeln aufgetragen, von denen jedoch einige für mich ungenießbar waren. Als Luxusbraten kam eine gebratene Katze, an welcher die Patres wie an einem Leckerbiſſen nagten, ſo daß ich end- lich auch davon koſtete und den Geſchmack wirklich nicht ſo übel fand. Als Tiſchwein hatten wir feurigen Libanon- wein, mit dem ich mich gleichfalls nicht befreunden konnte. Mit ſchwarzem „Vino di Noe" brachten wir der Ge- ſellſchaft Jeſu einen Toaſt aus. Die Converſation wurde franzöſiſch geführt. Nach Tiſch war ein Schmauchſtünd- chen, und darauf Sieſta. Unter den fünf Patres gefiel mir beſonders der mit einem krummen Fuße. Er war früher ein berühmter 166 Advokat zu Paris und hatte das Unglück, daß ihm bei dem großen Eiſenbahnunfall zu Verſailles ein Fuß zer- ſchmettert wurde. Der Anblick ſo vieker rings um ihn herumliegenden Leichen erſchütterte ihn dergeſtalt, daß er die Welt verließ und Jeſuit wurde. Er war ſehr ernſt und ſprach in der Regel nur, wenn er angeſprochen wurde. Ein ganz Anderer aber war er in Mitte der Kna- ben, deren Geſangslehrer er zu ſein ſchien. Ich beobach- tete ihn oft, wie er die lebhaften Jungen mit ſeinem Blicke beherrſchte, und wie dieſe mit zutraulicher Liebe an ihm hingen. Wenn man die Biographie ſo manchen Ordensmannes wüßte, wie ſie im Buche des Lebens ge- ſchrieben iſt, die Welt würde gerechter urtheilen! – Ein anderer Pater war ein Bild männlicher Schönheit, und erwies ſich uns als beſonders freundlich und gefällig. Die Patres trugen ſich halb europäiſch halb türkiſch: Vollbart, rothen ſchwarzumwundenen Fes, ſchwarzen Kaftan und eine talarartige Tunika. Nachmittags 5 Uhr beteten die Kinder den Roſen- kranz in arabiſcher Sprache, worauf die Litanei und der heil. Segen folgte, welchen Collega Hubinger, vom Su- perior dazu eingeladen ertheilte. Darnach wurde in der Kirche von denſelben Kindern ein franzöſiſches Lied ge- ſungen. – Im Sprachſalon trafen wir zwei auf Beſuch gegenwärtige Kapuziner, die über die Schwierigkeiten eines Miſſionärs im Oriente klagten, weil die Confeſſio- nen und Nationen einander entgegenarbeiten. Um 7 Uhr Abends war Litanei, dann Souper, bei dem ich jedoch gar nichts genoß und von einem unſägli- chen Durſte geplagt wurde. Mit Tantalusqualen dachte ich nach Lackenhof am Fuße des Ötſchers, wo immerfort das köſtlichſte Waſſer in den Kelter fließt, aus dem die 167 Thiere trinken. Ach, was hätte ich damals für einen Trunk kalten Waſſers gegeben! Wahrlich, da lernt man das Wort der heil. Schrift verſtehen: „Wer Einem nur einen Becher kalten Waſſers zu trinken reicht, er wird ſeinen Lohn nicht verlieren" (Matth. 10,42). Nach der kurzen Anbetung des Allerheiligſten wurde in dem gemeinſchaftlichen Salon geplaudert und geraucht, bis die Sterne am Firmamente leuchteten. Der P. Su- perior las uns einen Brief aus Frankreich über die in Deutſchland abgehaltenen Jeſuitenmiſſionen vor, wo wir den Franzoſen die Namen ihrer deutſchen Mitbrüder z. B. Haßlacher, Klinkowſtröm, Pottgeißer 2c. ausſpre- chen lernten. Es freute uns in ſolcher Entfernung etwas vom deutſchen Vaterlande zu hören, und ich erzählte von der ſo gelungenen Volksmiſſion zu St. Pölten. Es iſt dieß eine vortrefflliche Einrichtung in der Geſellſchaft Jeſu, daß ſie zwei oder dreimal im Jahre ihren Brü- dern in andern Welttheilen referiren, wgs ſich in ihrem Orden Merkwürdiges zugetragen hat; das vereinigt und kräftigt. Es war ſchon ſpät, als wir zur Ruhe gingen, und ich freute mich im Vorhinein wieder einmal in einem feſtſtehenden Bette ſchlafen zu können; doch mußte ich mir den Genuß durch einen hartnäckigen Kampf mit einer rieſenhaften Kreuzſpinne, die ober mir kroch, verdienen. Alle Jagd darnach war aber vergebens, und ſo mußte ich den ungebetenen Gaſt bei mir beherbergen. Am nächſten Morgen (1. Auguſt) ſtieg ich auf das flache Dach des Hauſes, um daſelbſt Brevier zu beten, was ich dann täglich wiederholte, denn da oben wehte ein 168 friſches Lüftchen, man war ſo ganz allein und ungenirt, dazu eine herrliche Ausſicht auf Stadt und Meer, nur Eines mußte man dabei beachten, daß man nämlich beim Auf- und Abgehen keinen Schritt zu viel machte, denn das flache Dach hatte gar kein Geländer. Bei uns würde man das polizeiwidrig finden. Um eilf Uhr Vormittags machten wir dem öſter- reichiſchen Generalconſul Baron v. Gödl unſere Auf- wartung, der uns mit großer Freundlichkeit empfing und für den Abend zum Thee einlud. Er beſprach die von uns projectirte Expedition auf den Libanon und gab uns dazu vortreffliche Winke, denn als ausgezeichneter Botaniker hatte er die abgelegenſten Thäler im Libanon – oft ganz allein beſucht; auch rieth er mit dem Führer einen eige- nen Contract auf der Conſulatskanzlei abzuſchließen, weil wir ſonſt leicht betrogen werden könnten. Darnach beſuchten wir unſere zwei Reiſecollegen in dem Hôtel Bellevue, das am Meere lag. Es bemäch- tigte ſich unſer der blaße Neid, als wir deren confor- table Wohnungen und gut fränkiſche Koſt ſahen. Das Non plus ultra der Schönheit aber war die Terraſſe des Hauſes, von der ſich eine prachtvolle Rundſchau bot, ſo daß ich mich nur ſchwer davon trennen konnte. Im We- ſten lag das unermeßliche Meer und längs der Küſte gegen Oſten hin der mit Hunderten von kleinen Dörfern beſäete Libanon, über den ein ſchleierartiger Dunſt ſich gelagert hatte. Mit Hilfe eines guten Fernrohres näherte ich mir die intereſſanten Punkte, aber das Auge ermü- dete, denn kaum hatte man eine Reihe die Revue paſſiren laſſen, ſo folgte eine Etage höher die zweite, die dritte u. ſ. f. Bei dem Anblick dieſer Naturſchönheiten dachte ich 169 an den franzöſiſchen Dichter Lamartine, der hier ent- zückt längere Zeit zubrachte, bis ihm der unbarmherzige Tod ſein einziges vielgeliebtes Kind Julie entriß; man zeigte uns die Villa, welche er bewohnte. – Auch Lady Eſther Stanhope fiel mir ein, jene excentriſche Brittin, die ihre Verwandten verließ uud mit ihrem fabelhaften Reichthum ſich in der Nähe des Libanon etablirte, wo ſie durch ihren männlichen Geiſt einen nicht unbedeuten- den Einfluß auf die Machthaber Syriens ausübte. Sie lebte ganz nach orientaliſcher Sitte, mäßig wie eine Py- thagoräerin, empfing äußerſt ſelten Fremde, las weder Briefe noch Zeitungen, ſpendete aber nach allen Seiten Wohlthaten, und wurde von dem Volke als Königinn des Nordens faſt vergöttert. Im Sommer wohnte ſie auf ihrem Schloße in den Hochebenen des Libanon. – Mir iſt es begreiflich, wie man wünſchen mag in einer ſo para- dieſiſchen Umgebung ſeine Tage zu verleben und zu be- ſchließen. Und doch macht auch die ſchöne Natur allein des Menſchen Glück nicht aus, das beweiſen eben Lady Stanhope und Lamartine. Abends 6 Uhr kamen wir in die Privatwohnung des öſterreichiſchen Generalconſuls, die eine halbe Stunde außer der Stadt auf einem Hügel gelegen iſt, und wurden dort von ihm und ſeiner jungen Frau, einer fein gebilde- ten Trientinerin gar lieb empfangen. Ich hatte einen Brief von Baron S. . . an ihn, der ihn freute und uns willkommene Anſprache gewährte. Auf der breiten Altane, die mit der Wohnung in Verbindung ſtand, ſahen wir dem Untergang der Sonne zu, nach orientaliſcher Weiſe aus langen Pfeifen ſchmauchend und Kaffee und Eiswaſ- ſer dazu ſchlürfend. Als die Dämmerung einbrach, bega- ben wir uns in den Salon, wobei die intereſſante Eon- 17() verſation bei vortrefflichem Thee und Backwerk fortge- ſetzt wurde; die junge Frau ſpielte Klavier und ſang dazu, ſo daß wir uns ganz vom Orient in die europäiſche Heimat verſetzt fühlten. Es mochte gegen eilf Uhr ſein, als wir nach Hauſe gingen. Zum Glück war ein Jeſuiten- pater in unſerer Geſellſchaft, der uns durch knietiefen Staub (denn die Stadtthore waren ſchon geſchloſſen) in das Kloſter zurückführte, ohne ihn hätten wir gewiß nicht hingefunden. Tags darauf (2. Auguſt) war das Portiunkulafeſt, und meine Gedanken waren viel in St. Pölten, wo ein meiniger Schüler, Herr J. Kinzel, an dieſem Tage pri- mizirte. – Ich wollte mich überzeugen, ob auch im Oriente die Franziskaner dieſes Feſt feierlich begehen und ließ mich daher in deren Kloſter führen, das in einer abgele- genen Gaſſe liegt. Ich läutete bei einem eiſernen Thore an, und gelangte dann durch einen Gang zur unanſehnli- chen Kirche, die im Inneren des Hauſes ſich befindet. Sie ſtand ganz leer, und ich verweilte einige Augenblicke da- rin, die mir ſehr wohl thaten. Das iſt das Schöne im Katholizismus, daß man in einer jeder Kirche, wo das heilige Sakrament iſt, ſich heimiſch fühlt. Ich verrichtete meine Andacht und übergab dem P. Quardian einen mir anvertrauten Brief des Kloſtervorſtandes von Larnaca auf der Inſel Cypern. Hier erfuhr ich auch nähere De- tails über ein trauriges Ereigniß, das uns geſtern vom Generalkonſul gleich bei unſerer Ankunft war mitgetheilt worden, und das ich Dir nicht verſchweigen will. Du erinnerſt Dich, lieber Freund, aus meinem erſten Pilgerbriefe, daß ein gewiſſer Karl Hoffman Kaplan zu Leoben in Steiermark die Abſicht hatte ſich 171 unſerer Karawane anzuſchließen und darüber mit Mayr in Correſpondenz trat. Sei es, daß ihm unſere Abreiſe zu ſpät vorkam, oder daß ſie ihm zu koſtſpielig erſchien, kurzer reiſte allein fort, und zwar zuerſt nach Rom. Von dort fuhr er zu Waſſer über Malta und Cypern nach Beirut, wo er – meiſtentheils von wohlfeilen Südfrüch- ten ſich nährend – bereits fieberkrank ankam, und im Franziskanerkloſter gaſtliche Aufnahme fand. Trotz ſeiner Schwäche wollte er weiter reiſen, um noch Jeruſalem zu erreichen; allein die Sorgfalt der Mönche hielt ihn zurück, denn der Arzt erklärte ſeinen Zuſtand für bedenk- lich. Er mußte ſich zu Bett begeben und das Fieber brach ſo heftig aus, daß es den ohnehin ſchwächlichen jungen Mann in fünf Tagen aufrieb. Mit rührender Ergebung ſchickte ſich der arme Pilger in die Fügung der göttlichen Vorſehung und empfing aus den Händen des P. Quar- dians die heil. Sakramente. In ſeinen Fieberphantaſien ſprach er immer von ſeinen lieben Schweſtern, die er nur Einmal noch ſehen möchte. Gott hatte es anders beſchloſ- ſen, und ihm das Wiederſehen für das himmliſche Jeru- - ſalem vorbehalten, denn er ſtarb, 31 Jahre alt, am 21. Juli. Wie würde ſich der Schwergeprüfte erfreut haben, wenn wir ihn noch am Leben getroffen hätten! Dafür begleitet uns ſein Andenken an alle heiligen Orte, und Marinelli legte folgende Blume auf ſein Grab: „Pilger aus dem Heimathlande, Ruh' im Frieden, ſanft und ſtill! Weich gebettet hier im Sande Fandeſt Du des Lebens Ziel. „Keine Rettung iſt geblieben, Keine Blume ſchmückt Dein Grab. Keine Thräne Deiner Lieben Fällt auf Deinen Staub herab. 172 »Doch des Himmels reichſter Segen, Den wir auf Dein Haupt erfleht, Nahet Dir auf Sternenwegen, Wo der Thron der Liebe ſteht. „Biſt im ſeligen Gefilde, Wo die Lebensſonne glüht, Wo durch des Erlöſers Milde Dir des Himmels Wonne blüht.« Du kannſt Dir leicht denken, mein Lieber, wie dieſe Todesnachricht uns ergriffen hat. Das traurige Memento mori ermunterte uns zum erneuerten Danke gegen Gott, der uns bisher ſo wunderbar beſchützte, daß keiner von uns ernſtlich krank war. Möge es auch Dir als Aneife- rung zum Gebete für die fernen Pilgerfreunde dienen, auf daß ſie, wenn es Gottes Wille iſt, glücklich ihr Ziel erreichen. Der Reſt des Tages verging mit Vorbereitungen für die projectirte Excurſion auf den Libanon, welche wir morgen antreten wollen. Wir kauften uns zu dieſem Zwecke eigens Fes, Turban und derlei orientaliſchen Zu- behör, weil man uns dieſe Kleidung für die vorhabende Reiſetour anrieth; beſonders ſoll der Turban am beſten gegen die Sonnenſtrahlen ſchützen. Die Hitze in Beirut iſt wahrhaft drückend, und des Schwitzens und Dürſtens kein Ende, daher die arabiſchen Buben ſich den ganzen lieben Tag nackt im Waſſer her- umtummeln. Wohl wehen kühlende Lüftchen vom lang- geſtreckten Libanon herab, aber die ſengenden Strahlen der Sonne paralyſiren ſie. Die Häuſer von Beirut ſind deshalb auch enge aneinander und gegenüber gebaut, damit die brennenden Sonnenſtrahlen nicht ſo leicht ein- dringen können. Die Stadt vergrößert ſich zuſehends und nimmt offenbar einen neuen Aufſchwung, ſeitdem die 173 Conſulate Syriens hieher als an den Hauptſtapelplatz verlegt worden ſind. Es iſt ein buntes Durcheinander in den ſchmalen Straßen, die mannigfaltigſten Koſtüme ſind zu ſehen und alle europäiſchen Sprachen zu hören. Die Frauen – auch die chriſtlichen haben den gar abſcheulichen Gebrauch das Geſicht mit einem dunklen Stück Kattun zu verſchleiern, was ganz maskenartig ausſieht. Die Ve- getation iſt üppig; unzählige Hecken von Cactus und ſtolz emporragende Palmen machen ſich überall bemerkbar. Hie und da ſtehen noch Mauern und Thürme aus den Zeiten der Kreuzzüge, an welchen die Verheerungen durch das engliſche Bombardement im Jahre 1840 ſtark ſichtbar ſind. Doch ich muß dieſen unter Vergießung unzähliger Schweißtropfen geſchriebenen Brief ſchließen. Über unſere Libanonreiſe bekommſt Du einen eigenen Brief. Mit Liebe Dein 2c. 174 X. Ausflug auſ den Libanon. Allerlei Bedenken. – Diplomatiſche Intervention. – Contract mit dem Dragoman. – Der Miſſionär P. Riccadonna. – Orientaliſche Adjuſtirung. – Beſchreibung der Karawane. – Schilderung der chriſt- lichen Maroniten. – Panorama des Libanon. – Ein Sturz vom Pferde. – Aerztliche Selbſthilfe. – Erſte Station Bekfaja. – Jeſuiten- convent. – Audienz beim Maronitenfürſt Emir Haidar. – Ein orien- taliſches Diner. – Ein Conzert. – Eine Nacht unter Zelten. – Eine maronitiſche Meſſe. – Eine Ehrenbegleitung. – Der Gipfel des Liba- non. – Zweite Nachtſtation Zahleh. – Die kleinen Miſſionäre. – Italieniſche Emigranten. – Ein Conflict. – P. Ignazio. – Keine Cedern des Libanon. – Das Grab Noe's und vino di Noe. – Die Ebene Cöleſyriens. – Gaſtfreiheit in einem maronitiſchen Pfarrhof. – Jagd. – Die Ruinen von Balbek. – Sieg des Chriſtenthums. – Ein Verlorner wiedergefunden. – Der Reiſemarſchall wirft Geld aus. – Beſuch beim Paſcha und Befreiung eines Chriſten. – Die Druſen. – Zwölf Stunden zu Pferde. – Bart und Schleier im Orient. – Das arabiſche Pferd. – Ein Beduinenlager. – Vierte Nachtſtation am Milchfluße. – Maronitiſche Mönche. – Sonntagsgedanken. – Ein Pilger erkrankt. – Ein Reiſetyrann. – Kloſter Hariſſa. – Ghazir. – Dorf Djunie. – Ein Libanonfürſt. – Kunſtreiterei. – Glückliche Rückkehr nach Beirut. – Ein europäiſches Diner. – Der kranke Pil- ger geneſt. – Abſchied vom Libanon. Beirut, 8. Auguſt. Lieber Freuud! Die Lage der Stadt Beirut – am Fuße des Liba- non – war zu einladend, als daß wir uns nicht hätten entſchließen ſollen dieſen gewaltigen Bergrieſen, deſſen ſo oft in der heiligen Schrift bildlich Erwähnung ge- ſchieht, zu beſuchen. Es fehlte zwar nicht an allerlei Ge- genvorſtellungen und Schilderungen der vielen Gefahren vor Druſen, Beduinen, halsbrecheriſchen Wegen 2c., indem 175 man ſich auf die freilich oft romanhaft ausgemalten Rei- ſebeſchreibungen berief. Doch die Jeſuiten ſprachen uns Muth zu und am meiſten trug zum Zuſtandekommen und Gelingen der ganzen Expedition der liebenswürdige Ge- neralconſul Baron v. Gödl bei, der uns hierin mit Rath und That wacker an die Hand ging, und dem wir daher auch am meiſten zum Danke verpflichtet ſind. Er zerſtreute all die Nebel von Beſorgniſſen und Befürchtungen, ver- ſprach uns einen gewandten Kawaß als Sicherheitswache, wirkte uns ein ſchriftliches Bujurdu des Paſcha aus, gab uns ſelbſt Empfehlungsſchreiben an mehrere Emir's mit, und hielt dem von uns gedungenen Dragoman eine ein- dringliche Standrede über ſeine Obliegenheiten. Der eigens über die gegenſeitigen Verpflichtungen ausgefertigte Kontrakt wurde vom Conſulate ſelbſt unter- zeichnet. Dies iſt das einzige Mittel gegen die Willkür dieſer Leute, denen man ſich oft tagelang auf den gefähr- lichſten Wegen anvertrauen muß. Es wird Dich vielleicht intereſſiren einige Details daraus zn vernehmen. Der Dragoman verpflichtete ſich fünf gute Reitpferde und die nöthigen Bagagepferde zu ſtellen, die Koſt zu beſorgen, ſo zwar, daß täglich Frühſtück, Collation mit drei, und pranzo mit vier Speiſen (Wein und Früchte mit einge- rechnet) verabreicht werden; für die im Freien zuzubrin- genden Nächte hat er zwei Zelte und fünf Betten mit allem Zubehör mitzunehmen; dafür erhält er von einem Jeden für den Tag einen Napoleondor (20 Franken), alſo täglich 100 Franken, die ihm jedoch erſt bei der Rückkehr, wenn er ſeiner Schuldigkeit gehörig nachgekommen, aus- bezahlt werden ſollen. Dieß waren die erſten Vorbereitungen zu einer Ge- birgsreiſe, wie ich ſie in meinem Leben noch nie gemacht 176 habe, und wohl auch nicht mehr machen werde. Mir, für meine Perſon, kam das Arrangement des Ganzen etwas - luxuriös vor, denn Du weißt wie leicht und einfach ich zu reiſen pflege. Indeß gab es da keine Ausnahme, auch for- derte die Rückſicht für die älteren Pilgercollegen, die an mehr Comfort gewöhnt waren, Nachgiebigkeit. Die Erfah- rung zeigte, daß gerade unſer nobles Auftreten den Leuten imponirte, und wir daher auch ſicherer reisten. Jedenfalls war es eine große Annehmlichkeit und eine gute Vorbedeutung, daß wir am Beginne unſerer Excurſion einen Jeſuiten als Geleitsmann hatten, der im Libanon ſtationirt war und Land und Leute genau kannte. Es war dieß der originelle P. Riccadonna, der des Ordensfeſtes wegen nach Beirut gekommen war, und nun wieder auf ſeine Station Zahleh zurückkehrte. Er iſt ein geborner Veroneſer, aber ein vollkommen nationali- ſirter Araber, denn er iſt faſt durch 30 Jahre auf dem Libanon als Miſſionär thätig. Seine Phyſiognomie hat einen ganz orientaliſchen Typus angenommen. Trotz einem Beduinen blitzen ihm die feurigen Augen aus dem bärti- gen Geſichte, und wenn er die arabiſchen Gutturalen aus dem Munde herausquirlt, glaubt man vollends einen Eingebornen vor ſich zu haben. Um die Libanonmiſſion hat er unſtreitig große Verdienſte, und die Jahre, die er daſelbſt zugebracht, waren reich an Entbehrungen und Gefahren. Einmal war er ſchon für den nächſten Morgen zum Tode verurtheilt, und nur durch Beſtechung des Ge- fangenwärters gelang es ihm zu entkommen. Auch der arabiſche Hengſt, den er meiſterhaft ritt, hatte an ſeinem Halſe die Spuren eines mit ſeinem Herrn beſtandenen Attentates. P. Riccadonna blieb in unſerer Geſellſchaft bis Zahleh, und wir gewannen alle den gebildeten, ge- 177 ſprächigen und freundlichen Miſſionär lieb. Ich komme noch weiter unten auf ihn zurück. Am 3. Auguſt Morgens 6 Uhr ſetzte ſich unſere ſtattliche Karawane – 16 Mann ſtark in Bewegung. Wenn Du uns geſehen hätteſt, lieber Freund, wie wir in unſe- rer neuen orientaliſchen Adjuſtirung aus den Thoren der Stadt zogen, Du hätteſt dich eines gewiſſen Lächelns nicht erwehren können. Auch uns machte das halbtürkiſche Ko- ſtüm vielen Spaß, und wir hatten Mühe uns darin zu er- kennen; beſonders ſah der ſtark bewaffnete Marinelli mit ſeinem pechſchwarzen Barte ganz beduinenmäßig aus. Gewarnt durch die Erfahrungen der Bruſſa-Expedition trug ich jedoch keine Waffen. Voran ritt der bis auf die Zähne bewaffnete Ka- waß Ali, dann folgten die fünf Pilgerfreunde, der ge- ſchäftige Dragoman, der dickbäuchige Koch, und ſchließ- lich die Mucker d. h. die Dienerſchaft, welche die Pack- pferde und Mauleſel überwachte und antrieb. Die Haupt- perſon darunter war der Dragoman Namens Putros (Peter), ein junger, pfiffiger Mann, der arabiſch, franzö- ſiſch und italieniſch ſprach und ſchon öfter die Tour mit angeſehenen Reiſenden gemacht hatte. – Der Kawaß Ali der einmal in Trieſt geweſen, ſprach ganz gut italie- niſch, zeigte ſich äußerſt aufmerkſam, treu,muthig, und über- haupt als ein prächtiger Menſch. – Unſere Pferde wa- ren gut und feurig, und auf dem hinten und vorne aufge- bogenen arabiſchen Sattel war leicht und bequem ſitzen. Der Weg führte anfangs zwiſchen gartenähnlichen Anlagen, wo der wilde Oleander in großen Geſträuchen Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 12 178 wuchert. Dann kamen wir zu einer hohen ſteinernen noch aus den Zeiten der Kreuzzüge herſtammenden Brücke, auf welcher ein Aas lag; da unſere Pferde nicht zu bewegen waren daran vorüberzugehen, ſo mußten wir durch das Gerölle des ausgetrockneten Flußes reiten. Nun ging es ſtundenlange am Meeresſtrande fort, ſo daß die heran- brauſenden Wogen den Pferdehuf netzten, bis wir bei je- nem Theil des Libanon anlangten, den wir erſteigen mußten. Jetzt ging es bergan auf ſteinernen Treppen, die menſchlicher Fleiß als Schutz gegen die verwüſtenden Hochgewitter gebaut. Dieß war das erſte Zeichen, daß wir im Gebiete der betriebſamen Maroniten waren, wovon uns bald auch das erſte Kirchlein mit Kreuz und Glocke überzeugte. Wie wohlthuend war dieſer Anblick! Um 9 Uhr Morgens machten wir bei einem Khan Halt, um etwas zu raſten. In einer freiſtehenden Hütte wurden Strohmatten aufgebreitet, auf welche wir uns niederließen, um den gereichten Imbiß von Trauben, Käs und Brod zu verzehren. Der Kawaß Ali, ein braver Türke, nahm von allem ihm Dargebotenen, nur Wein nicht. – Von unſerer Sieſta aus bot ſich eine entzückende Ausſicht. Im fernen Dunſtkreiſe lag Beirut und das un- ermeßliche Meer; uns nahe eine zahlloſe Menge von Ort- ſchaften, die die Abhänge des Libanon ſchmücken. Wohin das Auge reichte, ſah man dieſe weißen Flecken auf wal- digen Hügeln, überall ein Kirchlein oder ein Kloſter dabei. Jedes Fleckchen Erde iſt benützt, oder durch terraſſenför- mig gebautes Mauerwerk künſtlich zuſammengehalten. Da grünen die Maulbeerbäume und die Weinreben ſchlingen ſich haushoch an den Wänden und Bäumen empor; Korn- felder wechſeln mit Weingärten, und in tiefgehöhlten Fur- 179 chen rieſelt die kunſtvoll hieher geleitete Quelle. Das iſt das Werk der katholiſchen Maroniten. Während in den übrigen Theilen Syriens das beſte Erdreich brach liegt, erſcheint der von den Chriſten bewohnte Theil des Liba- non wie ein Garten im Rieſengeſchmacke. Die Maroniten ſind eine der intereſſanteſten Na- tionen der Erde. Einige halten ſie für Nachkömmlinge der alten Phönizier, die während der Chriſtenverfolgungen in die Berge flohen, und dort mit erfinderiſcher Thätigkeit die vielen Schwierigkeiten überwindend dieſe culturfähi- gen Strecken nacheinander eroberten. Was die armen Maroniten unter dem türkiſchen Joche litten, weiß nur der Himmel; nur Ein Gut, ihre Religion, bewahrten ſie ſich unverletzt. – Im Mai 1840 empörten ſie ſich gegen die grauſamen Erpreſſungen Ibrahim Paſcha's, ſchlugen deſſen Soldaten auf ihren Bergen, worauf ihr grauſamer Emir Beſchir, der Mehemed Ali's Freund war, abgeſetzt wurde. Zum Ende des Krieges trug viel das Erſcheinen der vereinigten Flotten der Türken, Engländer und Öſter- reicher bei, daher die Blicke der Maroniten unabläſſig nach Weſten gerichtet ſind. Frankreich weiß dieß recht gut zu benützen. Seine Miſſionäre ſind im Libanon ſehr rüh- rig, und wer den Libanon hat, dem gehört Syrien. Die Maroniten haben ihren eigenen Ritus, ſind aber mit Rom unirt, und hängen mit kindlicher Anhäng- lichkeit an dem heiligen Vater. Sie gelten als Muſter der Rechtſchaffenheit, Einfachheit, Mäßigkeit, Arbeitſamkeit und Sittlichkeit, theilweiſe trifft man bei ihnen wahrhaft patriarchaliſche Einrichtungen und Gebräuche. Sie ſind ſehr fromm, und haben hohe Achtung vor ihren Prieſtern, denen die einmalige Ehe erlaubt iſt. Nur die Mönche, welche nach der Regel des h. Antonius ein ſtrenges Leben 12 180 führen, ſind ehelos; ſie bebauen eigenhändig den Boden, und der Fleiß ihrer Hände insbeſondere hat die nackten Felſentrümmer zu Gärten und Fruchtfeldern umgeſchaf- fen. Die Klöſter, deren es 67 männliche und 15 weibliche gibt, ſind nicht reich, aber ſie haben das Nöthige, um in dieſer Gebirgseinſamkeit ein beſchauliches Leben zu füh- ren. – Auch die Weltgeiſtlichen ſind eher arm als reich zu nennen, und ihr Leben iſt das eines fleißigen Land- bauers; ſie beſorgen ihr Vieh, hegen die Seidenwürmer, bauen mit ihren Händen die Mauern der Terraſſen, ha- cken, ſäen, ernten und tragen die Kinder herum. Da iſt's wohl nicht zu wundern, wenn die theologiſche Bildung Manches zu wünſchen übrig läßt. Nach dem Willen ihres Biſchofs ſollten ſie wohl täglich eine Stunde ſtudieren, aber ſie kommen ſelten dazu, weil die Stube meiſtens vom Kinderſegen ſtrotzt. – Der Klerus iſt verhältnißmäßig zahlreich für eine halbe Million Seelen. Unter dem Pa- triarchen von Antiochien ſtehen 9 Biſchöfe, 356Pfarreien und 1200 Kirchen. Das Ausſehen der maronitiſchen Prie- ſter iſt im Ganzen ehrwürdig, obwohl ſie außer dem blauen abgerundeten Turban kein beſonderes Kennzeichen haben. Ihre Regierungsform iſt faſt theokratiſch. Alle Ma- roniten ſtehen unter einem Emir, der in einem jeden Orte eine Art Lehensherrn (Scheick) hat, welcher die Gerech- tigkeit verwaltet. Man kann von ihm an den Emir und ſeinen Rath appelliren; zuletzt entſcheidet der maronitiſche Patriarch. Dieſer Rath als oberſtes Juſtiztribunal ver- ſammelt ſich wöchentlich einmal, und iſt nebſt dem Dele- girten des Emir aus 2 Maroniten, 2 Griechen, 2 Schis- matikern, 2 Druſen, 1 Türken und 1 Metualis zuſam- mengeſetzt. – Dieſes Volk iſt ein Beweis von der mora- 181 liſchen Erziehungskraft des Chriſtenthums; es lebt aus dem Glauben und iſt glücklich dabei, obwohl oder vielleicht weil ihm die ſogenannte Aufklärung mangelt. Doch – wir haben genug in der Hütte geraſtet. Vorwärts!– Wir ſtiegen einen bedeutenden Theil des Ber- ges auf den ausgehöhlten Felſentreppen hinan, da war mir, als ob mein arabiſcher Sattel wanke, hielt es aber für eine Täuſchung; indeß mein arabiſcher Braun kannte das Ding beſſer, denn plötzlich fing er zu ſchütteln und ſpringen an, ſo daß ſich der Sattel vollends unter mir drehte, und ich am Boden lag. Fatale Situation! Doch gewitzigt durch die Erfahrungen von Bruſſa ließ ich dieß- mal die Zügel nicht los, ſondern hielt ſie krampfhaft in der Fauſt, wiewohl das Pferd mit ſeinen Hufen grauſam auf mir herumtrat. Ich raffte mich ſo ſchnell als möglich von dem harten Lager auf, ſpürte wohl etwas Schmerz in den Fußgelenken, ließ es aber nicht merken. Der Ka- waß ordnete indeß meinen Sattel, und ſo kamen wir Mit- tags glücklich nach der erſten Station Bekfaja, einem net- ten Maronitendorf, wo wir den ganzen Tag verblieben. Während unſer Dragoman beſchäftigt war die zwei Zelte in der Nähe des Dorfes unter dem Schatten von Feigenbäumen aufzuſchlagen, ging ich zu der nahen Quelle, weil der rechte Fuß in Folge des Falles empfindlich ſchmerzte. Zu meiner Überraſchung entdeckte ich nebſt mehreren Beulen ober dem Knöchel eine offene Wunde, die durch das Reiten ſtark angeſchwollen und entzündet war. Das kalte Waſſer mit Arnica vermiſcht linderte den - 182 Schmerz, und mit einem Stückchen Leinwand, das ich in einem nahen Hauſe um zwei Piaſter gekauft hatte, ver- band ich die Wunde. Hinkend folgte ich den Collegen zur Kirche des nahen Jeſuitenconventes, wo ich Gott dankte, daß der Sturz vom Pferde nicht ſchlimmer ausgefallen. Dieſe große und hübſche Kirche zu Unſerer lieben Frau (Notre Dame Liberatrice) wurde in dieſem Jahre erſt fertig. Der greiſe Nachfolger Emir Beſchirs Emir Haidar, der in der Nähe reſidirt, ließ ſie bauen und übergab ſie den Jeſuiten mit den Worten: „Ich altere, ich will unter dem Schutze der Saidat Ennejah (Ma- ria) den Reſt meiner Tage zubringen und mich heiligen“. – Neben der Kirche befindet ſich der unanſehnliche Con- vent, in welchem drei franzöſiſche Patres wohnen. Vor demſelben war die Schuljugend aufgeſtellt und begrüßte P. Riccadonna mit einem luſtigen arabiſchen Bewillkom- mungsliede, deſſen Text letzterer ſelbſt gedichtet hatte; die Knaben hatten ſtarke ſonore Stimmen, und defilirten – vom Schulmeiſter angeführt ſingend an uns vorüber. – Auf Zureden des P. Riccadonna begaben wir uns in das ſehr beſcheidene Refectorium des Conventes, und nahmen dort die von unſerm Dragoman bereitete Collation, denn die Jeſuiten leben hier in ſehr ärmlichen Verhältniſſen. Inzwiſchen hatten wir zum Maroniten-Emir Hai- dar, an den wir vom Generalconſul Baron v. Gödl ein Empfehlungsſchreiben hatten, geſchickt und um eine Au- dienz gebeten. Unſer Kawaß kam bald mit einem Bedien- ſteten des Emir zurück und brachte die Nachricht, daß den Emir unſer Beſuch freuen und ehren werde, und zwar möchten wir ſogleich kommen. Wir erſuchten nun den P. Riccadonna und den Vorſteher des Jeſuitenconventes uns als Dolmetſcher zu begleiten, was ſie bereitwilligſt zuſagten, 183 Der Palaſt des Emir war beiläuſig eine Viertel- ſtunde entfernt. Wir gingen zu Fuß dahin. Das aus Stein neugebaute Wohnhaus des Emir ſah zwar nicht gerade großartig und fürſtlich aus, aber es unterſchied ſich durch Größe und Solidität von allen übrigen Häu- ſern. Wir ſtiegen über eine ſteinerne Treppe und kamen in eine ſchön gepflaſterte Vorhalle, wo eine mit Blumen umſtellte Fontaine ſich befand. Ringsum ſtand bewaffnete Dienerſchaft. Nach kurzer Friſt traten die jungen Prinzen (Enkeln des Emir)ein und grüßten ſo freundlich, als ob ſie uns ſchon lange gekannt hätten; ſie ſahen ſehr munter und friſch aus, und die Geſundheit und Unſchuld lachte auf ihren roſigen Wangen. Ihre natürliche Schönheit wurde durch die kleidſame Tracht noch gehoben; ſie tru- gen weiße weite Beinkleider, rothe enganſchließende Jacken und einen rothen Feß, der ihnen allerliebſt ſtand. Der Erbprinz mochte 15 Jahre zählen, hatte einen ganz klei- nen Schnurrbart, und ſprach etwas franzöſiſch. Der kleinſte von den Prinzen war 4–5 Jahre alt. Mit Zutraulichkeit führten ſie uns in das anſtoſ- ſende Zimmer, in welchem die fürſtliche Familie ſich be- fand. Das Zimmer war nicht groß, und hatte keine an- dere Einrichtung als an den Wänden herumlaufende nie- drige Divans. Links vom Eingange ſaß die alte Fürſtin, eine gutmüthige Frau von beiläuſig 60 Jahren, dann ihre Tochter, die junge Fürſtin, eine freundliche Frau mit zahlloſen Goldmünzen am Halſe, in den Haaren und an den Kleidern. Als Geſellſchafterinnen waren zwei Damen zugegen, eine junge Doctorswitwe aus Florenz und eine junge Franzöſin. Auf der gegenüberliegenden Seite ſaß der alte Emir Haidar, eine ehrwürdige Perſönlichkeit mit dem 184 Bewußtſein der fürſtlichen Stellung, aber dabei ſchlicht und einfach, in Worten präcis und lebendig. Er war frü- her Druſe geweſen, und hatte ſich erſt zum Chriſtenthume bekehrt, dem er jetzt mit wahrer Frömmigkeit zugethan iſt. – An ſeiner Seite ſaß P. Riccadonna, auf der Frauen- ſeite der andere Pater als zweiter Dolmetſch. Den inzwi- ſchen liegenden Divansraum nahmen wir fünf Pilger ein, ſo daß nur eine Seite gegen die Thüre hin frei blieb. Wir wurden freundlichſt begrüßt, und der Emir hatte eine große Freude als er hörte, daß drei von uns katholiſche Prieſter ſeien. Unſer Anzug war freilich nicht prieſterlich, aber an dem ſtießen ſich die guten Leute nicht im Mindeſten. Wir ſaßen auf den niedrigen Divans mit unterſchlagenen Beinen, ſo gut es eben ging, indeß un- verſchleierte meiſtens ältere Dienerinen Waſſer zum Hän- dewaſchen brachten, darnach Tſchipuk, Cafè und Liqueur. Nach einem jeden Imbiß reichte eine Mohrin, deren große edle Geſtalt mir auffiel, ein feines goldgeſticktes weißes Tuch herum, um ſich den Mund damit abzutrocknen. So oft die Dienerinen etwas credenzten, legten ſie eine Hand auf das Herz. Die Converſation wurde mittelſt der beiden Dolmetſcher ziemlich lebhaft geführt, Collega Hu- binger converſirte mit den beiden europäiſchen Damen franzöſiſch. Die orientaliſchen Fürſtinen muſterten mit Neugierde – ich weiß nicht unſere Perſon oder unſere Kleidung; als ich unverſehens meinen noch ſchüchternen Knebelbart ſtrich, machte es mir die alte Fürſtin nach, und lachte herzlich, als ich ihren Witz bemerkte. Nach einiger Zeit wurde in der Mitte des Zimmers ein rundes Tiſchchen, vielleicht anderthalb Fuß im Durch- meſſer und in der Höhe aufgeſtellt und uns bedeutet uns rings um dasſelbe zu ſetzen, wobei die Dienerinen halfen, 185 indem ſie Pölſter unterſchoben. Der dicke Caſella kam mit ſeinen zu kreuzenden Beinen gar nicht übereinander und fiel faſt vom Polſter herab, was ſelbſt die ſonſt ernſten Dienerinen lachen machte. Nun wurde auf dem kleinen Tiſchchen eine delikate Auswahl von Süßigkeiten, die eben erſt aus Damasens angekommen waren, in der Runde ſervirt, wobei kleine ſilberne Gabeln und Löffelchen zu Dienſten ſtanden. Es waren allerhand Confituren, Einge- ſottenes, Feigen, Granatäpfel, Trauben, Nüſſe, dann Co- cusmilch, Ambrawaſſer, Liqueur und nochmals Cafè. Die Damen naſchten wohlgefällig mit, ließen aber den Nargi- leh nicht von ihrer Seite, aus dem ſie mit Anſtand um die Wette rauchten. Dann machten wir uns auf und gingen in die Hauskapelle, wo wir kurze Zeit beteten (der maronitiſche Hausgeiſtliche war nicht zugegen). Der Erbprinz zeigte mir ein Bild des h. Antonius, und äußerte große Freude als ich ihm ſagte, daß ich denſelben Taufnamen trage wie er. Sofort führte man uns in den Garten, wo künſtlich und geſchmackvoll angelegte Blumenbeete ſich befanden, von denen wir etliche Blumen als Andenken mitnahmen. Es war auch ein kleines Baſſin darin, und der ältere Prinz ließ den Springbrunnen ſpielen, wobei er uns fragend anſah, ob wir doch ſo etwas ſchon geſehen hätten? Aus allen Reden der Familie ſprach naive Heiter- keit und patriarchaliſche Einfachheit. Obwohl wir höch- ſtens eine Stunde im Hauſe verweilten, waren wir doch alle untereinander bekannt, und der Fürſt that uns die Ehre an uns zur Abendtafel zu laden. Wir nahmen die Einladung mit Dank an und empfahlen uns. Beim Weg- gehen ſahen wir den Schwiegerſohn des Fürſten, einen 186 ſtarken Mann in beſten Jahren mit einem wohlwollenden Äußeren, der eben aus der ämtlichen Sitzung kam. Wir gingen in unſere Zelte und ſchliefen bis Son- nenuntergang. Um acht Uhr Abends kam ein Bedienſteter des Für- ſten und holte uns und die zwei Jeſuitenprieſter zum Speiſen. Der Empfang war derſelbe wie früher. Nach einiger Zeit gingen wir aus dem bekannten Zimmer in den eigens zubereiteten Speiſeſaal, der ſich gleich in der Nähe befand. War ſchon die Ehre groß, daß wir des Für- ſten Gäſte waren (viele Reiſende, beſonders Engländer hatten dieſe Ehre mißbraucht, daher war ſie ſelten), ſo war die Aufmerkſamkeit noch größer, daß die Tafel nach fränkiſcher Manier gedeckt war. Den Damen ſchienen aber die Seſſel gar nicht bequem zu ſein, und auch uns wäre ein echt orientaliſches Diner lieber geweſen. Obenan ſaß der Fürſt mit den Damen, mein Nachbar war des Fürſten Schwiegerſohn, die kleinen Prinzen durften nicht mitſpeiſen. Nun begann das Diner. Aber wo und wie anfan- gen? denn der Tiſch war mit einer Maſſe Speiſen be- ſetzt. Die mit dem Hausbrauch und den Ortsſitten beſſer vertrauten Jeſuiten brachten bald Leben in die neue Ord- nung, nahmen eine Schüſſel nach der andern, tranſchirten wo es nöthig war, und ließen die Speiſen in der Runde herumgehen. Es mochten bei vierzig Gerichte ſein, die von den Dienerinen ſervirt wurden, ſo daß wir uns ver- wunderten, wie im Verlauf etlicher Stunden ein ſo um- faſſendes Diner fertig werden konnte. Die Speiſen waren gut gekocht, wenn auch einige für den europäiſirten Gau- men minder genießbar waren. Das Brod war ſo dünn wie Papier, und erhielt ein jeder davon eine ſerviettenar- 187 tig gefaltete Platte. Der Wein war vortrefflich. Alle wa- ren ſehr heiter, und es fehlte nicht an Toaſten, die jeder- zeit nach einer kurzen Pauſe mit paſſenden Worten erwie- dert WUrden. Nach zwei vergnügten Stunden gingen wir in den Empfangsſalon zurück, wo auch die Prinzen ſich wieder einfanden, ſelbſt der kleinſte, obwohl er bald im Schooße ſeiner Mutter einſchlummerte. Die Etikette erlaubte noch nicht fortzugehen, und ſo ſaßen wir ſchmauchend und plaudernd bis gegen Mitternacht beieinander. Natürlich wurde auch über unſere Pilgerreiſe geſprochen, und die ganze Familie pries uns glücklich darüber. – Die Con- verſation gewann noch durch den Beſuch eines vornehmen Druſen, der erſt vor zehn Jahren nicht ohne Mitwirkung des Emir Haidar Chriſt geworden war, und Muſſa hieß, eine wahrhaft herkuliſche Geſtalt. Während wir ſo ſprachen, hörte man draußen mu- ſikaliſche Töne nebſt Geſang, wahrſcheinlich uns zu Ehren. Ich konnte daraus nicht recht klug werden, und bat das Inſtrument ſehen zu dürfen. Man brachte mir eine ver- ſtimmte Violine. Ich ſtimmte ſie, und wurde nun dringend gebeten etwas darauf zu ſpielen. Beim Apollo! das war eine fatale Zumuthung, denn ich hatte ſeit meiner Jugend dieſe edle Kunſt nicht mehr betrieben, und es über- haupt darin nie weit gebracht. Indeß was war zu thuu? Ich ſtrich mit dem Bogen über die Saiten und ließ eine mir erinnerliche Lieblingsmelodie ertönen, ſo gut und ſo ſchlecht es in meiner kauernden Attitüde thunlich war. So wohlfeil hat gewiß noch niemand Lob geerntet, als ich da- mals mit meiner Production auf dem Libanon. Endlich brachen wir auf. Der Fürſt dankte uns für den Beſuch, ſagte uns eine Ehrenwache zu, die uns auf 188 unſerer Expedition ſo lange begleiten ſolle als es uns beliebe, und äußerte ſchließlich, daß der heutige Tag für ſein Haus ein Segen geweſen ſei. Die Frauen küßten uns Prieſtern die Hände, empfahlen ſich unſerm Gebete in Jeruſalem, und baten die Kinder zu ſegnen. Der älteſte Prinz begleitete uns noch bis zur Stiege, und ſo nahmen wir gerührten Abſchied von der liebenswürdigen Familie des maronitiſchen Fürſten. Bei wunderſchöner Sternenbeleuchtung kehrten wir in der glücklichſten Stimmung von der Welt zu unſeren Zelten zurück. Wir hatten aber kaum die Hälfte des We- ges zurückgelegt, als uns ein Mann nachgerannt kam. Wir hatten nämlich dem Thürſteher beim Weggehen eine Goldmünze gegeben; allein der Emir geſtattete nicht, daß ſeine Leute derlei Geſchenke annehmen, und ſo brachte derſelbe Mann die Goldmünze zurück. Wir ſchenkten ſie den Jeſuiten für die Armen des Ortes, trennten uns von ihnen, und gingen ſchlafen. – In dem einen Zelte ſchlie- fen Mayr und Caſella, in dem anderen wir drei Geiſtli- chen. Um die Zelte herum campirten die Pferde und un- ſere Leute, der Kawaß Ali unmittelbar vor dem Eingang zu dem Zelte, gleichſam wie eine Schildwache. – Die Nacht war kalt und ich ſchlief gut, aber viel zu kurz. Schon um 4 Uhr früh wurden wir zum Aufbruch geweckt, es dauerte aber lange, bis wir uns ermunterten und aufſtanden. Der Dragoman hatte indeß die Waſchap- parate (o Luxus auf einer Gebirgsexpedition!) hergerich- tet, und war beſchäftigt das Frühſtück zu bereiten: Café, Milch, kaltes Waſſer; das letzte war das beſte. 189 Bis unſer Lager abgebrochen und aufgepackt war, betete ich in einem Garten von Maulbeerbäumen das Brevier, und beſuchte dann die nahegelegene Maroniten- kirche. Dieſe ſind in der Regel klein, von Stein gebaut, mit plattem Dache und einem kreuzgeſchmückten Thürm- chen, worin ſich eine Glocke befindet. Die innere Einrich- tung iſt einfach; der Altar wie bei uns Katholiken; unter den vielen Bildern waren einige gute. – Als ich eintrat, war eben Meſſe, und einige Leute knieten andächtig auf dem ſteinernen Boden mit ineinander geſchlungenen Ar- men; die Frauen befanden ſich hinter einem Gitter. Der Geiſtliche las die Meſſe in der altſyriſchen Sprache, Epi- ſtel und Evangelium aber arabiſch, alſo in der Umgangs- ſprache. Der Ritus iſt von dem lateiniſchen ziemlich ver- ſchieden, beſonders in Reſponſorien. Bei einer jeden Meſſe finden Räucherungen ſtatt. Rom indulgirte in die- ſer Disciplinarſache viel, um die Maroniten in der katho- liſchen Einheit zu erhalten. Dafür hängen aber auch alle mit kindlicher Liebe an Rom, und die proteſtantiſchen Miſſionäre im Libanon beklagen ſich, daß eher die Dru- ſen als die Maroniten zu ihrem Evangelium bekehrt wer- den könnten. Nach der Meſſe zog der ehrwürdige Geiſt- liche an den Stufen des Altares die liturgiſchen Kleider aus, kniete ſich nieder, und betete lange Zeit ſtill. Um halb ſechs Uhr machten wir uns auf den Weg und ritten weiter. Anfangs ging es längs den Häuſern des Dorfes auf ziemlich guten Wegen voran. Die Leute grüßten. Dann wurden die Wege merklich ſteiler. Manch- mal kamen wir noch zu mühſam angelegten Feldern und Gärten, aber dieſe wurden immer ſeltener, die Wege ſtets ſteiniger, ſo daß die Pferde wie Ziegen klettern mußten; immer aber behielt die Gegend das Gepräge des 190 Großartigen. Coloſſale Felſentrümmer thürmten ſich übereinander wie verſteinerte Wogen, und jähe Abgründe gähnten aus den unzugänglichen Thälern, die mit locke- rem Gerölle bedeckt ſind. Dabei war der Pfad für die Pferde ſo ſchmal wie ein Fußſteig, ſo daß wir hinter- einander reiten mußten. Man ſagt, daß die Maroniten dieſe Wege abſichtlich nicht verbeſſern, damit ſie vor feind- lichen Überfällen deſto ſicherer ſind. Um 9 Uhr früh kamen wir zu einem kleinen Dörf- chen mit einer Kirche der h. Thekla. Im Schatten eines großen Baumes ließen wir uns nieder, um uns durch einen Imbiß zu ſtärken. Da ſprengte im Galopp ein be- waffneter Reiter einher, der ſich uns mit vielen Grüßen von Seite des Emir präſentirte und ſagte, er habe den Auftrag uns überall, wohin wir wollten, zu begleiten. Auf unſere Frage, warum er ſo ſpät gekommen ſei? gab er zur Antwort, daß ein Anderer als er beauftragt geweſen ſei uns zu begleiten; weil jedoch dieſer ſich nicht zur rech- ten Zeit bei unſern Zelten eingefunden und der Emir das erfahren habe, ſo ſei jener augenblicklich aus ſeinem Dienſte entlaſſen worden. Uns freute natürlich dieſe große Aufmerkſamkeit, deren uns der greiſe Emir würdigte, doch beſchloßen wir dem ſeiner Zeit zurückkehrenden jetzigen Begleiter einen Brief an den Emir mitzugeben, um darin die Wiederaufnahme des aus dem Dienſt Entlaſſenen zu erbitten. Nach kurzer Raſt ging es wieder aufwärts, bis endlich die bebauten Felder ganz aufhörten und wir auf unwirthlichem Steingerölle uns fortbewegten. Eine Anhöhe war nach der andern zu überwinden, und noch immer ſah man nicht den höchſten Gipfel des Libanon. – Gegen Mittag hielten wir bei einer elenden Hütte an in der Nähe 191 einer ſpärlich fließenden Quelle, und verzehrten mit ge- ſegnetem Appetit die dargebotene Collation. – Die Ve- getation war hier merkwürdig. Ungeheure Gebüſche von Alpenroſen erhoben ſich aus den Steinen, und kleine Nel- kenſträuche nebſt Farrenkräutern ſchmückten den bräunli- chen Boden. Nach etlichen Stunden durch wahre Felſenlaby- rinthe, erreichten wir die höchſte Spitze des Libanon, die wir zu überſchreiten hatten; ſie mochte bei 8000 haben. Die Luft war durch den wehenden Wind etwas gemäßigt und mit Seelenjubel ſtiegen wir vom Pferde, um etwas auszuruhen. Welch ein Plätzchen wäre auch einladender dazu, als der Scheitel des in der h. Schrift ſo oft beſun- genen Libanon! – Die Ausſicht war wunderbar überra- ſchend. Tief zu unſern Füſſen breitete ſich die fruchtbare Ebene von Cöleſyrien aus, und uns gegenüber ſtreckte ſich der reichgefärbte Antilibanon, ſo daß das breite von einem Fluß durchſchlängelte Thal von dieſen zwei parallel laufenden Bergen begränzt iſt. Auf den Anhöhen lag hie und da noch Schnee. Indeß nimmt ſich der Antilibanon nicht ſo idylliſch aus wie der Libanon; man ſieht auf ihm keine bebauten Stellen, keine Dörfer, ſondern nur kleine ſchwarze Geſträuche, und röthlichgelbe Kalkfelſen. – Das Plateau, auf dem wir ſtanden, war unbedeutend und nach beiden Seiten abſchüſſig. Nun begann die Tour abwärts durch etwa drei Stunden. Die Wege waren manchmal ſo geröllig, daß die Meiſten abſtiegen und das Pferd am Zaume führten. Ein- mal begegneten wir bewaffneten Maulthiertreibern, die ſehr unheimlich ausſahen; aber ſie ließen uns ruhig wei- ter ziehen. Wo eine Waſſerquelle ſich fand, wurde Station gemacht. Welch ein Schatz iſt ſo eine Quelle in dieſer un- 192 wirthlichen Gegend, beſonders für die vielen hier im Freien campirenden Hirten, die zu beſtimmten Stunden ihre Heerden an der Quelle tränken! Und welch ein Lab- ſel iſt ein kalter Trunk Waſſers für den Reiſenden! Ich glaubte aus meinem Lederbecher Nectar zu ſchlürfen. – Die öſtliche Seite des Libanon contraſtirt ſehr gegen die Weſtſeite; ſie iſt kahl, unfruchtbar und unbewohnt, nir- gends iſt eine Cultur des Bodens ſichtbar; erſt am Fuße des Berges, wo Zahleh liegt, beginnt wieder die Vege- tation und ſieht man Früchte des menſchlichen Fleißes. Es mochte 5 Uhr Abends ſein, als wir uns Zahleh näherten, wo unſer wackerer Reiſebegleiter P. Riccadonna als Superior ſtationirt iſt. Schon von Ferne begrüßten ihn ſeine Zöglinge mit Geſang, und ein Pater kam entge- gen geritten. Die Jungen waren ungemein lebhaft und freudig bewegt, und ſprachen uns ohne Scheu mit fran- zöſiſchen und italieniſchen Phraſen an. Zahleh iſt ein bedeutender Ort mit 10.000 Ein- wohnern, größtentheils Chriſten; ſeine Lage an der Straſſe nach Damaskus und am Eingang in die berühmte Ebene von Cöleſyrien iſt ſehr günſtig. Während unſere Zelte außerhalb des Ortes auf einem freien erhöhten Platze aufgeſchlagen wurden, gin- gen wir mit P. Riccadonna in den von ihm errichteten Jeſuitenconvent, der gegenwärtig aus drei Individuen be- ſteht. Die mit dem höchſt einfachen Hauſe in Verbindung ſtehende Kirche zum h. Herzen Jeſu wurde eben gebaut. – P. Riccadonna hat hier den größten Theil ſeines thä- tigen Lebenszugebracht und auch mehrere Filialen gegrün- det z. B. Maalaka. Auch die Schule der kleinen Miſſio- näre iſt ſeine originelle Erfindung. Da nämlich der Prie- ſter nur ſelten in die einzelnen zerſtreuten Ortſchaften ge- 193 langt, um dort zu predigen und die Sacramente zu ſpen- den, ſo unterrichtete er fähige Knaben und Jünglinge in den chriſtlichen Wahrheiten, und ſchickte ſie an Sonntagen nach allen Richtungen in der Umgebung aus, um an ſei- ner Statt dort Chriſtenlehre zu halten. Dieſe Inſtitution mag dem guten P. Riccadonna viel Mühe und Arbeit ge- koſtet haben, ſie erwies ſich aber in vieler Hinſicht als ſehr heilſam. Ich ſprach mehrere dieſer kleinen Miſſio- näre, eingeborne Jünglinge von 15–20 Jahren, die ebenſo gewandt im Umgange wie in der Sprache waren. Sie zeigten mir die Schullocalitäten, bei welcher Gelegen- heit ich auch die zwei Lehrerinen für Mädchen ſah, welche ein nonnenartiges Ausſehen hatten, aber ſehr unbefangen und heiter waren. Ich wünſchte den kleinen Miſſionären Segen zu ihrem ſchönen Berufe und gab ihnen ein Heili- genbild als Andenken, worüber ſie große Freude bezeugten. Minder erfreulich waren die Perſönlichkeiten, die wir im Jeſuitenconvente trafen, etliche Emigranten aus Italien im türkiſchen Militärcoſtüm, die hier als Ärzte fungirten. Dieſe Herren erkundigten ſich angelegentlichſt um politiſche Neuigkeiten, es wurde mir aber nicht recht klar was ſie eigentlich wollten und wünſchten, auch war ich zu erſchöpft, um mir Mühe zu geben ihren ſchnell ge- ſprochenen italieniſchen Dialect zu verſtehen. Nach der Ausſage Mayr's ſchimpften ſie ſtark über Öſterreich; nachdem wir daher die angebotene Erfriſchung genommen hatten, empfahlen wir uns und gingen zu unſeren Zelten zurück. Dort kamen wir eben recht, um einem Conflicte vorzubeugen. Einige türkiſche Lieferanten zogen im Lande herum um Pferde für den Kriegsbedarf zu requiriren, und da ſie auf unſerm Lagerplatz mehrere beiſammen tra- Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 13 “ 194 fen, ſo wollten ſie nach türkiſcher Juſtiz etliche kapern. Unſer Dragoman war in großer Verlegenheit und wußte ſich nicht zu helfen. Wir ſchickten ſogleich unſern braven Kawaß Ali mit dem Bujurdu des Paſcha von Beirut zum Ortsvorſteher, und der Cavalier des maronitiſchen Emir mußte ihn begleiten. Die Folge davon war, daß uns voll- kommenſter Schutz zugeſichert wurde, dem aber unſere Be- gleitungsmannſchaft keinen rechten Glauben zu ſchenken ſchien, weil ſie die ganze Nacht hindurch abwechſelnd bei den Zelten Wache hielt, um die verdächtigen Geſichter, welche unſer Lager umſchlichen, von einem Attentate ab- zuſchrecken. Indeß war es Abend geworden, und die Sonne ging prachtvoll hinter den Bergen unter, den Bergrieſen Antilibanon mit roſenfärbigem Lichte überziehend. Wir ließen den Tiſch ins Freie ſtellen, bei dem wir das accor- dirte und wohlzubereitete pranzo nahmen, im Angeſichte einer herumſtehenden Schaar von großen und kleinen Neugierigen. – Die Nacht war empfindlich kalt, der Schlaf nach einer ſo enormen Anſtrengung feſt. Am nächſten Morgen (5. Auguſt) beſuchten wir nochmal den vortrefflichen P. Riccadonna, und nahmen nach Anhörung der h. Meſſe von ihm Abſchied. Er hätte uns gerne weiter begleitet, aber die türkiſche Einquartie- rung machte ſeine Gegenwart nothwendig. Dafür gab er uns einen jungen Jeſuiten P. Ignazio als Begleiter mit. Dieſer, ein Maltheſer, war ein vorzügliches Sprachenta- lent, denn er ſprach nicht nur engliſch, franzöſiſch und italieniſch, ſondern auch gut arabiſch, obwohl er erſt ein 195 Jahr im Libanon war. P. Ignazio benahm ſich gegen uns ſehr artig und gefällig, nur Eines konnte ich ihm nicht verzeihen. Er wollte nämlich dieſe Gelegenheit ſogleich be- nützen, um eine kranke Frau zu beſuchen. Das war ſehr löblich, minder jedoch, daß wir ſeinetwegen einen Umweg von mehr als zwei Stunden machen mußten, ſo daß un- ſere Packpferde früher ans Ziel kamen als wir, obwohl ſie eine Stunde nach uns Zahleh verließen. Das war eine verkehrte Gaſtfreiheit: wir mußten ihm, nicht er uns dienen. Noch etwas trug zu einer vorübergehenden Ver- ſtimmung des Gemüthes bei. Von Zahleh aus führt der Weg nach Damaskus und zu den Cedern des Libanon, zwei Weltberühmtheiten, deren wir keine ſahen; denn er- ſteres war zu entlegen, und der Weg zu den letzteren wurde uns als ſo halsbrecheriſch und gefährlich geſchil- dert, daß die älteren Collegen unſerer Karawane auf kei- nen Fall dazu zu bewegen waren. So brachten alſo Ma- rinelli und ich unſere Lieblingspläne zum Opfer, und begnügten uns mit dem projectirten Beſuche der nicht minder berühmten Ruinen von Balbek. Es mochte 6 Uhr Morgens ſein, als wir das große Dorf Zahleh verließen, und abwärts reitend in ein wun- derliebliches Thal gelangten, durch das ſich ein bedeuten- der Fluß ſchlängelte, an deſſen Ufern majeſtätiſche Pap- peln ſtanden, die mit ihrem ſaftigen Grün die Gegend be- lebten. Hunderte von halbverſchleierten Weibern gingen auf und zu, auf ihren Schultern antikgeformte Waſſer- krüge tragend. (Im Libanon trägt man auch die Kinder rittlings auf den Schultern.) – Als wir die Ebene er- reichten, ſpornte P. Ignazio ſein Pferd, und hurtig ging es im Galopp vorwärts, bis wir nach einer halben 13* 196 Stunde an einer Moſchee Halt machten, welche das von den Türken heilig gehaltene Grab Noe's barg. Wir ſtiegen ab und gegen ein Bakſchiſch wurden uns die Thore geöffnet. Was ſahen wir? Einen langen leeren Saal, durch deſſen Mitte eine lange halbrunde Wulſt wie eine eingemauerte Waſſerleitung lief. Das ſoll das Grab Noe's ſein. Ich konnte mir die Echtheit dieſes Grabmales nicht einreden, wenn es auch gewiß iſt, daß der ehrwürdige Patriarch in dieſer Gegend lebte und viel- leicht die erſte Rebe hier pflanzte. An der Moſchee ragen auch wirklich üppige Weinreben empor, und ein ſpeculati- ver Italiener ſoll mit dem Gedanken umgehen den hier wachſenden Libanonwein als vino di Noe (Noewein) nach Europa zu ſenden, wo er gewiß Anwerth finden dürfte. Möge es ihm damit beſſer gelingen als mir, der ich meine Feldflaſche an Ort und Stelle mit ſolchem Ge- wächſe füllte, in der Abſicht es als Rarität nach Europa zu transportiren. O Eitelkeit der Eitelkeiten! Schon nach etlichen Stunden war kein Tropfen mehr darin, weil ich den koſtbaren Inhalt bei einem heftigen Durſtanfall dem allgemeinen Beſten opfern mußte. So opfert man in der Stunde der Bedrängniß oder Verſuchung oft das Liebſte, ja das Einzige! Und vorwärts ging es durch die breite Ebene Cö- leſyriens, und die Hitze ſteigerte ſich zwiſchen den beiden Bergen bis zur Unerträglichkeit. Es war faſt zum Verzweifeln vor brennendem Durſt und Erſchöpfung der Kräfte. Alle Quellen, die wir paſſirten, waren ver- trocknet, und mit Gier ſogen wir das Pfützenwaſſer ein, das hie und dazwiſchen Steinen ſich erhielt. Wie dauer- ten mich die Pferde! Von Früh bis ſpäten Mittag beka- 197 men ſie nicht die mindeſte Labung, und doch gingen die armen Thiere ſo gutwillig auf den kegelförmigen Wegen. Einmal machten wir in der Nähe eines Dorfes Raſt, und zwar im Hofe eines maronitiſchen Pfarrers. Der gute alte Herr fühlte ſich geehrt durch dieſen Beſuch und bot uns Alles an was er hatte: Brod, Wein, Eier, Milch, Gurken, Brantwein, – wir aßen und tranken alles durcheinander, denn wir waren hungrig und dur- ſtig. – Auffallend war mir die hieſige Art und Weiſe zu trinken. Ein irdener Krug mit langer Schnauze ging von Hand zu Hand, und jeder goß daraus in den halb offenen Mund, ſo daß keiner den Krug mit den Lippen berührte. – Neben dem ärmlichen Zimmer war die Schule, in wel- cher die Kinder einen hölliſchen Lärm machten. Wir gaben dem Hausherrn ein entſprechendes Almoſen und ritten weiter. Der Weg durch die Ebene wurde monoton. Wir kamen an unzähligen Feldern vorüber, auf denen theils Getreide aufgeſchichtet war, theils gedroſchen wurde; letzteres geſchah, indem von Pferden ein Brett im Kreiſe herumgezogen wurde, das dadurch ſchwerer ward, daß der Pferdelenker darauf ſtand. In der Mitte des Thales, wo ein Fluß oder Sumpf zu ſein ſchien, zeigten ſich große Vögel, auf welche Marinelli und der Kawaß Ali Jagd machten, jedoch ſtets vergebens, denn jene flogen immer zu früh davon. Endlich nach unſäglichen Strapazen von acht Stun- den hatten wir die letzte kahle Anhöhe erſtiegen, und in der Ferne zeigte ſich am Fuße des Antilibanon ein Hügel von Architectur: es waren die erſehnten Ruinen von Balbek. Der erſte Anblick wollte mich nicht befriedigen, denn ich hatte mir ſehr großartige Vorſtellungen gemacht; allein je näher wir kamen, deſto mehr ſtieg meine Bewunde- 198 rung. Da lag er vor uns der großartige Sonnentempel, das alte Heliopolis! Wohl iſt es nur ein prächtiger Trümmerhaufen, an dem das Auge ſich traurig weidet, aber es iſt zugleich ein Rieſenkunſtwerk des Alterthums, von dem man ſich keine Vorſtellung machen kann. Bevor wir zu den Ruinen kamen, fiel uns ein gro- ßer Steinbruch auf, in welchem ungeheuere Blöcke lagen, die theilweiſe die Spuren des Meißels trugen, und viel- leicht ſchon ſeit anderthalb tauſend Jahren auf Beförde- rung warten. Ein Koloß aus Einem Stücke lag in der Tiefe und man begreift nicht, mit welchem Hebel dieſe enorme Laſt fortgeſchleppt werden konnte. Von hier wur- den die prachtvollen Säulen zu dem alten Sonnentempel genommen. In der unmittelbaren Nähe der Ruinen rieſelte ein Bächlein, in welchem ſich – wie wir ſpäter erfuhren, – viele Blutegel befanden; wir tranken daraus nach Her- zensluſt. Unſer Dragoman, der uns, wie ich ſchon oben erwähnte, mit den Packpferden vorausgekommen war, hatte im Schatten der gewaltigen Mauern die Zelte auf- geſchlagen, und die Collation bereitet. Wir waren aber Alle ſo ermattet, daß wir nichts genoßen, ſondern uns niederlegten um einige Stunden auszuruhen. Um 5 Uhr Abends machten wir uns auf, die groß- artigen und weitläufigen Tempelruinen zu beſuchen, welche einſt dem Dienſte des Baal Schamaim (Herr der Himmels-Sonne) geweiht waren. Zunächſt fielen uns die grandioſen Steinmauern auf, deren einzelne wohlbehaue- nen Blöcke ohne Kitt aufeinander gefügt ſind bis zu einer ſchwindelnden Höhe. Über rieſenhafte in mehrere Stücke ge- brochene Säulen kamen wir zum Eingang in den Tempel. Eine Façade von korinthiſchen Säulen, 70 hoch, ſchmückte 199 einſt denſelben, von denen nur mehr ſechs aufrecht ſtehen und vollkommen gut erhalten ſind; die übrigen haben ſich beim letzten Erdbeben an die Nachbarſäulen gelehnt, oder ſind hinausgeſtürzt und in gewaltige Stücke zerbrochen, ſo daß ein wahres Chaos von Marmorgerölle in allen For- men haufenweiſe übereinander liegt. Man betrachtet, be- wundert, beklagt! Mit einer wehmüthigen Stimmung betrat ich die Ruinen des einſtigen Heiligthums. Nach der Erzählung der alten Geſchichtſchreiber wurde in demſelben abſcheu- licher Götzendienſt getrieben, bis Kaiſer Conſtantin dieſen Tempel zerſtörte (335) und einen chriſtlichen Biſchof ein- ſetzte. Seitdem erhoben ſich die Tempeltrümmer nie mehr aus ihrem Schutte, und die traurige Einſamkeit der Ebene, die Öde des nahen Gebirges, das Düſtere der Stadt ſinnbilden gleichſam die unheimliche Schwüle, die ſich über dieſem mit Abſcheulichkeiten aller Art beſchmutz- ten Ort gelagert hat. Und wer hat dieſen gottloſen Götzen- dienſt geſtürzt? Das Chriſtenthum. Dieſes brachte die Menſchen dahin die Tugend zu ehren, denn früher hatte man dem Laſter Tempel gebaut. Wahrlich, dieß allein ſchon beweist ſeine Göttlichkeit. Mit ſolchen Gedanken ſtieg oder kletterte ich viel- mehr über die im Sonnenglanze ſchimmernden Blöcke, de- ren manche eine Klafter im Durchmeſſer hatten, und trat in einen herrlichen faſt vollſtändig, erhaltenen Schatten- gang. An der hohen Decke desſelben befanden ſich feine Arabesken, und Porträtköpfe guckten aus den netzförmig geſtrickten Ornamenten herab. Mir kam das Ganze etwas überladen vor. Ermüdet vom Schauen nach oben, betrachtete ich die auf dem Boden liegenden und feingearbeiteten Geſimſe. 200 Nun kamen wir zu dem eigentlichen Tempel. Vor dem Portale blieb ich unwillkührlich ſtehen, denn der Schlußſtein des Gewölbes hatte ſich ſeit dem letzten Erdbe- ben wie ein Zwickel zwiſchen zwei gleich coloſſalen Neben- ſteinen eingeklemmt, ſo daß er nur wenig noch an den Rän- dern feſtgehalten wird, und man meint, er müſſe jeden Au- genblick herunterfallen. – Das Innere des Tempels erin- nert durch nichts an ſeine einſtige Größe und Herrlich- keit. Die Wände ſind abgekratzt und mit Namen und Ver- ſen in allen Sprachen vollbeſchmiert, einige Niſchen, Halbſäulen und Giebeln ſind der ganze Zierrath, über welchem ſich der freie Himmel wölbt. – Rings um das Heiligthum mochten einſt Paläſte geſtanden ſein, unter de- ren Schutt vielleicht ſo manche Schätze noch verborgen liegen. Wir verweilten einige Zeit auf dem Plateau der Ruinen und betrachteten den Sonnenuntergang. Die Sa- razenen haben die Tempelreſte zu einer Feſtung benützt, und maſſive Thürme mit Schießſcharten dazu gebaut. Als wir durch einen dunklen unterirdiſchen Gang abwärts geſtiegen waren zu dem Bache, der die Tempel- burg umfließt, bemerkten wir, daß der Pilgerpapa Mayr fehle; er hatte ſich auf dem Plateau verſpätet und den unterirdiſchen Gang nicht gefunden. Weil die weitläufi- gen Ruinen als unſicher verſchrieen ſind, ſo war Mayr einige Minuten in nicht geringer Angſt und Verlegenheit. Wir ſchickten ſogleich den braven Ali zurück, der ihn fand und wohlbehalten zu uns herabbrachte. Jetzt umgingen wir die Ruinen auf der anderen Seite, und kamen zu den ſtaunenswerthen Steingrößen, welche den Unterbau des Tempels bilden, wahre Cyklo- penmauern, ganz ſchwarz, 60–70 Fuß lang. Es ſcheint unglaublich, daß Menſchen dieſes Rieſenwerk vollbrach- 201 ten. – Doch es wurde ſchon dunkel, und ſo nahmen wir von den denkwürdigen Ruinen Abſchied. Auf dem Rückwege zu unſeren Zelten, liefen uns bettelnde Kinder nach, denn Beduinen hatten in der Nähe ihr Lager aufgeſchlagen. Caſella machte ſich den Spaß un- ter die braunen halbnackten Kinder Geld auszuwerfen, worauf ſie natürlich ſchaarenweiſe uns umrangen und verfolgten, bis der Kawaß Steine aufhob um ſie zu ver- treiben. Ich meinte anfangs, unſer Reiſemarſchall habe ſich dieſes Privatvergnügen aus eigenem Säckel gegönnt, und war daher nicht wenig erſtaunt, als er das ausge- worfene Geld auf Rechnung der Communcaſſa brachte! Noch wurde ein kleiner und augenſcheinlich ſehr alter Tempel in runder Form, der ſich in der Nähe be- fand, und gleichfalls die Spuren des zerſtörenden Erdbe- bens trug, in Augenſchein genommen, dann aber ſetzten wir uns unter dem prachtvollen Sternenzelte zu dem in- deß zubereiteten Diner, und gingen bald darnach ſchlafen. Leider ſchlief ich wenig, denn mein hölzernes Feldbett brach durch, und in Folge der fatalen Körperlage bekam ich ſtarke Kreuzſchmerzen; überdieß blies der kalte Nacht- wind durch die ſchlechtvermachte Zeltöffnung gerade auf mich herein. Am frühen Morgen des nächſten Tages (6. Auguſt) nahm ich in dem klaren Bächlein, das in der Nähe floß, ein ſtärkendes Bad, was mir die Collegen nachmachten. Die Sonne ging auf und beleuchtete das Rieſenkunſtwerk des Alterthums. Ich war ſehr dafür, daß wir die Mor- genſtunden mehr zum Reiſen benützen ſollten, um der 202 grellen Mittagshitze auszuweichen; aber der Reiſemar- ſchall war nicht dafür. Dießmal fiel ihm insbeſondere ein, dem Paſcha von Balbek einen Beſuch zu machen. Aller- dings hatten wir vom öſterreichiſchen Generalconſul zu Beirut ein Empfehlungsſchreiben an ihn, aber weil die Zeit drängte, ſo zeigte niemand aus uns Luſt zu einem Be- ſuche. Nun entſchloß ſich Caſella allein dazu, nahm ſich den Jeſuitenpater als Dolmetſch mit, und gab uns Ordre in- deß voranzureiten, ſie würden beide ſchon nachkommen. Wie uns Caſella ſpäter erzählte, rauchte er beim Paſcha eine Pfeife in einem bachdurchrieſelten Gärtchen, ſo daß die Pfeife im Waſſer ſtand, wodurch der Rauch angenehm gekühlt wurde. Auch bewirkte der Reiſemar- ſchall die Freilaſſung eines Chriſten aus Zahleh, der bei Gelegenheit der militäriſchen Pferderequiſition ſich thät- lich an den türkiſchen Soldaten vergriff und einen Cor- poral halbtodt prügelte; nachdem der Thäter in Weiber- kleidern entflohen war, wurde er ertappt und gefangen zum Paſcha gebracht, der ihm vorderhand die Baſtonade geben und ein altes Tempelgewölbe zu Meditationsübun- gen anweiſen ließ. Ob ihn der Paſcha ſpäter wirklich be- freite, konnten wir nicht mehr erfahren. - Bald hatten wir die Ruinen von Balbek hinter uns und durchritten quer die zwei Stunden breite Ebene Cö- leſyriens, um über eine andere Spitze des Libanon (Dschebel Sannin) nach Beirut zurückzukehren. Auf dieſer Route mußten wir das Gebiet der den Maroniten feind- ſeligen Druſen berühren. - - Die Druſen ſind die Gegenfüßler der chriſtlichen Maroniten, denn ſie ſind Heiden. Ihr Glaube iſt theil- weiſe in Myſterien gehüllt; ſie ſollen, ſagt man, ein Kalb anbeten. Sie theilen ſich in zwei Klaſſen, in die der Wei- 203 ſen und Unwiſſenden. Zur letzteren Klaſſe gehört das Volk, welches den jederzeit geſchloſſenen Tempel gar nicht betreten darf, auch um religiöſe Dinge ſich gar nicht zu bekümmern braucht, weil den Dienſt ihres Gottes die Prieſter und Prieſterinen, die zur Klaſſe der Weiſen ge- hören, beſorgen. Den Schluß ihres Götzendienſtes ſollen geſchlechtliche Ausſchweifungen bilden. Die Druſen glau- ben auch eine Art Seelenwanderung, daß nämlich die Guten abermals geboren, die Böſen aber in Hunde und Kameele verwandelt werden. Uebrigens ſind die Druſen ein kräftiger Volks- ſtamm, kriegeriſch und raufluſtig, wofür die beſtändigen Kämpfe mit den Maroniten, ihren nächſten Nachbarn, ein tragiſcher Beleg ſind. Ihre Tracht iſt impoſant und reich: großer Turban, rothe Tunica, weite Pantalon in tauſend Falten, ſeidener Gürtel mit etlichen Dolchen (Handſchar) und Piſtolen. Aus ihren bärtigen Geſichtern und pechſchwarzen Augen ſpricht ungebändigte Kraft und wilde Grauſamkeit. Die Weiber tragen über dem Kopfe ein anderthalb Fuß langes Horn von Silber oder Kupfer, das ſich ein wenig vorwärts neigt, und mit einem weißen Schleier verſehen iſt, der wie ein Bettvorhang zu beiden Seiten hinabfällt, um im Nothfalle die ganze Geſtalt zu bedecken. Es gibt ſo manch' tolle Mode, aber ein lächerli- cherer Kopfſchmuck iſt kaum denkbar. Von den Reiſenden werden die wilden Druſen mit Recht gefürchtet. Wir hatten jedoch gar keine Anſtände mit ihnen, höchſtens daß ſie uns mit finſtern Geſichtern vom Fuß bis zum Kopf muſterten. Je nobler man reist, deſto mehr ſchüchtert man dieſe Leute ein, und inſofern hatte unſer Pomp auch ſein Gutes. Die noch mehr ver- 204 rufenen Secten der diebiſchen Matualis und der abſcheu- lichen Anſarier kamen uns nicht zu Geſichte. Dieſer vierte Tag unſerer Libanonreiſe war der anſtrengendſte, denn wir waren im Ganzen zwölf Stun- den zu Pferd, und auf welchen Wegen! Nach einem zwei- ſtündigen Ritt durch die Ebene machten wir am Fuße des felſenzerklüfteten Berges, deſſen Rücken wir überſchrei- ten ſollten, Halt. Auf einer kleinen Anhöhe lag ein Ma- ronitendorf, in deſſen Nähe wir uns niederließen, um den zurückgebliebenen Caſella und ſeinen Begleiter zu erwar- ten. In der Vorhalle eines Hauſes breiteten die freund- lichen Leute Teppiche aus, um uns darauf niederzulaſſen (denn Seſſel und Bänke ſind nicht gebräuchlich im Orient), auch brachten ſie Trauben, die freilich nicht ganz reif Waren. Als unſere Ankunft im Dorfe bekannt ward, ver- ſammelten ſich viele Neugierige, und leiſteten uns wäh- rend der Collation, die wir uns hier ſchmecken ließen, Ge- ſellſchaft. Das meiſte Aufſehen aber erregte Collega Mayr, der ſich im Angeſichte Aller raſirte. Das ſchien den guten Leuten etwas ganz Außerordentliches zu ſein, weil ſie den Bart für ehrwürdig halten. Einige Mädchen mit edlen Geſichtszügen waren auch unter den Neugieri- gen; als ſie ſich aber beachtet ſahen, verhüllten ſie ſich ſo- gleich. Der Schleier hat für jungfräuliche Seelen viel Gutes, darum empfiehlt ihn auch der Apoſtel. – Inzwi- ſchen war auch Caſella mit dem Jeſuitenpater nachgekom- men. Letzterer trennte ſich hier von uns und ritt mit einem jungen Maroniten nach Zahleh zurück. Nun begann die eigentlich ſchwierige Bergparthie, gegen welche die Beſchwerden der früheren Tage und ſelbſt der olympiſchen Expedition nur eine Kleinigkeit waren. 205 Anfangs zwar trafen wir noch Eichelbäume und kleines Geſtrüppe, bald aber hörten dieſe auf und über nacktes Steingerölle ging es bergan längs furchtbaren Schluchten und trichterartigen Keſſeln, in welchen chaotiſch durchein- ander gewürfelte Steinungethüme lagerten. Und immer höher ging es aufwärts, immer höher, von Anhöhe zu Anhöhe, bis endlich alle Natur erſtorben und verſteinert ſchien. Unſere braven Pferde mußten viel ausſtehen, und doch gingen ſie willig und folgſam vorwärts, mit Vorſicht einen jeden Schritt bemeſſend; den ganzen Tag über be- kamen ſie ein einziges Mal an einer Quelle zu trinken, das war zugleich ihre Nahrung. Man begreift es, wie der Araber ſein Pferd, das ſo ausdauernd und verſtän- dig ſeine Strapazen theilt, wie einen treuen Freund liebt und behandelt. Die arabiſchen Pferde ſind auch milderer Natur, ſie werden nicht leicht ſcheu oder wild, und bedürfen in der Regel weder des Sporns noch eines anderen Reizmittels. Als ich einſt von einem Mucker (Pferdebeſorger) eine „frusta" d. i. Peitſche begehrte, ſagte er mit ſtolzem Ehrgefühle im Namen ſeines Pfer- des: „Es ſteht nicht an darauf." Nach einigen Stunden machten wir kurze Raſt, um uns in Ermanglung von Waſſer oder Wein mit Konjak zu laben. Und nochmal ging es aufwärts, bis wir endlich eine kahle Hochebene erreichten, von der wir in weiter Ferne das in Dunſt gehüllte Meer erblickten. Der Berg- rücken war alſo glücklich erſtiegen, und die hohe Lage machte ſich durch Abkühlung der Temperatur fühlbar. Vieles war nun überwunden, aber das Ärgere kam erſt. Auf eben ſo glatten als ſteilen Wegen ging es jetzt bergab, ein jeder Fehltritt drohte Hals und Bein-zu 206 brechen. Als wir nach längerem Ritt um eine Felſenecke bogen und in die ſich öffnende wilde Gebirgsſchlucht hinab- ſahen, entdeckten wir ein förmliches Beduinenlager, das wir paſſiren mußten. Ich geſtehe, daß ich mehr Beſorgniß als Intereſſe verſpürte. Etwa dreißig mit ſchwarzen Zie- genfellen bedeckte Zelte ſtanden neben und hintereinander, und zwiſchen denſelben campirten im Freien die Pferde; aus der Mitte qualmte dichter Rauch auf. – Je näher wir den Zelten kamen, deſto lebendiger wurde es in den- ſelben. Als wir in der Thalſchlucht ankamen, ſtiegen wir ſogleich vom Pferde, traten unter das erſte Zelt, aus dem uns wahre Rieſengeſtalten entgegenkamen, und grüß- ten nach orientaliſcher Weiſe, indem wir die Hand auf die Bruſt legten und zum Kopfe führten. – Nun hatten wir gewonnen, denn der Beduine hält treu und redlich die Gaſtfreundſchaft. Es entſpann ſich eine originelle Converſation, wobei die Beduinen arabiſch und wir ita- lieniſch, aber noch mehr durch Zeichen ſprachen, weil der Dragoman als Dolmetſch nicht für Alle genügte. Das gab viel Stoff zum Lachen, denn wir verſtanden einander nicht. Zunächſt bewunderten wir ihre Kleidungen, Waffen und Geſchmeide. Die Männer trugen im Gürtel ſilber- eingelegte Piſtolen. Marinelli zeigte ihnen ſeine Piſtole, welche eine Vorrichtung hatte, daß mittelſt eines Druckes vorne ein Stilet hervorſprang, um ſich mit demſelben im Nothfalle zu vertheidigen. Da hätteſt Du die verdutzten Geſichter ſehen ſollen! Ihre Ehrfucht wuchs mit dem Erſtaunen. An der Tracht des Weibervolkes war freilich wenig zu bewundern, denn ſie trugen nichts als ein blaues Hemd von Baumwolle, das um den Leib mit einem ku- pfernen Gürtel befeſtiget und an der Bruſt offen war; 207 dafür hatten ſie zahlloſe Spangen von Silber und Perlen an den Armen, am Halſe, an den nackten Füßen, ſelbſt in das ſchwarze ſtruppige Haar waren Silberpiaſter ein- geflochten. Das bräunliche Geſicht zeigte edle Züge, aber die natürliche Schönheit war durch unnatürliche Täto- wirung entſtellt, denn Stirne, Naſe, Kinn, Wangen, ſogar die Unterlippe war mit phantaſtiſchen Figuren blau be- malt, ſo daß ich anfangs vermuthete, die Leute hätten den Ausſatz. Die Weiber waren feuriger und lebendiger, ja ſelbſt freier und ungenirter als die Männer, es ſchien ihnen gar nicht einzufallen, daß ſie vor Fremden verlegen ſein könnten oder ſollten. Mit ſichtbarer Neugierde beſa- hen und betaſteten ſie Alles, was ihnen an uns neu oder ſonderbar erſchien. Durch die grauen Brillen wollten alle durchſchauen, und als ich bei Vorzeigung derſelben zufäl- lig den Handſchuh auszog, wunderten ſie ſich über die Hand, die freilich etwas weißer war als die ihrige, und ſogleich riefen ſie eine Beduinin herbei, die ſich auf ihren lichteren Teint etwas einbildete, und ich mußte meine Hand in die ſonnenverbrannte der Beduinin legen, welche Ehre ich ſodann auch den Andern erwies, damit ſie nicht eiferſüchtig wurden. – Inzwiſchen hatte ich nur für einen Augenblick einen Sonnenſchirm zur Seite gelehnt – fluggs war er weg, und ich konnte ihn nur gegen Austhei- lung von Backſchiſch an Weiber und Kinder (was ich je- doch nicht der Communkaſſa aufrechnete) wieder erhalten. Der Dragoman, dem die beduiniſche Freundlich- keit doch etwas verdächtig erſcheinen mochte, drängte zum Aufſitzen auf die Pferde und zur Weiterreiſe. Man wollte uns zuletzt mit Kaffee aufwarten, allein wir dankten, gaben den Männern die Hände, ſaßen auf die Pferde und ſprengten davon – herzlich froh, daß wir auf ſolche Weiſe weggekommen waren. 208 Nun ging es fort bis gegen Sonnenuntergang, und zwar ſo ſchleunig als möglich, um noch die Nachtſtation Nahr-Leben (Milchfluß) zu erreichen. Dieſer an ſich kurze Weg war der gefährlichſte. Oft blieb dem Pferde kaum Pfad genug, wo es den Huf hinſetzen konnte; zur rechten Seite gähnte ein Abgrund und zur linken drohte das lockere Felſengerölle uns zu verſchütten. Einmal war dieſer Pfad noch dazu ſo ſteil, daß die Pferde rutſchten. Ein europäiſches Pferd wäre nicht im Stande ſolch' einen Weg zu machen. Gott ſei Dank, wir kamen glücklich an's Ziel. In einer grandioſen Felſenwildniß befand ſich ein baufälliges Häuschen, in welchem drei Brüder eines Ma- ronitenkloſters wohnten, die während des Sommers die Ökonomie beſorgen. Als ſie auf uns zukamen, glaubten wir Mönche des grauen Alterthums zu ſehen, ſo ehr- würdig waren die bärtigen Geſtalten in ſchwarzer Klei- dung mit Kapuze, mit gefurchtem aber zufriedenem Ant- litz. Um das Häuschen herum lagen die wenigen Felder, welche dieſe Mönche während der Sommerszeit für ihr Kloſter bebauen. Alles andere war ſchauerliche Wildniß; die Felſen hatten ſich hie und da losgelöſt und waren in den ſeltſamſten Formen in die nahe Kluft hinabgerollt, über die eine natürliche Rieſenbrücke aus Stein ſich wölbte, welche in Europa als ein Weltwunder angeſtaunt würde. In der Nähe floß in geſchäftiger Eile eine Quelle, die nur 6" R. enthielt. Auch die Temperatur der Luft war von etlichen 30 Graden auf 15 gewichen, ſo zwar, daß wir nicht im Freien unter dem Sternenzelte, wie ge- wöhnlich, ſondern im Inneren unſerer Zelten ſpeiſten. Es war Abend geworden, und der ſanfte Klang des Aveglöckleins der Kloſterbrüder läutete den kommenden 209 Sonntag ein. Nach der glücklichen Vollendung des ſo beſchwerlichen und gefährlichen Tages that dieſer Klang in dieſer hochgebirglichen Abgeſchiedenheit doppelt wohl, und unſere ſtillen Gebete trafen in einem innigen Danke gegen Gott zuſammen, ſich vereinigend mit dem Gebete der Lieben in der Heimat, deren fromme Fürbitte gewiß die Abwendung der ſo drohenden Gefahren bewirkte. - Ja mein Lieber, viele Gefahren waren abgewendet, und doch ſtand mir, ohne es noch zu ahnen, die größte erſt bevor. Ich will mich bemühen Dir eine wahrheits- getreue Schilderung davon zu entwerfen, Du magſt dann ſelbſt darüber urtheilen. Die ungewohnte Kälte auf den hohen Regionen des Libanon, das lange Abwarten unſerer Zelte in der feuchten Abendluft, die übergroße Anſtrengung und Er- müdung, und vielleicht am meiſten noch die unreifen Trauben, die ich Tags zuvor genoßen, verurſachten mir ein Unwohlſein, das meinen ſonſt ſo geſunden und kräf- tigen Organismus durchrüttelte. Es ſtellten ſich alle Vor- boten eines Fiebers ein, das in dieſen Gegenden doppelt zu fürchten iſt, und an eine ärztliche Hilfe war natürlich nicht zu denken. Du kannſt Dir vorſtellen, lieber Freund, mit welch trüben Gedanken und Gefühlen ich erwachte. Es war ein Sonntag (7. Auguſt), und in meiner Mutterdiöceſe zu- gleich das Feſt des Diöceſanpatrons Hippolytus. Mit unläugbarem Heimweh dachte ich an die Feier dieſes Fe- ſtes in St. Pölten, und ſchloß mich im Geiſte demſelben an, da ich weder eine Meſſe leſen noch hören konnte. Das Memento meiner Freunde war mein einziger Troſt. Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 14 210 Es war Zeit zum Aufbrechen. Die guten Eremiten, welche uns freiwillig Alles anboten, was ſie hatten, und ſehr dienſtfertig ſich erwieſen, nahmen reſpektvoll von uns Abſchied, und die Libanonexpedition wurde bergab fortgeſetzt. Ich fühlte mich wohl ſehr ſchwach, aber was war zu thun? Zurückbleiben konnte ich nicht, und ſo be- ſtieg ich im Vertrauen auf Gottes Hilfe mein Pferd, blieb aber ſtets der Letzte in der Karawane. Die Wege wanden ſich oft in ſo bedenklichen Felſenkrümmungen ab- wärts, daß die meiſten der Collegen abſtiegen und das Pferd am Zügel leiteten; ich war zu ſchwach dazu und überließ mich ganz und gar der Geſchicklichkeit meines arabiſchen Braunen. Selbſt der Sonnenſchirm, den ich ge- wöhnlich ausgeſpannt trug, kam mir zu ſchwer vor, und ich band mir daher einen ſchwarzen Schleier um den Turban, um mich gegen die vielen Mücken und Fliegen zu ſchützen. – Von 6 Uhr Früh an ritten wir bis zu dem ausgetrockneten Beete eines Wildbaches, an deſſen ſchat- tigen Ufern wir eine kleine Raſt hielten. Dann ging es wieder vorwärts bis eilf Uhr Mittags, wo wir beim maronitiſchen Dorfe Maſchra anlangten, und die Col- lation einnahmen, von der ich aber keinen Bißen genoß. Ich lag matt und ſprachlos auf den ſpärlichen Matten im Schatten einer ärmlichen Hütte. Die Mittagshitze war groß, das Blut in meinen Adern kochte und glühte, der Kopfſchmerz war unerträglich. Allem Anſcheine nach that mir Ruhe wohl und ohne Zweifel noth. Ich bat daher die Collegen hier längere Zeit zu raſten, da wir ohnehin nur drei Sunden Weges mehr zur Nachtſtation Hariſſa zurückzulegen hatten. Was ich jetzt ſchreibe, mein Lieber, iſt mir eine trübe Erinnerung und vielleicht das größte Opfer, das 211 ich je gebracht. Ich hoffe, Du wirſt mir meine Aufrichtig- keit nicht übel auslegen; ich will auch Niemand hart beur- theilen, ſondern nur die unverblümte Wahrheit ſagen. Ich wollte alſo einige Stunden raſten, um meine Kräfte zu ſammeln; alle Collegen ſtimmten mir bei mit Ausnahme Caſellas, der auf ſeinem Vorſchlage beharrte, nämlich ſogleich fortzureiten, weil die Hitze um drei oder vier Uhr ſtärker als um die Mittagsſtunde ſei. Mit Mühe konnte Mayr von ihm eine Viertelſtunde Aufſchub erlangen. Daß mir dieſe Handlungsweiſe weh that, kannſt Du Dir denken, denn es kam mir vor als wäre ich wenig oder nichts in den Augen dieſes Kaufmannes, weil ich nicht ſo viel Dukaten wie er im Sacke trug. – Alles ſaß bereits zu Pferde, nur ich lag noch am Boden. – Caſella trieb zum Aufbruch, und ertheilte dem Kawaß den Auf- trag bei mir zurückzubleiben. Da raffte ich mich – nicht ohne große Schmerzen zuſammen, und Marinelli hob mich aufs Pferd. Letzterer wollte ſeinem Unmuthe über den etwas rückſichtsloſen Reiſemarſchall, Worte lei- hen, aber ich beſchwichtigte ihn mit den Worten: „Es gibt Siege, die Niederlagen ſind." Weiters ſprach ich kein Wort, aber wenn bei meiner Pilgerreiſe Ein Opfer ver- dienſtlich war, ſo war es, glaube ich, dieſes. Wir ritten auf der Bergeshöhe bis 3 Uhr Nach- mittags, wo wir in Hariſſa ankamen, ich der Letzte. In Hariſſa iſt das arabiſche Noviziat der Franziskaner d. h. die als Miſſionäre nach dem Orient geſchickten Or- densprieſter bereiten ſich hier durch linguiſtiſche Studien auf ihren Beruf vor; wir trafen zwei Tiroler daſelbſt P. Theophilus und P. Heribert. Die Lage des Kloſters iſt wunderſchön und geſund, zu Füßen breitet ſich der ungeheure Meeresſpiegel aus. Die Mönche ſangen eben 14” 212 die Vespern in der Kirche. Der P. Quardian, ein Ita- liener, nahm uns freundlich auf, bewirthete uns mit Li- monade, und ertheilte die Erlaubniß, daß unſere Zelte im Kloſterhofe aufgeſchlagen wurden. Mein Bett wurde zuerſt hergerichtet. Ich legte mich ſogleich nieder, und verfiel in einen langen erquickenden Schlaf – die Fie- berkriſis war glücklich überſtanden. So handgreiflich ver- galt der Himmel das: Abstine, sustine (meide, leide). Am anderen Morgen (8. Auguſt) erwachte ich voll- kommen gekräftigt, und wohnte um 5 Uhr Früh der erſten heiligen Meſſe bei. Ach, ich hatte Gott ſo vieles zu dan- ken! Die Kirche befand ſich dicht neben unſeren Zelten. Dann begab ich mich auf die Terraſſe des Hauſes, wo eine von einer einzigen Rebe gebildete große Laubegaſt- lichen Schatten bot. Gegenüber, kaum zwei Stunden ent- fernt, lag Ghazir, die Studienanſtalt der Jeſuiten, wo P. Ryllo und Dr. Knoblecher ihre arabiſchen Studien machten. Gerne wäre ich dahin, aber die Zeit erlaubte es nicht. – Wir nahmen von dem freundlichen Kloſter, das auf Alle einen guten Eindruck machte, und von dem P. Quardian, der uns mit Gefälligkeiten überhäufte, Abſchied. Auch der Dragoman war zufrieden, denn er verkaufte dem Kloſter die beiden Zelte um 900 Piaſter. Der Weg von Hariſſa zum Meere hinab war ſehr beſchwerlich. Einmal kamen wir zu einer vier Fuß hohen Terraſſe, die alle auf Umwegen umritten; nur Marinelli ſprang mit ſeinem Pferde hinab, und ich ihm nach. Das war mein Meiſterſtück in der edlen Reitkunſt, auf das ich nicht wenig ſtolz bin. Freilich hätte es auch ſchlimm aus- fallen können –, je nun, ich befand mich wieder wohl, und das Glück macht übermüthig. 213 Endlich gelangten wir hinab an den Meeresſtrand und die beſchwerliche Gebirgstour war überwunden. Das kleine Dorf, durch das wir ritten, hieß Djunie, und die Tradition ſagt, daß der Prophet Jonas hier an's Land geworfen wurde. – Wir blickten nochmals nach Hariſſa hinauf und all den vielen maronitiſchen Ortſchaften, Klö- ſter und Kirchlein, die den Libanon ſchmücken. In dieſer herrlichen Natur, die ein ewiger Hymnus auf die Allmacht und Güte des Schöpfers iſt, begreift man das beſchau- liche Leben leichter. Hier unter dieſem biederen und pa- triarchaliſchen Volke einen Sommer zuzubringen, denke ich mir als ein beneidenswerthes Glück. Nun ging es im eiligen Galopp nach Beirut zurück, das ſich im fernen Dunſtkreiſe zeigte. Unſere Pferde ſchienen das inſtinctmäßig zu ahnen, denn ſie lie- fen ſo friſch und hurtig, daß wir äußerſt ſchnell vor- wärts kamen. Der Sand am Meeresufer kam uns gegen die ſteinigen Gebirgspfade wie ein Eſtrich vor, und wir wehrten es den Pferden nicht, die ſich von den heran- ſchäumenden Wogen beſpülen ließen. Ich ſaß feſt im Sat- tel – die Noth lehrt Alles, auch reiten. Bei der Mündung des Hundsflußes, über den eine hohe gewölbte Brücke führt, und der nach ſeinem Beete zu urtheilen im Frühjahr furchtbar wüthen muß, machten wir Halt, um unſere Collation zu verzehren. Wir ſaßen in einer Hütte, durch welche eine Quelle mit köſtlichem Trinkwaſſer floß. In der Nähe gab es luſtige Leute, die eine griechiſche Hochzeit feierten. – Bald nachdem wir wieder aufgebrochen waren, holte uns ein vornehmer Maronit ein, ein junger ſchöner Mann, der ſeine krän- kelnde Schwägerin zu einem Arzt nach Beirut begleitete, und herzlich bedauerte, daß wir ihn im Libanon nicht 214 beſucht hatten. Er ritt lange Zeit in unſerer Geſellſchaft, und tummelte mit Kunſtfertigkeit ſein vortreffliches Roß. Immer näher rückten wir dem Ziele und am ſech- ſten Tage unſerer Expedition um die Mittagszeit kehrten wir nach Beirut zurück. Wir waren Alle geſund, wohlbe- halten und voll Freude, daß dieſer anſtrengende Gebirgs- ausflug uns ſo gut und glücklich gelungen war. Wir ſtiegen beim Jeſuitenkonvente ab, wo uns die Patres die inzwiſchen angekommene Freudenbotſchaft mittheilten, daß P. Beckx aus Wien zum General der Geſellſchaft Jeſu in Rom erwählt worden ſei. Um fünf Uhr Abends waren wir zum Diner beim öſterreichiſchen Generalconſul Baron v. Gödl geladen. Das von einer deutſchen Köchin hergeſtellte europäiſche Diner war ausgezeichnet, und ich ſchreibe demſelben die völlige Wiederherſtellung meiner Geſundheit zu. Mit Champagner wurde auf des Kaiſers Wohl getrunken, und Privatintentionen gab es in Hülle und Fülle. Marinelli, der wegen ſeiner improviſirten Dichtung auf dem Donau- Dampfſchiffe aufgezogen wurde, ließ ſich auch hier nicht ſpotten, und hatte in Schnelligkeit ein Akroſtichon auf die liebenswürdige Hausfrau beiſammen, das von ihm als Toaſt geſprochen wurde, und alſo lautet: - - - - 8atürlich, gemüthlich in Beirut zu ſein - e-em traulichen Kreiſe beim perlenden Wein: - - Zicht möglich! ſo hätt' ich vor Monden gedacht, #uf Ehre doch Sie haben's möglich gemacht. - - - - Nach Tiſch wurde noch Klavier und Cither geſpielt, und erſt gegen eilf Uhr Nachts ritten wir nach Hauſe. Nach dieſer ermüdenden Excurſion hätte uns Ruhe gut gethan; allein dieſe iſt jetzt nicht möglich. Schon heute 215 fährt das franzöſiſche Dampfboot „Leonidas" von hier nach Caifa und wir ſind ſomit gezwungen zu packen und die Gelegenheit zur Weiterreiſe zu benützen. Ohnehin ſind wir mit unſeren Anfangsplänen viel zu ſanguiniſch gewe- ſen, indem wir glaubten, man könne an beliebigen Tagen Schiffe zur Weiterreiſe vorfinden. Dem iſt aber nicht ſo, wie man überhaupt Manches anders findet, als die Phan- taſie im Vorhinein ſich ihr Gemälde entwirft. Vor der Abreiſe nahmen wir noch ein Bad im Meere; die ausgehöhlten Felſen bilden natürliche Wan- nen, in welchen man die Wellen ſanft heranſchlagen läßt; nur die Krebſe und Sepien ſind etwas zu fürchten. – Auch Cedernholz und Cedernzapfen kauften wir uns zum Andenken an die großartige Expedition im Libanon. – Baron von Gödl gab uns beim Abſchiede noch fünf Em- pfehlungsſchreiben mit, und erwies ſich bis zum letzten Augenblick als ſehr gefällig, indem er uns den braven Kawaß Ali zur Einſchiffung mitgab, und die Erlaubniß erwirkte, daß unſere Koffer uneröffnet aus dem Hafen auf das Dampfboot gebracht wurden. – Auch von den Jeſuiten, die mit jedem Tage cordialer geworden waren, nahmen wir mit bewegten Herzen Abſchied. Nun iſt es aber auch höchſte Zeit, daß ich dieſen Pilgerbrief ſchließe. Die angenehmen Rückerinnerungen und Deine bewährte Freundſchaft ſind Schuld, daß er ſo lange ausgefallen iſt. Ich will mich in Zukunft mehr der Kürze befleißen. Lebe wohl, es grüßt Dich vom Libanon Dein 2c. 216 XI. Auf dem Berge Carmel. Der franzöſiſche Dampfer Leonidas. – Ein betrunkener Türke. – Seekrankheit. – Die Küſte Phöniziens. – Das alte Sydon. – Der Held von Saida. – Die Bucht von Caifa. – Der Berg Carmel. – Beſchwerliche Ausſchiffung. – Die erſten Schritte im gelobten Lande. – Die ungeſtümen Araber. – Der öſterreichiſche Conſul. – Elias. – Der Carmeliterorden. – Fra Johann Baptiſta und Fra Carlo. – Das Kloſter auf dem Berge Carmel. – Europäiſcher Comfort. – Zuſam- mentreffen mit Profeſſor Petterman aus Berlin. – Almoſen der Pilger. – Kirche. – Prophetenſchule. – Ein öſterreichiſcher Laienbruder. – Ein Gewaltſtreich des Reiſemarſchall. – Kloſtergedanken auf der Klo- ſterterraſſe. – Die Mutter Gottes auf dem Berge Carmel. – Nach Nazareth. Berg Carmel, 11. Auguſt. Lieber Freund! Dieſe Zeilen ſchreibe ich Dir vom Berge Carmel, dem Wartthurme des Chriſtenthums im Orient, denn das Kloſter auf dem Carmel ſteht wie ein Wachpoſten am Eingang des heiligen Landes. Bevor ich dir jedoch von dem weltberühmten Kloſter ſelbſt erzähle, will ich Dir mittheilen, wie wir hieher gekommen ſind. Wir ſchifften uns, wie Du aus dem letzten Briefe weißt, in Beirut an Bord des „Leonidas", eines Dampf- bootes der franzöſiſchen Meſſagerie ein und zwar nahmen wir Billeten der erſten Klaſſe bis Caifa, weil das Schiff von Leuten und Wollſäcken überfüllt war. Wir bezahlten jeder 37 Franken; der Lloyd iſt billiger. Bevor die Anker gelichtet wurden, ereignete ſich noch ein komiſches Intermezzo mit einem beſoffenen Offi- zier der türkiſchen Armee. Derſelbe hatte kein Billet, 217 wollte aber durchaus mitfahren und nichts zahlen; als man ihn auf einem Boote ausſetzen und an's Land ſchaf- fen wollte, wehrte er ſich mit Händen und Füßen, und nach vielem Geſchrei und Hin- und Herſtoſſen, ließ man ihn auf dem Verdecke liegen und ſeinen Stabsrauſch aus- ſchlafen. Die mitfahrenden Türken ſcandaliſirten ſich mehr an dieſem Vorfalle als die Europäer. Um halb 7 Uhr Abends fuhren wir aus dem Hafen von Beirut, und ſteuerten längs der Küſte des alten Phöniziens nach Caifa. Es war eine unerquickliche Fahrt; denn die Temperatur war im Schiffsſalon und in den Schlafkabinen ſo heiß, daß trotz des künſtlich angebrachten Luftkamines die Schweißtropfen unaufhörlich an Stirne und Händen ſtanden. Dazu kam die fatale Seekrankheit, die mich gleich anfangs befiel, als wir uns eben zum Diner anſchickten. Indeß bei Leidenszuſtänden iſt es ein Troſt Gefährten zu haben. Als ich mich in gebührender Reſignation meinem Schickſale fügte, hörte ich in der Nachbarskabine einen ähnlichen Spektakel, denn Collega Marinelli vollbrachte; er hatte ſchon beim Speiſen alle Farben gewechſelt, und obwohl er mich auslachte, als ich vom Seſſel in die Kabine ſtolperte, ging es ihm bald dar- nach nicht viel beſſer. - In der Nacht paſſirten wir das altberühmte Sy- don, die reiche Hauptſtadt der alten Phönizier, jetzt Saida oder Jean d'Acre genannt, eine unanſehnliche Ruine. Einſt fuhr hier kein Schiff vorüber, jetzt wird es ignorirt, wenn man nicht ausdrücklich fragt darum. So vergeht menſchliche Größe. Im letzten ſyriſchen Feldzug erwarb ſich bei der Beſchießung und Erſtürmung dieſes türkiſchen Ortes der öſterreichiſche Erzherzog Friedrich den Beinamen des Helden von Saida und verſchaffte 218 dadurch Öſterreichs Waffen und Schiffen auch im Oriente ehrenvolle Anerkennung. Als ich beim erſten Morgengrauen auf's Verdeck ſtieg, ſah man bereits das Vorgebirge Carmel, das mit dem nördlich gelegenen Vorgebirge von Saida die zwei Meilen breite Bucht von Caifa bildet. Auf der Spitze des Vorgebirges liegt das berühmte Kloſter der Carmeliten, das uns freundlich zu grüßen ſchien. Wie viele Pilger mögen ſich ſchon bei deſſen Anblick erfreut haben! Der Berg erſcheint kahl, ſteil, weißlich, was über- haupt der Charakter des kalkſteinigen Gebirgszuges längs der ſyriſchen Küſte iſt. Unſer Dampfboot warf faſt eine halbe Stunde vom Lande entfernt Anker, weil die Bucht ſo verſandet und gefährlich iſt. Wir ſchifften in einer Barke aus, konnten jedoch nicht landen, weil die Brandung zu ſtark, und das Waſſer zu ſeicht war. Doch da kam uns die Induſtrie der am Ufer ſtehenden arabiſchen Taugenichtſe ungerufen zu Hilfe. Sie faßten ihre ſpärliche Bekleidung zuſammen, wateten in die Wellen, hielten ſich an der Barke feſt, machten einem mimiſch begreiflich, daß man ſich auf ihre breiten Schultern ſetzen möge, und ſo kamen wir ſämmtlich Huckepak getragen ans Ufer. Ganz ohne Bedenken iſt jedoch ſolch eine Expedition nicht, denn obwohl mich ein feſter Araber packte und ich im Voltigiren nicht unbewan- dert bin, wäre ich doch bald ins Waſſer gefallen. So ſtanden wir denn am Morgen des 10. Auguſt auf dem geſegneten Boden des heiligen Landes. Gott ſei tauſendmal gedankt dafür! Vielleicht hätten die Gefühle uns überwältigt, wenn nicht die ungeſtümen Araber mit ihren proſaiſchen Anforderungen ſich geltend gemacht hätten. Das macht überhaupt die Ankunft in den Hafen- 219 ſtädten ſo unangenehm, daß man dieſem ſchreienden und ſtreitenden Geſindel gleichſam in die Arme geworfen wird, ſo daß es ſchwer zu ſagen iſt, was ärger ſei: dieſe Land- plage oder die Seekrankheit. – Von allen Seiten liſpelte man das holde Wort Backſchiſch, und die Araber, die uns aus der Barke ans Ufer gebracht hatten, verlangten für dieſen Dienſt nicht weniger als 50 Piaſter. Das gab nun einen langen Streit ab, den der inzwiſchen angekommene öſterreichiſche Conſul damit endigte, daß er mit ent- ſchiedenem Ernſte 15 Piaſter ausſprach, womit ſich jene ſchmollend begnügten. Caifa iſt ein kleines Städtchen am Fuße des Ber- ges Carmel mit einigen zerſchoſſenen Zwingern und ver- fallenen Ringmauern, ein muthwilliges Andenken, welches die Engländer aus dem Kriegsjahre 1840 hinterließen. – Wir machten dem dortigen öſterreichiſchen Conſul Scopenich, einem wohlhabenden Kaufmann, der zugleich Lloydagent iſt, einen Beſuch; er iſt ein Dalmatiner, ſeine rieſige Frau eine Croatin. Das Haus des Conſuls ſah ſehr ſtattlich aus und war mit vielen Flaggen geſchmückt. Wir verplauderten eine gemüthliche Stunde bei engliſchem Porterbier, das uns die gut gelaunte Hausfrau vorſetzte, und das meinem ausgehungerten Magen ſehr wohl that. Indeß hatte der Conſul für Pferde geſorgt, um auf denſelben nach dem eine Stunde entfernten Berg Carmel zu reiten, auch erwies er uns die Ehre uns dahin zu begleiten. – Der Weg zieht ſich anfangs über ſandige Felder und zwiſchen alten Ölbäumen dahin, wird aber dann ſehr ſteil, und die Stufen ſind mühſam aus dem Kalkfelſen gehauen. Von Vegetation iſt keine Rede, ſo daß das Lob der Braut im hohen Liede: „dein Haupt iſt wie der Carmel“ (7,5) nicht mehr paſſen würde. Und 220 doch weht einen der Geiſt des alten Teſtamentes an, wenn man erwägt, daß der Prophet Elias hier wohnte, durch ſein Gebet Feuer vom Himmel herabrief und die Baalsprieſter beſchämte. (III. Buch der Könige, 18. Kap.) Dieſe Gegend wurde von jeher als beſonders hei- lig geachtet; die chriſtlichen Anachoreten wohnten einſt zu Hunderten in den zahlreichen Grotten des Berges, und kamen nur zum gemeinſchaftlichen Gebete in der Mutter- gotteskapelle zuſammen. Hier entſtand der ſtrenge Car- meliterorden, der 1209 vom Pabſte approbirt wurde, und ſeither den Berg Carmel, wo die Mutter Gottes mit dem Scapulier erſchienen, als ſein vorzüglichſtes Heiligthum bewacht und verehret. Seit den Kreuzzügen waren ſie immer im Beſitze eines Kloſters auf dem Berge, bis es Abdallah Paſcha im Jahre 1821 in einem Wuthanfalle zerſtören ließ. Wo früher die Mönche bete- ten, hauſten ſeitdem wilde Thiere, und das Kloſter war ein Trümmerhaufen. Da wurde von Rom aus der fromme und geſchickte Ordensbruder Johann Baptiſta nach dem Berge Car- mel geſchickt, um das Kloſter wieder aufzurichten, und der ſchlichte Frater vollendete, was faſt unmöglich ſchien. Er erwirkte einen Ferman des Sultan, durchreiſte zwei- mal ganz Europa, Almoſen für den Bau des Kloſters und der Kirche ſammelnd, und ſo reichlich floßen dieſe an den Höfen der Könige wie in den Paläſten der Rei- chen aller Confeſſionen, daß der ehrwürdige Kloſterbru- der, der ſelbſt den Baumeiſter machte, ſein Werk begin- nen konnte. Aus den Ruinen erhob ſich bald ein ſchloß- ähnliches Gebäude, ebenſo geeignet ſich darin gegen Feinde und wilde Thiere zu vertheidigen, als fremde 221 Pilger gaſtfreundlich aufzunehmen und zu bewirthen. – Liebe iſt That! – Auch das Lob Mariens ertönte wieder in der neuerbauten Kirche, und dankend rühmt es ihm jed- weder Pilger nach, daß er hier an der Schwelle des heili- gen Landes eine friedliche Einkehr findet, und ſich gewiſ- ſermaßen heimiſch findet, weil ganz Europa an dem edlen Werke mitgearbeitet hat. Frater Johann Baptiſta erlebte noch die Vollendung desſelben, denn er ſtarb erſt vor zwei Jahren und liegt unter dem Hochaltar zum ewigen Ge- dächtniß begraben. – Jeder Pilger hat das Recht drei Tage hier zu verweilen, und erhält noch die nöthigen Le- bensmittel beim Abſchiede; es iſt dem Belieben der Pilger anheimgeſtellt für die Verpflegung im Kloſter ein Almo- ſen zurückzulaſſen, von dem die Nachfolgenden zehren. An der Kloſterpforte empfing uns Fra Carlo, ein fein gebildeter Ordensmann, der während des Baues eine Reiſe durch den größten Theil Europas machte, weil die geſammelte Summe nicht ausreichte. Fra Carlo iſt jetzt über 50 Jahre alt, ſpricht franzöſiſch und italieniſch, und kennt die meiſten hervorragenden Perſönlichkeiten Euro- pas. – Der freundliche Empfang des gottesfürchtigen Mönches in dieſem Lande war wohlthuend. So mag es im Mittelalter geweſen ſein: wir baten nicht um Gaſt- freundſchaft, ſondern ſie wurde uns angetragen. Man führte uns in ein geräumiges Empfangszim- mer, wo alsbald einige Erfriſchungen nach europäiſcher Manier ſervirt wurden. Zu unſerer nicht geringen Über- raſchung und Freude trafen wir hier einen deutſchen Rei- ſenden, nämlich Profeſſor Pettermann aus Berlin, deſ- ſen arabiſche Grammatik ich als Theologe ſtudiert hatte. Er war eben aus Naplus gekommen, wo er unterſtützt von dem preuſſiſchen König die Spottgedichte der Sama- 222 riter auf die Chriſten geſammelt hatte. Er reiste jedoch ſchon in der nächſten Stunde in die Heimat ab.– In dem Zimmer lag ein Fremdenbuch auf, das viele Autographen berühmter Perſönlichkeiten enthielt, leider aber durch Bemerkungen ſcandalſüchtiger Federn entſtellt war. Im Gaſttracte wurden uns drei freundliche Zim- mer, die mit allem wünſchenswerthen Comfort verſehen waren, angewieſen. In den eiſernen Betten befanden ſich famoſe Matratzen, und reines Linnenzeug, da waren Ti- ſche, Käſten, Waſchapparate, ſogar ein Stiefelzieher. Wir dünkten uns Fürſten zu ſein. Wahrlich, man muß manche Wohlthaten auf einige Zeit entbehren, um ſie doppelt ſchätzen zu lernen. Es heimelte uns vom erſten Augen- blicke hier an, und Geiſt, Gemüth und Körper ſammelten neue Kräfte. Um eilf Uhr Mittags hielten wir eine herrliche Collation, bei welcher uns Fra Carlo und P. Prior, der die an ihn gerichteten Empfehlungsſchreiben gar nicht öffnete, Geſellſchaft leiſteten, ohne jedoch mitzuſpeiſen. Dieſer richtige Tact gefiel mir. Koſt und Bedienung wa- ren wie in einem guten europäiſchen Hôtel. Die Geiſtli- chen erzählten uns, daß jetzt in Folge der Dampfſchiff- fahrten die Zahl der Pilger ſich ungemein mehre, ſo daß die bisherigen 9 Fremdenzimmer nicht mehr genügen und eine Erweiterung des Kloſterbaues nothwendig ſei. Zu dieſem Behufe lag ein Sammelbogen auf. Gewiß trägt jeder Reiſende gern ſein Scherflein bei, denn auch er zehrt ja vom Almoſen, das ſeine Vorfahren hinterließen. Nach den nothwendigen Stunden der Ruhe beſahen wir den Konvent und die Kirche. Letztere iſt eine Rotonda und ſteht über der unterirdiſchen Eliasgrotte, die von Türken und Chriſten gleich verehrt wird; das Altarblatt 223 ſtellt den h. Ludwig vor, der auf ſeinem Kreuzzuge auf dem Berge Carmel war. – Dann beſuchten wir in Be- gleitung des Conſuls und eines Laienbruders die ſoge- nannte Prophetenſchule am Fuße des Berges, eine geräumige Felſenhöhle, die jetzt den Türken gehört, von denen ſie ſehr verehrt wird. – Der Reiſemarſchall übte hier wieder einen Gewaltſtreich aus. Da ihm das Beſtei- gen des Berges für ſeine Perſon zu beſchwerlich ſchien, ſo ſchickte er einen Diener ins Kloſter hinauf, um ihm das Pferd des Conſuls herabzubringen, gleichſam als ob dieſer ein Pferdehändler wäre; erſt nachdem er fortge- ſchickt hatte, ſagte er es dem viel älteren Conſul, der zu Fuß uns begleitete, und darüber nicht minder paff war als wir ſelber. - - Auf dem Rückwege ging ich mit dem Laienbruder, einem Deutſchböhmen, der lange Zeit in meiner Vater- ſtadt Krems als Tiſchlergeſelle gearbeitet hatte. Auf ſei- ner Wanderſchaft kam er nach Rom, wo er als Laienbru- der in ein Carmelitenkloſter trat, und ſich nach mehreren Jahren die Gnade erbat nach dem Berge Carmel geſchickt zu werden. Der kleine ſchlichte Mann ſah ſehr ruhig und zufrieden aus, und meinte ſein einziger Wunſch ſei: hier zu ſterben. – Er führte mich Abends auf das flache Dach des Kloſters hinauf, von wo man eine prachtvolle Rund- ſchau über die nächſte Umgebung und das weite Meer ge- nießt. Die Sonne tauchte ruhig hinab in die blauen Flu- then des Meeres, und lange ſtand ich ſinnend auf der Terraſſe und genoß die wundervolle Ausſicht. Es war ringsherum Ruhe und Stille, nur die heranbrauſenden Wogen des Meeres, die ſich am Ufer brachen, ſtörten die- ſelbe. So, dachte ich, muß es in einem Gemüthe ausſe- hen, das mit der Welt abgeſchloſſen und Gott ſich ganz 224 hingegeben hat, wie z. B. bei dieſen Carmelitermönchen. Sie hören wohl auch das Sauſen und Brauſen der tobenden Stürme, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie darüber erha- ben ſtehen, während wir Weltleute nur zu oft davon be- täubt und übertäubt werden. „O sacra solitudo, vera beatitudo!« Die Nacht war minder gut, als wir erwarteten; faſt ſchien es als ob wir die guten europäiſchen Betten entwöhnt hätten. Wachhunde bellten, Schakale heulten. Wir ſtanden ſehr früh auf, um die h. Meſſe zu leſen. Der Laienbruder aus Deutſchböhmen miniſtrirte mir. Beim Evangelium zog er den Vorhang von der ſchönen Statue der Mutter Gottes vom Berge Carmel und beleuchtete ſie. Ich war beim heiligen Opfer ſehr ergriffen, be- ſonders beim Memento. Ach, wie viel danke ich den Schriften der heiligen Thereſia, dieſer hochgelehrten Frau des ehrwürdigen Carmeliterordens! Noch lange nach der Meſſe kniete ich im Schiffe der Kirche – es waren weihe- volle Augenblicke der Gnade. Entſchuldige, mein Lieber, daß ich hier abbreche; aber ich muß mich reiſefertig machen, denn in einer hal- ben Stunde reiten wir nach Nazareth. Freue Dich mit Deinem Freunde 2c. - SGÄSc6FEN- 225 XII. Bom Carmel nach Mazareth und zurück. Beſchreibung der Karawane. – Die Ebene Esdrelon. – Warum die fruchtbare Gegend ſo unfruchtbar iſt. – Räuberdörfer. – Ein ausge- plünderter Kawaß. – Beſchützung einer chriſtlichen Braut. – Thierquä- lerei. – Abenteuer zu Pferd und Eſel. – Italieniſcher Dialog eines Deutſchen mit einem arabiſchen Buben. – Ein quaſi-ſamaritaniſcher Act. – Collation bei den fünf Feigenbäumen. – Das freundliche Ge- birgsſtädtchen Nazareth. – Ein Tiroler als Quardian. – Das Haus der heiligen Jungfrau. – Die h. Grotte der Verkündigung. – Vor- feier des Clarafeſtes. – Ave Maria. – Die Franziskaner. – Der ſtei nerne Abendmahltiſch. – Marienbrunnen. – Die Zimmermannswerk- ſtätte des heil. Joſeph. – Proteſtanten. – Unruhige Nacht. – Die Frauen von Nazareth. – Ausflug auf den Berg Thabor. – Panorama. – Via paurosa. – Aehnlichkeit mit dem Waldviertel. – Samum.– Stadt Tiberias. – Eine jüdiſche Herberge. – Bad im See Geneſareth. – Ein orientaliſcher Faſttag. – Unvergeßliche Nacht. – Kirchlein zu Ehren des h. Petrus. – Berg der wunderbaren Speiſung. – Berg der Seligkeiten. – Das Dörfchen Cana. – Collation auf einem Feigen- baume. – Nicht durch Samaria. – Rückkehr nach Caiffa. – Paradie- ſiſche Träume auf dem Berge Carmel. – Vorfeier des Feſtes Maria Himmelfahrt. Nazareth, 13. Auguſt. Lieber Freund! Am 11. Auguſt verließen wir am frühen Morgen das Kloſter auf dem Berge Carmel, um nach dem Städt- chen Nazareth zu reiten, das ſieben Stunden von Caiffa entfernt im nördlichen Galiläa liegt. Nazareth! Wer hört dieſen Namen, ohne daß die zarteſten Gefühle einer from- men Jugendzeit wachgerufen werden? Es zog auch uns mit ſanfter Gewalt an dieſen Ort, wo der göttliche Erlö- Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 15 226 ſer ſeine Kindesjahre und den größten Theil ſeines Le- bens im elterlichen Hauſe zugebracht. Doch ich will Dir die ganze Reiſe vom Anfange an ſchildern. Wir ritten zuerſt vom Kloſter Carmel nach Caiffa hinab und machten beim Hauſe des Conſuls Halt, weil ſeine Frau den Wunſch geäußert hatte mitzureiſen. Allein das Rieſenweib hatte über Nacht ein heftiges Un- wohlſein befallen, worüber ſie ganz kleinlaut war: ſo ſchnell beugen Leiden menſchliche Größe. Der Conſul gab uns etliche Flaſchen Bier als Labetrunk, und zwei Kawaſ- ſen als Bedeckung mit. Außerdem waren in unſerem Ge- folge 1 Dragoman, 2 Mucker und ein zehnjähriger Knabe, der auf einem Eſel ritt, und mit den Muckern unſere Pferde beſorgte. So verließen wir die Stadt und bogen dann längs eines ausgetrockneten Flußbettes in die Ebene Esdrelon ein, ein weites fruchtbares Thal, das aber größtentheils wüſt und öde iſt. Die Urſache, warum der ſo üppige Bo- den brach liegt, iſt theils die Unthätigkeit des Paſcha, wel- chem der meiſte Grund und Boden gehört, theils die Ar- muth und Faulheit der geringen Bevölkerung. Chriſten dürfen ferner nach dem Geſetzeslaut kein Eigenthum be- ſitzen, und endlich erlauben ſich die Beduinen das reifende Getreide abzuſchneiden und die Ernte zu plündern. Wer kann ſich da wundern, wenn außer dem nöthigſten Ge- treide nur ein bischen Baumwolle und Tabak gepflanzt wird? Das iſt aus dem gelobten Lande geworden! Wir waren Alle trotz der Hitze guten Muthes; ſelbſt die unheimliche Nähe einiger Räuberdörfer jagte uns nicht beſondere Beſorgniß ein. Deſto mehr Furcht zeigten unſere beiden Kawaſſen, die entweder mehr Erfahrung hatten oder Haſenfüſſe waren. Beſonders dem einen, der 227 erſt vor etlichen Tagen auf dem Wege nach Cäſarea, wo- hin er einen Juden begleitete, von Beduinen nackt ausge- zogen und ſeines Pferdes beraubt worden war, mußten wir Muth zuſprechen. Den Verluſt ſeines Pferdes ſchien er gar nicht verſchmerzen zu können. Nach einer Stunde holten wir eine kleine Kara- wane ein, die aus einer verſchleierten Frau und zwei Die- nern beſtand, denen man die Furcht anmerkte, die ſie hat- ten. Als wir ruhig vorüber ritten, ließ uns die Frau durch den Dragoman erſuchen, ob ſie ſich nicht unſerer Geſell- ſchaft anſchließen dürfte, weil die Gegend unſicher ſei? Caſella, der Reiſemarſchall, ſchlug es rund ab, weil wir in Folge deſſen langſamer reiten müßten; indeß ſiegte doch das beſſere Gefühl des Mitleids bei allen Reiſecollegen, und ſo erlaubten wir der verſchleierten Frau, die eine chriſtliche Braut aus Nazareth war, uns zu folgen, wofür ſie uns ſpäter eigens danken ließ. Einen Zwiſchenfall will ich Dir nicht verſchweigen, weil er, ich möchte ſagen, etwas Bibliſches an ſich hat. Da ich in der Hippologie gänzlich unbewandert bin, ſo ließ ich in der Regel die ſachverſtändigen Collegen zuerſt die Pferde wählen und behielt mir, was zuletzt übrig blieb. Manchmal gewann ich dabei, dießmal aber war die von Allen verſchmähte Roſinante wirklich ein abgeſtandener eigenſinniger Gaul, der gegen alle Schläge und Worte gleichgiltig war, ſo daß der zehnjährige Bube auf ſeinem Eſel ſchneller vorwärts kam als ich mit dem arabiſchen Schimmel. – Da trug ich dem Buben einen Tauſch an und beſtieg den Eſel. Doch der Menſch entgeht ſeinem Schickſale nicht. Der Eſel wollte mit meiner Laſt nicht mehr ſo laufen wie es ihm früher beliebte, und als ich dem arabiſchen Buben meine Klagen mittheilte, gab er 15 * 228 mir einen ſpitzigen Dorn mit dem Bedeuten, ich ſolle da- mit das Thier am Halſe ſtechen, um es zum Laufe anzu- treiben. Allein wäre ich auch nicht Mitglied des Anti- Thierquälerei-Vereines geweſen, ſo hätte ich mich zu die- ſem grauſamen Acte unmöglich verſtehen können, weil der Eſel ohnehin ſchon am Halſe und Nacken blutig zerſchun- den war. Ich ſtieg alſo wieder vom Eſel ab, und ſchwang mich auf den lakoniſchen Schimmel. – Weiß der Himmel – riß jetzt dem Buben der arabiſche Geduldsfaden oder – kurz er verſetzte dem Schimmel mit einem Prü- gel ein paar ſo entſchiedene Hiebe, daß dieſer darüber er- boßt mit den Hinterhufen heftig ausſchlug – wenig hatte gefehlt, ſo wäre ich aus dem Gleichgewichte gekommen und herabgefallen. Doch die Aufregung war nur vorüber- gehend, der Gaul erholte ſich von ſeiner Anſtrengung und behielt ſeine vorige Ruhe bei, geſtattete mir auch unange- fochten abzuſteigen und nach dem Buben umzuſchauen, der von einem Hufe am rechten Oberarm getroffen wor- den war, ſo zwar, daß er einen gellenden Schrei ausſtieß und halb bewußtlos niederſank. Ich ging theilnehmend zu ihm hin, hatte aber leider für den Augenblick gar nichts bei mir, womit ich ſeinen Schmerz hätte lindern können, Doch gab er endlich meinen guten Worten (warum ich mit dem Buben italieniſch ſprach, weiß ich nicht) nach, ſtand weinend und wimmernd auf, und ſo ritten wir als Nachzügler der Karawane weiter. – Das Unglück hätte indeß viel ärger ausfallen können, denn wir befanden uns in einem Walde, der wegen ſeiner Unſicherheit verrufen war; der von den Collegen zurückgeſchickte Kawaß hätte uns leicht auch nicht mehr treffen können. Bei den fünf Feigenbäumen hielten wir Raſt und ließen uns die Collation unter freiem Himmel ſchmecken: 229 Käs, Brod und Wein, wozu einige Araber aus der Nach- barſchaft Waſſer brachten, bei welcher Gelegenheit ſie Mayr's ledernen Trinkbecher ſtahlen. Ich theilte faſt je- den Biſſen mit dem arabiſchen Buben, und da ich in meinem ReiſeſackArnicatinctur mitführte, ſo wuſch ich ihm damit die aufgeſchwollene Quetſchung, nahm in Er- manglung einer Leinwandbinde den Verband von meiner Libanon-Wunde herab und applizirte ihn dem Bleſſirten. Die (relativ) kalten Umſchläge, die ich oft wiederholte, thaten ihm ſehr wohl, und da ich überdieß noch einiges Bakſchiſch gegeben hatte, ſo hörte ich den Buben nicht mehr klagen. Schelte mich, lieber Freund, nicht eitel – aber ich dachte an den Samaritan im Evangelium. Nach 8 beſchwerlichen Stunden erblickten wir von einer Anhöhe – unten im Keſſelthale an den Berg ange- lehnt – das freundlich gelegene Städtchen Nazareth mit ſeinen terraſſenförmig übereinander ſich erhebenden Häu- ſern, alle ſo weiß wie die Kalkfelſen, welche ſie umringen. Es iſt ſchwer die Gefühle zu ſchildern, die meine Seele bei dem Anblick dieſer erſten Stadt des heiligen Landes hegte, jenes hochbegnadigten irdiſchen Ortes, wo im Schooße der allzeit reinen und unbefleckten Jungfrau der Sohn Gottes Menſch geworden iſt. Überall, wohin das Auge ſchaute, war es von dem Gedanken begleitet: Hier brachte der göttliche Erlöſer die Jahre ſeiner Kind- heit und den größten Theil ſeines Lebens zu! Ungehindert zogen wir durch das Stadtthor ein, ritten durch einige unregelmäßige Straſſenwindungen berg- ab, und langten um halb 3 Uhr auf einem freien Platze an, wo das Fremdenhoſpiz der PP. Franziskaner, ein einſtöckiges Haus, ſich befindet. – Die Aufnahme war hier eine doppelt freundliche, da der Quardian, P. Wolf- 230 gang, ein deutſcher Landsmann, ein biederer Tiroler war. Ach wie froh war ich und wie herzlich ſagte ich: Deo gratias (Gott ſei Dank)! Wenn im Orient die Hospize der Klöſter nicht wären, wie zehnmal ſchwieriger wäre das ohnehin ſo beſchwerliche Reiſen daſelbſt, und wie ſehr lernt man da die chriſtliche Gaſtfreundſchaft ſchätzen! Nach einer Raſt von etlichen Stunden, machten wir uns auf, um die nahegelegene Kirche zu beſuchen. Den Platz überſchreitend kamen wir zu einer 10“ hohen Mauer, durch welche ein kleines eiſenbeſchlagenes Thor in den Hofraum des Franziskanerconventes führte, noch einige Schritte –, und wir ſtanden vor der Kirche, die über dem einſtigen Hauſe der allerſeligſten Jungfrau erbaut iſt. Eine heilige Scheu bemächtigte ſich meiner, als ich die Schwelle jenes Heiligthumes betrat, wo der Engel des Herrn Maria die Botſchaft brachte, und ſie vom heiligen Geiſte empfing ſprechend die inhaltsſchweren Worte: „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geſchehe nach deinem Worte" (Luc. 1, 26 ff). Es war eben feierliche Vesper zu Ehren des mor- gigen Ordensfeſtes der h. Klara, und die majeſtätiſchen Orgelklänge vermiſchten ſich mit dem erbaulichen Chorge- ſange der Mönche. Seit Wien hatten wir den Klang der Orgel nicht mehr gehört. Unwillkührlich ſanken wir auf die Kniee und beteten die Worte des Pſalmes mit: „Lae- tatus sum in his, quae dicta sunt mihi, in domum Domini ibimus“ (Ich freue mich, daß man mir ſagte: Laſſet uns gehn zum Hauſe des Herrn. Pſalm 121, 1.)– Hier ſtand ja das Haus des Herrn, bis es einer wohlverbürgten Legende zufolge im Jahre 1291 nach Dalmatien und von dort nach Loretto in Italien übertra- gen wurde. – Die Kirche, die an der Stelle des einſtigen 231 Hauſes Mariens ſteht, iſt mehr breit als lang und be- ſteht ſo zu ſagen aus drei Stöcken. Von der eigentlichen Kirche, wo andächtige Männer und Frauen auf dem Mo- ſaikboden ſaßen und beteten, führen zu beiden Seiten Stiegen zum höher gelegenen Presbyterium hinauf, und ebenſo führt eine Stiege mit 18 Stufen zur heiligen Grotte hinab, die unterhalb des Presbyteriums ſich be- findet, und dieſelbe iſt, in welcher das Geheimniß der Menſchwerdung des Sohnes Gottes vor ſich ging. Sie war von großen ſilbernen Lampen erleuchtet, und ein zar- ter Weihrauchduft erfüllte dieſelbe. Als wir ſo in Gedanken verſunken waren, da er- ſchienen die Prieſter im kirchlichen Ornate am Altare, und zogen mit brennenden Kerzen – ſingend und betend zur hei- ligen Grotte hinab. Wir folgten, und ſo ſtanden oder knie- ten wir vielmehr an jener ewig merkwürdigen Stelle, wo der Erzengel Gabriel mit den Worten grüßte: Ave Ma- ria! Dieß war das einzige Gebet, das ich hier ſtammeln konnte. Wie niemals noch – erkannte und fühlte ich die hohe Stellung der heiligen Jungfrau im Erlöſungswerke, und die tiefe Begründung der katholiſchen Marienvereh- rung. O ihr Spötter über das Roſenkranzgebet, kommet hieher und machet an euch ſelbſt die Erfahrung, wie der inhaltsvolle Gruß des Erzengels euch fort und fort auf den Lippen ſchwebt, und wie einfach und natürlich deſſen Wiederholung iſt. Ja, lieber Freund, ich muß Dir geſte- hen, daß ich lange Zeit kein Gebet über die Lippen brachte, und nur fort und fort derſelbe inhaltsſchwere Himmels- gruß meinen Geiſt beſchäftigte. Alle Gedanken, alle Worte, alle Gefühle lösten ſich in die Eine große Wahr- heit auf, die am Altare mit großen Goldbuchſtaben ge- ſchrieben ſtand: „Verbum caro hic factum est – das 232 Wort iſt hier Fleiſch geworden.“ Dieſe Worte ſagen Alles. Daß ich in ſo gehobener Stimmung auf Dich, mein Lie- ber, nicht vergaß, kannſt Du Dir denken. Wir blieben ziemlich lange im Gebete verſunken – Augenblicke der Gnade, die man nie vergeſſen kann. Wie Wenige haben das Glück hier an Ort und Stelle zu knieen! Auf der Rückſeite des Altars befindet ſich ein ſchö- nes Bild vom berühmten Overbeck, die heilige Familie darſtellend. Die Franziskaner von Nazareth haben den ausſchließlichen Beſitz der ganzen Kirche, was bei keinem andern heiligen Orte Paläſtinas der Fall iſt. Dieß macht einen wohlthuenden Eindruck. Die Kirche wurde oft zer- ſtört, und erſt ſeit 1620 ſo hergeſtellt, wie ſie jetzt iſt. Aber wie kommt es, daß die Grotte unterirdiſch iſt? Derlei Grotten befinden ſich unzählige in dem Kalkſtein- gebirge, und ſie werden noch jetzt in vielen Häuſern als die innerſten Gemächer benützt, an die das Haus gleich- ſam angebaut iſt. Auch die Grotte von Nazareth ſteht durch einen künſtlich in den Felſen gehauenen Gang mit dem Franziskanerconvente in Verbindung. Wir folgten der freundlichen Einladung des P. Quardian in das ge- räumige und gut gebaute Kloſter, worin 12 Mönche woh- nen. – Die katholiſche Gemeinde von Nazareth iſt arm und zählt 600 Seelen unter 3500 Einwohnern. Die Franziskaner ſtehen in Anſehen auch bei den Türken. Alle Müdigkeit vergeſſend machten wir uns ſogleich daran, die anderen traditionellen Merkwürdigkeiten von Nazareth in Augenſchein zu nehmen, um ſo mehr als der liebenswürdige P. Quardian uns ſeine Begleitung anbot. Zuerſt begaben wir uns zu dem ſteinernen Tiſch, auf welchem der göttliche Heiland mit ſeinen Jüngern nach der Auferſtehung das h. Abendmahl feierte; eine ärmliche 233 Kapelle, in der manchmal Meſſe geleſen wird, wölbt ſich über demſelben. Die Ehrfurcht des wiewohl unanſehnli- chen Ortes hatte etwas Überwältigendes. Da jede der heiligen Stätten mit Abläſſen begnadigt iſt, ſo betet man an denſelben wenigſtens ein Vater unſer mit Gloria Pa- tri – Auf einem freien Platze außer der Stadt be- findet ſich der Brunnen, bei welchem die Mutter Got- tes Waſſer zu holen pflegte. Die Griechen haben in der Nähe eine ſchöne Kirche gebaut, die ein weiblicher Sakriſtan öffnete, der uns gegen ein Bakſchiſch grie- chiſche Hoſtien zum Geſchenke gab. Hinter dem Altar iſt eine Ziſterne, aus der wir tranken. – Der Weg zum Haus des h. Joſeph führte durch's türkiſche Quartier, in welchem einige gefallene Äſer herumlagen, die einen verpeſtenden Geſtank verbreiteten. So nahe iſt das Un- heilige dem Heiligen. Die einſtmalige Zimmermannswerk- ſtätte iſt ein ärmliches halbverfallenes Locale. An all die- ſen Orten ſtanden einſt großartige Kirchen, welche durch die Freigebigkeit der griechiſchen Kaiſer und der ſpäteren Kreuzfahrer erbaut wurden; jetzt ſind es nur kleine äußerſt ärmliche Kapellen, in denen zu Zeiten Meſſe geleſen wird. Als wir durch die engen Straſſen zogen, zeigte uns der freundliche Führer auch das proteſtantiſche Bethaus, das erſt ſeit Kurzem beſteht. Die proteſtantiſchen Emiſ- ſäre kamen nämlich auch nach Nazareth, um unter den Katholiken Proſelyten zu machen. Der frühere Dragoman des Kloſters, ein leichtes Subject, welches eben wegen Untreue ſeines Dienſtes entlaſſen worden war, ſchloß ſich – um an den Religioſen Rache zu nehmen, an die kleine Gemeinde an, deren bezahlter Vorſtand er wurde. Die mei- ſten der durch Geld Gewonnenen kehrten jedoch bußfertig zur Kirche zurück, und gegenwärtig iſt die Gemeinde auf 234 ein Individuum zuſammengeſchmolzen. Solche Glaubens- ſpaltung thut doppelt weh an einem ſo heiligen Orte. Es war ſchon 7 Uhr Abends, als wir in das Frem- denhospiz wieder zurückkamen, wo der uns bedienende Fra Santo mit ſeinem arabiſchen Adjunkten Nunzio indeß für das Eſſen geſorgt hatte. Wir ſpeisten in Geſellſchaft eines Emigrirten aus Livorno, der hier als Arzt der türkiſchen Armee figurirt, an einer langen Tafel. Die Koſt war minder gut, das Beſte waren weiche Eier. – Nach Tiſch ſtiegen wir auf das flache Dach des Hauſes hinauf, um eine Überſicht über Stadt und Umgebung zu gewinnen und den herrlichen Abend zu genießen. – Die Nacht war ſehr unruhig, denn es wimmelte vom Unge- ziefer. Mein Schlafcollege Marinelli machte zu wieder- holten Malen Jagd auf die in der alten Bettdecke verſteck- ten Blutſäuger; als er aber die zahlloſe Brut entdeckte, gab er das Geſchäft auf. Auch war die Schwüle uner- träglich. – Nach ſo großen Strapatzen nicht ſchlafen zu können, thut weh: allein wer möchte an einem ſo heiligen Orte klagen? Ein Pilger, der Bequemlichkeit ſucht, möge lieber zu Hauſe bleiben. Der folgende Tag (12. Auguſt) war zu einem großartigen Ausflug zum galiläiſchen Meere beſtimmt. Deßhalb ſtanden wir ſehr früh auf, und Ehon um halb 5 Uhr las ich in der oben beſchriebenen Grotte der Ver- kündigung die h. Meſſe. Welch ein Glück! Immer ſchwebte der Gedanke vor mir: das Wort Gottes iſt hier Fleiſch geworden! Es war ſo ſtill und friedlich, ſo duftend und geheimnißvoll wie in dem Kämmerlein einer gottgeweihten 235 Jungfrau. Bei meiner Meſſe communizirten ſieben Klo- ſterbrüder, die rings um den Altar knieten. Solch ein Ein- druck bleibt unvergeßlich! Ich blieb noch bei der Meſſe Marinelli's, denn die Kirche von Nazareth hat ſo etwas magnetiſch Anziehendes, daß man ſich nur ungerne davon trennt. Nach eingenommenem Frühſtück verſah uns der P. Quardian noch mit Proviant, gab uns den verläßlichen Dragoman des Kloſters auf den Weg mit, und wünſchte uns eine glückliche Rückkehr. Um 6 Uhr Morgens verlie- ßen wir Nazareth. Der Kawaß von Caiffa trug mir ſein Pferd zum Tauſche an, weil ich über den geſtrigen Schim- mel ſo klagte. – Als wir zur Stadt hinausritten, begeg- neten uns viele Frauen und Mädchen aus Nazareth, welche von der Marienquelle Waſſer holten, den Krug auf der Schulter tragend; ſie hatten edle, ernſte Züge, brünetten Geſichtsteint, ſchwarzes gekräuſeltes Haar, und bei aller Verwahrloſung in der Kleidung eine ganz eigen- thümliche Anmuth. Die Nazarethanerinen wollen behaup- ten, daß ſie dieſen Vorzug der heiligen Jungfrau verdan- ken. Jedenfalls mögen ſie ſtolz darauf ſein, daß eine ih- res Geſchlechtes ſo voll der Gnaden gefunden wurde, daß ihr eine hervorragende Stelle in dem großen Werke der Welterlöſung zu Theil ward. Durch Maria iſt das weib- liche Geſchlecht aus der Verſunkenheit ſeiner Exiſtenz ge- hoben worden. Das erſte Ziel der Expedition war der Berg Tha- bor. Schon von weitem fällt dieſer Berg durch ſeine breitgedrückte Kegelgeſtalt auf, denn er beherrſcht ganz Galiläa, in deſſen Mitte er liegt. Nach etwa 3 Stunden auf angenehmen breiten Thalwegen langten wir am Fuß des Berges an. Er erhebt ſich frei aus der Ebene, fällt 236 nach allen Seiten gleich ſteil ab, und bildet am Scheitel eine länglich runde Hochebene. Eichen, wilde Piſtazien und dichtes parkähnliches Geſträuche beleben den Thabor bis zum Gipfel hinauf. Da die übrigen Berge kahl ſind, ſo gewinnt der Berg der Verklärung, der von Natur aus dazu geſchaffen ſcheint, an vortheilhaftem Proſpecte. – Ein Drittel des Berges, auf deſſen Gipfel wir eine Stunde brauchten, ging ich zu Fuß, denn wenn auch der heutige Gaul etwas beſſer als der geſtrige war, ſo war doch ein anderer fataler Umſtand, nämlich daß beim Berg- aufreiten der lockere Sattel ſich zurückſchob, ſo daß ich ganz zu hinterſt zu ſitzen kam, wogegen auch der leidige Troſt nichts half, den man mir gab, daß nämlich beim Bergabreiten der Sattel wieder vorwärts rücken werde. Die Hochebene des 1800 hohen Berges beträgt eine halbe Stunde im Umfange. Einſt ſtanden dort Kirchen und Caſtelle, jetzt findet man nur Ruinen. In einem ver- fallenen Gewölbe ſteht der zerſchundene Unterbau eines Altares, auf welchem die Franziskaner von Nazareth am Feſte der Verklärung Chriſti eine feierliche Meſſe leſen; manchmal celebriren auch geiſtliche Pilger darauf, wenn ſie die Licenz dazu haben. – Die Ausſicht vom Plateau des Berges iſt unvergleichlich ſchön, denn man ſieht das galiläiſche Meer, den Jordan, den Hermon, die Berge von Gelboe und Samaria, die Städtchen Naim und Cana, und das vom Himmel gebildete und von den Völ- kern aller Zeiten benützte Schlachtfeld der Ebene Esdre- lon. Ein ſo herrliches Land – und ſo wüſte! Man möchte weinen. Im Schatten eines Johannesbrodbaumes ließen wir uns auf altem Gemäuer nieder und verzehrten den Kloſterproviant: Wein, Brod, und Eier. Die Collegen 237 ließen ſich die verlockend ausſehenden Waſſermelonen ſchmecken, aber mir ſagten ſie nicht zu; ſie ſollen auch fie- berhaft ſein. – Während wir ſo beiſammen ſaßen, zog ich die Bibel hervor und las die Scene der Verklärnng Chriſti auf dem Berge Thabor, wie ſie der Evangeliſt Matthäus (17, 1 ff.) erzählt. In lautloſer Stille horch- ten Alle zu. Es klang an Ort und Stelle ganz eigenthüm- lich ergreifend, wenn es z. B. hieß: „Da ward Er vor ihnen verklärt: und ſein Angeſicht glänzte wie die Sonne, ſeine Kleider aber wurden weiß wie der Schnee. . . Und ſiehe, eine Stimme aus der Wolke ſprach: Dieſer iſt mein vielgeliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, dieſen ſollt ihr hören.“ – Heiliger Berg der Verklä- rung, dich hat der Himmel geküßt! – Vom Berge Thabor ſtand uns ein zweifacher Weg offen, entweder rechts zum Jordansufer, oder links direct nach Tiberias. Da der erſtere Weg weiter und gefährli- cher war, ſo wählten wir den letzteren. Das iſt auch eine Tour, die ich zeitlebens nicht vergeſſen werde. In der ſen- genden Mittagshitze ritten wir faſt beſtändig im Trab, weil unſere ängſtlichen Kawaſſen auf dieſer via paurosa (unſicheren Straſſe) zur möglichſten Eile trieben. Um die Plage zu vollenden, erhob ſich um 2 Uhr ein Samum, der die Temperatur der Luft auf 40° R. ſteigerte. Der Leib glühte von der Fußſohle bis zum Scheitel, ich glaubte er- liegen zu müſſen. Wahrlich, jetzt durften wir nicht über mangelnde Gelegenheit zur Selbſtverleugnung während der Pilgerreiſe klagen. Ich pries aber Gott im Stillen dafür, und opferte alle Beſchwerden auf. – Und was litten erſt die armen Pferde! Seit frühem Morgen hatten ſie weder zu freſſen noch zu trinken bekommen, und eine - : -- 238 Unzahl ſchwarzer Mücken quälte ſie an Naſe, Ohren und am ganzen Leibe, ſo daß ſie blutrünſtig ausſahen. Die Gegend war äußerſt monoton, hügelauf und hügelab wie im öſterreichiſchen Waldviertel, die Berge kahl und ausgebrannt, weit und breit kein Waſſer. – Einmal kamen wir an einem zerſtörten Fort Mehemed Ali's vorüber, in welches uns etliche Galgengeſichter durch Anbot friſchen Waſſers verlocken wollten. Auch den her- umſtreifenden Sendlingen eines in der Nähe befindlichen Beduinenlagers begegneten wir, und die ängſtlichen Ka- waſſen waren faſt außer ſich vor Schrecken, als Mari- nelli mit einem ein Geſpräch begann. – Endlich heiterte ſich das Bild etwas auf, als wir nach Überwindung der letzten Anhöhe tief zu unſern Füßen die Stadt Tiberias an dem ſchönen tiefblauen See Geneſareth erblickten. Noch nie hat der Anblick des Waſſers ſo electriſch auf mich gewirkt als damals, ich fühlte mich ſtärker. – Man hat die Umgegend des galiläiſchen Meeres als ausneh- mend ſchön geſchildert; ſie mag es vielleicht im Frühjahre ſein, aber jetzt im Hochſommer, wo Alles ausgedorrt war, iſt ſie es nicht; ſchön war nur der ruhige Waſſer- ſpiegel und der jenſeitige Gebirgszug. – Jch ſtieg vom Pferde und ging den ſteilen Berg zu Fuß hinab nach Ti- berias, wo wir 4 Uhr Nachmittags ankamen. Die Stadt Tiberias liegt dicht am Ufer des See's; bei dem Erdbeben im Jahre 1837 hat ſie viel gelitten, und noch liegen viele Häuſer und ein großer Theil der Stadtmauern in Trümmern. Einſt war Tiberias eine be- rühmte und beſonders ſeit der Zerſtörung Jeruſalems wichtige Stadt, da die vornehmen Juden ſich hieher flüch- teten, wie auch jetzt noch mehr Juden als Chriſten und Türken darin leben. Hier wurde auch der Talmud verfaßt. 239 Vor der Stadt hatte türkiſche Kavalerie ihre grü- nen Zelte aufgeſchlagen. Wir ritten unangefochten in die Stadt durch mehrere Gaſſen, bis wir bei dem einzigen Gaſthofe, der uns empfohlen worden war, ankamen, der einem Juden aus Brody, Namens Weißman, gehört. Man führte uns in ein großes Zimmer, in welchem breite Di- vans ſich befanden, auf die wir uns wie auf ein Com- mandowort ausſtreckten. Der dicke Wirth, der nebenbei auch ärztliche Praxis treibt, war ein Allerweltsmann ohne beſondere Bildung; in dem Fremdenbuch, das er uns vor- zeigte, wurde er exceſſiv gelobt. Nach ſolchen Strapatzen und unter ſolchen Verhältniſſen hat es ein Wirth leicht Lob zu ernten: Unter Blinden iſt der Einäugige König. Außer dem Divan fand ich nicht viel Lobenswerthes bei ihm. Das Erſte, was wir verlangten, war Waſſer. Gott ſei Dank, an dem war kein Mangel, denn der See Gene- ſareth hat 16 Stunden im Umfange. Dieſes Waſſer wird am Morgen geholt und in poröſen Krügen geſammelt, wo es ſich ſelbſt filtrirt, und dann ſehr ſchmackhaft zu trin- ken iſt. Mein Durſt war unbeſchreiblich; denn nachdem ich in unerſättlicher Gier zwölf Gläſer mit Konjak ge- miſchten Waſſers hinabgeſtürzt hatte, war er noch nicht geſtillt. Dieſe Unvorſichtigkeit hätte mir leicht ein Wech- ſelfieber zuziehen können, aber die Gnade des Herrn, der hier die meiſte Zeit ſeines Lehramtes zugebracht, ſchützte ſeinen unwürdigen Diener. Nachdem wir unſere Kräfte einigermaßen geſtärkt hatten, machten wir einen Gang durch die Stadt hinaus zum See Geneſareth. Ein klarer Spiegel – lag er vor uns. Ich verſetzte mich im Geiſte in das Zeitalter des göttlichen Heilandes zurück, und ließ die Scenen, welche 240 das Evangelium aus dieſer Gegend ſchildert, an mir vor- überziehen. Hier trug Jeſus ſeine wundervollen Gleich- niſſe vor, hier wählte er arme Fiſcher zu Apoſteln, hier gab er dem Petrus die Schlüſſelgewalt, hier gebot er den Winden und dem Meere. – Der See mag zwei Stunden breit ſein, man überſieht ihn faſt ganz, doch kann man den durchfließenden Iordan nicht unterſcheiden. Wie gern wäre ich auf dieſem ewig denkwürdigen See ein bis- chen herumgefahren, – aber es exiſtirte kein Schifflein. So iſt wie der Segen, den Chriſtus hier geſpendet, auch alles Leben gewichen. An den einſt ſo blühenden Ufern iſt keine Vegetation zu entdecken, die den See umgebenden Berge tragen die Spuren des vulkaniſchen Gepräges, und die in der Bibel ſo viel genannten Städte Caphar- naum, Magdala, Bethſaida ſind theils gänzlich ver- ſchwunden, theils zu unbedeutenden Flecken herabgeſun- ken. – Wir nahmen bei untergehender Sonne ein erqui- ckendes Seebad, das uns die Beſchwerden des Tages vergeſſen machte. Allein nun folgten die Beſchwerden der Nacht. Als wir nach Hauſe kamen, war der Tiſch gedeckt, und wir ſetzten uns mit unbeſtrittenem Appetit zum Eſſen. Leider traf unſer ärztlicher Wirth oder vielmehr deſſen Ehehälfte nicht unſeren Geſchmack. Man ſetzte uns die köſtlich ſein ſollenden Fiſche des galiläiſchen Meeres in Hülle und Fülle auf, aber in ſo öliger und pfeffergewürzter Zube- reitung, daß wir am Geruche genug hatten. Es war nicht nur ein Freitag für uns, ſondern ganz und gar ein Faſt- tag im vollſten Sinne des Wortes. Mit hungrigem Ma- gen und müden Gliedern begaben wir uns zur Ruhe. Ruhe? O Ironie! In dem Speiſeſalon, der zugleich das gemeinſchaftliche Schlafzimmer bildete, lagen die fünf 241 Pilger auf dem Divan ausgeſtreckt, einer hinter dem an- dern. Auf dem Tiſch brannte eine Lampe. Bald ſtand der eine bald der andere auf, und lamentirte über das un- barmherzige Ungeziefer. Die Fenſterläden ſtanden die ganze Nacht offen, ſo daß die Katzen über unſere Körper aus- und einſpazierten, kurz es war eine jammervolle Nacht. – Du ſiehſt, lieber Freund, das Pilgerleben fängt an ernſtlich zu werden, es fehlt nicht an aller Art unfrei- williger Aszeſe: Nachtwachen, Hunger, Durſt, Hitze, Ka- ſteiung, Ungeziefer und Ermattung, an innerer und äu- ßerer Selbſtverleugnung. Mit der erſten Morgendämmerung des 13. Auguſt ſtand ich auf, kroch durch ein Fenſter auf eine Terraſſe, und ſah von derſelben, wie die Nachbarsleute unter freiem Himmel auf dem flachen Dache ſchliefen. – Später be- ſuchten wir noch das Franziskanerhospiz mit der kleinen netten Kirche, die auf demſelben Platze ſtehen ſoll, wo Pe- trus die Schlüſſel des Himmels bekam, welch feierlichen Act auch das Altarbild darſtellt. Bei derſelben befindet ſich nur ein Pater mit einem arabiſchen Buben, der Die- ner, Miniſtrant und Koch in Einer Perſon iſt. – Da eben Sabbat war, ſo begegneten uns viele Juden im feſt- lichen Anzuge, einige mit polniſchen Mützen ſprachen uns deutſch an, größtentheils öſterreichiſche Unterthanen. – Die nahen warmen Bäder konnten wir jedoch nicht mehr beſuchen, weil wir uns zur Rückreiſe rüſten mußten. Gegen 6 Uhr Morgens machten wir uns auf den Weg, und ritten in nordweſtlicher Richtung, uns immer mehr vom freundlichen See Geneſareth entfernend. – Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 16 242 Nach zwei Stunden gelangten wir an den hochgelegenen Ort, wo Jeſus die fünf Tauſend mit fünf Gerſtenbro- den und zwei Fiſchen wunderbar ſpeiſte. Einige Steine ſind von Natur wie zu Sitzen gebildet, aber keine Denk- ſäule ziert den Ort, wo das große Wunder geſchah, wegen welchem ſie Jeſus mit Gewalt zum Könige machen wollten (Joh. 6, 1 ff.). Hier iſt man – wie im Orient überhaupt – auf die Tradition angewieſen. Der chriſtliche Pilger muß ſich in die Vergangenheit zurückverſetzen und mit lebendigem Glauben die öden Gegenden und zerſtörten Mauerreſte beleben; nur ſo wird ſeine Frömmigkeit in der traurigen Gegenwart Nahrung finden. Wer an Allem zweifelt, der mache keine Pilgerreiſe, ausgenommen er will durch die Ehrwürdigkeit der erhaltenen Traditio- nen wieder zum Glauben kommen. Nur wenig entfernt davon iſt der Berg der Se- ligkeiten, wo Jeſus die bekannte Bergpredigt hielt (Matth. 5 ff.). Man kann ſich lebhaft vorſtellen, wie das gläubige Volk den göttlichen Heiland umgab, um aus ſei- nem Munde die beſeligende Lehre des Heiles zu verneh- men. Wenn man das hügelige Land betrachtet, ſo begreift man auch, daß der Erlöſer oft auf Bergen betete. Wir ritten ohne Raſt weiter. Noch ein Blick zurück – und der blaue See Geneſareth verſchwand; ſo ſpäter auch die Gebirgsſtadt Bethulien, die durch die tapfere Judith berühmt wurde. – Eine Karawane von 200 Ka- meelen eskortirt, von lanzentragenden Beduinen begeg- nete uns. – Nach 10 Uhr erreichten wir das Dörfchen Cana, wo Jeſus ſein erſtes Wunder wirkte. Der Ort ſieht äußerſt ärmlich aus. Wo einſt das Haus des Apo- ſtels Bartholomäus ſtand, befinden ſich Überreſte einer Kirche; ebenſo dort, wo Chriſtus bei der Hochzeit Waſſer 243 in Wein verwandelte. Sonſt iſt kein traditioneller An- haltspunkt vorhanden. – In dem Inneren eines Hauſes, das ich mit Caſella betrat, trafen wir Menſchen, Kühe und Hühner in demſelben Gemache. – Außer dem Orte in einem Garten von Feigenbäumen ſchlugen wir Lager, und eine nahe Quelle, an welcher Viehweidete, verſorgte uns mit gutem Waſſer. Einige Mädchen, welche zufällig an der Quelle beſchäftiget waren, trugen Silbermünzen in den ſtruppig ſchwarzen Haaren und um die Stirne; ſie ſahen wie trotzige Buben drein, aber hinter dem Schmutze ſteckten edle Züge. – Wir hielten unter freiem Himmel eine ſpärliche Collation, wobei mir ein niedriger Feigenbaum wie einſt dem kleinen Zachäus als Sitzbank diente; die Feigen ſelbſt aber, obwohl ſie mir ſo zu ſagen in den Mund hingen, hatten für mich nichts Verlockendes. Nach kurzer Raſt brachen wir auf. Der Ritt war an dieſem Tage nicht ſo anſtrengend, wie am früheren. Leichte Wolken milderten die Sonnenſtrahlen, ein ſanfter Wind fächelte angenehme Kühlung zu, und eher als ich's vermuthete, – ſchon 2 Uhr Nachmittags – kamen wir nach dem lieben Nazareth zurück. – Der freundliche P. Quardian, der inzwiſchen das Fieber bekommen hatte, bewillkommte uns, und Fra Santo brachte Limonade und Kaffee. – Den Reſt des Tages füllten wir mit Ausru- hen, Schreiben und Kirchenbeſuch aus.– Die Nacht war ſo unruhig wie die früheren, denn zu dem ohnedem reich- lich vorhandenen Ungeziefer hatten wir ohne Zweifel noch friſche Einquartierung mitgebracht, – ich konnte faſt gar nicht ſchlafen. Um ſo erwünſchter kam die Morgenſtunde. Der 14. Auguſt war ein Sonntag. Ich las die heil. Meſſe in 16* 244 der rückwärtigen Grotte auf dem Altar, welcher dem Erzengel Gabriel und dem heil. Joſeph geweiht iſt. Einige Araber und Araberinnen, die oft den Boden küßten, wohn- ten in dem kleinen Locale dem heiligen Opfer bei. Mari- nelli konnte nicht celebriren, denn er fühlte ſich etwas unwohl, erholte ſich aber doch ſo viel, daß er die Weiter- reiſe antreten konnte. Es ſtand uns ein doppelter Weg frei, um nach Je- ruſalem zu kommen. Der Weg durch Samaria wäre der nächſte geweſen; aber er wurde uns als ſehr gefährlich und bei der jetzigen Hitze als außerordentlich beſchwerlich geſchildert. Daher entſchieden wir uns für den anderen Weg, nämlich nach dem Berge Carmel zurück, ſodann von dort auf dem Meere nach Jaffa, und von Jaffa erſt nach Jeruſalem zu pilgern. Es war unſtreitig das Beſte, obwohl wir den Weg nach Caiffa ſchon einmal gemacht hatten. – Wir nahmen Abſchied von dem Sanctuarium, in welchem ein ſo überirdiſcher Friede die Seele erquickt, dankten dem guten P. Quardian, der uns einen Stein aus der Grotte der Verkündigung zum Andenken gab, und ließen nebſt den Trinkgeldern dem Kloſter drei Dukaten als Almoſen zurück. Berg Carmel 14. Auguſt. Noch will ich Dir kurz den Rückweg von Nazareth bis hieher ſchildern. Als wir 6 Uhr früh das unvergeß- liche Nazareth verließen, begegnete uns ein Mann, der ein Maulthier, auf welchem eine Mutter mit ihrem Kinde ſaß, am Zaume führte. Wer hätte da nicht an die heilige Familie gedacht, wie ſie nach Egypten zog? Der Rückweg nach Caiffa, das wir in ſieben Stun- den erreichten, kam mir viel kürzer vor. Viele Thierſke- 245 lette lagen auf den Feldern, denn wo ein Thier umſteht, dort bleibt es liegen, bis es von den Schakalen und Hun- den verzehrt wird. – In der Nähe eines unheimlichen Ortes hielten wir unſere ſpärliche Collation. Da mir die Kloſterkoſt nicht mundete, ſo war es bereits der dritte Tag, an dem ich von Brod, Eiern und gewäſſertem Wein lebte. So viel leichter iſt es im Orient zu faſten; zu Hauſe würde des Klagens kein Ende ſein. Aber herzlich froh war ich, als wir das Kloſter auf dem Berge Carmel wie- der erblickten, und noch mehr, als wir wohlbehalten da- ſelbſt ankamen. Solch eine Excurſion läßt beiläufig den Eindruck zurück, als ob man eine Todeskrankheit über- ſtanden hätte. Der freundliche Fra Carlo kam und beſorgte Kaffee und köſtliches Waſſer. Nun erſchienen uns die wohnli- chen Zimmer zum zweiten Mal wie fürſtliche Reſidenzen, und ein erquickender Schlummer ſchloß bald meine Augen. Mir träumte von den Schönheiten des Himmels, die Engel ſangen in harmoniſchen Accorden – ich war über- glücklich. Aus dem Halbſchlummer erwachend, hörte ich wirklich ganz in der Nähe Orgeltöne, denn die Carmeliter hielten ſo eben die feierliche Veſper des morgigen Feſtes Maria Himmelfahrt. Es lag etwas Überirdiſches in dem Geſange dieſer ſtrengen Mönche, die Alles verlaſſen haben, um den Himmel zu gewinnen. Es leidet mich nicht mehr im Zimmer, entſchuldige, lieber Freund, ich trenne mich von Dir, um in die Kirche zu gehen – doch nein, im Gebete gibt es ja keine Trennung. Mit Liebe Dein c. 246 XIII. Von Caiſſa über Jaffa nach Jeruſalem. Abſchied vom Berge Carmel. – Ein Brief aus der Heimat. – Der Lloyddampfer „Schild.“ – Seekrankheit an der Küſte Paläſtinas. – Beſchwerliche Ausſchiffung in Jaffa.– Ein geprügelter Jude. – Terra sancta. – Kloſter der ſpaniſchen Franziskaner. – Kloſterkoſt. – » Ul- tima ratio.“ – Bibliſche Erinnerungen in Jaffa. – Totale Umände- rung des Reiſemarſchall. – Der orientaliſche Eſel. – Ritt nach Ramleh. – Paradieſiſche Gärten. – Wüſte. – Ebene Saron. – Rückkehr eines Verirrten. – Ein Held in der Mönchskutte. – Die Bergola und das Napoleonzimmer zu Ramleh. – Die Kirche des heil. Joſeph von Arimathäa. – Thurm der vierzig Märtyrer. – Vorgefühle in der Nähe der heil. Stadt. – Beſchwerliche Pilgerſtraße nach Jeruſalem. – Nachtherberge unter freiem Himmel. – Die Augenkrankheiten im Orient. – Endliche Ankunft vor Jeruſalem. – Erſter Anblick der heil. Stadt. – Trauriger Eindruck. – Einzug in Jeruſalem. Lieber Freund! Am Feſttage Maria Himmelfahrt las ich die heil. Meſſe um halb 5 Uhr in der Eliasgrotte, während wel- cher der öſterreichiſche Kloſterbruder communizirte. Nach dem Frühſtück hieß es von dem gaſtlichen Kloſter auf dem Berge Carmel Abſchied nehmen, denn der Lloyddampfer, den wir nach Jaffa zu benützen gedachten, war bereits in Sicht. Wir gaben dem Kloſter 5 Dukaten als Almoſen, und ins Fremdenbuch ſchrieb ich die Worte: Bonum est hic esse (Hier iſt gut ſein). Die Pferde ſtanden bereit. Noch einen Gruß an Fra Carlo, und wir verließen die freundliche Pilgerherberge. In Caiffa trafen wir beim Conſul zwei Kapitäne des inzwiſchen angekommenen Lloydſchiffes, welche die freie Zeit benützten, um der heil. Meſſe, die ein Carmelit 247 in dem kleinen Kirchlein zu Caiffa las, beizuwohnen. Der Lloyddampfer hatte mir die große Freude eines Briefes von Deiner Hand, mein Lieber, gebracht. Wie unſchätzbar iſt ſolch ein Brief aus der Heimat in der Ferne, ſo un- ſchätzbar wie ein treuer Freund! Wie intereſſirte mich Alles, was Du mir ſchriebſt, und wie tröſtet mich das Bewußtſein, daß Du, mein Freund, und mit Dir ſo viele Dir Gleichgeſinnte unſere Pilgerfahrt im frommen Gebete begleiten! Die Einſchiffung auf den Lloyddampfer „Schild" fand um 8 Uhr ſtatt. Die arabiſchen Eckenſteher equili- brirten uns glücklich vom ſandigen Ufer durchs Waſſer in die bereitſtehende Barke, welche uns an Bord brachte. Die Kapitäne waren wieder ſehr freundliche Leute, und aus der Kajüte, in welcher der Wiener-Loyd auflag, dampfte einladender Speiſengeruch. Wir ſetzten uns zur Collation, aber (s'iſt zum Verzweifeln) die fatalen Schiffs- ſchwankungen machten mich bald wieder ſeekrank. Zahlen – nichts eſſen – und unwohl ſein! Auf dem Verdeck liegend brütete ich in die monotonen Meereswogen hinaus, wäh- rend ſich's die Collegen tüchtig ſchmecken ließen. Da ſagt man immer, die Seekrankheit verliert ſich, wenn man öfter auf dem Meere fährt; nun ich wäre doch genug ſchon darauf herumgefahren, und merke noch nichts davon. Zum Glück war es eine kurze Fahrt, die wir im Angeſichte der Küſte Paläſtina's machten, denn ſchon um 3 Uhr Nachmittags landeten wir in Jaffa. Das Herz pochte vor Freude, denn Jaffa iſt der Hafen von Jeruſa- lem, von dem uns nur zwölf Stunden mehr trennten. Die Stadt liegt amphitheatraliſch ſchön auf einem Hügel. Deſto ſchlimmer dafür ſieht der Hafen aus, der voll felſi- ger Klippen iſt, an welchen ſich mit betäubendem Toſen . 248 das ſchäumende Meer bricht. Die Einfahrt in denſelben iſt nur mit großer Geſchicklichkeit zu treffen. – Wir kamen glücklich ans Ufer, wo das obligate Schreien und Streiten begann. Die Ufertreppe war hier ſo hoch, daß man ſich aus der ſchaukelnden Barke mußte hinaufheben laſſen. Gerne wäre ich der Erſte hinaufvoltigirt, um wie- der feſten Boden unter meinen Füſſen zu haben, aber eine jüdiſche Familie, die mit uns in derſelben Barke fuhr, verſtellte mir den Weg; ſie handelte mit den Barkenfüh- rern ſo unausſtehlich lange, bis dieſe dem Handel damit ein Ende machten, daß ſie den Juden, der uns um Schutz anrief, prügelten. So wurde die Paſſage frei, und wir befanden uns auf der Terra sancta, d. h. im heiligen Lande. Der erſte Gang war auf die nahe Dogana, wo die Effekten unterſucht werden ſollten; weil wir aber Bak- ſchiſch gaben, ſo hieß es: „jela" (vorwärts). – Wir ließen uns in das nahe Franziskanerkloſter führen, das wie eine Feſtung mit der Fronte gegen das Meer gebaut iſt. Es gehört ſpaniſchen Mönchen, die uns Öſterreicher ſehr freundlich begrüßten und ſogleich bei ſich einquar- tierten. Das Kloſter hat mehrere Stockwerke und iſt ſehr unregelmäßig, daher wurden wir auch ziemlich zertheilt. Hubinger bekam ein ſchönes Zimmer im erſten Stock, Caſella und Mayr im dritten, Marinelli und ich erhiel- ten mitſammen eine dunkle Kloſterzelle im Convente, das Prototyp aller Genügſamkeit. Nur Eines war darin angenehm, daß wir nämlich gerade auf die nahe Kirche ſehen konnten, in welcher bald nach unſerer Ankunft die Marienlitanei geſungen wurde. – Abends ſpeiſten wir gemeinſchaftlich mit den Mönchen. Ich hätte einen gran- dioſen Appetit gehabt, aber die Kloſterkoſt war meinem 249 Gaumen abſolut unerträglich; ſelbſt der Cyprerwein widerſtand mir wegen ſeines böckelnden Geruches, den er in Folge ſeiner Verſchickung in Bockshäuten angenommen hatte. – Vor dem Schlafengehen mußte ich noch herzlich lachen, als ich Marinelli ſah, wie er auf die großen und ſchnellen Käfer (vulgo Schwaben genannnt), die ſich in unſerm Zimmer geſchäftig machten, in Ermanglung ande- rer Mordinſtrumente mit ſeinem Säbel, auf dem „ultima ratio" (das letzte Mittel) ſtand, Jagd machte. – Die Nacht war übrigens ruhig, und ich ſchlief auf dem harten Bette recht gut. - Jaffa (Joppe) iſt eine der älteſten Städte der Welt, dem Namen nach erinnert ſie an Japhet. Noe ſoll hier die Arche gebaut, und Jonas der Prophet ſich hier einge- ſchifft haben; hier wurden die Cedern des Libanon zum ſalomoniſchen Tempel ans Land gebracht. In Jaffa hatte der heil. Petrus die wunderbare Viſion über die Beru- fung der Heiden, hier erweckte er die Tabitha. An der Stelle, wo dieß geſchah, ſtand einſt eine Kirche, die jetzt eine zerfallende Moſchee iſt. Gegenwärtig zählt Jaffa 600 Katholiken unter 10,000 Einwohnern. Um 7 Uhr früh laſen wir die heil. Meſſe in der kleinen aber reinlichen Kirche, die dem heil. Petrus ge- weiht iſt, der an derſelben Stelle die Gaſtfreundſchaft des Gerbers Simon genoß. Einige erſt kurz hier befind- liche franzöſiſche Kloſterfrauen wohnten mit den Schul- kindern ſtille und andächtig derſelben bei. Nachmittags war beantragt die Reiſe nach Jeruſa- lem anzutreten. Bevor jedoch dieß geſchah, legte unſer Reiſemarſchall Caſella ſein Amt als Caſſier nieder, und war trotz aller Gegenvorſtellungen und Bitten nicht zur 250 Fortſetzung desſelben zu bewegen. Wir konnten uns ſein plötzlich geändertes ſonderbares Benehmen gar nicht er- klären, und Caſella ſelbſt wußte ſich dafür keine Rechen- ſchaft zu geben. Er, der ſonſt ſo Redſelige, war nun wortkarg, in ſich verſunken, verſchloſſen, faſt verſtört, ſo daß wir Alle beſorgten, es ſei ihm oder ſeinen Angehöri- gen in der Heimat etwas zugeſtoſſen. Das Caſſiergeſchäft übernahm nun Marinelli. Nach dem Mittagstiſch um 2 Uhr ſammelte ſich die Karawane (es hatten ſich drei Franzoſen angeſchloſſen, darunter der Neffe des franzöſiſchen Conſuls Botta zu Jeruſalem) vor der Kloſterpforte zu Jaffa. Da nirgends genug Pferde aufzutreiben waren, weil Tags zuvor eine zahlreiche Judenkarawane nach Jeruſalem gezogen war, mußten wir uns für dießmal mit Eſeln begnügen. Übri- gens iſt dieſes Thier im Orient keineswegs ſo verachtet wie in Europa; hohe Perſonen und beſonders Frauen bedienen ſich ſeiner. Der orientaliſche Eſel iſt ſich ſeines Werthes auch mehr bewußt als die europäiſchen; er iſt ſtolzer, ſtärker, größer, flinker. Es reitet ſich auch paſſabel darauf, nur iſt das Zappeln derſelben ermüdender als das Reiten zu Pferd, auch iſt es unangenehm, daß man ihnen weder Steigbügel noch Zügel anlegt, indem man ſie auf ſolche Weiſe nicht zum Stehen bringen kann, wenn es ihnen nicht ſelbſt beliebt. Wir ritten durch die engen und belebten Straßen bis zum großen Stadtthor, außer welchem die berühmten Gärten von Jaffa, die zwei Meilen im Umfange haben, und von natürlichen Hecken indiſcher Feigen eingefriedet ſind, ſich befinden. Das ganze Jahr hindurch prangen daſelbſt Orangen, Feigen, Mandeln, Granatäpfel, Dat- teln :c. mit ſtrotzenden Blüthen und Früchten. Es war 251 eine Freude durch dieſe künſtlich bewäſſerten Gärten zu reiten. – Leider hörte dieſe paradieſiſche Vegetation, welche eine beiläufige Vorſtellung von dem einſtigen ge- lobten Lande gewähren mag, bald auf, und im ärgſten Kontraſte eröffnete ſich eine Wüſte, die ſich fortzog bis Jeruſalem. Und doch iſt's dieſelbe Ebene Saron, die einſt wegen ihrer Fruchtbarkeit berühmt war, und Tau- ſende von Menſchen nährte! Jetzt liegt das ganze Erd- reich brach, und bringt nichts als Diſteln und dürre Kräuter hervor. Wer verkennt da den Finger Gottes? wer leugnet die Erfüllung der göttlichen Strafgerichte, wenn es z. B. heißt: „Euer Land iſt verwüſtet, eure Städte ſind mit Feuer verbrannt, eure Gegend freſſen Fremde vor euren Augen, und ſie wird verwüſtet wie durch eine feindliche Verheerung;" und abermals: „Ich will meinen Weinberg in eine Wüſte verwandeln: er ſoll nicht beſchnitten, nicht behackt werden, und Diſteln und Dörner ſollen darin aufwachſen." (Jeſaias 1, 7; 5, 6). Als wir bereits eine Stunde zurückgelegt hatten, bemerkten unſere Mucker, daß ein Packeſel fehle, und da es gerade derjenige war, der die Gefälligkeit hatte mei- nen Koffer zu tragen, ſo war ich nicht wenig beſtürzt darüber. Sogleich wurden zwei Mucker zurückgeſchickt, um den Verirrten aufzuſuchen. Selbiger Eſel hatte die Reiſe, nachdem er bepackt war, nach ſeinem Pläſir allein angetreten, und da er ſeine Collegen d. h. die Packeſel nicht fand, ſo kehrte er wieder um, und die Mucker trafen ihn auf dem Platz vor der Kloſterpforte, wo die Aufpa- ckung ſtattgefunden hatte. Dieſe Ehrenrettung bin ich dem orientaliſchen Langohrgeſchlechte ſchuldig. Während dieſer Wart-Epiſode will ich Dich lieber Freund, mit einem intereſſanten Manne bekannt machen, 252 der uns von Jaffa aus begleitete, nämlich mit P. Gomez, dem Quardian des Franziskanerconventes zu Ramleh. Dieſer Mann iſt ein Original, halb Mönch, halb Sol- dat. Stelle Dir einen Mann in den Fünfzigen vor, groß von Statur, mit nobler Haltung und edlen Zügen, die von einem impoſanten Barte eingerahmt ſind, der in der demüthigen Kutte wie ein Held eine kraftvolle Commandoſprache führt: das iſt P. Gomez. Geboren zu Valencia in Spanien, ſtudierte er Theologie, wurde aber als der Bürgerkrieg ausbrach, Soldat, diente neun Jahre in der Armee der Königin, machte – ich weiß nicht wie viele blutige Treffen mit, und ſollte für ſeine Verdienſte zum Oberſten befördert werden. Da auf dem Gipfel ſei- nes Glückes denkt er an ſeinen erſten Beruf zum kirchli- chen Dienſte, verſchmäht Rang und Auszeichnung, und tritt in den armen Franziskanerorden mit der Bitte, in das heilige Land geſendet zu werden. – Ein neuer Be- weis, daß der Kriegsdienſt und der Dienſt Gottes ein- ander nicht ſo ferne ſtehen. - Wir kamen erſt bei untergehender Sonne nach Ramleh, wohin man gewöhnlich 4 Stunden rechnet. An der Kloſterpforte empfing uns P. Gomez, der indeß vor- ausgeritten war, um für unſere Beherbergung im Kloſter Sorge zu treffen, und ſich nun als der freundlichſte, aufmerkſamſte und zuvorkommendſte Hausherr erwies. Zuerſt gab er Befehl, wo die Saumthiere untergebracht werden ſollten, dann führte er uns in die friſch geſcheuer- ten Zimmer, und lud uns auf eine kleine Erquickung in ſeine Wohnung. Die drei Mönche des Hauſes thaten überhaupt das Möglichſte, um uns gehörig zu bewirthen. Beim gemeinſchaftlichen Speiſen im Refectorium des Kloſters ſprach P. Gomez laut das Gebet, und war über- 253 haupt ſehr aufgeräumt. Die Koſt war gut, der unver- meidliche Schöps erſchien unter mancherlei Geſtalten. – Nach Tiſch verplauderten wir ein Stündchen im Freien bei Mondenſchein auf einer Art Bergola, auf welcher ſich eine von herrlichen Früchten ſtrotzende Weinlaube befand; im ſtillen Kloſtergarten ſtand eine Palme. Um den Genuß zu erhöhen, wollten wir noch das Dach des Hauſes be- ſteigen, was aber P. Gomez nicht zugab, weil ſchon öfter auf Fremde, die ſich Abends auf der oberſten Terraſſe blicken ließen, geſchoſſen wurde; die Türken pflegen näm- lich Abends ihren Harem ins Freie zu führen, daß er friſche Luft ſchnappe, und bringen auch die Nacht größ- tentheils unter freiem Himmel zu, wobei ſie kein Giaur belauſchen ſoll. Wir gingen alſo in die uns angewieſenen Zimmer, das erſte Mal, daß jeder ſein eigenes Zimmer hatte. Collega Hubinger bekam das ſogenannte Napoleonzim- mer, in welchem nämlich Napoleon gelegentlich ſeines ſyriſchen Feldzuges ſchlief, denn weiter als nach Ramleh kam er nicht, weil Jeruſalem, wie Napoleon geſagt haben ſoll, nicht in ſeiner Operationslinie lag. Charakteriſtiſch! Wir brachten den größten Theil des folgenden Ta- ges (17. Auguſt) in Ramleh zu, weil wir auf den Eſeln nicht fortreiten, ſondern die Herbeiſchaffung von Pferden abwarten wollten. Es war ein unfreiwilliger Raſttag, und ſo fügte es die Vorſehung, daß wir gerade am Geburtstage Sr. Majeſtät unſeres allergnädigſten Kai- ſers, für deſſen glückliche Rettung wir am heiligen Grabe Gott danken wollten, nach Jeruſalem kamen. Am frühen Morgen las ich die heil. Meſſe in der 254 Kirche des Kloſters, welche dem heil. Joſeph von Ari- mathäa, der hier gewohnt haben ſoll, geweiht iſt. Die Kirche iſt lang, ſchmal und reinlich. In Ramleh ſind nur drei katholiſche Familien. – Vormittags wurde ein Aus- flug zu dem eine Stunde entfernten Thurm der vierzig Märtyrer gemacht, der weithin die Gegend beherrſcht. Er hat ſeinen Namen von jenen heldenmüthigen Soldaten der XII. Legion, die lieber ſtarben als den Götzen opfer- ten; ein Theil ihrer Reliquien kam nach Ramleh, wo man ihnen zu Ehren eine ſchöne Kirche baute, welche die Tem- pler des Mittelalters beſonders in Schutz nahmen; ſpä- ter diente ſie als Moſchee, jetzt iſt ſie faſt ganz verfallen. Meine Gedanken ſchwebten, wie Du, mein Lieber, leicht mitfühlen wirſt, ſchon immer in Jeruſalem, von dem uns nur noch eine halbe Tagreiſe trennte. Ich konnte es gar nicht glauben, daß mir dieſe Gnade zu Theil werden ſollte jenen heiligen Boden zu betreten, wo der Gottmenſch lebte und wirkte, und wo das vollkommenſte Drama der ganzen Weltgeſchichte ſich entwickelte. Was von Kindheit an die zarte Einbildungskraft beſchäftigte, ſollte ich nun nicht mehr im Bilde, ſondern in der Wirk- lichkeit und mit leiblichen Augen ſchauen. Wahrlich, eine heiligere Empfindung kann es kaum geben. Sehnſucht und Freude, Innigkeit und Rührung, Unruhe und Vertrauen ſtritten ſich im Herzen – die Reiſe ward zum Gebete. Um 4 Uhr Nachmittags kamen die Pferde in den Kloſterhof, und die Bepackung begann. Einem alten Fra- ter, der dabei wacker mithalf, ſchenkte ich einen zerriſſe- nen Regenſchirm, worüber er eine große Freude hatte. So macht man nicht ſelten Leute glücklich mit dem, was man wegwirft. Nachdem wir dem ritterlichen P. Quar- dian verſprochen hatten auf dem Rückwege wieder zuzu- 255 ſprechen, ſaßen wir auf die gut ausſehenden Pferde und ritten fort; es war 5 Uhr Abends. Der Weg führte anfangs über bebaute Felder und durch einige Dörfer; aber die Berge Judäa's rückten immer näher, und mit ihnen die Beſchwerlichkeit der Reiſe. Du darfſt Dir, mein Lieber, nicht etwa eine Straße denken, auf der ein Wagen fahren könnte (einen Wagen haben wir ſeit Conſtantinopel nicht mehr geſehen), ſondern die Straße iſt ein tief ausgetretener Pfad, der an man- chen Stellen ſo ſchmal iſt, daß zufällig ſich begegnende Karawanen einander kaum ausweichen können. Die Dämmerung rückte heran, und nun begann der eigentliche Gebirgsweg. An einem ausgetrockneten Waſſerbeete zog ſich der ſteinige Felſenpfad immer auf- wärts, machte tauſenderlei Biegungen, jetzt bergauf dann wieder bergab, in dieſer troſtlos monotonen Gebirgswild- niß, wahrhaft ermüdend. Es war, als ob die Entbehrun- gen und phyſiſchen Beſchwerden des Pilgers ſich in dem Verhältniße ſteigerten, als er ſich dem Ziele nähert. Wir ritten volle fünf Stunden ohne einen Augenblick zu raſten, alle waren müd und matt, aber keiner klagte. Manchmal war es ſehr unheimlich, denn die Schattenbilder, welche der Vollmond warf, geſtalteten ſich in der Phantaſie zu allerlei furchtbaren Geſtalten. – Dieſer Pilgerweg iſt auch keineswegs ſicher. Noch exiſtiren zwar die einſt von den Kreuzrittern zum Schutze der pilgernden Chriſten er- bauten Caſtelle, aber gerade dieſe verfallenen Gemäuer bilden den Banditen und Räubern willkommene Schlupf- winkel. Man hört auch alljährlich von Raubanfällen und Mordthaten in dieſer Gegend. Es war 11 Uhr Nachts, als wir in Kerith el Enab d. h. Traubenthal (auch Jeremiasthal genannt) 256 anhielten, um etliche Stunden zu raſten. Dieſe Gegend war einſt hochberühmt durch kühne Diebereien, denn es lebte hier durch lange Zeit einer der nobelſten arabiſchen Straſſenräuber Namens Abugoſch, der das lucrative Ge- ſchäft der Brandſchatzung der vorüberziehenden Pilger en gros betrieb. Der Mond beleuchtete die Überreſte einer im romaniſchen Style gebauten Kirche aus dem 12. Jahrhundert, die nun als Stall verwendet wird. Auf dem freien Platze vor der einſtigen Kirche ſtiegen wir ab, ban- den die Pferde feſt, und nahmen unter den gaſtlichen Zweigen einer großen Steineiche einen frugalen Imbiß von Brod und Trauben. Der nächtliche Thau begann ſich auf die Erde zu ſenken, und es wurde kalt. Ich hüllte mich feſt in meinen grauen Radmantel, ſchlug den Kragen über die Ohren, wählte einen Stein zum Kopfkiſſen und legte mich auf die blanke Erde nieder. Dieſe Liegeſtätte vor Jeruſalem war eines Pilgers würdig, und freut mich noch heute. Nach zwei Stunden des beſten wahrhaft erquicken- den Schlafes, wurde Allarm gemacht d. h. zum Aufſtehen und Weiterreiten eingeladen, denn es lag uns Allen daran noch dem Gottesdienſte in der heiligen Stadt beizuwoh- nen. Als ich erwachte, rieb ich mir die Augen und hatte Angſt, weil mir Alles ſo düſter erſchien. Ich wußte näm- lich, daß das Schlafen unter freiem Himmel, beſonders bei Mondenſchein und ſtark einfallendem Thau für die Augen ſehr ſchädlich ſei, wofür die vielen Einäugigen und Blinden im Orient ein trauriger Beleg ſind. Bei mir war es jedoch nur vorübergehende Täuſchung. Es war 1 Uhr Nachts; der Himmel klar und voll Sterne; die Kälte empfindlich. Wir beſtiegen die Pferde und ritten auf dem felſigen Gebirgspfade noch volle 257 3 Stunden. Es war wohl keine Libanonexpedition, aber immerhin beſchwerlich, bergauf und bergab, nichts als wildes Geſtrüppe. Nie kam mir ein Reiſeziel ferner vor, als dieſes. Der Mond leuchtete uns wohl lieblich auf den mühſamen Pfaden über die Gebirge Judäa's, aber er konnte die Müdigkeit nicht bannen, welche Geiſt und Kör- per erſchlafften. Die beſtändige Sehnſucht nach dem Ziele, das Vorgefühl des Glückes Jeruſalem zu ſehen und zu betreten, die unbeſchreibliche Neugierde, welchen Eindruck der erſte Anblick in uns hervorbringen werde; dies Alles bewirkte, daß wir wie träumend mit den Gebilden der Phantaſie beſchäftigt dahin zogen, und von einer Anhöhe zur andern in der ſtets ſchmerzlicheren Enttäuſchung kamen noch nicht am heiß erſehnten Ziele zu ſein. Der Augenblick ſchien nicht zu erwarten, wo Jeruſalem ſich zeigen ſollte. Endlich bei dem letzten Schimmer des zum Untergange ſich neigenden Vollmondes erblickten wir lange Ringmauern mit Baſtionen – es war Jeruſalem. Wä- ren wir nicht zu erſchöpft geweſen, ſo hätte die heilige Freude uns zu einem lauten Jubelgebete zwingen müſſen. So aber blieb Alles ſtille, und mit entblößtem Haupte und mit ernſtem Schweigen begrüßten wir voll Ehrfurcht die auserwählte Stadt, die der Allerhöchſte durch das Opfer ſeines eingebornen Sohnes auf ewig geheiliget hat und auf der ſeit jenem geheimnißvollen Oſterfeſte der ſichtbare Fluch Gottes laſtet. - Stumm und erwartungsvollritten wir vorwärts, al- lein da die Thore der Stadt erſt nach Sonnenaufgang geöff- net wurden, ſo mußten wir noch anderthalb Stunden im Freien kampiren im Angeſichte der einſtigen Davidsburg. Unſere Mucker zündeten ein Feuer an, um ſich zu wär- men. Was in jenen Stunden meine Seele erfüllte, kann Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 17 258 ich Dir nicht beſchreiben. Es war ein Wechſel von Ge- fühlen und Empfindungen, ein Aufwallen von Freude und Wehmuth. Die ganze Geſchichte des h. Landes und der heiligen Stadt zog an meinen geiſtigen Blicken vorüber von David bis Chriſtus, von der Zerſtörung unter Titus bis zu den Siegen und Niederlagen der Kreuzritter im Mittelalter. Tiefer Ernſt lagerte ſich auf meine Stirne, und nur das innige Dankgefühl gegen Gott, der uns das Ziel unſerer Pilgerfahrt ſo glücklich erreichen ließ, verlieh dem tief aufgeregten Gemüthe eine ruhigere und freund- lichere Stimmung. Indeß röthete ſich der Horizont und die Umriſſe der nahen Sionsburg traten immer deutlicher hervor, ein ſtattlicher Bau des Mittelalters mit zackigen Zinnen. Zur Rechten dehnte ſich das Hinnonthal aus, waſſerleer, öde, baum- und ſtrauchlos, nichts als Felſen und Steine, eine Grabesruhe unmittelbar vor dem Thore der Stadt. Das iſt eben das eigenthümliche Gepräge Jeruſalems, wodurch ſie ſich von allen Städten der Welt unterſcheidet, wie ſchon der Prophet ſagt: „Mit wem ſoll ich dich verglei- chen, Tochter Sions? groß wie das Meer iſt dein Elend.“ (Klagelied. Jerem. 2, 13). Endlich raſſelten die Schlüſſel, und wir ritten ganz unangefochten durch das von Soldaten bewachte Thor. Es war an einem Donnerstag. Einſt mußten die Pilger hier abſteigen und zu Fuß eintreten; ſeit Ibrahim Paſcha hat ſich in dieſer Beziehung vieles geändert. Und ſo wa- ren wir denn in der Stadt, von der ſo viel Fluch und Segen in die Menſchheit ausging. Ich ſchließe hier; denn aus Jeruſalem bekommſt Du bald, ſo Gott will, einen längeren Pilgerbrief. Mit Liebe Dein etc. –888– 259 - XIV. Erſter Aufenthalt in Jeruſalem. Am Ziele. – Das Pilgerhospiz der Franziskaner; casa nuova. – Die Feier des Geburtstages Sr. Majeſtät des Kaiſers Franz Joſeph in der Salvatorskirche zu Jeruſalem. – P. Reverendiſſimus. – Der öſter- reichiſche Conſul v. Pizzamano und ſeine Familie. – Der erſte Gang auf der via dolorosa. – Erſter Beſuch der h. Grabeskirche. – Hiſtori- ſches. – Meſſe im heiligen Grahe. – Die frommen Wächter des h. Grabes. – Beſuch beim lateiniſchen Patriarchen Monſ. Valerga. – Befürchtungen und Hoffnungen. – Eine arabiſche Anecdote. – Der armeniſche Patriarch. – Das reiche Kloſter St. Jakob. – Der Pilger- doktor. – Der deutſche Beichtvater P. Andreas. – Magere Kloſterkoſt. – Die tägliche Prozeſſion in der h. Grabeskirche. – Eine Nacht am heiligen Grabe. – Der zerborſtene Felſen des Calvarienberges. – Warum das h. Grab und Golgotha ſo nahe? – Heiliges und Profa- nes. – Nächtlicher Chor. – Ein hartes Ruhekiſſen. – Communion am h. Grabe. – Seelenfrieden und Freundesliebe, Jeruſalem, 20. Auguſt. Lieber Freund! Das Ziel unſerer Pilgerfahrt iſt erreicht, wir ſind in Jeruſalem, und Du kannſt Dir die große Freude den- ken, die uns beſeelt. Was ſoll ich Dir ſchreiben, lieber Freund, womit ſoll ich beginnen? Ich will Dir Tag für Tag ſchildern, in der feſten Überzeugung, daß Du in Dei- ner treuen Freundesbruſt Alles mitfühlen und mitempfin- den wirſt, was mich beglückte. Wir ſtiegen in Jeruſalem, in der ſogenannten casa nuova d. h. dem neuen Pilgerhospiz ab, das ganz in der Nähe des Franziskanerkloſters gelegen iſt. Da unſere Ankunft bereits angekündigt war, ſo fanden wir 17 260 die beſſeren Zimmer für uns ſchon vorbereitet. Caſella, der noch immer ganz verſtört und verloren ausſah, behielt ſich ein Zimmer für ſich, Mayr und Hubinger bewohnten das zweite, Marinelli und ich mitſammen das dritte Zim- mer. Zur gemeinſchaftlichen Benützung hatten wir einen geräumigen Salon, in welchem geſpeist wurde. – Jeder Pilger des Abendlandes hat das Recht durch volle 30 Tage in dieſem Kloſterhospize zu wohnen, während welcher Zeit ihm auch die übliche Kloſterkoſt gratis ver- abreicht wird. Die Vermöglicheren geben beim Abſchied ein Almoſen, aber Viele, beſonders Handwerksburſchen, auch Proteſtanten, mißbrauchen dieſes Recht, faullenzen durch vier Wochen hier, laſſen natürlich keine Entſchädi- gung dem Kloſter zurück, ſchimpfen und läſtern aber dage- gen das Kloſter und die Mönche. Da wir Pilger aus Öſterreich gerade am Geburts- tage unſeres Kaiſers in Jeruſalem ankamen, ſo ließen wir uns als gute Patrioten zuerſt in die Salvatorskirche füh- ren, wo um 7 Uhr von den PP. Franziskanern das feier- liche Hochamt für den Kaiſer von Öſterreich abgehalten wurde. Wir deutſche Pilgerprieſter celebrirten auf Sei- tenaltären, und ſo galt unſer erſtes h. Meßopfer in Jeru- ſalem dem ritterlichen Monarchen, der die Hoffnung und der Stolz ſeines Landes iſt, und für den an dieſem Tage tauſend und tauſend Segenswünſche aus dankerfüllter Bruſt zu Gott emporſteigen. Wir vereinigten unſere An- dacht mit den Andächtigen in der lieben Heimat und baten innig den Herrn der Heerſchaaren, daß er den eben ſo frommen als tapferen Kaiſer vor allem Uebel bewahren, aus all den feindſeligen Stricken, die die Hölle ihm berei- tet, retten, und lange erhalten möge ſeinen kaiſerlichen Eltern und dem Vaterland! 261 Nach dem Hochamte gingen wir in das anſtoſſende Franziskanerkloſter, um dem Vorſtande, der den Titel Reverendissimus führt, unſere Aufwartung zu machen. Er iſt ein Italiener aus adeliger Familie Namens Bernar- dino di Montefranco, gut öſterreichiſch geſinnt und ſehr gefällig. Er bewillkommte uns freundlich in einem großen Empfangszimmer, in welchem die Porträte öſterreichiſcher Kaiſer und anderer Monarchen hingen. Die Franziskaner tragen hier braune Kutten und Vollbärte. Das Kloſter ſelbſt iſt groß und ſolid gebaut, aber ſehr unregelmäßig; die Franziskaner bewohnen es ſeit 1561; früher hatten ſie ihr Kloſter auf dem Berge Sion, aus dem man ſie verdrängte. – Vom Kloſter begaben wir uns in unſere Zimmer um der Ruhe zu pflegen, der wir nach dem nächt- lichen Ritte ſo ſehr bedurften. In den guten eiſernen Bet- ten ſchliefen wir, die Eſſensſtunde ausgenommen, bis 5 Uhr. Abends 6 Uhr machten wir uns auf den Weg, um dem öſterreichiſchen Conſul v. Pizzamano, dem wir vielſeitig empfohlen waren, unſere Aufwartung zu ma- chen. Wir betraten bei dieſer Gelegenheit zum erſten Mal die via dolorosa d. h. den Leidensweg des Herrn. Es durchrieſelte mich ein heiliges Gefühl bei dem Gedanken, daß auf demſelben Wege der göttliche Heiland das ſchwere Kreuz getragen, um uns Alle durch ſeinen Tod zu erlöſen. Jeder Stein iſt da Zeuge einer großen Begebenheit, und Millionen von Chriſten benetzten ſelbe mit ihren Thrä- nen. O wie iſt Derjenige zu bedauern, welcher ohne reli- giöſe Überzeugung hieher kommt, und die traditionell be- glaubigten Stationen des Kreuzweges nach trigonometri- ſchen Grundſätzen abmißt, um darnach ſeine Kritik fällen zu können! Ob nun die heilige Stelle einige Klafter mehr 262 rechts oder links zu ſuchen iſt, was liegt daran, wenn ich nur beiläufige Anhaltspunkte finde, wo z. B. Jeſus unter dem Kreuze fiel, wo ihm ſeine Mutter begegnete, wo Si- mon von Cyrene ihm das Kreuz nachtrug, wo Pilatus das „Ecco homo“ ſprach, wo Veronica dem Heiland ihr Schweißtuch bot u. ſ. w. Dieſer Leidensweg hat etwas ſehr Melancholiſches, und ich habe ihn ſeitdem ſchon öfter gemacht. Er beginnt bei dem Hauſe des Pilatus, das jetzt der Paſcha bewohnt, und nimmt ſeine Hauptrichtung von Oſten gegen Weſten; er iſt ſanft aufſteigend und beinahe durchgehends uneben; die Länge beträgt 900 Schritte. Früher wanderten die Franziskaner jeden Freitag barfuß den Schmerzensweg; gegenwärtig beſchränkt ſich jedoch die tägliche Prozeſſion auf die heilige Grabeskirche; dafür aber hat ſich die Andacht des Kreuzweges nach dem Jeru- ſalemer-Muſter im ganzen Abendlande verbreitet. Herr v. Pizzamano, ein ſtattlicher Mann in den beſten Jahren, nahm uns mit großer Zuvorkommenheit auf. Obwohl ein geborner Venetianer, ſpricht er doch vollkommen gut deutſch, denn er war lange Zeit in Wien- Er iſt der erſte wirkliche öſterreichiſche Conſul in Jeruſa- lem, denn vor dem Miniſter Fürſt Schwarzenberg war das katholiſche Öſterreich in der h. Stadt nur durch pro- viſoriſche Viceconſuls vertreten, wodurch ſein Anſehen und ſeine Rechte bedeutend litten. Herr v. Pizzamano be- wohnt ein zweiſtöckiges erſt kürzlich reſtaurirtes Haus, für das Öſterreich den Pacht zahlt; es hat eine herrliche Lage mit der Ausſicht gegen das weſtliche Jeruſalem und das Damaskusthor, und die Zimmer darin ſind mit europäi- ſchem Comfort eingerichtet. Die Frau des Conſuls iſt eine fein gebildete Wienerin, die über den Verluſt ihres einzi- gen Söhnchens noch ganz traurig war, und ſich freute 263 Landsleute begrüßen zu können. Außerdem war auch die Schweſter des Conſuls, eine Venetianerin, zugegen, und wir fanden uns in dieſem gemüthlichen Kreiſe bald ſo heimiſch, daß wir erſt nach 8 Uhr ſchieden, um die erſte Nacht im Pilgerhospiz zu Jeruſalem zuzubringen. Tags darauf wurde mir das große Glück zu Theil in der heiligen Grabeskirche das h. Meßopfer darzu- bringen. Ein Frater kam ſchön 5 Uhr früh, um mich ab- zuholen, und ich folgte ihm im Talare beiläufig 500 Schritte durch einige enge und abſchüſſige Gaſſen. Wir kamen zu einem kleinen Pförtchen, das zu einem vierecki- gen Platz von etwa 30 Schritt Länge und Breite führt, dem einſtigen Vorhof der Kirche, von dem noch einzelne Säulenbaſen ſtehen. Nun ſtanden wir vor der arachitec- toniſch intereſſanten Hauptfaçade der h. Grabeskirche, die im romaniſchen Style geſchmackvoll erbaut iſt. Von den zwei Eingängen iſt einer vermauert, der andere größtentheils geſchloſſen; früher wurden nur gegen Entrichtung von 14 Thalern die Pforten der Kirche geöffnet; jetzt iſt der Ein- tritt frei. Links erblickt man einen Thurm, deſſen oberer Theil von den Türken abgetragen wurde, damit er die Minarets nicht überrage. Rechts führen einige Stufen «zu der den Franziskanern gehörigen Kapelle der Mater dolorosa. Die den Vorhof der Kirche einſchließenden Ge- bäude ſind größtentheils von griechiſchen Geiſtlichen bewohnt. Dieſe äußere Fronte der Kirche blieb allein von dem Brande übrig, der am 12. Oktober 1808 den übrigen Theil des ehrwürdigen Domes zerſtörte, welchen die 264 Kreuzritter des Mittelalters (1103–1130) an der Stelle der alten von der h. Helena erbauten und von den Tür- ken zerſtörten Baſilica errichteten, nur mit der Abände- rung, daß man ſämmtliche heilige Stätten, die ſich in der Nähe des h. Grabes befanden, alſo auch den Kalva- rienberg in den großartigen Neubau miteinbezog. Im We- ſentlichen beſtand dieſer Dom bis zum genannten Brande. In der Nacht vom 11. auf den 12. Oktober des Jahres 1808 brach im Quartier der Armenier, das an die Kirche ſtoßt, auf einer Gallerie Feuer aus, und alle Löſch- und Rettungsverſuche waren vergebens. Man beſchuldigte all- gemein die Schismatiker als Urheber des Unglückes, denn ſie hatten die Kapitalien und Materialien zum Neubau ſchon in Bereitſchaft. Die armen Franziskaner konnten nicht bauen, fanden auch in der damaligen Kriegsepoche nirgends Unterſtützung, und ſo ſprach ein erſchlichener Ferman den Griechen das Bau-Recht zu. In zwölf Mo- naten ſchon waren ſie damit fertig, und ſeitdem beanſpru- chen ſie das ausſchließliche Eigenthum der Grabeskirche. Statt des ehrwürdigen romaniſchen Styles, wurde von dem griechiſchen Architecten der ſchwerfällige ruſſiſch- griechiſche Bauſtyl gewählt, ſo daß die jetzige Kirche der früheren (von der, wie geſagt, nur die Hauptfaçade noch ſteht) an Schönheit keineswegs gleichkommt. – Die La- teiner beſitzen nur noch die vom Brande verſchont gebliebene Kapelle der Mater dolorosa und einige Altäre in der Kirche als Eigenthum. - Wir traten in die Kirche ein. Schon der erſte An- blick war betrübend und ärgerlich. Saßen da auf einer mit Teppichen belegten Pritſche drei türkiſche Soldaten, aus ihren langen Pfeifen ſchmauchend und nebenbei Café ſchlürfend. Noch trauriger aber ſtimmt der Gedanke, daß 265 dieſe mohamedaniſchen Wächter faſt nothwendig ſind, um die an der heiligſten Stätte der Welt ſich gegenſeitig be- feindenden Nationen und Confeſſionen in Ordnung zu halten. – Einige Schritte vorwärts tretend, kamen wir zu dem Salbungsſtein, auf welchem der Leichnam Jeſu (wie der Evangeliſt Jahannes im 19. Kapitel er- zählt) von Nicodemus und Joſeph von Arimathäa einbal- ſamirt wurde; er iſt 8 lang, 2“ breit, und mit einer röth- lichen Marmorplatte bedeckt; an den vier Enden befinden ſich Knäufe von vergoldetem Kupfer und große Candela- ber; ringsherum hängen Lampen von Silber. Der Fra- ter, welcher mich führte, kniete an der Stelle nieder und küßte den Stein; unwillkührlich thaten wir es ihm nach. – Nun lenkte der Frater links ein, wir kamen an etlichen Säulen vorüber, über welchen ſich eine kreisförmige Gal- lerie erhebt, die von einer grandioſen Kuppel geſchloſſen wird, und – wir ſtanden vor dem heiligen Grabe. „Siehe den Ort, wo ſie ihn hingelegt haben.“ (Marc. 16,9). Ohne einzutreten knieten wir nieder und beteten. Es war kein Traum, ſondern Wirklichkeit, ich kniete vor dem größten Heiligthum der Erde! In der Mitte der Ro- tunde, genau unter der Kuppelöffnung, durch welche das Licht einfällt, befindet ſich das Grab Chriſti. Es bildet eine eigene ringsum freiſtehende im Achteck gebaute Ka- pelle von weißgelbem Marmor, gekrönt mit einer von Säulen getragenen kleinen Kuppel. Ueber dem Eingang zum Heiligthume befindet ſich ein Bild, welches die Aufer- ſtehung Chriſti darſtellt, und ein ausgeſpannter Balda- chin, welcher den Zweck hat, die auf 12 Candelabern brennenden Kerzen und Lampen vor dem Luftzug und Re- gen zu ſchützen, weil nämlich das Dach der großen Kuppel 266 ſo durchlöchert iſt, daß man von der Kirche in den freien Himmelsraum hinaus ſchauen kann. Gerne wäre ich ſogleich in das Heiligthum getre- ten, aber der Frater führte mich weiter rechts zur nahen Sakriſtei der Franziskaner, wo ich mich zur Meſſe vorbe- reitete. Der Frater nahm das Meßbuch und ich folgte ihm in die heilige Grabkapelle, die eigentlich aus zwei Gemä- chern beſteht. Zuerſt kamen wir in die Engelkapelle, wo ein Stein die Stelle bezeichnet, wo der Engel ſaß, der zu den betrübten Frauen ſprach: „Er iſt nicht hier, den ihr ſuchet; denn Jeſus iſt auferſtanden, wie er geſagt hat.“ (Matth. 29, 6). Dann traten wir gebückt in ein zweites Gemach, welches das eigentliche Grab umſchließt. Die in Felſen gehauene, aber ringsum mit Marmor über- kleidete Grotte war gerade ſo groß, daß ich und der Mi- niſtrant uns leicht bewegen konnten. Zur Rechten deutet eine weiße Marmorplatte den Ort an, wo der heilige Leichnam lag; etliche 40 Lampen von Gold und Silber brannten in dem Heiligthume und ein zarter Weihrauch- duft erfüllte dasſelbe. Es war kein Altarſteiu oder Porta- tile mit dem ſonſt bei Altären üblichen Sepulcrum vor- handen, ſondern das heilige Grab diente ſelbſt dazu, und der Frater befeſtigte nur einen einfachen Laden in der ge- hörigen Höhe, ſo daß alſo gerade über dem Grabe Chriſti die h. Meſſe gefeiert wird. Nun ſtand ich tief ergriffen am Ziele; die Meſſe begann. In der heiligen Grabeskapelle wird jahraus jah- rein die Meſſe vom Oſterſonntage geleſen, welche das Wunder der Auferſtehung zum Inhalte hat. Ich kann Dir gar nicht ſagen, wie mich die Worte der Präfation erhoben und tröſteten: » qui mortem nostram moriendo destru- xit“ (der unſeren Tod durch ſeinen Tod vernichtete), denn 267 was iſt der Tod und das Grab für den Chriſten anderes als der Keim unſterblicher Glorie? Ach, Freund, hätte ich doch Worte, die beredt und würdig genug wären, Dir das Glück und die Freude zu ſchildern, die meine Seele in je- ner Stunde erfüllten! Nach ſo vielen Zerſtreuungen der Reiſe hier ſo ungeſtört ſich ſammeln zu können, nach ſo langer Sehnſucht am heiligen Ziele zu ſein: das iſt mehr als ein geiſtiger Genuß, das iſt ein Vorgeſchmack des Himmels. Erfaſſe geiſtig, was es heißt, den ſeligſten Au- genblick ſeines Lebens zu genießen, und Du wirſt mich verſtehen, wenn ich ſage, daß an dieſem Tage eine Epoche meines Lebens in mir abgeſchloſſen hat. Nach der Meſſe beſuchte ich die frommen Wächter des h. Grabes d. i. die Franziskaner, welche in dem an die Kirche ſtoßenden Hospiz (luogo santo genannt, d. i. heiliger Ort) den ebenſo beneidens- als bedauerns- werthen Dienſt verſehen. Sie bewohnen nämlich kleine, finſtere, feuchte, faſt kerkerähnliche Zellen, in welchen ſie freiwillig drei Monate hindurch buchſtäblich eingeſperrt ſind. In der Regel theilen 10 Mönche dieſes Loos, viele aber halten es nicht drei Monate aus, ſondern kehren krankheitshalber in's Salvatorkloſter zurück. Sie verſehen den Gottesdienſt, beten den nächtlichen Chor, hören die Beichten der Pilger, und bewachen die Heiligthümer der Kirche. Weiter unten werde ich mehr davon ſprechen. Geziemender Weiſe machten wir gleich am erſten Tage nach unſerer Ankunft dem katholiſchen Patriarchen von Jeruſalem Monſignore Valerga unſere Aufwartung. Er wohnt in dem von den Franziskanern neu erbauten Pilgerhauſe und lebt größtentheils von den Almoſen Eu- ropa's, da er von Rom nur wenig bezieht. Bevor ich Dir unſere Audienz bei dem Patriarchen ſchildere, will ich Dich 268 mit der Perſönlichkeit des Patriarchen ſelbſt, über welche die Urtheile verſchieden lauten, bekannt machen. Monſ. Valerga, ein Genueſe von Geburt, machte ſeine Studien in Rom, war Miſſionär in Meſopotamien und im Libanon, und wurde im Jahre 1847, als Pius IX. das Patriarchat von Jeruſalem wieder aufrichtete, zu dieſer hohen Würde erhoben. Seit 400 Jahren reſidirte kein katholiſcher Biſchof in der heiligen Stadt, und es war augenſcheinlich zweckmäßiger, daß den Biſchöfen und Patriarchen der anderen Confeſſionen gegenüber auch ein lateiniſcher Patriarch und Biſchof in Jeruſalem ſeinen Sitz habe. Früher übte der oberſte Vorſteher des Salva- torkloſters, welcher den Titel Reverendissimus führte, eine quaſi-biſchöfliche Jurisdiction aus, und genoß auch das Recht der Pontificalien. Die Entziehung dieſer Vor- rechte erſchien dem um das h. Land durch ſo viele Jahr- hunderte hochverdienten Orden des h. Franziscus aller- dings unangenehm und beſchwerlich. Sie ſahen es nicht gerne, daß ſie von nun alle Sammelgelder und Rechnun- gen dem neuen Patriarchen einreichen ſollten; daß dieſer das von ihnen mit großem Koſtenaufwande (größtentheils aus öſterreichiſchen Sammelgeldern) eben neuerbaute Pil- gerhaus am Jaffathore in Ermanglung einer anderen Re- ſidenz für ſich in Anſpruch nahm; auch ſagte man, der neue Patriarch ſtehe unter franzöſiſchem Einfluß, und wolle die Franziskaner aus dem h. Lande verdrängen und durch Glieder eines anderen Ordens erſetzen. Auf ſolche Weiſe war die anfängliche Stellung Monſ. Valerga's unſtreitig eine ſchwierige; nach meiner Anſicht aber hat er ſeine Aufgabe glänzend gelöst. In der kurzen Zeit ſeines bisherigen, Wirkens errichtete er ein Knabenſeminar, um eingeborne Prieſter heranzuziehen; 269 führte in vielen Stationen ſeines Diöceſanſprengels die für Schulen und Spitäler ſo unermüdlich thätigen barm- herzigen Schweſtern ein; machte Viſitationsreiſen mit glänzendem Erfolge, und entwickelte überhaupt eine Ener- gie des Willens und der That, welche den Gegnern der katholiſchen Kirche Achtung, den Katholiken ſelbſt aber mehr kirchliches Bewußtſein einflößte. Wohl trug er dem Louis Napoleon das Protectorat des h. Landes an, aber erſt dann, als er ſich vergeblich nach Öſterreich gewendet hatte. Bei der ſtets wachſenden Übermacht Rußlands war ein ſolches Gegengewicht nothwendig. Die Franziskaner, welche ſeit einem halben Jahrtauſend (1230) im h. Lande opfervoll und ſegensreich wirken, aus ihrer Stellung zu verdrängen, lag gewiß nicht in ſeiner Abſicht.– Es that mir immer weh, wenn über den franzöſiſchen Katholizismus im Orient hart geurtheilt wurde, denn die katholiſche Kirche fragt ja nicht, wer das Gute thut ? ſie ſteht über allen Nationen. „Wenn nur Chriſtus geprediget wird.“ (Phil. 1, 18). Uebrigens bürgen die kirchliche Approba- tion, die erprobte Perſönlichkeit des Patriarchen, und die fromme Selbſtverleugnung des Franziskanerordens dafür, daß nach und nach die etwaige Spannung ſich heben und die Errichtung des lateiniſchen Patriarchates in Jeruſa- lem ſich als ſegensvoll für die orientaliſche Kirche erwei fen werde. Der öſterreichiſche Conſul hatte die Freundlichkeit uns bei Monſ. Valerga einzuführen. Er empfing uns in einem eleganten Salon mit diplomatiſcher Höflichkeit. Va- lerga iſt eine imponirende Perſönlichkeit in der Blüthe der männlichen Kraft. Ein prachtvoller Bart ziert die ſchö- nen Geſichtszüge, und reicht – ſorgfältig gepflegt – bis unter die Bruſt herab; die blendend weiße Hand – mit 270 einem werthvollen Pontificalringgeſchmückt – ſpielt arglos mit der goldenen Tabaksdoſe, und ein biſchöfliches Kreuz glänzt auf dem weiten ſchwarzen Talare. Ich begreife es, daß dieſer mit den Sitten und Sprachen des Orients vollkommen vertraute Mann großes Anſehen bei den Ara- bern genießt. – Man erzählt dießfalls folgende Anekdote. Eines Tages wurde Valerga gelegentlich eines Ausfluges von Beduinen überfallen, die ihm das ſchöne Pferd nah- men, das er ritt. Als der Patriarch zu Fuß nach Jeruſa- lem zurückkehren wollte, ſagte ein junger Beduine: „Herr, wir geben nicht zu, daß ein Mann von deiner Würde den Beſchwerden einer rauhen Reiſe ausgeſetzt ſei; wir ha- ben dir dein Pferd genommen, entſchuldige, wir brauchen es; aber nimm wenigſtens dieſes zum Tauſche, es iſt nicht ſo viel werth als das deine, aber es iſt gut: nun gehe, Allah iſt groß, er ſchütze dich.“ Und zwei Männer gaben dem Patriarchen das Geleite bis in die Ebene, wo er keine Gefahr mehr zu beſorgen hatte. - Auch mich nahm die edle Perſönlichkeit des hohen Würdenträgers gefangen, und ich horchte mit Aufmerk- ſamkeit ſeinen Worten, die er ebenſo gewandt in franzöſi- ſcher als italieniſcher Sprache zu ſetzen wußte. Ich er- wähnte im Geſpräche ſeines Briefes, den ich kurz vor dem Antritt der Pilgerreiſe in den Lyoner Annalen der Verbreitung des Glaubens geleſen hatte, was ihn zu freuen ſchien. Überhaupt zeigte er ſich ſehr freundlich und zuvorkommend gegen uns, und gewährte mit Vergnügen die von uns geſtellte Bitte: an allen heiligen Orten, die wir beſuchen würden, nach Belieben das h. Meßopfer zu feiern. – Inzwiſchen wurden allerlei Süßigkeiten nach Landesſitte ſervirt. In dem Salon des Patriarchen hing das Porträt Papſt Pius IX. 271 Herr v. Pizzamano hatte die Güte uns auch mit einem ſchismatiſchen Patriarchen und zwar dem der Armenier bekannt zu machen, welcher gegen den lateini- ſchen an Bildung und Benehmen etwas abſtach. Er wohnt in dem reichen Jakobskloſter, welches in dem ſchönſten Viertel Jeruſalems liegt, und deſſen Kirche durch orien- taliſche Pracht in Marmor, Perlmutter, Teppichen u. ſ. w. ausgezeichnet iſt. In dieſem Kloſter befinden ſich allein 100 Mönche und 5 Biſchöfe. Einer der vielen in ſchwarze Kapuzen gehüllten Mönche führte uns in die von Moſaik- bildern ſchimmernde Kirche, und zeigte die Stelle, wo Jakobus der Ältere von Herodes enthauptet wurde; die Lateiner dürfen an dieſem Altare am St. Jakobstage Meſſe leſen. – Der armeniſche Patriarch bewohnt einen mit Luxus neugebauten Palaſt, den ein großer Garten umgibt. Man führte uns in einen von Marmor glänzen- den Salon, in welchem alsbald der beturbante ſchismati- ſche Patriarch erſchien, ein alter, gemüthlicher, freundli- cher Herr, der immer holdſelig lächelte; der Beſuch des Conſuls, mit dem er auf gutem Fuße ſteht, ſchien ihn ſehr zu freuen. Nach orientaliſcher Sitte wurde Café und Pfeife ſervirt, und mit Hilfe eines Dragoman ein halbes Stündchen verplaudert. Die Neugierde war befriedigt, das Herz nicht. Um zwölf Uhr Mittags war die Speiſeſtunde im Pilgerhospiz. Der uns bedienende Frater brachte die Koſt aus dem nahen Kloſter, die aber wegen der ſtark öligen Zubereitung für mich ungenießbar war. Freund Mari- nelli fühlte ſich ſogar unwohl und ließ den Kloſterdoctor kommen, der ihm Ricinusöl verſchrieb. Dieſer Doctor, ein Italiener, hat ſeine Beſtallung, Verpflegung und Woh- nung vom Kloſter, in welchem ſich auch eine gut eingerich- 272 tete Apotheke befindet; dagegen er die Verpflichtung hat alle kranken Pilger gratis zu behandeln. Es iſt dieß eine gewiß ebenſo dankenswerthe Vorſorge wie das Pilgerhos- piz ſelber, denn in Jeruſalem exiſtirt kein Hotel wie in anderen Städten; erſt in neuerer Zeit hat ein Deutſcher hier einen Gaſthof zu gründen verſucht. Wir Geſunden hatten beſchloßen die folgende Nacht in der heiligen Grabeskirche zuzubringen, wie dieß faſt ein jeder Pilger zu thun pflegt, daß er nämlich eine Art hei- liger Exerzitien in dem größten Heiligthume der Chriſten- heit hält. Zu dieſem Behufe mußten wir uns mit den Wächtern des h. Grabes daſelbſt einſperren laſſen, was denn auch geſchah. Der deutſche Beichtvater P. Andreas, ein Böhme aus Eger, war in unſerer Begleitung. Ich will Dir nun, mein Lieber, den ganzen Verlauf eines Abends und einer Nacht in der h. Grabeskirche ſchildern, damit Du das Glück und die Entbehrungen eines Pilgers erfaſſen mögeſt. A - Drei Uhr Nachmittags (19. Auguſt) begaben wir uns zur h. Grabeskirche, die eigens wegen uns geöffnet wurde. Die Franziskanermönche beteten eben das Com- pletorium, nach welchem täglich eine feierliche Prozeſſion zu den in der Kirche befindlichen Sanctuarien ſtattfindet. Es beſteht zu dieſem Zwecke ein eigens gedrucktes Büch- lein, welches die wunderſchönen Hymnen und Gebete ent- hält, die dabei geſungen und gebetet werden. Ich wurde mit meinen Reiſekollegen eingeladen, die Prozeſſion zu be- gleiten, und wir folgten dem Zuge mit brennender Kerze. Voran ging ein Frater mit dem Kreuze, dann folgten Sängerknaben, weiters die fungirenden Wächter des h. Grabes aus dem Franziskanerorden mit brennenden 273 Wachskerzen, ſofort der P. Presidente d. i. der Vorſte- her des Hospizes beim h. Grabe, zuletzt wir Pilger und einiges Volk. Die Prozeſſion begann in der kleinen Kapelle der Franziskaner, in welcher die Geißelungsſäule auf der linken Seite des Altares hinter einem Gitter aufbewahrt wird. Pſalmen und Hymnen in lateiniſcher Sprache ab- wechſelnd betend und ſingend gelangte die fromme Schaar in feierlich langſamem Zuge in die h. Grabeskirche, welche wir bei dieſer Gelegenheit in allen ihren Räumen kennen lernten. – Zuerſt wendete ſich die Prozeſſion links nach dem Gefängniſſe, wo Jeſus zurückgehalten wurde, während man die Anſtalten zu ſeiner Kreuzigung traf. Un- mittelbar daran iſt die kleine St. Longinuskapelle. Etwa zwölf Schritte entfernt gelangten wir zu dem Orte, wo die Schergen die Kleider des Gekreuzigten unter ſich theilten und über ſeinen ungenähten Rock das Loos war- fen (Kapelle der Kleidertheilung). Durch einen dunk- len Säulengang kamen wir zur ſteinernen Treppe, welche auf 28 Stufen zuerſt in die Kapelle der h. Helena hinabführt, wo dieſe heilige Kaiſerin im Gebete verweilte, während auf ihr Geheiß das Kreuzesholz, auf dem der Erlöſer geſtorben, geſucht wurde; dann auf weiteren 13 Stufen in die noch tiefer gelegene Kreuzerfindungs- kapelle, wo das h. Kreuz 300 Jahre vergraben lag; letz- tere gehört den Lateinern. Bei all den angegebenen Sta- tionen verweilte die Prozeſſion einige Zeit, und wurde nebſt den lateiniſchen Gebeten noch ein ſtilles Vaterunſer gebetet, um den mit allen heiligen Stätten verknüpften Ablaß zu gewinnen. Das Gebet ſtieg zu Gott empor wie der Weihrauch, mit welchem die heiligen Stätten incen- ſirt wurden. Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 18 274 Nachdem wir dieſe zwei unterirdiſchen Kapellen verlaſſen hatten, trafen wir neben dem Eingange zu den- ſelben unmittelbar links die Schmachſäule, wo die Soldaten des Landpflegers Jeſum mit der Dornenkrone und dem Scepter verſpotteten. – Sofort ſtiegen wir auf 18 Stufen auf den Calvarienberg, wo Chriſtus am Kreuze ſein Leben aushauchte. Die Höhe des Calvarien- berges wurde bei der Einbeziehung in die Kirche geebnet und in zwei Kapellen abgetheilt. Der Ort, wo der gött- liche Heiland ans Kreuz geſchlagen wurde, bildet die Ka- pelle der Kreuzigung und gehört den Lateinern; die andere Abtheilung bildet die Kapelle der Kreuzerhö- hung, und gehört den ſchismatiſchen Griechen. Es iſt ein unbeſchreiblicher Eindruck, welchen der Anblick dieſes Hei- ligthumes auf die Seele des Pilgers macht. Ich getraute mir kaum zu athmen, und dachte ſtets an die Worte des Evangeliſten in der Paſſionsgeſchichte: „Und Er trug ſein Kreuz, und ging hinaus zu dem Orte, den man Schä- delſtätte nennt, auf hebräiſch Golgatha, da kreuzigten ſie ihn“ (Joh. 19, 17); und abermals: „Und Jeſus rief mit lauter Stimme und ſprach: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geiſt. Und da er dieß ſagte, verſchied er“ (Luc. 23, 46). Lauter pochte mein Herz und höher ſchlug der Puls, und unwillkührlich füllten ſich die Augen mit Thränen, denn es durchzuckte mit Ehrfurcht die Seele wie Gottes Nähe. – Die Prozeſſion ſchwieg – und je- der küßte, bevor er ſich von den Knieen erhob, den mit Marmor überkleideten Boden. – An den Calvarienberg ſtößt die Kapelle der Mater dolorosa, d. i. jene Stelle, wo die h. Jungfrau mit Johannes weinte, während man den Erlöſer kreuzigte. Der Aufgang dazu iſt aber, wie ich oben erwähnte, in der Nähe des äußeren Kirchenpor- 275 tales. – Vom Calvarienberge herabſteigend kommt man zu dem gleichfalls ſchon früher beſchriebenen Salbungs- ſteine beim Eingang in die h. Grabkirche. Von dem Salbungsſteine iſt das heilige Grab noch 63 Fuß entfernt. Es frappirt anfangs, daß das h. Grab ſo nahe dem Calvarienberge iſt, ſo daß, wie geſagt, gegen- wärtig die beiden Heiligthümer unter Einem Dache ſind; in der Regel denkt man ſich den Calvarienberg entfernter. Allein es heißt ausdrücklich in der h. Schrift: „Es war an dem Orte, wo Jeſu gekreuzigt ward, ein Garten, und in dem Garten ein neues Grab, in welches noch Niemand gelegt worden war; dorthin legten ſie Jeſum wegen des Rüſttages der Juden; denn das Grab war in der Nähe“ (Joh. 19, 41. 42). In der Nähe des heiligen Grabes befindet ſich der Ort, von dem der h. Evangeliſt ſagt: „Maria aber ſtand außerhalb dem Grabe weinend. . . Jeſus ſprach zu ihr: Maria! Da wandte ſie ſich, und ſprach zu ihm: Rabboni, das heißt Meiſter.“ (Joh. 20, 11, 16). Dieſer Ort iſt durch einen in das Pflaſter der Kirche eingelegten Mar- morſtein bezeichnet, dem gegenüber ein der h. Maria Magdalena geweihter Altar angebracht iſt. – Von da kehrte die Prozeſſion in die Kapelle der Erſcheinung zurück, von wo ſie ausgegangen war, und damit hatte ſie ein Ende. (Dieſer Name ſchreibt ſich daher, weil hier Je- ſus ſeiner Mutter erſchien.) Die Wachskerze, welche wir bei der Prozeſſion getragen hatten, behielten wir uns als Andenken. Unſer Reiſecollega Caſella, der ſchon einige Zeit ſo niedergeſchlagen und tiefſinnig iſt, war von der Feierlich- keit ſo ergriffen, daß er ſich außer Stand fühlte die fol- gende Nacht mit uns in der heiligen Grabeskirche zuzu- 18 * 276 bringen; er entſchuldigte ſich, und ging nach Hauſe – die Pforten der h. Grabeskirche wurden hinter ihm geſchloſſen. Da Marinelli ſeines Unwohlſeins wegen gleichfalls an unſerm Vorhaben nicht theilnehmen konnte, ſo verblieben nur wir drei, nämlich Hubinger, Mayr und ich zurück, und begaben uns als Miteingeſchloſſene in den an die Kirche gränzenden Konvent der PP. Franziskaner. Man wies uns jedem eine Zelle als Schlafgemach an, ſo klein, daß man kaum die Glieder darin ausſtrecken konnte; die Fenſter ſahen theils auf den Gang, theils auf einen engen Hofraum, in welchen die oberhalb wohnenden Türken allen Unrath ſchütten; ja ober den Wohnungen ſtampften die Pferde, da die Türken daſelbſt eine Stallung haben. So nahe iſt das Profane dem Heiligen! Nach einem frugalen Mahle um 6 Uhr Abends im Refectorium der Mönche, bereiteten wir uns zur heiligen Beicht, die wir bei P. Andreas ablegten. Nach derſelben machte ein jeder für ſich den Beſuch der in der Kirche be- findlichen Sanctuarien, um die damit verbundenen Abläſſe ZU gewinnen. Ohne uns verabredet zu haben, fanden wir uns am Schluße am heiligen Grabe zuſammen, wo wir knieend und weinend über eine Stunde verweilten. Von der Gnade Gottes erfüllt und von dem Segen des Him- mels erquickt thaute die Seele auf, und umfaßte in der Fülle der göttlichen Liebe Alles, was ihr im Leben oder Tode theuer iſt. So wie damals betete ich nie. Es waren Stunden der Weihe und der Gnade, es war der Brenn- punkt meines Lebens. – Wir ſtanden auf und umarmten einander. - Dann begaben wir uns in den Konvent, jeder in ſeine Zelle, um etwas auszuruhen; aber ich war zu auf- geregt, der Schlaf floh meine Augen. – Gegen eilf Uhr 277 hörte ich einen fürchterlichen Lärm von Pauken, Schellen und dumpfen Glockentönen: es war der Ruf der Schis- matiker zum mitternächtlichen Gottesdienſt. Bald darauf rief auch das Kloſterglöcklein die Franziskanermönche zum Chore, den ſie in ihrer Kapelle verrichten. Ich machte mich eiligſt auf, ſtieg über die ſchmale hölzerne Treppe zur genannten Kapelle hinab, und betete Matutin und Laudes mit denſelben. – Nach dem Chore gingen die Patres ſchlafen; ich aber ſagte zu dem Frater, der mich fragte: ob ich nicht auch zur Ruhe gehen wolle, weil er den Convent ſperren müſſe, – er möge nur zuſperren, denn ich wolle in der Kirche verbleiben. Nun war ich ſo zu ſagen allein, denn die Griechen feierten nur beim h. Grabe ihren Gottesdienſt. Die Kirche, welche ungefähr 196 Fuß in der Länge und 120 Fuß in der Breite hat, war durch die vielen Lampen, die bei jedem Heiligthume brannten, hinreichend erhellt. Ich machte die Runde an den heiligen Orten, wie bei der geſtri- gen Prozeſſion und betete bei jedem Altare. Überall war ich allein – und doch ohne Furcht. Tief erſchüttert kniete ich auf dem Hügel Golgatha, wo der Gottesſohn die Worte ſprach: „Es iſt vollbracht.“ Schimmernde Lampen erhellten den dunklen Ort, der einſt erzitterte, als um die neunte Stunde des jüdiſchen Parasceve die Felſen zer- barſten und die Sonne ſich verfinſterte. Ich zündete mir ein Licht an, hob die bewegliche Silberplatte vom Mar- morboden hinweg, leuchtete hinab, und ſah deutlich die breite und tiefe Spalte, welche im Felſen bis zum Fuß des Calvarienberges hinabläuft, und von der ein engli- ſcher Geognoſt ſagt, daß ſie weder durch Kunſt noch Na- tur, ſondern durch ein Wunder hervorgebracht ſei, da der Felſenriß quer durch die Adern kreuze, was bei kei- 278 nem gewöhnlichen Erdbeben der Fall iſt, Ungläubiger, glaube! – An dieſer heiligen Stätte, die 14 Fuß breit und 40 Fuß lang iſt, und an der man wohl die urſprüngliche Geſtalt eines Berges nicht mehr erkennt, verweilte ich am längſten. Als ich zum heiligen Grab zurückkam, hatten bereits die Armenier ihren Gottesdienſt daſelbſt begonnen mit unharmoniſchen Geſang und ſchrillendem Glockenſpiel. Von mannigfachen Gefühlen durchſtürmt kehrte ich in die Kapelle der Franziskaner zurück, und fühlte Schlaf. Da das Kloſter verſperrt war, ſo legte ich mich im Chor auf die Erde, ſtützte den Kopf auf einen Knieſchemmel und ſchlief bis ein Frater mit den Schlüſſeln raſſelte, wodurch ich erwachte. – Nachdem ich Mayr und Hubinger geweckt hatte, las ich die heilige Meſſe in der Grotte des h. Grabes, bei welcher Collega Mayr die heilige Com- munion empfing. Hier wurde das Siegel der Gnade auf- erlegt und im heiligen Opfer vollendete ſich das Maß der heiligen Liebe. Ich war wie neugeboren, und ein himmli- ſcher Frieden erfüllte meine Seele. – Dann wohnte ich noch der Meſſe des hochwürdigen Collega Hubinger bei, und erneuerte alle guten Vorſätze, um als ein würdiger Prieſter der katholiſchen Kirche zu dienen und einſt gottſe- lig zu ſterben. Die Erinnerung daran, hoffe ich, wird mich im Tode noch tröſten. Lieber Freund! Du fühleſt ſo zart und innig mit, was meine Bruſt betrübt oder erfreuet. O freue Dich mit mir über dieſes mein Lebensglück! Du weißt, wie gerne Freunde theilen. Siehe, ich theile mit Dir, und ver- ſichere Dich aus treuer Seele, daß Dein Andenken mir in jenen heiligen, unvergeßlichen Augenblicken ſtets nahe war. Deine Anliegen wurden die meinigen, Deine Leiden 279 und Freuden opferte ich in Einfalt des Herzens dem Ge- ber alles Guten auf. Möge meine Fürbitte ſo bewährt befunden werden, als Deine treue Freundesliebe es ver- dienet. Mit dieſem Wunſche laß mich mein erſtes Schrei- ben aus Jeruſalem enden; es hat mich – glaube mir's – das Wiedergeben des innerlich Erlebten tief ergriffen. Nachdem wir von dem Vorſteher des Kloſters und der heiligen Grabeskirche, in der wir eine ſo ſegensvolle Nacht zugebracht, Abſchied genommen hatten, kehrten wir mit einem Seelenfrieden, wie ihn nur die Religion zu ſpenden vermag, in das Pilgerhaus zu unſeren zwei Rei- ſecollegen zurück, die uns herzlich begrüßten. Es war am 20. Auguſt am Feſte des h. Bernard, der ſo viel für die Befreiung des heiligen Landes gethan! – Der Gott des Friedens ſei mit Dir und Deinem Freunde etc. 280 XV. Ausflug zum todten Meere. Ein Riſico. – Räuber als Schutzwache gegen Räuber. – Eine qual- volle Reiſe. – Beſchreibung der Karawane. – Labyrinth von Gebirgs- päſſen. – Apoſtelbrunnen. – Jela, jela. – Ein verfallener Khan. – Das Mordthal. – Erinnerung an den barmherzigen Samaritan. – Samum. – Nächtliche Phantaſien. – Täuſchung. – Eine Baſtonade unter den Mauern Jericho's. – Eine kurze Nacht im Freien. – Die einſt ſo fruchtbare Ebene von Jericho – eine Wüſte. – Die grünen Iordansufer. – Bad im Jordan. – Sonntagsfeier unter einem Zelte. – Troſtloſer Ritt zum todten Meere. – Beſchreibung desſelben. – Reſultate wiſſenſchaftlicher Forſchungen. – Nicht nach Sabba, ſondern auf demſelben Weg zurück. – 489 R. – Sodomsäpfel ſtatt Jerichoro- ſen. – Pfützenwaſſer als Nectartrank. – Etwas über die Beduinen. – Frater Francesco. – Die Eliſeusquelle. – Ein Pilger erkrankt und ge- meſet. – Gipfel der Pilgerleiden. – Berg Quarantania. – Dorf Bethania. – Grab des Lazarus. – Glückliche Rückkehr nach Jeruſa- lem. – Extrabakſchiſch. Jeruſalem, 22. Auguſt. Lieber Freund! Obwohl die Jahreszeit, in welche unſere Pilger- reiſe fiel, zu Ausflügen in die Umgegend Jeruſalems die ungünſtigſte war, ſo wagten wir doch im Vertrauen auf den Schutz Gottes und unſer bisheriges Glück einen Aus- flug nach Jericho, zum Jordan und zum todten Meere. Was wäre auch eine Reiſe nach Jeruſalem, ohne den Fluß Jordan geſehen zu haben? – Glücklich davon zurückge- kehrt, will ich Dir, lieber Freund, dieſen Ausflug ſchil- dern, den ich – im Vorhinein geſagt – nicht wiederho- len möchte. 281 Mit dem uns empfohlenen Dragoman Matthia, einer ehrlichen Chriſtenhaut, wurde wie im Libanon ein Vertrag abgeſchloſſen, und da der Weg von Jeruſalem zum todten Meere der herumſchwärmenden Beduinenhor- den wegen als ſehr unſicher gilt, ſo wurden vorſichtshal- ber mit einem Scheik der Beduinen, der ſich eben in Jeru- ſalem aufhielt, auf dem öſterreichiſchen Conſulate diplo- matiſche Verhandlungen eingeleitet. Wir verſprachen ihm, wenn er uns lebendig und unberaubt wieder nach Jeru- ſalem zurückbringen würde, 500 Piaſter, zahlbar auf der Kanzlei des Conſulates, wogegen er drei Beduinen ſeines Stammes als Schutzwache uns zuſicherte. Er war zufrie- den damit, und ſo begann am 20. Auguſt 2 Uhr Mittags die Reiſe, deren Reiz auf Marinelli's Geſundheit den günſtigſten Einfluß hatte, denn er fühlte ſich ſtark genug ſie mitzumachen. - - Es war eine wahrhaft qualvolle Reiſe. Schon der erſte Tag hatte ſeine Beſchwerden, denn die Hitze war drückend. Wir ritten beim Damaskusthor hinaus, wende- ten uns dann rechts ins Thal Joſaphat hinab, ſetzten über den ausgetrockneten Bach Cedron, und begannen längs des Ölberges aufwärts zu ſteigen. Das projectirte Reiſe- ziel des erſten Tages war die Eliſeusquelle bei Jericho, wohin die Mucker mit 4 Packpferden, 2 Eſeln und einem Beduinen als Schutz bereits vorausgezogen waren, um daſelbſt die Zelte für uns aufzuſchlagen. Wir bildeten wieder eine ſtattliche Karawane. Ein Beduine eröffnete den Zug. Nebſt dem Dragoman befan- den ſich noch in unſerer Begleitung der Conſulatscawaß Muſſa – ein ſchlauer und anſtelliger Menſch, dann ein Frater des Franziskanerordens Namens Francesco aus Deutſchböhmen, der von ſeinen Oberen die Erlaubnißerhal- 282 ten hatte die Tour zum Jordan mit uns zu machen. Den Schluß der Karawane bildete der andere privilegirte Schutzwächter der Wüſte d. h. ein Beduine. Dieſe Söhne der Wüſte ſahen ächt räubermäßig aus. Auf dem Kopfe trugen ſie den Keffie d. i. ein gelb und roth quadrillirtes großes dickes Seidentuch, das mit einem Strick aus Ka- meelhaaren um denſelben gebunden war; die Enden des Tuches fielen auf jeder Seite ſo vom Kopfe herab, daß ſie den Nacken gegen die Sonnenſtrahlen ſchützten. Außer der gewöhnlichen grauen Kleidung trugen ſie noch trotz der Hitze einen weiß und ſchwarz geſtreiften Mantel von Wolle. Die bei Jeruſalem ohnehin ſo troſtloſe Gegend wurde immer trauriger. Die Berge ſtanden gänzlich aus- gebrannt da, und zwiſchen einem Labyrinth von Gebirgs- päſſen, in welchen man Spuren einer einſt beſtandenen Straſſe entdeckt, paſſirten wir zahlloſe Schluchten. – Die erſte Raſt gönnten wir uns beim Apoſtelbrunnen: ein zertrümmertes Monument neben einer ſpärlich flie- ßenden Quelle. – Und wieder ging es vorwärts bergan und bergab durch unwirthbare Sand- und Felſenthäler, die mit einem aſchgrauen Leichentuche bedeckt zu ſein ſchienen. – Kurz vor Sonnenuntergang langten wir bei einem verfallenen und ſehr verdächtig ausſehenden Khan an, wo wir die zweite Raſt haltend mit einigen Orangen und Granatäpfeln den ausgetrockneten Gaumen erfriſch- ten. – Und nochmal ging es vorwärts, und zwar ſchnel- ler als früher, weil die Beduinen dieſe Gegend als beſon- ders gefährlich erklärten. Wo es ein bischen möglich war, trieben ſie mit »jela, jela“ (vorwärts) zur Eile an, und Roß und Reiter keuchten im ſchwerfälligen Trabe. 283 Nun trat auch die Dämmerung ein, – weit und breit war kein Menſch zu erſpähen, niemand begegnete uns. Aus einem furchtbaren Abgrunde gähnte das ſoge- nannte Mordthal herauf, und ich begriff es, wie einer auf dieſem Wege in die Hände der Räuber fallen könne (Luc. 10, 30). Nie ſtand die großherzige That des barm- herzigen Samaritaners edler vor meinen Augen, als da- mals. – Wir paſſirten die gefährliche Stelle glücklich, erreichten die letzte Anhöhe und ritten auf ſteilen Wegen in die Ebene von Jericho hinab, die im fahlen Lichte des aufgehenden Mondes vor uns lag. Je tiefer wir hinabka- men, deſto mehr wehte uns ein glühend heißer Wind ent- gegen, der faſt den Athem verlegte: wir waren im vulka- niſchen Bereiche des todten Meeres. In der Ferne braun- ten einige Beduinenfeuer, welche (wie man uns ſagte) den Zweck haben ſollen die hier hauſenden wilden Thiere ferne zu halten. Die Nacht iſt nicht des Menſchen Freund! In meiner aufgeregten Phantaſie componirte ich ganze Romane, - Müde bis zur Erſchöpfung langten wir nach einem 8 ſtündigen Ritt bei der Eliſeusquelle an, wo wir die Zelte zu finden hofften, um unter ihnen auszuruhen. Aber wer malt unſer Entſetzen, als dieſe trotz alles Suchens nir- gends zu finden waren? Wo konnten ſie ſein? was ſollte aus uns werden? ſind die Mucker vielleicht von Räubern geplündert worden? Doch alles Sinnen, Klagen und Murren half nichts; es blieb nichts anderes übrig als den einſtündigen Ritt nach Jericho zu machen, wo wir vielleicht doch die Zelte zu finden hofften. Mit verzweif- lungsnaher Reſignation beſtieg ich nochmal das Pferd, das mir nicht minder erbarmte als ich ſelber, und quer- feldein ging es durch dichtes Geſtrüppe und Gehege, bis 284 uns Hundegebell die Nähe des Dorfes ankündigte. Rich- tig trafen wir im Garten des dortigen Scheik die auf- geſchlagenen Zelte. Unſere Mucker wollten ſich mit dem ſeichten Vorwand eines Mißverſtändniſſes entſchuldigen, was aber unſer Dragoman nicht gelten ließ, denn er ba- ſtonirte zum feierlichen Empfange die überraſchten Mucker in gehöriger Weiſe. Wahrſcheinlich ſteckte der begleitende Beduine hinter dem Mißverſtändniß, dem es in der Nähe ſeiner Jericho-Genoſſen lieber geweſen ſein mag, als an der abgelegenen Eliſeusquelle. – Ich kümmerte mich gar nicht um den Streit, ſondern zog in das bereitſtehende Zelt wie in einen Palaſt ein, und warf meine müden Glieder auf das Ruhebett, – Nach kurzer Friſt genoßen wir etliche Speiſen und löſchten den Durſt mit einem Waſſer, das trüb wie aus einem Schwemmteich war. – Trotz der großen Müdigkeit konnten wir vor Hitze nicht ſchlafen, das Thermometer zeigte um Mitternacht 300 R. Marinelli hatte ſich ſein Bett ins Freie getragen, weil unter dem Zelte die Hitze unausſtehlich war; ich machte es ihm nach und ſchlief unter dem ſternbeſäeten Him- melszelt beiläufig eine Stunde. Leider nur eine Stunde! denn 2 Uhr Morgens wurde ſchon wieder aufgeweckt und zum Fortreiten ange- trieben, um der grellen Tageshitze zuvorzukommen. Wir ließen die Zelte indeß zurück, und beſtellten ſie für den Nachmittag zur Eliſeusquelle, weil wir bis dahin vom todten Meere zurück zu kommen gedachten. Bei Mondenſchein verließen wir Jericho, und rit- ten durch die einſt ſo fruchtbare nun aber faſt gänzlich wüſte Ebene dem Jordan zu, der beiläufig 3 Stunden 285 entfernt iſt. Im täuſchenden Dämmerungslichte ſah man die jenſeits liegenden Berge Moab's, aber je mehr wir uns ihnen näherten, deſto mehr ſchienen ſie ſich zu ent- fernen. Endlich erblickten wir einen grünen Streif von Bäumen und Gebüſchen, das waren die Ufer des Jor- dan's, und der ſchimmernde Streif, der in den erſten Strahlen der Morgenſonne erglänzte, war der heilige Fluß ſelber. Ach, welch ein wohlthuender Anblick war der eines fließenden Waſſers in dieſer ausgedorrten und entvölker- ten Wüſte! Lang entbehrtes Grün, ſei mir gegrüßt! Der ziemlich ſteile Strand war ſo dicht mit Schilf bewachſen, daß man es räthlich fand ihn mit dem Säbel zu durchſtö- bern. Akazien, Weiden- und Lorbeerbäume ſchmückten die beiderſeitigen Ufer. – Der Jordan macht hier eine Krümmung und hat eine ziemlich ſtarke Strömung; die Breite war die eines Donauarmes, ſeine Farbe war grüngrau; das Waſſer ſüß und angenehm zu trinken. Kaum angekommen ſtürzten unſere Beduinen zu dem Fluſſe hinab, und nahmen ihre Gebete und Waſchun- gen vor. Wir Pilger thaten es ihnen bald nach, denn im Fluſſe Jordan zu baden iſt eine Art Pilgerpflicht. Man verſicherte uns, es ſei bei dieſer Biegung des Fluſſes die Stelle, wo der Heiland von Johannes getauft wurde und der Himmel ſich öffnete. Alsbald war ich im Fluſſe, der in der Mitte 5 tief war. Noch nie ſtärkte und erquickte mich ein Flußbad wie dieſes, ich konnte mich faſt nicht trennen davon, obwohl der Dragoman das zu lange Ver- bleiben im Waſſer als ſchädlich ſchilderte. Als Andenken daran nahm ich mir einige Muſcheln, eine Flaſche Jor- danswaſſer, und vom jenſeitigen Ufer noch einen Bund Jordanſtöcke mit. 286 Indeß war am Geſtade ein Zelt aufgerichtet wor- den, in welchem der Frater Francesco einen Altar auf- ſtellte, den er eigens vom Kloſter mitgenommen hatte. Hubinger, als der ältere unter uns Prieſtern, las in der improviſirten Feldkapelle die heilige Meſſe, Francesco miniſtrirte, wir Anderen wohnten bei. Es war ein origi- neller. Sonntagsgottesdienſt geheiligt durch die heilige Stätte, an der einſt die allerheiligſte Dreifaltigkeit ſich wundervoll offenbarte. Leider geſtatteten weder Zeit noch weniger die drohende Tageshitze, daß auch Marinelli und ich an dieſem Sonntage celebrirten, aber es war eine feierliche Sonntagsſtimmung im Herzen, ſowie eine ge- heimnißvolle Sonntagsruhe über dieſes weihevolle Erin- nerungsplätzchen ausgegoſſen ſchien. Geiſtig geſtärkt und gehoben traten wir aus dem Zelte, und ich dachte an die lieben Freunde in der Heimat, die mir für jeden Sonntag ein Memento verſprochen hatten. Wie ferne war ich ihnen, und doch wie nahe! – Unterdeſſen wurde der Altar weg- geräumt, wieder eingepackt, und der Dragoman cre- denzte das Frühſtück. Anfangs waren. Alle ſtille. Es war, als ob das Echo der Andacht von den Wänden des Zel- tes wiederhallte, die eben erſt Zeugen des hochheiligen Opfers geweſen. - Die Sonne ſtand ſchon hoch am Himmel, als wir den Jordan verließen, um zum todten Meere zu reiten. Der Weg dahin fällt unmerklich ab, ſo daß man auf einer Ebene ſich zu befinden ſcheint. Aber welche Ebene! San- dig, ausgebrannt, baum- und troſtlos. Hie und da wuchert binſenartiges dürres Gras, und aſchgraue Hügelhaufen ſtehen aufgethürmt da – als willkommene Verſteck- und Schlupfwinkel für die lauernden Räuber, vor denen faſt keine Karawane in dieſer Gegend ſicher iſt. Alle Vegeta- 287 tion iſt erſtorben, und der Boden mit einer ſalzigen Kruſte überzogen, welche von den Hufen der oft ſtrauchelnden Pferde durchbrochen wird. Nach einem Ritt von anderthalb Stunden erblickten wir das todte Meer, das mehr als tau- ſend Fuß unter dem Waſſerſpiegel des Weltmeeres liegt: ein lebendiges Bild des Todes! Zwiſchen wild gezackten und nackten Felſenwänden lag die trübe Waſſermaſſe wie geſchmolzenes Blei vor uns, azurblau und unbeweglich, während der Hintergrund durch ſtets aufqualmende Asphaltdünſte in verworrenes Grau gehüllt war, ſo daß man das Ende des Meeres, das 6 Stunden lang und 2 Stunden breit iſt, unmöglich ſehen konnte. Eine troſtloſe Stille herrſchte ringsherum und kein lebendes Weſen, kein Vogel, kein Wurm war zu entdecken! Zudem brannte die Sonne glühend heiß auf uns hernieder, und kein Lüftchen regte ſich, um einige Kühlung zu gewähren; kurz, es war das unheimliche Bild des Todes und ewigen Fluches, das dieſer Gegend aufgeprägt iſt. Sonſt gewährt der Anblick des Waſſers etwas angenehm Erfriſchendes, hier hinge- gen hat er etwas Unheimliches. Der Eindruck war zwar nicht ganz ſo ſchaudererregend als ich erwartet hatte, aber immerhin traurig und troſtlos genug. Mir fiel dabei ſtets der oratoriſche Refrän eines rühmlich bekannten Miſ- ſionspredigers ein, der über das ſechſte Gebot ſprechend, die betreffenden bibliſchen Beiſpiele mit den erſchüttern- den Worten ſchloß: „So ſtraft Gott das Bagatelle der Unzucht.“ Der ewige Fluch iſt dieſer Gegend unaus- löſchlich aufgeprägt, denn Menſchen und Thiere fliehen ſie. Von aus dem Waſſer hervorragenden Ruinen der un- tergegangenen Städte Sodoma und Gomorrha ſah ich je- doch nichts. – Es thut einem nur leid, daß der ſchöne Jordansfluß der einen ſo edlen Urſprung im Libanon und 288 eine ſo heilige Geſchichte hat, in dieſem Schwefelkrater verſiegen muß. So endet auch in der moraliſchen Welt gar oft die lang erprobte Unſchuld im Sündenpfuhle des Laſters. Die Ufer des todten Meeres ſind mit abgelagerten Salzkruſten und einem übelriechenden klebrigen Schlamme von ſchwarzer Farbe bedeckt; das Salz wird geſammelt und verkauft, letzterer zu einem Teige geknetet und in ver- ſchiedenen Formen zu Pilgerandenken verarbeitet. Unter der hellen Fluth glänzten die darunter liegenden Steine wahrſcheinlich in Folge des Asphaltniederſchlages wie die ſchönſten Achate; ich nahm mehrere als Andenken mit. Der Geſchmack des Waſſers iſt eckelhaft bitter und unan- genehm, ſo daß die Pferde, welche davon zu trinken ver- ſuchten, ſich mit Abſcheu entfernten. Man hat in neuerer Zeit zu verſchiedenen Malen wiſſenſchaftliche Forſchungen am todten Meere unter- nommen, aber der Engel mit dem feurigen Schwerte ſcheint jede längere und genauere Unterſuchung abweh- ren zu wollen. Vor zwei Jahren ſtarben drei junge Fran- zoſen faſt zur ſelben Zeit gelegentlich einer ſolchen Excur- ſion am Fieber, und zwei Engländer, die ſich zum Behufe ihrer Forſchungen eigens ein Schiffchen zimmerten, ende- ten elendiglich ihr Leben, der eine durch die Beduinen, der andere durch den Sonnenſtich. Vom todten Meere aus hätte der intereſſantere Rückweg nach Jeruſalem über das griechiſche Felſenkloſter St. Sabba geführt, aber die älteren Reiſecollegen fürch- teten den beſchwerlichen und weiteren Weg. Es wurde be- ſchloſſen denſelben Weg über Jericho nach Jeruſalem zu- rück zu machen, und ich mußte mich natürlich darein fügen, und that es auch, aber nicht ohne inneres Opfer, denn 28.) ich wäre über Saba lieber gegangen. Nach einem Aufent- halt von einer halben Stunde, der lang genug war, um das traurige Bild der todten Waſſerwüſte dem Gedächt- niß einzuprägen, ritten wir auf dem geradeſten Weg über die ſchauerlich öde Fläche nach Jericho zurück. Die Qualen dieſes vierthalbſtündigen Rittes bei der glühendſten Mittagshitze werde ich nie vergeßen. Das Thermometer zeigte 48° R. Durſt und Ermattung er- ſchöpften meinen ſonſt ſehr geſunden Organismus, und wäre ich nicht ſo erſchlafft geweſen, ich hätte weinen müſſen, nicht vor Schmerz, ſondern wegen der unaus- ſprechlichen Troſtloſigkeit dieſer Gegend. So beiläufig mögen die folternden Gefühle des Sünders in der Ewig- keit ſein, wo der Wurm nicht ſtirbt und das Feuer nicht erliſcht (Marc. 9,45). Um die Mittagsſtunde kamen wir nach Jericho zu- rück. Das einſtige Eden Paläſtinas iſt jetzt ein Trüm- merhaufen, ein verfallenes Dorf mit etlichen 40 Hüt- ten. Aus früheren Zeiten ſteht noch ein alter viereckiger Thurm, der auch zu Zeiten als Kaſerne benützt wird. Statt der Roſe von Jericho fand ich den ſogenannten So- domsapfel (Asclepiasgigantea), einen ſtachlichten Strauch mit zitrongelber Frucht, deren zuſammengeſchrumpfte Haut verfaulten Schleim und Samen birgt. – Ermüdet zum Verſinken ſtiegen wir in der Nähe des Thurmes ab, um in dem Schatten desſelben uns zu laben. Aber womit? Der Proviant war aufgezehrt, und bis zu den Zelten an der Eliſeusquelle war noch eine Stunde. – Da gingen der Dragoman und Kawaß in die nächſte Hütte und wink- ten uns nachzukommen. Im ſpärlichen Schatten des in- neren Hofraumes ſaßen mehrere Beduinen um einen aus- gegrabenen Waſſerbehälter, eine Pfütze, auf der allerlei Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 19 290 Unrath ſchwamm. Die Beduinen ſahen uns verächtlich an, ließen ſich aber nicht ſtören. Wir begehrten Trinkwaſ- ſer; ſie zeigten – o Schauder – auf die Kloake, aus welcher ein Beduine ſo eben ſchöpfte und mit Appetit trank. In Europa würde man dieſes Waſſer kaum dem lieben Vieh zu ſaufen geben. Doch was war zu thun? Der Durſt war zu groß. Ich blickte ſo lange in das ſchmutzige Naß, bis ich nach dem Sieb-Eimer griff, meinen Lederbecher daraus füllte, und nachdem ich etwas Conjak beigemiſcht hatte, gierig leerte. Ich glaubte himmliſchen Nectar zu ſchlürfen, und gönnte mir dieſen Genuß noch etliche Male, worauf mir auch die Collegen folgten. Du wirſt wohl begierig ſein, auch über das Volk der Beduinen und deſſen Sitten etwas mehr zu erfah- ren. Die Beduinen, die wilden Söhne Iſmaels (Geneſis 16, 12) fühlen ſich in dieſem wüſten Rayon ganz beſon- ders behaglich, und es iſt gewiß, daß ſie ſeit Abrahams Zeiten ſich nicht viel verändert haben. Ihr herumſchwei- fendes Leben hat die Civiliſation noch nicht „beleckt“, und hat darum etwas Patriarchaliſches und Poetiſches. Sie ſind äußerſt mäßig, und nähren ſich von Reis, Mehl und Zwiebeln, Fleiſch genießen ſie ſelten; ſie ſind gaſtfrei, mu- thig und treu dem gegebenen Worte; betrachten ſich aber als unumſchränkte Gebieter jener Strecken, die ſie bewoh- nen. Da ſie den Ackerbau für ſchimpfliches Gewerbe hal- ten, ſo nehmen ſie das Getreide den ackerbautreibenden Dorfbewohnern (Fellah's) heimlich oder gewaltſam, wo- bei oft blutige Fehden unterlaufen. Die Straſſenräuberei gilt ihnen als eine Kunſt, der ſie ſich mit Leidenſchaft er- geben. Übrigens ſtreben ſie nicht nach dem Leben wie ge- meine Räuber, außer man ſucht ihnen mit Gewalt zu wi- derſtehen. Mit freundlichen Worten, wo möglich in ihrer 291 Sprache, und mit kleinen Geſchenken richtet man bei ihnen mehr aus, als mit drohenden Geberden. Alle Autorität liegt in den Händen des Scheik, deſſen Würde erblich iſt. Der Religion nach ſind ſie Mohamedaner, doch haben ſie weder Prieſter noch Moſcheen. Doch ich kehre zur Beduinenpfütze in Jericho zu- rück. Nach einſtündiger Raſt brachen wir zu unſeren Zel- ten an der Eliſeusquelle auf. Die Sonne brannte fürch- terlich, und hätte mir Frater Francesco nicht ſeinen di- cken und breiten Filzhut geliehen, ſo wäre ich wahrſchein- lich dem Sonnenſtiche erlegen, denn meinen Sonnenſchirm hatte ich in Ramleh verſchenkt, und der Turban ſchützte zu wenig; der gutmüthige Frater half ſich damit, daß er ſeine Kaputze über den Kopf zog.– Ach, wie ſehnte ich mich nach dem Ziele! wie lange dauert eine Stunde, in welcher- man etwas erwartet! – Endlich kamen wir zu dem Bäch- lein, das aus der Eliſeusquelle abfließt und ſeinen Lauf mit grüner Einfaſſung bezeichnet, bald darauf zur Quelle ſelbſt, in deren Nähe unſere Zelte ſtanden. Die Eliſeusquelle hat ihren Namen vom Pro- pheten Eliſeus, der die früher bittere Quelle angenehm trinkbar machte, wie im zweiten Buch der Könige 2, 19 erzählt wird. An dieſem Orte iſt ihr Werth unſchätzbar. Sie quillt am Fuße eines Berges unmittelbar aus der Erde empor und zwar ſo reichhaltig, daß ſie ein mehrere Klafter langes Becken ausfüllt, das 1“ tief iſt. Das Waſ- ſer iſt rein, klar, und ſehr angenehm zu trinken. Gott ſei Dank! Wir freuten uns nun in den Zelten der Ruhe pfle- gen zu können, allein es war ſo ſchwül und dumpfig darunter, daß es nicht möglich war daſelbſt zu verbleiben; daher ſchleppten wir Decken und Mäntel in den ſpärli- 19 292 chen Schatten einiger Bäume, breiteten jene aus, wälzten einen Stein als Kopfkiſſen zurecht und verſuchten zu ſchlafen. Nicht möglich! Der vulkaniſche Samum, der uns am Tage vorher ſchon erſchreckt hatte, erhob ſich mit ver- doppelter Kraft, ſo daß ſelbſt die Pferde keuchten und ſtampften. Es war zum Verſchmachten. Man war gezwun- gen das Geſicht faſt in die Erde zu vergraben, um ſich vor der glühenden Luft zu verwahren. Dazu geſellte ſich eine ſolche innere Unruhe und Beklommenheit, daß man nicht drei Minuten auf einem Flecke aushielt. Du kannſt Dir kaum vorſtellen, lieber Freund, was wir an dieſem qualvol- len Nachmittage ausgeſtanden haben. Am ſchlimmſten aber war der ältere der Pilgercollegen Mayr daran, der ſich ſehr unwohl fühlte, und ſprach- und theilnamslos – wie zum Sterben reſignirt – im Zelte auf ſeiner Lederdecke lag. Wahrlich, dieſer Tag war der Gipfel unſerer Pil- gerleiden. - Und doch mußte ich bei all den Leiden vom Herzen lachen, als ich die erfinderiſche Pfiffigkeit unſerer Mucker und Beduinen gewahrte, mit der ſie ſich gegen die ſengende Hitze ſchützten. Als ich auf meinen unruhigen Wanderun- gen zu der etliche 20 Schritte entfernten Eliſeusquelle kam, ſah ich, wie dieſe Kerle mitten in der Quelle, aus der wir mit ſolchem Appetit getrunken hatten, auf Feld- ſeſſeln ſaßen, im Schatten eines Feigenbaumes gemüth- lich ihren Tſchipuk ſchmauchend. Das war ja prächtig! Sogleich ſetzte ich die geſunden Collegen davon in Kennt- niß, und wir thaten es den Beduinen nach, die Wohlthat dieſer Erquickung mit orientaliſchen Phraſen lobend und preiſend. Da die Quelle unaufhörlich quillte, ſo hatte man ſtets friſches Waſſer, das man ohne Scheu trinken konnte, und doch war der Durſt nicht zu löſchen. 293 So blieben wir bis 7 Uhr Abends, denn früher hatten wir keine Luſt zu eſſen. Obwohl die Speiſen gut zubereitet waren, ſo fanden ſie doch wenig Anwerth – um ſo viel leichter iſt es im Orient zu faſten. Wir gingen, nicht ohne Beſorgniß vor allerlei Ungeziefer, zu Bette, und die Müdigkeit ſchloß bald unſere Augen. Um 1 Uhr Nachts wurde ſchon wieder aufgeſtan- den, um in den kühleren Morgenſtunden nach Jeruſalem zurück zu reiten. Collega Mayr nahm ein erfriſchendes Bad an der Eliſeusquelle und fühlte ſich wohler. – Um 2 Uhr waren wir reiſefertig. Es war eine ruhige Ster- nennacht, und flink ging es vorwärts. In nicht weiter Ferne bei mattem Mondenſchein ſahen wir die ſcharfen Conturen des Berges Quarantania, wo Jeſus die Ver- ſuchung des Teufels überwand, und im Mittelalter viele Eremiten wohnten, deren einſam gelegene Höhlen jetzt von wilden Thieren bevölkert ſind. – Mit Sonnenauf- gang kamen wir zu dem oben beſchriebenen verfallenen Khane, und nach kurzer Raſt ohne allen weiteren Unfall längs des Mordthales durch die ſchon bekannten wüſten Wege bis zum Dorfe Bethanien, dem zu lieb wir einen kleinen Abſtecher machten. Bethanien iſt jener idylliſche Ort der glücklichen Liebe, in welchem das edle Schweſterpaar Martha und Maria mit dem Bruder Lazarus traulich wohnte. Das Dorf iſt gänzlich verfallen, das genannte Haus eine Ruine. Wir hielten an, um die Gruft zu ſehen, aus wel- cher Jeſus den Lazarus zum Leben erweckte (Joh. 11,43). Man führte uns zu einer Felſenhöhle, in welche ich allein 294 mit einem Lichte 20 Stufen tief hinabſtieg. Es durchrie- ſelte mich ein heiliger Schauer, indem ich an die leben- ſpendenden Worte dachte: „Lazarus, komm heraus“. Die Frömmigkeit des Mittelalters hat an dieſer denkwürdigen Stelle einen Altar errichtet, deſſen karge Überreſte noch deutlich zu erkennen ſind. - Um 10 Uhr Morgens zogen wir unverſehrt in Je- ruſalem ein, Gott dankend für ſeinen wunderbaren Schutz. Es war ein halbes Wunder, daß in Folge der außerge- wöhnlichen Strapatzen keiner von uns erkrankte. Man war auch in Jeruſalem, wo während unſerer Abweſenheit die Hitze um 10 Grad geſtiegen war, wegen uns in nicht gerin- ger Beſorgniß geweſen. Beſonders freute ſich über unſere glückliche Zurückkunft der öſterreichiſche Conſul v. Pizza- mano, der überhaupt durch ſeine zuvorkommende Freund- lichkeit uns den Aufenthalt in Jeruſalem angenehm macht. Außer der Hitze hatten wir keinen Feind zu bekämpfen; vielleicht war dieſe ſelbſt den Beduinen zu arg, denn wir ſahen auf der ganzen Parthie keinen einzigen. Unſere Schutzwächter forderten für die Ehre der Begleitung, die ſie uns angethan, noch ein Extrabakſchiſch, das ſie auch erhielten, um ihnen zu zeigen, daß wir ſie für ehrliche Spitzbuben halten, wenn ſie auch keine Gelegenheit fanden ihre Bravour in Beſchützung der ſich ihnen anvertrauen- den Pilger zu beweiſen. – Es grüßt Dich Dein etc 295 XVI. Zweiter Aufenthalt in Jeruſalem. Das unblutige Opfer des neuen Bundes auf dem Hügel Golgatha. – Segen des Glaubens. – Quelle der kritiſchen Zweifel. – Der hohe Werth der Traditionen im Orient. – Würdigung der proteſtantiſchen Jeruſalem-Literatur. – Nur die Katholiken können die Echtheit der h. Stätten beweiſen, weil nur ſie an der Tradition feſthalten. – Warum der Calvarienberg jetzt nicht außerhalb, ſondern mitten in der Stadt liegt. – Wie es kommt, daß das heilige Grab mit dem Golgathahügel unter einem Dache iſt. – Warum die Griechen das Hauptſchiff der hei- ligen Grabeskirche inne haben? – Das goldene Protectorat Rußlands.– Die Kapelle der Kopten. –– Das Felſengrab des Joſeph von Arimathäa. – Löſung eines patriotiſchen Gelübdes. – Missa cantata pro Impe- ratore Francisco Josepho in der heiligen Grabkapelle. – Etwas über den Ritterorden des h. Grabes. – Ein Toaſt auf den König von Jeruſalem. Jeruſalem, 23. Auguſt. Lieber Freund! Das Ereigniß des heutigen Tages dünkt mir ſo wichtig, daß ich Dir eigens darüber ſchreiben muß: es be- trifft die Löſung unſeres Gelübdes. Um 5 Uhr früh führte uns P. Andreas in die h. Grabeskirche, und verlangte die Öffnung derſelben, was den Franziskanern jedesmal 100 Para d. i. anderthalb Franken koſtet. Da die türkiſchen Wächter wahrſcheinlich noch ſchliefen, ſo mußten wir warten bis die Kirche auf- geſperrt wurde. Ich ſetzte mich auf ein Säulenfragment in der Vorhalle und betete Brevier. Endlich raſſelten die Schlüſſel und die Türken öffneten die Pforten zum chriſt- lichen Heiligthume, grüßten aber höflicher als die grie- 296 chiſchen Popen, die gleichfalls auf Einlaß gewartet hatten. Ich hatte mir für heute die heilige Stätte des Cal- varienberges zur Darbringung des heiligen Meßopfers gewählt. Ein Frater errichtete den Altar an derſelben Stelle, wo Chriſtus an's Kreuz geſchlagen wurde; dann kam er in die Sakriſtei um mich abzuholen, und ich beſtieg die Stufen des Hügels Golgatha. Ich kann Dir nicht ſa- gen, was ich fühlte. Der Gedanke: an jener Stelle das unblutige Opfer des neuen Bundes darzubringen, wo Je- ſus Chriſtus das blutige Erlöſungsopfer vollbracht, be- ſchäftigte unabläſſig meine Seele. Hier ging die große Umwandlung der ganzen Menſchheit vor, hier kämpften Tod und Leben miteinander („mors et vita duello con- flixere mirando“), hier feierte das Myſterium der Liebe ſeinen höchſten Triumph: hier ſtarb der Gottmenſch am Kreuze! Ach, welcher Segensfülle beraubt ſich derjenige, der ohne lebendigen Glauben dieſe heilige Stätte beſucht, und mit tauſenderlei kritiſchen Zweifeln die aufwallende An- dacht ſeines Herzens niederhält! Nicht als ob man die Wiſſenſchaft über der Frömmigkeit vergeſſen dürfte, denn es iſt ein großer Unterſchied zwiſchen Alles glauben und Alles verwerfen. Die heiligen Stätten ſind kein Glaubens- artikel. Das iſt aber ſicher, daß die fromme Einfalt von der Liebe und die kritiſche Geringſchätzung vom Haße kommt. In letzterer Beziehung fehlen viele Andersgläubige, welche den Katholiken blindes Feſthalten an die alten Traditionen vorwerfen. Aber um des Himmels willen, an was ſoll man ſich denn im Orient, notabene unter Tür- kenherrſchaft halten, als an Traditionen? Die heiligen 297 Stätten prägen ſich einem Jeden, der ſie einmal geſehen hat, ſo tief in das Gedächtniß und in das Herz ein, daß man ſie nie mehr vergißt, leicht wieder finden und Ande- ren zeigen könnte. Dazu braucht es keine Wiſſenſchaft. Und ſollten nicht in einem jeden Jahrhunderte wenigſtens zwei Chriſten in jenen Umſtänden geweſen ſein? Überlie- ferungen gehen von Eltern auf Kinder, in der Kirche von Biſchöfen auf Biſchöfe und Prieſter über, ſo daß man wohl mit voller Sicherheit ſagen kann: wenn irgend etwas auf Erden ſich beweiſen läßt, ſo iſt es die Echtheit der chriſtlichen Traditionen im Orient. Doch gerade dieſe Tradition gilt bei den Proteſtan- ten nichts; ſie wollen Alles durch Forſchungen aufhellen und beſtimmen, und werfen die altehrwürdigen Traditio- nen über den Haufen, wenn ſie nicht in ihren Vernunft- kram paſſen. Das iſt eine grelle Ungerechtigkeit, eine wahre Nothzucht der Wiſſenſchaft, denn kein Terrän iſt dazu ungünſtiger als Jeruſalem. Und ſo iſt durch die neuere ohne Zweifel reichhaltige und gelehrte Literatur über die heiligen Stätten von Seite der Proteſtanten mehr zerſtört als erbaut worden: ſie iſt nur groß im Negiren. Es ergeht den heiligen Stätten nicht beſſer als dem Bibel- texte. Nein, wer die Traditionen im Orient vernichtet, der ſchafft nicht, ſondern der zerſtört, und wer ein ſolches Gebahren wiſſenſchaftliches Forſchen nennt, der leidet an Begriffsverwirrung. Nur die Katholiken können die Echt- heit der heiligen Orte beweiſen, weil nur ſie an der Tra- dition feſthalten. – Es ſpricht lauter, als Worte es ver- mögen, daß von Alters her katholiſche Mönche die Wäch- ter des heiligen Grabes waren und zahlloſe Opfer brach- ten, um daſelbſt die heiligen Geheimniſſe feiern zu kön- nen, während die Proteſtanten bis auf die neueſte Zeit 298 herab ſich nicht darum kümmerten. Daher dünkt es mir auch edler und vernünftiger zu ſein, wenn die Katholiken bei mancher topographiſchen Streitfrage, über welche die Acten noch lange nicht geſchloſſen ſind, ſich für das Beſte- hende und im traditionellen Glauben Angenommene erklä- ren, als wenn ſo manche Akatholiken ſich über die Sagen der beſchränkten Mönchsköpfe luſtig machen. Durch gehäſ- ſige Polemik wird der Wiſſenſchaft wahrlich kein Dienſt erwieſen, - Ich will beiſpielsweiſe nur die Stätte der Kreuzi- gung, den Calvarienberg, berühren. Da ſtoßen ſich viele daran, daß er mitten in der gegenwärtigen Stadt Jeruſalem liegt, indem doch Jeſus bekanntlich außer der Stadt gekreuziget wurde. – Dieſe Schwierigkeit iſt gar leicht zu löſen. Das gegenwärtige Jeruſalem iſt in ſeiner Ausdehnung nicht mehr ſo, wie es zur Zeit Chriſti war. Der Heiland wurde allerdings außer der Alt- oder Sions- ſtadt (ztotz, wie Joſephus Flavius ſchreibt) gekreuzigt, und zwar auf der Schädelſtätte, die hebräiſch Golgatha, und griechiſch Calvariä hieß, ſo daß die Execution des Todesurtheils im Freien ſtattfand. Dieſer Hügel war aber ſehr nahe bei der Stadt, ſo zu ſagen in einer Vor- ſtadt, welche auch nach hiſtoriſchen Zeugniſſen von Kaiſer Hadrian in die Stadt miteinbezogen wurde, wodurch der Hügel Golgatha in das Innere der Stadt kam. Im from- men Mittelalter, wo Jeruſalem von den Kreuzrittern ero- bert wurde, gruppirte ſich Alles um die heiligſte Stätte, und ſo kam das heilige Grab mitten in die Stadt. – Eher könnte einen frappiren, daß das heilige Grab mit dem Golgathahügel unter einem Dache iſt. Doch auch dieſe Schwierigkeit iſt leicht zu löſen. Das Felſengrab, in das Jeſus gelegt wurde, war nahe der Kreuzigungsſtätte, 299 wie ich ſchon im vorletzten Pilgerbriefe erwähnt habe. Als die Franken den großartigen Neubau auf den Trümmern der von der h. Helena erbauten Baſilika begannen, woll- ten ſie die heiligſten Stätten der Chriſtenheit in Einem Dome vereinigen, zu welchem Behufe die Stelle, wo einſt das Kreuz aufgerichtet worden war, geebnet wurde, wie es im Weſentlichen jetzt noch beſteht. – Dieſe einfache und natürliche Erklärung, verbunden mit einer Tradition, die mehr als ein Jahrtauſend für ſich hat, wiegt gewiß ſchwerer, als alle wenn auch noch ſo geiſtreichen Hypothe- ſen und gelehrten Combinationen über die Beſtimmung der erſten, zweiten und dritten Stadtmauer, die theilweiſe noch ganz im Schutte begraben liegen. Doch laſſen wir die Polemik an einem ſo friedli- chen Orte. Folge mir noch an einige Punkte in der heili- gen Grabeskirche, die Dir noch nicht bekannt ſind. Wir treten durch die offene Thür in das Hauptſchiff, welches von den Griechen durch eine hohe Mauer von den übrigen Theilen der Kirche abgeſchloſſen iſt. Dieſe Abſchließung verhindert den Überblick der ganzen Kirche und beſteht erſt ſeit dem Brande 1808, wo die Griechen den kaiſerlichen Ferman, der ihnen die Herſtellung des h. Grabes erlaubte, auf die ganze Kirche ausdehnten, obwohl nur der Chor abgebrannt war.–Überhaupt ſichertden Griechen das Geld ſo manche Vortheile, mittelſt welcher ſie die Lateiner immer mehr aus ihren Rechten verdrängen. Die ruſſiſche Regie- rung ſcheut in dieſer Beziehung kein Geldopfer, um das Protectorat über die ſchismatiſchen Griechen im Orient zu gewinnen und zu erhalten, überall glänzen die ruſſi- ſchen Kronleuchter und czariſchen Adler. Der Hochaltar iſt im öſtlichen Theile des Schiffes, alſo gegenüber dem Grabe, das im Weſten ſteht, angebracht, und ſtrotzt wie ZOO ein Thronhimmel von Gold und reichen Verzierungen. Das Niveau der abgeſchloſſenen Kirche iſt höher als das der übrigen Kirche, welche überhaupt durch dieſe Abſchlie- ßung ganz entſtellt iſt, indem der Chor der Griechen gleichſam eine Kirche in der Kirche bildet. An die andere Seite des h. Grabes iſt unmittelbar eine kleine Kapelle der Kopten angebaut, eine außeror- dentliche Gunſterwirkung von Seite eines ehemaligen koptiſch-türkiſchen Miniſters; die Zahl der koptiſchen Chriſten in Jeruſalem iſt ſehr geringe. – Gegenüber am äußerſten Weſt-Ende der Kirche befindet ſich ein in Felſen gehauenes Grab, welches offenbar in die hebräiſche Epoche zurückreicht, und von dem man vermuthet, daß es Joſeph von Arimathäa noch bei ſeinen Lebzeiten für ſich errichten ließ; – ein nicht zu verſchmähender Beleg für die Echtheit des heiligen Grabes. Du wirſt aber, lieber Freund, ſchon ungeduldig auf die Schilderung jener Feierlichkeit warten, die ich Dir im Anfange dieſes Pilgerbriefes hoffen ließ. Nun ſo höre. – Gegen 8 Uhr wurde es in der heiligen Grabeskirche immer lebhafter. Der öſterreichiſche Conſul erſchien mit ſeiner Familie, vor ihm ſchritten die in Gala gekleideten Kawaſſen mit ſilberbeſchlagenen Amtsſtäben. Wir Pilger be- grüßten ihn und gruppirten uns mit anderem andächtigen Volke unmittelbar vor dem heiligen Grabe. Orgelklänge ertönten, und der hochwürdige P. Vikar trat mit feierli- cher Aſſiſtenz zur heiligen Grabkapelle, um ein Hochamt (missa cantata) für Se. Majeſtät den Kaiſer von Öſter- reich zu halten. – Die Veranlaſſung dazu ging von un- ſerm ehrenwerthen Pilgercollega Joſeph Leonard Mayr aus. Du wirſt Dich nämlich aus meinem erſten Pilger- briefe noch erinnern, daß Mayr bald nach dem unſeligen Z01 Attentate am 18. Februar d. J. den großherzigen Ent- ſchluß faßte nach Jeruſalem zu pilgern, um an dieſer hei- ligſten Stätte der Erde für die wunderbare Erhaltung des theuren Lebens Gott zu danken, und wie wir Anderen ſei- nem Plane uns anſchloßen. Du kannſt Dir denken, lie- ber Freund, wie innig gerührt wir dem Dankamte bei- wohnten. – Die Function war feierlich und durch die Heiligkeit des Ortes doppelt ergreifend. Als wir nach dem Hochamte dem Pilgerpapa zur Erfüllung ſeines edlen Vorhabens gratulirten, ſtanden ihm die Thränen in den Augen. – Nach meiner Anſicht hätte Mayr für ſeine uneigennützige, opfervolle und ritterliche That den Ritteror- den des heiligen Grabes verdient, denn wer ſeine Treue im Glauben bewährt, iſt ein würdiger Kreuzritter, und wer im 19. Jahrhundert ſeine chriſtliche und patriotiſche Geſinnung in Wort und That bekennt, der wagt und thut nicht weniger als ein pilgernder Kreuzfahrer des Mit- telalters. Alſo – höre ich Dich fragen – exiſtirt ein Rit- terorden des heiligen Grabes? Allerdings, und zwar iſt er einer der älteſten Ritterorden des civiliſirten Europa, denn der erſte König Jeruſalems Gottfried von Bouillon hat ihn gegründet. Großmeiſter desſelben iſt der Papſt; die Macht Ritter zu ernennen hat als Bevollmächtigter des Papſtes der jeweilige Patriarch von Jeruſalem. Die Pflichten eines Ritters des h. Grabes ſind: die Kirche Gottes zu vertheidigen und zu befreien, ungerechte Kriege, Duelle und jede ſchimpfliche Handlung zu vermeiden, Frieden und Eintracht herzuſtellen, Witwen und Waiſen zu beſchützen, vor Laſtern des Fleiſches ſich zu hüten, un- tadelhaft vor Gott und Menſchen zu ſein, den Eifer für die heiligen Stätten zu beleben u. ſ. w. Die Decoration 302 beſteht aus fünf Kreuzen an Einem Stamme, zur Erinne- rung an die fünf Wunden des Herrn; man trägt ſie an einem ſchwarzen Bande. Die Aufnahme geſchieht in der Nähe des heiligen Grabes, wobei der neue Ritter das Schwert Gottfried von Bouillon's, das in Jeruſalem als koſtbare Reliquie verehrt wird, in ſeinen Händen hält. Wir waren alle ſehr fröhlich und glücklich geſtimmt, und brachten bei Tiſch mit dem beſten Wein, den wir be- kommen konnten, einen Toaſt dem ritterlichen Kaiſer von Öſterreich, der ja auch den Titel: „König von Jeruſa- lem" führt, und dem tiefgerührten Collega Mayr. – Ich muß ſchließen, denn theils wurde ich durch den Beſuch der beiden Sekretäre des Patriarchen Valerga unterbrochen, theils müſſen wir uns reiſefertig machen zu dem ſchon mit Sehnſucht erwarteten Ausflug nach Bethlehem. Lebe wohl und beneide immerhin Deinen Freund etc. Z03 XVII. Ausflug nach Bethlehem. Verſchiedenheit der Umgebung Jeruſalems und Bethlehems. – Bibli- ſche Erinnerungen und ſelige Träume aus der Kindheit. – Eliaskloſter. – Erſter Anblick des idylliſch gelegenen Bethlehem. – Grabmal der Rachel. – Das Franziskanerkloſter. – Die Grotte der Geburt Chriſti. – Ihre Echtheit. – Das ominöſe Schickſal des Stern von Bethle- hem. – Anlaß zu dem ruſſiſch-türkiſchen Kriege. – Münchner Bier. – Schlafloſe Nacht. – Ein denkwürdiger Geburtstag. – Missa de Na- tivitate. – Die Poeſie der Krippe. – Eulogien. – Die Baſilica zu Bethlehem. – Die Gärten Salomo's. – Hortus conclusus und fons signatus im hohen Liede. – Die ſalomoniſchen Teiche. – Die Straſſe nach Hebron. – Ein Abenteuer auf Leben und Tod. – Ein gemüthli- ches Wienerfrühſtück. – Ein induſtriöſer Convertit. – Wein von Beth- lehem. – Prozeſſion zu den Sanctuarien in der Kirche zu Bethlehem. – Andenken an den h. Hieronymus. – Glückliche Rückkehr nach Jeruſalem. Bethlehem, 24. Auguſt. Lieber Freund! Heute, mein Lieber, ſchildere ich Dir den denkwür- digſten Tag meines Lebens; es iſt, wie Du weißt, heute mein Geburtstag, den ich ſo glücklich bin in Bethlehem zuzubringen. Wir danken dieſe Veranſtaltung dem freund- lichen Conſul von Pizzamano, der uns ſelbſt mit dem P. Re- verendissimus des Franziskanerkloſters hieher begleitete. Geſtern Abends verließen wir Jeruſalem zu Pferd, und ritten durch das Jaffathor an dem fälſchlichen Teich Bethſabe vorüber durch das berühmte Thal Raphaim, wo David die Philiſter ſchlug (II. Buch der Könige 5,18). – Bethlehem iſt von Jeruſalem nur zwei Stunden entfernt in ſüdlicher Richtung, und der Weg dahin iſt ohne 304 Beſchwerde. Die Straſſe iſt breit, ſogar gut im Vergleich mit den übrigen, und hier iſt der einzige Ort, wo man einige Äcker um die Stadt antrifft. Je näher dem Ziele, deſto freundlicher wurde der Weg. Was dieſe Straſſe je- doch dem Pilger ſo unendlich theuer macht, iſt der Um- ſtand, daß ſie zur Krippe des Weltheilandes führt. Der alte Patriarch Jakob, der Hirtenkönig David, die heilige Jungfrau mit Joſeph ihrem Verlobten wandelten darauf. Ach, wie viele Erinnerungen der glücklichen Jugendzeit knüpfen ſich an den Namen Bethlehem! All die frommen und unſchuldigen Gefühle einer ſeligen Kindheit erwach- ten in der Seele, und mit einer ſtillfreudigen Erwartung wie am Chriſtabende näherten wir uns dem idylliſchen Orte, wo das Chriſtkindlein zur Welt gekommen iſt. Eine halbe Stunde außer Jeruſalem erhob ſich die Straſſe auf eine ſanfte Anhöhe, welche das griechiſche Eliaskloſter krönt, das wie alle Klöſter des heiligen Landes mit den eiſernen Thoren, hohen Mauern und ver- gitterten Fenſtern ganz feſtungähnlich ausſieht. Auf der rechten Seite des Weges machte man uns auf einen Fel- ſen aufmerkſam, in welchen die deutliche Spur eines Schlafenden eingedrückt war; es ſoll die Stelle ſein, auf welcher der Prophet Elias ſchlief, als er vor dem Zorne Jezabels floh (III. Buch der Könige 19, 3). Hier erblickt man zum erſten Mal das friedlich auf einem Berge voll Majeſtät und Anmuth gelegene Städtchen Bethlehem. Das Herz lachte vor Freude Nun ging es unmerklich thalab, ſo daß Jeruſalem im Rücken verſchwand, und die Sinne ſich allein mit der heiligen Stadt Davids beſchäftigen konnten. Alles, was die Bibel in ſo lieblicher Einfalt über die Geburt des Heilandes erzählt: die Reiſe der Eltern zur Winters- Z05 zeit, die dürftige Einkehr in die Grotte, die Geburt des Jeſukindes und ſein erſtes Bettlein in der Krippe, der Lobgeſang der Engel und die ſchlichte Anbetung der her- beieilenden Hirten, das Erſcheinen des Sternes und die Huldigung der Weiſen aus dem Morgenlande – dies Alles drängte ſich dem in ſüße Betrachtung verſunkenen Geiſte auf und erfüllte die Seele mit wonnigen Bildern.– Rechts vom Wege liegt das Grabmal der Rachel, v. die hier bei der Geburt Benjamins ſtarb (Geneſis 35,19). Chriſten, Juden und Türken hegen eine große Verehrung gegen dieſes Grab; die von den Chriſten darüber erbaute Kapelle gehört jedoch den Türken, die eine weiße formloſe Kuppel darüber wölbten. Indeß hatten wir uns dem freundlichen, größten- theils von Chriſten bewohnten Städtchen genähert, und fröhliche Kinder und unverſchleierte Frauen mit aus- drucksvollen Phyſiognomien begegneten uns. So verſchie- den iſt der Typus der Nachbarſtädte Bethlehem und Je- ruſalem! Die Hügel waren ringsherum wie auf dem Li- banon in Terraſſen getheilt, und mit Öl- und Feigenbäu- men, ja ſelbſt Weinreben, – die man um Jeruſalem nir- gends ſieht – bepflanzt. Die Stadt liegt wie Jeruſalem auf einem Bergrücken, aber die Berge gleiten ſanfter ab, die Gegend hat einen milderen Charakter, und ſcheint zum Hirtenleben wie geſchaffen. Wir ritten durch die ſchmalen belebten Straſſen zu dem außerhalb der Stadt gelegenen und einer Burg ähn- lichen Franziskanerkloſter, das neben der Kirche ſich be- findet, welche ſich über der Geburtsſtätte Chriſti erhebt. Du kannſt Dir denken, daß wir in ſo ehrenvoller Geſell- ſchaft doppelt freundlich empfangen wurden. Man führte Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 20 Z06 uns in einen großen Salon, in welchem breite Divans ſtanden und eine lange Tafel, an der wir ſpäter ſpeisten. Obwohl es bereits Abend geworden war, ſo woll- ten wir doch in Bethlehem nicht eher zur Ruhe gehen, ehe wir dem erſten Heiligthume der Welt: der Grotte der Geburt Chriſti unſere Verehrung gezollt hatten. Wir folgten dem Pater, der uns über eine enge und krumme Steintreppe auf 16 Stufen hinabführte, und wir waren am Ziele. Etliche 30 Lampen verbreiteten ein ma- giſches Licht über die Felſengrotte. Schweigend ſanken wir in die Kniee, und beteten den Heiland an, der hier von der Jungfrau Maria geboren ward. Die menſchliche Sprache iſt nicht im Stande jene heilige Seelenwonne zu ſchildern, welche an dieſer Stelle das Innere erfüllt: ſelbſt Freudenthränen ſind nur ein ſchwacher Ausdruck dafür. Die Geburtsgrotte iſt eine natürliche Höhle, 18“ lang, 6“ breit, 10“ hoch, und nach dem Hintergrund zu etwas enger. Das natürliche Geſtein iſt größtentheils mit feinen Seidenteppichen behangen, die hie und da in Fetzen gehen, und das Pflaſter iſt mit edlem Marmor bedeckt. Von den etlichen 30 Lampen, die darin fortwährend bren- nen, ſind viele ein Geſchenk der öſterreichiſchen Kaiſerfa- milie, deren Wappen ſie tragen. – Im öſtlichen Theile iſt das Heiligthum der Geburt, wo der ſilberne Stern ſich befand mit der lateiniſchen Inſchrift: „Hic devirgine Maria Jesus Christus natus est“ (hier wurde von der Jungfrau Maria Jeſus Chriſtus geboren); ich komme weiter unten auf ihn zurück. – Sieben Schritte rechts iſt die Stelle, wo die Krippe ſich befand, in welche die gna- denvolle Jungfrau das Kind legte. Zwiſchen beiden Grot- ten in der abgerundeten Vertiefung des Felſens iſt der Ort, wo Maria das göttliche Kind in den Armen hielt, Z07 während die Magier dasſelbe auf ihren Knieen anbeteten. Die beiden letztgenannten Stellen gehören den Lateinern d. i. den Katholiken, welche nebenbei den Altar der hei- ligen drei Könige errichteten. Hier dürfen ſie täglich zwei Meſſen leſen, auf dem Heiligthume der Geburt je- doch keine. Die Grotte ſtand zur Zeit des Erlöſers gegen Bethlehem hin offen und man konnte ungehindert eintre- ten; ſpäter mußte dieſer Eingang durch eine Mauer ge- ſchloſſen werden, um die Grotte und das Kloſter vor wil- den Thieren und Barbaren zu beſchützen; auch wurden Thüren, Gänge und Stufen angebracht, um den Mönchen die Ausübung des heiligen Dienſtes zu erleichtern. – Es iſt daher ein lächerlicher Einwurf, wenn man ſagt: Auf den jetzigen Stufen habe kein Ochs oder Eſel zur Krippe gelangen können, alſo ſei ſie unecht!! – Es gibt keinen Ort auf Erden, deſſen Echtheit gewiſſer dargethan iſt, als die der Grotte von Bethlehem. Zuerſt ſtimmt ſie durch ihre Lage vollkommen mit der Erzählung des Evangeli- ſten überein: „Und Maria legte ihren erſtgebornen Sohn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für ſie war; und es waren Hirten in derſelben Gegend, die hüte- ten und Nachtwache hielten bei ihrer Heerde“ (Luc. 2, 7, 8). Die Geburtsgrotte iſt beiläufig 200 Schritte von der Stadt entfernt, und ähnliche Höhlen dienen jetzt noch zum Aufenthalt der Menſchen und Thiere. – Aber auch ge- ſchichtlich läßt ſich die Echtheit nachweiſen. Die erſten Chriſten ehrten in ihrer zarten Frömmigkeit den Ort, wo Jeſus geboren ward, gewiß auf ausgezeichnete Weiſe, weil der Kaiſer Hadrian auf den echt heidniſchen Gedanken kam, hier einen dem Adonis geweihten Hain zu pflanzen, und ſo die heilige Wiege des Herrn durch den unreinen 308 Kultus der heidniſchen Gottheit zu beflecken. Die heilige Helena warf dieſe Statue nieder, reinigte die Grotte der Geburt von all dieſen Entweihungen und errichtete eine prächtige Kirche, die in Folge der Zeiten und Verfolgun- gen wohl manchen Veränderungen unterlag, aber von den griechiſchen Kaiſern reſtaurirt und von den lateiniſchen Königen verſchönert wurde; ſchon der Styl der Baſilica ſpricht für ihr Alterthum. Die ganze Kirche ſowie die Geburtsgrotte insbe- ſondere war von jeher ein Eigenthum der Lateiner (Katho- liken); aber in Folge der Lethargie der katholiſchen Mächte und der klingenden Thätigkeit des Schisma haben ſich die Griechen mehrerer Heiligthümer bemächtigt, ſo daß man allgemein ſagt: „Die Lateiner haben die Fermane, und die Griechen die Sanctuarien“. – Der überzeugendſte Beweis des Eigenthumsrechtes der Lateiner war der oben- genannte Stern mit der lateiniſchen Inſchrift in der Ge- burtsgrotte, der ſich ſeit uralter Zeit daſelbſt befand. Im Oktober 1847 verſchwanden jedoch auf einmal Stern und Inſchrift. Der Verdacht fiel ſogleich mit Grund auf die Griechen, denn ein in Bethlehem ſterbender Grieche be- kannte, von Gewiſſensbiſſen gefoltert, ſeine Schurkenthat. Die Lateiner erhoben darüber laute Klage, denn ſie ſahen die Sache nicht nur als Diebſtal ſondern als Uſurpation der griechiſchen Mönche an. Der Paſcha hörte Zeugen ab und that nichts, ebenſowenig der Sultan. Die Franziska- ner wollten einen anderen Stern mit derſelben Inſchrift anbringen, allein die Griechen widerſetzten ſich. Nun reclamirten die lateiniſchen Mönche den Schutz Frankreichs, welches die ganze Angelegenheit friſch anpackte. Es verlangte durch ſeinen Geſandten bei der hohen Pforte nicht nur Genugthuung für dieſe Beleidi- Z09 gung, ſondern auch Rückſtellung aller von dem lateiniſchen Klerus reclamirten heiligen Stätten, und forderte alle katholiſchen Mächte auf in dieſer gemeinſchaftlichen An- gelegenheit ſich Frankreich anzuſchließen. Darin erblickten die Ruſſen einen gegen die Griechen und deren factiſche Beſitzungen erhobenen und organiſirten Kreuzzug. Dem eclatanten Auftreten Frankreichs folgte die geräuſchvolle Ankunft des Fürſten Menſchikoff in Conſtantinopel, und den diplomatiſchen Verhandlungen der förmliche Krieg zwiſchen der Türkei und Rußland. – So gab der Stern des Friedens Anlaß zum blutigen Streite. Es iſt wahr- haft niederbeugend und entmuthigend, daß chriſtliche Con- feſſionen an dem heiligſten Orte der Chriſtenheit ſich be- fehden und durch niedrige Intriguen einander überliſten. Wohl ſteht geſchrieben: „Es müſſen Ärgerniſſe kommen", aber auch: „Wehe Dem, der es gibt!“ Nachdem wir an der Krippe unſer Gebet verrichtet hatten, kehrten wir wieder in den Convent zurück, wo in- zwiſchen die Tafel zum Speiſen gedeckt worden war. Die Zubereitung der Speiſen war wie im Kloſter zu Jeruſa- lem. Der freundliche Conſul hatte etliche Flaſchen Münch- nerbier mitgenommen, worüber Caſella entzückt war und in etwas ſeinen brütenden Tiefſinn vergaß. – Rückſicht- lich des folgenden Tages wurde beſchloſſen, daß ich – an meinem Geburtstage – das Vorrecht haben ſolle, um 4 Uhr früh die erſte heilige Meſſe in der Geburtsgrotte zu leſen, und daß bald darnach zu den Gärten und Tei- chen Salomo's geritten werde, wo die Frau des Conſuls uns mit einem guten Wiener Cafè zu bewirthen verſprach, 310 Gleich anſtoſſend an den Salon war ein Zimmer mit vier guten Betten, die uns eingeräumt waren. Die Hitze in dem kleinen Zimmer war aber ſo groß, und die Mücken und anderes Ungeziefer ſo zudringlich, daß ich faſt die ganze Nacht ſchlaflos zubrachte. Und doch verging ſie mir ſchnell, denn ich war ſtets mit dem unbeſchreibli- chen Glücke beſchäftigt, meinen Geburtstag in der Ge- burtsſtadt des Herrn zu feiern. Um 3 Uhr früh ſtand ich auf, und ging in den an- ſtoſſenden Empfangsſaal. Alle ſchliefen noch. Es war fin- ſter, nur die Sterne blinkten durch das Fenſter: ein Bild meines Lebens! Ich dankte Gott aus voller Seele, daß er mir meinen 31. Geburtstag in Bethlehem erleben ließ. – Der Frater kam, um mich zur Kirche abzuholen, und um 4 Uhr früh ſtand ich am Altare der drei Weiſen, un- mittelbar neben der Krippe des Herrn. In Bethlehem wird das ganze Jahr hindurch die Meſſe der h. Chriſt- nacht (de Nativitate) geleſen. Man athmet die Luft der Bibel, wenn man z. B. liest: „Und die Hirten kamen eilends, und fanden Maria und Joſeph, und das Kind, das in der Krippe lag.“ (Luc. 2, 16). Man glaubt die Hirten zu ſehen, wie ſie vom Felde kommen, um das Kindlein anzubeten. Wo iſt eine Poeſie, die ſo zart und lieb, ſo wahrhaft göttlich iſt? Das tiefgefallene Men- ſchengeſchlecht erlöst durch den Gottesſohn, der Knechts- geſtalt annahm! O wunderbare Fügung der göttlichen Vorſehung! Deßhalb alſo mußte der Hirtenkönig David in dem idylliſchen Bethlehem geboren werden, und Maria die ſeligſte Jungfrau im Auftrage des Kaiſers dahin zie- hen, um die Weiſſagungen der Propheten zu erfüllen! Wie beklagenswerth iſt die gelehrte Beſchränktheit, welche an 311 einer ſo heiligen Thatſache mäckelt und rüttelt, welche doch die Edelſten aller Nationen ſeit Jahrtauſenden begei- ſterte! Nein, da iſt weder Lug noch Trug möglich. Fragt am heiligen Chriſtabend das unbefangene Kinderherz, und ihr werdet mehr Licht der Wahrheit in euch aufnehmen, als ihr mit all eurer Gelehrſamkeit im chaotiſchen Weltge- triebe findet. Das Kind iſt glücklich, weil es glaubt, in dem Verhältniſſe, als dieſer Glaube ſchwindet, tritt an die Stelle desſelben der Weltſchmerz, und mit ihm unbe- friedigte Unzufriedenheit. – Das dachte und fühlte ich in der weltgeſchichtlichen Geburtsgrotte zu Bethlehem. Gott ſei tauſendmal Dank dafür, ich konnte noch kindlich glauben! – Bei der h. Meſſe erneuerte ich die Vorſätze, die ich beim h. Grabe gefaßt, und war überhaupt ſehr er- griffen. Mein Inneres war auf ähnliche Weiſe bewegt, wie in der wunderlieben Verkündigungsgrotte zu Naza- reth. Du erinnerſt Dich wohl noch, lieber Freund, was ich Dir damals ſchrieb? - - Ich verblieb in der Grotte der Geburt bis halb 7 Uhr. In einer Ecke befand ſich ein kleiner Felſenvor- ſprung, ganz zu einem Sitze geeignet; dort ſchwanden die Stunden wie Minuten, – hier lernte ich meditiren. Wäh- rend dieſer Zeit wurde auf dem den Katholiken verbote- nen Altar eine griechiſche Meſſe mit feierlicher Aſſiſtenz geleſen, nach welcher der griechiſche Geiſtliche aus einem Kelche ein in Wein getauchtes Brod (die ſog. Eulogien?) den Umſtehenden austheilte; auch ein an der Mutterbruſt ſchreiendes Kind mußte das geweihte Brod bekommen. – Darnach las noch Collega Hubinger die heilige Meſſe auf demſelben Altar, auf welchem ich celebrirt hatte. Hierauf beſichtigten wir die eigentliche obere Kirche, welche ſo groß iſt, daß ſie Tauſende faſſen könnte. Sie iſt 312 im alten Baſiliken-Styl erbaut, in der Form des Kreu- zes, ohne Wölbung, ſo daß man in den offenen Dachſtuhl aus Cedernholz frei hineinſieht; 48 antike röthlichweiße Marmorſäulen, die 20 hoch ſind und 2/“ im Durchmeſ- ſer haben, trennen die Kirche in fünf Schiffe ab; die Sei- tenwände waren einſt mit Malereien, Inſchriften und Moſaiken bedeckt, von denen man noch ſchwache Spuren ſieht. Links iſt eine kleine niedrige Thür, die zum Kloſter der Franziskaner führt. Was aber die ehrwürdige und im Ganzen noch gut erhaltene Kirche am meiſten entſtellt, iſt die Quermauer, welche das Langſchiff von dem Presbyte- rium trennt, das die Griechen und Armenier aus- ſchließlich als ihr Eigenthum anſehen. Auf ſolche Weiſe gewährt die Kirche eigentlich gar keinen Ueberblick, und das wüſt ausſehende Langſchiff gleicht weniger einem Got- teshaus als einer leerſtehenden Scheune. Früher hat man auch das Locale als Bazar, ja ſogar als Stall für das übernachtende Vieh gebraucht, um dieſen Unfug zu ver- meiden, hat man die großen Portale vermauert. So fehlt es auch an dieſer heiligen Stätte nicht an wehmutherre- genden Contraſten. Indeß war die Stunde angebrochen, in welcher wir verabredetermaßen zu den unweit entfernten Gär- ten Salomo's reiten ſollten. Es war ein freundlicher Sommermorgen. Auf der Hälfte des Weges begegneten wir der Schweſter des Conſuls mit ihrer Kammerzofe, welche beide auf Eſeln ritten; die Conſulsfrau, eine fa- moſe Reiterin, war ſchon vorausgeeilt, um das verſpro- chene Frühſtück zu bereiten. Betti, ſo heißt die Schweſter des Conſuls, iſt ein ſeelengutes Geſchöpf aber eine ſpott- ſchlechte Reiterin. Beides zuſammengenommen weckte meine Sympathie, und ſo blieb ich – während die Anderen 313 vorausſprengten – mit dem ritterlichen Collega Marinelli bei Betti zurück, ein Kawaß als Schutzwache. Natürlich kamen wir viel ſpäter an den verabrede- ten Ort, nämlich an den im hohen Liede geſchilderten hortus conclusus (verſchloſſener Garten), der Salo- mos Freude war (Hoheslied 4, 12). Verſchloſſen mag der Garten heißen, weil er ringsum von Bergen umgeben iſt. In der That iſt dieß ein paradieſiſches Plätzchen, und um ſo anmuthiger, je größer der Abſtand von den ſonſt ſo kahlen und felſigen Hügeln iſt. Das friſcheſte Grün be- deckte den Boden, die Bäume ſtrotzten von herrlichen Früchten, Orangen, Feigen, Aprikoſen, Granatäpfel, Maulbeeren etc., und eine ſanft rieſelnde Quelle durch- furchte glitzernd dieß kleine Eden. Wie ſchön muß der Ort einſt geweſen ſein, wo ihn die Vorliebe des weiſeſten aller Könige pflegte. Die freundliche Conſulsfrau begrüßte uns auf herz- liche Weiſe und war eben mit jener emſigen Rührigkeit, welche dem weiblichen Geſchlechte ſo gut ſteht, beſchäftigt in einer Lanbe den Tiſch zum projectirten Frühſtück zu decken. – Weil wir ſo lange ausgeblieben waren, ſo hat- ten die Reiſecollegen einen kleinen Ausflug zu den nahen Teichen Salomo's gemacht, von dem ſie eben zurückkehr- ten. Da Marinelli und ich doch auch dieſe merkwürdigen Bauten ſehen wollten, ſo erbaten wir uns einen kurzen Urlaub, ſchwangen uns auf das Pferd, und ritten mit einem Führer fort. Etwa nach einer Viertelſtunde kamen wir zu den drei rieſigen Waſſerbehältern, die terraſſenförmig in dem abſchüſſigen Thale dergeſtalt in den Felſen gehauen ſind, daß aus dem oberen Teiche das geſammelte Waſſer in den zweiten, und von dieſem in den dritten Teich abfließt. 314 Sehr dicke Mauern trennen ſie von einander, und ein ſtar- kes Bollwerk umſchließt ſie; ſie tragen den Charakter hohen Alterthums und wird die Errichtung derſelben allgemein dem König Salomo zugeſchrieben. Sie werden nur vom Regenwaſſer geſpeist; gegenwärtig waren ſie faſt ausge- trocknet. Marinelli maß die Ausdehnung derſelben nach Schritten, und fand den mittleren Teich (der bald darnach für mich verhängnißvoll werden ſollte), 170 Schritte lang, 45 breit, und beiläufig 50“ tief. – Am Schluße des oberen Teiches befindet ſich die im Hohenliede vorkom- mende verſiegelte Quelle (fons signatus), aus wel- cher das vortreffliche Waſſer in ſteinernen Kanälen, die zum Theile noch erhalten ſind, nach Bethlehem und Jeru- falem geleitet wurde. Wahrſcheinlich zum Schutze dieſer koſtbaren Waſſerverſorgungsanſtalt oder auch zur Über- wachung der hier vorüberführenden Straſſe nach Hebron hatten die Kreuzritter des Mittelalters in der Nähe ein viereckiges Caſtell aufgeführt, das gegenwärtig halb ver- fallen iſt. – Marinelli's Forſchungsgeiſt wollte auch das Innere des Caſtelles in Augenſchein nehmen, wornach ich kein Gelüſte trug, zumal ich mich des gegebenen Verſpre- chens erinnerte, baldigſt zur Geſellſchaft zurückzukommen. Ich lenkte ſomit um, und glaubte nichts zu wagen, wenn ich den Weg allein zurückritt, denn er war nicht zu verfehlen. In der glücklichſten Stimmung von der Welt über- ließ ich mich ganz ungeſtört meinen Geburtstagsträumen, als ich plötzlich auf eine wahrhaft ſchreckenerregende Weiſe darin geſtört wurde. Ich will Dir nichts verhehlen – ſondern Du ſollſt Alles wiſſen, was Deinem Freunde auf ſeiner Pilgerreiſe paſſirte. Als ich zu dem mittleren Teich gekommen war, welcher in einer Krümmung des Thales ſo eingeklemmt iſt, daß nach 315 keiner Seite eine Ausſicht offen ſteht, fiel auf einmal von der gegenüberliegenden Seite aus einer verfallenen Schutz- wehr ein Schuß. Ich ſah das Feuer flammen und den Pul- verdampf emporqualmen, und hörte den ziſchenden Pfiff der Kugel über meinem Haupte. Kein Menſch war zu erſpähen. – Groß war, wie Du Dir vorſtellen magſt, mein Schrecken, aber noch größer die Beſorgniß, daß der Schuß ſich wiederhole. Sollte mein Geburtstag, der ſo ſchön be- gonnen, mein Todestag werden? Bebend ritt ich am ſtei- len Abhang des Teiches vorüber, und empfahl meine Seele dem Herrn, denn alles Hilferufen und Hilfeſuchen wäre vergebens geweſen; auch war ich unbewaffnet. Ich ließ mein Pferd nicht ſchneller als früher gehen, hatte aber eine wahre Todesangſt, als ich in die gerade Parallele der Schutzwehr kam, aus welcher der Schuß gefallen war. Gottes Gnade und mein Schutzengel geleiteten mich glück- lich an dem gefährlichen Poſten vorüber, und als der Weg eine Wendung machte, ſtieß ich mein Pferd in Er- manglung von Sporen in die Weichen, und ritt ſo ſchnell ich konnte dem paradieſiſchen Salomonsgarten zu. – Du magſt, mein Lieber, über die Gefahr, in der ich ſchwebte, denken wie Du willſt, ich meinestheils werde dieſes qual- volle Abenteuer an meinem 31. Geburtstage zeitlebens nicht vergeſſen. - Etwas verſtört und erhitzt kam ich nach einer hal- ben Stunde zu der ängſtlich auf uns wartenden Geſell- ſchaft zurück, machte aber über mein Erlebniß nicht viel Redens, um die herrſchende frohe Stimmung nicht zu trü- ben. - Meine heimliche Angſt war nur die, daß doch auch Marinelli unverſehrt zurückkomme, und es fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich ihn mit dem Führer wohlbe- 316 halten daherſprengen ſah; er ſagte mir, daß ihm auf dem ganzen Wege nichts aufgefallen ſei. Gott ſei geprieſen! Das Frühſtück war indeß fertig geworden. Auf einem mit blendend weißen Tüchern bedeckten Tiſche ſtand köſtliches Obſt in großer Auswahl, und die Conſulsfrau machte in liebenswürdigſter Weiſe die freundliche Wirthin. Ein Cafè nach Wienerart, ſchon lange ein ſtiller Wunſch von mir, galt mir als Geburtstagspräſent. – Das Haus, in deſſen belaubter Vorhalle wir ſaßen, gehört einem vom Judenthum zum Proteſtantismus bekehrten Nordameri- kaner von deutſcher Abkunft, und ich muß geſtehen: der Mann verſtand es die günſtige Lage dieſes Thales-vor- trefflich zu benützen. Er erzählte uns, daß die Weinrebe oft dreimal im Jahre zeitige Trauben trage, und wir ſelbſt ſahen Pfirſichbäume mit 800 Stück Früchten. Das läßt beiläufig ahnen, was einſt das gelobte Land war. Nachdem wir uns Alle geſtärkt hatten, wurde auf- gebrochen, um nach Bethlehem zurückzukehren, wo man uns zum Speiſen erwartete. Es war ein einfaches Mit- tagmal gewürzt mit deutſcher Gemüthlichkeit, denn auch die Frauen durften mit uns ſpeiſen. Mit einem pech- ſchwarzen und ſehr geiſtigen Bethlehem-Wein brachten die Collegen einen Toaſt zu meinem Geburtstage aus; das Vivat galt dießmal buchſtäblich, nämlich nicht nur mei- ner Geſundheit ſondern auch meinem Leben. Um 4 Uhr Nachmittags wohnten wir der feierlichen Prozeſſion bei, welche ähnlich wie in Jeruſalem täglich ſtattfindet; ſie geht von der den Katholiken gehörenden St. Katharinenkapelle aus, und bewegt ſich betend und ſin- gend zu den in der Kirche befindlichen Sanktuarien. Es ſtoſſen nämlich an die h. Grotte der Geburt in einem halbkreisförmigen Gange noch mehrere ſchmale unterirdi- 317 ſche Hallen, in welchen die Gräber des h. Euſebius, der unſchuldigen Kinder, desh. Hieronymus und der hh. Eu- ſtochium und Paula gezeigt werden; den Schluß dieſer Grotten bildet die ſogenannte scuola S. Hieronymi, wo nämlich dieſer merkwürdige Heilige das Rieſenwerk der Bibelüberſetzung (Vulgata) vollendete. Ein heiliger Schauer durchrieſelt die Gebeine, indem man dieſen Ort, der Zeuge ſo großartiger Selbſtverlängnung und Geiſtes- größe war, betritt. Auch dieſen heiligen Orten haben die Päpſte reichliche Abläſſe verliehen. An der Krippe dankte ich Gott nochmal inbrünſtig für die vielen heute empfange- nen Gnaden, und die bei der Prozeſſion von mir gebrauchte Wachskerze behielt ich als Reliquie auf – ſie ſoll mir einſt als Sterbekerze dienen. Gerne hätten wir noch das Hirtendorf, die ſoge- nannte Milchgrotte und die Ciſterne Davids beſucht, allein die Zeit drängt zur Rückkehr nach Jeruſalem, das wir noch vor dem letzten Scheidegruß der Abendſonne errei- chen wollen. Mit freundlichen und friedlichen Eindrücken ſcheide ich von dem lieben Bethlehem, und auch von Dir, Du treue Seele. Mit wahrer Freundſchaft Dein etc. -xÄxc6 HKCN- 318 XVIII. Dritter Aufenthalt in Jeruſalem. Merkwürdige Orte in und um Jeruſalem. – Die Geißelungskapelle. – Ein Ritt um die Stadt. – Teich Bethſaida. – Ort, wo der h. Stepha- nus geſteinigt wurde. – Bach Cedron. – Der Oelberg. – Das Fami- liengrab Mariä. – Eine Meſſe auf dem Berge der Himmelfahrt. – Das traurige Panorama Jeruſalems. – Erfüllung der prophetiſchen Weiſſagungen. – Die Prophetengräber. – Ein Chamäleon. – Garten Gethſemani. – Die alten Oelbäume. – Einen Steinwurf weit die Grotte der Todesangſt. – Das Teich Joſaphat und ſeine Denkmäler. – Quelle und Teich Siloe. – Das wilde Thal Hennon. – Hakel- dama. – Thal Gihon. – Der obere und untere Teich. – Die Gräber der Könige. – Jeremiasgrotte. – Diner beim Conſul. – Warum an Freitagen die Thore Jeruſalems geſchloſſen werden. – Die trauernden Juden an der Tempelmauer. – Die Hütten der Ausſätzigen. – Das Franziskanerkloſter St. Salvator. – Wirkſamkeit und Zukunft desſel- ben. – Vorrathskammer der geweihten Sanctuarien. – Guter Klang Oeſterreichs. – Sammlungen für das h. Grab. – Beſuch beim türki- ſchen Commandanten. – - Der Tempelplatz. – Die Omarmoſchee. – El Haram. – Türkiſche Menage. – Ein griechiſches Feſt. – Das Cöna- culum. – Die jüdiſche Synagoge und die Wiederherſtellung des Rei- ches Iſrael. – Myſtiſches. Jeruſalem, 27. Auguſt. Lieber Freund! Nachdem ich Dir in meinen früheren Schreiben den erſten Eindruck, den Jeruſalem und das h. Grab auf mich machten, geſchildert habe, ſo will ich heute mehr bei der äußerlichen Beſchreibung der merkwürdigen Orte in und um Jeruſalem verweilen. Daß ich mich dabei der Kürze befleiße, wirſt Du begreiflich finden; es genügt Dir, wenn 319 ich andeute, wohin Du mich im Geiſte begleiten kannſt, und was ich an den einzelnen Orten fand und fühlte. Nebſt der h. Grabeskirche und dem Leidenswege des Herrn ſucht der Pilger gewiß auch die Geißelungska- pelle auf, welche ſich in der Nähe des Hauſes des Pila- tus und des Ecce Homo-Bogens befindet. Dieſer heilige Ort war lange Zeit ganz verwahrlost und diente als Pferdeſtall, bis im Jahre 1838 Herzog Max aus Baiern, der Vater Ihrer Majeſtät der Kaiſerin Eliſabeth von Öſterreich, die Kapelle zum Andenken an ſeine Pilgerreiſe mit frommer Munificenz herſtellen ließ. Die nette und reinlich gehaltene Kapelle dient gegenwärtig als öſterrei- chiſche Conſulatskirche, und iſt auch beantragt, daß dane- ben ein öſterreichiſches Pilgerhospiz errichtet werde. – Man kommt durch ein ſchmales Eiſenpförtlein in das Heiligthum, wo das reinſte und heiligſte Blut unter der Hand grauſamer Henker floß. Die Flagellationsſäule ſelbſt befindet ſich aber nicht hier, ſondern in der lateini- ſchen Kapelle beim h. Grabe, hier wird nur die Stelle ge- zeigt, wo ſie beiläufig ſtand. Auf dem Bilde des Hochal- tares liest man die Worte des Pſalmes: „Fuiflagella- tus tota die et castigatio mea in matutinis.“ (Ich bin geſchlagen den ganzen Tag und geſtraft ſchon am frühen Morgen. Pſ. 72, 14). Die vier Seitenaltäre tragen die Jahreszahl 1841, und die vorderen haben die Inſchrift: »Percussus sum etaruit cor meum“ (Ich bin getrof- fen und mein Herz iſt dürre, Pſ. 101, 5), und „Pater mi, si possibile est, transeat calix iste“ (Mein Vater, wenn es möglich iſt, ſo gehe dieſer Kelch vor mir vorüber. Matth. 26, 39). – Ein Frater des Franciskanerordens bewacht die Räume des Kirchleins und anſtoſſenden Ge- 320 bäudes, in welchem nöthigenfalls auch Pilger beherbergt werden können. Am 25. Auguſt Vormittags machten wir einen Ritt um die Stadt Jeruſalem, bei welcher Gelegenheit wir folgende intereſſante Punkte kennen lernten. – Wir nah- men die Richtung zum ſogenannten Stephansthor. Bevor wir dasſelbe erreichten, ſahen wir rechts den ausgetrock- neten Teich Bethſaida, deſſen Waſſer einſt der Engel zur Heilung der Kranken bewegte (Joan. 5, 4). – Gleich außerhalb des Thores zeigte man uns den Ort, wo der erſte Martyrer der Kirche, der h. Stephanus, geſteiniget wurde. „Sie ſtießen ihn zur Stadt hinaus und ſteinigten ihn“. (Apoſtelgeſchichte 7, 57). Ob das einige Klafter mehr rechts oder links geſchah, hat gewiß nichts zu ſagen, wo der fromme Glaube das Richtſcheit anlegt. Gegenüber dem Thore liegt der Ölberg, nur eine Schlucht trennt ihn von der Stadt, nämlich das Joſa- phatthal, durch das der Bach Cedron fließt. Der An- blick iſt kein freundlicher. Der Ölberg mit ſeinen wenigen grünen Bäumen auf verbranntem Boden ſieht wie mit Aſche bedeckt aus; das Joſaphatthal (auch Todesthal ge- nannt, weil die Szene des jüngſten Gerichtes mit Bezie- hung auf Joel 3, 7 hieher verlegt wird) iſt traurig, nackt und öde; kein Menſch, kein Thier belebt dasſelbe, und die ringsherum liegenden zerbrochenen Trauerdenkmäler vol- lenden das Bild der Grabesruhe. Hier begreift man die Klagelieder des Jeremias, die Trauergeſänge des Pſal- miſten, die Verzweiflung Jobs, kurz das ganze Seufzen nach Erlöſung. Das Thal zieht ſich von Norden nach Sü- den, wo es ſich verenget, und iſt durch den Schutt der auf- gehäuften Trümmer beträchtlich ausgefüllt; einſt mag es 321 viel tiefer geweſen ſein. – Der Bach Cedron iſt faſt immer ausgetrocknet. Wir ritten über den Berg hinab, und kamen zu einer ſteinernen Brücke, die über den Bach gebaut iſt. Ueber dieſe Brücke hielt Jeſus ſeinen triumphirenden Einzug in Jeruſalem, und bald darnach überſchritt er ſie auf dem blutigen Wege zur Kreuzesſtätte. Nun befanden wir uns am Fuße des Oelberges. Einige Schritte davon links iſt der Eingang in die unter- irdiſche Kirche, welche das Grab Mariä enthält, d. h. den Ort, wo die heilige Jungfrau beerdiget wurde, denn nach der frommen Ueberlieferung behielt die Erde den Leib nicht, der die Wohnung des Lebens geweſen war. Man ſteigt auf einer breiten Treppe von etlichen 40 Stu- fen hinab, und ſieht dann rechts ein von Lampen beleuch- tetes Felſengrab, das dem heiligen Grabe Chriſti ähnlich, aber kleiner iſt. Die Bauart iſt offenbar ſehr alt. Einſt war dieſe Kirche ausſchließliches Eigenthum der Lateiner; da ſtarben die Patres an der Peſt, und die ſchismatiſchen Armenier nahmen ſie ſogleich in Beſchlag; ſeitdem ſind die Katholiken ganz daraus verdrängt. Wir verweilten einige Zeit in der Tiefe. – Beiläufig in der Hälfte der Stiege findet man das Grab des h. Joſeph und gegen- über die Gräber der Eltern Mariens: Joachim und Anna, alſo eine Art Familiengrab. Vom Fuße des Oelberges ritten wir in einer hal- ben Stunde auf deſſen ſanft abdachenden Gipfel hinauf (2230), von wo der Heiland in den Himmel fuhr. Die h. Helena erbaute hier eine Kirche, von welcher nur noch das Pflaſter und die Mauerwände ſtehen; ſie gehört den Türken, welche ſie auch als Moſchee benützen, ausnahms- weiſe jedoch – natürlich gegen Backſchiſch –den Eintritt, ja Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 21 322 ſogar kirchliche Funktionen darin geſtatten. – In dem kleinen Gebäude ſieht man einen Felſen, und darin die kennbare Spur des linken Fußes, die Jeſus bei ſeiner Himmelfahrt zurückließ. Wer ſollte den Ort, wo die Füſſe des Herrn geſtanden (Pſalm 131, 7), und deſſen ſchon der h. Hieronymus erwähnt, nicht gerne küſſen? – Da kein Altar in der weiß getünchten Rotunda ſtand, ſo ließen wir ein Portatile über dem genannten Felſen aufſtellen, und Collega Hubinger las die h. Meſſe darüber. Ich hatte die Bibel bei mir, und meditirte über die apoſtoliſche Miſſion, die Jeſus kurz vor ſeiner Himmelfahrt ſeinen Jüngern ertheilte. – Nach der h. Meſſe tractirte uns der brave Dragoman Mathia, der all ſeine Verwandten zu derſelben citirt hatte, mit einem arabiſchen Frühſtück, d. h. wir genoßen unter freiem Himmel auf Teppichen ſitzend Käſe, Trauben und Caffee. Vom Oelberge aus hat man die beſte Anſicht des Panorama von Jeruſalem, das einen wehmüthigen Reiz gewährt. Im Vordergrunde iſt das Thal Joſaphat mit dem Garten von Gethſemani; oben die Stadtmauer von Jeruſalem in ihrer ganzen Ausdehnung; aus der düſteren aſchgrauen Häuſermaſſeragt zunächſt die ſtattliche Moſchee Omars (wo der einſtige Tempel Salomons ſtand) hervor; mitten aus den Terraſſen die Kirchenkuppel des h. Gra- bes; im Hintergrunde die Burg Davids; links das Thor von Jaffa und Bethlehem, wo Gottfried v. Bouillon zu- erſt die Stadtmauer erſtieg; rechts das Thor von Da- maskus, wo der tapfere Tancred ſeine Schaaren zum Kampfe führte; gegen Weſten das h. Sion; endlich tief im Hintergrunde auf einem Hügel das Grabmal Samuels, und an dem fernen Horizont die Gebirgslinien an der Straße von Ramleh nach Jeruſalem. 323 Es iſt eine unheimliche Stille, die auf dem Ge- mälde ruht; der Stempel des Ungewöhnlichen, Außeror- dentlichen iſt ihm aufgeprägt. Große und gewaltige Erin- nerungen, welche die Bruſt heben, wechſeln mit weh- müthigen Gefühlen, die ſie beengen. Keine andere Gegend läßt ſich dieſer vergleichen, die in ihrer tiefen Verlaſſen- heit, traurigen Verödung, und düſteren Melancholie mehr einem großen Friedhofe ähnlich wäre, als dieſe. Und das iſt die Mutterſtadt der chriſtlichen Welt. Iſt dieß der Fluch Gottes, der auf der gefallenen Königin Iſraels ruht, oder iſt es eine natürliche Folge der menſchlichen Lethargie in den religiöſen Angelegenheiten? Wie eine trauernde Witwe ſitzt ſie da, die einſtige Perle des gelobten Landes! Unwillkührlich fallen einem bei dieſem Anblick die Worte aus den Lamentationen des Propheten Jeremias ein: „Wie ſitzet einſam die Stadt, die ſo volkreiche! Wie eine Witwe iſt geworden die Herrin der Völker . . . Die Wege nach Sion trauern, weil Nie- mand zum Feſte kommt; . . . hinweg iſt von der Tochter Sions all ihr Schmuck, . . . . Sion ſtrecket ſeine Hände aus, aber Niemand iſt der ſie tröſte; . . . der Herr iſt wie ein Feind geworden, hat Iſrael geſtürzt, geſtürzet all ſeine Mauern, zerſtöret ſeine Feſten, und des Elends voll gemacht die Tochter Juda's . . . Mit wem ſoll ich dich vergleichen, Tochter Jeruſalems? Wen ſoll ich dir ähn- lich nennen, um dich zu tröſten, Tochter Sions? Denn groß iſt wie das Meer dein Elend, wer kann dich heilen? . . . Alle, die des Weges ziehen, ſie ziſchen: Iſt das die Stadt, der Schönheit Ausbund, die Freude der ganzen Erde?" . . . (Klagel. Jerem. 1. und 2.) – Man greift hier ordentlich mit Händen die Erfüllung der propheti- ſchen Weiſſagung: „Die Stadt deines Heiligthums iſt zur 21* 324 Wüſte geworden, Sion iſt wüſte geworden, Jeruſalem zerſtört . . . und Alles was uns erwünſchlich war, liegt in Trümmern." (Jeſaias 64, 10.) – An dieſer Stelle verſteht man auch, warum Jeſus über Jeruſalem weinte, da er ſprach: „Wenn doch auch du es erkennteſt, und zwar an dieſem deinen Tage, was dir zum Frieden dient; nun aber iſt es vor deinen Augen verborgen. . . . Deine Feinde werden dich zu Boden ſchmettern, und in dir keinen Stein auf dem andern laſſen, weil du die Zeit deiner Heimſuchung nicht erkannt haſt." (Luc. 19, 42. 44.) Vom Oelberge ſüdlich abwärts reitend kamen wir zu den Prophetengräbern, d. h. zu merkwürdigen mit Niſchen verſehenen Felſenhöhlen, die wahrſcheinlich den Einſiedlern des Mittelalters als Wohnung dienten. Marinelli fing hier ein Chamäleon, ein unſchönes, trä- ges Thier. – Noch eine Viertelſtunde abwärts, und wir befanden uns am Fuße des Oelberges, vor dem weltge- ſchichtlichen Garten Gethſemani, der von dem Evan- geliſten eine Villa (Maierhof) genannt wird (Matth. 26, 36). Dieſer abgelegene, mit Oelbäumen bepflanzte Gar- ten gehört gegenwärtig den Franziskanern, die ihn erſt kürzlich mit einer 8“ hohen Mauer umgaben, er iſt 160“ lang und 150 breit. Von den Oelbäumen, die einſt Zeu- gen der Todesangſt des Gottmenſchen waren, ſtehen noch acht; ſie haben ein ehrwürdiges Ausſehen: ungeheure Wurzeln, knotige, mit tiefen Runzeln durchfurchte Stämme, plumpe Aeſte mit jungen Schößlingen, von de- nen wir mit Erlaubniß des Wächters Fra Antonio einige Zweige mit uns nahmen; auch ein Bischen Erde von dem Boden, welchen die Thränen und das Blut des Erlöſers benetzten, behielten wir uns als Andenken an dieſe hei- lige Stätte. " 325 Neben dem Garten Gethſemani zeigte man uns einen glatten Felſen, auf welchem die drei Jünger Pet- rus, Jakobus und Johannes ſchliefen. Nicht ohne heilige Scheu nahm ich die Bibel zur Hand und las darin: „Jeſus ſprach zu ihnen: Meine Seele iſt betrübt bis in den Tod; bleibet hier und wachet mit mir . . . . Und er entfernte ſich von ihnen einen Steinwurf weit, kniete nie- der und betete und ſprach: Vater, willſt du, ſo nimm dieſen Kelch von mir, doch nicht mein, ſondern dein Wille geſchehe.“ (Matth. 26, 38; Luc. 22, 41, 42.) – Wirk- lich befindet ſich in nördlicher Richtung, in der Entfer- nung eines Steinwurfes die geräumige Grotte der To- desangſt, wohin ſich Jeſus, da er allein ſein wollte, zurückzog. Sie iſt in dem Zuſtande, wie ſie zur Zeit Jeſu war, überall ſieht man den natürlichen Felſen, nur im öſtlichen Theile iſt ein Altar angebracht mit dem Bilde des im ſchweren Seelenkampfe ringenden Heilandes, wie ihn ein Engel ſtärket, und mit der Inſchrift: „Hic fac- tus est sudor ejus sicut guttae sanguinis decurren- tis in terram." (Sein Schweiß ward wie Tropfen Bluts, das auf die Erde rann. Luc. 22,44) Mit gerührtem Her- zen verließen wir dieſes ergreifende Heiligthum, beſahen noch – 12 Schritte davon entfernt – den Ort, wo Ju- das Iſcarioth durch einen Kuß ſeinen Meiſter verrieth, und ſetzten zu Pferd unſere Rundreiſe weiter fort. Wir kamen in das Thal Joſaphat – ein wah- res Todesthal. Auf der rechten Seite iſt der Kirchhof der Türken, links jener der Juden, die oft aus weiter Ferne eigens nach Jeruſalem wandern, um hier bei ihren Vä- tern ein glückliches Ruheplätzchen zu finden. Die meiſten Gräber ſind mit einem Steine oder mit Schutt zugedeckt. – Als beſonders hervorragende Merkwürdigkeiten zeigt 326 man im Joſaphatthale: das Grabmal Joſaphats, eine verſchüttete Todtenkammer; das in Felſen gehauene Mauſoleum Abſalons mit einem kuppelförmigen Auf- ſatz, auf das die Vorübergehenden – als Zeichen des Fluches über den gottloſen Sohn–Steine zu werfen pfle- gen; das Grab des h. Jakobus mit einer unterirdiſchen Kirche; des Zacharias, den die Juden zwiſchen dem Tempel und Altare tödteten (Matth. 23); ein Steinhau- fen endlich auf der linken Seite des Thales kennzeichnet den Ort, wo ſich Judas erhenkte. – Auf dem gegenüber von Jeruſalem ſich erhebenden Hügel thront wie auf durch- löcherten Felſenſpitzen das äußerſt unheimlich ausſehende Dorf Siloan, in welchem raubſüchtige Araber wohnen. Ich war froh, als wir dieſe Todesregion hinter uns hatten, und einige Minuten vorwärts zur Quelle Siloe kamen. Die Quelle iſt unterirdiſch und man ſteigt auf einer Treppe von 20“ hinab, unten iſt es anfangs ſo finſter, daß man kaum etwas unterſcheiden kann; ein nicht gar tiefes Becken nimmt das Waſſer auf, welches aus dem Felſen fließt. Man ſagt, daß die Quelle inter- mittirend ſei, und Ebbe und Fluth wie das Meer habe; der nähere Zuſammenhang iſt jedoch wiſſenſchaftlich noch nicht ermittelt; das Waſſer ſchmeckt ſalzig. – In der Nähe zeigt man den jetzt größtentheils ausgefüllten Teich Siloe, wo auf das Geheiß Jeſu der Blindgeborne ſich wuſch und ſehend wurde. (Joh. 9, 1 ff.) Die jetzigen Araber treiben hier allerlei Aberglauben mit beſchriebenen Papierzetteln, welche ſie in das Teichwaſſer werfen. Ein wohlthuender Anblick ſind die wenigen Gärten, welche ſich hier befinden, – die einzigen um Jeruſalem. An der Quelle Rogél(Joſua 15,7.), wo die Mu- ſelmänner gerne ihr Gebet verrichten, endiget das Jo- 327 ſaphatthal und beginnt in weſtlicher Richtung das wilde Thal Hennon, an deſſen Namen ſich eine ſchauerliche Vergangenheit knüpft. Hier, im Haine Tophet, opferte nämlich das abgöttiſche Judenvolk ſeine Söhne und Töch- ter dem Moloch; auf dem nahen Hügel hatte Salomo den fremden Göttern Tempel und Statuen errichtet; hier fie- len die meiſten Juden bei der Belagerung Jeruſalems; kurz dieſes Thal galt gleichbedeutend mit den Schreckniſ- ſen der Hölle, daher auch das lateiniſche Wort gehenna (Hölle.) – Auf dem Hügel links iſt Hakeldama, der Blutacker (Matth. 27, 7), nahe dem Berg des böſen Rathes. Das Thal Hennon begränzt den Berg Sion; in ſeiner Fortſetzung zum Jaffathore heißt es aber Thal Gihon (Thal der Gnade), welches zwei Teiche einſchließt, den unteren, der 240 Schritte lang und 105 breit iſt, und fälſchlich See Bethſabe genannt wird, und den oberen einige hundert Schritte vor dem Jaffathore, der uur vom Regenwaſſer geſpeiſt wird. Neben letzterem Teiche iſt das amphitheatraliſch gelegene Walkerfeld, wo Jeſaias die große Weiſſagung ſprach: „Siehe die Jung- frau wird empfangen und einen Sohn gebären, und ſei- nen Namen wird man Emanuel nennen" (Jeſ. 7, 14), und wo Salomo zum König geſalbt wurde. (III. Buch der Könige 1, 34.) Dieſes Feld dient jetzt noch zu den Feſten der Bewohner Jeruſalems, ſo ſtändig ſind die orientali- ſchen Sitten und Gebräuche. Die Weſtſeite Jeruſalems iſt die einzige, welche keine Schlucht bildet, ſondern durch eine Hochebene un- mittelbar mit der Stadt zuſammenhängt; daher auch alle Belagerungen Jeruſalems von dieſer Seite eingeleitet wurden. Wir ritten über die ſteinige, und mit wenigen 328 Bäumen bepflanzte Ebene, lenkten aber von den Stadt- mauern etwas ab, um die Gräber der Könige zu be- ſuchen. Dieſe befinden ſich in einem offenen, in den Fel- ſen gehauenen Raum, welcher mehrere Grabkammern birgt, deren Eingänge mit zerbrochenen Säulen, Ver- zierungen und Sarkophagenreſten verſchüttet ſind. Der Inhalt vieler Gräber ſoll geſtohlen, und über Berg und Thal fortgeſchleppt worden ſein. Ob und welche Könige hier beerdiget wurden, weiß man nicht. Sic transit gloria mundi! So vergeht der irdiſche Ruhm. Mit ernſten Gedanken lenkten wir dem Damaskus- thore zu, um den Ritt um die heilige Stadt zu beendigen. In der Nähe eines Hügels zeigte man die Grotte des Jeremias, wo dieſer Prophet ſeine Klagelieder ver- faßte. Durch das Damaskusthor drangen die Kreuzritter, angeführt von Gottfried don Bouillon, in die Stadt ein. – Als wir in das Pilgerhoſpiz zurückkehrten, war es 1 Uhr Mittags, um 7 Uhr Morgens hatten wir den Rit um die Stadt begonnen. - Abends 5 Uhr waren wir beim öſterreichiſchen Con- ſul zu Mittag geladen. Die Tafel, bei welcher auch der P. Reverendissimus der Franziskaner und der deutſche Pönitentiar, P. Andreas, ſpeiſten, war in jeder Hinſicht nobel. Der Conſul brachte einen Toaſt auf das Wohl un- ſeres Kaiſers mit perlendem Champagner aus. Das Di- ner that mir ſehr gut, und beſchwichtigte in etwas den gegen die Kloſterkoſt ſtets rumorenden Magen. – Nach Tiſch ließ der Conſul in den anſtoſſenden Hausgarten Stühle bringen, und die über den Beſuch ſo vieler Lands- leute ſichtbar erfreute, liebenswürdige Hausfrau kredenzte uns den Caffee, während die in Gallakleidung paradiren- den Kawaſſen uns mit langen Tabakspfeifen verſahen. – 329 Die Sonne war bereits untergegangen, und die Däm- merung lagerte ſich über die vor unſern Augen ſich aus- breitende heilige Stadt. Auf dem blauen Himmelszelte erſchienen die Sterne, und im fernen Weſten entdeckten wir einen Kometen. Gerne wären wir noch länger im Freien geblieben, aber der Conſul warnte vor der fieber- erzeugenden Abendluft, und ſo begaben wir uns in die eleganten Gemächer, wo bei einem gemüthlichen Thee- zirkel die Unterhaltung beſchloſſen wurde. Am nächſten Tage (26. Auguſt) wollten wir aber- mals vor die Stadt, um das berühmte Coenaculum, wo der Heiland das letzte Abendmahl genoß, zu beſichtigen; aber – die Thore waren geſchloſſen. Es iſt nämlich ein altes Herkommen, daß jeden Freitag durch eine Stunde die Thore der Stadt geſperrt werden, weil nach einer Sage an einem Freitage, und zwar um die Mittagsſtunde die Chriſten durch einen Ueberfall ſich der Stadt bemäch- tigen ſollen. Ja das goldene Thor, durch welches Jeſus am Palmſonntag den Einzug hielt, iſt aus demſelben Grunde ſchon lange vermauert. - Dafür ſahen wir die trauernden Juden am ſoge- nannten Klageplatz, welcher ſich an der weſtlichen Seite des Salomoniſchen Tempels, von dem noch einige alte Mauern ſtehen, befindet. Man muß ſich wundern, wie dieſe koloſſalen Steine, von denen einige 3 – 4 Ellen lang und andert- halb Ellen hoch ſind, in das unebene Jeruſalem herbei- geſchleppt werden konnten. Auf dieſem Platze, der nur 4 Schritte breit, und etliche 30 Schritte lang iſt, finden ſich beſonders an Freitagen – dem Feſttage der Muha- medaner – die Juden und Jüdinnen zahlreich ein, um 330 daſelbſt zu beten. Wir trafen. Etliche, die in kläglichen Tönen ihre Gebete herablaſen, ihr Haupt an die kalten Steine lehnten, und zwiſchen den kleinen Ritzen in den Tempelhof hineinſchauten. Armes Volk, das noch immer ſeinen Meſſias und ein irdiſches Reich erwartet, das er gründen ſoll! Aber an die Stelle des irdiſchen Reiches iſt ein himmliſches getreten, in welchem weder Jude noch Grieche iſt, weder Sclave noch Freier, weder Mann noch Weib, ſondern wo Alle Eins ſind in Chriſto Jeſu. (Gal. 3, 28.) An eine Wiederherſtellung des Reiches Iſrael zu denken iſt Thorheit und Gottloſigkeit zugleich; es genügt auf die kläglichen Verſuche Julian des Apoſta- ten zu verweiſen! - - - In der Nähe des Judenviertels, das an die Tem- pelmauern ſtoßt, befinden ſich die Hütten der Ausſätzi- gen, elende, mit Staub und Schutt bedeckte Baracken, von einigen ſtechenden Cactusfeigen umgeben – ein un- heimlicher Anblick! Es ſollen hier immer einige dieſer Un- glücklichen leben, die abgeſondert von allem menſchlichen Verkehr ihrer eigenen Auflöſung und Verfaulung entge- gen ſehen, eine furchtbar häßliche Krankheit, welche den Menſchen äußerlich frißt und ihm dabei alle ſeine Geiſtes- kräfte läßt. – Einige der Collegen wollten hier Mauer- überreſte von jenen großen Brücken entdecken, welche einſt über das Thal Tyropöon geſchlagen waren, und den Berg Sion mit dem Berg Moria verbanden. Doch gerade dieſer Raum iſt in Folge der vielen Zerſtörungen ſo mit Schutt bedeckt, daß man jetzt gewiß etliche 50“ tief graben müßte, um die alte Oberfläche wieder zu finden. Der Staub war hier faſt knietief. Die noch übrige Vormittagszeit widmeten wir einem Beſuch des Franziskanerkloſters zu St. Salvator, 331 das ich Dir, weil es Dich intereſſirt, einläßlicher beſchrei- ben will. Es iſt ziemlich groß, aber ſehr unregelmäßig: ein Labyrinth von Zellen. Von der Terraſſe aus hat man eine belohnende Ausſicht über Jeruſalem. – Die Fran- ziskaner ſind ſchon über 600 Jahre die Hüter der heiligen Stätten und Wächter am heiligen Grabe. Der h. Franz von Aſſiſſi landete im Jahre 1219 mit zwölf armen Mön- chen in Paläſtina, das er predigend durchzog. Als das chriſtliche Königreich in Paläſtina fiel (1291), wurden viele Mönche ermordet, allein das Blut der Märtyrer war auch hier fruchtbar, und ſtets traten andere Brüder aus Europa an ihre Stelle zum Schutze und zur Sorge für die verlaſſenen Gläubigen und für die frommen Pil- ger nach dem gelobten Lande. Alle Länder betheiligten ſich daran, um einige Prieſter daſelbſt zu erhalten. Die oberſte Autorität im Kloſter bekleidet auf ſechs Jahre der Reve- rendissimus, von deſſen Vorrechten ich ſchon in einem früheren Briefe geſprochen habe. In der Regel befinden ſich bei 60 Mönche im Kloſter, wovon die Hälfte Prieſter ſind. Sie verwalten die Seelſorge für die 940 Katholiken in Jeruſalem, beſorgen 2 Schulen von etlichen 70 Zög- lingen, wechſeln im Dienſte beim heiligen Grabe, bedie- nen die Pilger im Hoſpize, pflegen die Kranken, und ver- ſehen eine Buchdruckerei, die jährlich 300 Riß Papier verbraucht; ſie unterſtützen die größtentheils ſehr armen katholiſchen Familien, und geben ihnen ſo zu ſagen das tägliche Brod, indem ſie dieſelben nicht nur mit Kloſter- koſt ſpeiſen, ſondern ihnen auch die verfertigten Sanc- tuarien, z. B. Roſenkränze, Perlmutterkrenze u. dgl., abkaufen, um ſie ſodann billiger an die fremden Pilger abzuſetzen. Wir begaben uns in das geräumige Locale, wo der 332 große Vorrath von geweihten Andenken aus Jeruſalem aufgeſpeichert iſt. Wir hatten anfangs befürchtet den nöthigen Bedarf nicht erlangen zu können, allein es wäre wohl nicht leicht ausführbar, dieſe ungeheure Vorraths- kammer auszukaufen, trotz der beiſpielloſen Wohlfeilheit der Fabrikate. Ich kaufte z. B. über 500 Roſenkränze aus Olivenholz, Kameelbein, Mekkafrucht 2c. und zahlte nur 300 Piaſter; die Gegenſtände aus Perlmutter ſind etwas theurer. – Die Kloſterdruckerei wurde vom P. Sebaſtian Frötſchner aus Wien eingerichtet, und gegenwärtig von P. Andreas Hüttiſch geleitet, beide haben ihre Studien in der k. k. Staatsdruckerei zu Wien gemacht, ſowie auch die öſterreichiſche Regierung allen Zubehör zur Aufrich- tung der Druckerei großmüthig ſpendete. Ueberhaupt thut Oeſterreich viel für die Franziskanerklöſter im Orient, iſt aber dafür auch ſehr beliebt. Im Jahre 1844 wurde das unter Kaiſer Joſeph aufgehobene Generalcommiſſariat der heiligen Länder wieder hergeſtellt, und eine alljähr- liche Sammlung für das heilige Grab zu Jeruſalem in ganz Oeſterreich bewilligt, die faſt ſtets über 30,000 fl. beträgt. Die Summe erſcheint groß, und doch reicht ſie für die Bedürfniſſe nicht hin. – Was ſoll man aber von jenen denken, welche dieſe Sammlung für die h. Stätten eine Geldverſchleppung nennen? Haben dieſe einen Be- griff von der Almoſenſteuer, die der Apoſtel Paulus er- wähnt? (Röm. 15, 26; II. Cor. 9.) Diejenigen, welche es ein Scandal nennen, daß Europa ſo viele Mönche mäſtet, ſollten doch ein paar Wochen an dieſer Mäſtung theilnehmen, die größtentheils aus baccala und abermals baccala (Stockfiſch) in Waſſer und Oel beſteht. Nein, ſolche Leute, die für Tanzunterhaltungen und Induſtrie- erzeugniſſe Tauſende verſchwenden, haben keinen Maß- 333 ſtab zur Beurtheilung chriſtlicher Opferfähigkeit und Opferwilligkeit. Die Zukunft wird die heilige Thätigkeit dieſer ritterlichen Mönche, die durch ein halbes Jahrtau- ſend ſich bewährt hat, hoffentlich mehr würdigen, wenn auch die Mönche ſelbſt keine irdiſche Anerkennung ſuchen, ſondern nur den himmliſchen Lohn erwarten. – Bei der ſtrengen Beobachtung kirchlicher Disciplin, bei der Un- verdroſſenheit und Ausdauer in allen Mühſeligkeiten und Entbehrungen, bei der Liebe, Geduld und Hingebung, wie ſie in allen Konventen des h. Landes zu finden iſt, iſt nicht daran zu zweifeln, daß ſie die heilige Aufgabe ihrer ruhmgekrönten Vorfahrer zur allgemeinen Befriedigung fortſetzen werden. Nachmittags hatte der öſterreichiſche Conſul die Güte, uns zum türkiſchen Commandanten der Stadt zu führen, weil man von ſeinem Zimmer aus die beſte Aus- ſicht auf den einſtigen Tempel Salomons genießt. Wir trafen den dicken gutmüthigen Oberſt auf ſeinem Divan kauernd und mit einem türkiſchen Roſenkranze ſpielend. Er begrüßte uns freundlich und ließ Pfeife und Caffee bringen. Im Laufe des, mittelſt eines Dragomans geführ- ten Geſpräches, machte er das für einen Muſelmann naive Geſtändniß, daß ihm die geiſtigen Getränke nicht gut thuen. – Der gutmüthige Herr mochte die eigent- liche Abſicht unſeres Beſuches errathen, denn als er be- merkte, daß ich öfters heimlich beim Fenſter hinaus- ſchielte, machte er uns ſelbſt den Vorſchlag auf die Haus- terraſſe hinaufzuſpazieren, von wo wir den beſten Ueber- blick über die Tempelarea haben würden. Natürlich nah- men wir dieß mit Dank an, weil die Betretung des Tem- ZZ4 pelplatzes ſelbſt für jeden Chriſten bei Todesſtrafe ver- boten iſt. Die Türken ſagen nämlich: der Sultan könne einem Chriſten wohl erlauben dieſes Heiligthum, das nach Mecca das größte iſt, zu betreten, aber er könne Nie- mand garantiren, daß der Eintretende wieder zurück- komme, denn dieſer müſſe entweder den chriſtlichen Glau- ben abſchwören, oder des Todes ſterben. Selbſt die zum Tempel führenden Straſſen ſind nicht ganz ſicher, wie dieß Caſella erfuhr, der ſich vor etlichen Tagen dahin verirrte, und daſelbſt die unheimlichſten Geſichter ſah, bis ihn ein polniſcher Jude noch zur rechten Zeit auf die Schulter klopfte und ſchnell vorübergehend ſprach: „Herr, hier gefährlich." – Oben von der Terraſſe konnten wir ganz unangefochten dieſen merkwürdigen Platz überſchauen, ja der Commandant ließ ſogar kleine Seſſelchen und die Pfeifen hinaufbringen. Da lag alſo der Platz vor mir, wo Salomo ſeinen Prachttempel aufführte, wo Iſraels Opfer dargebracht wurden, wo die heilige Jungfrau dem Herrn für ihren Erſtgebornen dankte, wo der zwölfjährige Jeſus lehrte, wo er vom Teufel verſucht ward, wo er die Verkäufer austrieb und die Schriftgelehrten und Phariſäer zurecht- wies, wo er vor ſeinem Leiden und Sterben triumphi- rend ſeinen Einzug hielt. Welche Kette von heiligen Er- innerungen! Hier entſtand auch der Templerorden, der ſo Vieles zum Schutze der Pilger gethan! – Aber wie trau- rig iſt die Wirklichkeit, daß der den Juden und Chriſten gleich heilige Ort ihnen von den Anhängern des falſchen Propheten verſchloſſen bleibt. Was ich aus der Entfernung bemerken konnte, will ich Dir, mein lieber Freund, hier getreu mittheilen, das Fehlende aber aus Beſchreibungen Anderer ergänzen. 335 Von dem alten Tempel ſteht nichts mehr, als ein kleiner Theil der Weſtmauer (der oben beſchriebene Klageort der Juden); kein Stein blieb auf dem andern. (Luc. 21, 6.) – Der Tempelplatz iſt eine prächtige Plattform, von der Natur vorbereitet und durch Menſchenhände vollendet; er dient jetzt als Erholungsort für die Türken, die unter dem Schatten einiger Cypreſſen und Oelbäume ſich güt- lichthun. Der beiläufig 500 Schritt breite und lange Platz iſt mit Mauern, Wohnungen und Säulengängen umgeben. – Das eigentliche Heiligthum der Mohameda- ner, die Omarmoſchee (auch Felſenkuppel genannt), ſteht faſt mitten auf dem Platze; ſie bildet ein Achteck und iſt mit einer bleiernen Kuppel bedeckt, in deren Mitte ſich ein oben geſchloſſener Halbmond erhebt; das Ausſehen iſt ſtattlich, und die mit buntfarbigen Ziegelſteinen überklei- deten Mauern ſchillern laſurblau. Der äußere Umfang ſoll 536“ betragen. – Die Moſchee hat vier Thüren und Vorhallen nach den vier Weltgegenden zu; das gegen uns, alſo gegen Norden gerichtete Thor, war mit einem Por- ticus geſchmückt, welchen acht Marmorſäulen trugen, die Fenſter hatten gefärbte Gläſer; der ganze Vorhof ringsum war mit ſchimmernden Steinplatten bedeckt. – Unter der Moſchee ſoll das eigentliche Heiligthum ſich befinden, nämlich der Kalkſteinfels, auf welchem Abraham bei der Opferung Iſaaks ſaß, und worauf ſpäter Melchiſedech Brod und Wein opferte, dann die „edle" Höhle, in wel- cher David, Salomo und Jeſus beteten. (Die heutige Sage von dieſem Felſen lautet: Als Mohamed auf dem Steine ſtand, betete und dann gegen Himmel fuhr, wollte der Stein auch mitfahren. In der Nähe des Paradieſes aber erhob der Stein ein Freudengeſchrei, worauf ihm der Prophet Stillſchweigen und die Niederfahrt gebot, 336 Der Stein fiel jedoch nicht ganz auf die Erde, ſondern er ſchwebte von da an in der Luft, etwa 4“ von der Erde. Als dann ſchwangere Frauen kamen und dieß ſahen, er- ſchracken ſie ſehr, weshalb der Khalif Omar unter dem Felſen eine Stütze anbringen, und um denſelben eine Moſchee erbauen ließ (636), die noch heute ſeinen Namen trägt.) Dieſes Innere der Moſchee iſt bisher nur Weni- gen zugänglich geweſen. – Südlich von der Omarmoſchee liegt die Akſam oſchee, einſt eine Marienkirche, jetzt der Betplatz der Frauen. Die drei Jahre alte heilige Jung- frau ſoll hier von ihren Eltern dem Herrn geopfert wor- den ſein. – Alles was den Tempelplatz umgibt heißt El Haram (der Tempel), und bildet gleichſam eine beſon- dere Stadt. Afrikaniſche Derwiſche bewachen den Ort von allen Seiten, ein Vorrecht, das ſie bei einem Kampfe zu Jeruſalem ſich erwarben. Pilger von allen Theilen der mohamedaniſchen Welt, auch aus Indien und Marocco wallen hieher. Doch es iſt Zeit, daß wir die Terraſſe des Com- mandantenhauſes, das zugleich als Kaſerne dient, und einſt die Wohnung des Landpflegers Pontius Pilatus bil- dete, verlaſſen. Im Vorübergehen ließ uns der Comman- dant noch die Menage der türkiſchen Soldaten koſten; jeder einzelne Mann hatte eine Schüſſel voll Reis, Ham- melfleiſch und Spargel, alles mit Oel gewürzt; ſie theilten davon den vor der Kaſerne wartenden Ar- men mit. Abends machten wir einen Spaziergang vor das Stephansthor. Die Griechen feierten eben die Vigilien eines Marienfeſtes, bei welcher Gelegenheit ſie ſtets im Freien campiren. Männer, Frauen und Kinder beweg- ten ſich bunt und luſtig unter Zelten und Oelbäumen: 337 es war wie ein Kirchtag auf einem Kirchhofe. – Caſella brachte die folgende Nacht in der heil. Grabeskirche zu. In der Regel ſtehe ich früh auf, um die erfriſchende Morgenluft zu genießen, hülle mich in meinen Mantel und bete auf der Terraſſe des Hoſpizes das Brevier, wo- bei mich gewöhnlich die über den Oelberg heraufſteigende Sonne überraſcht. – Auch pflege ich an jedem Tage eine andere der vorzüglichſten heiligen Stätten zur Celeb- rirung der h. Meſſe zu wählen. So las ich vorgeſtern die h. Meſſe in der oben beſchriebenen Geißelungskapelle; geſtern in der Grotte der Todesangſt am Fuße des Oel- berges, wo jedesmal die Votivmeſſe de Passione ge- nommen, und nach der Meſſe der Pſalm „de profundis" gebetet wird; heute begab ich mich in die unterirdiſche Kapelle der Kreuzerfindung in der h. Grabeskirche, wo ich beſonders der Damen des öſterreichiſchen Sternkreuzor- dens gedachte, um welches Gebet ich vor der Pilgerreiſe eigens erſucht worden war. Von all dieſen heiligen Stät- ten bringt man ſtets einen Himmel in der Seele mit nach Hauſe. - - - - Heute, am 27. Auguſt, führte uns der Kloſterbru- der Remigius in das Coenaculum, welches auf dem Berge Sion außer dem Jaffathore liegt. Es iſt eine große auf Säulen (deren Kapitäler Pelikane ſchmücken) ge- ſtützte Kirche, die gegenwärtig leer ſteht und als Moſchee dient. Einige Türken ſperrten gegen Backſchiſch auf, und begleiteten uns über die etlichen Stufen hinab. Wir knie- ten nieder, um die Ablaßgebete zu verrichten, und ließen uns nicht ſtören, obwohl einige Türken lachten. Wer ſollte an jenem heiligen Orte nicht von Ehrfurcht ergriffen Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 22 Z38 werden, wo Jeſus mit ſeinen Jüngern das letzte Abend- mal genoß, und das allerheiligſte Altarsſacrament ein- ſetzte, wo er ſeinen Jüngern die Füße wuſch und die letz- ten Abſchiedsworte ſprach, wo er nach ſeiner Aufer- ſtehung dem ungläubigen Thomas erſchien und den Apo- ſteln den heiligen Geiſt herabſandte! Der Saal des Coe- naculum mag beiläufig 20 hoch, 21“ lang und 14 breit ſein. – Ein unterirdiſches, wahrſcheinlich verſchüttetes Gewölbe wird als das Grab Davids ausgegeben, aber keinem Chriſten dazu der Zutritt geſtattet, weil darüber ein Harem iſt. – Hier war die erſte Anſiedelung der Franziskanermönche, bis ſie von da vertrieben, den Grund zum jetzigen Salvatorkloſter legten. – Der Tra- dition zufolge ſtand neben dem Coenaculum das Haus Mariä, in welchem ſie ſtarb. Auf dem Rückwege paſſirten wir den Friedhof der Chriſten, der ganz frei liegt und nur wenige Monu- mente zählt; hie und da ſieht man noch Ueberreſte der alten Stadtmauern, denn an der Stelle der Gräber ſtan- den einſt Paläſte. – Ich will Dich, lieber Freund, nicht mit einer weitläufigen Aufzählung der noch übrigen Sanc- tuarien, die wir beſuchten, und die alle mehr oder weni- ger in einem verwahrloſten Zuſtande ſich befinden, ermü- den. So z. B. ſahen wir im Inneren der Stadt das Haus des Kaiphas, wo die Armenier eine ſchöne Kirche haben, in deren Altar der Stein des heiligen Gra- bes eingemauert iſt; das den Sorianern gehörige Haus des Hohenprieſters Annas; das eiſerne Thor, durch welches der h. Petrus aus der Stadt kam, als ihn der Engel aus dem Kerker befreite (Apoſtelgeſch. 12); das Haus des Thomas, von welchem verſichert wird, daß jeder Türke, der es bezieht, alsbald darin ſtirbt; 339 die Ruinen des Palaſtes und Spitales der einſtigen St. Johannesritter u. ſ. w. » Da wir eben an einer jüdiſchen Synagoge vor- über gingen, ſo zog uns die Neugierde hinein. Es war Sabbat, der von den Juden Jeruſalems ſtrenge beobach- tet wird. Ein Rabbiner predigte mit Feuereifer vor einem nicht ſehr ruhigen Auditorium. Mir war dabei ganz weh zu Muthe, denn mir fielen die Worte des Apoſtels ein: „Dieſe (Juden) erwarten immer den Meſſias, der einſt am Tage des Gerichtes erſcheinen wird, um ſie zu rich- ten, und die Decke von ihrem Herzen zu nehmen.“ (II. Cor. 3, 14. 15.) Im Ganzen dürften bei 6000 Ju- den in Jeruſalem ſein, größtentheils der ärmeren Klaſſe angehörig. Es ſieht nicht darnach aus, als ob die reichen Juden des Abendlandes Luſt hätten, mit ihren Capitalien nach Jeruſalem zurückzukehren, um damit das Reich Iſrael herzuſtellen, und den Tempel des wahren Gottes wieder aufzubauen; es ſcheint vielmehr, daß ſie Europa, das ohnehin faſt ihnen gehört, als das Königreich Iſrael betrachten,– wozu ſollten ſie auf den dürren und unfrucht- baren Boden Paläſtina's auswandern!! Doch genug davon, ich will Dir und mir die gute Laune nicht trüben. Darum zum Schluſſe noch etwas von den myſtiſchen Freuden, die ich in Jeruſalem erlebte. Am Tage unſerer Ankunft in Jeruſalem feierte man das Feſt der Kaiſerin Helena, die ſo viel für die Kirchen des heiligen Landes gethan; am Tage des hei- ligen Bernhard, des großen Kreuzzugspredigers, las ich die erſte Meſſe am heiligen Grabe; auch das Feſt des heiligen Ludwig, des unermüdlich für die Befreiung des heiligen Landes kämpfenden und wirkenden Königs, fei- erten wir in der ewig heiligen, gegenwärtig aber ge- 228 340 knechteten Stadt. Zeiheſt Du mich ob dieſer myſtiſchen Einfälle der Sonderbarkeit, ſo will ich nicht weiter mit Dir rechten; aber Du irrſt Dich, wenn Du mich für bekehrt hältſt. Deshalb nichts für ungut Dein treuer Freund 2c. - 341 XIX. Ausflug nach It. Johann in der Wüſte. Krawall unter den Beduinen. – Das Wort Wüſte iſt nicht buchſtäblich zu verſtehen. – Convent der ſpaniſchen Franziskaner. –- Das Ge- burtshaus Johannes des Täufers. – Feierliche Vesper des Feſtes De- collatio S. Joannis Baptistae. – Rundſchau von der Kloſterterraſſe. – Das Landhaus der h. Eliſabeth. – Visitatio B. M. V. – Magni- ficat. – Ein glücklicher Unfall. – Heilquelle. – Kloſter Heiligenkreuz. – Rückkehr nach Jeruſalem. Jeruſalem, 28. Auguſt. Lieber Freund! Noch muß ich Dir von einem dritten Ausfluge er- zählen, den wir von Jeruſalem aus machten, nämlich nach St. Johann in der Wüſte. Zwar war erſt vor Kur- zem unter den wilden arabiſchen Stämmen jener Gegend ein blutiger Krawall ausgebrochen, in welchem viele Per- ſonen getödtet, Kinder in Öl geſotten und ins Feuer ge- worfen wurden, ſo daß eigens eine Deputation nach Je- ruſalem kam und um Schutz bat. Dieß hielt uns jedoch nicht von dem projectirten Ausflug ab, beſonders da P. Andreas uns dahin zu begleiten verſprochen hatte, denn die Franziskaner ſtehen bei den Beduinen in großem Anſehen. Am 28. Auguſt, der auf einen Sonntag fiel, ritten wir nach Tiſch von Jeruſalem fort, und ſchlugen außer dem Jaffathore eine ſüdweſtliche Richtung ein. Der Weg führte über dürres und felſiges Hügelland, das harmloſe Gazellen durch ihre luſtigen Sprünge belebten. – Nach etwa drei Stunden erblickten wir von einer Anhöhe das tief unter uns liegende St. Johann. Es iſt ein armſeli- 342 ges Dorf, das ſeinen Beinamen in der Wüſte nicht ganz verdient, denn Weinrebe und Ölbäume gedeihen in dem fruchtbaren Thale vortrefflich. In der Mitte des Dorfes ſteht das einer Feſtung ähnliche Franziskanerkloſter, das den Spaniern gehört. Wir ſtiegen im Convente ab, wo man uns einige Erfriſchungen antrug. Die Kirche ſteht über dem Hauſe des Zacharias, in welchem Johaunes der Täufer geboren wurde, und iſt eine der ſchönſten im heiligen Lande. Links vom Hochal- tare ſteigt man auf einer Treppe in die Kapelle der Ge- burt des h. Täufers hinab. Hier offenbarte ſich Gottes Barmherzigkeit an der im Alter vorgerückten h. Eliſabeth, und der ſtummgewordene Zacharias brach in den Lobge- ſang aus: „Geprieſen ſei der Herr, der Gott Iſraels; denn er hat ſein Volk heimgeſucht und ihm Erlöſung ver- ſchafft" (Luc. 1, 68). – Auf dem Altare prangt ein ſchönes Gemälde von Murillo, die Geburt des h. Johan- nes darſtellend, und im Halbkreiſe um das Heiligthum befinden ſich fünf Basreliefs von weißem Marmor mit den Hauptſzenen aus dem Leben des Vorläufers Chriſti. Sechs Lampen brennen fortwährend an dieſem Orte, wo – wie die Inſchrift ſagt: »praecursor Domini natus est“ (der Vorläufer des Herrn geborden ward). Die fünf ſpaniſchen Mönche feierten eben die er- ſten Vespern des Feſtes Decollatio S. Joannis Bap- tistae (Johannes Enthauptung), denen wir im Presby- terium beiwohnten. Darnach wurde noch die lauretaniſche Litanei nach einer im h. Lande üblichen ſehr angenehmen Melodie geſungen. – Der Segen mit dem hochwürdig- ſten Gute ſchloß die erhebende Andacht. Dann beſtiegen wir die Kloſterterraſſe, von der man eine ſchöne Rundſchau genießt. Ganz in der Nähe breitet - 343 ſich das grüne Terebinthenthal aus, wo David den Rieſen Goliath erlegte; vom hohen Bergesgipfel herab winket Modin, wo die Überreſte des Grabes der tapfe- ren Maccabäer ſich befinden, mit welchen das letzte Boll- werk Iſraels fiel; gegen Süden erhebt ſich der vereinzelt ſtehende Frankenberg, wo die letzten Kreuzfahrer ſich 40 Jahre wider die anſtürmenden Feinde mit Löwenmuth vertheidigten. Da uns die Zeit nicht geſtattete die zwei Stunden entfernte Grotte des h. Johannes in der Wüſte zu beſu- chen, wo er ſeine Kindheit zubrachte, und nur Heuſchre- cken und wilden Honig zur Nahrung hatte (Matth. 3, 4), ſo begaben wir uns wenigſtens zu dem nur eine Viertel- ſtunde entfernten Landhaus der Eltern des h. Johannes Baptiſta, wo die Baſe Eliſabeth wohnte, als ſie die hei- lige Jungfrau von Nazareth aus beſuchte. Einſt ſtand hier ein Frauenkloſter und eine Kirche: gegenwärtig ſieht man auf dem einſam gelegenen und verödeten Felſenhügel nur noch einige von Ölbäumen umgebene Mauerwände mit einem Altare, auf welchem die Mönche am Feſte Mariä Heimſuchung die h. Meſſe leſen. – Und doch – trotz des ſchmerzlichen Anblickes – war die Seele voll Freude. Hier war ja der Ort, wo die vom h. Geiſte erfüllte Eli- ſabeth ihre Baſe mit den Worten begrüßte: „Du biſt ge- benedeit unter den Weibern, und gebenedeit iſt die Frucht deines Leibes", und wo Maria, die Gnadenvolle, im ſelig- ſten Entzücken unbeſchreiblicher Freude in den erhabenen Lobgeſang ausbrach: „Hoch preiſet meine Seele den Herrn, und mein Geiſt frohlocket in Gott, meinem Hei- lande (Luc. 1, 46). – Der beſchwerliche Weg, den Ma- ria von Nazareth aus über die Berge Judäas zurücklegte, betrug wenigſtens 25 Stunden. Maria lebte hier drei 344 Monate bei ihrer Baſe, bis die Zeit Eliſabeths erfüllt war (Luc. 1, 57). - Dieſer denkwürdige Ort wäre jedoch bald ein un- heilvoller geworden, indem Collega Hubinger bei Beſtei- gung des Pferdes einen Fehltritt machte, und mit dem Antlitz auf die herumliegenden Steine fiel, ſo daß er ſich Geſicht und Hände blutig ritzte, und die Augengläſer zer- brach; der Fall hätte viel übler enden können, und ſo war bei allem Unglück noch ein Glück. Bei der reichlich fließen- den Quelle der h. Jungfrau wuſchen wir dem Verunglück- ten die Wunden, die auffallend ſchnell heilten. Dann nahmen wir Abſchied von den Mönchen, die mit dem kurzen Beſuche nicht ſehr zufrieden waren, und ritten im Trab nach Jeruſalem zurück, um es noch vor Thorſchluß zu erreichen. Der Weg führte uns an dem griechiſchen Kloſter Heiligenkreuz vorüber, von wo das Holz genommen worden ſein ſoll, auf welchem der Sohn Gottes den Erlöſungstod ſtarb. – Die Sonne war bereits untergegangen, und mit der Dämmerung zogen wir zum letzten Male in die düſtere Stadt ein. – Mor- gen nehmen wir Abſchied von Jeruſalem. – Gott mit Dir und Deinem Freunde etc. 345 XX. Abſchied von Jeruſalem. Topographiſches und Statiſtiſches über Jeruſalem. – Aehnlichkeit mit dem Karſtgebirge.– Charakter einer Wallfahrtsſtadt.– Ueber die Pilger“ tracht. – Klima und Nahrung. – Handel und Wandel. – Sprachli- ches und Finanzielles. – Sitten und Gebräuche. – Nationen und Con- feſſionen. – Wohlthätigkeitsanſtalten. -– Gaſthäuſer. – Die Zahl der Pilger mehrt ſich. – Ueber die proteſtantiſche Miſſion. – J vescovini! – Geld und Proſelyten. – Warum ſo wenige Convertiten? – Paſtor Valentiner. – Alle Confeſſionen genießen mehr politiſchen Schutz als die Katholiken. – Trübe Ausſichten für den Katholizismus. – Ein Mahnwort des Dichters Geibel – Abſchied vom heiligen Grabe. – Das Knabenſeminar und der Vinzentiusverein. – Fromme Induſtrie. – Marinelli bleibt in Jeruſalem zurück. – An die ſcheidenden Pilger- freunde. – Letzter Gruß aus der heiligen Stadt. Jeruſalem, 29. Auguſt. Lieber Freund! Unſer zwölftägiger Aufenthalt in Jeruſalem geht zu Ende. Bevor ich jedoch die heilige Stadt verlaſſe, will ich Dir, lieber Freund, noch Einiges über Jeruſalem mit- theilen, was in den früheren Pilgerbriefen nicht Platz ge- funden hat. - Jeruſalem liegt auf einem ſehr ungleichen Boden, deſſen Hauptneigung von Nordweſt nach Südoſt geht; es iſt auf drei Seiten von tiefen Schluchten umgeben und bildet gleichſam eine Landzunge oder Halbinſel, welche nur nordweſtlich mit dem Lande zuſammenhängt. Die Stadt iſt auf drei Hügeln gebaut, von denen Sion der höchſte, Akra der niederſte iſt, Moriah heißt der pla- nirte Hügel, auf welchem der Tempel ſtand. – Die ge- 346 genwärtige Stadt iſt mit einer gut erhaltenen Ringmauer umgeben, die Sultan Soliman im Jahre 1534 errichtete: die vielen Zinnen und Thürme derſelben geben Jeruſalem das Ausſehen einer feſten Stadt des Mittelalters. Man braucht faſt anderthalb Stunden, um die Stadtmauern zu umgehen. – Jeruſalem hat 5 offene Thore. – Gegen- wärtig iſt die Stadt in 4 Viertel getheilt: das chriſtliche, armeniſche, jüdiſche und mohamedaniſche; das letztere iſt größer als die drei übrigen. – Die Geſammtbevölkerung beträgt mit den 1000 Soldaten beiläufig 15000, worun- ter 5000 Mohamedaner, 6000 Juden, 2000 Griechen, und 1000 Katholiken. " . . Der Boden um Jeruſalem beſteht aus grauem Kalkſtein, und hat eine Ähnlichkeit mit dem wilden Karſt- gebirge bei Trieſt. – Das Klima iſt geſund, der Him- mel monatelang heiter; doch ſind Verkühlungen beſonders im Sommer, wo der nächtliche Thau am ſtärkſten fällt, leicht möglich und gefährlich. – Jeruſalem hat kein flie- ßendes Waſſer; man trinkt das in Ciſternen geleitete Regenwaſſer, das rein, gut und ſüß bleibt, ſelbſt wenn es fünf Monate lang geſtanden iſt. – Das Land iſt nicht mehr ſo fruchtbar wie einſt, es ſieht nackt aus und hat einen unfreundlichen Charakter. Bäume, Sträuche und Gebüſche ſind ſelten. – Die Ankunft ſo vieler Pilger verleiht Jeruſalem den Charakter einer Welt- oder wenn Du lieber willſt – einer Wallfahrtsſtadt, man bewegt ſich ungenirter, ſelbſt die herrenloſen Hunde, die an fremde Leute gewohnt ſind, zeigen ſich minder biſſig als in anderen orientaliſchen Städten. – Wagen ſind nir- gends zu ſehen; ſelbſt der Oberſt hält es nicht unter ſei- ner Würde auf einem Eſel zu reiten; als ich ihn einmal ſah, hatte er ſogar ſeinen kleinen Buben vor ſich ſitzen.–– 347 Alle Dächer find flach, und eine Predigt von denſelben würde weithin vernehmbar ſein; hier ſchöpft man des Morgens erquickende Luft, und ruht Abends aus im An- blick des funkelnden Firmamentes. – Die Frauen ge- hen verſchleiert, ſchminken und färben ſich aber deſſenun- geachtet; ihre Tracht iſt minder plump als ihr Gang. – Alle, auch die Chriſten, tragen den Turban. Als Pilger jedoch iſt es nicht nöthig ſich in türkiſche Tracht zu wer- fen, im Gegentheile bedient man ſich beſſer der fränkiſchen Kleidung, weil man darin mehr reſpectirt wird. – Der Bart gilt als Zeichen männlicher Ehrwürdigkeit; man hält es für eine Schmach, wenn er von einem Andern be- rührt wird. – Die Franziskaner gehen ſtets in ihrer Kutte; die Juden gewöhnlich in einem langen Talar. – Reinlichkeit iſt im Orient nirgends zu finden, daher Ungeziefer allüberall. Die Nahrung beſteht aus Brod, geröſtetem oder gekochtem Schafs- und Ziegenfleiſch, Reis, Makaroni, Käſe, Eier, ſauere Milch, Mehlſpeiſen. Café wird ohne Beimengung von Milch und Zucker ſammt dem Nieder- ſchlage getrunken; man trinkt oder ſchlürft ihn vielmehr aus kleinen Taſſen und zwar öfter im Tage, wozu Män- ner und Frauen eine Pfeife rauchen. Die Tabakspfeife iſt überhaupt, wie Du aus den Pilgerbriefen entnommen ha- ben wirſt, ein ſehr wichtiges Ding im Orient, und ich habe in deren Behandlung bedeutende Fortſchritte ge- macht. – Der Handel iſt unbedeutend; denn die Han- delsſtraſſe zwiſchen Damaskus und Cairo zieht neun Stunden entfernt (bei Ramleh) an Jeruſalem vorbei. Der einzige Ausfuhrartikel ſind die Pilgerandenken, mit denen auch Mohamedaner Geſchäfte machen. Am beſten und billigſten kauft man dieſe in dem Sanctuarienlager 348 der Franziskaner. – Die Briefe nach Öſterreich wer- den durch die Lloydſchiffe befördert, wofür in Jeruſalem ein eigener Agent etablirt iſt; man zahlt für einen einfa- chen Brief beiläufig einen Zwanziger. – In Jeruſalem curſiren alle möglichen Geldſorten; ein öſterreichiſcher Zwanziger läuft zu 4 Piaſter, ein Dukaten zu 48 Piaſter, wohl auch mehr, je nachdem das Agio ſteht. – Die Ein- wohner ſehen mehr mager als fett aus, die Geſichtszüge mehr ſanft als geiſtig; die Bildung unter ihnen iſt ſehr beſchränkt. – Die Volksſprache iſt die arabiſche; die verbreitetſte unter den fränkiſchen Sprachen iſt die italie- niſche; die Juden ſprechen zumeiſt ſpaniſch und radebre- chen auch das deutſche; hebräiſch wird viel geſchrieben, wenig geſprochen. Die ſittlichen Zuſtände laſſen manches zu wün- ſchen übrig. Der Jeruſalemer lügt und betrügt gerne; ge- gen den Franken iſt er gleichgiltig, ſelbſt höflich, wenn dieſer mit einiger Feſtigkeit und ſittlicher Würde auftritt. Die öffentliche Meinung iſt in dem Punkte der Sitten- reinheit ſtrenge, verzeiht aber eher die Verirrung einer Frau als eines Mädchens. Es iſt den Mohamedanern erlaubt 4 Frauen zu nehmen, doch gibt es wenige, die nicht an Einer ſchon genug hätten. Die Hauptunterhal- tung der Frauen beſteht in der Converſation in den Bä- dern, wo ſie ganze halbe Tage zubringen. Päderaſtie ſoll häufig vorkommen. Das frühe Heiraten iſt ein wahrer Krebsſchaden. – Der Bettel iſt außerordentlich ſtark. Unter Ibrahim Paſcha hätte ſich das Land gehoben, ob- wohl er despotiſch regierte; das thut aber eben noth, Ie- ruſalem hat keinen Herrn. – Die Hochzeiten ſind ſpät Abends; die Begräbniſſe 3–4 Stunden nach dem Tode. - 349 In Jeruſalem leben alle Nationen und Confeſ- ſionen. Die ſehr armen lateiniſchen Chriſten ſollen aus den Kreuzzügen ſtammen. Die Muhamedaner ſind im Abnehmen, die Chriſten im Zunehmen begriffen. Ehedem wurden die Franken oft auf den Straſſen inſultirt; vor Steinwürfen iſt man noch nicht ganz ſicher; doch durch die Errichtung der Conſulate iſt das Anſehen der Franken viel gehoben worden. Seit Mehemed Ali ſind die drücken- den Pilgerzölle und Abgaben aufgehoben. Ein öſterreichi- ſcher Conſul beſteht erſt ſeit 1852. Unter den Wohlthätigkeitsanſtalten iſt am beſten das engliſche Spital fundirt, das jedoch der Prote- ſtant Titus Tobler ein Koſthaus für jüdiſche Faullenzer und Faullenzerinen nennt. Das preuſſiſche Spital verſe- hen Diaconiſſinen, das katholiſche barmherzige Schwe- ſtern vom h. Joſeph (ſeit 1851); letztere, die auch eine Schule für 120 Mädchen von 4–14 Jahren errichtet haben, erwarben ſich in kurzer Zeit große Sympathien, und werden gewiß ſegensreich auf das Familienleben wir- ken, das dem Manne verſchloſſen iſt. Seit den Kreuzzügen waren keine Nonnen in Paläſtina. – Seit neuerer Zeit beſtehen auch 2 Gaſthäuſer, doch ſprechen wenig Rei- ſende zu. – Caféhäuſer gibt es 20, aber darunter kein ſchönes; ein Täßchen Café koſtet 5 Para d. i. einen Kreuzer; ebenſo billig iſt Scherbet d. i. ein im kalten Waſ- ſer aufgelöstes Gelèe von Früchten.– Pilger zu Fuß ſind jetzt eine Seltenheit; vor etlichen Jahren kam ein 80 jäh- riger Prieſter aus Rußland nach ſeiner Befreiung aus Sibirien; gewöhnlich bringen die Pilger in Jeruſalem die Faſten zu; im Hochſommer, wie wir, reist äußerſt ſelten ein Pilger. Die Zahl derſelben wechſelt, 3000–10000; bisher kamen aus Deutſchland mehr Proteſtanten als Ka- Z50 tholiken; doch mehrt ſich die Zahl der Pilger, ſeitdem die Dampfſchiffe in Jaffa landen. Auch über die proteſtantiſche Miſſion in Je- ruſalem will ich Dir der Vollſtändigkeit wegen Einiges mittheilen. Wie Du weißt, wurde auf Anregung des Kö- nigs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen in Jeruſalem ein preuſſiſch-anglikaniſches Bisthum gegründet, zu deſſen Dotation derſelbe König von Preuſſen aus eigenen Mit- teln die Hälfte (15000 Pfund) anwies. Auf dem Berge Sion in der Nähe der Citadelle Davids, vor welcher ein großer freier Platz ſich befindet, gerade über den Ruinen des Palaſtes des grauſamen Königs Herodes wurde mit einem ungeheuern Koſtenaufwande eine proteſtantiſche Kirche im gothiſchen Stile erbaut, und am 1. Jänner 1849 eingeweiht; es iſt eines der ſchönſten. Gebäude des jetzigen Jeruſalem. – Die Ernennung des jeweiligen Biſchofs wechſelt zwiſchen den Kronen England und Preuſſen ab. Der erſte proteſtantiſche Biſchof war Mi- chael Salomo Alexander, ein geborner Preuſſe und ge- taufter Jude. Als er mit Frau und Kindern am 21. Jän- ner 1842 in Jeruſalem einzog, riefen die dortigen Ara- ber: necco la vescova, i vescovini!“ (ſiehe da, die Bi- ſchöfin und die Biſchöflein). Er ſtarb ſchon im Jahre 1845 auf einer Reiſe nach Egypten. Im Frühjahr 1846 folgte ihm Samuel Gobat, ein Schweitzer. Über die Wirkſamkeit der proteſtantiſchen Miſſion kann ich Dir, mein Lieber, nur aus proteſtantiſchen Quel- len berichten, und dieſe erzählen nicht gar viel Rühmenswer- thes. Die anglikaniſchen Miſſionäre ſtoßen durch ihren 351 Hochmuth ab, ſie lieben Wohlleben und Bequemlichkeit, begnügen ſich damit heimlich Bibeln zu vertheilen oder vor einigen armen Abyſſiniern gegen die Lehren des Papſtthums loszuziehen; vorzüglich aber haben ſie es auf die Bekehrung der Juden abgeſehen, was zu unſäglichem Haß und Verdruß, zu allerlei Zwiſpalt und Kummer An- laß gibt. So z. B. hielt im März 1853 ein anglikaniſcher Miſſionär M. Crowford vor den Pforten der jüdiſchen Synagoge eine Rede voll Invectiven gegen den Talmud; worauf ihm einer der Anweſenden das Aas einer Katze ins Geſicht ſchleuderte, was einen förmlichen Krawall verurſachte. – Der Zauber der klingenden Münze thut das meiſte zur Vermehrung der proſelytiſchen Gemeinde. Es wird behauptet, daß jedem Täufling 6000 Piaſter gleichſam als Prämie dargeboten und alljährlich 60.000 Gulden von den Anglikanern für Bekehrungen verwendet werden. Um des Geldes willen wechſeln viele ihre Reli- gion, und fallen dann wieder ab. Merkwürdig iſt auch, daß ſich die Miſſionäre um den Proſelyten nur ſo lange küm- mern, bis er getauft iſt, dann aber nicht mehr –, wenn nur in der Miſſionsliſte eine Bekehrung mehr ſignaliſirt werden kann!– Bei den orientaliſchen Chriſten findet der Proteſtantismus keinen rechten Anklang, er iſt ihnen zu kalt und trocken; auch erſcheint es ihnen als ein Mangel des gehörigen chriſtlichen Glaubens, daß die Proteſtanten die h. Grabeskirche gar nicht beſuchen, um darin wie die anderen Confeſſionen Gottesdienſt zu halten. Daher ſind übertritte vom Katholizismus zum Proteſtantismus faſt unerhört, nur zugereiste glaubensſchwache und unterſtü- tzungsbedürftige Handwerksburſchen fallen mitunter als Opfer. – Die Mohamedaner halten die Proteſtanten für eine Art Freimaurer. – Während meines Aufenthaltes 252 in Jeruſalem lernte ich den preuſſiſchen Conſulatspredi- ger Paſtor Valentiner kennen, einen jungen, vielſeitig gebildeten Mann mit angenehmen Äußeren; er ſagte mir unter anderm, daß es ihn jedesmal ergreife, ſo oft er in Jeruſalem predige; auch beklagte er ſich, daß das Wort der Liebe nicht alle Herzen durchdringe. Ich halte ihn für einen edlen Menſchen. Aus dem Mitgetheilten magſt Du erſehen, daß die Proteſtanten – um von den Griechen zu ſchweigen – mehr Schutz bei ihren betreffenden Regierungen finden, als die Katholiken. In Folge deſſen verlieren aber letztere immer mehr von ihren Rechten, und die anderen Confeſ- ſionen gewinnen. Erfaſſen die katholiſchen Mächte – Frankreich, Spanien, Öſterreich – nicht mit vereinten Kräften die Idee der Chriſtianiſirung des Orient, ſo wird ſich das Schisma ihrer bemächtigen; wehe dann dem dor- tigen Katholizismus! Wer fühlt es daher nicht tief, was der Dichter Geibel ſagt: „O Schmach und Schimpf, Europa, Dir und Deiner thatenloſen Ruh'! In Flammen ſteht Jeruſalem und träge feiernd ſchau'ſt Du zu. Das Grab, worin der Heiland lag, es iſt der Muſelmänner Spott, Doch du verräthſt im ſchnöden Herzen noch heut wie Judas deinen Gott! "Jetzt gilt es nicht mehr jahrelang die heißen Steppen zu durchzieh'n, Nicht mehr mit braunen Reitern ſteht entgegen euch ein Saladin; Nur eines Winkes braucht's von euch, und eurer Feinde Burg zerbricht, Nur eines Winkes, und befreit iſt Zion – doch ihr winket nicht.“ Möchten die Könige der Erde dieß verſtehen - Nicht Politik und nicht Nationalitäteneiferſucht wird das h. Grab vor dem Untergange, der ihm drohet, ſchützen, ſondern nur gläubige Begeiſterung für die h. Sache des Kreuzes. Alle Konfeſſionen der Welt haben ihr Augenmerk hieher gerichtet, und groß ſind die Mittel, die 353 ihnen zu Gebote ſtehen! Am Ende wird doch jene Konfeſ- ſion den Sieg davon tragen, welcher die Bürgſchaft der Wahrheit durch den h. Geiſt innewohnt, und alle menſch- lichen Protektorate als ſolche – werden ſich als unzu- länglich erweiſen. Perſonen vergehen, aber die Sache bleibt. Heute als am letzten Tage unſeres Aufenthaltes in Jeruſalem celebrirte ich nochmal in der heiligen Grabes- kirche, und zwar an jener Stelle des Calvarienberges, wo die Mutter Gottes unter dem Kreuze ſtand. Darnach nah- men wir Abſchied von dem heiligen Grabe. Obwohl mich in Jeruſalem, ich geſtehe es offen, ein bischen das Heim- weh angepackt hatte, ſo fiel mir die Trennung von der heiligſten Stätte der Erde doch ſehr ſchwer. Indeß die Zeit drängte. Wir hatten noch Abſchieds- beſuche beim Patriarchen, beim P. Cuſtos, beim Con- ſul etc. zu machen. Die Frau des Letzteren vertraute mir ein großes Perlmutterkreuz an als Geſchenk für einen Pfarrer meiner Diöceſe, den ſie perſönlich kennt und hochachtet; die große Kiſte, in welche es verpackt iſt, fällt mir allerdings läſtig, aber wer ſollte es verſchmähen von Jeruſalem etwas mitzunehmen?– Im Hauſe des Patriar- chen Valergabeſuchten wir auch das unter demſelben Dache befindliche Knabenſeminar, in welchem wir 14 friſche Ara- berknaben antrafen; auch einer eben ſtattfindenden Sitzung des St. Vincentiusvereines, der ſich die Beſuchung, Un- terſtützung und Pflege der Kranken und Armen zur Auf- gabe macht, wohnten wir bei. Gegenſtand der franzöſiſch geführten Debatte war: die Aufmunterung der chriſtlichen Araberinen zur Thätigkeit und Arbeitſamkeit, und die Ein- Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 23 354 führung der Baumwollſpinnerei zu dieſem Zwecke. Wir gaben vier Thaler als Almoſen, zugleich als Dank für die getrockneten Blumen, welche der Verein in frommer In- duſtrie uns zugeſendet hatte. So rückte die Abſchiedsſtunde immer näher. Dieſe fiel auch dadurch ſchwerer, weil unſer lieber Reiſecollega Marinelli in Jeruſalem freiwillig zurückblieb, um aus- gedehntere Studien über das h. Land zu machen, wozu er die Erlaubniß, Geld und Talent hat. Beſonders mir fiel die Trennung von ihm ſchwer, wie Du aus dem Inhalte der Pilgerbriefe leicht begreifen wirſt; wir wohnten faſt immer beiſammen und verſtanden uns ſehr gut. Marinelli hinwiederum bewies ſeine dankbare Anhänglichkeit, indem er den ſcheidenden Pilgerfreunden folgenden poetiſchen Nachruf widmete: „Gott mit Euch! Ihr zieht von hinnen, Doch ein Freund bleibt hier zurück, Segnet Eurer Fahrt Beginnen, Fleht für Euer Reiſeglück. „Mögt auch Ihr ihm nicht verſagen, Was die Liebe fromm begehrt; Denn Ihr wißt des Pilgers Wagen Iſt wohl des Gebetes werth! „Reich an Himmels Schutz uud Gnaden Eilt Ihr nun der Heimat zu, Und entwirrt den Lebensfaden Freudig bis zur Grabesruh; "Denn in Eures Heilands Lande Habt Ihr ja gelebt, geliebt, Euch durch untrennbare Bande Dem vereint, der Segen gibt. » Z55 „Darum ziehet wohlbehalten, Glücklich heim in's Vaterland. Ueber Euch des Himmels Walten, Mit Euch Gott und ſeine Hand!" Um die Mittagsſtunde werden wir Jeruſalem ver- laſſen, um noch rechtzeitig in Jaffa einzutreffen, und von dort mit dem franzöſiſchen Dampfer nach Alexandrien überzuſchiffen. Ich nehme demnach Abſchied von Dir, lie- ber Freund, indem ich Dich dem für unſer Heil hier ge- kreuzigten Erlöſer empfehle, und Dich bitte, Allen, die ich kenne und die dieſe Zeilen leſen, meinen freundlichen Gruß aus der h. Stadt zu melden. Ich ſcheide von hier mit dem inhaltſchweren Klageruf des Propheten Jeremias, den die h. Kirche in jeder Charwoche ertönen läßt: „Jeru- salem, Jerusalem, convertere ad Dominum Deum tuum“ – Jeruſalem, Jeruſalem, bekehre dich zu Gott deinem Herrn. – Dein treuer Freund 2c. 23 356 XXI. Von Jeruſalem nach Alexandrien. Abſchied am Jaffathore und auf der letzten Anhöhe vor Jeruſalem. – Das Terebinthenthal. – Bewaffnete Reiterſchaar. – Ein Gelübde aus Verzweiflung. – Die letzte Meſſe auf dem Boden der terra sancta. – Das Heimweh ſteigert ſich. – Neue Reiſecollegen. – Der franzöſiſche Dampfer Tancred. – Ultima ratio. – In der Türkei ſind heilige Ge- genſtände zollfrei. – Ideale Freude und proſaiſcher Schmerz. – Miſe- rabilität des menſchlichen Lebens. – Abſtinenz durch 36 Stunden. – Nie nach Amerika. – Der Schiffsjunge und Schiffshund. – Repara- tion an der Dampfmaſchine. – Glückliche Landung im Hafen zu Alexandrien. Am Bord des Tancred, 1. September. Lieber Freund! Wir verließen Jeruſalem am 29. Auguſt um die Mittagsſtunde. Der freundliche und gefällige Conſul von Pizzamano, der öſterreichiſche Franziskaner P. And- reas und Freund Marinelli gaben uns das Geleite bis zum Jaffathore, wo wir ihnen die Hand zum Abſchied reichten. – Schweigend ritten wir über die ſteinige Hochebene, und an der Stelle, wo wir zum erſten Mal Jeruſalem geſehen und begrüßt hatten, hielten wir an, entblößten das Haupt, und beteten ein Vaterunſer. Mir war ſo wehmüthig wie in der Charwoche; die Meiſten weinten. *- Nachdem wir Jeruſalem aus dem Geſichtskreiſe verloren hatten, ging es raſch vorwärts, trotz der bren- nenden Nachmittagsſonne. Nach einer Stunde kamen wir in das tiefe mit unzähligen Steinen bedeckte Terebin- 357 thenthal, und zogen trockenen Fußes durch den Gieß- bach, aus welchem der Hirtenknabe David die fünf Kie- ſelſteine für ſeine Schleuder nahm. Ein im nahen Wein- berge arbeitender Mann bot uns freiwillig köſtliche Trau- ben an. – Ohne abzuſitzen ging es noch dritthalb Stun- den weiter bis zu jener Nachtſtation, welche ich Dir im XIII. Pilgerbriefe beſchrieben habe. Unter dem Schat- ten jenes Baumes, der uns damals gaſtliche Nachther- berge geſpendet hatte, lagerten vom Fuß bis zum Kopf bewaffnete Reiter, die uns mit verdächtigen Blicken ma- ßen. Wir ließen uns jedoch nicht abſchrecken, ſondern ſetzten uns in einer reſpektvollen Entfernung von ihnen nieder, einen aus Jeruſalem mitgenommenen Imbiß ver- zehrend. Die Reiter zogen früher fort als wir, was uns anfangs etwas unheimlich vorkam, doch geſchah uns nicht das Mindeſte. Das Ziel des erſten Tages war Ramleh. Ach! wie heiß ſehnte ich mich nach dieſer Nachtſtation! Der Weg kam mir noch beſchwerlicher als wie bei der Hin- reiſe vor, und in einem Anfalle von Desperation machte ich das Gelübde: nie zu klagen oder zu murren über eine wenn auch noch ſo ſchlechte Fahrgelegenheit, wenn ich nur noch Einmal das Glück erleben würde in einem Wagen zu fahren! Wie bequem ſitzt und ſchläft es ſich in einem Wagen, da kann man doch raſten von den gehabten Strapatzen; aber hier auf einem Pferde, auf ſolchen Wegen, durch ſo viele Stunden! Ich betete, ich ſang, ich redete mit mir ſelbſt, um mich vor dem Einſchla- fen aus Müdigkeit zu erwehren. Die Sonne ging unter, der Komet leuchtete im Weſten, die Sterne funkelten in wunderbarer Klarheit: aber ich hatte für all die Schön- heiten der Natur keinen Sinn mehr. - Z58 Endlich gegen 10 Uhr Nachts kamen wir nach Ramleh, wo der ritterliche P. Gomez, der von unſerer Ankunft aviſirt war, uns begrüßte und mit einem bereit- gehaltenen Souper bewirthete. Er war jedoch nicht ſo aufgeräumt wie beim erſten Beſuche, denn er litt am Fieber. Auch wir waren matt und müde, und begaben uns bald zur Ruhe. . . . Tags darauf wohnten wir in der kleinen Kloſter- kirche der heil. Meſſe bei, der letzten auf dem Boden des heiligen Landes. Ich dankte Gott innig für den wunder- baren Schutz, den er uns bisher hatte angedeihen laſſen, bat ihn aber auch um eine glückliche Heimreiſe, denn merkwürdiger Weiſe ſteigerte ſich, ſeitdem das Pilgerziel im Rücken lag, in auffallender Progreſſion das Heimweh, ſo daß ich die Tage zählte, welche bis zum fröhlichen Wiederſehen der lieben Freunde noch in der Mitte lagen. Um 7 Uhr Morgens kamen wir von Ramleh fort. Die Hitze war auf der Ebene Saron niederſchmetternd, und die Pferde ſtampften und ſchnaubten vor Wuth gegen die läſtigen und gefräſſigen Mücken. Gott ſei Dank – endlich erblickten wir das Meer und die Orangengärten von Jaffa – der letzte Ritt war vorüber. Um 10 Uhr ſtiegen wir beim Franziskanerkloſter ab, in welchem wir den Mittag zubrachten. Bei Tiſch lernten wir drei neue Reiſecollegen nach Alexandrien kennen, nämlich einen badiſchen Offizier Baron Leoprechting, einen deutſchen und einen italieniſchen Franziskaner, Namens P. Peter und Pater Iſidor, die nach Egypten verſetzt wurden. Das franzöſiſche Dampfſchiff Tancred fuhr erſt Abends von Jaffa fort. Wir nahmen Plätze zweiter Z59 Klaſſe, wo jede Perſon 70 Franken bezahlen mußte. Col- lega Mayr, welcher ſtatt Marinelli die Fortführung der Communkaſſa übernommen hatte, verſtand es ſich gele- gentlich der Einſchiffung das gehörige Anſehen zu ver- ſchaffen, indem er einen mit unberufener Neugierde unſer Gepäck viſitirenden Araber mit der Reitpeitſche maßre- gelte; für viele Orientalen iſt die Baſtonade die ultima ratio d. h. das erſte und letzte Mittel. – Eine für die Türkei löbliche Einrichtung darf ich nicht verſchweigen, daß nämlich die Roſenkränze aus Jeruſalem als heilige Gegenſtände zollfrei behandelt wurden. . Wenn man ſo lange zu Pferde geſeſſen wie wir, freut man ſich endlich auf eine Abwechslung in der Reiſe, und erſehnt die Stunde der Einſchiffung. Dieſe kam, aber ach! die ideale Freude wurde gar bald in proſaiſchen Schmerz verwandelt. Die Rhede von Jaffa iſt nämlich, wie ich Dir ſchon früher ſchrieb, die ſchlechteſte an der ganzen ſyriſchen Küſte, zudem war der Wind ungünſtig, und die aufgepeitſchten Wogen brauſten mit ſolcher Hef- tigkeit an das felſige Ufer, daß der weiße Giſcht klafter- hoch ſpritzte. Ave maris stella! (Sei gegrüßt, o Meeres- ſtern). Meine Ahnung einer ſchlimmen Seefahrt täuſchte mich nicht, denn bevor wir noch den Bord des „Tan- cred" erreichten, war ich ſchon der Seekrankheit erlegen, da die Barke, auf welcher wir uns einſchifften, dergeſtalt ſchaukelte, daß das große Dampfſchiff auf Augenblicke vor unſeren Augen verſchwand. Wie einen Ohnmächtigen hob man mich über die Stufen der Stiege auf das Ver- deck des „Tancred“, wo ich mich in Ermanglung anderen Comforts platterdings auf die harten Dielen legte, denn beim Liegen fühlte ich mich jederzeit leichter. Noch nie habe ich mir ſelber ſo erbarmt wie damals, daß ich in / Z60 etlichen Minuten ein gar ſo miſerabler Menſch – gegen meinen Willen – werden konnte und mußte! Indeß fiel die Fahrt doch nicht gar ſo ſchlimm aus als ich beſorgte. Ich genoß zwar durch volle 36 Stunden nichts als Limonade und Zuckerwaſſer, das mir auf mein Verlangen bereitwillig alle zwei Stunden ſervirt wurde; aber die Seekrankheit kam wenigſtens nicht mehr zum Ausbruch. Größtentheils überließ ich mich – auf dem Verdeck des Schiffes liegend – meinen eigenen Betrach- tungen, welche unter andern auch das Reſultat lieferten, daß ich Amerika nie ſehen werde, weil der Ozean inzwi- ſchen liegt. Ein Schiffsjunge aus Toulon, dem das Eſſen ſchmeckte, daß der helle Neid in mir aufſtieg, beſuchte mich öfter um mir die Zeit zu vertreiben; auf ſeiner Bruſt trug er eine Medaille der heil. Jungfrau, welche ihm ſeine beſorgte Mutter zum Andenken umgehängt hatte. Eine zweite Freundſchaft ſchloß ich mit dem Schiffs- hunde „Force“, der übrigens mit allen Paſſagieren auf gutem Fuße ſtand, die Engländer ausgenommen. – Die Einrichtung des Schiffes war nobel, die Collegen waren mit der Koſt zufrieden; es war eine Köchin und ein Arzt auf dem Schiffe. So vergingen zwei Nächte und ein Tag. Einmal blieb die Maſchine plötzlich ſtehen, es war etwas ge- brochen daran; aber der Fehler wurde glücklicherweiſe ſogleich reparirt. – Heute am früheſten Morgen flog ein Vogel über den Maſtbaum und kündete das nahe Land an, das wir auch bald am weſtlichen Horizont ſahen. Ein Lootſe kam herangefahren, und brachte uns glücklich durch die gefährliche Einfahrt in den Hafen von Alexandrien. Es war 8 Uhr Früh. Da lag ſie vor uns die altehrwür- dige Küſte Egyptens, und die neuauflebende Hafenſtadt. 361 Zur Linken präſentirt ſich das Arſenal mit abgetakelten Kriegsſchiffen und ſtattlichen Gebäuden, zur Rechten er- heben ſich die Baſtionen der Stadt mit zahlloſen Wind- mühlen. – Doch ich muß ſchließen, es iſt Zeit zur Aus- ſchiffung. Mit Liebe Dein 2c. A xxII. Die Quarantäne zu Alexandrien. Die geſunden Pilger werden als Kranke angeſehen und auf fünf Tage ab- und eingeſperrt. – Unfreiwillige Gefangenſchaft und unſchuldige Sanitätsexerzitien. – Das Quarantänegebäude. – Einäugige Wäch- ter mit ominöſen Stöcken. – Langſame Ausſchiffung. – Deutſche Handwerksburſchen als Kammerdiener. – Zimmereinrichtung und Ver- pflegung. – Unnöthige Vorſichtsmaßregel. – Ein nächtlicher Schreck. – Ueberraſchender Beſuch von Dr. Knoblechner und Miſſionär Ignaz Kohl. – Nachricht über die Verlobung Sr. Majeſtät des Kaiſers Franz Joſeph. – Lang entbehrte Zeitungen. – Caſella wird wegen Erkran- kung ſeiner Frau nach Hauſe citirt. – Myſtiſcher Umſtand. – Privat- andacht am Schutzengelſonntage. – Keine Briefe. – Die Erlöſungs- ſtunde ſchlägt. Am 5. September. Lieber Freund! Unſere Ausſchiffung in Alexandrien ging ſehr lang- ſam von Statten. Weil wir nämlich von Syrien kamen, ſo galten wir als unrein, die gelbe Contumazflagge wurde aufgehißt und jedermann mied unſere Berührung. Um 9 Uhr kam eine Barke herangefahren, die uns deut- ſche Pilger aufnahm, und aus beſonderer Rückſicht in das nahe Quarantänegebäude führte, während die ande- Z62 ren Paſſagiere in Bauſch und Bogen in die viel entfern- tere Anſtalt wandern mußten. Damit begann unſer fünf- tägiges unfreiwilliges Gefängnißleben. Unſere Barke war offenbar überladen und ſchwankte bedeutend trotz des ruhigen Meeres; ſie wurde mittelſt eines Seiles an ein kleines Segelſchiff gebunden und ſo im Schleppthau zum Quarantängebäude bugſirt. Alle Schiffe, die uns begegneten, wichen uns aus. Im Hafen, der voll von großen und kleinen Schiffen war, lag auch das öſterreichiſche Lloydſchiff „Italia“ vor Anker, auf dem wir von Conſtantinopel nach Beirut gefahren waren. Die Kapitäne erkannten uns und grüßten. – Angekom- men am Ufer empfingen uns die dienſtthuenden Qua- rantänewächter, zwei einäugige Araber, mit grinſender Freundlichkeit. Mit ihren ominöſen Stöcken bezeichneten ſie im Meeresſande eine Stelle, wohin wir das Bak- ſchiſch für die Schiffsleute legen ſollten; dieſe beſpülten das Geld mit Meerwaſſer, daß es ſeine etwaige Anſte- ckungsfähigkeit verliere. Nun wurde unſer Gepäck aus der Barke in das Haus geſchafft, wobei wir theils ſelbſt Hand anlegen mußten, theils von drei mitreiſenden deut- ſchen Handwerksburſchen (einem Sattler, Schmied und Schneider) unterſtützt wurden, welche freiwillig für die ganze Quarantänefriſt ihre Dienſte anboten, wenn wir ihnen nur das Eſſen bezahlen würden, was wir um ſo lieber annahmen, als einer von ihnen etwas arabiſch ſprach und den Dolmetſch machen konnte. So war ihnen und uns geholfen. Du wirſt neugierig ſein zu erfahren, wie ſolch eine Quarantäneanſtalt ausſieht? Denke dir ein einſtöckiges, iſolirt am Hafen ſtehendes Haus aus Steinen gebaut, mit luftigen großen Zimmern und eng vergitterten Fen- Z6Z ſtern. Wenn ich ſage: Zimmer, ſo darfſt Du Dir aber, lieber Freund, darunter nicht mehr als vier kahle Wände vorſtellen, denn jede Einrichtung fehlte. Unſere erſte Sorge ging ſomit dahin, das zum Leben und Wohnen Unentbehrliche zu erlangen. Glücklicherweiſe war eben ein ſpeculatives Individuum eines Hotels in der Nähe, mit dem wir durch ein Sprachgitter für die fünf Tage wegen . Koſt und Möblirung unſerer Zimmer accordirten. Der Lohnbediente verſprach aus dem Hotel d'Orient Betten, Tiſche, Seſſeln und die tägliche Koſt zu bringen, wofür wir ein Jeder per Tag eilf Franken zu bezahlen hätten. Wir trafen auch die Maßregel, daß je zwei und zwei zuſammenwohnten, ich mit Collega Hubinger. So begann alſo das monotone, abſpannende und koſtſpielige Leben in der Quarantäneanſtalt, doppelt un- angenehm, wenn man bei ſonſt ganz geſundem Leibe dieſe unfreiwilligen, unverſchuldeten und unnöthigen Sanitäts- exerzitien durchmachen muß. Doch ſtille – wozu Ver- nunftgründe in der Türkei? - Unſere Tagesordnung war eine ſehr einfache. Um 8 Uhr Frühſtück, 12 Uhr Collation, Abends 6 Uhr Diner; die Speiſen, welche eine halbe Stunde getragen werden mußten, kamen natürlich etwas kalt an. Die reich- liche Muße benützten wir – ſo weit es die Hitze geſtat- tete – zur Ordnung unſerer Papiere, Rechnungen, Ta- gebücher, Effekten. – Im Übrigen iſt die perſönliche Frei- heit in einer ſolchen Quarantainanſtalt ſo ziemlich be- ſchränkt. Man darf auf keine Terraſſe hinaus, kann kein Fenſter öffnen, vermag eine allenfalſige Konverſation nur zwiſchen Gittern zu führen, kaum, daß einem die ſchmale Uferſtrecke, die von den Mauern der Anſtalt begränzt wird, zum Spazieren in der freien Luft gegönnt wird. 364 So lange derlei Vorſichtsmaßregeln gegründet und durch die traurige Wucht der Verhältniſſe geboten ſind, wird ſich jeder Vernünftige gerne der unumgänglichen Noth- wendigkeit fügen. Wenn aber äußere Umſtände eine derlei mißliebige Zwangsanſtalt nicht erheiſchen, und es allge- mein bekannt iſt, daß die hieſige Quarantäne nur wegen etlichen 40 Perſonen noch beſteht, die davon leben, ſo muß doch ſelbſt das ruhigſte Gemüth darüber aufgebracht werden. Zum Glücke ſind wir vielleicht die letzten Opfer, die hier Sanitäts-Exerzitien zu beſtehen haben, da man tagtäglich die Aufhebung der Quarantäne (für die von Paläſtina hieher kommenden Reiſenden) von Konſtanti- nopel erwartet. Leider aber geht für uns mit dieſem Zeit- verluſte auch Kairo und die Beſichtigung der egyptiſchen Pyramiden verloren, weil unſer Aufenthalt nach dem Ab- gang des Lloyddampfers ſich richten muß. Wäre ich ein Poet oder Humoriſtiker, ſo möchte ich Dir von dem Qua- rantäneleben ein reizendes Bild entwerfen, in welchem Spatzen, Geier, Ratten, große Käfer (vulgo Schwaben), Ameiſen 2c. 2c. die idylliſcheſte Staffage abgeben würden. Einmal ſchreckte mich mein Zimmercollega mit einem Schrei des Entſetzens aus dem Schlafe auf; auch ich hörte ein ſonderbares Geräuſch in dem Zimmer, das weder Schloß noch Riegel hatte. Ich machte Licht, und ſah nichts. Bald darauf dasſelbe Geräuſch. Nun entdeck- ten wir ein Vogelneſt im Zimmer. Ich machte mit dem Pfeifenrohr auf den ungebetenen Gaſt Jagd, bis er – pfiffig wie die Spatzen ſind – den einzigen Ausweg in's Freie durch das zerbrochene Gitter fand. Die Monotonie unſerer Sanitäts-Exerzitien wurde etliche Male auf unerwartete Weiſe unterbrochen, und durch allerlei Nachrichten – freudige und traurige – Z65 belebt. So z. B. wurde ich (Du kannſt dir denken, wie der einäugige Araber meinen kerndeutſchen Namen ver- drehte) an einem Vormittage zum Sprechgitter gerufen, weil ein Herr nach mir verlange. Ich ſtaunte über die afrikaniſche Berühmtheit meines Namens, und ging hinab zu dem vergitterten Sprechhof. Außerhalb desſelben ſtan- den zwei Männer, ein beturbanter und einer in fränki- ſcher Kleidung. Natürlich ſprach ich letzteren und zwar franzöſiſch an. Da lächelte der Mann mit dem Turban, und ſagte: „Kennen Sie mich nicht mehr?“ – Ich maß ihn vom Kopf bis zum Fuße und verſetzte: „Sie können nur Dr. Knoblecher ſein, aber das iſt nicht möglich.“ – „Der bin ich“, war die Antwort. Ich glaubte die Schrank- bäume niederreiſſen zu müſſen, ſo groß war meine Freude über dieſes unerwartete Zuſammentreffen mit dem hoch- und liebenswürdigen Provikar von Centralafrika. Er hatte auf dem öſterreichiſchen Conſulate, wohin wir un- ſere Päſſe geſchickt hatten, von unſerer Ankunft gehört, und war gekommen uns zu begrüßen. Er löſte mir das Räthſel ſeines Hierſeins, indem er mir mittheilte, daß er der von Wien aus nach Centralafrika abgegangenen Ex- pedition, in welcher ſich fünf Prieſter, (darunter ein Prie- ſter aus der Diöceſe St. Pölten Ignaz Kohl) befinden, ent- gegen gereiſt ſei, um ſie zu empfangen und von hier durch die Wüſte nach Chartum zu begleiten. Er war in 32 for- cirten Tagereiſen hieher gekommen, um die Beſchwerden der Rückreiſe mit ſeinen neuangelangten Genoſſen zu theilen. Richtig erſchien ſpäter Miſſionär Ignaz Kohl, den ich ob ſeines imponirenden Bartes nicht mehr er- kannte, und zwei St. Pöltner Diöceſanen begrüßten ſich in einem fremden Welttheile! - 366 Auch der öſterreichiſche Generalconſul Ritter von Huber erwies uns mit einigen ſeiner Herrn Beamten die Ehre eines Beſuches, und wir converſirten mit ihnen zwiſchen Pfählen in einem für diſtinguirte Perſonen ab- geſonderten Verſchlage. Durch dieſe Herren erhielten wir die erſte erfreuliche Nachricht, daß Se. Majeſtät der Kaiſer Franz Joſeph ſich an ſeinem Geburtstage (dem Tage unſerer Ankunft in Jeruſalem) mit der bairiſchen Prinzeſſin Eliſabeth, Tochter des Herzogs Max aus Baiern, von dem ich Dir im XVIII. Pilgerbriefe ſchrieb, verlobt habe. – Durch Vermittlung derſelben freundli- chen Herren erhielten wir einen Pack Wienerzeitung, in welcher ich den erſten Hirtenbrief des neuen Erzbiſchofs von Wien Ritter von Rauſcher las, und einen Pack Augsburger Allgemeine Zeitung, die ich mit Intereſſe verſchlang, weil wir ſo lange von Europa nichts gehört hatten. – Zum Glück las ich die Nummern zuerſt, und erſchrack nicht wenig, als ich in einer Beilage eine Nach- richt für unſern Reiſecollega Honorat Caſella bemerkte, durch welche er wegen plötzlicher ſchwerer Erkrankung ſeiner Frau eiligſt nach Augsburg citirt wurde. Ich zeigte ihm nach einigen ſchonenden ihn vorbereitenden Einlei- tungsworten das Blatt, das er ohnmächtig fallen ließ. Wir kamen ihm zu Hilfe und ſuchten ihn aufzurichten und zu tröſten; aber der ſeit langer Zeit her in ſich ver- ſunkene Pilgercollega wurde ſeitdem nie mehr heiter. Merkwürdig iſt bei dieſem Unglücksfalle der Umſtand, daß die Citirung Caſella's von demſelben Tage datirt, an welchem ihn zu Jaffa jene unbegreifliche Melancholie befiel, die ihn veranlaßte das Caſſiergeſchäft niederzule- gen. Er betete viel, und fügte ſich mit Reſignation in die Unmöglichkeit die Heimreiſe zu beſchleunigen, denn erſtens Z67 waren wir in der Quarantäne, zweitens ging kein Schiff nach Europa. . Auch einen Sonntag mußten wir in unſerem un- freiwilligen Gefängniß zubringen, und zwar den Schutz- engelſonntag (4. September). Wir richteten einen Noth- altar mit einem Jeruſalemer-Crucifix und zwei Leuchtern her, und feierten in unſerem Zimmer eine einfache aber ſehr erbauende Privatandacht. Wir erſuchten die beiden mit uns eingeſchloſſenen Franziskanerpatres uns eine Sonntagsandacht zu halten, da ſie dem hieſigen Konvente angehörten. Unſer öſterreichiſcher Landsmann P. Peter machte den Vorbeter, und der andere Pater Iſidor, ita- lieniſcher Abſtammung, improviſirte eine gute und paſ- ſende Anrede, in welcher er an die Wohlthaten Gottes er- innerte, die uns auf dieſer Pilgerreiſe in der Ordnung der Natur und Gnade zu Theil geworden waren. Zum Schluße beteten wir insgeſammt für die kranke Frau unſeres Pilgerfreundes aus Augsburg Herrn Honorate Santo Caſella. Die ganze Einwohnerſchaft der Quaran- täne war bei der Andacht zugegen. Collega Hubinger war ſo glücklich 5 Briefe aus Wien zu empfangen, aus welchen ich entnehmen konnte, daß unſere Pilgerreiſe allgemeine Sympathie in der lie- ben Heimat erregte, und daß meine Pilgerbriefe fleißig geleſen werden. Ihr habt leicht lachen, Ihr bekamt ſchon ſo viele Briefe von mir, und ich – der ich ſicher darauf rechnete in Alexandrien mehrere Briefe meiner Freunde vorzufinden und mich ſchon ſo kindiſch darauf freute, – erhielt leider keinen einzigen. Ich kann nicht leugnen, daß mir dieß insbeſondere von Dir, mein Lieber, wehe that. Heute endlich am 5. September ſchlug unſere Be- freiungsſtunde aus der Quarantäne. Der Doctor kam, Z68 ſah uns Alle an, und erklärte uns für frei und rein, was man »Pratica“ nennt. Deo gratias! Es grüßt Dich Dein etwas unwirſcher Freund c. * - - z», Auſenthalt in Alexandrien. Hochgenuß einer Wagenfahrt. – Hôtel d’Orient. – Wohlthuender Luxus nach ſo vielen Entbehrungen. – Gutes Milwaſſer. – Das alte und neue Alexandrien. – Die Treibhaus-Civiliſation Mehemed Ali's. – Chriſtenthum und Barbarei nebeneinander. – Conflict zwiſchen Orient und Occident. – Charakteriſtik des Abbas Paſcha. – Kontraſt zwiſchen einſt und jetzt. – Das Feſt Mariä Geburt. – Feierlicher Got- tesdienſt für die Mitglieder des Marienvereines für Centralafrika. – Die neuen Miſſionsmitglieder. – Die Verdienſte Dr. Knoblecher's. – Der Häuptling Moga. – Das Wüſtendorf Ramla. – Ein Eſelritt. – Beſuch auf der öſterreichiſchen Fregatte Bellona. – Die erſte franzöſi- ſche Pilgerkarawane. – Mahmudiecanal. – Nilbäder. – Die Miſ. ſionsbarken Knoblecher's. – Das romantiſche Schloß des Said Paſcha. – Palaſt Mehemed Ali's. – Das egyptiſche Militär. – Sclaven- markt. – Kirchliches Leben. – Die Levantinerinen. – Volksfeſte. – Nilausſchlag. – Photographie. – Warum nicht nach Cairo? – Be- vorſtehende Trennung der Pilgerfreunde. Alexandrien, 9. September. Lieber Freund! - Wie der Vogel ſich ſeiner Freiheit erfreut, ſo wir, als man uns aus dem Käfig der Quarantäneanſtalt ent- ließ. Der öſterreichiſche Generalconſul hatte uns einen Kawaß geſchickt, daß wir beim Zollamte ſchneller fertig wurden, und überdieß ſeinen eigenen Wagen zur Dispo- ſition geſtellt. Auch der Lohnbediente wartete mit einem Z69 eleganten Omnibus vor der Pforte des ominöſen Ge- bäudes, um uns und die ausgeliehenen Effecten in Em- pfang zu nehmen und in das noble Hôtel d'Orient zu begleiten. Ach, war das eine Wohlthat und ein Hochge- nuß, wieder einmal in einem Wagen zu fahren! Wir durchkreuzten mehrere von geſchäftigen Leuten und Equi- pagen belebte Straßen, es war mir als befänden wir uns in einer großen europäiſchen Handelsſtadt, ſo nett und ſolid waren die Häuſer gebaut. Endlich kamen wir auf einen großen von prächtigen Paläſten umſchloſſenen Platz, auf welchem ſich unſer Hotel befand. Es iſt eines der nobelſten in Alexandrien und mit allem europäiſchen Comfort ausgeſtattet. Eigenthümer desſelben iſt ein Wür- temberger Namens Zech, ſeine Frau und Schwägerin ſtammen aus den Rheinlanden. Hotelsdirektor iſt ein gefälliger Franzoſe. Du kannſt Dir denken, wie ſehr wir uns nach ſo vielen Entbehrungen hier gütlich thaten. Wir bezogen ein jeder ein herrlich möblirtes Zimmer im erſten Stock mit der Ausſicht auf den Platz, und ließen uns die famoſe Koſt ausnehmend ſchmecken. Um 8 Uhr Morgens war täglich Frühſtück, beſtehend aus Kaffee, Milch und But- ter; um 12 Uhr Collation, Abends 6 Uhr Diner. An der Table d'hôte nahmen in der Regel etliche 10–20 Per- ſonen Theil, meiſt noble Engländer und Franzoſen oder Conſulatsbeamte; beſonders ſchenkte uns ſehr oft der Kanzler beim öſterreichiſchen Conſulate v. Schäffer ſeine liebenswürdige Geſellſchaft. Eine Hauptwohlthat war das gute Trinkwaſſer, das im Überfluſſe vorhanden war. Es wurde täglich friſch aus dem Nilfluße geholt, und in irdene poröſe Krüge gegoſſen, welche die gute Eigenſchaft haben, daß ſie das Schlammwaſſer von ſelbſt filtriren Kerſchbaumer's Pilgerbriefe. 24 370 und es köſtlich kühl und trinkbar erhalten. In dieſem Hotel wohnten wir fünf volle Tage; jeder Tag koſtete 12 Franken, wobei der Wein nicht eingeſchloſſen war. Die Bedienung im Hotel ließ nichts zu wünſchen übrig. Ich will Dir nun in Kürze etwas über die Merk- würdigkeiten und Eigenthümlichkeiten Alexandriens erzäh- len; doch darfſt Du Dir nicht zu viel erwarten, denn das alte Alexandrien iſt verſchwunden und das neue iſt erſt im Entſtehen. Von dem alten ſteht nur noch die angeb- liche Säule des Pompejus; ſie iſt rund gemeiſelt aus Granit, und ſteht iſolirt außerhalb der jetzigen Stadt; dann der 60“ hohe Obelisk der Cleopatra am Meeresſtrande, der voll ſinniger Hieroglyphen iſt, und neben dem ein zweiter im Sande liegt. Die jetzige Civiliſation Alexandiens iſt ein Treib- hauswerk Mehemed Alis und Ibrahim Paſchas, welche dieſe Stadt aus einem armſeligen Dorfe ſo ſchnellem- porzauberten, daß ſie jetzt über 104000 Seelen zählt, worunter 15000 Franken ſich befinden. Die Bedeutung Alexandriens, welches den Handel mit dem Inneren Afri- kas vermittelt, und den Hauptſtapelplatz für den Verkehr mit Oſtindien bildet, ſteigert ſich mit jedem Jahre. Vieles aber liegt noch im halben Urzuſtande, und unmittelbar neben den Reſultaten der Civiliſation und des Chriſten- thums glotzen Dich die traurigen Erſcheinungen der Bar- barei und des Heidenthumes an. Es iſt ein Chaos von Eindrücken, das Du in Deine Seele aufnimmſt. Im öffentlichen Leben herrſcht ſtete Bewegung, überall hörſt Du ſchreien, hämmern und klopfen. Ein Gemiſch von Leuten aus allen Nationen ſchwebt Dir immer vor 371 Augen: Araber und Kopten, Türken und Armenier, Grie- chen und Italiener, Abyſſinier und Neger. Und welch ein Babylon von Sprachen und Trachten! Hier ſind der Occident und der Orient buchſtäblich miteinander im Conflicte. Langbärtige und bartloſe Geſtalten, weiße und ſchwarze, olivenfarbige, hell- und dunkelbraune Geſichter kommen Dir auf jedem Tritte entgegen, dazu Trachten aller Art, Seide und Lumpen, Pracht und Elend. Gleich außer den eleganten Bauten des Frankenviertels liegen die dürftigen arabiſchen Wohnhütten, ein wahres Durch- einander und Übereinander von Schutt und Staub, Zie- geln und Steinen, Kehricht und Federn, Menſchenkoth und Aeſern, ſo daß in jener Umgebung die Naſe nur noch zum Hohn und Skandal auf der Welt zu ſein ſcheint. Gleich neben dem kniehohen Wüſtenſtaub blühen aber ganze Gruppen baumhoher Cactus- und Oleanderſtauden und prangt die ſtattliche Palme mit ihren zu tauſend und tauſend herabhängenden Früchten (Datteln). Es war ein Rieſenwerk, welches Mehemed Ali unternommen hatte, ein Werk, das in einem ſolchen Lande und bei einem ſolchen Volke nur mittelſt Tiranei ausführbar war. Man muß das Genie dieſes Herrſchers, der mit ärmlichen Mitteln ſo große Dinge ſchuf und der Nachwelt hinterließ, bewundern, wenn man es auch zugleich bedauern muß, daß er Hunderttauſende des Vol- kes ſeinem Ehrgeize opferte. – Wie unähnlich iſt ihm hierin ſein Enkel Abbas Paſcha, der gegenwärtige Vice- könig von Egypten! Dieſer kümmert ſich wenig um Ge- ſchäfte und Politik, meidet Alexandrien ſo viel er kann, und zieht ſich in ſeine Wüſtenpaläſte zurück, die er mit großem Aufwand erbaute. Dort befriedigt er ſeine ſelt- ſamen Launen, indem er Pferde und Hunde, deren er 400 24* 372 von allen Sorten beſitzt, abrichtet, diamantenbehangene Tauben in hell erleuchteten Spiegelſälen herumflattern läßt, und andere tolle Streiche treibt. Weniger kümmert er ſich um ſeine etlichen Hundert Frauen, denn er hat den Becher der Sinnlichkeit bis zur Neige geleert nnd huldigt nur noch unnatürlichen Laſtern. Dabei ſaugt er das arme Volk aus, um das Geld in den Kiſten aufzu- häufen, denn er fröhnt dem ſchmutzigſten Geize. Iſt es da zu wundern, wenn er ſelbſt nicht Herr im eigenen Lande iſt, und der Einfluß der fremden Mächte ſich mit jedem Tage ſteigert? Ich verſuchte öfter mich im Geiſte in das graue Alterthum zurückzuverſetzen, aber es wollte mir nie recht gelingen. Wahrſcheinlich iſt der Kontraſt zwiſchen einſt und jetzt zu grell für einen ruhigen Parallelismus. Hier war es ja, wo Alexander der Große von Macedonien den Grundſtein zu jener großen Hafenſtadt legte, in welcher ſpäter der Handel der Welt ſich conzentrirte; hier lebte und ſtarb die ränke- und liebedürſtende Königin Cleopa- tra; hier blühte die erſte aller chriſtlichen Gelehrten- ſchulen; hier predigten und ſchrieben ein Clemens, Atha- naſius, Origenes, Ciryllus; von hier ging die erſte große Glaubensſpaltung durch den abtrünnigen Prieſter Arius aus; kurz hier wuchs in den erſten chriſtlichen Jahrhun- derten der Same des Evangeliums blühend empor mitten unter dem aufwuchernden Unkraut. – Und was iſt aus Alexandrien geworden? was überhaupt aus der Kirche Afrikas, die einen Auguſtinus unter ihren Biſchöfen zählte? Furchtbar ſind die Gerichte des Herrn, wenn ſie über Völker und Länder ergehen, die vom Glauben gewi- chen ſind. Wie groß waren einſt die Segnungen des Kreu- 373 zes, und wie ungeheuer iſt der Fluch des Halbmondes, der an deſſen Stelle prangt! Solche und ähnliche Gedanken beſchäftigten mich beſonders beim feierlichen Gottesdienſte am Feſttage Mariä Geburt, welchen der hochwürdige Herr Provicar von Centralafrika Dr. Knoblecher in der hieſigen Fran- ziskanerkirche für alle Mitglieder des Marienvereines, (der, wie Du weißt, dieſes Feſt als Gründungstag feiert) hielt. Drei der neuen Miſſionäre (P. Goßner und Alois Haller aus Tirol, und P. Kohl aus Öſterreich) aſſiſtir- ten, der Lehrer Hanſal aus Wien ſpielte die Orgel, die anderen Mitglieder der Miſſion wohnten dem Hochamte bei, und die Franziskaner ſangen den Choral. Die kirch- lichen Paramente trugen das k. k. öſterreichiſche Wappen. – Um wie viel größer und dringender erſchien mir die Aufgabe dieſer für das Reich Gottes ſich opfernden Miſ- ſionäre hier an der Schwelle des heißen Afrika, wo man ſo viele Unglückliche ſieht, die, wie die heil. Schrift ſagt, noch im Finſtern und im Schatten des Todes ſich befin- den. All die ſchwarzen Nubier und die kupferfarbenen Abyſſinier, die hier zumeiſt mit dem Schandmal der Skla- verei bedeckt herumwandeln, – alle ſollen mit uns theil- haftig werden der Verheißungen Chriſti!– Und was ſoll ich erſt vom weiblichen Geſchlechte ſagen? Doch, laß' mich lieber ſchweigen davon. Einigermaßen tröſtete mich das ſchöne Hochaltarbild in der Franziskanerkirche, wel- ches durch die fromme Huld Sr. Majeſtät des Kaiſers Ferdinand hieher gekommen iſt, und die heilige Schutzpa- tronin von Alexandrien darſtellt, nämlich die h. Katha- rina. Welch' himmelhoher Unterſchied zwiſchen dieſer heldenmüthigen Jungfrau und einem türkiſchen Weibe der Gegenwart! Gewiß, nur das Chriſtenthum gibt dem Z74 Weibe ſeine gebührende Stellung in der Familie, und nur Familien, deren Seele eine frommgläubige Gattin und Mutter iſt, verbürgen das Gedeihen und Beſtehen der Staaten. So ſteht es mit Lapidarbuchſtaben geſchrie- ben im Buche der Weltgeſchichte. Doch wohin komme ich? Ich wollte Dir ja nur ein einfaches Gemälde von Alexandrien geben, und Du mußt ſo viele meiner Gedankenſkizzen mit in den Kauf nehmen. Du ſiehſt, lieber Freund, wie ich auf Deine Güte ſündige. Dafür kann ich aber Dir und mir zum Troſte ſagen, daß dieß einer der letzten Pilgerbriefe ſein wird. Dr. Knoblecher wohnt im hieſigen Franziskaner- kloſter, das eine ſchöne Lage mitten in einem Garten und eine hübſche Kirche beſitzt. Ich beſuchte den ebenſo gelehr- ten als frommen Miſſionär noch öfter während unſeres Aufenthaltes in Alexandrien, immer hatte ich Genuß und Gewinn dabei. Ich bewunderte ihn oft, daß er bei ſeinen vielen Geſchäften doch ſtets eine von Heiterkeit und fro- her Zuverſicht ſtrahlende Miene hatte, und für die vielen Beſuche einen freien Augenblick fand. Die vornehmſten Leute von Alexandrien kamen ihm ihre Achtung zu bezeu- gen, vorzüglich aber hingen die neuen Mitglieder der Miſſion, Prieſter und Laien (13 an der Zahl) mit kind- licher Ehrfurcht an ihrem Meiſter. Knoblecher ſelbſt be- zeugte eine große Freude über die großartige Unterſtüt- zung der Miſſion in Centralafrika von Seite des öſter- reichiſchen Marienvereines. Eines Tages machte er mich mit dem Häuptling Moga bekannt, einem Berineger, den Knoblecher aus Sudan mitgenommen hatte, und deſſen Sprache außer ihm Niemand in Alexandrien verſtand. Dieſer Moga war Z75 ein origineller Kauz. Er war 25 Jahre alt, faſt ſechs Schuh hoch, mager, ſehr ſchwarz, hatte vorſtehende weiße Zähne, ein geſchornes Haupt bis auf einen kleinen ſtrup- pigen Schopf am Wirbel, an welchem mehrere ſchwarze Straußfedern als Kopfzierde befeſtiget waren. Bart hatte er keinen. Seine Kleidung beſtand aus einer weißen Hoſe, einem rothen Kittel bis auf die Waden, und einer ſchwar- zen Lederbinde. Hals, Hände und Füſſe hatte er mit ver- ſchiedenfärbigen Glasperlen, eiſernen und meſſingenen Ringen bedeckt, woran er große Freude zu haben ſchien. In ſeiner Haltung und Bewegung lag etwas Nobles, auch blieb er nicht gerne im Zimmer, ſondern liebte das Freie. Stets trug er einen kleinen aus Holz geſchnitzten Schemel mit ſich, worauf er ſich, wohin er immer kam, ungenirt niederſetzte. – Als er mich ſah, reichte er mir die Hand, und grüßte freundlich mit den Worten: „dóto" d. h. du biſt gut; auch fragte er Knoblecher im lebhaften Accente, ob ich mit ihm reiſen würde? Als dieſer ihm ſagte, daß ich übers Meer zurückreiſe, ließ er mich erſu- chen: alle guten Freunde Knoblechers daſelbſt zu grüßen. Dann wendete er ſich zu den Miſſionären Kohl und Alois Haller und lehrte ſie zählen. – In Alexandrien, wo es doch viele Neger gibt, machte Moga's Erſcheinen Aufſe- hen. Einmal ließ er ſich in eine Brantweinſchenke ver- locken; gerade noch zur rechten Zeit bemerkte ihn Abunu Suliman (ſo nennt er Dr. Knoblecher), der ihn heraus- holte, und den Verführern mit würdevollem Ernſte ihr Benehmen verwies. Ein andermal ſuchte der öſterreichi- ſche Generalconſul den apoſtoliſchen Provicar in der Kirche; allein Moga, der beſſer wußte, wo ſein Mentor zu finden ſei, lief dem Conſul in die Kirche nach, klopfte ihn mit ſeinem Stäbchen, das er ſtets mit ſich trägt, auf 376 >. die Schulter, und machte ihm durch Zeichen und Laute verſtändlich, daß derjenige hier nicht ſei, den er ſuche. – Wenn es Dr. Knoblecher gelingt, dieſen intelligenten und gutmüthigen Häuptling glücklich in ſeine Heimat zurück- zubringen, ſo kann er dort viel Gutes ſtiften, obgleich er noch kein Chriſt iſt; ſollte ihm aber auf der Reiſe etwas geſchehen, ſo würden die Landsleute ſagen: Die Weißen haben ihn gefreſſen! __ _ - Eines Tages machten wir in Geſellſchaft des öſter- reichiſchen Generalconſuls einen Ritt zu Eſel nach dem Wüſtendorfe Ramla, das erſt ſeit wenigen Jahren exi- ſtirt und wohin beſonders an Sonntagen ganz Alexand- rien wie Wien in den Prater ſtrömt. Das Dorf liegt am Eingang der Wüſte und hat eine ſehr geſunde Lage, wes- halb die reichen Alexandriner ſich elegante Landhäuſer da- ſelbſt erbaut haben. Man kann ſich da eine kleine Vorſtel- lung von der Wüſte machen; Alles iſt öde und ſtill, kein Baum und kein Strauch, nicht die geringſte Unterbre- chung in der gelblichen Fläche, auf der ein feiner ſtaubar- tiger Sand liegt, vom Wind zu kleinen Wellen gekräuſelt. Von einem Pfade iſt keine Rede. Das Wüſtendorf bildet eine Art Oaſe. In einem aus Palmen gezimmerten Jä- gerhauſe – einem Maltheſer gehörig – nahmen wir eine romantiſche Jauſe ein, welche uns der Generalcon- ſul kredenzte. Wir unterhielten uns prächtig, wozu nicht wenig die Geſellſchaft der Herrn Offiziere der k. k. Fre- gatte Bellona (Kapitän Ritter v. Pöltl, Schiffslieutenant Graf Bombelles und noch ein Offizier eines Infanterie- regimentes) beitrug. – Es war ſchon ſpät als wir wie- der unſere Eſel, die Fiaker Alexandrien's, beſtiegen, die uns im ſchellenden Galopp in einer Stunde zur Stadt zurückbrachten. Die Treiber der Eſel ſangen und ſchrien 377 in allen Sprachen und ſchlugen erbarmungslos auf die armen Thiere zu, die ohnehin ihr Möglichſtes leiſteten, und in der Finſterniß ſtolpernd die Reiter kopfüber in den weichen Sand betteten, worauf jedesmal ein lautes Ge- lächter erſcholl. Um 10 Uhr Nachts kamen wir zu dem verſchloſſenen Stadtthor, das dem Conſul und ſeiner Be- gleitung ohne Anſtand geöffnet wurde. Tags darauf machten wir – der freundlichen Ein- ladung der Herrn Offiziere folgend – einen Beſuch auf der öſterreichiſchen Fregatte Bellona, die erſt vor Kur- zem in den Hafen eingelaufen war. Der liebenswürdige Graf Bombelles und der Schiffskaplan, ein Trieſtiner, führten uns in allen Lokalitäten des Schiffes herum; mich intereſſirte. Alles, weil mir Alles neu war. Das Schiff hat 50 Kanonen, und 370 Soldaten an Bord; es iſt in 4 Etagen abgetheilt, in welchen ſich das zur Kriegs- führung Nöthige in größter Ordnung und Nettigkeit vor- findet. Die Soldaten ſchlafen in Hängematten. Der Sa- lon des Kapitän iſt elegant eingerichtet. Alle Sonntage wird auf dem Schiffe Gottesdienſt gehalten, – ich möchte aber doch kein Schiffskaplan ſein. – Man erzählte uns, daß vor etlichen Tagen Dr. Knoblecher mit dem Neger- häuptling Moga die Fregatte beſuchte, deren Kapitän ihn mit auszeichnenden Ehren empfing. Moga bewunderte Alles, was er auf dem Schiffe ſah, und nahm als Zeichen ſeiner größten Anerkennung etwas Waſſer auf die hohle Hand, und ſpritzte es dem Kapitän in's Geſicht. Nur vor den Kanonen fürchtete er ſich. – Als wir von der Fre- gatte in die Stadt zurückkehrten, fuhren wir an dem fran- zöſiſchen Dampfer „Alexander“ vorüber, an deſſen Bord 378 ſich 40 franzöſiſche Pilger befanden, die auf der Reiſe von Marſeille nach Jaffa waren. Ihrer ſind wohl mehr als uns, aber wir Öſterreicher ſind dießmal den Franzo- ſen in Arrangirung einer Pilgerkarawane doch zuvorge- kommen. Wir kommen von Jeruſalem, und Ihr geht erſt dahin! Übrigens Glück auf zur Reiſe! Auch dem Nil ſtatteten wir einen Beſuch ab. Wir fuhren nämlich in einem eleganten Wagen zu dem von Mehemed Ali angelegten Mahmudiecanal, der mit idylli- ſchen Landhäuſern und prachtvollen Gärten geſchmückt iſt. Bei dieſer Gelegenheit ſahen wir auch die zwei Miſſions- barken des P. Knoblecher, die eben mit den neuen Kiſten belaſtet wurden; auf der langen ſchiefſtehenden Segel- ſtange kletterten die Araber wie Katzen herum, vorne wehte die öſterreichiſche Flagge; P. Jeran aus Laibach, einer der neuen Miſſionäre, ſtudierte in der kleinen Kajüte arabiſch. – In dieſem Canale nahm ich mit Caſella faſt täglich ein erquickendes Nilbad; das Waſſer hatte faſt kei- nen Lauf, war tief, kühl, ſchlammig und gelblich. Der Kanal wimmelte in der Regel von Schiffen und Leuten, beſonders von waſchenden Weibern, die nichts als ein um die Mitte gegürtetes blaues Hemd aus Kattun trugen, das bis auf die Ferſen reichte; vor dem Geſichte hatten ſie einen langen, ſchwarzen, ſpitzzulaufenden Beutel, der auf häßliche Weiſe das Geſicht von der Naſe an bedeckte und bis über die Bruſt herabreichte – Häßlicheres kann man ſich kaum vorſtellen. – Gelegentlich jener Spazier- fahrt am Canal beſuchten wir den Garten des Said Paſcha, der wahrhaft paradieſiſch ſchön iſt. Man zeigte uns darin einen verſteckten Palaſt, der nach Außen unan- ſehnlich, im Inneren aber deſto prunkvoller iſt, und der ſein. Entſtehen einem Romane Dumas (Monte Chriſto) 379 verdanken ſoll. Die Welt iſt ein Narrenhaus, und ein Narr macht zehne. – Noch prächtiger und luxuriöſer iſt der Palaſt Mehemed Ali's am Hafenplatze. In den gro- ßen herrlich tapezierten und parketirten Salons befanden ſich großartige Glascandelaber, Spiegel, Einrichtungs- ſtücke aus Mahagonyholz, ſchwere Seidenvorhänge u. dgl. Die meiſten dieſer Artikel kamen fertig aus Europa und koſteten fabelhafte Summen. Jetzt ſteht der Palaſt leer. Der uns herumführende Gardeoffizier erlaubte uns aus dem geſchmackvoll angelegten Garten einige Blumen als Andenken mitzunehmen, aber den angränzenden – wie- wohl leerſtehenden Harem durften wir nicht ſehen. – Das egyptiſche Militär – was ich gleich hier erwähnen will – ſieht erbärmlich aus vom Offizier bis zum Trom- melſchläger. Wie kann es aber auch anders ſein, wenn ſich die Stabsoffiziere aus Lieblingsſclaven des Paſcha recru- tiren? So welkt der Soldatengeiſt des einſt ſo berühmten egyptiſchen Heeres wie eine Treibhauspflanze dahin. Den traurigſten Eindruck aber hinterließ mir der Sclavenmarkt, auf welchen uns der Dragoman führte. Seit neuerer Zeit werden die Sclaven nicht mehr auf offenen Plätzen, ſondern in den Häuſern und Vorhallen ver- kauft. Als wir dahin kamen, forderten gleich beim Ein- tritte die rohen Wächter Bakſchiſch. Wir traten in einen kerkerähnlichen Hofraum, in welchem ſich ringsum kleine Zellen wie Stallungen befanden. Auf dem Erdboden kauerten etliche Negerinen und Negerkinder; letztere waren faſt nackt, die Erſteren nur mit einem blauen Kittel und Überwurfe bekleidet. Doch waren ſie nicht traurig, ſon- dern lachten, und einige davon waren ſogar ſo frech Bak- ſchiſch zu begehren. Wir hielten uns nicht lange auf, denn es wimmelte vom Ungeziefer. – Ich ſah noch einen zwei- 380 ten Sclavenmarkt in der Vorhalle des Bazars, der mir etwas reputirlicher vorkam; etliche 30 Nubierinen und Abyſſinierinen ſaßen knapp aneinander mit gekreuzten Füſſen, und waren reinlich angezogen, wahrſcheinlich um Käufer anzuziehen. Kann es für ein weibliches Weſen ein traurigeres Loos geben? Doch wenden wir uns davon ab, um noch einige Worte über das kirchliche Leben in Alexandrien zu ſpre- chen. In Alexandrien iſt ein katholiſcher Biſchof, nämlich P. Perpetuus Quasko aus dem Franziskanerorden. Er wohnt im Franziskanerkloſter und trägt auch als Biſchof das ſchlichteOrdenskleid. Wir beſuchten ihn, und fanden in ihm eine ebenſo liebe als ehrwürdige Perſönlichkeit. Unter ihm hat das kirchliche Leben in Egypten ſehr gewonnen, wie dieß die vielen neu errichteten kirchlichen Anſtalten be- weiſen. So haben z. B. die chriſtlichen Schulbrüder ein Haus errichtet, das ſie muſterhaft leiten; die franzöſiſchen Lazariſten beſorgen ein Penſionat für Knaben und ha- ben ſich eine herrliche Kirche gebaut; ihnen gegenüber wohnen die barmherzigen Schweſtern, welche eine öffentliche Schule unterhalten, und eine Kinderbewahran- ſtalt leiten, in der wir weiße und ſchwarze Kleine ſahen. Eine der Kloſterfrauen – aus Zweibrücken gebürtig – freute ſich mit uns deutſch reden zu können. Collega Hu- binger las einmal in der Kapelle der frommen Frauen die h. Meſſe. – Im Spitale der barmherzigen Schweſtern ſprachen wir einen Öſterreicher und einen erſt vor Kurzem getauften Juden. Es war Alles ſehr nett und reinlich, wie man es in weiblichen Klöſtern allenthalben trifft, hier aber doppelt ſchätzenswerth. – Ich celebrirte gewöhn- 381 lich in der Franziskanerkirche, wo es immer Andächtige und faſt täglich Communikanten gab. Die Levantinerinen lieben den Luxus beim Kirchgange, manche tragen einen großen ſchwarzſeidenen Schleier wie die Kloſterfrauen. Auf die ſchmutzige und grauſame Mumerei der orientali- ſchen Frauen that der Luxus der europäiſchen Damen ordentlich wohl. – Die griechiſchen Schismatiker und Anglikaner bauen ſich eben mit großem Aufwande eine neue Kirche, deren Inneres ich jedoch nicht zu Geſicht bekam. - - Von Volksfeſten ſah ich eine Hochzeit, die Abends gefeiert wurde, wobei die verſchleierte Braut auf einem Eſel mit Muſik und Geſchrei durch die Stadt geführt wurde; dann ein Begräbniß, bei welchem Klageweiber jammernd und heulend dem offenen Sarge folgten; end- lich eine Beſchneidungsfeierlichkeit, nach welcher eine lu- ſtige Prozeſſion mit Trommeln und Pfeifen ſtattfand. – Die Sittenloſigkeit ſoll in Alexandrien groß ſein. Ich ſah ſelbſt lockere Weibsperſonen, die mir im Vorübergehen zuwinkten, obwohl ich hier fremd war. Im Oriente unter- liegen ſo viele Opfer der Sinnlichkeit, und doch iſt die reine und makelloſe Jungfrau dem Orient entſproſſen! Das tröſtet und gibt Hoffnung für eine beſſere Zukunft! - So verſchwanden die Tage unſeres Aufenthaltes in Alexandrien. Die Hitze war ſo groß – einmal 40° R.– daß ich den ſogenannten Nilausſchlag bekam, der in einer Entzündung der Haut beſteht und eine perpetuirliche Em- pfindung von feinen Nadelſtichen hervorbringt. Dr. Knob- lecher hat ihn faſt immer, er ſoll ein Zeichen der Geſund- heit ſein. Da lobe ich mir das europäiſche Klima, wo wir 382 auch ohne ſolch läſtige Beigabe geſund ſein können.– Col- lega Hubinger ließ ſich mit ſeinem ehrwürdigen Pilgerbart photographiren, was ich gerne auch gethan hätte, weil ich beſorge, daß man mir in der Heimat meinen ſtattlichen Pilgerbart abſtreiten wird; aber – da unſer langer und nobler Aufenthalt in Alexandrien ohnehin ſo viel Geld koſtete, ſo mußte ich an's Sparen denken. So eben trifft die telegraphiſche Nachricht ein, daß die oſtindiſche Überlandspoſt ſich Alexandrien nähere, wo- von der Termin unſerer Abreiſe nach Europa abhing. Wir werden alſo morgen mit dem öſterreichiſchen Lloyd- dampfer „Calcutta", der bereits im Hafen liegt, an die Geſtade des lieben öſterreichiſchen Vaterlandes zurückkeh- ren, – Wenn Du, lieber Freund, mich vielleicht verwun- dert fragſt, warum ich nicht nach Kairo und zu den Pira- myden gekommen bin, da ich doch auch nach überſtandener Quarantäne noch fünf Tage in Alexandrien blieb, ſo ant- worte ich Dir kurz, daß dieſes ohne meine Schuld ge- ſchah. Wir erwarteten täglich die Ankunft der oſtindiſchen Valiſe, die gerade diesmal länger als ſonſt ausblieb, zu unſerem nicht geringen Ärger, wie Du Dir leicht denken kannſt. Unſer bisheriges Reiſeglück hatte uns hier buch- ſtäblich (wie die Wiener zu ſagen pflegen) ſitzen laſſen. Sehnſüchtiger hat diesmal gewiß Niemand auf die oſtin- diſche Überlandspoſt gewartet, als die kleine Geſellſchaft der Pilgerfreunde in Alexandrien. – Nun ſchlägt aber auch die Stunde der Trennung für uns Pilger. Der hochw. Herr Hubinger begibt ſich über Malta nach Rom; Herr Mayr und Herr Caſella reiſen von Trieſt aus nach Bayern, und da unſer Dichterkollega Mari- nelli in Jeruſalem zurückgeblieben iſt, ſo kommt eigent- lich meine Wenigkeit allein und zuerſt in die Heimat zu- Z83 rück. Bleiben mir dort einige Augenblicke der Ruhe, ſo verſpreche ich Dir, lieber Freund, noch ein Schlußwort zu den Pilgerbriefen. Und nun lebe wohl. Auf freudiges baldiges Wiederſehen in Europa! Dein c. – TFFEFDSED- XXIV. Von Alexandrien über Trieſt nach Wien. Ankunft der oſtindiſchen Ueberlandspoſt. – Abſchied vom Orient. – Miſſionär Kohl. – Der öſterreichiſche Lloyddampfer Calcutta. – 110 Stunden zwiſchen Waſſer und Himmel. – Ein geſelliger Engländer. – Die Küſte Griechenlands. – Claſſiſche Erinnerungen und ſchnöde Ge- genwart. – Ein Seeſturm. – Rettung von drei Menſchenleben. – Ein wohlthätiger Act Caſella's. – Erneuerter Sturm. – Troſt im Pil- gerkreuze. – Gute Vorſätze. – Seit dem Sturm hört die Seekrankheit auf. – Corfu. – Dalmatiniſche Küſte – Trieſt. – Kirche S. Anto- nio. – Mayr nach Tirol. – Der traurige Caſella nach Augsburg. – Glückliche Ankunft in Wien. – Te Deum bei den Kapuzinern. – Schickſal des Pilgerbartes. – Freundlicher Willkomm. – Cardinal Viale Prela. – Bedürfniß nach Ruhe. – Zweck der Pilgerbriefe. Wien, 19. September. Lieber Freund! - Mit der Ankunft der oſtindiſchen Überlandspoſt be- gann in Alexandrien ein friſch bewegtes Leben. Der große Platz füllte ſich mit Leuten, Laſtthieren, Koffern u. ſ. w. Die Mehrzahl der angekommenen Paſſagiere beſtand aus Engländern in den originellſten Anzügen, die man ſich denken kann. Der franzöſiſche, engliſche und öſterreichiſche 384 Dampfer heizten ihre Keſſel, denn alle drei Nationen wetteifern miteinander, wer das Felleiſen aus Oſtindien früher nach Europa bringt. Wir lösten unſere Billeten beim Agenten des öſterreichiſchen Lloyd nach Trieſt; ich bezahlte auf dem zweiten Platz 11 Guineen d. i. 120 fl. C. M. Mittags – am 10. September – ſpeisten wir Pilgerfreunde noch im Hotel mitſammen, und feierten den Abſchied vom fremden Welttheile mit Champagner. Wenn man ſo viele Freuden und Leiden, Strapatzen und Entbeh- rungen durch ſo lange Zeit miteinander getheilt hat, ſo ſchlingt ſich ein inniges Band der Freundſchaft um die Herzen der Gleichgeſinnten: man kann einander nicht mehr vergeſſen. Insbeſondere war Collega Hubinger Allen lieb und theuer geworden, und wir gaben ihm die beſten Segenswünſche zu ſeiner vorhabenden Reiſe nach Rom mit. – Auch mein Condiöceſan Miſſionär Kohl beſuchte mich nochmal im Hotel, um von mir Abſchied zu nehmen. Er weinte, war aber voll Ergebung und Muth, was mich wahrhaft erbaute, denn Niemand hätte dieß frü- her von Kohl erwartet. So ruft Gott ſeine Organe! Nur Einmal, meinte er, möchte er noch Europa ſehen! Am 10. September um 3 Uhr Nachmittags fuhren wir (Mayr, Caſella und ich) an Bord des Lloyddampfers „Calcutta“, und Hubinger an Bord des franzöſiſchen „Alexander“. – Auf Wiederſehen in der Heimat! riefen wir uns über die Wogen zu. – Der Dampfer Calcutta iſt einer der größten und ſchnellſten der Trieſter Lloyd- Geſellſchaft, mit 400 Pferdekraft; er legt in einer Stunde 13 Seemeilen zurück, das Verdeck iſt geräumig, die Cajüte elegant. – Ich freute mich auf die letzte Seereiſe. – Um 4 Uhr wurde eine Kanone gelöst, und wir fuhren aus 385 dem Hafen. Ich warf noch einen Blick zurück auf die Stadt und auf den Welttheil, den ich ſo eben verlaſſen, wahrſcheinlich auf immer. Die Welt der Palmen, der Rui- nen, der Wüſten, der Kameele, der Kalkſteinfelſen, – die Stadt mit ihren weißen würfelförmigen Häuſern, weit- läufigen Feſtungswerken, und unzähligen, achtflügeligen Windmühlen,–der alte und neue Hafen mit ſeinen unüber- ſehbar vielen Kriegs- und Handelsſchiffen, Dampfern und Segelböten verſchwanden allmählig aus meinem Geſichts- kreiſe. Orient lebe wohl! Es war eine wildſchöne Fahrt, doppelt intereſſant in der Erinnerung. Wir fuhren – mit Ausnahme von drei Aufenthaltsſtunden in Corfu –ununterbrochen 110 Stun- den hindurch. Anfangs waren Wind und Witterung gün- ſtig, und mit rapider Schnelligkeit ſchlugen die Räder in die ſchäumenden Wogen. Mir war nicht ganz wohl, ohne daß jedoch die Seekrankheit ausbrach. – Auf dem zweiten Platze befanden ſich außer mir nur zwei Paſſagiere, ſo daß wir ungenirter als die Paſſagiere des erſten Platzes waren; der eine davon war ein aus Oſtindien zurückrei- ſender Engländer, ein gründlicher Kunſtkenner und lieber Geſellſchafter; er ſuchte mich immer auf, um mit mir fran- zöſiſch radezubrechen. - Mit Stolz durchſchnitt der Kiel des eilenden Dampfers die Breite des mittelländiſchen Meeres – nichts als Himmel und Waſſer. Erſt am dritten Tage dämmerte uns das Weſtende der langgezogenen und ſteil- aufſteigenden Inſel Creta entgegen, und mit freudiger Wonne begrüßte ich die europäiſche Küſte Griechenlands, an welche ſich ſo viele claſſiſche Erinnerungen knüpfen. Dieſes muthige Volk der Griechen vernichtete die Heeres- maſſen eines Kerxes, ſandte Colonien nach Byzanz, Aſien Kerſchbaumer's Pilgerbriefe, 25 Z86 und Afrika, ſchuf Künſte und Wiſſenſchaften, und erhob ſie theilweiſe bis zu einer noch nicht übertroffenen Höhe. Wer denkt nicht mit einer gewiſſen Ehrfurcht an Miltia- des, Leonidas, Epaminondas, Alcibiades, Perikles, Plato, Ariſtoteles, Socrates, Phidias? Die Phantaſie ſchweifte abſichtlich in die Vergangenheit zurück, um das in der Ge- genwart ſo herabgekommene Land durch die Erinnerung zu heben und zu bevölkern. Die Ufer des Peloponnes und die Küſten Lacedämoniens traten nach und nach in ſchwärz- lichen Gruppen hervor, ohne anderen Reiz als den Na- men, den ihnen die Geſchichte verleiht. Der Schatten der Nacht, der ſie verhüllte, kam mir wie ein Leichentuch des griechiſchen Volkes vor. - Am 12. September – es war der dritte Tag un- ſerer Seefahrt – umzog ſich der Himmel mit dunklem Gewölke und die Matroſen weiſſagten eine unruhige See. Das Gefühl einer unheimlichen Vorahnung erfüllte die Bruſt. Doch eilte das Schiff noch immer raſch und luſtig dahin, und eine günſtige Briſe blähte die Segel. Erſt um die Mittagsſtunde ward die Sonne verdüſtert, und der in das Meer tauchende Horizont hüllte ſich in nächtliches Dunkel. Ich hatte mir öfter einen kleinen Seeſturm ge- wünſcht, nun war ein großer im Anzug. Die Wogen des Meeres fingen an ſich zu kräuſeln und zu erheben, und in das Brauſen derſelben mengte ſich polternd der rollende Donner. Blitze durchzuckten die finſteren Wolken und er- hellten mit unheimlichem Lichte den zur Nacht gewordenen Mittag. Plötzlich ſchlug der Wind um, und eine eiskalte Bora ſtürmte uns entgegen. In flinker Eile vollzogen die Matroſen die Befehle, welche der umſichtige Schiffskapi- tän am Verdecke ertheilte. Alles eilte in die Kajüte. 387 Großartig jedoch, wie das Schauſpiel war, ver- mochte ich nicht mich ſo ſchnell davon zu trennen, und es iſt merkwürdig, daß ich bei den damaligen furchtbaren Schwankungen des Schiffes nicht nur nicht der Seekrank- heit erlag, ſondern vielmehr ſeit jener Kriſis nie mehr daran zu leiden hatte. Die Erhabenheit dieſer impoſanten Naturerſcheinung, die Poeſie des Seeſturmes und die unendliche Majeſtät Gottes, die aus den zürnenden Wol- ken ſprach, verliehen mir jene moraliſche Kraft, welche die phyſiſche Schwäche überwucherte. Ruhig lag ich in meinen Mantel gehüllt am Vorderdeck, und ſchaute mit banger Gier in die tobenden Elemente hinaus. Bald hoben ſich die Wellen zu Hügeln und Bergen, bald wieder höhlten ſie tiefe Thäler aus, ſo daß die Räder des Schiffes auf der einen Seite ſich in den Lüften ſchwangen, während ſie auf der anderen ſich in den Wellen begruben. Ein unheim- liches Beben und Toſen durchbrauste die Luft. Krachend ſchlugen die Wellen an die Balken des Schiffes, ſtürzten ſich über dasſelbe, und ſpritzten ziſchend hinauf bis zum feuerſprühenden Schornſtein. Das war ein Zürnen und Schäumen, als ob der Tag des letzten Gerichtes heran- nahte. Fürchte Gott! ſo ſchien mir jede Welle zu ſprechen, die ſich unheildrohend heranwälzte: fürchte Gott! Erſt als das Gewitter ſich im ſtrömenden Regen und eiskal- ten Hagel entlud, flüchtete ich in die Kajüte, und berei- tete mich im Bette zum Sterben vor. Der Sturm hielt etliche Stunden an, ſo daß es gegen Abend wieder möglich war auf dem Verdeck zu er- ſcheinen. Die ſchwärzlichen Wellen ſchlugen noch im dumpfen Grolle übereinander. Wir befanden uns in einer breiten Meerenge zwiſchen dem griechiſchen Feſt- lande bei Modon und der Inſel Sapienza. Da entdeckte 25 * 388 das Falkenauge eines Matroſen eine geſcheiterte Barke, auf welcher ſich Menſchen befanden. Sogleich ließ der Ka- pitän, als er ſich mit dem Fernrohr davon überzeugt hatte, den Dampfer darauf losſteuern. Alsbald erblickten wir die dem Unterſinken nahe Barke, die mit ihren zwei Ma- ſten nur einige Schuhe noch über dem Waſſer ſich hielt. Drei Männer klammerten krampfhaft an den ſchwachen Enden des Schiffes, über welche unbarmherzig die ſchäu- menden Wogen ſchlugen. Das Dampfboot ſtand ſtille und einige Matroſen ruderten muthig den Verunglückten zu, und brachten ſie glücklich an Bord unſeres Schiffes. Kälte und Todesangſt lag auf ihren bleichen Geſichtern, und wehmüthig blickten ſie auf das Wrack zurück, mit dem vielleicht all ihr Hab und Gut in die Wellen verſank. Es waren Mainoten, darunter Vater und Sohn. Der Kapitän ließ ſie mit friſcher Wäſche verſehen, die Matroſen be- eilten ſich ihnen Mäntel und Jacke zu leihen, und der Koch theilte mit, was er hatte. Auch die Schiffspaſſagiere blieben an Wohlthätigkeit nicht zurück, ſondern brachten in Schnelligkeit 150 Zwanziger zuſammen, die der Ka- pitän den Armen einhändigte. Das Verdienſt dieſer Sammlung gebührt Caſella. Bei der nächſten Ortſchaft wurden die Verunglückten an's Land gebracht. Wie wunderbar ſind doch die Wege der göttlichen Vorſehung! Wären wir eine Stunde ſpäter in die Nähe der Verunglückten gekommen, ſo wäre ihre Rettung un- möglich geweſen, theils weil die Nacht bereits hereinbrach, theils weil mit dem Dunkel der Nacht der Sturm in doppelter Wuth ſich erneuerte und bis gegen Morgen anhielt. Lieber Freund! Meine Feder iſt zu ſchwach Dir zu ſchildern, was in jener furchtbaren Nacht meine Seele bewegte. Der Gedanke, hier in den kalten Fluthen ein tie- 389 fes Grab zu finden, war mir ſchrecklich. Nie ſtand das „Memento mori“ lebendiger und grauenhafter vor mei- nen Augen, als damals. Es waren wohl nur Stunden – aber ich glaube, ich bin in jenen Stunden innerlich um Dezennien älter geworden. Mein einziger Troſt war die bisher glücklich überſtandene Pilgerreiſe und jenes ſilberne Kruzifix, das ich während der ganzen Reiſe auf der Bruſt trug und das am heiligen Grabe geweiht worden war. Auf der Kehrſeite dieſes Kruzifixes waren die Worte geprägt: „Er geleite Sie." Und dem Him- mel ſei Dank! Er, der mich und meine Gefährten glück- lich geleitete durch alle Gefahren des Klima, der Ver- hältniſſe und der Menſchen, Er, der Gütige und All- barmherzige, verließ mich auch diesmal nicht. Wenn ich die guten Vorſätze, die ich dazumal machte, alle erfülle, dann muß ich ein Heiliger werden. So hat alles Schlimme auf der Welt ſein Gutes, und Gott zeigt ſeine Liebe, in- dem er zürnet. Wie der Menſch endlich Alles gewöhnt, ſo gewöhnte ich auch das Heulen des Sturmes ſowie das Schwan- ken des Schiffes, und ſchlief faſt die ganze Nacht. Des andern Morgens ſtand ich mit geſegnetem Appetit auf, und Eſſen und Trinken ſchmeckte um ſo mehr, weil ich bisher faſt nichts genoßen hatte, und die Freude über die überſtandene Gefahr die Speiſen würzte. Wir fuhren an dem durch die Seeſchlacht im Jahre 1827 berühmten Navarin vorüber – an Zante und Preveſa, hielten aber nirgends an als in Corfu, wo unſer Schiff Kohlen einnahm. Leider durften wir nicht an's Land gehen, ſondern ſahen nur vom Hafen aus die 390 von den Engländern errichteten impoſanten Feſtungswerke, die hübſch gelegenen Landhäuſer, und die vielen Gärten und Weinpflanzungen, die ſie ſchmücken. Das Meer war hier ſpiegelglatt. – Nach dreiſtündigem Aufenthalt fuh- ren wir weiter, und näherten uns den felſigen Küſten Alba- niens und Dalmatiens. Endlich am frühen Morgen des 16. September bogen wir um die Ecke von Pirano, und erblickten die nebelumflorte Stadt Trieſt, das Ziel unſe- rer Seereiſe. O wie glücklich fühlte ich mich beim Anblick des lieben Vaterlandes, des heimathlichen Öſterreich! wie lachte mich das langentbehrte Grün auf dem landhaus- geſchmückten Hügel an, der Trieſt umfängt! Kaum konnte ich die Stunde erwarten, wo wir an's Land ſtiegen. Der Quarantänarzt ließ uns alle pro forma vorüber defiliren, und die Zollbeamten durchſuchten ſcho- nend das Gepäck, nachdem wir den türkiſchen Tabak, wel- chen wir mitführten zu Protokoll gegeben hatten. – Mein erſter Gang war in die Kirche des h. Antonius, wo ich ein kurzes aber inniges Dankgebet verrichtete. Dann eilte ich in ein Caféhaus, und ſchlürfte mit See- lenwonne zwei Portionen europäiſchen Café. Auf der Poſt fand ich einen Brief von Dir an mich! Nun folgte eine weitere Trennung der Pilger- freunde. Mayr, der über Venedig nach Tirol reiste, blieb einige Tage in Trieſt zurück, und verabſchiedete ſich von Caſella und mir, die wir Nachmittags mitſammen über Opſchina nach Laibach, und von dort auf der Eiſenbahn gegen Wien fuhren. In Bruck an der Mur ſtieg Ca- ſella ab, um über Salzburg nach Augsburg zu reiſen. Als ich von ihm Abſchied nahm, ſagte ich zu dem Niedergeſchlagenen: „Seien Sie gefaßt.“ Er mochte viel- 391 leicht ahnen, was ich ſagend verſchwieg, denn er weinte; (ich wußte nämlich von Collega Mayr, der in Trieſt tele- graphiſche Nachrichten eingezogen hatte, daß Caſella's Frau am 16. Auguſt geſtorben ſei). Wir baten uns noch gegenſeitig um Vergebung – ich verzieh und verzeihe ihm alle Kränkungen, die ich durch ihn erlitten: Nun war ich der einzige Pilger, der mit Dampfes- ſchnelligkeit zuerſt in die liebe Heimat zurückkehrte. Über den Semmering, den ich in der Nacht paſſirte, empfand ich die Kälte um ſo empfindlicher, als ich erſt vor acht Tagen noch die ſengenden Strahlen der afrikaniſchen Sonne fühlte. Meine Freude Dir zu ſchildern, als ich wieder den Stephansthurm ſah, iſt nicht möglich, ſie war unbe- ſchreiblich. Am 17. September Morgens traf ich halber- froren in Wien ein. So überglücklich ich geſtimmt war, ſo fühlte ich mich doch durch den urplötzlichen Wechſel nicht ſo ganz heimiſch, wozu wohl auch meine Pilgerkleidung und der Pilgerbart beitrug. Ich kam mir wie ein Halbwilder unter Civiliſirten vor. Niemand erkannte mich, Niemand hatte eine Ahnung, daß ich ſchon vom heiligen Lande zurück ſein könnte. Mein erſter Gang war in die Kapuzi- nerkirche, wo ich zum letzten Mal vor dem Antritt der Pilgerreiſe gebetet hatte. Mein Herz war ſo voll des Dankes gegen Gott, daß es nur im heiligen Opfer, wo die Liebe ihren vollendetſten Ausdruck findet, Befriedi- gung erlangen konnte. Da ich mir aber, wie geſagt, ſelber ſo fremd vorkam, ſo empfing ich nach verrichteter Andacht die heil. Communion. Das war ein großer Troſt, eine wahre Erquickung! Mein Te Deum laudamus für die ſo überaus glücklich beſtandene Pilgerreiſe war innig und feurig. 392 Nachdem ich europäiſch logirt war, war meine erſte Sorge mich meines orientaliſchen Bartes zu entle- digen – trotz der ungläubigen Miene des Haarkünſtlers. Dann erſt ſuchte ich meine Freunde auf, bei denen ich ein ebenſo herzliches als ehrendes Willkommen fand. Ueber meine „Pilgerbriefe" hörte ich ſo manches Wort, das mich freute. Des Erzählens bei Einheimiſchen und Fremden, die den noch ſo jung ausſehenden Pilger ken- nen lernen wollten (es tagte gerade die Generalverſamm- lung der katholiſchen Vereine Deutſchlands zu Wien) war kein Ende, ſo daß ich mehr als je das Bedürfniß nach Ruhe fühlte. – Se. Eminenz der Cardinal Nuntius Viale Prela that mir die Auszeichnung an mich zum Speiſen zu laden, bei welcher Gelegenheit ich die Ehre hatte mit dem neu ernannten Fürſtbiſchof von Graz Graf Attems, Abbè Mislin, Dr. Feßler, Dr. Knopp aus Trier, Dr. Reichl aus München, und anderer Notabili- täten zuſammenzutreffen. - Doch nun laß mich ſchließen, denn nach einer ſo anſtrengenden Reiſe iſt Ruhe ein Bedürfniß. Gewiß, ich nehme Niemanden die fromme Neugierde übel, aber glaube es mir, mein Lieber, das ewige Wiederholen des ſo oft ſchon Geſagten wird nach und nach läſtig, die hei- ligen Eindrücke werden zu alltäglichen Reproductionen. Darum iſt es mir lieb, daß auf Deine Veranſtaltung meine „Pilgerbriefe“, in die ich mein ganzes Herz hinein- gelegt habe, Viele zu leſen bekommen. Dafür dankt Dir mit treuer Seele Dein 2c. 393 XXV. Schluß und Rückblick. Glücklicher Erfolg der Pilgerreiſe. – Eine Reiſe nach Jeruſalem iſt jetzt nicht ſo ſchwer zu machen. – Hoffnung, daß die Anzahl der Pilger ſich mehren werde. – Magnetiſche Anziehungskraft des heil. Landes. – Die franzöſiſche Pilgerkarawane. – Aufmunterung zu einer deut- ſchen reſp. öſterreichiſchen Pilgergeſellſchaft. – Junge Theologen ſoll- ten nach dem Orient reiſen. – Die Beſchwerden werden bald vergeſ ſen, der Schatz heiliger Erinnerungen bleibt. – Dank. – Ehrenvoller Empfang des Pilgers im heimathlichen Gebirge. – Das himmliſche Jeruſalem. St. Pölten, 30. September 1853. Lieber Freund! Meinem gegebenen Worte getreu erhältſt Du hier- mit ein kurzes Schlußwort zu den Pilgerbriefen. Wenn ich im Rückblicke auf die vollendete Pilger- reiſe all die Gefahren erwäge, denen wir entgangen, und all die Entbehrungen und Strapazen, die wir ertragen haben, ſo kommt es mir faſt wunderbar vor, daß unſer Unternehmen mit ſo überaus glücklichem Erfolge gekrö- net war. Keiner aus uns wurde krank, obwohl wir in der unpaſſendſten Jahreszeit die Reiſe in den Orient an- getreten hatten. – Du wunderteſt Dich, mein Lieber, wie ſo viele Andere über die Schnelligkeit, mit welcher wir von unſerem Reiſeziele zurückgekommen ſind? Eine Reiſe nach Jeruſalem iſt aber gegenwärtig durch die vie- len Kommunikationsmittel ſo ſehr erleichtert, daß man (bei genauer Berechnung der Abfahrtstage) in vierzehn Tagen das heil. Land erreichen kann, wohin man früher monate- ja jahrelang brauchte. Es ſteht daher auch zu erwarten, daß bei dem neuen und friſchen Erwachen des 26 394 katholiſchen Glaubens ſich die Sehnſucht nach dem heiligeu Lande, und mit ihr die Anzahl der Pilger nach demſelben vermehren werde. Iſt ja Paläſtina das Land, um welches ſich die Geſchichte des Himmelreichs wie um ihren Angel- punkt bewegt; Jeruſalem,– die heil. Stadt, die Gott vor allen Städten der Erde ausgezeichnet hat, in der und um welche herum der Gottmenſch jene Thaten vollbracht hat, welche die Grundlage unſeres ganzen Glaubens und un- ſerer ganzen Hoffnung bilden. Von Kindheit an erklingt der Name Jeſu ſo ſüß und wunderbar lieblich, ſo ehr- furchtgebietend Jeruſalem, ſo kindlich heimlich Bethlehem. Auch das chriſtliche Kirchenjahr führt uns alljährlich im Geiſte an jene heil. Orte, in welchen der Fluch von dem Menſchengeſchlechte genommen, der Himmel wieder geöff- net und das Schickſal der Menſchheit für die Ewigkeit entſchieden wurde. – Bereits hat ſich in Frankreich eine Geſellſchaft gebildet, welche eigene Meſſageriefahrten für Pilger nach dem heil. Lande unternimmt, und dieſelben zu halben Preiſen dahin befördert. Wir begegneten der erſten dieſer Pilgerkarawanen, die von Marſeille aus- ging, in Alexandrien. Ob ſich nicht auch in Deutſch- land und Öſterreich ähnliche Pilgergeſellſchaf- ten bilden könnten? Ein deutſcher Pilger iſt in Jeru- ſalem noch immer eine Seltenheit, und doch hat er die freundlichſte Aufnahme zu gewärtigen. Iſt es nicht ſon- derbar, daß mehr deutſche Proteſtanten nach Jeruſalem pilgern, als deutſche Katholiken?! Wäre die Reiſe in das heil. Land nicht beſonders jungen Theologen zu empfeh- len, welche dazu die ausreichenden Mittel beſitzen? Wer nicht zu viele Ausflüge und auf des Lebens Luxus nicht zu entſchiedene Anſprüche macht, kann die Reiſe ins heil. Land und zurück leicht mit 500 bis 600 Gulden C. M. 395 unternehmen. Nur möchte ich noch den Rath hinzufügen, daß man auf dieſer anſtrengenden und mit vielen Entbeh- rungen verbundenen Reiſe ſich lieber etwas mehr gütlich thue, als daß man in übel verſtandener Bußſtrenge oder Einſchränkung ſeine Geſundheit untergräbt und ſein Leben verkürzet. Schwierig bleibt die Reiſe immerhin; aber was ſchadet einem Pilger ein vorübergehendes Leiden? Ent- weder – oder. Der Schatz von heiligen Erinnerungen, den man ſich ſammelt, überwiegt doch alle Beſchwerden, die etwa damit verbunden waren. Und nun, mein Lieber, danke ich Dir für die freund- liche Theilnahme, mit der Du mich auf meiner Pilger- reiſe begleitet, und für all die frommen Gedanken und Uebungen, die Du für die Pilgerfreunde Gott aufgeopfert haſt. „Das Gebet hat einen langen Arm“, pflegte der ſel. Erzbiſchof von Köln, Droſte Viſchering, zu ſagen; ja, ich fühlte es, denn es reichte über Berge und Meere. Möge das fromme Andenken, das ich an allen heil. Orten Dir ſchenkte als ein Beweis meiner Dankbarkeit gelten. Was ich Dir in meinen Pilgerbriefen ſchrieb, kam jederzeit aus der Fülle des Herzens, und wenn mir das Schreiben der- ſelben bei der Hitze und Ermüdung manchmal beſchwerlich fiel, ſo belebte mich ſtets der Gedanke, daß ich dieſes Opfer Dir, lieber Freund, ſchuldig ſei, ſo wie allen denen, die in treuer Anhänglichkeit und Liebe Dir gleichen und mit frommem Gebete das Deinige unterſtützten. – Be- vor ich jedoch ſchließe, muß ich Dir noch eine Freude mittheilen, die mir wie ein Schlußpunkt zu meiner Pil- gerreiſe vorkommt. Bevor ich hieher kam, um meinen Berufspflichten wie zuvor mich zu weihen, beſuchte ich noch auf einige Tage meine Gebirgsfreunde. Du weißt, wie gerne ich unter ihnen weile. Eines Tages nun, – es 26* 396 war ein Sonntag, war ich in der Schloßkapelle zu G. geladen, das heil. Meßopfer darzubringen. Als ich zur Kapelle trat – welch freudige Ueberraſchung bot ſich meinen Augen dar! Der Eingang zur Kapelle war mit friſchem Grün umſchlungen, ober der Thüre befand ſich ein Kranz von Eichenlaub mit der Inſchrift: „Heil dem Pilger aus Jeruſalem.“ Mir ſtanden die Thränen im Auge über die unverdiente Aufmerkſamkeit der from- men Herrin des freundlichen Schloſſes. Auch der Altar war mit Blumen geſchmückt, und die ganze Kapelle in einen Garten verwandelt. Wenn ich Dir, lieber Freund, dieß mittheile, ſo geſchieht es, weil ich weiß, daß Du mich verſtehſt. Wahrlich nicht eitel machte mich dieſe Eh- renbezeugung, wohl aber nachdenkend, denn vieles – das könnte ich Dir ſchwören – liegt hinter mir. Ich fühle die doppelte Verantwortlichkeit, die gegenwärtig auf mir liegt, weil es heißt: „wem viel gegeben wurde, von dem wird auch viel gefordert,“ und es durchzucken mich nun die Worte wie feurige Flammen, welche mir eine freundliche Hand beim Beginne der Pilgerreiſe ſchrieb: „Gott mit Ihnen zur Reiſe ins heil. Land, zur Reiſe aber auch in die ewige Heimath, zu der Ihre Seele jetzt einen Schritt weiter thut.“ - A Lieber Freund! Entſchuldige meine Weitläufigkeit, ſo wie all die Mängel, welche meinen oft in Eile geſchrie- benen Briefen ankleben. Sollteſt Du über Einiges nähe- ren Aufſchluß haben wollen, ſo weißt Du mich ja zu finden. Mit warmer Liebe Dein alter Freund Dr. Anton Kerſchbaumer, Profeſſor zu St. Pölten. Anmerkungen. " Wu Seite 9. 1.) Die erſte Anregung zum Zuſtandekommen der durch ſo lange Zeit unterbliebenen Pilgerkarawanen ging von dem wackeren Tiroler Joſeph Leonard Mayr aus, der ſchon im März 1853 eine öffentliche Einladung zu der von ihm projectirten Pilgerreiſe er- gehen ließ. Die Karawane kam zu Stande und zählte allerdings nur fünf Perſonen. Dieß ändert aber nichts an der Thatſache, daß ſie die erſte war. Wir traten unſere Pilgerreiſe ein Vierteljahr früher an als die erſte franzöſiſche Karawane, und anderthalb Jahre vor der erſten vom Severinusvereine in Wien organiſirten deutſchen Kara- wane. Dieß zur Steuer der Wahrheit. Ehre dem Ehre gebührt. Vergl. übrigens Note 70. Zu Seite 15. 2.) Die Pilgerbriefe erſchienen, wie ich ſie während der Reiſe ſchrieb, im „öſterreichiſchen Volksfreund" des Jahres 1853, wo- von ein Separatabdruck ſpäter in den Buchhandel kam. Die vorliegen- den Pilgerbriefe ſind, wie das Titelblatt beſagt, eine ganz neue Be- arbeitung der erſten Auflage. Was ſich ſeit jener Zeit darauf bezüglich geändert hat, iſt in dieſe Anmerkungen zu den Pilgerbriefen aufge- nommen worden. - Zu Seite 42. 3.) Von Baroneſſe Bertha habe ich nach meiner Rückkehr aus dem heiligen Lande mehrere Briefe erhalten. Einige Stellen dar- aus mögen hier Platz finden: . . . . "Wie oft habe ich Ihrer und Ihrer liebenswürdigen Reiſegefährten gedacht . . . Im Geiſte folgte ich Ihnen auf Ihrer gefahrvollen Pilgerreiſe, im höchſten Grade mir zür- nend, daß ich nicht damals bereits Sie gebeten habe aus Jeruſalem ſchon eine Kunde über ſich zu geben. Die beunruhigenden Nachrichten von dort her in den öffentlichen Blättern machten mich recht oft be- ſorgt um Sie; um ſo freudiger überraſchte mich Ihre frühe Heim- kehr . . . . Seitdem habe ich dennoch den erſehnten Frieden nicht ge- funden, den Ihr frommes Herz für mich erflehte . . . . Je mehr die Freuden der Welt mir nichtig und gehaltlos erſcheinen, um ſo lieber wird mir die Einſamkeit, der ich unverholen meinen Schmerz anver- trauen kann, und aus deren ſtillen Tiefen gar oft eine Zauberwelt Vor mir aufſteigt, in die ich freudig erregt mich flüchte, enthoben der kalten rauhen Wirklichkeit . . . Ich fühle mich oft recht unglücklich - . . . Glauben Sie nur nicht, mein gütiger Freund, daß Ihre Worte auf gänzlich unfruchtbaren Boden fielen . . . . Sorgfältig habe ich das liebe Andenken aufgehoben . . . . . “ – Seit etlichen Jahren jedoch iſt unſere Correſpondenz leider! abgebrochen. - - - - - - 1 Zu Zeite 82. 4.) Der Halbmond iſt das alte Wappen von Byzanz, das jetzige Symbol der Mohamedaner. Als einſt Philipp von Macedonien im nächtlichen Dunkel das alte Byzanz überrumpeln wollte, da brach der Mond plötzlich hervor, und verrieth den Plan der Feinde. Seit- dem verehrte man Diana unter der Geſtalt des Halbmondes als Schutz- göttin. Kaiſer Conſtantin nahm dieſes Sinnbild gleichfalls an, und von ihm ging es auf die Mohamedaner über. So erklärt ſich auch bei ruſſiſchen Kirchen das Kreuz auf dem Mond. (Vergl. Marinelli Pil- gerfahrt S. 203). Bu Seite 89. 5.) Der ſymboliſche Sphärentanz der Derwiſche zeigt die Allgegenwart Gottes an, und die vorſchreitende Bewegung den Lebens- gang des Menſchen, der mit unaufhaltſamer Geſchwindigkeit weiter eilt, bis er plötzlich durch die Hand des Todes gehemmt wird. Die Ausſtreckung des rechten Armes mit der flachen Hand nach oben be- deutet die Bitte um himmliſche Wohlthaten, die des linken Armes mit der flachen Hand nach unten, hat den Sinn, daß ſie dieſe Güter Anderen überlaſſen. (Marinelli Pilgerfahrt S. 219). Zu Seite 112. 6.) Die Stadt Bruſſa in Kleinaſien wurde durch das große Erdbeben im Frühjahr 1855 faſt gänzlich zerſtört, und der berühmte Emir Abdel Kader begab ſich von dort nach Damaskus, wo er noch gegenwärtig wohnt. Seinen Edelmuth bewies er gelegentlich der Chriſtenmetzelei zu Damaskus im Jahre 1860, wo er vielen in ſein Haus flüchtenden Chriſten ein ſicheres Aſyl gewährte. Im Jahre 1862 hat er eine Wallfahrt nach Mecca unternommen. Zu Zeite 182. 7.) Der alte Emir Haidar, der uns in ſeinem Palaſte ſo freundlich bewirthete, iſt ſeitdem geſtorben. Zu Seite 193. 8.) Ueber die kleinen Miſſionäre von Zahleh, welche der opfermuthige und ſeeleneifrige P. Riccadonna ins Leben rief, berichtet dieſer ſelbſt unter Anderm Folgendes: Am Sonntage, zwei Stunden vor Sonnenaufgang, wurde in der Kirche die heilige Meſſe geleſen. Alle Miſſionäre wohnten derſelben bei und empfingen gewöhn- lich die heilige Kommunion. Nach der Meſſe ſchloß ſich Jeder, mit Proviſion verſehen, ſeiner Abtheilung an, dann ging's vorwärts nach dem gewohnten Dorfe. – Unmittelbar vor dem Eintritt in das ihr bezeichnete Dorf warf ſich die Schaar auf die Kniee und betete mit lauter Stimme ein Vater unſer und ein Gegrüßet ſeiſt du Maria, zu Ehren des h. Ignazius und des h. Franziskus 3Taverius, des Apoſtels von Indien, um für die Miſſion Erfolg zu erbitten. Nachdem dieß geſchehen war, gingen die jungen Miſſionäre zu allen Häuſern und luden die Dorfbewohner ein, ſogleich zum Katechismus zu kommen. Gewöhnlich ſtießen ſie auf kein großes Widerſtreben. Meiſtens beeilte man ſich, ihrer Einladung nachzukommen, und nach einigen Minuten war der Ort der Verſammlung mit Leuten gefüllt. Dieſer Ort war 3 die Kirche, wenn eine vorhanden war, oder ein großes Zimmer, oder noch öfter ein von einigen Bäumen beſchattetes Grundſtück. Von Zeit zu Zeit nahm man zugleich alle dieſe Orte in Anſpruch, wegen der vier verſchiedenen ſcharf getrennten Gruppen, welche man in dem Dorfe bildete. – Die bei den Männern und Frauen befolgte Methode war ganz verſchieden. Bei ihnen fing man damit an, ihnen die Erklärung des Ablaſſes von ſieben Jahren und ſieben Quadragenen zu machen, der Denjenigen bewilligt iſt, welche dem Katechismus beiwohnen. Un- mittelbar nachher entwickelte man mit der möglichſten Wärme den Lehrpunkt, der von dem Direktor bezeichnet worden war. Gewöhnlich hörte man unſeren Miſſionären beiderlei Geſchlechtes mit Begeiſterung zu. Selbſt die Pfarrer glaubten ſich nicht zu erniedrigen, wenn ſie ihnen ein aufmerkſames Ohr liehen, Viele betrachteten ſie als ihnen überlegen an Talent und Wiſſenſchaft. Man ging ſo weit, zu ſagen, daß einige unſerer Prediger mit der Sicherheit, der Autorität und der Wiſſenſchaft eines Biſchofes predigten. In Europa würde man nicht ſo begeiſtert geweſen ſein, aber der Libanon iſt ein Land voll Einfachheit und Unwiſſenheit. Sobald ein Menſch etwas Wiſſen zeigt, gilt er für ein Wunder. Dieſe allgemeine Achtung verſchaffte unſeren Miſſionären den Vortheil, viel Gutes wirken zu können. Sie wurden wie ein Ora- kel befragt. Ihre Entſcheidung wurde mit Achtung angenommen; man hörte demüthig ihr Urtheil an und ſuchte ihre Rathſchläge zu befolgen. – Etwa ein und eine halbe Stunde wurde mit dem Katechismus zu- gebracht. Man ſchloß mit einer kleinen Geſchichte, die mit dem behan- delten Gegenſtande in Verbindung ſtand. Dann ermahnte der Miſſio- när für die Geneſung und Beſſerung der Kranken zu beten. Auch wurden die hohen Feſttage, ſowie die Feſttage der Woche bekannt gemacht, und wenn irgend ein Ablaß zu gewinnen war, ſo wurde derſelbe erklärt. Die Anzeige der Feſttage beſtimmte ſie oft ſich den heiligen Sakramen- ten zu nahen. Mit einem Worte, unſere Miſſionäre legten inmitten des Volkes einen Funken nieder, der fähig war, alle Herzen zu entzünden. – Nachdem alle Erklärungen gemacht waren, gab der erſte Miſſionär das Zeichen zum Gebet. Endlich folgte der Beſuch bei den Kranken. Die armen Leidenden empfingen dieſen Beweis der Liebe wie einen Segen und verfehlten nicht, ihre Freude darüber auszuſprechen. –Nach gehaltener Miſſion geſchah der Rückweg auf ähnliche Weiſe wie der Hinweg. Man ſammelte ſich nochmals in der Kirche, um das Allerheiligſte anzubeten, und die Freude der jungen Miſſionäre war ähnlich jener Freude der Apoſtel, wenn ſie nach ihren Miſſionen zu dem Herrn zurückkehrten. So war die fromme und wohlthätige Rolle beſchaffen, welche die klei- nen Miſſionäre jeden Sonntag erfüllten. – Pater Riccadonna ver- ſichert, daß ſie die reichſte Ernte zu Folge hatte. Zu Zeite 195. 9.) In neueſter Zeit iſt eine Fahrſtraße von Beirut nach Da- maskus angelegt worden, ſo daß alſo eine Reiſe im Libanon nicht mehr ſo beſchwerlich und halsbrecheriſch ſein dürfte, wie die in dem X. Pilgerbrief geſchilderte. 1 : Zu Seite 203. 10.) Man hat ſich viel von der Civiliſation und den Reformen in der Türkei, insbeſondere von dem Hat-Humayoun, der den Chri- ſten die Freiheit bewilligte, verſprochen und gemeint, die Türken werden, nachdem ſie in die große europäiſche Familie zugelaſſen ſind, ihre Barbarei ablegen. Wie gewaltig dieſe Täuſchung war, beweiſet das grauſame Hinſchlachten der Chriſten in Syrien im Jahre 1860. Klöſter wurden geplündert, Mönche erwürgt, Acte wilder Bar- barei an Gott geweihten Jungfrauen ausgeübt, weder Weiber noch Kinder wurden verſchont. Die Stadt Zahleh im Libanon, ſo herrlich aufblühend, wurde faſt vollkommen zerſtört; die muſelmänniſchen Be- hörden in Damaskus ſahen der Chriſtenmetzelei zu, ja die türkiſchen Sol- daten – ſtatt zu beſchützen – vergrößerten die Reihen der blutdür. ſtigen Mörder. Man muß es Frankreich zum Lobe nachſagen, daß be- ſonders ſeinem ſchnellen und energiſchen Einſchreiten die Rettung der decimirten Chriſten Syriens vor dem Mordſtahl der fanatiſirten Druſen und Türken zu danken iſt. – Nicht durch künſtliche und erheu- chelte Reformen, ſondern nur durch die Wahrheit, d. i. das Chriſten- thum, wird man den Orient regeneriren. Eine Stimme vom Libanon (Hiſtor. polit. Blätt. 1860 S. 340) nennt die europäiſche Diplomatie Urheber dieſes entſetzlichen Unglückes, weil ſie die türkiſche Wirthſchaft ſeit 1840 durch bewaffnetes Einſchreiten garantirte und die Chriſten der Willkür der Türken überantwortete. - Zu Seite 221. 11.) Prof. Petermann veröffentlichte ſeine Reiſen im Orient“. (Leipzig, Veit u. Comp. 1860). Das Hauptaugenmerk richtet er darin auf die Sitten und Gebräuche der verſchiedenen Bevölkerun- gen, die er antraf, und insbeſondere auf die religiöſen Secten der Samaritaner und Druſen. Unter letzteren, behauptet er, herrſche viel phantaſtiſcher Aberglaube, was man aber von dem Kalbe ſage, das ſie anbeten ſollen 2c., ſei alles Verleumdung. Zu Seite 223. - 12.) Der Laienbruder aus Böhmen hieß im Kloſter Fra Gio- vanni, in der Welt Joſeph Zwittlinger. Er wurde ſpäter in ein Car- melitenkloſter nach Rom verſetzt. - - Zu Zeite 233. - 13.) Seit jener Zeit hat ſich Vieles zum Beſſeren gewen- det. Zu Nazareth wurde über der ſogenannten Menſa Chriſti (Abendmahltiſch) ſtatt der baufällig gewordenen Kapelle eine neue gebaut mit Kuppel und Thürmchen. Auch die Joſephikapelle da: ſelbſt iſt mit einem neuen Altar aus weißem Marmor verſehen worden. Die zwei neuen Altargemälde, den zimmernden h. Joſeph vorſtellend, ſtammen aus Wien. (Aus einem Briefe aus dem h. Lande vom 26. Juni 1862 an Dr. Sepp in München, in der Sion, Dezember- heft 1862). - Zu Zeite 235. 14.) Im Beginne des Jahres 1855 gründeten vier Frauen aus der Geſellſchaft von Nazareth, deren Mutterhaus ſich zu Lyon O befindet, zu Nazareth eine Schule und widmen ſich der Kranken- pflege, wie es die barmherzigen Schweſtern und die Schweſtern vom h. Joſeph in andern Städten thun. Dieſe Frauenorden haben über- haupt in wenigen Jahren im Oriente feſten Fuß gefaßt. Vielleicht erobert der heilige Kreuzzug von Frauen dieſe Länder ſicherer und für eine längere Dauer, als es Armeen zu thun vermögen. Ueber 100 Mädchen, auch türkiſche, griechiſche und proteſtantiſche, beſuchen die Schule. (Vgl. Mislin, die heiligen Orte. III. B. S. 445.) Zu Seite 239. 15.) Das Niveau des galiläiſchen Meeres iſt um 700 Fuß niedriger als das des mittelländiſchen Meeres, daher auch die Tempe- ratur eine ſehr hohe; Melonen reifen hier einen Monat früher als zu Damaskus. Die vulkaniſche Entſtehung dieſes Meeres unterliegt kei- nem Zweifel; die kraterartige Form des Beckens, das Vorkommen von Thermen und vulkaniſchen Felsblöcken an deſſen Einfaſſung, die häu- figen Erdbeben ſind poſitive Anzeichen nicht nur der gewaltigen Kata- ſtrophen, welche einſt an dieſer Stelle ſich ereigneten, ſondern auch von dem Fortdauern dieſer vulkaniſchen Thätigkeit. Aber welch ein auffallender Contraſt zwiſchen deſ beiden Meeren des Jordanthales! Hier im galiläiſchen das ſüße und belebende Waſſer von Geneſareth, wimmelnd von Fiſchen aller Art, dort im todten Meere das ſalzige und der Bitterkeit volle Waſſer, das nichts Lebendes in ſich ſchließt; hier ein Meer des Segens, dort ein Meer des Fluches! (Vgl. Mislin, die heiligen Orte, III. B. S. 478). Bu Seite 241. 16.) In der Generalverſammlung der katholiſchen Vereine Deutſchlands zu München (1861) wurde die Gründung eines aus- ſchließlich deutſchen Franziskanerkloſters zu Tiberias beantragt. Die Deutſchen haben eine beſondere Berechtigung zur Vertretung des deut- ſchen Elementes ſchon durch die reichlichen Gaben, die aus deutſchen Staaten dem heiligen Lande zukommen; Oeſterreich hat ſie noch ins- beſondere durch die Gründung eines eigenen Pilgerhauſes in Jeruſa- lem, wie durch die Wiederherſtellung des Generalcommiſſariates für das heilige Land. (Vgl. Hiſt. pol. Blätt. 49. B. S. 120 ff.). Durch Verwendnng des Dr. Sepp erhielt das Kirchlein zu Tiberias 7 alt- deutſche Gemälde, und wurde das Hospiz um zehn Zimmer vermehrt. (Brief aus Nazareth, an Dr. Sepp Sion 1862, Dezemberheft). Zu Seite 242. 17.) Nach der Meinung anderer Schriftſteller ſoll jene Stadt auf dem Berge nicht Bethulia ſondern Safed ſein, welches bei den Juden, die dort von jeher zahlreich waren, als eine heilige Stadt gilt. (Vgl. Mislin, die heiligen Orte. III. B. S. 496). Zu Seite 252. 18.) In Ramleh kreuzt der Pilgerpfad die Sultansſtraſſe, die von Aegypten her durch die Küſtenebene, und ſo fort durch Sama- ria am Thabor vorüber nach Geneſareth, dann über die Jakobsbrücke gegen Damaskus zieht. (Sepp, Pilgerbuch, I. Lief. S. 31.) – Engli- ſche Ingenieure inſpizirten an Ort und Stelle die Strecke von Jaffa 6 nach Ramleh und Jeruſalem zum Behufe des Baues einer Eiſenbahn vom Meere bis zur heiligen Stadt. Aber es blieb vorderhand beim Projecte. Zu Zeite 254. 19.) Nach Dr. Sepp (Pilgerbuch I. 33) wäre die Templer- kirche der vierzig Martyrer zu Ramleh eine alte Moſchee geweſen, worin die Gebeine der 40 Gefährten Muhameds ruhen ſollen, ſo daß die Chriſten die Moſchee der 40 Gefährten des Propheten auf den Na- men der 40 Martyrer umgetauft hätten. Möglich iſt dieß ebenſo, wie die Verwandlung der Johanneskirchen von Seite der Moslemin in Moſcheen. Zu Seite 256. 20.) Auch Dr. Sepp (Pilgerbuch, I. Lief., S. 46) nennt den maſſiven Tempel mit drei Schiffen und mächtigen Streben an der ſoge- nannten Jeremiasquelle (Kiriath Jearim) einen romaniſchen Bau, wie er im 11. und 12. Jahrhundert ſich entwickelte; er iſt ähnlich der Abteikirche St. Anna in Jeruſalem, übertrifft aber dieſe letztere an Um- fang und Anſehen. Der Spitzbogen kam an dieſen Bauwerken früher in Anwendung, als im Abendlande. Wie alle Kreuzrittertempel, ſo hatte auch dieſer eine dreifache Apſis. Die beiden Orden der Ciſter- zienſer (der h. Bernard ſchrieb auch dem Tempelorden die Regel vor) und Prämonſtratenſer haben während der Kreuzesherrſchaft die meiſten Kirchen in Paläſtina und Syrien gebaut. – In der Nähe von Abu- goſch (bei dem einſtigen Colonié, vgl. Sepp, Pilgerbuch S. 53) iſt auch das neuteſtamentliche Em aus zu ſuchen, das 60 Stadien (dritthalb Stunden Weges) von Jeruſalem entfernt lag. Den neueſten Nachrichten zufolge wird daſelbſt ein neues Hoſpiz ſammt Kirche auf Unkoſten einer frommen Dame aus Frankreich (Marquiſe v. Nicolay), die drei Jahre im heiligen Lande zubrachte, erbaut. Zu Seite 258. 21.) In neueſter Zeit kaufte der reiche Jude Montefiore vor dem Jaffathore Grund und Boden für ſeine Glaubensgenoſſen an, und jetzt erhebt ſich da eine ſtaatliche Synagoge. Zugleich beſteht nun eine Kaffeſchenke nächſt dem Thore. (Sepp, Pilgerbuch, S. 427). Zu Zeite 259. - 22.) Das alte Pilgerhaus in Jeruſalem, deſſen Name: casa nova (neues Haus) jetzt durch das „Neue“ Lügen geſtraft wird, iſt ein ziemlich geräumiges Gebäude; es befindet ſich in der Nähe des S. Sal- vator-Kloſters und ſteht unter der Aufſicht und Leitung der PP. Fran- ziskaner. Wir geben im Nachfolgenden die Statuten, nach welchen ſich jeder Pilger, der darin Aufnahme finden will, richten muß: §. 1. Jeder Fremde, wenn er Katholik iſt, hat ſich in ein oder zwei Tagen nach ſeiner Ankunft bei dem ſeiner Sprache kundigen Poenitentiär (Beicht- vater) zu melden, von dem er belehrende Anweiſung erhalten wird, die h. Orte mit geiſtlichem Nutzen zu beſuchen. §. 2. Die Gaſtfreundſchaft wird europäiſchen Pilgern bis zu einem Monate gewährt. Während dieſer Zeit können ſie in Betlehem und S. Johann drei Tage, im h. Grabe aber blos. Einen Tag verweilen. Der Tiſch iſt überall jener der 7 Religioſen. §. 3. Um in Bethlehem, S. Johann und h. Grabe aufge. nommen zu werden, muß ſich jeder Pilger mit einem Billet aus der Secretariats-Kanzlei des h. Landes, die ſich im Kloſter S. Salvator befindet und welche, Feſttage ausgenommen, immer von 8–11 Uhr Morgens und von 2/2–5 Uhr Nachmittags offen iſt, verſehen. §. 4. Hat jeder aufgenommene Pilger, wie es die gute Ordnung fordert, ſich allſogleich beim Conſulate ſeiner Nation zu melden, dort ſeine Papiere vorzuzeigen und von ſelbem einen Aufenthaltsſchein, in wel- chem Stand, Handwerk und Religion angemerkt iſt, zu löſen. Ohne dieſen würde er weder von ſeinem Conſulate im Falle einer Noth Schutz noch Obdach im Pilgerhauſe erhalten. § 5. Vorausgeſetzt, daß jeder Pilger nur darum hieherkommt, um die heil. Orte unſerer Er- löſung zu verehren, ſo wird erwartet, daß er ſich ehrbar und fromm betrage, Alles vermeide, was ſeinem heiligen Zwecke zuwider und ſeiner Umgebung zum Aergerniß wäre. §.6. Soll der Pilger / Stunde nach Sonnenuntergang zu Hauſe ſein. Hat er jedoch aus wichtigen Gründen draußen länger zu verweilen, ſo iſt der Aufſeher des Hauſes davon zu benachrichtigen. § 7. Jeder Pilger, welcher es wünſcht, er- hält vor ſeiner Abreiſe, wenn er den Obliegenheiten ſeiner Pilgerfahrtge- nügt, (die Katholiken nach beigebrachten Beichtzettel) in der Kanzlei des h. Landes ein Zeugniß über den andächtigen Beſuch der h. Orte. Dieſes hat er ſich ſelbſt abzuholen, um dabei ſeinen Namen, Zunamen, ſein Vaterland, den Tag ſeiner Ankunft und Abreiſe genau angeben zu können. §. 8. Jene Fremden, welche nach kürzerer Zeit und nach ge- machten Erfahrungen ſelten aus Frömmigkeit hieher zurückkehren, werden nicht aufgenommen. Zu Seite 260. 23.) Die Pilger ſind eine Laſt und nicht ein Nutzen für das Kloſter; denn die meiſten lateiniſchen Pilger ſind arm, und die reichen bezahlen – in der Furcht, ihre Reiſebörſe zu erſchöpfen, meiſtens nur, was ſie ſchuldig ſind. Die Mönche nehmen an, was ihnen angeboten wird, und machen nie Forderungen. – Das Zuſtrömen der Pilger nimmt aber mit jedem Jahre in Folge des erleichterten Verkehres zu. Zu Oſtern 1858 befanden ſich im lateiniſchen Salvatorkloſter 440 Pilger; im Jahre 1859 waren noch mehr, ſo daß man ſagte, ſeit den Kreuzzügen habe es nicht ſo viele katholiſche Pilger in Jeruſalem ge- geben. In dieſem Pilgerhauſe gab es im Winter 1861–62 Pilger aus allen Ländern und Nationen: Italiener, Franzoſen, Engländer, Spanier, Amerikaner, Deutſche, Slaven u. ſ. w. Die Verpfle- gung der Pilger zu Jeruſalem und in den Pilgerhäuſern der übrigen Klöſter des h. Landes (Bethlehem, St. Johann, Nazareth u. ſ. w.) koſtet ſehr viel. So wurden z. B. im I. 1861 bei 8800 Pilger durch 32.269 Tage beherbergt und verköſtiget, und dieß machte eine Ausgabe von 332.690 türkiſche Piaſter oder 32.267 fl. 20 kr. C. M. Auf die Verköſtigung eines Pilgers rechnet man durchſchnittlich per Tag 6 Pia- ſter oder 36 kr. C. M. (gewiß keine zu große Summe) und er bekommt zum Frühſtück: ſchwarzen Kaffee und Brod; zu Mittag: Suppe, zwei Fleiſchſpeiſen, Brod und Wein; Abends: Suppe, eine Fleiſchſpeiſe, 8 Brod und Wein. – Obwohl die PP. Franziskaner für die Erhaltung und Verpflegung der Pilger Alles thun, was nur in ihren Kräften ſteht, ſo ernten ſie dennoch hiefür oftmals den Lohn dieſer Welt – den Un- dank. Beſonders ſind die franzöſiſchen Pilger in Jeruſalem gefürchtet. Wenn es heißt: „Die franzöſiſche Karavane wird ankommen“, dann ſagt der ganze Franziskaner-Convent mit dem Pſalmiſten: „Furcht und Zittern iſt gekommen über mich“. (Pſ. 154.) Weil Frankreich die Schutzmacht des h. Landes iſt, ſo meinen die franzöſiſchen Pilger, daß auch ſie die Herren des Pilgerhauſes ſind und daß ihnen Alles gehor- chen müſſe. Haben doch die Franzoſen oftmals ſonderbare Einfälle! Im Jahre 1859 kam die franzöſiſche Karavane nach Jeruſalem; ſie zählte ungefähr ſechzig Pilger. Alle waren, ſo wie Soldaten desſelben Regiments, gleich gekleidet: gleiche Hüte, Röcke, Mäntel, hohe Stiefel mit Sporen, und waren vom Kopf bis zum Fuß mit Revolvers, Flinten und Piſtolen bewaffnet. So gekleidet und bewaffnet hielten ſie wie wahre Goliaths ihren Einzug in den Kloſterhof S. Salvator und dann zur h. Grabkirche. Selbſt die Türken nahmen Aergerniß daran und ſprachen, daß ſich dieß nicht ſchicke; deßhalb erlaubten ſie den ſo Be- waffneten nicht in die h. Grabkirche einzutreten; die Franken mußten vorerſt die Waffen ablegen. Auch Abbé Mislin bemerkt in ſeinen An- merkungen zum II. B. S. 674: „Selten traf ich einen einer andern Nation angehörigen Pilger, welcher nicht von den Prätenſionen der franzöſiſchen Agenten und Reiſenden verletzt, aus Paläſtina zurückge- kommen iſt“. Leider kommen nach Jeruſalem nicht ſelten auch deutſche Pilger, die den Poenitentiären ihr ohnehin ſchweres Amt noch mehr erſchweren, und die deutſchen und ſlaviſchen Prieſter Franziskaner- Ordens dürften ſich nicht unglücklich fühlen, wenn ihnen künftighin dieſe Bürde abgenommen oder wenigſtens erleichtert wird. (Oeſterr. Volksf. 1862. Nr. 269). Zu Seite 261. 24.) Der Cuſtos des h. Landes P. Bernardino di Mon- tefranco, ein beſcheidener, frommer, freundlicher und unterrichteter Iünger des h. Franziscus, wurde in der allgemeinen Ordensver- ſammlung im Jahre 1855 zum Ordensgeneral ernannt. Als ſolchen beſuchte ich ihn öfter im Kloſter Ara Coeli zu Rom. Zu Seite 262. 25.) Die Errichtung der Conſulate in Jeruſalem datirt erſt aus neuerer Zeit. Der erſte Conſul war der engliſche, der 1839 einzog. Ihm folgte 1843 ein preußiſcher. In demſelben Jahre ſtellte ſich auch ein ſardiniſcher Conſul ein, ſowie ein franzöſiſcher. Später rückte ein ſpaniſcher, dann ein amerikaniſcher ein, hierauf im März 1849 ein öſterreichiſcher, endlich zehn Jahre nachher ein ruſſiſcher. Bis zum Jahre 1855 duldeten die Türken nicht, daß die Conſulate ihre Flagge entfalteten. Die Feier des Falls von Sebaſtopol gab Veranlaſſung, dies zum erſten Male zu thun, und jetzt wehen die Fahnen der ver- ſchiedenen Nationen, von Kronen überragt, auf ihren hohen Maſten jeden Sonntag und bei allen ſonſtigen Feierlichkeiten. (Buſch, Wallfahrt nach Jeruſalem, II. B. S. 59). Das öſterreichiſche Conſulat wurde im 9 Jahre 1856 zu einem Generalconſulat erhoben. – Der brave Gene- ralconſul von Pizzamano genoß dieſe wohlverdiente Auszeichnung nicht lange, denn er ſtarb bald darnach. Zu Zeite 266. 26.) Die neueſte Unterſuchung der Kuppel der heil. Grab- kirche hat ergeben, daß ſämmtliches Holzwerk verfault iſt und daß der erſte beſte Windſtoß von einiger Stärke die Kuppel auf das heilige Grab und die ſtets zahlreich um dasſelbe verſammelten Pilger hinun- terwerfen kann. Rußland und Frankreich haben ſich in neueſter Zeit vereinigt, die Kuppel herzuſtellen. Die beiden Architekten (ein franzö- ſiſcher und ein ruſſiſcher) haben deshalb den Vorſchlag gemacht, vor allen Dingen und in kürzeſter Zeit in der Rotunde ſelbſt ein Schutzdach zu erbauen. Unter allen Umſtänden muß die große Kuppel neu aufge- baut werden, und es handelt ſich jetzt nur noch um das Recht und die Ehre, dieſe Arbeit auszuführen. Die neue Kuppel ſoll aus Bronce be- ſtehen und der ruſſiſche Architekt Eppinger hofft dieſe Arbeit ſchon für nächſte Weihnachten beendigen zu können. (Le Monde). Zu Seite 268. 27.) Von eigenthümlicher Beſchaffenheit ſind allerdings die gegenwärtigen Verhältniſſe des lateiniſchen Patriarchates zu Ie- ruſalem; ohne Suffragan-Bisthümer, ohne Kapitel, ohne Dotation, ohne eigene Kathedrale. Von größerem Anſehen würde vielleicht wohl die Stellung des Patriarchen geweſen ſein, wenn der Inhaber dieſes Amtes dem Orden des h. Franziskus angehörte, wie dieß auch anfangs im Plane des heiligen Stuhles lag. Eine Vereinigung der Juris- diction über die Ordensgenoſſen mit der des Hirtenamtes über alle Gläubigen erſcheint für die Verhältniſſe des heiligen Landes als das angemeſſenſte Mittel, um die Zunahme der katholiſchen Kirche zu be- fördern, denn der eigentliche kirchliche Schwerpunkt ruht doch ſchon ſeit Jahrhunderten in der Wirkſamkeit der Cuſtodie, die nur von einem Ordensgenoſſen geleitet werden kann. (Hiſtor. polit. Blätter. Jahrg. 1858. Der Sitz von Jeruſalem, S. 376). Zu Seite 285. - 28.) Der Jordan iſt der einzige Fluß in Paläſtina. Er hat im Antilibanon ſeinen Urſprung; die ganze Länge ſeines Laufes be- trägt ungefähr 21 deutſche Meilen. Bei dem Austritt aus dem See Tiberias iſt er ſehr breit, jedoch nicht tief; er wird aber ſchmäler und wirft ſich endlich nach vielen Krümmungen in das todte Meer. Sein Geſammtfall von der Quelle bis zur Mündung beträgt 2141 Fuß. Der Jordan iſt nicht ſchiffbar. Im Jahre 1848 unternahm der ameri- kaniſche Lieutenant Lynch auf Koſten (250,000 Francs) der vereinigten Staaten eine wiſſenſchaftliche Expedition auf zwei Barken mit unge- fähr 40 Perſonen vom See Tiberias den Fluß Jordan entlang bis ins todte Meer hinab. Sie fuhren über 27 fürchterliche Stromſchnellen hinweg; mehrmals ſtießen ſie an Felſen und die kupferne Barke wurde ſehr ſtark beſchädigt. Die Annäherung des todten Meeres kün- dete ſich durch einen widrigen Geruch an; auch litt das Schiff durch die ätzende Kraft des todten Meeres. Man hatte Lynch den Vorſchlag ge- 10 macht, dieſe zwei Barken am Ufer des todten Meeres für den Dienſt der Reiſenden, unter der Obhut eines mächtigen Scheiks zurück zu laſſen; er zog es jedoch vor, ſie als Andenken an ſeine Expedition mit nach Hauſe zu nehmen. (Mislin, die heiligen Orte, III. 198 ff). Zu Seite 288. 29.) Das todte Meer heißt auch das Salzmeer, das Meer der Wüſte, Aſphaltſee, verfluchtes Meer, Meer des Teufels, Loth's See, ſtinkendes Meer. Den großen Salzgehalt des.todten Meeres ſchreibt man der Nähe der aus großen Salzblöcken beſtehenden Ge- birge, der ungeheuer tiefen Lage dieſes Meeres und der hohen Tem- peratur der Luft und des Bodens zu. Dieſe außerordentliche Salzigkeit ſcheint auch die Haupturſache des Mangels lebender Weſen in dieſem Waſſer zu ſein, welcher Umſtand ihm den treffenden Namen todtes Meer verſchafft hat. Manche Reiſende behaupten wohl Fiſche im Waſ- ſer und Vögel über dem Waſſerſpiegel geſehen zu haben, was ihnen niemand beſtreitet; denn es iſt nachgewieſen, daß dieſe Fiſche aus dem Jordan und den Seitenbächen in dieſes Meer kommen, wo ſie zu Grunde gehen und dann wieder ausgeworfen werden; auch iſt es leicht mög- lich, daß von den nahen Gebüſchen des Jordan, welche eine große Menge Vögel beherbergen, ſolche bisweilen auch bis ans todte Meer kommen, an deſſen Strande ſie eine Menge Inſekten finden. Das ändert nichts an der Phyſiognomie des Todes, die rings um dieſen See herrſcht. – Die Hypotheſe einer unterirdiſchen Communication mit dem rothen Meere hat man in neuerer Zeit aufgegeben, weil man aus der Berechnung der Oberfläche dieſes Meeres und der Tempera- tur der Luft zu dem Reſultate kam, daß die Verdünſtung und die Maſſe des zufließenden Waſſers einander das Gleichgewicht halten. – Ueber die Entſtehung des todten Meeres hat man verſchiedene Theorien auf, geſtellt. Nach der einen iſt der Keſſel des todten Meeres der Krater eines ausgebrannten Vulkanes, nach der andern iſt derſelbe ein Theil der Erdrinde, welcher entweder eingeſunken, oder noch nicht über das Niveau der Meere emporgehoben worden iſt; noch andere halten ihn für ehemaligen Meeresgrund. Indeß muß auch jetzt nach den genaue- ſten Unterſuchungen die gelehrte Welt die Angaben der Bibel über die Ereigniſſe von Sodoma und Gomorrha als ſehr wahrſcheinlich aner- kennen. – Ein Pariſer Orientaliſt de Sau 1 cy glaubte im Jahre 1850 beträchtliche Ruinen der verwüſteten Städte Sodoma und Go- morrha, am ſüdlichen Ende des todten Meeres, entdeckt zu haben; in- deß da nach dem klaren Wortlaut der Bibel die verfluchten Städte nicht im Waſſer verſunken ſind, ſondern durch Schwefel und Feuer vom Himmel herab zerſtört wurden (Geneſis 19, 24): ſo müſſen jene Ruinen von ſpäteren an jener Stelle oder in der Nachbarſchaft erbau- ten Städten herrühren. – Dr. Roth, Profeſſor der Naturgeſchichte in München, ward vom Könige in Baiern in dieſe Gegenden geſchickt und durchforſchte Paläſtina anderthalb Jahre. Unglücklicher Weiſe er- eilte aber den berühmten Reiſenden ein frühzeitiger Tod, und er ſtarb am Fieber am 26. Juni 1858. – Alle Reſultate der neueſten Forſchun- gen über das todte Meer findet man ſehr gut zuſammengeſtellt in 11 Mislin's heiligen Orten (III. Band, 37. Kapitel, S. 226–332). – Unter den fünf ſeit dem Jahre 1835 bisher unternommenen größeren wiſſenſchaftlichen Expeditionen zum todten Meere war die Lynch's die glücklichſte und vollſtändigſte. Im Contraſte zu ſo manchen lachenden Berichten gewiſſer Reiſender über das todte Meer, äußert ſich dieſer: "Unverkennbar laſtet der Fluch Gottes über dieſem unreinen Meere.“ Er campirte einen ganzen Monat an demſelben. Zu Seite 296. 30.) Am meiſten haben bezüglich der Paläſtina.literatur in poſitiver wie negativer Richtung gearbeitet: der Amerikaner Robin- ſon und der Schweizerdoktor Titus Tobler. Letzterer beſonders verwen- det alle Thatkraft und Ausdauer darauf, die katholiſche Ueberlieferung zu bekämpfen, und ſo leugnet er auch die Echtheit des h. Grabes. Es verhält ſich aber mit ſeinen kritiſchen Forſchungen über die Topo- graphie der h. Stadt, insbeſondere des h. Grabes, wie mit jenen der proteſtantiſchen Bibelkritiker, die an dem heiligen Texte ſo lange mit Applicirung des kritiſchen Apparates deuteten und kneteten, bis es zu- letzt kein Verslein mehr gab, das in ſeiner Authenticität und Integri- tät geblieben wäre. Tit. Tobler quetſcht und preßt den Text des Jo- ſephus Flavius Nc. bis er ihn zum Brei der aufgeſtellten Lieblingshy- potheſe verwenden kann, und auf dieſe weiche Baſis baut er dann mit aller Gelehrſamkeit das neue Gebäude auf, und ruft , nachdem es fertig geworden, mit Selbſtgefälligkeit der gelehrten und ungelehrten Welt zu: Seht doch! »die proteſtantiſche Wiſſenſchaft hat in Decennien mehr geſchaffen, als die katholiſche in einem halben Jahrhundert!" Geſchaffen? nein, zerſtört! Gleichwie mit Weglaſſung der kirchli- chen Tradition die Autorität des Canons der h. Schriften hinwegfällt, ſomit Ignorirung der Tradition die Echtheit der heiligen Orte. Wer aber die Tradition vernichtet, der ſchafft nicht, der zerſtört. (Siehe meine literariſche Anzeige der Werke Tobler's in der Wiener-Zeitſchrift für kathol. Theologie. Jahrg. 1854. S. 86–109). Die ältere Lite- ratur über das heilige Land hat Titus Tobler in ſeiner Topographie von Jeruſalem (S. XL – CXI) in einem reichhaltigen chronologiſch geordneten Verzeichniß geſammelt. Freilich iſt die Kritik des einſeitigen Verfaſſers ſchroff und nachſichtslos, indem er alle Werke, wo er nichts für ſeinen Zweck Entſprechendes fand, unwirſch beſeitigte. Als Fürſt im Gebiete der Kenntniſſe unter den Reiſenden Paläſtinas gilt ihm Robinſon. – Die Literatur über den Orient, insbeſondere über das h. Land, vermehrt ſich mit den Pilgern, die dahin ziehen. Faſt jeder Pilger glaubt ſeine Erlebniſſe und Gefühle, dringenden Anforderungen nachgebend, veröffentlichen zu müſſen. Guter Wille iſt nie zu tadeln. Das iſt der moraliſche Werth aller Reiſebeſchreibungen aus dem Orient, daß ſie auf friedlichem Wege beitragen, das Intereſſe für das h. Land zu wecken, zu nähren und zu begeiſtern. Wie einſt des feurigen Einſiedlers feuriges Wort die Gemüther zur Befreiung des h. Landes entflammte, ſo kehren die jetzigen Pilger in ihre Hei- math zurück, und rufen und mahnen und klagen, bis die europäiſchen Fürſtenſichernſtlich entſchließen, das Angeſicht desh. Landes zu verjüngen. 12 - Zu Zeite 297. 31.) Möchte doch in Bälde eine katholiſche Kraft ſich die Aufgabe ſetzen an Ort und Stelle ein wiſſenſchaftliches Werk über das h. Land und insbeſondere die heilige Stadt (mit Benützung und Berückſichti- gung der zweifelsohne gelehrten Vorarbeiten vieler Proteſtanten) zu bearbeiten. Keine Zeit fordert eine ſolche wiſſenſchaftliche Arbeit dringender, und keine Zeit war dem Hervortreten derſelben ans Ta- geslicht günſtiger, als die jetzige. Sollten junge ſtrebſame Männer nicht bei Beſetzung der Kaplansſtellen im neu errichteten öſterreichi- ſchen Hoſpiz darauf Bedacht nehmen? In zwei Jahren an Ort und Stelle unter dem Schutze eines ſich dafür intereſſirenden Conſuls ließe ſich viel zu Stande bringen. Aber es gehören auch umfaſſende linguiſtiſche, geologiſche, hiſtoriſche und theologiſche Kenntniſſe dazu, und eine männliche Unpartheilichkeit. Die Werke Mislin's: Die hei- ligen Orte. (3 Bände. Wien 1860), und beſonders Sepp's: Jeruſalem und das heilige Land, oder Pilgerbuch nach Paläſtina, Syrien und Aegypten (Schaffhauſen 1862) ſind ein erfreulicher Anfang. – Auch ein bequemes Handbuch für katholiſche Jeruſalemspilger, das populär, kurz und gut disponirt gehalten iſt, fehlt noch. Die Proteſtanten be- ſitzen ein in ſeiner Art vorzügliches ſchon in 2. Auflage, in dem Buche: Jeruſalem. Von Dr. Philipp Wolff (Leipzig. Weber 1857.) Zu Seite 300. 32.) Die römiſch-deutſchen Kaiſer führten den Titel König von Jeruſalem ſeit Friedrich II., der eine Tochter des Königs Jo- hann von Jeruſalem Namens Jolantha zur Gemahlin hatte. Mit dem Aufhören des römiſch-deutſchen Kaiſers ging der hiſtoriſche Titel auf den Kaiſer von Oeſterreich über. - Zu Seite 300. 33.) Aus dem öſterreichiſchen Regentenhauſe kamen fol- gende Perſonen nach Jeruſalem. Im Jahre 1400 reiste ein öſterreichi- ſcher Herzog Albert IV. als einfacher Pilger nach Jeruſalem, um das Grab unſeres Heilandes zu verehren. – Die fromme Markgräfin Itha, Gattin Leopold des Schönen, war nicht ſo glücklich, ihre Pil- gerfahrt vollenden zu können. Sie ſtarb auf der Reiſe. – Die öſterrei- chiſchen Herzoge, die an den Kreuzzügen Theilgenommen hatten, ſind: Leopold VI. und ſein Sohn Leopold VII. – In neueſter Zeit unternahm eine Pilgerreiſe nach der h. Stadt der junge Erzherzog Ferdinand Maximilian von Oeſterreich. Zum Andenken ließ der fromme Prinz in der Kapelle der h. Helena einen Altar von Marmor ſtatt des bisherigen hölzernen ſetzen. Dagegen bat er ſich die Kreuze, Altartücher, Kerzen und Leuchter jener Heiligthümer, in denen er die Meſſe gehört hatte, als koſtbare Andenken an's heilige Land aus, und erſetzte dieſe Gegenſtände durch andere, die vom heiligen Vater zu Rom geweiht worden waren, und die als Beweiſe ſeiner Frömmigkeit und Mildthätigkeit in dieſen Heiligthümern bleiben werden. Jene Andenken aus dem heiligen Lande aber ſchmücken jetzt ſeine Hauskapelle. (Mis. lin, die heiligen Orte. II. B. S. 287). 13 Zu Seite 300. 34.) Seit der ſo ferne liegenden Epoche, wo die Fürſten und Könige in großer Anzahl zu den heiligen Orten wallfahrteten, hat man in Jeruſalem keinen Prinzen mehr geſehen, der, auf der nächſten Stufe zum Throne ſtehend, mit ſeiner frommen Gemahlin dieſe weite Pilgerreiſe unternommen hätte; Belgien hat zuerſt dieſes ſchöne Bei- ſpiel den Fürſten unſerer Zeit gegeben. Der Herzog von Brabant und ſeine Gemahlin Henriette, geb. Erzherzogin von Oeſterreich, beſuchten das h. Land im Jahre 1856. – Prinzen regierender Häuſer, die in den letzten dreißig Jahren die Wallfahrt nach Jeruſalem gemacht haben, ſind: der Prinz von Joinville, Prinz Albert von Prenßen, Herzog Maximilian in Baiern, die Prinzeſſin Marianne der Nieder- lande, der oben genannte Herzog und Herzogin von Brabant, Erzher- zog Ferdinand Maximilian von Oeſterreich, Prinz Alfred von England, Großfürſt Conſtantin von Ruhland mit ſeiner Gattin und ſeinem älte- ſten Sohne, der Graf von Paris und ſein Bruder der Graf von Chart- res, der Graf von Chambord. (S. Mislin, der den belgiſchen Kron- prinzen auf deſſen Reiſe begleitete, die heiligen Orte II. B. S. 325). Zu Seite 307. 35.) Ein Graf Gasparin hat es für gut befunden, die Authen- ticität mehrerer von der ganzen Welt verehrten Heiligthümer in ſeinem franzöſiſch geſchriebenen Werke: „Ueber das Tiſchrücken“ (!) anzugreifen. Eine gute Widerlegung bezüglich der Höhle der Geburt Chriſti, (auch der Grotte der Verkündigung, des Berges Tabor und des Oelberges) findet ſich unter der Aufſchrift Hagiologie in den hiſto- riſch-politiſchen Blättern 1856 S. 274 ff. und 381 ff, auch zu finden im Anhang zum III. Bande der heiligen Orte von Abt Mislin, S. 546–576, der ſomit als der Verfaſſer dieſes Aufſatzes erſcheint. Zu Seite 315. 36.) Es iſt überhaupt nicht rathſam ſich ohne arabiſches Ge- leite in Seitenthäler des heiligen Landes zu wagen. Die Fellahs zei- gen ſich überall feindſelig gegen die Chriſten, und ſchießen ohne beſonderen Scrupel auf dieſelben. So leſe ich eben in dem Tagebuch wührend eines vierjährigen Aufenthalts im Süden und im Orient von Frederike Bremer. (Aus dem Schwediſchen. Leipzig. Brockhaus. 1862). Zu Seite 316. - 37.) Der getaufte Jude Meſchullam in den Gärten Salomon's iſt jedoch (wie Sepp in ſeinem Pilgerbuch I. B. S. 479 behauptet) gewiſſermaßen der paläſtiniſche Barnum; „ſeine Colonie gilt als Mu- ſteranſtalt für weitere Niederlaſſungen im gelobten Lande. Er wird euch erzählen, daß er jährlich fünf Aernten einheimſe, daß all die Anlagen von Artas ſein Werk ſeien, daß die Beduinen ihn wie ihren Fürſten verehren. All das iſt Humbug! Noch 1858 wurden Meſchul- lams Baumgärten von den Beduinen geplündert.“ Zu Seite 319. 38.) Die Ruinen des Bogens Ecce Homo kamen glücklicher Weiſe aus den Händen der Ungläubigen in den Beſitz der frommen Ordensſchweſtern unſerer lieben Frau von Sion, welche dieſe Stelle 14 um die beträchtliche Summe von 68000 Franken kauften, und daſelbſt ein Waiſenhaus für kleine Mädchen aus dem heiligen Lande errichte- ten. Dieſes unter der Direktion zweier frommer und eifriger Miſſio- näre, der Brüder Marie Theodor und Marie Alphons Ratisbonne, ſtehende Inſtitut hat nicht blos einen Wohlthätigkeitszweck, ſondern es trägt auch zur Verbreitung des Glaubens im Oriente bei, indem es im Schisma, in der Häreſie oder in den Finſterniſſen der Ungläu- bigkeit geborenen Kindern eine katholiſche Erziehung gibt. Bei den Ausgrabungen, die gemacht werden mußten, um die Grundſteine des neuen Gebäudes legen zu können, fand man unter anderm das Pfla- ſter des alten Kreuzweges, deſſen Steinplatten mehr als ſechs Fuß unter der heutigen Straſſe liegen. (Mislin, die heiligen Orte. II. B. S. 499). - Zu Seite 319. 39.) Das neue öſterreichiſche Pilgerhaus wurde zur Auf- nahme deutſcher Pilger auf Oeſterreichs Koſten nach den Plänen des Architecten Endlicher aus Wien gebaut, und im Jahre 1858 von einem Prager Maurerpolier vollendet. Dr. J. F. Chemeliček macht in einem Aufſatze „Pilgerhäuſer und Pilger in Jeruſalem“ (Volksfr. 1862 Nr. 268) folgende Schilderung davon: „Es iſt ein gro- ßes, ſtattliches und bis jetzt unbeſtritten das ſchönſte Gebäude in Je- ruſalem. Es ſteht in dem ſogenannten Tyropeon oder Käſemacher- thale, d. h. jener thalartigen Vertiefung, welche ſich von dem Damas- custhor durch die Stadt – vom Norden nach Süden – zieht und zwiſchen den Hügeln Sion und Moria in's Joſaphat-Thal ausmündet. Gleich in der Nähe des Pilgerhauſes befindet ſich jene denkwürdige Stelle, wo Jeſus Chriſtus auf ſeinem Leidenswege zum erſtenmale unter der ſchweren Laſt des Kreuzes fiel, und nur etliche 40 Schritte davon jene Stelle, wo er ſeiner tiefbetrübten Mutter begegnete. Ge- gen Oſten zu iſt nicht weit entfernt der denkwürdige Eccehomo-Bogen und nur ein wenig weiter die Flagellations-Kapelle, gebaut auf der- ſelben Stelle, wo einſt Pilatus den Heiland blutig geiſeln ließ. So hat das ſchöne Pilgerhaus, das von außen mit ſeinem ſchönen Stufen- aufgange einem Palaſte ähnlich ſieht, auch eine bibliſch denkwürdige Lage. Der innere Bau desſelben iſt für Pilger, welche auch manche Unbequemlichkeit im Geiſte der Buße gerne ertragen, faſt luxuriös. Hohe, geräumige Säle und Zimmer, deren Einige ich ſchon mit Ele- ganz und Comfort eingerichtet fand, eine große ſchöne Kapelle mit einem Altar aus Marmor und einem Oratorium. – Alles dieſes be- weist, daß man beim Baue dieſes Pilgerhauſes große Summen (man ſagt 300.000 fl.) nicht ſcheute und auf gute Unterkunft und Bequem- lichkeit der Pilger bedacht war. Während meiner Anweſenheit in Jeru- ſalem war dieſes Pilgerhaus blos von dem k. k. öſterreichiſchen Conſul Herrn A. L. Lenk von Wolfsberg und ſeinem Dienſtperſonale bewohnt. Derſelbe wohnte bis jetzt an Sonn- und Feiertagen der h. Meſſe ge- wöhnlich in der nahen Flagellations-Kapelle bei, und genießt, da der Conſulats-Dragoman Herr Giacomo Pasquale ein nicht-unirter Armenier, und die beiden Kavaſſen Türken ſind, das Indult, mit ſei 15 ner wenigen Dienerſchaft nicht nur der heiligen Meſſe in der Hauska- pelle beizuwohnen, ſondern auch die h. Sakramente von den zukünfti- gen weltprieſterlichen Hauscaplänen zu empfangen, denen die Seel- ſorge der öſterreichiſchen Pilger obliegen wird. In Folge päpſtlichen Indultes ſoll nämlich die Verwaltung des neuen öſterreichiſchen Pilger- hauſes in Jeruſalem und die Seelſorge der darin beherbergten Pilger Weltprieſtern, die der deutſchen, ſlaviſchen oder ungariſchen Sprache mächtig ſind, übergeben werden.“ –Die Wahl der Stelle nennt Abbé Mislin in mehr als einer Beziehung keine glückliche (heilige Orte, II. B. S. 500). Moritz Buſch, ein preußiſcher Proteſtant, meint, bei der Erbauung des öſterreichiſchen Hoſpizes ſei nicht blos die Abſicht geweſen, den Franzoſen Schach zu bieten, ſondern auch das Streben, dem preußiſchen Hoſpiz Concurrenz zu machen, leitender Gedanke ge- weſen. (II. B. S. 66). – Mit Anfang des Jahres 1863 reisten die zwei erſten Kapläne des öſterreichiſchen Pilgerhauſes an den Ort ihrer Beſtimmung, nämlich Herr Eduard Kröll, Domcurat zu St. Pölten, und Herr J. Nußbaumer, Cooperator in der Salzburger Erzdiöceſe. Zu Seite 321. 40.) Auffallend ſind die vielen Marienkirchen in Jeruſalem. Wie an die halbunterirdiſche Frauenkirche im ThaleJoſaphat, wo man das Grab Mariens zeigt, ſich das Feſt der Himmelfahrt Mariä (as- sumptio B. V.) knüpft, ſo hängt mit der Baſilika der h. Jungfrau oder h. Akſa Mariä-Opferung, und mit der Kirche St. Anna die Em- pfängniß und Geburt Mariens zuſammen. Letztere befindet ſich am Thore des h. Stephan und gegenüber dem Teiche Bethesda. Einer alten Ueberlieferung gemäß wohnten an dieſer Stelle Joachim und Anna, und ſoll die heiligſte Jungfrau hier empfangen und geboren worden ſein. Dem Bauſtyle nach zu ſchließen, ſcheinen die Ruinen der Kirche, wie man ſie heute ſieht, nicht älter zu ſein als die Kreuzzüge. Im Jahre 1856 hat ſie der türkiſche Sultan an Frankreich abgetreten, und ohne Zweifel werden dieſe Gebäude, würdig hergeſtellt, bald eine Zierde der heiligen Stadt werden. Zu Zeite 322. - 41.) Was die Echtheit des im Felſen ausgeprägten Fußein- druckes in der Himmelfahrtskirche auf dem Oelberge betrifft, ſo gibt ſie Sepp (Pilgerbuch S. 622) auf, erkennt jedoch darin den wohl zu rechtfertigenden Verſuch, die Ueberlieferung unabweichlich an die be- ſtimmte Stelle zu fixiren. Damit die Tradition ja den Ort nicht wechsle, hat man ſeit alter Zeit ſolche Merkzeichen eingegraben, was in dem Kalkfelſen, den man ſtellenweiſe mit dem Fingernagel ritzen kann, keiner Schwierigkeit unterlag. Zu Seite 325. 42.) Aus der Grotte der Todesangſt wurde der Grund- ſtein zur Votivkirche in Wien genommen, die den Namen „zum heiligen Erlöſer“ führen wird. Zu Zeite 330. 43.) Die Juden bilden den dritten Theil der Einwohnerſchaft Jeruſalems; anderthalbtauſend davon ſind öſterreichiſche Schützlinge. - 16 Die Mehrzahl der Einzelnen lebt in drückendſter Armuth. Die Ge- ſammtſumme der alljährlich den Juden Jeruſalems zufließenden Unter- ſtützungen ſoll mehr als 800000 Piaſter (circa 53000 preußiſche Tha- ler) betragen. Alle Jahre gehen nach Europa und Nordafrika von Jeruſalem Sendboten, um Almoſen zu ſammeln. Am meiſten ſcheinen ſich die Juden auch hier zum Handel hingezogen zu fühlen, doch nicht in dem Maße wie in Deutſchland. – Selten geſchieht es, daß jüdiſche Pilger nach ihrer heiligen Stadt wallfahren, und ſie wieder verlaſſen; die meiſten kommen, um hier zu ſterben. Eheliche Treue und Familien- ſinn wird ihnen von Einigen nachgerühmt, doch kommen auch Doppel- ehen unter ihnen vor. Die Türken und Araber verachten die Juden aufs äußerſte; dagegen werden ſie von der engliſchen Miſſion geradezu gehätſchelt. (Moritz Buſch, eine Wallfahrt nach Jeruſalem. Leipzig 1861. 2. B. S. 9 ff). – Im Juli 1855 kam der reiche Jude Sir Mo- ſes Montefiore nach Jeruſalem und brachte bedeutende Geldmittel mit, welche er zur Hebung der jüdiſchen Bevölkerung Paläſtina's ver- wenden wollte, unter Anderm die Summe von 144000 fl., welche ein Amerikaner zu Gunſten eines in Jeruſalem zu begründenden jüdi- ſchen Spitals vermacht hatte. Montefiore wollte ſeine Stammesgenoſſen zur Coloniſation des Landes ihrer Väter veranlaſſen, aber ſie ſträub- ten ſich dagegen und verfluchten ihn als einen Unbarmherzigen und Ungläubigen, weil er die Almoſen nicht baar vertheilte und ihnen eine Arbeit im Schweiße des Angeſichtes zumuthete. Ein Jahr ſpäter ging der jüdiſche Dichter L. A. Frankl im Auftrage der Frau Eliſe Herz Lammel nach Jeruſalem, um eine religiös-wiſſenſchaftliche Unterrichts- anſtalt dort zu begründen, für welche jene jüdiſche Dame eine Summe geſtiftet hatte. Auch dagegen ſträubten ſich einige Juden, wie vor einem hereinbrechenden Unglück. Indeß kam die Schule doch durch türkiſch-öſterreichiſche Anregung und Aufmunterung zu Stande, und wurde 1856 eingeweiht. -– Bekanntlich hat man auch an eine Wie- derherſtellung eines ausſchließlichen Juden reiches in Paläſtina ge- dacht, und eine neue Dynaſtie Rothſchild daſelbſt etabliren wollen. Aber wenn das auch möglich wäre, ſagt Wolfgang Menzel in ſeinem Literaturblatt 1857, Nr, 80, ſo würden die vermöge des auf ihrem Stamme ruhenden Fluches nun einmal in der Welt zerſtreut Lebenden von dem ſo bequem und üppig unter ihnen ausgeſtreckten Chriſtenleibe, an dem ſie ſich als Blutegel dick und rund ſaugen, ſchwerlich wieder auf den dürren Felſen ihrer Heimath zurückkehren wollen. Zu Zeite 331. 44.) Nach den neueſten Berichten in den Miſſionsnotizen aus dem heiligen Lande, welche das Wiener-Generalcommiſſariat alljähr- lich in Druck legt, beſtehen 9 Klöſter in der Cuſtodie des heiligen Landes: zwei zu Jeruſalem (St. Salvator und in der h. Grabeskirche), ferner zu Bethlehem, St. Johann in der Wüſte, Nazareth, Larnaca auf Cypern, Aleppo in Syrien, Alexandrien und Groß-Cairo in Aegypten; dann 19 Hoſpitien, nämlich in Jaffa, Ramleh, Ptole- mais, Tiberias, Damaskus, Sidon, Beirut, Hariſſa, zwei in Tripolis in Syrien, Latakia, Nicoſia und Limaſol auf Cypern, Conſtantinopel, 17 und 5 in Aegypten. – Die Cuſtodie zählte 10 Pfarrſchulen mit 694 Schülern, 16 Pfarreien und 2 Expoſituren. Die Geſammtzahl der lateiniſchen Chriſten betrug im Gebiete der Cuſtodie 12,122. In die ſem Gebiete wirkten 163 Franziskaner, worunter 101 Prieſter und 62 Laienbrüder. In dem Zeitraum von 88 Jahren (1768–1856) hat der Franziskanerorden 1799 Ordensprieſter zum Dienſte des heiligen Landes abgeſandt. Von dieſer Anzahl ſind 1082 nach Been- digung ihrer Miſſion in ihr Vaterland zurückgekehrt, 499 haben da- ſelbſt ihr Leben gelaſſen, und Viele ſind noch bereit, das ihrige zum Ruhme Gottes hinzugeben. Von erſteren kamen 117 durch die Peſt um, 4 wurden von den Moslims, 6 von den Griechen erſchlagen, 5 gingen durch Schiffbruch,3 auf dem Meere während der Ueberfahrt zu Grunde, 3 ſtarben am Ausſatze und 24 am Schlagfluſſe (Mislin, die heiligen Orte, II. 371). – Die weitaus große Mehrzahl der Pil- ger iſt mit der freundlichen und gutmüthigen Pflege von Seite der Ordensbrüder in den verſchiedenen Hoſpizen zufrieden. Allerdings ſtel- len (wie ſchon Note 23 beſprochen wurde)manche Pilger mitunter indis- crete Anforderungen an die Patres Franziskaner. Zu dieſen gehört auch der katholiſche Pfarrer J. Schiferle. Er beklagt ſich in ſeiner „Zweiten Pilgerreiſe nach Jeruſalem und Rom“ (Augsburg, 1858), daß die Proteſtanten und Rabbiner ihm während des ſechswöchentli- chen Aufenthaltes in Jeruſalem mehr an die Hand gingen, als die Patres im Kloſter. (11. Brief). – Aber wie kann man von einem Franziskanerprieſter des heiligen Landes fordern, daß er einem jeden Pilger, der es wünſcht – unter dem ſeichten Vorwande der Wiſſen- ſchaftlichkeit – ein, zwei, drei, ſechs Wochen lang, täglich zur Seite ſtehe, ihn auf ſeinen Ausflügen begleite und ſeine unerſchöpflichen Fragen (Schiferle nennt ſich ſelbſt einen „Univerſalpilger“) beant- worte? Da ſinkt der Prieſter zum Lohnbedienten herab. Die Patres führen den fremden Pilger gerne auf deſſen Bitte zu den Sanctuarien, und damit iſt ihre Pflicht gethan. – Die Aufſtellung eines deutſchen Pilgerpaters für die Pilger deutſcher Nation, welche Schiferle im 11. Briefe beantragt, iſt nun durch die Ernennung zweier Kapläne für das öſterreichiſche Pilgerhoſpiz ausgeführt worden, und wir wünſchen mit ihm, daß dadurch für die Befriedigung wiſſenſchaftlicher und archäo- logiſcher Bedürfniſſe der Pilger und einzelner hiefür ſich beſonders intereſſirender Prieſter geſorgt ſei. (Vgl. Wiener-Literat. Zeit. 1858. N. 51). Uebrigens macht Schiferle eine richtige und praktiſche Bemer- kung am Schluſſe ſeines Buches, die wir für die Pilgercandidaten hie- her ſetzen: „Man ſollte nicht lange, etwa nur 14 Tage in Jeruſalem und an anderen heiligen Orten verweilen, ſonſt verliere man bei der menſchlichen Gebrechlichkeit die erhaltenen Gnaden wieder.“ Zu Seite 331. 45.). In der heiligen Grabkapelle wird täglich ein Conven- tualamt für die lebenden Wohlthäter des h. Landes in der chriſtlichen Welt geſungen. Sonntags iſt noch ſtille Meſſe für den Papſt, Mon- tags für den König von Sardinien, außerdem für die verſtorbenen Religioſen, Dienſtags für den König beider Sicilien, Mittwochs für 2 18 den König von Portugal, Donnerſtags für den Kaiſer von Oeſterreich, Freitags pro rege Franciae, Samſtags für den Regenten von Hiſpa- mien. Eigentlich werden außer dem geſtifteten Amte täglich zwei fixe Meſſen geleſen, einmal pro laborantibus terrae d. i. für Alle, die im Intereſſe des h. Landes wirken (durch Almoſenſammeln, Schriften u. ſ. w.); ferner für die geſtorbenen Wohlthäter und die Eltern der Religioſen. Jeden Samſtag trifft die mittelſt Aufrufes in den hiſtoriſch politiſchen Blättern geſtiftete Meſſe für das katholiſche Deutſchland. (Vgl. Sepp, Pilgerbuch, II. Lief. S. 393. Zu Zeite 332. 46.) Das katholiſche Oeſterreich hat bezüglich des Schutzes der Sanctuarien und der Ordensperſonen des heiligen Landes mehrere Verträge mit der Pforte geſchloſſen, namentlich den Vertrag von Kar- lowitz am 26. Jänner 1699, den von Paſſarowitz am 21. Juli 1718, den von Belgrad am 18. September 1739, den von Siſtow am 4. Auguſt 1791 u. ſ. w. Geſtützt auf dieſe Verträge hat auch der öſter- reichiſche Geſchäftsträger zu Conſtantinopel in einer Note an Ali Paſcha dd. 3. Februar 1851 in Vereinigung mit dem franzöſiſchen Botſchaf- ter die Zurückſtellung der uſurpirten Sanctuarien verlangt. Frankreich iſt alſo nicht die einzige katholiſche Macht, welche ſich des heiligen Landes annahm, leider aber iſt der Mangel des Einverſtändniſſes zwiſchen den katholiſchen Mächten in Jeruſalem ſelbſt die einzige Ur- ſache unſerer Verluſte und Demüthigungen. Man beſorgt mehr die Intereſſen der Nation als der katholiſchen Kirche. Man mache doch ein- mal – ruft Abbé Mislin in der Einleitung zu den heiligen Orten S. XLIII aus – dieſem bedauerungswürdigen Zuſtande der Dinge ein Ende. Seien wir Katholiken, und zwar vor allem Andern Katho- liken; dies wird uns nicht hindern gute Franzoſen und Oeſterreicher, gute Spanier, Italiener und Portugieſen zu ſein. – Oeſterreich hat im letzten Jahrhundert in weniger als dreißig Jahren (1755–1782) 11.326 Ducaten, d. i. beiläufig anderthalb Millionen Franken in das heilige Land geſchickt, nebſtdem eine beträchtliche Menge Ornamente jeder Art. Faſt alle Geſchenke kamen von der kaiſerlichen Familie. Plötzlich hob Joſeph II. das Wiener-Commiſſariat für das hei- lige Land auf, und verbot die Ueberſendung von Almoſen nach dem Auslande. Aber Kaiſer Ferdinand I. ſtellte am 19. November 1843 dieſes Commiſſariat zu Wien wieder her, und geſtattete, daß jährlich am Charfreitag in allen Pfarrkirchen der Monarchie eine Sammlung veranſtaltet werde, deren Ertrag den heiligen Orten zukom- men ſollte. – Die Beaufſichtigung und Leitung der neuen Behörde wurde dem jeweiligen Fürſterzbiſchofe von Wien übertragen, der ſich auch einen Stellvertreter wählen kann. Der jetzige Generalcommiſſär iſt der verdienſtvolle P. Matzek im Franziskanerkloſter zu Wien. – Für das geiſtliche Bedürfniß der Pilger wird nach den Statuten durch 4–6 Miſſionsprieſter geſorgt, welche außer der deutſchen, auch noch der ſlaviſchen oder ungariſchen, der italieniſchen oder franzöſiſchen Sprache kundig, aus dem öſterreichiſchen Staate nach Jeruſalem ſelbſt oder einem der Klöſter Syriens oder Aegyptens abgehen und dort 19 unterhalten werden ſollen. Der Miſſionsdienſt umfaßt ſechs Jahre, binnen welcher der Miſſionär der Seelſorge obliegen, auch ſich die Sprache der Gegend, in welcher er wirkt, nach Thunlichkeit aneignen ſoll. Das Commiſſariat bringt die Miſſionäre dem Erzbiſchofe in Vor- ſchlag. Bisher wurden nur Ordensprieſter gewählt, im Jahre 1863 bewarben ſich zwei Weltprieſter (Vergl. das Rundſchreiben an die HH. Biſchöfe in der Note 75) um dieſe Stelle und erhielten ſie als Kapläne, reſp. Rectoren des neuen öſterreichiſchen Pilgerhoſpizes. – (In neuerer Zeit hat ſich auch in Köln eine Geſellſchaft unter dem Na- men Verein des heiligen Grabes gebildet, der ſich raſch ent- faltete). Zu Seite 334. 47.) In neuerer Zeit iſt der Zutritt zu dem El Scherif, d. h. zum Tempelplatze und der Beſuch der Omarmoſchee den Fremden erleichtert worden, beſonders wurde dieß allen Chriſten in Jeruſalem für den Tag geſtattet, wo ein europäiſcher Prinz dieſelbe beſuchte. So ſahen die Omarmoſchee Mislin, Sepp, Alban Stolz, Kaltner, Frankl, Buſch 1c. Die ſchwediſche Schriftſtellerin Friderike Bemer (Leben in der alten Welt, X. Theil, S. 4, Leipzig, Brockhaus 1862), welche die Moſchee an dem Tage ſah, wo ſie der Großfürſt mit ſeiner Gemalin beſuchte, ſagt darüber: „Die Mohamedaner waren augenſcheinlich er- bittert über dieſe Ueberſchwemmung ihres heiligen Haramsplatzes, und einige Herren mußten dieß auf eine ziemlich fühlbare Weiſe bemer- ken.“ – Als der unerſättliche Titus Tobler von dieſer Erleichterung des Zutrittes zum Haram el Scherif hörte, unternahm er eigens eine dritte Jeruſalemsreiſe, ohne jedoch trotz allen Verſuchen ſeine Abſicht zu er- reichen, worauf er ganz erboßt zurückkehrte und ſeinen Groll in der Allg. Zeitung bekannt machte. Die Wiſſenſchaft kann ſich über ſeinen Grimm tröſten. Dr. Titus Tobler iſt Proteſtant und lebt als prak- tiſcher Arzt im Curorte Horn am Bodenſee. Er beſuchte Jeruſalem 1835, 1845 und 1858, mit dem Vorſatze, das Dunkle oder Halbdunkle in den literariſchen Werken über das heilige Land aufzuhellen, Irriges zu berichtigen, Lücken zu ergänzen, etwa Neues zu entdecken. Mit gro- ßer und ſorgfältiger Vorbereitung ging er daran, 696 Folioſeiten Auszüge aus anderthalbhundert Werken begleiteten ihn in die heilige Stadt. Als Reſultate ſeiner Forſchungen veröffentlichte er: Bethle- hem in Paläſtina (St. Gallen 1849), Golgotha, ſeine Kirchen und Klöſter (1851), Siloah quelle und der Oelberg (1852), Denkblät- t er aus Jeruſalem (1852), Topographie von Jeruſalem und ſeinen Umgebungen (Berlin 1853). Man kann den ſchreibſeligen Doctor in der Jeruſalem-Literatur nicht ignoriren, aber er wird mit ſeinen galli- gen Ukaſen Niemanden imponiren. Man kann ſeine Werke leſen aber nicht empfehlen. Durch ſeine Arbeit ſind allen ſpäteren Touriſten die Forſchungen erleichtert worden, obwohl ſie auch dieſen nur als Vorar- beit gelten kann. Freunde und Feinde des heiligen Grabes werden über den kühnen Niederreißer der altehrwürdigen Traditionen her- fallen, jene um ihn zu widerlegen, dieſe um ihn zu übertreffen, 2 * 20 Zu Seite 342. 48.) Sepp (Pilgerbuch S. 539 ff.) ſucht die Anſicht zu begrün- den, daß St. Johann in der Wüſte nicht der eigentliche Wohnſitz des Vorläufers Chriſti war, ſondern daß es eine früher chriſtliche Anſied- lung ſei, welche in dieſem blühendſten Thale Judäa's eine Kirche zu Ehren des h. Johannes Baptiſta baute, worauf der Kirchenpatron die fragliche Ueberlieferung nach ſich zog. Damit zerfällt aber auch der poe- tiſche Glaube, der ſich wenigſtens ſeit den Kreuzzügen ausgebildet hat, hier ſei der Ort Mariä Heimſuchung, wo die Madonna das Mag- nificat angeſtimmt. Gegenwärtig wird an dieſer traditionell bezeichne- ten Stelle, wo Eliſabeth heimgeſucht ward, eine neue Kapelle erbaut; der ganze Ort iſt mit einer Ringmauer umgeben und mit einer Thüre von Eiſen verſehen. (Aus einem Briefe aus dem h. Lande vom 26. Juni 1862 an Dr. Sepp in der Sion, Dezemberheft 1862). Bu Seite 344. 49.) Die h. Helena ſandte ein Stück des wahren Kreuzes ihrem Sohne nach Conſtantinopel; ein anderes Stück wnrde für dieje- nige Kirche nach Rom geſchickt, welche ſie daſelbſt unter dem Namen des h. Kreuzes von Jeruſalem (S. Croce in Gerusalemme) gründete. wo es ſich noch heute mit der Ueberſchrift befindet, welche an das Kreuz des Erlöſers geheftet worden war. Der größte Theil des wahren Kreuzes blieb in Jeruſalem, in der Kirche der Auferſtehung oder des heiligen Grabes. Nach mannigfaltigen Schickſalen (ſiehe Mislin, die heiligen Orte, II. Band, S. 262, ff.) erhielten es die Chriſten wieder bei der Einnahme von Damiette. Schon damals waren mehrere Stücke davon abgelöſt, und von dieſer Zeit an wurde es ins Unendliche ge- theilt, ſo daß man heutzutage in allen Ländern der Welt Theilchen davon findet. – Das größte Stück des heiligen Kreuzes, welches vor- kommt, iſt vielleicht das, welches ſich im Kloſter Heiligenkreuz bei Wien befindet. Herzog Leopold VII. von Oeſterreich erhielt es im Jahre 1162 von dem König von Jeruſalem in Paläſtina. Fünf Jahre dar- nach ſchenkte er es dem Kloſter Sattelbach, welches ſeitdem Heiligen- kreuz heißt; dieſe Reliquie iſt noch heutigen Tages in dieſem Kloſter. Sie hat die Geſtalt eines Doppelkreuzes, und obgleich einige Stückchen weggenommen wurden, iſt es noch immer neun Zoll lang, drei viertel Zoll breit und einen viertel Zoll dick – Im Schatze der Hofkapelle in Wien gibt es mehrere kleine Stücke des wahren Kreuzes; unter an- dern auch eines, welches Carl V. in allen ſeinen Schlachten bei ſich getragen hatte. Ein zweites befindet ſich in der Kathedrale von St. Stephan. – Ein Stück des h. Kreuzes, womit Albrecht der Siegreiche. Markgraf von Oeſterreich, das Kloſter Mölk beſchenkte, befindet ſich daſelbſt. Er ſelbſt hatte es von Popo, Erzbiſchof von Trier, ſeinem Anverwandten, erhalten, als derſelbe im Jahre 1039 aus Paläſtina zurückkehrte. (Siehe Keiblinger, Geſchichte des Stiftes Mölk). Zu Zeite 347. 50.) Das gewöhnliche arabiſche Brod hat die Form eines klei- nen runden Kuchens und iſt recht ſchmackhaft. Für die Franken wird von jüdiſchen Bäckern ſchönes weißes Brod gebacken. Kuhmilch iſt ſehr 21 ſchwer zu bekommen, dagegen Ziegenmilch leicht. Die Hauptſpeiſe iſt Pilav, d. i. gedämpfter und mit Butter oder Oel geſchmalzter Reis. Das alltägliche Fleiſch iſt das leckere Schafsfleiſch. Wohlhabende eſſen auch Hühner und Haſen; Rindfleiſch iſt höchſt ſelten, Kalbfleiſch gar nicht zu haben. Alle Eierſpeiſen und Gemüſe werden in Oel gekocht. Der gemeine Mann kennt nichts als Kaffee, Reis, Brod und dazu Früchte, unter welchen Orangen, Melonen und Feigen die Hauptrolle ſpielen. Das Tiſchtuch der Araber iſt von Leder und wird auf dem Bo- den ausgebreitet. Zu Seite 348. 51.) Eine für das nächſte und allgemeine Bedürfniß berechnete Sammlung arabiſcher Wörter und Redensarten findet ſich in dem Büchlein: „Arabiſcher Dragoman für Beſucher des heiligen Landes von Wolff“ (Leipzig, bei Weber), und iſt Pilgern nach Jeruſalem als Noth- behelf zu empfehlen. Zu Seite 349. 52.) Gegenwärtig ſind in Jeruſalem zwei Gaſthöfe vorhan- den, ſollen aber nach dem Verhältniß deſſen, was ſie verlangen, zu dem was ſie bieten, die theuerſten im ganzen Morgenlande ſein. (Buſch, I. 231). Zu Seite 350. 53.) Die proteſtantiſche Miſſion ſuchte im Orient feſten Fuß zu faſſen. Beſonders hätte der Libanon und Jeruſalem die Opera- tionsbaſis des Evangeliums werden ſollen, und in der That verſäumte man nicht in Ausſtreuung von Bibeln und Traktätlein „das Papſtthum“ allſeitig anzugreifen; aber die dort ſtationirten Miſſionäre ſagen ſelber, daß ſich ſeit zwölf Jahren erſt ſchwache Anfänge der Wirkſamkeit zei- gen, (Graul, Reiſe nach Oſtindien über Paläſtina, Leipzig 1854, S. 96, und Liebetrut, Reiſe nach dem Morgenlande, Hamburg 1854, S. 142), obwohl ihnen die reichſten Hilfsquellen zu Gebote ſtehen. Für Jeruſalem allein werden 30.000 Thaler jährlich verwen- det. – Ueber die äußere Phyſiognomie der proteſtantiſchen Miſſion in Jeruſalem äußert ſich der Proteſtant Moritz Buſch in ſeiner „Wallfahrt nach Jeruſalem“ II. B. S. 44 ff.: „Zuerſt vorwiegend engliſch in der Zuſammenſetzung ihres fränkiſchen Theils, begreift ſie nun mehr Deutſche als Engländer in ſich. Die Proteſtanteu ſind in Anhänger des Biſchofs und Anhänger des engliſchen Conſuls geſchieden. Man hat bei dem hebräiſchen Gottesdienſt in der Zionskirche Gebetbücher mit den gewöhnlichen jüdiſchen Synagogengebeten in Gebrauch, welche letztere nur wenig abgeändert, nur mit einigen Anſpielungen auf chriſtliche Glaubensſätze vermehrt ſind. Die Miſſion iſt eine Specula- tion auf die Armuth der jeruſalemer Judenſchaft . . . Der Geiſt, der die jeruſalemer Proteſtanten mit wenigen Ausnahmen erfüllt, iſt eine Mixtur aus engliſchem Hochkirchenthum, jüdiſchem Weſen und deutſchem Pietismus, wozu ſich in neueſter Zeit noch ein bedenklicher Chiliasmus geſellt hat.“ – Die Seelenzahl der proteſtantiſchen Gemeindeglieder in Jeruſalem überſteigt nicht hundert, ungeachtet der anſehnlichen An- zahl von Miſſionären, Gehülfen und Beamten ihrer verſchiedenen 22 Anſtalten, den getauften Proſelyten und endlich den beiden Konſuln und ihren Familien. – Die Angabe über den Zauber der klingenden Münze zur Vermehrung der Proſelyten ſtammt von dem berühmten Orientaliſten Tiſchendorff (Reiſe in den Orient, Leipzig 1846, Bd. II. S. 55). Die Proteſtanten, die ihre Religion ernſtlich auffaſſen, haben die Miſchlingsſchöpfung des anglo-preußiſchen Bis- thums zu St. Jakob in Jeruſalem höchlichſt mißbilligt. Auch in den Jahrbüchern des Chriſtenthums ſteht ein ſolch gemiſchter amphibienar- tiger Biſchof beiſpiellos da. – Monſ. Mislin befürchtet, daß die Be- ſtrebungen der proteſtantiſchen Miſſion mehr im Zweck gegen die katholiſche Kirche als gegen Türken und Juden gerichtet ſeien. In ſei- neñh mit Sorgfalt und Fleiß geſchriebenen Werke: Die heiligen Orte, lI. Band, S. 633 ſchließt er das 31. Kapitel mit folgenden Worten: „Unſere Miſſionäre waren ſeit Jahrhunderten in Jeruſalem, ſie genoſ- ſen dort keiner Ruhe, Gott weiß es, aber an ihre alten Feinde ſchloß ſich ein neuer, der weit kühner iſt als alle andern, und der ſeine Ab- ſicht, unſere Miſſionäre zu vertreiben, laut ausſpricht.“ Näheren Auf- ſchluß gibt das citirte Kapitel. Zu Seite 352. 54.) Die Griechen ſind die mächtigſte, zahlreichſte und wohl- habendſte Partei in Jeruſalem. Allenthalben, wo ſich Gelegenheit fin- det, machen ſie Ankäufe von Grund und Boden, erweitern und ver- ſchönern ſie ihre Klöſter und Häuſer. Beliebt ſcheinen ſie in Jeruſalem nirgends zu ſein; der Hauptgrund davon liegt jedenfalls in ihrem eige- nen Haß gegen Andersgläubige und in ihrem Beſtreben auf jede Weiſe die heiligen Orte ganz für ſich zu erwerben, außerdem aber in ihrem Hochmuth, ihrem Geiz und ihrem verſchmitzten treuloſen Weſen. Sie ſind zum Theil Handwerker, zum Theil Handelsleute. Rußland ſendet große Summen. Die Verbindung der Küſte mit der heiligen Stadt durch eine fahrbare Straſſe iſt auf Veranlaſſung Rußlands zu Stande gekommen. Auch haben die Ruſſen vor dem Jaffathore, einen Büchſen- ſchuß weit von der Nordweſtecke der Stadt links eine Art Vorſtadt – Neu Jeruſalem – angelegt, und im Jahre 1860 am Geburtstage des Czar Alexander II. den Grundſtein zur Alexanderkirche gelegt, welche Grüfte für die Metropoliten bekommt. Eine Ringmauer um- zieht bereits dieſe Vorſtadt. (Sepp, Pilgerbuch. I. Lief. S. 67). Jeden- falls iſt Rußland der thätigſte Feind der katholiſchen Kirche im Oriente. Es hat ſeit dem letzten Kriege ſeinen Einfluß im Orient nicht verloren, und wird auch ſeine Anſprüche auf den Orient nie aufgeben. Die Religion iſt das Werkzeug ſeines Ehrgeizes, und es weiß ſich deſſen muſterhaft zu bedienen; es ſpricht von einer heiligen Miſſion die es zu erfüllen habe, und von dem heiligen Kriege, den es zur Ver- theidigung der bedrohten orthodoxen Religion gegen die Ungläubigen beginne. Die Czaren ſchützen das Schisma, und das Schisma ſchützet ſie. Der griechiſche Klerus ſteht auf allerlei Art und Weiſe im Solde Rußlands und iſt ihm ganz und gar ergeben. Es iſt auch ganz natürlich, daß die im weiten Orient zerſtreuten, verloreneu, vergeſſe- nen, von den Türken ſeit Jahrhunderten unterdrückten Griechen das 23 heilige Rußland als Rächer alles erlittenen Unrechtes anſehen, als Beſchützer des Kreuzes gegen den Halbmond. Es iſt dieß aber auch eine der größten Gefahren, die Europa bedrohen. (Vgl. Mislin, die heiligen Orte, 1. B. Einleitung S. XLII.) ZU Seite 352. 55.) Die Frage der heiligen Orte war in der jüngſten Zeit in die Frage der Integrität des osmaniſcheu Reiches umgewandelt worden. Es kam zum merkwürdigen Feldzug in der Krim im Jahre 1853 und 1854, welcher mehr als 300,000 Menſchen das Leben ge- koſtet hat, ohne daß ein mit den ungeheuren Verluſten im Gleichgewicht ſtehendes Reſultat erzielt worden wäre. Nach den fruchtloſen Wiener- Verhandlungen wurde der Pariſer Friede am 30. März 1856 unter- zeichnet. – Die Frage der heiligen Orte wird jedoch darin mit keiner Shlbe beſprochen; – an Jeruſalem und das heilige Grab dachte Nie- mand mehr, ja es ſcheint faſt, als habe man die heilige Dreieinigkeit dem Sultan Abdul Medſchid geopfert, weil man im Vertrage nicht mehr wie früher die Formel: "Im Namen der allerheiligſten und un- theilbaren Dreieinigkeit“ begann, ſondern: „Im Namen des allmäch- tigen Gottes“. (Vgl. Mislin, die heil. Orte, Einleitung, S. XXXVI). – In unſerer an Curioſitäten ſo reichen Zeit iſt auch ein Project aufge- taucht, das in ſeiner Art charakteriſtiſch iſt, und eben als Curioſum hier erwähnt werden ſoll. Ein apoſtaſirter Abbé Michou hat in einer eige- nen Schrift: „Das Papſtthum in Jeruſalem“, den tollen Vor- ſchlag gemacht, der Papſt ſolle ſich aller weltlichen Macht begeben, und dann in Jeruſalem ſeine Reſidenz aufſchlagen. Ein ſolcher Vor- ſchlag heißt doch die ganze Geſchichte und welthiſtoriſche Miſſion der abendländiſchen Kirche verkennen – Anderes zu geſchweigen. – Ein nicht minder abenteuerliches Gegenſtück bilden nach dem Buche des Dr. Peter Hatala aus Betdſchala vom Jahre 1857 die Abſichten Ruß- lands: in Paläſtina und eigentlich zu Jeruſalem ein neues Rom zu er- richten, ein Anti-Roma. Ein ruſſiſcher Erzbiſchof ſoll da ſeinen Sitz auf- ſchlagen und mit Hilfe eines Prieſtercollegiums und Archimandriten, ſowie eines aus eingebornen Arabern zu bildenden Clerus für die ruſſiſche Kirche Boden gewinnen, und ſo den orthodoxen Glauben ver- breiten. – Beide Pläne bürgen dafür, daß die heilige Stadt unter der Herrſchaft des Großtürken bleiben wird. (Ausland 1862, Nr. 45). Zu Seite 353. - 56.) Seitdem iſt das theologiſche Seminar von Jeruſalem nach dem Dorfe Beit Dſchala, welches auf einer angenehmen und geſunden Anhöhe in der Nähe von Bethlehem ſich befindet, verlegt worden, wo der Patriarch ein eigenes Haus und eine neue gothiſche Kirche baute. Zwar erhoben anfangs die fanatifirten Griechen Tumulte dagegen, ſuchten den exponirten Miſſionär zu tödten, ſtürmten das Haus des Patriarchen und überhäuften dieſen ſelbſt mit Beleidigungen. In Folge deſſen zog ſich der Patriarch mit dem franzöſiſchen Conſul nach Jaffa zurück, und wandte ſich mit ſeinen Beſchwerden nach Conſtanti- nopel. Der Divan bewilligte dem lateiniſchen Patriarchen eine glän- zende Genugthuung, und im Triumphe zog Valerga wieder in Jeru- 24 ſalem ein. (S. Mislin, die heiligen Orte. III. B. S. 117). In dem oben genannten Prieſterſeminar (26 Alumnen, lauter Eingeborne), wirken belgiſche, franzöſiſche und italieniſche Profeſſoren, namentlich aber der Ungar Dr. Hatala ſeit 1855 mit Erfolg. (Sepp, Pilgerbuch, III. Lief. S. 533). Zu Zeite 353. 57.) Eine beſſere Wendung für die Kalholiken im Orient wird dann nur werden, wenn Frankreich und Oeſterreich dort Hand in Hand gehen. Oeſterreich, das ſo viel für die Katholiken im heiligen Lande thut, hat als Mittelglied für deutſche Cultur und für deutſche Intereſſen im Oriente eine wichtige Miſſion. Mehr als es den An- ſchein hat, können dazu die neu organiſirten Pilgerkarawanen beitragen, wenn ſie nur gehörig geleitet, geregelt und unterſtützt werden. Dieſe friedlichen Kreuzzüge ſind ein offenes Glaubensbekennt- niß und ſind ebenſoſehr eine factiſche Verurtheilung der ſchismatiſchen Uebergriffe als der nationalen Ueberſpanntheit. Die katholiſche Kirche wird und muß beide beſiegen, weil ſie die Wahrheit iſt, erhaben über alle Vorurtheile; wo die reinere Abſicht iſt, dahin wird ſich die Wag- ſchale ſenken. Zu Zeite 354. 58.)Ernſt Marinelli, reg. Lateran. Chorherr des Collegiat- ſtiftes St. Florian, derzeit Profeſſor an der k. k. Genie-Akademie zu Bruck an der Thaya, hat eine Sammlung von Gedichten, betitelt: „Des Sängers Pilgerfahrt“ , (Wien, Pichler 1855) veröffent- licht, mit einem Anhang, beziehungsweiſe Erläuterungen für einige in obigen Liedern vorkommende Stellen. Marinelli verweilte im hei- ligen Lande nach unſerer Abreiſe noch vier Monate, wurde im Septem- ber zu Jeruſalem fieberkrank, und erholte ſich erſt in der Heimat wieder. In der Nähe der großen Omarmoſchee, wohin er ſich einſt verirrte, hatte er ein kleines Attentat zu beſtehen. Man hetzte Hunde auf ihn, bewarf ihn mit Steinen und zwei Männer fielen über ihn her, die er jedoch glücklich bewältigte. Marinelli wurde zu Jeruſalem Ritter vom heiligen Grabe des Erlöſers, und Se. Majeſtät der Kaiſer von Oeſterreich zeichnete ihn mit Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Joſeph-Ordens aus. Ju Seite 356. - 59.) Die äußere Phyſiognomie Jeruſalems hat ſich ſeit einem Dezennium zum Beſſeren verändert, was dem wachſenden Einfluß der Fremden zuzuſchreiben iſt. Mehrere große – jeder Reſidenz Ehre machende Gebäude wurden aufgeführt, Schulen errichtet, alte Wohn- gebäude niedergeriſſen und durch neue erſetzt. Eine natürliche Folge hievon iſt die größere Thätigkeit in den Straſſen, wo jetzt eine Menge Leute in Bewegung ſind und eine größere Geſchäftigkeit und erhöhter Geſchäftsbetrieb herrſcht als früher. (Vgl. Robinſons neues Werk: Later Biblical Recearches in Palestine and the Adjacent Re- gions, London, bei Murray, 1856. Ausland, 1856. S. 46). 25 Zu Seite 360. 60.) Das franzöſiſche Dampfſchiff "Tancred“ ſcheiterte ein Jahr ſpäter vor Alexandrien. Zu Seite 364. 61.) Bald nach unſerer glücklich vollbrachten Pilgerreiſe wurde die fatale Quarantäne für Syrien und Egypten aufgehoben, ſo daß wir richtig die letzten Opfer dieſer beutelſchneideriſchen Maßregel NV(Tell. Zu Seite 371. 62.) Abbas Paſcha iſt ſeitdem geſtorben, auch Said Paſcha, der ihm als Vicekönig in Egypten in der Regierung folgte. Zu Seite 373. 63.) Von dieſen Miſſionären nach Centralafrika ſind im kurzen Verlaufe faſt alle geſtorben, auch der muthige Dr. Knoblecher, welcher auf einer Reiſe nach Rom zu Neapel das Zeitliche ſegnete. – Lehrer Hanſal kehrte nach Wien zurück und veröffentlichte ſeine Reiſenotizen. Zu Zeite 378. 64.) Die erſte franzöſiſche Karawane nach Paläſtina war am 23. Auguſt 1853 aus Marſeille gezogen und beſtand aus 40 Pil- gern. Eine Beſchreibung dieſer Pilgerreiſe lieferte Louis' Enault: La terre-sainte, voyage des quarante pèlerins de 1853. Paris 1854. Zu Seite 380. 65.) Im Jahre 1839 gründete Gregor XVI. ein apoſtoliſches Vicariat für Ober- und Unteregypten und für Arabien. Alle Francis- kaner aber, die ſich in Egypten befanden, blieben fortan ein Theil der Familie der Terra sancta, und als Mönche abhängig vom P. Cuſtos von Jeruſalem; als Miſſionäre wurden ſie unter die Jurisdiction der apoſtoliſchen Vicare in Egypten geſtellt, deren erſter ein Franziskaner, der Biſchof Guasco war (er iſt vor etlichen Jahren geſtorben). 4. - Zu Zeite 382. 66.) Seit 1855 führt eine Eiſenbahn mit bequemen Wagen in ſieben Stunden von Alexandrien nach Cairo; und auch Cairo iſt mit dem rothen Meere durch einen Schienenweg verbunden. Der Zug der Fremden – beſonders Bruſtkranker – nach Egypten nimmt mit jedem Jahre zu; ein Winter in Egypten ſoll aber auch das Köſtlichſte ſein, was man ſich denken kann, da von November bis März daſelbſt ein immerwährender milder Sommer iſt. Zu Seite 382. 67.) Herr Joſeph Hubinger, Stiftsherr zu St. Peter in Wien, veröffentlichte ſeine Reiſe-Erlebniſſe in einem „Nachtrag zu den Pilgerbriefen«, welcher im öſterreichiſchen Volksfreund 1853 in drei Abtheilungen erſchien, und der erſten Auflage meiner Pilger- briefe angeſchloſſen war. Hubinger machte von Malta über Meſſina nach Neapel eine theilweis gefährliche und mit vielen Entbehrungen verbundene Seereiſe, kam glücklich nach Rom, wo er beim heiligen Vater (der ihn ſpäter zum päpſtlichen Ehrenkämmerer erhob) eine Privat-Audienz hatte, verrichtete zu Loretto die Schlußandacht ſeiner Pilgerreiſe, und kehrte über Ancona-Trieſt in die Vaterſtadt Wien zu- 26 rück, wo er am 21. October – einen Monat ſpäter als ich – wohl- behalten eintraf. Seine ſchön geſchriebenen drei Berichte beſchloß er mit folgenden Worten, welche auch in dieſem Buche eine paſſende Stelle finden: „Und nun danke ich mit tief gerührteſtem Herzen dem Allmächtigen für die Fülle der Gnaden, die mir an den heiligen Orten, die ich betreten, zugefloſſen ſind und für den liebevollen Schutz, den ich in ſo vielen ſchweren und gefährlichen Momenten erfahren habe; ich danke innigſt den hochverdienten Repräſentanten Oeſterreichs, den Herren Konſuln und den ſämmtlichen hochwürdigen Kloſter- vorſtänden Syriens und Egyptens, die mich überall mit freundlichſter Zuvorkommenheit aufgenommen und mit größter Bereit- willigkeit auf der Reiſe unterſtützt haben; ich danke herzlichſt meinen lieben Reiſegefährten, die mir ſo viel Freundſchaft und Nachſicht bewieſen haben, ich danke allen jenen Seelen, die in treuer Anhäng- lichkeit und liebevoller Theilnahme Gebetsopfer für mich dargebracht haben – mögen ſie Alle, geſegnet mit dem apoſtoliſchen Segen des h. Vaters, den ich für ſie erbeten habe, auch in Zukunft mir ein freundliches Andenken bewahren!“ Zu Seite 390. 68.) Hr. Joſeph Leonard Mahr veröffentlichte auf Verlan- gen ſeiner Landsleute ſeine Reiſenotizen im Tirolerbothen, Jahrgang 1854. Mayr lebt gegenwärtig als Privatier in ſeiner Vaterſtadt Lienz im Puſterthale. – Hr. Honorat Santo Caſella ſtarb im Jahre 1860 zu Augsburg eines plötzlichen Todes. Zu Zeite 393. 69.) Ueber den Entſchluß und die Vorbereitungen zu einer Pilgerreiſe ſchrieb ich auf eine Anfrage folgenden Brief ddo. St. Pölten, 2. Februar 1855, der vielleicht Manchem nicht ungelegen "kommt. „Euer Hochwürden! Lieber Herr Pfarrer! Ihre projektirte Pilgerreiſe iſt ein edles und großes Unternehmen, und ich meine, Sie ſollten ſich (wenn Sie die oberhirtliche Einwilligung haben) durch nichts abſchrecken oder einſchüchtern laſſen. Gott, der Ihnen das Wollen gegeben, wird auch das Vollbringen geben. So war es auch bei uns. Halten Sie nur den Gedanken feſt, und ich bin überzeugt, er laßt Ihnen keine Ruhe mehr. Ich würde Ihnen gewiß nicht ſo zureden, wenn ich Ihnen nicht das ſelige Glück gönnte, am Grabe des Erlöſers zu beten und dieſe heilige Erinnerung bis zum Tode zu bewahren. – Das Untenehmen des Severinus-Vereins war ein ſehr zeitgemäßes, und ich bin froh, daß das katholiſche Oeſterreich hinter Frankreich nicht zu rückgeblieben iſt. Auf Entbehrungen, Ueberwindungen und Opfer der inneren Selbſtverläugnung dürfen Sie ſich im Vorhinein gefaßt ma- chen. Da das Reiſen ſonſt ſo erleichtert iſt, ſo mag man die kleine Mortifikation ſchon ſich gefallen laſſen. – Ihre Anfragen glaube ich in Kürze mit Folgendem beantworten zu können. 1. Die Zeitverhält- niſſe ſind gerade jetzt für die Pilgerreiſe ſehr günſtig; die Türken ſte- hen mit Oeſterreich auf gutem Fuße. Schon zu unſerer Zeit ſtand Deſterreich in großem Anſehen. – 2. Was die Kleidung betrifft, ſo tragen Sie ſich einfach im Civil, ein Abbérock dürfte am entſprechend- d 27 ften ſein, für Jeruſalem eine Klerik. Türkiſches Koſtüm brauchen Sie gar nicht. Wäſche zu dreimaligem Wechſel eine Jacke oder Bauchgurte von Schafwolle und eine wollene Decke zum Zudecken iſt ſehr gut gegen die Verkühlung, ich trug ſie immer im Oriente; einen Mantel oder warmen Ueberrock, einen kleinen Koffer nebſt Reiſeſack für das Nöthigſte. – 3. Geld, – je mehr, deſto beſſer. Im Oriente gehen alle öſterreichiſchen Münzen, Zwanziger, Dukaten, beſonders beliebt ſind die Maria Thereſia Thaler; ſonſt kurſirt viel franzöſiſches Geld, Frankenſtücke u. dgl. Es iſt beſſer, Sie nehmen ſich das Geld mit, als daß Sie ſich Wechſel beſorgen, denn ſie koſten viel, und man hat allerlei Umſtändlichkeiten, ohnehin dauert ja die Reiſe nur zwei Monate; höchſtens nach Alexandrien könnten Sie ſich bei Sina oder anderswo eine Anweiſung geben laſſen. – 4. Als Reiſedokument iſt ein Regie- rungspaß nöthig, vom türkiſchen Geſandten vidirt, und eine litera commendatitia Ihres Erzbiſchofes, wegen der nöthigen Ertheilung der Meßlicenz beim Patriarchen in Jeruſalem und beim Biſchofe in Alexandrien. – 5. An Büchern rathe ich Ihnen mitzunehmen, ent- weder Mislin's Pilgerreiſe nach Jeruſalem, oder Schiferle's Reiſe in's h. Land (Augsburg, bei Kollmann, 2 Thlr.); Sie werden es ſelbſt er- proben, daß man auf der Reiſe nicht viel Zeit und Dispoſition zum Leſen hat, beſonders, wenn Sie, wie ich, mit der Seekrankheit zu ſchaffen haben. Die Lektüre iſt zu Hauſe dann um ſo lohnender. Jeden- falls nehmen Sie eine Bibel des N. T. (im kleinen Formate) mit, und ein anzuſchreibendes Tagebuch, denn Letzteres iſt eine unverſiegbare Quelle herrlicher Erinnerungen; dieß fühle ich jetzt am meiſten, wo ich mein mit Bleiſtift geſchriebenes Tagebuch rein ſchreibe. Ich gebe meine Erlebniſſe um eine ganze Welt nicht her. – 6. An Präſervativen rathe ich Ihnen ein Fläſchchen Arnica und etwa Magentropfen. Ich gebrauchte gar kein Medikament auf der Reiſe – Gott gebe auch Ihnen dieſe Gnade, Sie ſind jung genug, um die Reiſeſtrapazen zu ertragen. Wenn Sie noch nicht reiten können, ſo nehmen Sie früher einige Lektionen, es iſt gut, experto crede Ruperto. – 7. Fremde Spra- chen brauchen Sie keine, außer Italieniſch. Ich möchte Ihnen rathen, gleich nach Empfang dieſes Briefes damit anzufangen – man kann Vieles, wenn man will. – Verzeihen Sie mir meine Weitläufigkeit, aber es that ſich mir das Herz auf, und ich ließ meine Feder ſchreiben, als ob ich Sie ſchon lange kennen würde. Gehen Sie in Gottes Namen. Ich begreife es, daß Sie bei Tag und Nacht der h. Gedanke beſchäftigt, aber ſo muß es ſein, daß man gleich den Kreuzfahrern ausruft: „Gott wills!" Zu Zeite 394. 70.) Wohlgemerkt, dieſe Zeilen wurden ganz ſo, wie ſie daſtehen, im Jahre 1853 geſchrieben, wo noch Niemand in Oeſterreich an eine Pilgerkarawane dachte, enthielten alſo die erſte Aufforderung zur Organiſirung einer deutſchen Pilgerkarawane nach dem Muſter der erſten franzöſiſchen. Meine veröffentlichten und vielgeleſenen »Pilger- briefe“ ſowie Privatgeſpräche trugen auch das ihrige zur Beſeitigung ſo mancher Bedenken bei. Es ſei dieß insbeſondere gegen Dr. Priſac, 28 Stiftsherrn zu Aachen geſagt, der im Jahre 1854 im Gefolge der zweiten franzöſiſchen Pilgerkarawane eine Pilgerreiſe in das heilige Land“ machte, die er in Münſter 1858 veröffentlichte. Er täuſcht ſich, wenn er glaubt, ſeine im Gefolge einer franzöſiſchen Karawane unter- nommene Pilgerfahrt habe einen Einfluß auf die Bildung der deut- chen Pilgerzüge gehabt. Auch Hr. J. A. Kaltner von Salzburg konnte den frommen Mittheilungen, die er veröffentlichte (Salzburg 1855). wohl nur mittelſt eines Tropus den Titel geben: die erſte deutſche Pilgerfahrt nach Jeruſalem und Paläſtina, (ſoll wohl heißen die erſte vom Severinusvereine zu Wien organiſirte Pilgerfahrt), denn unſere Karawane fiel ein Vierteljahr früher als die franzöſiſche und andert- halb Jahre früher als das Programm des Severinusvereines zu Wien. Dieß zur Steuer der Wahrheit. Uebrigens iſt es im Grund gleichgiltig, wem die Präcedenz der neuen Anregung der alten katholiſchen Idee gebührt. Wir wollen uns vielmehr freuen, wenn die Sehnſucht nach dem h. Lande in recht vielen Herzen entbrennt, und die Pilgerreiſen dahin den Gemüthern eine höhere Richtung, dem Willen mehr Kraft und Stärke, überhaupt eine freiere Weltanſchauung gewähren. (Vgl. Kathol. Lit. Zeit. 1859. Nr. 28). Zu Seite 394. 71.) In Oeſterreichs Hauptſtadt gab der Severinusverein den Im- puls zum Zuſtandekommen regulirter Pilgerkarawanen nach Pa- läſtina. – Die erſte derſelben beſtand aus 18 Pilgern, und vollführte die Reiſe im Jahre 1856, 18 Monate nach der erſten franzöſiſchen Karawane. Die Erlebniſſe derſelben veröffentlichten folgende Mitglie- der: 1. P. Urban Loritz, Pfarrer am Schottenfeld zu Wien in brieflichen Berichten an den öſt. Volksfr. 2. Joh. Al. Kaltner, Spitalpfarrer zu Salzburg, (die erſte deutſche Pilgerfahrt, Salzburg 1856). 3. Philipp Mayer, frei reſignirter Pfarrer aus Baiern, (Erinnerungen aus Jeruſalem und Paläſtina, München 1858). 4. Dr. Alban Stolz, (Beſuch bei Sem, Cham und Japhet, Freiburg 1857). – Seitdem wurden ſie -– eine Unterbrechung etlicher Jahre ausge- nommen – fortgeſetzt. Der Reiſeplan und Koſtenanſchlag, entworfen von dem hochw. Abt Mislin, lautet: „Programm der Pilgerfahrt nach Paläſtina und Jeruſalem im Jahre 1863. Katholiſchen Männern, Prieſtern und Laien aus Oeſterreich und Deutſchland, die den Wunſch hegen, Paläſtina zu beſuchen, und die nächſte Oſterfeier in Jernſalem zuzubringen, bietet ſich durch Vermittlung des Severinusvereines die Gelegenheit dar, dieſe Reiſe mit verhältnißmäßig geringen Koſten auszuführen, und zwar unter nachfolgenden Bedingungen: 1. Dieſe Reiſe wird unternommen, wenn ſich hiezu eine genügende Anzahl von Perſonen meldet und die Aufnahme erwirkt; 2. die Aufnahme in die Pilgerſchaar ſteht dem Central-Ausſchuſſe des Severinusvereines (Stadt Jakobergaſſe Nr. 808) zu, welcher auch den Präſidenten, deſſen Stellvertreter und den Kaſſier der Geſellſchaft ernennt, deren Leitung ſich die Pilger durch ſchriftliches Verſprechen unterordnen; 3. Anmel- dung und Aufnahme muß längſtens bis 10. Februar vollzogen ſein. An dieſem Tage – im günſtigen Falle auch früher – wird der defi- 29 nitive Beſchluß, ob dieſe Reiſe ſtattfinde, durch die öffentlichen Blätter in Oeſterreich und Deutſchland kundgemacht; 4. Die Reiſekoſten wer- den für jede Perſon ohne Unterſchied auf fünfhundertfünfzig Gulden öſterreichiſcher Währung in Silber oder 285 Vereinsthaler veran- ſchlagt. Hievon werden beſtritten die Fahrt zur See, die Beiſtellung der Pferde und Kamele für die L:andreiſe, die Verpflegung und Un- terkunft, die Bezahluug der Führer, Gepäckträger, die Trinkgelder u. dgl.; 5. der Betrag iſt ſpäteſtens bis 10. Februar 1863 bei dem Severinusvereine baar zu erlegen oder ſicherzuſtellen, es verſteht ſich, daß dieſer Betrag denjenigen, welche die Reiſe aus was immer für einem Grund nicht mitmachen, zurückgeſtellt werde; 6. wer ſich wäh- rend der Reiſe freiwillig von der Geſellſchaft trennt, hat keinen An- ſpruch auf die Zurückgabe des erlegten Reiſegeldes. Was nach vollen- deter Fahrt an Geld erübrigt, wird unter die Pilger gleichmäßig ver- theilt; 7. ſind die in 3 und 5 angegebenen Bedingungen erfüllt, ſo ſteht es den Pilgern frei, ohne Wien zu berühren, ſich direkt nach Trieſt zu begeben, wobei es ſich von ſelbſt verſteht, daß Jeder mit dem geſetzlichen Reiſepaſſe verſehen ſein müſſe; 8. Die Pilgerreiſe beginnt mit der Abfahrt von Trieſt am 14. März, und endet mit der Rückkunft in dieſe Hafenſtadt. Die Reiſe wird zwei Monate dauern; 9. Frauen kann die Mitreiſe nicht geſtattet werden.“ Zu Seite 395. 72.) Wer eine Reiſe in das heilige Land unternimmt, mag ein dreifaches Ziel verfolgen. Einmal iſt es das Intereſſe an der Na- tur und Landſchaft, dann das Streben nach Erweiterung der Kenntniſſe in Kunſt und Wiſſenſchaft, oder auch und vor Allem, nur um die An- dacht an den Stätten zu verrichten, die der Gottesſohn durch ſein Erdenleben geweiht und verherrlicht hat. Landſchaftliche Wunder ſieht man vom Berge Thabor und vom Oelberge aus. Die Kirchen von Bethlehem und Golgotha gehören in architektoniſcher Beziehung zu den vorzüglichſten der Chriſtenheit. Eine wiſſenſchaftliche Reiſe nach Palä- ſtina empfiehlt ſich vorzüglich für Exegeten des alten und neuen Teſta- mentes. (Vgl. Hiſtor. polit. Blätter 1855. Für Paläſtina-Reiſende. S. 702 ff). Zu Zeite 395. 73.) Die Geſammtkoſten meiner Reiſe betrugen über 1100fl. C. M.; wobei ich über 100 f. an Agio einbüßte. Jetzt macht man die Reiſe in einer Karawane um die Hälfte. Der erſte Platz auf der directen Route von Trieſt nach Alexandria und Jaffa koſtet 188 fl., auf der längeren Route über Smyrna nach Beirut und Jaffa 179 fl.; über Marſeille, Malta, Alexandria, Jaffa 548 Franken. Der zweite Platz koſtetet etwa ein Drittel weniger. Die gewöhnlichen täglichen Speſen darf man auf 10 f. berechnen, ſammt Pferd, Dolmetſcher, Diener und Beköſtigung. Zu Zeite 395. - 74) Die begeiſternde Rückerinnerung an meine glücklich voll- vollbrachte Pilgerreiſe veranlaßte mich zur Bearbeitung des »Colo- man von Hauseck“, einer vaterländiſchen Erzählung aus der Zeit Z0 der Kreuzzüge (Wien, bei Pichler 1859), in welche ich die auf eigener Anſchauung beruhenden Schilderungen des heiligen Landes verwebte. Unter den Pilgern nach Jeruſalem, welche in dieſem Kreuzzuge in dem Gewande einer hiſtoriſchen Novelle vorgeführt werden, war auch des heiligen Markgrafen Leopolds fromme Mutter Itha. Zu Zeite 396. 75.). Die vierte Nummer des Wiener Diöceſanblattes vom Jahre 1863 enthält das Rundſchreiben Sr. Eminenz des hochwürdig ſten Herrn Cardinal Fürſterzbiſchofes von Wien über die Eröffnung des öſterreichiſchen Pilgerhauſes zu Jeruſalem. Wir entnehmen dieſem Schreiben folgende Worte: „Wiewohl die Pilger in dem Fran- ziskaner-Convente eine liebevolle Aufnahme finden, ſo war es doch ein nahe liegender und vollkommen berechtigter Wunſch, daß eine ſo große Anzahl Katholiken, wie ſie unter dem Scepter des Kaiſers von Oeſterreich vereinigt iſt, zu Jeruſalem ihr eigenes Haus haben möge. Dadurch wird Oeſterreich am Grabe des Erlöſers heimiſch; auch ent- ſchließt man ſich leichter zur Wallfahrt, wenn man gewiß iſt, am Fuße von Golgotha eine Herberge zu finden, auf welche man kraft ſeines Bürgerrechts Anſpruch hat, von Landsleuten gaſtfreundlich aufgenom- men zu werden und unter dem öſterreichiſchen Banner zu wohnen. Daher kündigte mein in Gott ruhender Vorgänger der Erzbiſchof Vincenz Eduard ſeine Abſicht an zu Jeruſalem, wofern er durch fromme Gaben hinreichend unterſtützt würde, ein öſterreichiſches Pil gerhaus zu gründen. Die in Ausſicht geſtellte Gründung wurde mit Freuden gegrüßt und nach einigen Jahren war für die zum Bauenoth- wendigen Geldmittel geſorgt. Aber noch blieben andere mannigfache Hinderniſſe zu beſeitigen und bevor es gelungen war, rief der Herr den Erzbiſchof VincenzEduard aus dieſem Leben ab. Auch ich vermochte das Werk nicht ſo ſchnell als ich wünſchte zu vollenden, um ſo weniger da auch Schwierigkeiten, welche bisher außer Berechnung gelegen hat ten, hinzu traten. Mit Gottes Hilfe iſt es aber nun vollendet. Auf einer Anhöhe, vor welcher die Damascusſtraße mit dem Leidenswege zuſammentrifft, erhebt ſich geräumig und in edlen Formen aus Stein gebaut das öſterreichiſche Pilgerhaus. Die Kapelle iſt der heiligen Fa- milie geweiht und den Altar derſelben ſchmückt ein Bild von Kupelwie- ſer. Der heilige Stuhl hat geſtattet, daß in dieſer Kapelle Weltprie- ſter die heilige Meſſe täglich, auch die höchſten Feſttage nicht ausgenommen, feiern und ſowohl die im Hauſe aufgenomme- nen Pilger als auch der öſterreichiſche Conſul ſammt ſeinen Haus- genoſſen und Beamten die heilige Communion empfangen und dem Opfer des neuen Bundes mit der Wirkung dadurch dem Kirchengebote zu genügen, beiwohnen können. Die Obhut des Pilgerhauſes und die Sorge für die Aufnahme der Pilger iſt zwei Weltprieſtern anvertraut. Die Pilger aus den öſterreichiſchen Ländern haben natürlich vor allen anderen den Vorzug: denn die Gründung wurde begonnen und vollen- det, damit Niemand, welcher dem Kaiſerthume angehört, ſich zu Jeru ſalem vereinzelt fühle, ſondern in der Nähe der Heiligthümer, durch welche die Bruderliebe ſo eindringlich gepredigt wird, von der liebe- 31 vollen Fürſorge ſeines Vaterlandes ſich nmgeben fühle. Zunächſt wird auf die Angehörigen der nicht öſterreichiſchen Länder des deutſchen Bundes Rückſicht genommen werden. Die Zeit, während welcher die Pilger dort Koſt und Wohnung erhalten, iſt vorläufig auf vier Wochen angeſetzt. Endgiltig wird ſie durch die Statuten beſtimmt werden, welche ich dem Pilgerhauſe zu geben hoffe, ſobald über alle Einzelnhei- ten eine entſprechende Reihe von Erfahrungen geſammelt iſt.“ Zu Seite 396. Pilger diplom. 76.) In Dei nomine. Amen. – Omnibus et singulis praesen- tes literas inspecturis vellegi audituris fidem notumque facimus Nos Terrae Sanctae Custos, Rdm. Dmn. Antonium Kersch- baumer Dr. et Prof. Theologiae ad S. Hippolytum in Austria, Jerusalem feliciter pervenisse die 18. Mensis Augusti, inde sub- sequentibus diebus praecipua Sanctuaria, in quibus mundi Sal- vator dilectum populum suum, imo et totius humani generis perditam congeriem ab inferi servitute misericorditer liberavit; utpote Calvarium, ubi Cruci affixus, devicta morte coeli januas nobis aperuit; SS. Sepulcrum, ubi sacrosanctum ejus corpus re- conditum, triduo ante suam gloriosissimam resurrectionem quievit; ac tandem ea omnia sacra Palaestinae loca gressibus Dominiac beatissimae ejus Matris Mariae consecrata, a Reli- giosis nostris et Peregrinis visitari solita, visitasse et magna cum devotione in eis Missam celebrasse. –– In quorum fidem has scripturas officii Nostri sigillo munitas per Secretarium expe- diri mandavimus. – Datis apud S. Civitatem Jerusalem ex ve- nerabili nostro Conventu SS. Salvatoris, die 27. mensis Augusti, anno D. 1853. De mandato Reverendissimi in L. S. Christo Patris, Fr. Joseph Salvati, Secretarius Terrae Sanctae. Erratum. S. 151 muß es heißen: Alexander der Große fand im nahen Fluſſe Cydnus beinahe den Tod. *Nechithar -Buchdr. in Wien. 3 m h a l t. I. Abſchied von der Heimath II. Von Wien nach Galacz - III. Von Galacz nach Konſtantinopel IV. Erſter Aufenthalt in Konſtantinopel- V. Ausflug nach Bruſſa- VI. Zweiter Aufenthalt in Konſtantinopel VII. Von Konſtantinopel nach Smyrna - VIII. Von Smyrna nach Beirut - - IX. Aufenthalt in Beirut - - X. Ausflug auf den Libanon XI. Auf dem Berge Carmel: : XII. Vom Carmel nach Nazareth und zurück XIII. Von Caiffa über Jaffa nach Jeruſalem XIV. Erſter Aufenthalt in Jeruſalem XV. Ausflug zum todten Meere: - XVI. Zweiter Aufenthalt in Jeruſalem - XVII. Ausflug nach Bethlehem - XVIII. Dritter Aufenthalt in Jeruſalem XIX. Ausflug nach St. Johann in der Wüſt XX. Abſchied von Jeruſalem - - - - XXI. Von Jeruſalem nach Alexandrien: XXII. Die Quarantäne zu Alexandrien XXIII. Aufenthalt in Alexandrien - XXIV. Von Alexandrien über Trieſt nach Wien XXV. Schluß und Rückblick - - - - –«-S-SO-D->- : 216 Seite. 11 16 42 58 94 121 133 144 162 174 225 246 . . 280 295 303 318 341 345 356 Z61 368 383 393 .“ Ä. k.lr-Hof - sº - F T - - - - - - Alxervorstalfang