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ÖSTERR. NATIONALB | BLIOTHEK
K. K.
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Samuel Gottlieb Gmelins,
Doctors der Arzney - Gelahrheit, der Kayser. Academie der Wiffenschaften,
der Königl. Großbritannischen zu London, der Holländischen Societät der
Wiffenschaften zu Harlem, und der freyen Oeconomischen Gesellschaft
zu St. Petersburg, Mitgliedes
Feife durch Fußland
Untersuchung der drei Natur-Reiche.
D r i t t e r T. h. e il.
Reise durch das nordliche Persien, in den Jahren
1770. 1771, bis im April 1772.
Pfeiffer gestiegsgefgesetzt. Fºtº: K.
St. Petersburg,
gedruckt bey der Kayser. Academie der Wissenschaften 774.
- -
---
3.-
z
z-
ls ich von St. Petersburg abgefertiger, und, wie den
übrigen Herren Reisenden, auch mir ein allgemeiner
Err" Plan vorgeschrieben war, nach welchem ich mich
F in den Haupt-Touren zu richten hatte; so war hinge-
gen, was den Verfolg der Reise von Astrachan aus nach den Persi-
fchen Grenzen und den Kaukasischen Gebürgen betraff, nichts bestimmt
worden. Es fund in dem Plan nur so viel: die Astrachanische
Expeditionen sollten sich bei ihrer abermaligen Zusammenkunft
in dieser Stadt nach den Umständen, der Möglichkeit und Sicher-
heit erkundigen , die dißfalls eingezogene Nachrichten der Kay-
ferlichen Akademie der Wißenschaffen unterlegen, daraus selbsten
eine Marschroute machen, und solche nach Petersburg zur Ge-
nehmigung einschicken.
Herr Güldenstedt und ich berathschlagten uns also in
dieser Sache mit einander. Wir fahen bei einer angestellten
Vergleichung der bisher gemachten Beobachtungen, daß keine
große Verschiedenheit in denselben statt hatte; und wie konnte
man sich auch wohl eine vermuthen, da wir in ähnlichen Ge-
genden immer nahe bei einander gereift hatten? Wir begriffen
wohl, daß wann wir uns nicht genug am trennen, und in der
Fortsetzung unserer Reise verschiedene Gegenden wählen würden,
gleiche Klagen allzeit zu erwarten stünden. Da nun die Mannig-
faltigkeit der Beobachtungen den Hauptzwek der Reifen ausmacht,
indem durch dieselbe die Wiffenschafften am allermeisten er-
weitert werden, so dachten wir auf nichts anders, als wie wir
jenseits des Tereks die Rußischen Grenzen verlaßen, und der eine
nach Georgien, der andere aber nach Persien reisen könnte.
Dritter Theil. - A „Neben
M
4:
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H
- •A, § „F-
Neben dem, daß wir bey Vollziehung dieser Reisen unsere Ab-
ficht gewis zu erreichen hofften, glaubten wir zu denselben um
fo mehr verbunden zu feyn, da Rußland aus Gelegenheit des
gegenwärtigen Türkischen Kriegs so vielen Antheit an Georgien
und den ganzen Kaukasischen Gebürgen bekommen das, Nord-
liche Persien hingegen vor nicht gar langen Jahren fich unter
den Zcepter desselben gebükt hat. Nun mußten wir nur noch um
unsere Sicherheit bekümmert feyn. Wir wandten uns wegen
derselben an den Astrachanischen Herrn Statthalter Nikita Afa-
maßjewitsch Beketoff, und legten demselben einige Fragen zur Beant-
wortung vor, welche, da sie nach unserm Wunsch ausfiel, folgen
den Plan veranlaßte. -
„Profeffor Gmelin besteigt zu Anfang des May ein Schiff,
auf dem er ein halbes Jahr hindurch die Kaspische See zu be-
reisen und das angrenzende feste Land von Rußland und Persien
zu sehen gedenket. Den May hofft er nehmlich zwischen Astra-
chan und der Mündung des Tereks; den Junius zwischen der
Mündung des Tereks und Derbent; den Julius zwischen Derbent
und Baku; den August zwischen Baku und Recht; den Sep-
tember aber zwischen Recht und Astrabad zuzubringen. Nach
dem er diesen äußersten an der Kaspischen See gelegenen Ort
erreichet, will er im October auf die Rückfart nach dem Terek,
Fluß denken, und daselbst weitere Verabredung mit Herrn D.
Güldenstedt treffen.
D. Güldenstedt wird im May Kißlar verlaßen, die
Tawlistan, Kuba und Kabarda, wie auch die übrige an dem
Fuß des Kaukasischen Gebürges gelegene, und vielen kleinen
Tatarischen Fürsten gehörige Dörfer besuchen , alsdann ins Ge-
bürge selbst, und bis zur Georgianischen Hauptstadt Teflis gehen,
und von da im Spät-Jahr nach Kißlar zurückkommen, um
sich mit dem Profeffor Gmelin zu vereinigen,
Mit diesem Plan fertigten wir zu Anfang dieses Jahrs
einen unserer Studenten, H. Carl Ludwig Habliz, an die
Kayserliche Akademie der Wissenschaften ab, binnen der Zeit
seines Ausbleibens verließ Herr D. Güldenstedt Astrachan, und
weißte nach Kißlar; der Student aber kam zu Ende des '
- Ps
-
<R, +/- „F- 3.
n: mit völliger Genehmhaltung des eingeschickten Plans
zurucre.
Es ist erstaunend, mit welchem Eifer unser groffer Mäce-
nat, der erlauchte Graf Wolodimer Grigorjewitsch Orlow, die
Beförderung dieser dem Wachsthum der Wissenschafften dienlichen
Unternehmung betrieben hat. Ich will nur von meiner Abfer-
eigung allein sprechen. Se. Erlaucht geruheten nicht nur bei
F" Kayserlichen Majestät ein eigenes, vielen Aufwand
erfoderndes Schiff für mich und meine Gesellschafft auszu-
würken: So ausnehmend war bei dieser gnädigen Bewilli-
gung mitten unter dem glänzendsten Glück. Höchst-Deroselben
fiegreichen Waffen das Verlangen der weitesten Monarchin, die
friedfertige Musen zu beschützen! meine eigene schuldige Neigung
war Denenselben angenehm: Sie versicherten mich definvegen
der Höchsten Gnade Ihro Majestät, und der Herr Statt-
halter in Astrachan bekam einen eigenhändigen Befehl, mich
nach Persien also abzufertigen, daß durch seine Anstalten die
ganze Sache unterstützt, und die Ehre Rußlands in einem be-
nachbarten Reiche beobachtet werden sollte. Ich muß diesen
Herrn zu feinem gebürhenden Lob nachsagen, daß er nichts er
mangeln laßen, was er ihr zu einer beglückten Reise für dien-
lich erachtete. Er willigte nicht nur in alles mein Begehren, fon-
dern gute, ihm selbst beigegangene Gedanken, die er zur Würk.
famkeit brachte , erinnerten mich nachgehends manchmal mit
vielem Dank an seine Vorsorge. Er verfahe mich mit den
kräfftigsten Empfehlungs-Schreiben an die Persische Chane, und
mit nachdrücklichen Briefen an die Rußische Consuls zu Sallian
und Enzeli. Er unterstüzte mich mit einem guten Persischen
und Tatarischen Dolmetscher, und die Stelle des ersten trug er
dem Herrn Titulär - Rath Jacob Matfejewitsch Kafaraffow
auf; zur Begleitung gab er mir ein Kommando von zwölf Sol-
daten, unter der Aufsicht eines Sergeanten mit einem Pfeiffer
und Trommelschläger.
Die Zeit zu meiner Abreise rückte nun immer näher her-
bey; allein mein Auffenthalt in Astrachan mußte länger währen,
als ich es vermuthen konnte. Ein beschwehrliches dreitägiges
Fieber bemeisterte sich meiner ' dem Anfang des May, da
2. MQ
4 •z. - - -
-
nach so vielen zum Vortheil meiner Gesundheit erfochtenen
Siege vor allen Anfällen gesichert zu seyn glaubte. Mein Ge-
müth war darüber um so empfindlicher, da ich unnöthiger
weise die schönste Frühlings-Tage in der Stube und im Bett
zubringen mußte, und die Heftigkeit des Fiebers, welches bey
feinen Anfällen mehr einem hitzigen glich, meine Unruhe ver-
mehrte. Inzwischen wurde bey den Anstalten nichts ver-
Abreise aus säumt, welche zur Abreise nothwendig waren. Den Acht und zwan-
Astrachan
zigsten May stieß mein mit allen Lebens- und Vertheidigungs-
nach Permitteln versehenes Schiff von der Admiralität ab, um nach der
fien.
Sedlitskaja
Krepof.
Mündung der Wolga zu kommen. Ich selber wurde nach
und nach beffer, und folgte unter völliger Zuversicht auf den
Beystand der zu Waffer und Land über die Menschen wachen-
den göttlichen Vorsehung den fünften Junius Nachmittags
um fünf Uhr in einer Chalouppe nach.
Wir erreichten diesen Tag. Abends nach zehn Uhr die
Fischerey Besmudnaja, 25. W. von Astrachan entlegen, und
des Herrn General Beketoffs Excellenz zugehörig. Wir über-
nachteten daselbst, setzten den andern Morgen früh unsere Reise
fort, und erreichten nach 15. W. die Fischerey des Kaufmanns
Skworzow, sonsten unter dem Nahmen 25ucharzowa Wataga
bekant. Fünf W. weiter begegneten wir unserm Schiff, welches
wegen widrigem Wind vor Anker lag; da wir merkten , daß
es durch Lavieren weiter kommen könnte, so befahlen wir
in unserer Gegenwart den Anfang damit zu machen. Es ge-
fchahe. Wir giengen in unserm Boot voraus, und kamen ge-
gen Nachmittag um vier Uhr in der ehmaligen Festung Sed-
litskaja an. Den siebenten früh sahen wir, daß unser Befehl
wegen dem Lavieren gute Würkung gehabt hatte: dann als wir
erwachten , hatte uns das Schiff bereits eingeholt. Sedlits-
kaja ist vor mehr dann Vierzig Jahren, als Rußland die west-
liche Seite der Kaspischen See beherrschte, zu einer Proviant-
Festung für die Truppen in Persien angelegt, nachmals aber,
als man die Kaspische Provinzen zurücke gab, wieder geschleifft wor-
den: und gegenwärtig find nur noch die Ueberbleibsel davon, die
in einem eingestürzten Wall, und einigen verfallenen hölzernen
Häusern, bestehen, vorhanden.
-
Ich
•A, R. „F- $
Ich bestieg Nachmittags das Schiff; der Steuermann
machte das Nothwendige mit der Brandwache 1.) ab: derselben
wurde auch ein Verzeichniß aller unter meiner Gesellschafft be-
findlichen Personen übergeben , und wir fuhren mit einem N.
JN, W. Wind weiter. -
Den Neunten bekamen wir Tschetyre Bugri zu G-Tschetyre
fichte. Dieses sind vier an der westlichen Seite des Meeres aufge-Bugri,
worfene Hügel von Sand , die mit einander zusammen han-
gen. Dergleichen Sandhügel giebt es in diesen Gegenden viele.
Durch die beständige Winde schwebt der Sand manchmal so
dik in der Atmosphaere herum , daß man meinen sollte , es
wäre ein Nebel vorhanden. Wann nun ein größerer oder ein
kleinerer Theil davon einen Ort findet, wo er sich füglich anse-
zen kan, so ist der Grund zu einem Sandhügel gelegt; dann
dieser Ort ist dann die beständige Stelle eines geringern. Wieder-
fands, und bei einer jeden Gelegenheit wird sich neuer Sand
ansetzen, bis endlich Hügel und Berge entstehen.
Die Matrosen nahmen heute Nachmittag den Vorrath fü-
ßen Waffers ein. Es ist nicht andem, daß es bei Tschetyre Bugri
schon falzigt ist. Die Erfahrung belehrte mich hier dieses selbsten.
Noch hinter diesen Hügeln ist es süß, und, wann ein Landwind
weht, eine ziemliche Strecke in die See hinein. -
Der Strom war sehr feicht , und über diesen Umstand
hatten wir von Sedlitskaja bis hieher Urfach zu klagen. Zwey,
dritthalb bis drey Faden Waffer war die größte Tiefe , die
wir bisher gehabt hatten: da aber der Grund immer fandig,
oder fandig mit Schlamm vermischt ist, fo gieng es nicht nur
fehr langsam, sondern unser Fahrzeug blieb auch öffers sitzen,
und mußte wieder losgemacht werden Gröffere, wie Kauf-
manns - Schiffe , als Galioten, müßen bei dieser Bewantnüß
gar Anker werffen, und einen Südwind aus der See , der
- A 3 - das
1.) Diese Brandwache besteht in einem Kayserlichen Schiff, das
auf die Fahrzeuge welche in See gehen, und aus derselben kom-
men, ein wachsames Auge haben muß. Es ist niemalen am Ufer.
. Ein Seeofficier, Steuermann oder Untersteuermann führt auf dem-
felben das Kommando, und bekleidet einen einträglichen Posten.
6 «A, P. „F-
die Infil
Tschetschi-
MAR.
Derbent,
das Waffer erhöhet, erwarten, deswegen sie öfters genöchiget
find ganze Monathe still zu liegen. Dieser Umstand macht den
Astrachanschen Hafen sehr beschwerlich. Dann die Noth dauret
von hier an bis zu der Stadt: wann also die Kaspische See
wegen der Handlung fähiffreicher werden sollte, so dürfte es
nicht umdienlich feyn, wann nächst der Mündung der Wolga
ein allgemeiner Hafen ausgerüstet würde, in welchem die Schiffe
anlandeten, und wovon die Waaren vermittelt Chalouppen Ort
und Stelle erreichten.
Wir verließen Tschetyre Bugri mit einem O. N. O.
Wind. Um zehen Uhr des Abends war derselbe N. O. und
die Tiefe des Waffers viertehalb Faden; Sie nahme zu; der
Wind wurde nach Mitternacht Nordwest, und also sehr günstig;
der Grund war grauer Sand nit kleinen schwarzen Muscheln
vermischt.
Den Zehenten früh um sieben Uhr hatten wir mit dem
nehmlichen Boden bereits fieben Faden Waffer, und um vier
Uhr Nachmittags erblikten wir die Insul Tschetschina. Sie
hat ihre Benennung von den in den Gebürgen wohnenden
Tschetschinen erhalten, welche fich, um Fische zu fangen , an
dieselbe legen. Um Mitternacht zwischen dem zehenden und eilf-
ten war die Tiefe eilf und einen halben Faden, der Grund
grauer Sand, und der Wind O. N. O. Früh um sechs Uhr,
den eilfen hatten wir fechszehn Faden, einen Muschel-Grund ,
und der Wind wehete zwischen Norden und Osten. Um Mittag
rechneten wir auf achtzehn Faden Waffer; in einer Tiefe von
sechszehn wurfen wir den zwölften mit Anbruch des Tags vor
Derbent, ohngefär eine Meile von der Stadt, Anker. Man
g aber von Astrachan bis hieher acht und sechzig Meilen
zur S> PC,
Der Grund der Kaspischen See ist hier voll kleiner
zerschlagenen Muscheln, und an einigen Orten ganz feinicht und
felsicht. Dieser macht das Derbentische Ufer so beschwerlich,
daß die Schiffe nur in einer ziemlichen Entfernung ankern, und
niemalen vollkommen landen können. Eine der Haupt- Ursachen,
warum dieser Hafen wenig besucht, und daselbst wenig aus-
wärtiger Handel getrieben wird. U
- N1
A. - „F- j
- Um mit dem großen Fahrzeug nicht allzuweit vom Lande
abzustehen, rückten wir den dreyzehenten mit demselben etwas
näher an die Stadt , jedoch mit der Vorsichtigkeit, den
Boden unaufhörlich genau besichtigen zu laßen. " Wir begrüß-
ten die Festung mit fünf Kanon-Schüffen, und aus derselben
wurde mit eben so viel geantwortet: endlich ankerten wir aber-
mahl , und ich schickte den Tatarischen Dolmetscher mit
dem Studenten Klutscharew und einem Soldaten in der
Schiff-Schalouppe zu dem Befehlshaber der Stadt, ihm meine
Ankunft zu wissen zu thun, mich selbsten bei ihm anzumelden,
in dieser Absicht meine Empfehlungs-Briefe von dem Astracha-
mischen Hn. Statthalter zu übergeben.
Die Abgeordnete wurden wohl empfangen. Sie kamen
mit der erwünschten Nachricht zurück, daß schon ein bequemes
Quartier für mich in Bereitschafft stehe, und daß noch denselben
Abend der Landes- Herr von Schirvan Fetch Ali Chan aus
Kuba, allhier erwartet werde. Mit unsern Abgeordneten erschie-
nen auch drei andere aus der Stadt, die uns bewillkommten,
und zum Zeichen ihrer Zufriedenheit über unsere Ankunft, Der-
bentischen Wein und wohlriechende Blumen nach Landes-Art
um Geschenke mitbrachten. Nun dachte ich, es wäre keine
' mehr zu verliehren. Ich verließ das Schiff, bestieg eine
Chalouppe, und ruderte mit meinem ganzen Gefolg selbst nach
der Stadt. Der Chan war kaum angekommen, als er mir einen
Adjutanten zuschickte, mich willkommen zu heiffen, und nach
der angewiesenen Wohnung bringen zu laffen. Es geschahe noch
selbigen Abend vor angehender Nacht. Zu gleicher Zeit wur-
de ich versichert, daß ich den Chan selbsten den andern Mor-
gen zu sprechen bekommen folte.
Vom vierzehenten. Ich war nicht so bald erwacht,
als mich schon der Chan zu sich ruffen ließ. Er wohnt im
obern Theil der Stadt oder der Festung, und ich verfügte mich
mit dem Herrn Rath Kafaraffow und dem Studenten Habliz,
als meinem Rußischen Dolmetscher zu ihm , versah mich auch
mit den Geschenken, die für ihn bestimmt waren, und in Hollän-
dischem Tuch, Zuker, Confituren und einem Kompaß befunden. In
dem Audienz-Saal war nichts weniger als etwas vrächtiges zu fe-
zen. In dem Vorzimmer, welches von des Chans seinem nur vermit-
F «A, H „se
telsteiner kleinen Treppe abgesondert war, befand sich eine Menge
Volks stehend mit abgelegten Ueberschuhen, die man um der
Reinlichkeit willen in dem Eingang stehen läßt. Der Chan
faß in der Mitte der Stube auf der Erde in einer Tatarischen
Kleidung, aus einem Kalian Tobak rauchend: Neben sich hatte
er eine geladene Pistolette liegen, die er, wie ich es nachmahls
öffters gesehen und gehört habe, niemahls von seiner Seite läßt,
gegen ihm über saß der Befehlshaber der Stadt, und ein be-
nachbarter Tatarischer Fürst; neben diesen wurde für mich ein
Stuhl hingesetzt, meine Herren Dolmetscher aber mußten sich das
stehen gefallen laffen. Das Empfelungs-Schreiben von dem
Hn. Statthalter in Astrachan wurde dem Adjutanten des
Chans eingehändiger. Dieser öffnete das Siegel, und über-
gab es dem Chan, der es sogleich durchlas, bei Erwänung des
Höchsten Nahmens Ihro Kayserl. Majestät sich tief bükte,
und mich darauf seiner Gewogenheit und allen möglichen Bey-
fands in meinen Geschäfften versicherte. Er merkte, daß ich
von dem Medicinischen Handwerk etwas verstehen müße,
und da er in seinem Gesicht nächst den Ohren eine verhärtete
Geschwulst hatte, von welcher er glaubte, daß sie von einem
Menschen , wie ich bin, zu vertreiben wäre, so ersuchte, er
mich, den andern Morgen wieder zu kommen, meine ganze Ge-
felschafft mit zu bringen, und ihm den Puls zu fühlen. - -
Vom fünfzehenten. Das Pulsfühlen ist bei den Per-
- fern nicht nur eine wichtige, zur Beurtheilung und Heilung der
Kranckheiten höchst nothwendige, sondern auch zugleich nach
ihrer Meinung eine mit Schwierigkeiten verbundene, die größte
Einsicht eines Raths verrathende, diesem aber auch, wann er
im prophezeien glücklich ist, sehr ruhmwürdige Sache. Die
Persianer , wie sie zum Aberglauben sehr geneigt sind, suchen
überall etwas aufferordentliches. Sie unternehmen nichts von
Folgen, der Astrologische Liebling muß herhalten, und zuvor
bestimmen, ob die Constellation ja dazu sage oder nicht. Heute
war also der bedenkliche Tag , wo ich mit einer gelehrten tief
finnigen Mine dem Chan den Puls fühlen, und ihm das
Schiksaal feiner Gesundheit wegen der Baken-Geschwulst, mit
welcher er behafftet war, bestimmen sollte. Ich gieng also
abermal zu ihm, nahm alle zu meinem Gefolg gehörige #
- - ONEN
•-A, - „F- --- 9
fonen mit mir, und wurde von demselben mit eben der Höf
lichkeit , als gestern , empfangen. Mein Gefolge bleib wie-
der in dem Vorzimmer stehen , und mir wurde in dasjenige,
wo der Chan faß, ein Stuhl zum niederfetzen gebracht. Es
hatte derselbe Lust Coffee zu trinken , er trug aber Bedenken,
solches zu thun, ehe er die Erlaubniß von mir erhalten hatte,
da der Puls noch nicht untersucht worden war. Ich machte mir
bey Ertheilung meiner Antwort weniger Sorge, als er bei seiner
Frage: Der Chan trank Coffee, und nach und nach schikte ich
mich an, mein Doctors-Gesicht in feine gehörige Falten zu brin-
gen, um mit gemeffenen Schritten auf des Chans Hand los-
gehen zu können. Das Pulsfühlen hat immer das Wahrsagen
zu seiner Absicht. Ein Wahrsager aber ist allezeit angenehm,
wann er seine Kunst fo einzurichten weiß , daß derjenige,
bey dem er solche anbringt, eher zufrieden, als mißvergnügt
ist: daher sagte ich dem Chan, daß sein Puls weder zu ge-
fchwind noch zu langsam, weder zu stark nach zu schwach gehe;
daß es daher ein Puls fey, wie es bei einem gesunden Men-
fchen verlangt werde. Wie er aber wissen wollte, was es denn
mit feiner Geschwulst für eine Bewandniß habe, so sagte ich
ihm, daß ich dieselbe eben sowohl, wie den Puls fühlen müff, um
ihm meine Meinung vollkommen sagen zu können.
Er zeigte sie ohne Anstand. Ich befand, daß es ein
Scirrhus wäre, der schon ein Paar Jahre zu einer Reiffe nö-
thig gehabt haben mochte; ich wünschte, daß ich bey diesen Umständen
mit dem Pulsfühlen, ohngeachtet ich es gewis mit allem nöthi-
gen Anstand verrichtete , verschont geblieben wäre, sagte, was
allenfalls zu gebrauchen fey, und verheelte indessen nicht, daß eine
gründliche Genesung mehrere Zeit erfordern würde, als ich hierzu-
bringen könte; und daß ich noch nicht zu bestimmen im Standefey,
auf was für eine Art dieselbe bewerkstelliget werden müffe. Da
ich überhaupt nicht nach Persien gekommen bin, um einen
Arzt abzugeben, so schob ich den Chanischen Scirrhum auf die
lange Bank, tröstete ihn mehr mit Worten als mit Arzeneyen,
von welchen ich ihm doch einige mitzutheilen mich nicht ent-
ziehen konnte, und nach Verfluß zwoer Stunden beurlaubte
ich mich wieder. -
Dritter Cheil, B Ent-
10 <>, < „F-
Entweder seine Hochachtung auf das erhaltene Empfeh-
lungsschreiben zu bezeugen, oder auch mich, als Arzt, zu den
gehörigen Pflichten zu ermuntern, und vielleicht für die erhaltene
Presente nicht unerkentlich zu seyn, schickte der Chanden sechs-
zehnten feinen Adjutanten zu mir, und ließ mir hundert Rubel
in Persischem Gelde anbieten unter dem Vorwand, in Ermange-
lung dafiger Münze die nohtwendige Ausgaben damit zu bestreiten.
Diese Höflichkeit, oder Grobheit, lehnte ich mit der Entschuldigung
also von mir ab, daß ohngeachtet ich noch nicht mit Persischem
Gelde versehen wäre, dannoch einige Waaren bei mir vorhan-
den feyen, welche mir solches leicht verschaffen könnten ; zudem
empfienge ich mit allen bei mir befindlichen Personen von der
höchsten Gnade Ihro Rußisch-Kayserlichen Majestät so viel,
daß wir fremder Hülfe keines Weges bedürften. Der Chan ver-
fand meine Antwort wie er sie verstehen sollte, behielt seine
hundert Rubel in der Tasche, und überfähikte mir einige Schaa-
fe und Feder-Vieh, welches Geschenk anzunehmen ich kein Be-
denken trug. . -
Nach diesen Vorfällen war es Zeit , mich um die
Merck würdigkeiten von Derbent, als ein Reisender und als ein
Naturaliste zu bekümmern. Hier ist der Kern meiner Anmer-
kungen für das Publicum. -
Beschrei- . Von sechszebnten Junius bis zum fiebenten Julius.
bung der Derbent , diese uralte und merkwürdige Stadt, soll von Ale-
Stadt. Der xander, dem Groffen, welchen die Morgenländer Iskender zu
bent, nennen pflegen, erbauet worden fyn : wenigstens soll derselbe
den beträchtlichsten Anfang dazu gemacht haben. Sie liegt
dicht an der See, an dem Fuß eines Gebürges, welches zu den
Derbentischen gehöret , und eine Fortsetzung der Usmeinischen
ist, ist der Länge nach aufgeführt, und wird in folgende Theile,
abgesondert. Der erste und oberste begreifft die Festung oder
das Schloß in sich , ist unter den übrigen der kleinste , gibt
die Wohnung des Chans, wann er gegenwärtig ist, und ver-
fähiedener Armenianer ab: Von diesem obern Theil der Stadt
können die übrigen beschoffen werden, und daß dieses schon mehrmalen
geschehen feyn müffe, bezeugen die häufige, überall vorhandene
Ueberbleibsel eingefallener Häuser. Als eine Festung betrachtet,
hat das Derbentische Schloß alle, natürliche Eigenschaffen. In-
dem
V
A, § „A- N
dem es den erhabensten Platz an dem Fuß eines Gebürges aus-
macht, so ist es sehr schwer, solches von der Stadtseite zu be-
stürmen. Gegen Westen schützt sie die Kette hoher Berge und also
ist nur die See-Seite übrig, von welcher eine Gefahr zu erwar-
ten steht. Daher hat auch die Stadt den Nahmen Derbent er.
halten, welcher in der Persischen Sprache so viel, als eine feste
Stadt bedeutet. Die Kunst hat zu diesen natürlichen Festungs-
Anlagen das ihrige hinzu gethan. Das Schloß ist eigentlich
die größte Citadelle zu Derbent , in deren Nachbarschaft auf
den daselbst befindlichen Anhöhen , besonders nach der See-
Seite zu, sich noch verschiedene andere kleinere befinden. Eine
groffe , mit Eisenblech dik beschlagene, Pforte führt in dieselbe,
da dann rechts eine enge bergichte Straffe befindlich ist, die zu
den Wohnstuben des Chans führet, linker Hand aber der Eingang
in einen Hof, welcher ganz geräumig, viereckigt und rings um
mit tüchtigen Mauren versehen ist, zu bemerken kommt. Auf
beyden Seiten des Hofes, welcher auch zugleich eine Anticham-
ber des Chans vorstellt, gehen Eingänge zu den andern Zimmern
des Chans, und besonders zur Audienzstube: Man sollte denken,
es wären dieselbe Vorbothen von unterirrdischen Löchern, so enge
und dunkel find fie. Oberhalb des Hofes zur rechten ist ein
groffer leerer Platz, auf welchen Kanonen und Mörser aufge-
pflanzt stehen. Diesem gegenüber fieht man auch welche,
fammt den erwähnten kleinen Citadellen oder Wachhäusern, die
schon ziemlichen theils eingefallen find. Neben dem Schloß nach
der Stadtseite, den Berg hinunter , liegen noch einige Gebäude
und ausgewölbte Thürme, in welchen Pulver und Artillerie-Ma-
terialien aufbehalten werden. Nach den Gebürgen zu ist die
Festung noch mit einer kleinen Pforte versehen.
Das allermerkwürdigste, ja fast das unbegreiflichste ist
das Mauerwerk, von welchem das Derbentische Schloß den
Mittelpunct ausmacht. Nehmlich von da an lauffen die Mau-
ren aus, die mit einer unglaublichen Mühe aufgeführt sind. Die
eine läuft an der nordlichen Seite der Stadt, bis dicht an die
See, und dient anjezo wieder die Usmäner. Die andere ist
an der südlichen Seite befindlich; beyde nähern sich dem Schloß,
und da dieses in der Mitte liegt, so machen sie mit demselben
ein Dreyeck, Vermittelt dieser n hangen nun freilich alle Thei-
- 2, le
z •A, § „F-
le der Stadt zusammen; allein die häufige Scheidemauren, die
in die quer gehen, machen die Absonderungen aus, von welchen
ich unten reden werde. Sie find von ungleicher Höhe, und aus
Felssteinen, in welchen eine erstaunliche Menge sowohl verstei-
nerter, als auch nur kalcinierter Muscheln und Schnecken ein-
gegraben ist , so wie alle Häuser in der Stadt erbaut. Von
diesen Felssteinen mit den erwehnten Petrificationen sind die
benachbarte Gebürge gänzlich angefüllt, und ist daher keine Fra-
ge, wo man die Materialien zum Bau hergenommen habe;
aber die dazu nothwendig gewesene Anzahl an Menschen und
Vieh läßt sich bei alle dem, daß die Gebürge vor der Thür
liegen, kaum begreiffen. Die Mauren, von denen ich freche
find beyde mit einer guten Brustwehr versehen, und an genug-
famen Schießlöchern fehlt es ihnen auch nicht. Von der Fe-
fung läufft gerade nach Westen durch Berge und Thäler die
dritte Maur, von welcher die Innwohner behaupten , daß fie
bis an die schwarze See gereicht haben soll, und die noch bis
jezo vorhandene Ueberbleibsel scheinen für diese Meinung sehr
vorheilhafft zu seyn. - - - -
Ich ritt mit einigen meines Gefolges nach denselben,
nicht ohne Gefahr von den benachbarten Lesgiern beunruhiger
zu werden, welche Reisende, wann fiel ihnen überlegen find, als
eine ihnen sehr angenehme Beute, mit sich nehmen, und fiel als
Sclaven verkaufen. Ermeldte Ueberbleibsel find anderthalb
Meilen von der Stadt entfernt, und bestehen aus einer dreißig
Schuh hohen, dicken, von einer mit den Derbentischen Stadt-
mauren ähnlichen, aber nur noch festeren Steinart aufgeführten
Mauer, welche einen ziemlichen Strich Landes in die Landschafft
Tabaßeran hinein läufft, in der Entlegenheit einer Werft manchmal
fö unversehrt ist, als wann fiel nur erst erbaut wäre, an andern
Stellen sich ganz, halb oder nur etwas eingefallen zeige, die nicht
nur in einem gehörigen Zwischenraum spizige, oder Pyramidenförmi-
ge Wachthürme aufweist, sondern fogar an verschiedenen Stellen
in einem Abstand von zwei oder mehreren Meilen Ueberbleibsel von
ganzen Festungen zu betrachten giebt. Zwo derselben bestiegl ich selber.
Die eine, welche die entfernteste war, ist auf der Mauer selb-
fen angelegt gewesen, die andere in einer solchen Entfernung von
derselben, daß von der Mauer auf solche zugerufen werden konnte.
>
Sie
«A, H „F- 13
Sie waren vierekigt aufgeführt, unterhalb mit unterirdischen Ge-
wölben versehen, ziemlich hoch; und von ihnen können die Kauca-
fische Gebürge in Augenschein genommen werden, so daß man auch
den Schnee auf deren Gipfeln sehen kan. Nahe bei der Stade
findt man von dieser Mauer keine Ueberbleibsel, tiefer aber nach
Westen desto mehrere, und es hangen sowohl noch ansehnliche
Stücke eine Strecke Wegs gänzlich zusammen , anderwärts aber
ist nur noch der traurige Rest eingefallener Steine vorhanden.
Man kan diese Mauer nicht beffer, als mit einer Linie verglei-
chen, die von der Kaspischen See nach dem schwarzen Meer
zugezogen war, und die Wachthürme und Festungen, find ver-
muthlich die Mittel gewesen, Derbent, als den Haupt-Garnisons-
# von alle dem, was in den Gebürgen vorgieng, zu benach-
richtigen. -
In der Derbentischen Festung, welche den kleinsten Theil
der Stadt ausmacht , wohnen in den neben dem Schloß be-
findlichen Gebäuden mehrentheils Armenianer, über welche ein
Orischbek die Aufsicht hat. Mit andern Nationen vermischt be-
wohnen dieselben auch den untern Theil der Stadt. Dieser und
der mittlere folgen in einer geraden Linie auf die Festung, längst
dem Berge, daß daher die Stadt ganz abhängig zu liegen
kommt. An die Seiten hangen fie, wie ich gesagt habe, durch
die nordliche und südliche Hauptmauren zusammen, durch wel-
che die Stadtmauren gehen, die schöne Bogen haben, und mit
vielen Löchern versehen find, um durch ". auf den Feind
schieffen zu können; die Quermauren aber machen die Abson-
derung aus. In dem zweiten Theil der Stadt wohnt der Maip,
oder der Persische Statthalter , der in Abwesenheit des '
das Kommando hat. Es erstreckt sich daffelbe über die übrige
Innwohner, welche sowohl Perser als Tataren find. Es giebten den
auch einige Indianer allhier. Man kann überhaupt nicht sagen."
wer die derbentische Innwohner feyen? Die verschiedene Schick-derben.
fale und Verheerungen, welche diese Stadt in einer an einan-
der hangenden Reihe von Jahren erfahren hat, laffen mit allem
Recht an ursprünglichen Persern zweiflen. Gegenwärtig ist daselbst
nur noch ein Mischmasch von verschiedentlich unter einander ge-
mischtem Tatarischen und Persischen Geblüt. Man rechnee
in allem vier Tausend Familien, und unter diesen befinden fich
B 3; hun-
I4 - A, K. „F-
hundert Armenische. Sie ernähren sich theils mit Handwerken,
theils mit dem Akerbau und der Viehzucht. Die Armenianer
bezahlen dem Chan keine Abgaben, müssen aber hingegen die
Polizey-Beschwerden tragen,
vom Korn- Korn wird sehr wenig, und nicht einmahl zur höchsten
bau in Nothdurft, nach Maloroßianischer Art, gebaut. Daher wird hier
P“n das Meel mit größtem Nutzen abgesetzt, und man bezahlt gerne
für einen Kul sieben bis zehen Rubel, Oeffters steigt der Preiß
uoch höher. Auf fünfzehen Rubel kommt er bei dem geringsten
Friedensbruch eines Persischen Fürsten mit einem benachbarten
sehr leicht und noch ist es in frischem Andenken, wie sich vie-
le Armenianer zu Nadir-Schachs Zeiten bereicherten, da der-
felbe auf zwanzig und dreißig Rubel gestiegen ist,
Das wenige Korn, welches in Derbent gepflanzt wird,
Von einer pflegt man auf eine besondere Art zu dreschen. Das Korn,
besondern wird auf dem Felde, wozu ein geraumiger Plaz ausgesucht wird,
Art Korn etwan einen Zoll dick "ä dann find zwey ablängliche,
" "mehr oder weniger breite, zu diesem Endzweck verarbeitete Bret-
ter , die mit einander vermittelt eines Balken verbunden sind,
in Bereitschafft. An ihrer vordern Endung ist ein hohes vier-
eckiges Holz feste gemacht, welches dazu dient um ein Paar Pfer-
de oder Ochsen anzuspannen. Hinter daffelbe stellt sich ein
Mensch, zu welcher Verrichtung gemeiniglich ein junger Knabe
gebraucht wird. Dieser treibt das Vieh an, jagt es in die Runde
auf dem aufgeschütteten Korn herum, und durch die Bewegung
fällt der Kern aus der Aehre. Es ist aber zu wissen, daß die
Bretter unten rauh, oder vielmehr, daß auf ihrer untern Fläche,
gerade in der Mitte, kleine Viereckchen ausgehölt sind, in de-
ren jedem ein spiziges Stäbchen angebracht ist. Durch dieses
Mittel wird nicht nur die Absonderung des Korns befördert,
fondern auch, wann diese schon geschehen ist, die leere Aehren auf
die Seite geschafft, daß fo dann das Korn, desto leichter in die
Säcke gebracht werden kan. Es ist mir diese Art zu dreschen
nicht nur besonders, sondern auch einigermaffen nachahmungswür-
dig vorgekommen, daher ich von dem ganzen Verfahren eine
Zeichnung besorgt habe. S, Pl. 1, -
Ich
-
- -
•A, § „s- 15
Ich habe schon gesagt, daß wegen des schlechten Ufees bey von den
Derbent keine Schiffe daselbst, oder doch nur sehr selten anlan- Derbenti
den, daher dann auch der Derbentische Handel von keiner groffen " 3“
Erheblichkeit fey. Indeffen ist er doch auch nicht ganz und “
gar nichts. Die Provinz Gilan und die Schamachie ver-
sorgt Derbent mit verschiedenen baumwollenen und seidenen Zeu-
gen, als Kutna, Kannawat, Kißin, Burmet 2), und diese wer-
den an die Legischen und Gorskischen Tataren, gegen eine Art
dünnes Laken, das von ihnen in ihren Gebürgen verfertigt und
Kubetschi Schal genannt wird, abgesetzt. Nach Gilan und
der Schaunachie wird von hier aus viel Safran gebracht, der
hier in großer Menge gebaut, und davon das Pud zur Zeit
feiner Erndte ohngefehr für Hundert Rubel verkauft wird. Ein
Preiß, um welchen Rußland feinen Safran aus Europa nimmer-
mehr erhält.“ Des Kram- Handels zu erwähnen ist der Mühe
nicht werth. -
Hierauf und aus der schlechten Beschaffenheit des Hafens
er sieht man, daß Derbent bey der Kaspischen Handlung nicht
viel in Betrachtung kommt. Jedoch sollte Rußland dereinst
auf den Wachsthum derselben ernstlich bedacht feyn, und wäre sie
zum Nutzen des Reichs würklich hergestellt, so könnten dannoch
jährlich ein Paar mit Meer, Eisen, Stahl, und Bley beladene
Schiffe allhier mit großem Vortheil fanden. Dann da der Acker-
bau so sparsam getrieben wird , die Leute aber doch alle Tage
effen wollen, so ist das ersterer beständig in gutem Preiß; die
letztere Waaren aber werden von den Lesgiern und andern Tc-
taren begierig gesucht und gut bezahlt, welches 3) aus der hier
angefügten Note hinlänglich erheller. Nur kommt es darauf
an, ob es rachsam fey, Materialien zu Waffen unruhigen Völkern
in
2.) Die Bedeutungen dieser Zeuge werden nebst vielen andern bey
der Beschreibung der Stadt Räscht, wo ich auch von den Persil-
fchen Fabriquen rede, erklärt.
3.) Der Astrachanische Hr. Statthalter gab mir etwas Eisen, Stahl,
und Bley zum Absatz mit. Von dem ersteren brachte ich das
Pud für 250. Kop. von dem zweiten ein ähnliches Quantum für
a Rubel 50, Kop. und von dem letzten das Pud für 3. Ru-
QUI-
16 «A, + „F
"Pon Fetch
in die Hände zu geben, und Lebens-Mittel aus dem Reich zu
führen. Man muß auch noch ferner bedenken, daß die hiesige
Silbermünze manchmalen gänzlich verfälscht ist, von welcher
Sache ich aber ein andermahl bey Gelegenheit des Persischen
Geldes reden werde. Neben der angezeigten Haupt-Eintheilung
wird Derbent noch in achtzehn Sloboden abgesondert , die zu
Nadir - Schachs Zeiten ihre besondere Nahmen gehabt haben
sollen. Nunmehro ist keiner mehr von denselben bekannt, und
man nennt sie schlechtweg die obere, die mittlere , die untere ,
und-f. w. Ueber eine jede derselben ist ein Starosta gesetzt,
der in der Türckischen Sprache Karkchoda genannt wird.
Mamed Seid Chan war zu Nadir-Schachs Zei-
Ali Chan,ten Statthalter in Derbent. Nachdem die Schachswürde in
dem Be- Persien aufgehoben worden, so blieb er als herrschender Chan in
herrscher zu
Derbent,
dieser Stadt nach 4). Aber er verfuhr mit den Innwohnern sehr
übel. Er legte ihnen ungeheure Abgaben auf, und wann sie
dieselbe nicht erlegen konnten, so straffte er sie auf das grausamste.
Dadurch wurden sie mürrisch gemacht, und dachten auf Mittel
und Wege fich von ihm zu befreien. Es gelung ihnen auch
gar bald. Sie wandten sich nehmlich an den Chan zu Kuba ,
Fetch Ali Cham, sie baten ihn um Hülfe, und versprachen ihm
die Stadt in die Hände zu liefern. Fetch Ali Chan rückte mit
einer Kriegsmacht vor dieselbe, und im Jahr 1760. bemei-
ferte er sich ihrer ohne viele Mühe. Mamed Seid Chan
schickte er unter Arrest nach Baku; allwo er auch im Jahr 1768.
verstarb. Fetch Ali Chan ist ein Sohn des Uffein Ali Chan,
welcher zu WNadir-Schachs Zeiten in Kuba herrschte, und schon
von Peter dem Groffen, als sich Derselbe in dieser Gegend be-
fand, zum Beherrscher dieses Districts erklärt wurde, seinem Sohn
aber, Fetch Ali Chan, nach seinem Tod das Land zur Erbschafft
hinterließ. Dieser ist ohngefehr dreißig Jahr alt, hat sechs Frau-
en, und ist nach der hiesigen Weise dem Trunk sehr ergeben.
Soviel ich merken konte, wird er von den Derbentischen Inn-
- woh-
-
4.) Von der Theilung des Reichs in Chanschaften fiehe den Abschnitt
von der gegenwärtigen Verfaffung Persiens.
A. - - 17
wonern so ziemlich geliebt. Seine Herrschafft ist uneingeschrenckt,
aber feine Einkünfte lassen sich nicht ganz genau bestimmen, dann
er legt die Abgaben nach Erfoderung der Umstände auf, und
diese bestehen in Pferden, Vieh, Korn, Weizen, Reiß und
andern Früchten. In allen Städten hat er auch seine eigene
Gärten und feinen eigenen Ackerbau. Seine Kriegsmacht soll
sich auf vierzig tausend Mann erfreken: sie bestehet nicht nur
aus Persianern, welche, wann sie Kriegsdienste thun, und von
dem Chan Besoldung erhalten, Kul (5.) genannt werden, fon-
dern hauptsächlich aus gemietheten benachbarten Tataren, wozu sich
besonders die Lesgier gebrauchen laffen. Dieses gemiethete
Kriegsvolk verursacht die beträchtlichste Ausgabe des Chans.
Was die Unterthanen auftreiben können, das wird demselben zu
Theile, und ohngeachtet zwar der Chan bey feinen Untertha-
nen Liebe hat, so fehlt es eben doch auch an Klagen nicht;
"ünd ganz Derbent wünscht die glückliche Zeiten zurück, da Schir-
van dem Rußischen Zepter gehorsam gewesen war. Dem Chan
hingegen ist wegen der beständigen Unruhe seiner Nachbarn eine
Kriegsmacht nöthig. Seine Uutherthanen reichen zu derselben
bey weitem nicht zu. Er muß sich also um fremde Völker
bekümmern. Diese wollen tüchtig bezahlt feyn; das Geld aber
entrichten samt andern Erfoderniffen die Unterthanen, denen dann
eine solche Pflicht genungsam beschwerlich fällt.
Ein neuerliches Beispiel der Nothwendigkeit von Kriegs-
völkern für den Chan, hat der Chan der Chaitaken, welche
Derbents nordliche Nachbarn sind, abgegeben. Dieser, welcher ge-
meiniglich der Usmeinische Chan genennet wird, und jetzund
Abrehensa heißt, war vor fünf Jahren bey dem Chan von
Kuba in Derbent zum Besuch. Vor ihrem Abschied ritten
fie mit einander auf die Jagd. Nachdem diese vorbei war,
fo kehrte Feth Ali Chan nach Kuba zurück, und Abrahema
Dritte Theil, C wandte
5.) Diß ist der wahre Nahmen der Perfischen Soldaten. Kyfilbach
bedeutet einen Rothkopf, und ist ein Schimpfnahme, mit welchem
alle Persianer wegen ihrer rothen Turbante von den Sunniern
belegt werden. Denn überhaupt, die hier zu Land wohnende Ar-
menier, und andere Völker, wann sie die Religion eines Alianers
benennen wollen, so heissen sie solche die Kyfilbaschische.
18 •A, - „F-
wandte sich nach feinen Gebürgen. Aber er glaubte nicht so bald
für der Gegenwart des ersternficher zu feyn, als er gegen Der-
bent anrückte, von dem Schloß Befiz nahm, und fogleich die
Thore verschließen ließ. Die Innwohner hatten jedoch ein Mit-
tel ausfindig gemacht Feth Ali Chan von dieser Sache zu be-
nachrichtigen; der fich dem Usnei mit einer ziemlichen Kriegs-
macht entgegen fzte, und ihn binnen vierzehn Tagen aus Der-
bent verjagte.
Die Feindseligkeiten dauerten inzwischen unter diesen
beyden Orientalischen Fürsten fort; fiel brachen auf beiden Sei-
ten in Gewaltthätigkeiten aus: nun aber haben sie fich entschlos-
fen, Friede zu machen, und dieser Friedenschluß ist in diesen Ta-
gen, während meiner Anwesenheit zu Derbent, ins Werk gestellt
worden. Der Usmei kam nach der Stadt, und wurde in
dieselbe, von dem Kubinskischen Chan eingeholet, so wie ihn
auch letzterer nach verrichteten Sachen zurück begleitete. Sie
verglichen sich mit einander, und währendem Vergleich dauerte
das Zechen beständig fort. Worinnen die Tractate befanden
habe ich nicht erfahren können. So viel hörte ich, daß
der Zoll der durch die nach Norden gelegene derbentische Stadt-
ehore aus- und eingehenden Waaren inskünftige dem Usneizufallen
soll. Des Usmei Schwester ist eine von den Gemahlinnen Feth
Ali Chans. Jener wird für einen falschen, Beute begierigen
Mann mit seinem Volke gehalten, und sicher ist es, daß er es
mit Rußland gar nicht aufrichtig meinet; da fich hingegen dieser
redlicher bezeugt, vielleicht aber auch nur, weil ihn eine kluge
Vorsicht darzu nöchiget. Fremden Reisenden versagt der Usmei
eine Begleitung nicht, aber man weiß aus der Erfahrung, daß
er dagegen in der Stille eine grössere Mannschaft ausschickt,
um die Reisenden mit ihrer kleinen Begleitung aufzuheben.
Die Grabe Ueberall um die Stadt Derbent herum, nur die füd-
eine su liche Seite derselben ausgenommen, findet man eine unglaubliche
P“ Menge Grabsteine (6.) die sowohl senkrecht als quer stehen mit
UNte
6.) Bey meinen ferneren Reifen in Persien habe ich bemerkt, daß
alle Todten-Höfe in diesen Gegenden, Perfische nemlich sowohl, als
Tatarische und Armenische durch ähnliche Grabsteine, als wie zu
Derbent das Angedenken der Verstorbenen erhalten,
A, B „Fe 19
untermischten andern ovalen, welche auf der Erde liegen, und
die Gestalt eines Sargs haben. Diese Grabsteine führen Inn-
schriften, welche in verschiedenen Morgenländischen Sprachen ab-
gefast find, den Nahmen und das Alter der Verstorbenen be-
schreiben, und auch manchmahl ein dienliches Stoß-Epigramma ent-
halten. Es ist bey den Persianern , wie an andern Orchen
Europens, üblich, daß sich Familien eigene Plätze wählen, wor-
auf fiel sich nach ihrem Tode begraben laßen. Ein jedweder Tod-
ter bekommt einen Grabstein; der reichern ihre find mit man-
cherley Zierathen und grob ausgehauener Arbeit versehen. Das
merkwürdigste Grabmahl ist nahe bei der Stadt an dem Fuß
eines westlichen Gebürges, mit welchem der entseelte Körper des-
jenigen Chans, oder damaligen Statthalters, prangt, der Peter
dem Großen Derbent überliefert hat. Es gleicht einer steiner-
nen Kapelle, in welcher der Todte liegt; als eine orientalische
Merkwürdigkeit (7.) heile ich davon eine Zeichnung mit (S.
Pl. 2. ) die statt einer weitlauftigen Beschreibung dienet.
Auf der nordostlichen Seite der Stadt sind noch zwo zweynert,
besondere Stellen, deren ich bei Gelegenheit der gedachten Grab-würdige Al-
feine erwehnen kann. Die eine, welche unterhalb der Berge terebbimer
auf der Ebene liegt, besteht in vielen bei einander versammle-ber. Der
ten und dicht an einander liegenden Grabsteinen, die eine Maus"
er von Grabsteinen umgiebt, durch welche ein Viereck aus dem
Plaz gebildet wird, in dessen Mitte eine ausgewölbte Pyramide
aufgerichtet ist, worinnen andächtige Persianer Lichter anzuzünden
und Opfer an Geld zu legen pflegen, das dann nach der Hand
denjenigen zu Theil wird, welche kein Bedenken tragen, sich
mit einem geheiligten Gelde etwas zu gut zu thun. Die
Persianer geben vor , es feyen an diesem Ort vierzig
Märtyrer von ihrer Religion seit vielen ihnen unbekannten
Jahren begraben; und auf die Frage, warum dann die Anzahl
2, der
7.) Aehnliche Epitaphia angesehener verstorbenen Personen, die man
sonsten mausolea zu nennen pflegt, habe ich überall in Perfien
angetroffen. Bei der Architectur derselben ist immer einerley
“ angebracht und fiel unterscheiden fich nur durch ihren
ang. -
20 - »A, - „e
der Grabsteine die Zahl vierzig weit übersteige, wurde mir geantwor-
tet, daß von dem Begräbniß selbiger Märtyrer an bißjezo auch an-
dere rechtschaffene eifrige Alianer und wolverdiente Leute nach ih-
rem Tode auf dieser Stelle ihre Ruhestätte bekommen. Die
in Derbent wohnende armenische Christen wollen behaupten, daß
keine Perfische sondern vielmehr Christliche Märtyrer auf besag-
tem Plaz ruhen: allein die Opfer-Pyramide, welche, so wie der
ganze Ort, den Persern heilig ist, scheinet mir dieser ihre
Tradition zu bestätigen. Zunächst diesem Grabmal ist ein Hauß
befindlich, welches den Reisenden zu lieb erbauet worden , daß
fie sich darinnen aufhalten können, wann sie sich so verspätet ha-
ben, daß sie die Stadt zu erreichen niche mehr im Stande sind:
dann es ist zu wissen, daß die derbentische Pforten mit Unter-
. gang der Sonne geschloffen und auch niemand geöfnet werden.
Die andere besondere Stelle ist von dieser nicht weit ent-
fernt, und auf einem Berge zu bemerken. Es ist eine unterir-
dische Hölle, mit einem acht # langen und anderthalb Schuh
breitem Eingang , auf dessen linker Seite ein Kamin ausge-
graben ist. Bey dem Ende desselben find mit einigen kurzen und
fchmalen Schnekengängen zwo Wohnungen, als wann es Stuben
gewesen wären, auf jeder Seite nemlich eine, angebracht. Sie
find kaum 14 Schritte lang, und man erblickt darin nicht das
geringste Tageslicht. Der Eingang in diese Hölle ist , so
wie die Stuben, feinern, und die Steine sind durch Leim befesti-
get. Zwischen den unterirdischen schnekenförmigen Zimmern
befindet sich ein breiterer, aber ganz kleiner Platz, gleichsam als eine
Antichamber zu beyden. Hier sollen 40. georgianische Jung-
fern begraben worden seyn, denen man auch als Märtyrinnen das
Leben gewaltsam genommen habe; die Georgianer aber sollen von
da ihre Gebeine nach ihrem Vaterlande gebracht haben. An-
noch liegen in der Hölle einige Menschen-Knochen (8.); ich will
aber nicht bürge fyn, ob man sie nicht zum Schein hingelegt
hat?
3.) Ich habe in der Hölle zwey Hüft - ein Schienbein- und einen Schul-
ter-Knochen angetroffen; fie kamen mir aber alle fo frisch vor
als wann sie erst neulich darein gelegt gewesen wären, -
•A, - „z-
hat? indeffen ist auch der Eingang der Hölle oberhalb von auffen
mit einer in einer Morgenländischen Sprache geschriebenen In-
schrift versehen, deren Innhalt von meiner erzehlten Jungfern-
Geschichte handeln soll (9.).
- Die derbentische Brunnen verdienen Aufmerktmkeit. Die Derbenti-
Quellen find auf den benachbarten Gebürgen in einer sehr beträchtlichen sche Brun-
Anzahl. Von denselben wird das Waffer durch Röhren und gewölbte nen-
Kanäle in die Festung, und von dar in die übrigen Theile der Stadt
gebracht. Die Wafferbehälter sind sowohl sichtlich, als bedekt.
In dieselben fließt das Waffer nur durch eine einzige Röhre;
die Anzal aber von jenen ist groß, und nicht nur nahgelegene,
sondern auch ganz entfernte Quellen liefern den derbentischen Jan-
wohnern das zuverläßigte Mittel wieder den Durst.
Von der Bauart, die bey Derbent beobachtet worden ist, Derbenti-
kann gegenwärtig ein Reisender nicht mehr viel sprechen. Es ist sche Bau-
eine Seltenheit ein ganzes Haus in dieser Stadt zu finden,“
fo verstört und verheert sieht alles aus. Indeffen bemerkt man
doch so viel, daß der morgenländische Geschmak den Baumeister
abgegeben hat. Ein jedwedes Haus stellt ein Viereck vor, und
hat seine eigene Mauer. Auf der einen oder mehreren Seiten dieser
Mauer sind die Wohnstuben angebracht, welche längst derselben
lauffen. Die Stelle der Fenster vertritt ein hölzernes Gegitter,
und statt der Wandkasten sind viereckige Löcher rings in der
Stuben in die Mauer ausgehauen. Durch Kamine werden die
Zimmer erwärmet. Von Kellern weiß man nichts. Die meiste
Häuser bestehen, oder befunden vielmehr, aus einer einzigen Eta-
ge; andere haben auch zwo und mehrere. Ordentliche Küchen
sind nicht vorhanden. -
- Auf der südlichen Seite der Stadt längst der See, und Derbenti-
auf der nordlichen nach den Uneinischen Gebürgen zu, befinden sche Gärt
sich die treffliche Derbentische Gärten, welchen zwar die Kunst"
wenig reizendes gegeben hat, bei denen aber die Natur desto
verschwenderischer gewesen ist. Auffer einigen wenigen Gartenge-
wächsen, als Gurcken, Kohl, und so weiter werden hauptsächlich
Weinreben und allerley Früchte gepflanzt. Der Wein, welcher
in der Türckischen und P Sprache Tschiechir oder Tscha-
3 - chir
9.) Meis Erachtens sollte man dieser Sache halten zu Ergänzung
der Geschichte in Georgien Nachfrage thun-
22 •z, M. „F•
chir genannt wird, ist nicht nur von gutem Geschmack, sondern
auch von gehöriger Stärcke, und langer Dauer. Es giebt sowohl
rothen, als weißen und röhlich weifen, welcher an einigen Orten
von Deutschland den Nahmen, Schieler , führt. Er hat zwar
den Fehler, daß er selten rein, und mehrmalen dick ist; aber
hieran ist nicht das Gewächse, sondern die Sorglosigkeit und Un-
wiffenheit der Menschen schuld, welche nicht verstehen den Wein
gehörig zu behandeln, die Gährung nicht vollkommen abwarten,
und, wann sie geendiget ist, den Wein von feinen Unreinigkeiten
abzusondern unterlaffen. Es kömmt auch besonders der groffe
Mangel der Fäffer und die schlechte Beschaffenheit derselben in
Betracht, geschweige, daß man daran gedencken folte, bey der
Weinerndte die Trauben aus einander zu lesen. Das Pflanzen
der Reben ist so einfach, als es nur feyn kan, dann die Wein-
föcke werden der Natur anvertraut, wie sie solche wachsen laffen
will; man befestiget sie nicht einmal an Pfällen, und des Win-
ters werden sie nicht unter der Erde bedeckt; es wäre ja auch
unnöthig: dann hier fängt sich das Vaterland der Weinreben an,
da solche auf den benachbarten Gebürgen, mit ihren Ranken
über alle Bäume steigend, wild wachsen.
Die Früchte, welche man in den hiesigen Gärten pflanzt,
find allerley Arten der schmackhaftesten Apfel, Birnen, Quitten; fer-
Gebrauch
des Kna,
Oder der
Garten-
Balsamine.
-
ner Pfersiche, Aprikosen, Mandeln, Feigen, und Granaten. Diese
Bäume stehen in unordentlichen Alleen, oder natürlichen Irrgär-
ten mit, neben und unter einander und find in einem aufferordent-
lichen Grade fruchtbar. Unter Blumen beobachtete ich meisten-
theils solche, welche einen angenehmen Geruch haben; doch find
schön gefärbte nicht gänzlich ausgeschloffen. Balsaminen fieht man
hier in häufiger Menge. Man nennet die Pflanze in der Tür,
kischen Sprache. Kna, und sie dient zu einem wunderlichen Ge-
brauch. Ueber des Kraut mit seinen Blumen wird Waffer ge-
goffen, und solches in demselben eine Zeitlang eingeweicht. Da-
mit waschen sich die Persianer und Tataren die Nägel der Hän-
de und Füße, und diese werden darauf Safrangelb, oder gelbröhlich,
welches für schön gehalten wird. (10.)
State
10.) Der Gebrauch des Kna ist auch zu Astrachan unter den Arme,
nianern bekannt. Man pflanzt die Blume, zu diesem Ende in
«A, P. „F- 23
Statt Erbsen pflanzt man zu Derbent ein anderes Ge- Tochotta
wächste, davon der Saamen aus dem innern Persien gebracht oleracea
wird. Man nennt solches Nochotte, und in der Kräuterkunde
scheint es mir noch ein fremder Gast zu seyn. Der Kelch ist
einblätterig, in fünf Theile gespalten, haaricht, und an einer
Grundlage etwas bauchig, die Einschnitte find lanzenförmig,
gleich und spizig, die Blumen sind, wie bei andern Pflanzen,
welche Schoten haben, Papilionaceae. Das Vexillum ist weit an
seiner Spize ausgezakt, an den Seitentheilen zurückgeschlagen,
in der Mitte Carinatum. , Die Flügel sind kurz, breit, lanzen-
förmig, unterhalb zwiefach gespalten, und oben zurückgebogen.
Die Carina ist noch kleiner als die Flügel; von auffen auf ihrer
Mitte ungemein höckerich, inwendig aber auf beiden Seiten ge-
flügelt. Der Staubfäden find zehn , welche sich an ihrer
Grundlage in eine weiße Haut vereinigen, aber nach oben zu,
und gleich in der Mitte von einander trennen; ihre Spitzen
find gelb, und sehr klein. Der Eyertok ist oval, der Stil
Fadenförmig, und unten rauh: das Stigma ist länglich, gelb und
einfach. Die Schote, welche diese Pflanze bekommt, ist ab-
länglich, und von hinten nächst ihrer Spitze bauchig. Sie öff
net fich mit zwo Klappen. Der Saamen ist herzförmig, und
in der Mitte gefurcht.
Mich
dafigen Gärten. Außer dem Färben der Nägel an Händen nud
Füßen färbt man auch die Kopfhaare der Kinder beyderley Ge-
schlechts damit, unter dem Vorwand, daß sie nach öffterem Ge-
brauch schwarz werden. Jedoch ist das aus Persien gebrachte
Kraut, welches man in der Gestalt eines feinen Pulvers verkauft,
stärker und kräftiger, als das astrachanische, dem man allzeit
etwas Alaun beygesellet. Die Armenier verfahren damit fol
gendermaßen. Sie gießen auf das verpulverte Kraut warmes Waf
fer bis zur Confistenz eines dünnen Breys , und mit diesem Brey
beschmieren fiel die Finger und Zehen, soweit man solche gelb ver-
langt, die beschmierte Theile aber werden mit kleinen Stücken dünn
aufgeblasener Schafsdärme umwickelt. Will man die Haare auf
dem Kopf färben, so werden fiel mit dem Brey eingerieben,
mit einem Tuch in die Höhe gebunden, in diesem Zustand zwölf
Stunden lang gelaßen, und als dann ausgekämmte
24 - - »A, H. „F-
Mich dümckt, daß eine solche Beschaffenheit der Be-
fruchtungstheile hinreichend fey, die Schoten - Pflanzen mit
einem neuen künstlichen Geschlecht zu vermehren. Die ober-
halb abgesonderte Faden, die bauchige Saamen-Capsel, und
der in derselben enthaltene einzige Saame, sind gar zu besonders,
als daß ich diese Pflanze zu einem andern Geschlecht hätte brin-
gen können. Der Persische Nahme. Nochotta taugt rech gut,
das neue Geschlecht zu betiteln. Hier ist noch die Beschreibung
der Vegetations-Theile, die wie sie bey der ersten bekannten,
in der zukünftigen Flora Caspica unter dem Nahmen N. oleracea
vorkommenden Gattung desselben beschaffen sind. Die Wurzel
ist länglich, ganz, einfach und senkrecht; der Stil nicht ganz
aufrecht, doch auch nicht niedergeschlagen, winkelicht, haaricht
und ältig; die Aeste tragen nur Blätter, und bei ihrem An-
fang sind sie mit zween Stipulis versehen, die haaricht und fünf
fach gespalten sind, da dann die mittlere Einschnitte die übrige
sowohl an Länge, als Breite übertreffen. Die 25lätter sind Pin-
nata, von drey zu fünf Paaren; die Pinnä sind rund, eiförmig
und wechsels weise geordnet, eingeschnitten, stumpf und haaricht.
Die Blumen kommen aus Flügeln der Sckpulä hervor; sie sind
einzeln, und mit einem Stil versehen, welcher wieder haaricht ist.
Der Kelch bleibt beständig, und umgiebt noch die reiffe Schoten.
Die Persianer effen dieselbe so wohl gekocht, wie ein Zugemüse,
als auch roh. Sie werden auch zu Confituren gebraucht, näm-
lich als Mandeln und Pistacien verzuckert, und bey Vornehmern
statt eines Zubiffes bei starken Getränken herum gegeben, wie
unter andern bei Erwähnung der Perfischen Speisen angemerkt
werden soll. (S. Pl. 3.). - -
Gebrauch Nigella sativa wird hier auch gepflanzt, und der reiffe
der Nigel Saamen statt des Mohnsaamens mit ähnlicher Wirkung, auf Brod
" gefreut, gegessen. Wie nahe ist Nigella mit Papaver, ver-
- möge des botanischen Characters, verwandt! Und ungeachtet an-
jezo in ganz Persien kein Botaniste zu finden ist, wissen sich
damnoch unwissend die Persianer des botanischen Fingerzeigs zu
bedienen. - -
7atürliche Derbent liegt unter dem 42ften Grad nordlicher Breite.
Beschaffen. Eine Lage, von welcher sich nichts anders als vortheilhafte Be-
beit von griffe machen laffen. Die Fruchtbarkeit der Felder ist sehr be-
Derbent. - trächt-
•A, + „F- 25
trächtlich, und das Erdreich verlangt nichts anders als einen
gröffern Fleiß der Innwohner (11.). Von Düngen weiß man
nichts, sondern man verbrennet nur Stroh auf den Feldern (12.)
betreuet fiel mit der nachgebliebenen Asche, und die Wirkung
davon ist vortrefflich. Für einen Botanisten ist Derbent ver-
möge seiner Lage gleichfalls erwünscht. Jedoch da ich, wie in
der Vorrede erinnert worden, anjezo in diesem Tagebuch nur fol-
cher natürlichen Gegenstände gedenke , welche das Publi-
kum reißen können, oder einen Einfluß in die Haußhaltuug
und Arzeneikunst haben, so enthalte ich mich etwas von meinen
gemachten Beobachtungen anzuführen, und verspare, um mich
mit einem Wort und ein für allemal zu erklären, die natür-
liche Geschichte von der westlichen Seite des Caspischen Meers
auf ein größeres Werk, zu defen gänzlicher Ausarbeitung der-
einsten mehr Zeit als zu einem solchen, wie das gegenwärtige
ist, erforderlich sein wird.
Die Sonnenhitze in Derbent ist ungemein groß: dic-
fes hindert aber nicht, daß der Winter nicht eben so
beschwerlich seyn sollte; und hieran ist nicht so wohl eine
durchdringende Kälte, als vielmehr die Näffe und der in un-
glaublicher Menge fallende lokere Schnee schuld. Weil die
Häuser keine würkliche Dächer haben, sondern statt derselben auf
ihrer Ober-Fläche nur schlecht weg mit Leim beworffen werden,
welchen Umstand ich bei der hiesigen Bauart anzuführen ver-
geffen habe; weil statt der Fenster nur hölzerne Gegitter vorhan-
den sind, die meiste Wohnstuben aber unten auf der Erde ange-
bracht werden, so dringt die feuchte Luft und der Schnee über-
all durch; letzterer versperrt den Eingang in die Häuser, kommt
durch das Gegitter in die Zimmer, und verursacht, daß die Leute
manchmal in ihren Häusern weder ein- noch ausgehen können: der
Weinachts-Monath, der Jenner und der Hornung ist mir als
die eigentliche Winter-Zeit angegeben worden; fonten pflegt die-
Dritter Theil. D - felbe,
11 ) In einer besonderen Abhandlung von der natürlichen Beschaffen-
heit des Nordlichen Persiens wird erinnert werden, daß der Derben-
tische District in mancherley Betracht vorzüglich fruchtbar genant
zu werden verdient. - e
12) Wie man zu gleichem Gebrauch in Rußland die Steppen anzündt.
6 A, St. „F-
ZDie Kala-
fa-Staude.
felbe, wie an andern Orten, nach der Verschiedenheit der Jahre
bald gelinder und bald heftiger zu seyn.
Ich glaube wohl, daß die Straffen in Derbent ehema-
len gepflastert gewesen find; allein auf den meisten Stellen find
kaum noch die Spuren davon vorhanden: dieser Umstand macht
dieselbe im Winter, denn der Frost ist niemalen so stark, daß
der Schnee halten sollte, so wie bei regnichtem Wetter, fast
unwegsam.
Die benachbarten Gebirge haben viele Waldung, ja sie
bestehen nur aus Holz und Gesträuch, welches mitten aus den
Felsen herauswächst, und recht gut fortkommt. Die Baum-Ar-
ten find Eichen, Birken, weiße, schwarze und zitternde Aeschen,
weise und schwarze Maulbeerbäume, Haselnüff, Welsche-Nußbäu-
me, Buchen und verschiedene Weiden-Gattungen. Unter den
Stauden ist eine besonders merkwürdig, deren Beschreibung
auch hier einen Platz verdiener, dann sie könnte mit allem Recht
in die Europäische Luftgärten aufgenommen werden. Man nennt
fie im Türkischen Kalaf, und die Persianer betiteln dieselbe eben so.
Sie hat, von ferne betrachtet, vollkommen die Gestalt ei-
ner Weide; mit derselben kommt sie auch in ihren Blättern und
durch die Beschaffenheit ihrer Aete überein. Diese sind rund,
weiß, woflicht, und nach ihrer ganzen Länge mit Stacheln besetzt.
Die Blätter sind lanzen-eyförmig, mit einem Stil versehen, ganz
unten schneeweiß , und oben mit weißen Puncten gedüpfelt.
Die Blumen sind überall an den Aesten befindlich, einzeln,
wechselsweise geordnet, und mit eigenen Stilen versehen; sie ha-
ben einen ungemein starken angenehmen Geruch, bedient man sich
aber desselben zu viel, so empfindt man, wie von den Tuberosen,
eine Betäubung, und es erfolgen leichlich Kopfschmerzen darauf,
Ihre Farbe fällt ins gelbliche. Sie haben keinen Kelch, sind
einblätterich, trichterförmig und vierfach gespalten; die Einfetynitte
find ganz, und, wann die Pflanze eine Zeit lang geblüht hat,
zurükgeschlagen. Die vierfadenförmige Staubfäden fiesen mit
ihren Spitzen zwischen den Abtheilungen der Blume. Der Ex-
erstok ist länglich; die Röhre von der Länge der Blume, das
Stigma einfach. Die Frucht besteht aus einer wollenen eyför-
migen acht winkelichen Drupa, die eine längliche Nuß in sich
enthält. Die Persianer ziehen von den Blumen ein trefflich rie-
hendes Waßer ab, welches sie als ein Nerven- und Herzstärken-
- des
-, E- „A- 27
des Mittel nicht genug anzurühmen wifen. Die Botanik aber -
bekommt an dieser Pflanze vermuthlich wieder ein neues Ge-
schlecht, welches ich nur darum noch nicht bestimmen will, weil
zu Festsetzung der Geschlechte wiederholte Beobachtungen nöthig
find (S. Pl. 4.). -
Ohnerachtet in Derbent an Bäumen kein Mangel ist,
fo muß man doch das Brennholz in einem aufferordentlichen
Preiß bezahlen. Die Lebensmittel überhaupt sind alle sehr theuer,
und ich glaube, daß daran nichts anderes, als die Armuth der
Innwohner schuld fey. Wo will man aber reiche Glieder
eines Staats fluchen, wo die Herzen der Menschen von keinem
innerlichen Trieb beseelt sind, wo der Beherrscher kein Vater
seiner Unterthanen ist, und die Beherrschte in einer wilden
Blindheit leben? Aber diese Betrachtungen verspare ich auf das
Kapitel von der gegenwärtigen Beschaffenheit Persiens.
An Wild fehlt es dieser Gegend nicht. Haasen, wilde
Schweine, Rehe, Füchse , Bären, Wölfe, gibt es in groffer
Menge. Hermeline, und das kleine Hermelin, welches im Win-
ter seine Farbe nicht verändert, keine schwarze Spitze an seinem
Schwanz hat, und auf rußisch Lastotschka (Macmonika) heißt, wur-
den mir auch gebracht. Zwischen den Felsen und in zerfallenen
Häusern hält sich auch der Choriok (xophokb) mustela pulorius
auf. Die Schakallen waren mit ihrem jämmerlichen Geschrey
auch beschwerlich genug. Ich konnte aber noch keinen zur Be-
schreibung bekommen. Die Menge der Heuschrecken sowohl nach
ihrer Anzahl, als nach ihrer Verschiedenheit ist sehr beträchtlich.
Ueberhaupt wer Infecten fammlen will, der muß nach dem
Orient gehen, um seine Begierde zu befriedigen.
- Von achten Julius. Ich dachte nicht in Derbent so
lange zu verweilen, als es die Umstände mit sich brachten.
Ich hatte schon gegen den Ausgang des vorigen Monaths alle
Gegenden durchgestrichen und konnte mich versichert halten, daß
mir wenige natürliche Gegenstände entwischt feyn, deren man
in dieser Jahres-Zeit habhaft werden kan. Ich dachte also schon
dazumal ernstlich an meine Abreise, und wandte mich deswegen
an den Chan. Ich fahe wohl ein, daß mir, wann ich immer
zu Waffer reiste, die natürliche Beschaffenheit des Landes unbe-
kannt bleiben würde; ich nahm mir also vor, mein Schiff bis
nach Baku zu verlaffen, und, um nach dieser Stadt zu kom-
- - - - D 2 men,
E3 •z, - „F- -
men, den Landweg zu erwählen. Der Chan versprach fünfzehn
Pferde für mich und meine Gesellschaft zum reiten, und drey
Arben zu dem allernothwendigsten Geräht, und ich wartete seit
vielen Tagen auf nichts als auf die Erfüllung seines Ver-
sprechens: allein er verzögerte dieselbe von einem Tag zum andern,
davon die Urfach diese war; er dachte, weil ich einen Puls ge-
fühlt, und ihm gezwungen ein Pflaster auf seinen Scirrhus gelegt
hatte, so müffe dieser nothwendig vergehen, und weil er es nicht
thun wollte, so beliebte er mich aufzuhalten, dann er vermuthete,
es fey mein rechter Ernst nicht, ihm zu helffen, und durch die-
fes Mittel werde ich mich schon genöthiget sehen, alle meine
Kräfte aufzubieten, um seine Absichten zu erreichen. Schon
manchmal in meinem Leben bin ich auf das Medicinische Hand-
werk nicht am besten zu sprechen gewesen: dießmal verwünschte
ich daffelbe mit allen Facultäten in den tiefsten Abgrund. Ich
faste mich. Ich ging öfters zu dem Chan. Ich suchte ihm einen
Begriff von einen Scirrhus beyzubringen; allein, entweder
verrichtete mein Dolmetscher sein Amt nicht gehöriger maffen, oder
eben der Chan war mit meiner hypokratischen Philosophie nicht
zufrieden. Er wollte die Verhärtung vertrieben haben; ich sollte
das Werkzeug dazu abgeben: ich aber befand mich dazu auffer
Stand, und jetzo in seiner Gewalt, wenigstens hieng es von ihm
ab, mir keine Pferde zu geben, welche mir die Botanik fo nö-
thig machte. Die Aerzte helffen sich sonsten mit Vertröstungen.
Hier würde ich schlecht damit angekommen feyn; dann mein
Trost hätte von einer Wirkung feyn müffen. Nachdem ich ge-
nug aufgehalten war, so bedeutete ich dem Chan, daß fein Scir-
rhus weder mit Pflastern, noch mit Salben zu vertreiben fey, fon-
dern daß er ausgeschnitten werden müffe, darzu aber hätte er
einen Wundarzt nöthig. Diese Antwort gefiel ihm freilich nicht;
denn kaum verließ ich ein Zimmer, so redete mich der Adju-
tant mit ziemlich unhöflichen Worten an, und verlangte gleich-
fam Rechenschaft von mir, warum ich nicht dem Chan feine
Beschwerde benähme? Hier kostete es etwas meinen Verdruß zu
verbergen: aber ich mußte es thun. Ich wiederholte, was
ich mehrmalen gesagt hatte, es gäbe Krankheiten, welche die
Würksamkeit aller Arzneien bemeisterten; ich setzte hinzu, da ich
nun sähe, daß blos die Krankheit des Chans an dem Aufschub
meiner Reise schuld fey , so müffe ich nun erinnern, daß #
Nicht
•A, - „F- 29
nicht als ein Arzt diese Gegenden besucht habe: blos auf mein
überbrachtes Empfehlungs-Schreiben von dem Astrachanischen
Statthalter wäre ich von der Freundschaft des Chans und von
aller Hülfleistung versichert worden; er möchte den Chan um
feinen endlichen Entschluß wegen der Pferde, die er mir so oft
auf das heiligste angelobt hätte, zu bitten nicht unterlassen, und
es mir nur gleich ankündigen, woferne ich solche nicht erhalten
könnte.
Hierauf reiste der Perianische Fürst aus Derbent ab,
' daß ich es einmahl erfahren hatte. Der nachgebliebene
tatthalter versprach die Pferde noch immer, und nicht nur
von Tag zu Tag, sondern beynahe von Stunden zu Stunden.
Endlich lies er mir sagen, es feyen keine vorhanden, und mit
dieser erbaulichen Nachricht lies er mich dann auf mein Schiff
wandern, das ich heute Mittags bestieg. Auf der fünften Plat-
te ist Derbent und die umliegende Gegend dieser Stadt beffer
vorgestellt, als es bisher von den Reisenden geschehen.
Von Neunten. Es war heute ein ganz stilles Wetter
und wann fich ein Wind erhob, so wehete er aus Osten und
uns also zuwieder, daher wir vor Anker liegen bleiben musten.
Ich hatte deswegen Gelegenheit über mich, über meine Verschik-
kung, und die damit verbundene Schicksale, nach dem Hergang
der Derbentischen Umstände, welche mir in so frischem Gedächt-
niß waren, in der Stille zu denken. Es ist an dem, daß der
Chan böse auf mich zu sprechen gewesen ist, und eine Hauptur-
fache war, weil ich ihm seine Verhärtung nicht benehmen konn-
te. Es war aber nicht die einzige. Noch niemalen ist ein
Schiff aus Rußland in diese Gegend gekommen, das in derje-
nigen Absicht abgefertiget worden wäre, welche bey dem meinigen
das Hauptaugenmerk abgegeben hat. Der gnädige Wille unf-
rer weisen und großen Kauferin wollte Persiens natürliche
Producten der Wissenschaft Europens nicht länger vorenthalten.
Ibro Kayserliche Majestät genehmigten nicht nur den
Höchfdenen selben von des Herrn Grafen Wladimir Grigorje-
witsch Orlos Erlaucht, in dessen erhabenen Person Petersburg
mit einem Münchhausen und Tessin zugleich prangen darf, unterleg-
ten Plan, einer zur Beförderung der Naturgeschichte nach den west-
lichen Küsten des Caspischen Meers anzustellenden Reise, sondern
30 A, 1. A-
Zöchstdiefebe erheilten so gleich, wie aus dem Anfang dieses
Theils erhellt, dem Astrachanischen Statthalter den Be-
fehl, diese Reise also zu beordnen, daß die Anstalten Rußlands
Ehre und dem Entzweck gemäß sein. Mir kam es nur zu,
esjenigen Vertrauens nicht unwürdig zu werden, welches in
mich gesetzt worden: aber anders dachten die Persianer. Die nord-
liche Provinzen Persiens waren acht Jahre lang unter der Ru-
ßischen Botmäßigkeit gewesen: Rußland ist gegenwärtig mit der
Pforte in einem Krieg verwickelt. Nach den ehmaligen Friedens-
Tractaten dieser beiden Mächte, sollte das nordliche Persien we-
der von der einen noch von der andern angegriffen werden, ohne
daß auf einen wiedrigen Fall entweder Rußland, oder die Pforte, -
zu einem Friedensbruch Gelegenheit gäbe. Ein öffentlicher Krieg
hebt die Tractaten auf, und während demselben wurde ich nach
Persien abgefertiger, um die Naturgeschichte desselben zu beschrei-
ben, eine Arbeit auf mich zu nehmen, die eine durch den
Lauff der Zeiten von der erhabensten Stuffe menschlicher Weis- -
heit in die tiefste Unwissenheit geratene Nation nicht im geringsten
faffen konnte. Was war also natürlicher, als daß sie auf un-
richtige Gedancken verfiel? Was ist ihrer Denkungsart gemäffer,
als Argwohn zu schöpfen; was, um mit einem Wort alles zu
fagen, für dieselbe bey gegenwärtigen Umständen glaublicher, als
dieses, ich feye ausgeschickt worden, um eine Nachricht von der
Verfaffung und von der gegenwärtigen Beschaffenheit dieser Länder
einzuziehen; anzuzeigen, was für Veränderungen in denselben seit dem
fie von den Ruffen verlaßen worden, vorgegangen seyn, damit man
wiffe, ob es der Mühe Werth fen, sich ihrer wiederum zu bemächti-
gen? Oftmals wurden mir dergleichen Vorstellungen von den
Armeniern in Derbent, die immer um den Chan waren, be-
kannt gemacht; niemalen wollte ich ihnen Glauben zustellen;
dann das glaubt man nicht gerne, was man nicht wünscht: da
fie mich aber heute noch einmal besuchten, da sie zuverlässig mir
versicherten, daß man durchaus keine andere als Spionen-Begrif-
fe von mir habe: da fie hinzu fetzten, fiel unterstünden sich nicht
mir alles dasjenige zu fegen, was sie gehört hätten, so wurde
ich endlich von der Wahrheit genugfam überzeugt: das letzte Be-
zeugen des Chans und fein so schlecht gehaltenes Versprechen, wo
durch er mir die Kenntniß des Landes von dieser Gegend ver-
sagen wollte, wurde mir begreiflicher, und ich kann auf nichts
QN:
-
-A, - „A- 31
anders, als was ich für Maßregeln auf die Zukunft ergreifen
wollte, um mit diesen wunderlichen Leuten zu rechte zu kommen.
Vom zehnten. Der Wind wurde N. W. N. und wir
fegelten also in der Meinung, nach der Mündung des Fluffes
Samura zu kommen, die nach der Derbentischen Aussage nicht
weiter als 20. Wert von der Stadt entlegen feyn sollte. Die
Reise gieng zimlich geschwind, und als es Abend zu werden be-
gunnte, erinnerten wir den Steuermann, er folte Anker werffen
laffen damit wir nicht unwiffend in der Dämmerung die
Mündung vorbeykämen. Von eilfen. Die Matrosen stiegen
auf die Spitze des Mastbaums, ob sie nicht die Mündung zu
Gesicht bekommen möchten ? sie sahen nichts. Dem ohnerachtet
aber wurde die Schiffs-Schaluppe ans Land geschäft, dieselbe zu
suchen. Sie kam erst auf den Abend zurück und berichtete,
daß sie einen Fluß gefunden habe, der sich allhier in die See
ergiest. Vom zwölften. Heute in aller Frühe fuhr ich mit
den meisten meiner Gesellschaft selbsten ans Land. Der Fluß
deffen Mündung die Matrosen gesehen hatten, war nichts weniger als
die Samura, sondern ein kleiner Bach ohne Nahmen, der von dem
Gebürge kam und ein weißes unreines Waffer führte. Ich
merkte, daß wir die Mündung der Samura längstens vorbeige-
gekommen waren: zu allem Glück, daß wir noch anders süffes
Waffer fanden, das Schiff damit versehen zu können, als um
welcher Ursache willen wir die Mündung der Samura gesucht
hatten. Auch war Holz genug vorhanden, um zu unserer Be-
dürfuß davon zu fällen; (3) dann gleich hinter Derbent ist
das westliche Ufer der Caspischen See mit einem dicken Walde
besetzt, der uns biß hieher begleitete. In demselben wachsen
weiffe und schwarze Maulbeerbäume, Pflaumen, Reben, Quit-
ten, Aepfel und Birn, in größter Menge. Das Ufer ist
voll vom groben und halbdurchsichtigen Kieselsteinen, von
viel-
13.) Wer den Derbentischen Hafen besucht, und von daraus weiter
nach Persien reifer, der muß sich nohtwendig mit Holz versehen:
dann man sieht aus dem Verfolg meiner Reise, daß das angren-
zende Land von Derbent bis Räscht so kahl und holzlos ist,
daß Reisende um mur etwas warmes effen zu können, sich des
Schilffs und in Ermanglung defen des Pferdemists bedienen
müffen. - -
32 A, - „Fe -
vielfältigen Farben und Gestalt. Man trift auch unter
denselben Karniole und Opale an. So lange die Schiffs-
leute mit Waffer schöpfen und Holz hauen beschäftiget wären,
botanisierte ich mit meinen Studenten in dem Wald, und un-
tersuchte denselben in die Länge und Breite. Ich hatte das
Glück binnen zween Tagen eine hübsche Beute zu machen. Jetzo
aber gedenke ich nur einer einzigen Medicinal-Pflanze, die
der in seinem Fleiß unermüdete und durch seine gesittete. Auf
führung sich beständig empfehlende Student, Hr. Carl Ludwig
Befährei-
bung der
China wur-
3el.
Hablitz, in ihrem Vaterlande zuerst entdeckt hat. Es ist dieje-
nige, welche in den Apotheken unter dem Nahmen der China-
Wurzel bekannt ist, also zwar nichts neues, aber doch etwas
feltenes, und davon noch keine so deutliche Beschreibung vorhanden
ist, als die welche ich jetzo liefere, und mit einer genauen
Abbildung für die Liebhaber der Materia Medica verbinde (S.
Pl. 6. (14.)
Die China - Wurzel gehört unter das Geschlecht des
Smilax und ist ein rankiges Gewächs, welches sich gleich wie der
Weinstock, über die Gipfel der höchsten Bäume schlingt. Es
hat eine dicke, holzigte, und überaus knotichte Wurzel, welche
quer in der Erde kriecht, mit einer Menge sehr langer, knotigten
und horizontal lauffenden Fasern versehen ist, auffen dunkel und
innwendig röhlich aussieht, und die einen sehr bittern, mit ei-
ner eigenen Schärffe verbundenen Geschmak hat. Aus dieser
Wurzel kommen die Stengeln hervor, die anfänglich holzig,
Fingersdik und darüber find, eine vierwinkelichte Gestalt besitzen,
und viele von einander stehende Gelenke haben, welche oberhalb
weich werden, und viele Stacheln bekommen, die theils wech-
felsweise geordnet, theils einander entgegen gesetzt sind, oder auch
wie in einem Zirkul mit einander verbunden stehen. Die Blätter-
fiele find gekrümmt, und an ihrer Grundlage mit zwo Schup-
pen, die gleichsam aus einer Scheide heraus kommen, versehen.
Die Blätter selbsten sind auf beiden Seiten glatt, ey-herzför-
M19,
*-
14.) Bey Kämpfern Amoen. exot p. 7 Fr. hat diese Pflanze den
Chinesischen Nahmen Sankira oder quaquara. So vollständig
die Zeichnung scheint, die er davon giebt, so undeutlich ist fie
“ Ich habe daher die meinige nicht zurückbehalten
O e
A, P. „F 33
mig, und endigen fich mit einer Spitze. Die Blumen hatten
schon völlig Abschied genommen. Die Frucht aber, welche ich
häufig fand, befund aus Beeren, die kugelrund, und trauben-
förmig bey einander versamlet, und innwendig in drey Fächer abge-
eheilt waren, welche zween cylindrische Saamen in sich enthielten.
Die Granatenbäume traf ich hier zum erstenmal wild an.
Vom Vierzehnten. Da wir gestern und vorgestern keinen"
Menschen zu Gesicht bekamen, und die Dörfer, welche in und
hinter dem Wald lagen, ganz leer stunden, so hielte ichs nicht
für ratham, hier lange zu verbleiben. Ich bestieg heute aber-
mal das Schiff, und mit einem günstigen Wind ankerten wir
des Abends bey einen Armenischen Dorf Barahun genannt,
ohnweit dem Hafen Niezabad, allwo wir auch übernachteten.
Hier gieng ich ans Land, miethete Pferde nach Kuba, und beorder-
te das Schiff nach Baku zu segeln, allwo ich es wieder er-
warten wollte.
Vom Funfzehnten. Wir erreichten heute Abends die
Stadt, und kamen durch die Perfische Dörfer Dedali und
Schechvar. Ich fahe wenig merkwürdiges. Die Bauren le-
gen sich auf die zahme Bienenzucht. Die Körbe find sphärisch,
bestehen aus zusammengeflochtenem Strauchwerk, und find über
und über mit Leim bezogen. Die oben angebrachte Oefnung
find mit einem Deckel geschloffen, und nur eine kleine Oefnung
zum Ausgang für den Bienen-Schwarm übrig gelaffen. Die
Getreide-Magazine find groffe und weite Cylinder, ebenfalls ausge-
flochtenem Strauchwerck aufgeführer, und auffen mit Leim über-
zogen. So einfach öconomisiert man hier zu Lande. -
Kuba, die eigentliche Residenz-Stadt des Feth Ali Chans Kuba
ist sehr klein, und hat kaum eine Werft in ihrem Umfang. Sie ist
ringsum mit einer vor dreißig Jahren von Bruch-Steinen erbauten,
mit Wachthürmen und Schießlöchern versehenen Mauer umgeben,
und nur auf der Nordwestlichen Seite, wo sie von dem Fuß
Kuba benetzt wird, offen. Es hat aber dieser Fluß ein unge-
mein steiles Ufer, welches bis an die Stadt-Thore reichert, und
daher beffer als eine Mauer dient. Jenseit des Fluffes, der
aus den Gebürgen entspringt, und nun von dem auf den-
selben schmelzenden Schnee fehr angelauffen war, ist eine
weitläufige Slobode befindlich, in welcher meistens nur Juden
Dritter Theil E (15.)
34 - «A, H. „Fer
(15.) wohnen. Dießeits nahe bei der Stadt sind etliche Arme-
niche Hütten, von denen auch mir eine zum Quartier angewiesen
wurde. Das Schlos des Chans, auf defen Hoff ein Paar
Kanonen stehen, hat auffer einer Fontaine nichts besonders. Die
Buden sind blos dem Kramhandel gewidmet. Die Innwohner
find meistentheils Tataren von Sunnischer und Schahischer Secte,
dann Feth Ali Chan ist beyden Theilen gewogen. Oeffentlich
bekennt er sich für einen Schahier; weil er aber so viel mit den
Lesgiern und andern Tataren zu thun hat, so find ihm die Sun-
nier eben so lieb. Leute, welche ihn durch einen genauen Um-
gang beffer kennen, wollen behaupten, seine Religion fey gar kei-
ne. Der District von Kuba besteht aus verschiedenen größern
und kleinern Dörfern, und die Innwohner in denselben ernäh-
ren sich vom Ackerbau und von der Viehzucht. Ein Maip ist in
Abwesenheit des Chans der Befehlshaber der Stadt.
Das Gebär. Vom Achtzehnten bis zum Zwanzigsten. Das Schat-Ge-
ge Schatt. bürge hängt mit seinen ewig weißen Gipfeln so nahe über die Stadt,
daß man meinen sollte, es wäre nur wenige Werte davon ent-
fernt. Es ist aber gleichwohl eine gute Tagereise bis zu dem
Fuß dieses berühmten Gebürges. In diesen drei Tagen besuch-
te ich daffelbe mit den Studenten Hablitz und Klutschareff, in
der Begleitung einiger mir aus Kuba mitgegebenen Tataren.
Die Reise gieng westlich nach der Provinz Kulachan, und zwar
den District Tokus Para zurück. Sie war äußerst beschwerlich,
weil wir nur zwischen und an dem Fuß der Gebürge halb zu Fuß und
halb zu Pferde fortkommen konnten. Wir kamen durch fünf Dörfer,
davon das erstere ein Erbgut Feth Ali Chans ist; die übrigen
aber von den Nieder-Dagestanen bewohnt werden. Die Leute
find von einer besondern Art, reden die Lesgische Sprache, ver-
stehen aber auch die Türkische, find zwar dem Chan zu Kuba
unterwürfig, doch kann dieser nicht allzu viel Staat auf dieselbe
machen, denn es ist ein unbändiges Volk, welches keine Ober-
herrschaft erkennen will. Mit uns giengen fie unbarmherzig um;
zur Noth, daß sie ein Paar Nachtquartiere neben Viehställen für
gute Bezahlung hergaben: etwas von Lebens-Mitteln für
Geld
15.) Von den im mitternächtigen Persien wohnenden Juden werde ich
noch bei einer andern Gelegenheit handeln.
A, JF• 35
Geld zu bekommen war unmöglich, nöthig aber für uns gute
Wache zu halten, daß wir nicht als Sclaven verkauft werden
möchten. Längst dem Wege sieht man auf den steilesten Gebür-
gen, mitten in den Felsen unterirdische Löcher, und neben densel-
ben manchmal kleine Schanzen aufgerichtet. In diese Oerter
pflegt dieses und anderes Gesindel, zur Zeit einer Rebellion fei-
ne Zuflucht zu nehmen, und weiß sich daselbst in vollkommener
Sicherheit, da es auf keinerley weise möglich ist ihnen hier beyzu-
kommen. Als ich an dem Fuß des Schatt-Gebürges angekommen
war, kurz davor einen Halt machte, und die unterwegs gefundene
Kräuter in Ordnung brachte, wollte ich auch nun den Schat
selbsten besteigen. Die Kubische Begleiter weigerten sich mit uns zu
gehen, und gaben vor, daß weiter den Berg hinaufzukommen ohne
die äußerste Gefahr unthulich fey. Da wir es für ein Glück
zu halten hätten, sagten sie, daß wir bißher mit ganzer Haut
davon gekommen; so müssten wir wissen, daß sie nun für den
guten Ausgang eines einzigen gewagten Schritts nicht stehen
könnten; dann hinter diesen Gebürgen, an deren Fuß wir be-
befindlich waren, feyen Dörfer an Dörfern, in welchen noch auf
rührerische und raubbegierigere Leute wohnen, als diejenige, die
wir gesehen haben; und welche, wenn sie uns nur von weitem
zu Gesichte bekommen sollten, uns entweder gefangen zu nehmen,
oder niederzumachen sich ganz gewiß unterfangen würden. In
der That, das Ansehen dieses Orts ist fürchterlich : Berge über
Berge, lauter theils bewachsene, theils kahle Berge, deren Spitzen
höher als die Wolken sind, und zwischen welchen fruchtbahre Felder
und dürre Heiden die Wohnstätte barbarischer, bewaffneter Völker
abgeben, die sich eines ankommenden auch nur mit Steinen bemäch-
tigen könnten. Das find Umstände, welche mehr die Unvorsichtig-
keit, als die Herzhaftigkeit eines Botanisten verrathen würden,
wenn er im wagen das Maas überschritte. Ich für mein
Theil bemühte mich soweit auf das Gebürge zu klettern, als ich
die zurück gebliebene Begleiter im Gesicht behielte; nach Verwei-
lung einiger Stunden eilte ich wieder zu ihnen zurück, und wir
begaben uns auf die Rückreise nach Kuba, allwo wir den zwan-
zigsten ankamen. Den Ein und zwanzigsten verlieffen wir die
Stadt, und erreichten des Abends das Persische Dorff Erech,
ben, welchem sich der Kubische District endiger, allwo wir über-
nachteten. Nicht anders, als wann wir die schrecklichste Miß-
- - - E 2 - gebur-
35 «W, - „so
geburten des menschlichen Geschlechts wären, betrachteten uns die
Leute. Was nur von Männern und Knaben im Dorfe war,
das fürmete auf unsere aufgeschlagene Gezelte zu, und wann sich
nicht der Dolmetscher mit Händen und Füßen darwieder gesetzt
hätte, so würden sie solche niedergeriffen haben. Anfänglich woll-
te man uns durchaus nichts verkauffen; endlich brachten sie
einen Krug Milch, zwanzig Eyer und etwas Gerstenbrodt, und
forderten davor zween Rubel. Den Zwey und zwanzigsten ka-
Schabran. men wir die traurige Ueberbleibsel des ehmaligen Schabrans vor-
bey, welche in Steinhauffen, verheerten Festungen und einigen
unbewohnten Häusern bestehen: wie dann überhaupt keine einzige
lebendige Menschen-Seele in ganz Schabran mehr anzutreffen
ist. Wir übernachteten bey dem Fluß, der dieser Gegend den
Nahmen gegeben hat. Ueber denselben hat Nadir Schach, als
er den Zug gegen die Lesgier vornahm, eine Brücke schlagen las-
fen; von derselben sind nur noch einige Steine übrig, und gegen-
wärtig ist der Fluß so leicht, daß man mit Karren darüber fahren
kann. Den Drey und zwanzigsten kamen wirtheils durch die Dör-
Sches Pa- fer Sches Para, theils lieffen wir seitwärts liegen. Einige waren
KO ganz leer, weil die Leute des Sommers nach den Gebürgen ziehen;
in andern fanden wir noch einige Bauren. Einige find dicht unter-
halb der Berge angelegt, andere mehr nach der See-Seite "zu.
Alle find überaus klein, und von schlechter Beschaffenheit. Die
Armuth der Innwohner verräth fich überhaupt aus ihrem Gesich-
ke. Wir übernachteten in dem Dorf Diewitfähi.
Den Vier und zwanzigsten. Heute früh verlieffen
wir das Dorf Diewitschi und hatten Ursache mit unterm
Nachtlager zufrieden zu seyn, dann die Innwohner beunruhigten uns
mit ihrem unaufhörlichen Lermen nicht allzu sehr, und ver-
kaufen gerne, was in einem Persischen Dorfgekauft werden kann;
allein der Preiß war abermal entsetzlich hoch. Wir reiseten
längst den Gebürgen, welche nunmehr so kahl waren, daß man
auch nicht die geringste Pflanze auf denselben antraf; die
auf dem Weg nach der Seeseite wachsende Wermuth- und Kali-
Arten, nebst andern schönen Kräutern, mit denen ich das Glück
hatte die Flora zu bereichern, waren so ausgetroknet, daß auch
diese kaum kenntlich waren. Hin und wieder zeigte sich auch schon der
Convolvulus Perficus, der an dem Gilanischen und Masanderanischen
sandigten Ufer das hauptsächlichte Gewächs ist (S. Pl.
- (s
«A, - „Fe - 37
Gegen Mittag erreichten wir den Flus Atta, wel-
cher aus den Bergen hervorquillt, aber auch, ohne die See
zu erreichen, vertroknet, nachdem wir zuvor die Ueberbleibsel
einer alten, an der See erbaut gewesenen Stadt, die noch ge-
genwärtig ihre Grabstätte hat, auf welcher der Leichnam des
heiligen Perechalil in einer besondern Capelle pranget, besich-
tiget hatten. Bei einer fast unerträglichen Hitze fetzten wir unsere
Reise fort; und kamen gegen Abend an einen Bach, der aus
dem vorigen fließt. An demselben sind drey Mühlen und ein
Zollhaus, in welchem alle vorbeigehende Waaren Tribut entrich-
ten müffen. Dieses geschieht fackweise. Ein jeder Sack ,
er mag gros oder klein feyn, oder, es mag auch darin enthal *
ten feyn, was da will, bezahlt einen halben Abas, und ein Me-
schok mit Bakuscher Naphta die Hälfte. Die Zollbedienten ma-
chen sich aber kein Gewifen, auch für ihren Beutel mehr ein-
zufodern. Ohnweit dieses Zollhauses, wo der Arm der Atta
vertroknet, ließ ich die Gezelte aufschlagen, damit es nicht
Menschen und Vieh an Waßer gebrechen möchte.
Vom fünfundzwanzigsten. Sobald ich mit der Beschrei- Der Berg
bung einiger Pflanzen fertig war, begab ich mich mit verschiedenen Bischbar-
von meiner Gesellschaft auf den Berg Bischbarmak, defen Fuß mak
zwo Werte von meinem Nachtlager abfund. Wirklich bedeu-
tet dieses Wort in der Persischen Sprache fünf Finger, und alle
Reisende haben die Gestalt dieses Berges mit einer Manneshand
verglichen. Diesem Umstand, und daß er in einer groffen Entfer-
nung weit in der See zu sehen ist, hat er auch feinen Ruhm zu
verdanken. Den Gipfel dieses Berges zu besteigen fiel uns
sehr beschwerlich; dann die Wege, die nach demselben führen,
find nicht allein steil , sondern die Höhe des Berges selbsten
ist ungemein beträchtlich, und wird des Schats feiner nicht viel
nachgeben; die Hitze aber war überdiß gut Perfisch, und für
mich wenigstens so beschaffen, daß ich bei einem jeden Schritt
zweifelte, ob ich meine Absicht, die Spitze zu erreichen, erfüllen."
würde: die Füße müffen es sich gefallen laffen, einen Berg
nach dem andern hinter sich zu bekommen, zwischen den Ge-
bürgen befinden sich aber tiefe Abgründe, die man hinunter zu
klettern, und auf der andern Seite wieder hinauf zu kriechen
genöchiget ist. Endlich erlange man dann die Spitze. Man ist
immer begierig, eine Mannshand zu sehen. Aber meine :
- 3
38 •-A, - „F-
bildungskraft war nicht so stark, nur die geringste Aehnlichkeit
mit dieser Gestalt herauszubringen. Die größte Höhe des
2Bischbarmaks besteht aus zween ungeheuren, aber durchaus
ungestalteten Felsen; davon der etwas mehr erhöhte spiziger
und schmähler, der niedrige aber breiter und abgestumpfter ist.
Noch unordentlicher gestaltete, kleinere und zum Theil zerfallene Fel-
fen befinden sich an der südlichen Seite des höchsten spizigen Gip-
fels, und andere sind gleichfalls von der Mitte des Gebürges
an bis nach oben zu zerstreut. Dieser obere, spizige, und der
ihm entgegen gesetzte breite, abgestumpfte, an seiner nordwestli-
chen Seite befindliche Gipfel find oberhalb ausgezakt; und das
möchte zur Vergleichung mit einer Mannshand Gelegenheit ge-
geben haben; aber der Zacken find an der Anzahl mehr als
fünf, und ihre Ungestalt beweiset also die Ungereimtheit des
Namens Bischbarmak nicht allein. Das Gesteine dieses Ge-
bürges ist wahrer Felsen; Seleniten aber und Crystallen find
mit untermischt. Also kann ich dem Verfaffer des Tagebuches
von der Fürst Galizinischen Ambaffade, die Hanwai feiner
Reise-Beschreibung einverleibet hat, nicht beypflichten, wann
er daffelbe mit dem Gesteine der Derbentischen Gebäude ver-
gleicht. Auf dem Bischbarmak konnte ich weder Ueberbleibsel
von einer Mauer, noch Spuren von einer Treppe entdecken ;
diese können aber binnen der Zeit, daß die Rußische Gefand-
fchaft hier gewesen ist, verlohren gegangen feyn, dann das gan-
ze Gebürge ist mit überall zerstreuten Ruinen angefüllt. In
der That scheint es, als wenn auf demselben ehmals eine
Festung angelegt gewesen fey, aber, wann man das fürch-
terliche Ansehen dieses über so viele durch Abgründe abge-
sonderte Berge erhöhten Orts erwäget, so bleibet es ein Rä-
zel, wie eine von Natur unüberwindliche Festung in einen
so jämmerlichen Zerfall gerathen fey. Wann man unten
bey dem Gipfel in die Hölle desselben rufft , so antwortet
ein treffliches Echo dreyfach zurück. Den Persern ist diese Hölle
heilig, es fey nun darum, weil einige glauben, der Prophet
LElias habe sich darinnen, um vor dem König Ahab sicher zu
fyn, geflüchtet, oder weil, wie man mir gesagt hat, viele
Heilige dahin ihre Zuflucht genommen, oder andachtige Wall-
farten dahin angestellt haben: wie denn ehmalen ihrer Grab-
mähler in der Nachbarschaft von Bischbarmak zu sehen gewesen sein
follen.
•z, § „se 39
sollen. Auch den zur See fahrenden Ruffen ist der Orte
nicht gleichgültig: dann fie schreiben die in dieser Gegend ent-
stehende Stürme dem Bischbarmak und zwar aus einem ganz
guten, aber sehr wohl verständlichen Grunde zu. Wir wollten
eben etwas ausruhen, als uns einige Tataren durch ihre unver-
muthete Ankunft beunruhigten; dann wir dachten, daß ohnge-
achtet ihre Anzahl ganz klein war, so könnten ihrer in der Nach-
barschaft mehrere feyn. Wir eilten also den Berg hinunter,
so flinck wir konnten: dann wir wuten, daß den Tataren in dieser
Gegend nicht zu trauen ist, und erholten uns in einem an dem
Fuß des Bischbarmaks befindlichen Karawan-Sarey (16) Daffelbe
ist ein Vierek, und vor Reisende gebaut. Innwendig ist ein
groffes langes Gewölbe mit ausgehauenen Zellen von verschie-
dener Gröffe, und andere ähnliche find auf dem Hof ringsum
angebracht. In einem elenden verheerten Lande ist es etwas
tröstliches, eine solche Gelegenheit zum Ausruhen anzutreffen. An
der Pforte der Karawan-Sarei sowohl, als auffen an den Mauren
fieht man Deutsche, Lateinische und Morgenländische Nahmen der-
jenigen in Steinen eingeätzt, die ehmalen hier gewesen find: und mit
Vergnügen sah ich auch des berühmten Kämpfers feinen unter
dem Dato December im Jahr 1683. und eben also das Gedächt-
niß des verdienten Herrn Collegien-Rath Lerchs unter dem Dato
die 25sten August 1738. nachgeblieben. Ich folgte dem Beispiel
zweener Naturalisten, und vermehrte die Anzahl der Nahmen
mit dem meinigen. (S. Pl. 8.)
Die zween Felsen in der See, welche die Ruffen, diva
Bratia ( zween Brüder) und die Perfer mit gleicher Bedeu-
tung Chardasch nennen , und dem Bischbarmak gegenüber
stehen, haben ihre vollkommene Richtigkeit, dann ich habe sie
mit meinen eigenen Augen gesehen. Sie stehen in einer ziem-
lichen Entfernung von einander ab; derjenige, der dem so ge-
- M0Mnken
16.) Dergleichen Gebäude sind eigentlich Ruhe-Plätze für Reisende,
Dieser ist von Derbent aus der erste. Nachgehends trifft man
dieselbe zu einer und zu zwei Tagereisen von einander entfernt
an. Man kann darinnen in der größten Sommerhitze ausruhen,
und sich des Winters zur Noth für der Kälte bergen. Ihre
Bauart ist überall einerley, und unterscheidet sich nur durch die
Größe. Viele davon sind schon gänzlich zerfallen. Auch können
die Karanvanen in denselben ihre Pferde beherbergen,
40 «A, K. „F-
nannten fünf Finger - Berg gerade gegen über liegt übertrifft
den andern weiter nach der See zu liegenden an Gröffe, und
wird von den Persern eigentlich der Bruder des Bischbarmqks
ernannt.
$ Wir reiseten um die Mittagstunde weiter; und eben die
jenige ausgetrocknete wüste Heide, deren ich gestern gedachte,
begleitete uns. Wie wir aber bißher in der Nachbarschaft der Ge-
bürge gewandert hatten, so entfernten wir uns nun von denselben,
fo, daß wir nur eine Wert von der See entfernet waren.
Unterwegs hielten sich viele Störche auf, die so zahm waren,
daß man fich zu ihnen ' konnte, ohne daß sie hinwegflo-
gen. Gegen Abend erreichten wir einen Brunnen, der von ei-
nem gutherzigen Bakuschen Kaufmann, Nahmens Adschi Maho-
met, durstigen Reisenden zum Besten, da binnen 40. Werte
in dieser Gegend keine reine Wafferquelle anzutreffen ist, gegra-
ben, und mit einer steinernen Capelle versehen worden. Ich
verwunderte mich daselbst über die ungeheure Menge Erdhasen,
die ungescheut aber unglaublich geschwind vorbey hüpften, und
beschloß biß gegen Mitternacht an diesem Ort zu bleiben.
Vom sechs und zwanzigsten. Ohne einen Menschen zu
fehen und ohne zu einer Quelle zu kommen reiteten wir heute etliche
40 Werte und meistentheils zu Fuß. Die Hitze war noch un-
leidlicher als gestern, dann der Wind hatte sich ganz gelegt,
und das durch die Hitze ausgemergelte und geborstene Erdreich
hatte nur diejenige Pflanzen am Leben verschont, die entweder
von trokener Natur find, oder so viele Säffte bei sich führen,
daß sie vermöge derselben von der Hitze nicht so leicht verzehrt
werden können. Daher war dieser Tag gedoppelt kläglich für
mich. Die See blieb noch immer in unserer Nachbarschafft ,
und das Gebürge entfernt; dieses aber spielte mit allen erfinnli-
chen Farben. Gegen den Nachmittag erreichten wir die zweite
Karawan - Sarei, die von den Bischbarmakischen neben dem
in obiger Note angeführtem Unterscheid auch dieses besondere hatte,
daß sie mit einer feinernen Treppe versehen war, die von dem
Hof auf die obere Mauer führte. In demselben war das Ge-
feine voll von versteinerten und calcinierten Muscheln, oder es
befund vielmehr aus denselben allein. Mit anbrechender Nacht
kamen wir in einem groffen Dorf, Sarai genannt, an. In dem-
selben wohnt niemand als Soldaten des Chans von Kuba, über
welche
«A, H. „F 4
- - - - - -
welche ein Sotnik gesetzt ist. Es sind Unterhalten des Fürsten,
an der Anzahl hundert. Sie bekommen einen jährlichen Gehalt
von 50 Rubel und heiffen in der Land- Sprache. Nurker: ihr
Sotnik hat eine Besoldung von 200 Rubeln und heist Jus-
basch. Wir setzten unsere Reise in der Nacht fort, kamen noch
drei Dörfer vorbei, langten den sieben und zwanzigsten früh in
Baku an, und traffen daselbst unser Schiff wohlbehalten in
dem Hafen. Ich schickte sogleich einen perfianischen Dolmet-
fcher mit dem Empfelungs-Schreiben aus Astrachan an den Chan
und ersuchte ihn um eine gute Aufnahme. Ein Quartier wurde
mir ziemlich geschwind angewiesen, doch ehe ich daffelbe bezog,
begab ich mich auf das Schiff, welches eine halbe Wert von
dem Ufer vor Anker lag, um mich mit dem nöthigsten zu meinem
Auffenthalt am Lande zu versehen, als sich auf einmal ein Sturm
aus Nordwesten erhob, welcher verhinderte, daß ich denselbigen
Tag nicht wieder ans Ufer zurückkommen konte. Vor Baku
können die Schiffe vortrefflich landen, dann der Grund bestehee
aus reinem Sand, welcher mit kleinen zerschlagenen Muscheln
gemischt ist. Jedoch der Steuermann, der feiner Sache nicht
am gewißesten war, hielt es für rathamer, entfernt zu blei-
ben, und ankerte in einer Tieffe von fünftehalb Faden. Son-
ften pflegen die Schiffe dicht vor den Stadtmauren sicher zu fe-
hen, und einige Sandalen, die kurz angekommen waren, um
Nephta und Salz zu holen, waren mir Beweis genung, daß der
Steuermann allzu vorsichtig gewesen sey.
Vom acht und zwanzigsten. So bald es stille
worden, fuhr ich mit der Schiffs-Schaluppe ans Land und ver-
fügte mich zum Chan, mit einem Geschenk von feinem Laken, so
viel die Persianer zu zwey Kleidern gebrauchen, Schießpulver, Zuker
und Thee. Schlechter, oder vielmehr unverständiger hätte ich nicht
aufgenommen werden können, als es heute geschah. Der Chan ließ sich
in eben der Positur sehen, wie der Kubanische zu Derbent. Mir
wurde ein Stuhl gebracht, und das Gefolge, welches ich bei mir
hatte, hatte die Ehre zu stehen. Kaum hieß er mich willkom-
men: sondern bezeugte seine Verwunderung über meine Ankunft,
indem er keine unschuldige Ursache, welche dieselbe hätte veran-
laffen sollen, begreiffen könne. Ich antwortete ihm, es fey kei-
ne andere, als diejenige, die ihm in dem Astrachanischen Schrei-
den gemeldet worden, diejenige nemlich, daß ich, wie an der
Dritter Theil. F west-
4. - •-A, - „F-
westlichen Seite der Kaspischen See, also auch bey und um
Baku die natürliche Producten untersuchen, dieselbe beschreiben,
und den Liebhabern der Seltenheiten in Europa bekant
machen soll; mein übergebenes Schreiben habe keine andere
Meinung, als daß es mir bey den Chan theils zur Beglaubigung
dienen möchte, und theils, damit ich mir von demsel-
ben, desto freymüthiger die mir zu meinen Verrichtungen nö-
ehige Hülfe und Schutz erbitten könne. Entweder war der
Chan so einfältig, daß er meine Erklärung zu faffen nicht
vermochte , oder so argwöhnisch , daß er dieselbe als eine
bloffe Ausflucht ansah, oder auch beyde Umstände mögen dar-
an schuld gewesen sein, daß er hierauf erwiederte, es feyen
schon sieben Jahre verfloffen, daß kein Rußisches Schiff vor
dieser Stadt gelandet habe, der Rußische Consul habe sich von
' hinweg, ohne beleidiget geworden zu feyn, nach Sallian
egeben; nun komme ich an; ich bekenne, daß ich weder
wegen Handlungs- Geschäfte gegenwärtig fey, noch könne ich
eine andere verständliche Ursache anführen, es bleibe ihm also
nichts übrig als den gerechtesten Argwohn dißfals zu schöpfen.
Ich erwiederte, meine Aufführung und die Art meiner Geschäfte
werden ihm genung zu erkennen geben, daß nur die angegebene
Gründe die Triebfeder meiner Reise feyen , bat ihn noch-
mal um seine Freundschaft , und begab mich wieder nach
Hause. -
Von neun und zwanzigsten. Der heutige Tag
wurde mit Besichtigung der anliegenden Gegend zugebracht: diese
kann man sich nicht elend genug denken ; dann , wie
ich schon von den Bischbarmafischen Gebürgen an, bis an die
Stadt nichts als eine dürre Steppe angetroffen hatte, also er-
frekte sich dieselbe von der Südseite der Stadt bis nach Salli-
an; und das steinerne Erdreich verbante die Gewalt der Flora
fest gänzlich. Auch diejenige Kräuter, welche sonsten in einem
unfruchtbaren Boden fortzukommen pflegen, waren hier durch
die Sonnenhitze so abgebrant, daß nur noch ausgetrocknete
Stängel übrig geblieben waren. Die Innwohner fagen, es wären
bey angehendem Sommer häufig erschienene Heuschrecken, die ih-
ren Strich aus Süden genommen, an dieser traurigen “
hauptsächlich schuld: Ihre Anzahl fey unbeschreiblich groß ge-
wesen, und, wie sie auf den Akern und Feldern alles verhee-
res
•-A, - „F- 43
ret haben, also hätten sie auch der wild wachsenden Pflanzen
nicht geschonet. Was ihnen noch entgangen fey, das wäre von
der Sonnenhitze verwelkt, weil den ganzen Sommer über nicht
der geringste Regen gefallen fey.
Vom dreipzigsten. Die Naphtaquellen bei Baku find Beschrei.
viel zu berühmt, als daß man nicht auch von mir eine, die-bung der
selbe betreffende, Nachricht erwarten sollte. Ich werde ihrer Naphta -
erwähnen, als wann ich der erste wäre, der davon zu schreiben aucen. "
hat, und daher manches bereits bekante wiederholen. In der “
That hat Kämpfer fast vor hundert Jahren eine so vollkom-
mene Beschreibung derselben geliefert, daß ich sie nur zu be-
stätigen, und an einigen Stellen zu erläutern und vollständiger
zu machen im Stande bin. Die an der nordostlichen Seite von
Baku sich biß an die See erstreckende Halbinful Abscheron,
welcher der erstbelobte Kämpfer den anjezo nicht mehr übli-
chen Nahmen Ocetra gegeben hat, ist die unerschöpfliche Mut-
ter der Naphta, oder der Nephta, wie dieses natürliche Berg-
Oel in der Landessprache genennet wird. In drei Stunden mit
telmäßigen Ritts gelangt man zu dem immerwährenden Feuer,
und auf der Hälffte Weges von Baku aus komt man ein zur
linken Hand gelegenes Dorf Refchlar vorbey, dem zur rechten
Hand gegen über ein alter Mahumetanischer Tempel von unge-
meiner Höhe und großem Umfang aufgerichtet ist. Ohngeachtet
er noch nicht zerfallen, so thut er doch gegenwärtig keine Dien-
fe mehr, und die Anhänger Mahumetscher Schahischer Secte
scheuen sich nicht denselben, wenn sie auf der Reise find, als
einen Ruheplatz zu gebrauchen, welches ein eifriger Sunnier
nimmermehr thun würde. Auf dem fernern Weg find ver-
fähiedene eingefallene Gebäude vorhanden, unter welchen zwey
eine Aehnlichkeit mit ehmals befestigten Plätzen haben, und unter
denen auch eine befestigte Hölle befindlich ist, in welcher sich der
bekannte Rebell Stenko Rafin aufgehalten haben soll. Das
Grabmahl, dessen Kämpfer erwähnet, suchte ich vergebens. Die
Stelle des immerwährenden Feuers verräth ihre Gegenwart, noch
ehe man sie erreicht, durch den Naphta-Geruch, welcher den Rei-
fenden entgegen kommt. Befindt man sich auf derselben, so be-
merkt man folgende Wunder der Natur. Ein an Gröffe un-
bestimmter Platz, dann derselbe verändert sich mit dem Lauff der
Jahre, ist fähig Feuer zu wann er mit einer Kohle oder ei-
2. - MEN
44 •A, - „F-
nem andern brennbaren Wesen berühret wird; die Flamme dau-
ert beständig fort, wann sie nicht mit Fleiß gehemmet wird, wel-
ches durch Aufschüttung der Erde oder Aufgieffung genugsamen
Waffers veranstaltet werden kann. Die Erde, durch welche die
Naphta dringt, gehört unter die Thonarten, und ist ein unrei-
ner Mergel; dann fiel braust mit Mineralischen Säuren heftig
auf, verhärtet im Feuer, und läßt sich im Waffer aufgeweicht
bearbeiten; sie ist aber rauh anzufühlen, weil dem Thon etwas
Sand beigemischt ist. Ihre Farbe ist weiß, mehr oder weniger
grau, und sie fällt auch ins gelbliche. Sie wird von der Naph-
ta-Materie gänzlich durchdrungen , welches sowohl durch ganze
Stücke, die Kohl schwarz aussehen, als auch besonders durch
die Destillation erhelet, die ein Waffer von höchst wiedrigem
Geruch gibt, das mit der beigemischten Vitriol-Säure feine Ei-
enschaften so gleich zu erkennen gibt. Diese Erde nun, wann
# ein Paar Zoll tief aufgeschürft wird, es mag an einer
Stelle dieses berühmten Orts feyn, wo es will, entzünde sich
augenblicklich, so bald man fiel mit einer brennenden Kohle, oder
einer andern Materie, welche Feuer gefangen hat, berührt; die
Flamme ist blaulich gelb, bey fillem Wetter oder einem gün-
figen Winde erhebt sie sich einige Schuh in die Höhe, und
löscht, wie ich schon gesagt habe, von felbsten nie aus. Der von
derselben aufsteigende Rauch ist sehr unangenehm, und denen, die
eine Beschwerde auf der Brust haben, unerträglich. Die würk-
sich brennende Stellen, an denen es aus gleich anzuführenden
Gründen niemals zu fehlen pflegt, find theils länglich, eheils
lauffen fiel in der Quere, theils aber find sie zirkelförmig und
ästig. Sie find mehr oder weniger breit, und die Flamme er-
hebt sich aus denselben mehr oder weniger stille, manchmalen
aber auch so heftig, als wann fiel von einem Blaßbalg in Be-
wegung gebracht wäre. Dennoch verzehrt fiel die Erde nicht,
fo gewiß als fiel solche dergestalt erhizet, daß sie nahe an der
brennenden Stelle mit den Händen nicht berührt werden kann,
Unter derselben konnte ich zwey Schuh tief nichts, einem Binn-
fenstein ähnliches finden, wohl aber war die Erde den Fingern
etwas zarter anzufühlen, vermutlich weil der Mergel reiner ist;
von untermischtem Sande, der fich zu der obern Erde, wie
wohl etwas sparsamer, gesellet, ist in der angegebenen Tiefe gar
nichts zu bemerken. Dieses immerwährende Feuer kömmt s“
- Ms
•A, - „F- 45
Innwohnern in Baku zum Kalckbrennen trefflich zu statten.
Man schürft einen Platz bey demselben auf, so groß als man
will, wirft auf demselben die zum Kalck bestimmte Steine (17.)
bedekt fiel mit der aufgeschürften Erde, und der Kalck ist bir-
nen zween oder drei Tagen fertig. An diesem Ort bereiten die
Innwohner des Dorfes Srogann, welches von dem Platz des
umverzehrlichen Feuers, die Ales Gawa heit, etwan eine halbe
Werft nach Westen entfernt liegt, ihre Speisen: überhaupt,
worzu das Feuer nöthig ist, dient das Naphta - Feuer. Der
Auffenthalt, den einige Indianische Pilgrime an diesem Ort er-
wehlt haben, macht denselben noch berühmter. Es find Nachkömm-
linge der alten Gebers. Der Nahme Derwischt, den sie vom
gemeinen Volk bekommen, gebührt ihnen gar nicht, wie aus dem
Abschnitt von den Persischen Bettlern erhellen wird. Sie sehen
dieses immerwährende Feuer als etwas ungemein heiliges, als
ein Zeichen der Gottheit an, die sich den Menschen in nichts
reineres, in nichts vollkommeneres darstellen könne, als im Feu-
er und Licht, einer Materie, die fo gereiniget fey, daß man fie
nicht mehr unter die Körper rechnen könne. Aus Indien, ihrem
Vaterlande, fielen diese andächtige Leute Wallfarten nach
dem immerwährenden Feuer in Baku an, und daselbst weyhen fie
dem ewigen Wesen ihre Ehrfurcht auf eine so rührende Art, daß
man bei Betrachtung derselben von diesen Leuten ganz andere
Begriffe bekommt, als man fich fonten von Heiden zu machen
pflegt. Rings um den Ort des beständig brennenden Feuers
haben fie feinerne Tempel errichtet, wetche zu zwölf bis zwan-
zig Schuh hoch find, eine ungleiche Breite haben, und inwendig
Gewölben gleichen. Sie sind dauerhaft gebaut, dann ohner-
achtet sich die erste Anlage derselben von vielen Jahren her-
schreiber, so ist doch nur hin und wieder der Anfang eins Zerfalls
vorhanden. In den Tempeln find Altäre; gegenwärtig aber
wird nur noch einer gebraucht, in welchem nahe bey dem Al-
ear eine zwei Schuh hohe Röhre ist, aus welcher eine schöne blaue,
mit rohgemischte, nicht den geringsten Geruch von fich gebende
Flamme hervorgeht. Sie ist oben enge, daß man Töpfe dar-
F 3. - auf
-
27.) # um Baku herum befindliche Feldsteine find alle Kalck-
III.
46 A, J. „F-
auf setzen kann, dient daher in Winter zur Wärme, und das
ganze Jahr über zum Kochen der Speisen. So bald ein bren-
nender Halm hingehalten wird, so bald steigt die Flamme durch
die Röhre hervor, und wird, wann man es haben will durch
das Aufwerffen eines Stück Tuches oder eines Filz-Lappen wie-
der gedämpft. Die Indianer, wann sie sich bei dieser Röhre
oder auch bei einer jeden andern, in den von ihnen den
Tempeln angebauten unterirdischen Wohnungen befindlichen auf
halten, beobachten ein genaues, mit andächtigen Seufzern unter-
brochenes Stillschweigen; entweder fitzen sie dabey, oder sie schla-
gen beyde Hände über den Kopf zusammen, (in welcher Richtung
einer von ihnen, der erst vor einem Jahr gestorben, zwanzig Jahre
lang unveränderlich geblieben ist, und Effen und Trinken zur Noth-
durft von andern bekommen hat) oder sie halten auch nur einen
Arm in die Höhe, davon einer, der sich sieben Jahre also müh-
felig gemartert hat, zur Belohnung steif worden ist. In ihrer An-
dacht laffen sie sich von keinem andern Gegenstand stören: in
was sie bestehe, bin ich nicht anders zu fagen fähig, als daß
die Stellung ihres Leibes, ihre Geberden, ihre ernsthafte Gesichts-
bildung, bey derselben die größte Stuffe einer der Allmacht ge-
widmeten Hochachtung verrathe. Gegenwärtig find von diesen
Pilgrimen nur noch drey (18.) vorhanden, welche von einem
andern Indianer in der Schamachie erhalten werden, für den
und in dessen Nahmen sie auch beten; dann es ist andem,
daß dergleichen wallfartende Leute nicht nur für sich allein,
sondern auch um anderer willen wallfarten. Sie gehen ganz
nackend, mit geschornen Häuptern : nur die Schaam - Theile
bedecken fiel mit einem Lappen Leinwand. Sie nähren sich mit
rohen Wurzeln und Früchten. Wenn man sich ein Skelet vor-
stellt, über welches eine schwärzliche Haut gespannt ist, so hat
man einen Begriff von der Gestalt eines bey 2Haku betenden
Indianers: so sehr martern fiel ihren Leib, so schlecht pflegen
fie
18.) Es ist genugfam bekannt, daß die Feuer-Anbeter von den
Persianern, als die Verabscheuungswürdigsten Götzendiener angef-
hen werden. Daher wurden sie vom Schach Abas gänzlich ver-
trieben. Dennoch find bey dem heiligen Feuer immer welche
übrig geblieben, oder haben sich vielmehr nach veränderten Um-
fänden wieder eingefunden,
•-A, - „se -- 47
fie ihn. Wann ich dieses bedenke, wann ich den Eifer in ihrer
Andacht erwege, so dünkt mich, die Christen sollten in Beur-
theilung dieser Leute etwas milder feyn (19.).
Die heilige Röhre der Indianer erinnert mich noch des
"Umstands zu erwehnen den Gärber und Hanvai (20.) an-
geführet haben, daß nehmlich eine Röhre, sie mag nun von
Schilf, oder auch nur von Papier feyn, in einer unbestimmten
Tieffe in die Erde gefekt, unten mit Erde wohl zugedeckt ,
und oben mit einer brennenden Kohle berühret, den herauf stei-
genden Naphta-Dampf augenblichlich entzünde, welcher fo fort
wie ein Licht fortbrennt, und nicht aufhört, bis er mit Fleiß
ausgelöscht wird, oder die Röhre hinweggenommen wird. Die-
fe Röhren dienen des Nachts statt der Kerzen. Vermittelt
derselben wird, wie gesagt worden, das Waffer siedend gemacht,
und Speisen gekocht. Die Röhre selbsten leidet keinen Schaden,
wann sie nur unten mit der Erde wohlbedekt ist; findet aber
dieses nicht statt, so wird begreiflich, daß sie nothwendig mit
verzehret werden müffe.
Der Brunnen, aus welchem die weiße Naphta geschöp-
fet wird, ist nahe bei dem immerwährenden Feuer, und kaum
eine halbe Wert südwestlich von demselben entlegen. Ehe man
denselben erreicht, kommt man einen etliche und fünfzig Faden langen,
etliche und zwanzig breiten und etwan ein Paar Faden tieffen See
vorbey, der meistens ausgetrofnet und nur bei regnerischem Wetter
mit etwas Waffer angefüllt ist. Diesen See vergleicht Kämp-
fer mit einem Fisch-Teich gar eigentlich. An der westlichen
Seite defelben ist ganz auf der Ebene unterhalb einem kleinen
- Hügel
T –
19.) Die Indianer, auch andere fabulieren von dem Bakuschen
- Feuer gerade auf eine der im Text angegebenen Theorie entgegen
gesetzte Weise, nemlich es fol schon viele Tausend Millionen
Jahre brennen; Gott habe den Teufel, welcher den Menschen
vielen Schaden zugefüget, in daffelbe geworffen um sie zu be-
freyen. Das Feuer bekomme von dem Fett des Teuffels feine
beständige Nahrung und fie wallfarten hierher, um Gott zu bit-
ten, daß er doch ja den Feind des menschlichen Geschlechts fer-
merhin also eingekerkert halten möchte:
go.) Jener in des Herrn Kollegien-Rath Müllers Sammlungen Ruß.
Gesch. 1ften und 2ten Stück v. 136. dieser in Beschreibung seiner
Reisen durch Rußland und Perfien 1. Theil p. 281.
43 «A, - „se
Hügel die weisse Naphtaquelle, ein Brunnen, etlich und drey-
zig Schuh tief, und zween im Umfang breit, in dessen innersten
die Naphta aus der Erde Tropfen weise hervorquillt, und in dem-
selben, biß man sie auszuschöpfen gedenket, aufbehalten wird.
Gegenwärtig ist - nur noch eine einzige Quelle vorhanden. Al-
ein, wie mich angeseiffene Innwohner versichern, so ändert sich
vieles von Zeit zu Zeit. Bald geht die eine Quelle ein, und
bald zeigt sich eine andere. Es geschieht auch, daß eine von
der andern an Reichthum übertroffen wird. Der gegenwärtige
Brunnen ist mit Steinen zugedeckt, und zwischen den Zusam-
menfügungen ein Kitt aus Leimen angebracht, auf dem der
Nahme des Chans von Baku eingegraben ist, daß sich daher
Niemand der Naphta bemächtigen kan, wann nicht derjenige,
der von dem Chan über die Naphta gesetzt ist, die Quelle ent-
fiegelt. Man muß nicht glauben, daß diese weiße Naphta also
genannt werde, weil sie weiß von Farbe fey; sie hat diesen
Nahmen nur im Gegensatz der schwarzen, und ist nur durchsichtig
und gelb. Ihre Flamme ist feiner und reiner, und der von
ihr aufsteigende Dampf bei weitem nicht so unangenehm als
von der andern. Sie brennt aber auch viel geschwinder, und
fängt das Feuer, fast ehe sie von demselben berührt wird, noch
geschwinder, als die schwarze Naphta. Ein Batman, zu acht
Pfund gerechnet, wird für anderthalb Abaffen oder dreyzig Kope-
ken verkauft, welche Einkünfte der Bakusche Chan aus Ver-
günstigung Feth Ali Chans, wie ich bald fagen werde, zieht.
Die Naphta, von welcher die Rede ist, wann sie über den Helm
gezogen wiro, bekommt jedennoch eine weiße Farbe; wiederholt
man die Operation ein bis zweymahl, so wird sie äußerst concen-
trirt. Diese destillierte Naphta pflegt man in Persien als ein
durchdringend auflösendes Mittel in Gliederschmerzen, andern
unter den Nahmen der Gicht bekannten Krankheiten, in dem
Dripper, in krampfigten Zufällen und so weiter zu einer halben
bis anderthalb Unzen eingenommen zu gebrauchen, und fie
giebt derowegen ein bei den Mahumedanern und Armeniern durch-
gängig übliches Hausmittel ab; deßwegen auch ehemalen Baku
von Kranken aus dem entlegensten Persien besucht worden,
welche Gewohnheit jedoch gegenwärtig in Abgang gekommen ist.
- Die schwarze Naphta hat der mehrmalen gelobte Kämp-
fer nach ihrem Ursprung, Beschaffenheit und andern u
O
•A, „z- - 49
fo deutlich beschrieben, daß mir bei der Untersuchung derselben
nur noch dieses zu bemerken übrig geblieben ist, es fey der nach
Westen gelegene Theil der Halbinsel Apscheron eben nicht der einz-
ge Orth , an welchem sie gefunden wird, sondern zwei Werte
von der Stadt auf der Südostlichen Kante derselben, auf der
Halbinful, (welche die Perser Bael und die gemeine Ruffen Tfa-
chow Rinock, oder auch Schachow Rinock „das ist des Schachs-
Markt nennen, und welche der Infill UNarwin gegen über
liegt,) feyn gleichfalls in neuern Zeiten verschiedene andere ent-
dekt worden. Der Brunnen habe ich etlich und fiebenzig ge-
zählet ; sie find gleichfalls senkrecht , der Gestalt nach cylin-
drich, zwölf Faden tief und unordentlich unter einander ge-
mischt. Unter denselben ist einer, der die andern an Gröffe und
Breite übertrifft. In diesen wird die Naphta der übrigen
Quellen, als in einen Behälter gegoffen, und dieser wird auch
versiegelt, da man es hingegen nicht der Mühe werth hält
solches bei den übrigen zu thun. Diese Naphta ist nicht so
gut als die Apscheronische: denn sie ist stark durch das See-
waffer verdünner, und daher weniger feuerreich. Man bringt
fiel auch nur nach Sallian, dahingegen ganz Persien mit der -
andern versehen wird. Auch fagen die Leute, daß diese Quellen
nicht so ergiebig feyn. Vermuthlich dringt das Seewaffer zu
sehr in dieselbe, reißt Naphta mit sich fort, und schwächet die
nachgebliebene. - A
Ich reisete zu denselben in einem kleinen Fahrzeug
längst dem Ufer; unterwegs fahe ich in der See Ueberbleifel
von Mauren, die der Rest eines ehmaligen Karawan - Serai,
waren, die das Meer, dem Land entriffen hat. Die Ma-
erosen mufen fich in acht nehmen in einiger Entfernung
von denselben zu bleiben; dann der geringste Stoß, den das Fahr-
zeug erlitten haben würde, könnte daffelbe gänzlich zu Grunde
gerichtet haben. Die schwarze Naphta wird allein zum Verbren-
- nen gebraucht, und aus diesem Grund ein großes Gewerbe mit
derselben getrieben. Das Batman zu 15. Pfund bezahlt man mit
5. Kopeken und die Einkünfte zieht davon der Chan, so
wie auch die Einkünfte von Salz, wovon das Pud sieben
und ein halb Kopeken kostet. Sowohl, weife als schwarze Naph-
ta wird in ledernen Säken verwahrt und verführt; in hölzern
Gefäßen verliert sie vieles am Gewicht: irdene find beffer, am
Dritter Theil. G taug-
So «A, H. „F- -
täuglichsten aber gläserne. Die jährlichen Einkünfte, welche der
'' in 23aku von diesem Landes-Product geniest, haben mir
erfahrne Armenier zu vierzig tausend Rubel angegeben.
Vom ein und dreipzigsten. Das Bakusche Berg-Oehl ist
würklich eine fo merkwürdige Sache, daß ich im stande zu
feyn wünschte, die Entstehungs-Art defelben etwas genauer ent-
wickeln zu können. Allein, wer dringt in das innere der Ge-
heimnisvollen Werkstätte der Natur? Und wem ist es vergönnt,
bey den Operationen, die daselbst nach ewigen Gesetzen unauf-
hörlich vorgehen, gegenwärtig zu sein? Die Scheidekunst beweist
zwar durch die Zergliederung der Körper, daß das brennbare
Wesen, dieser allgemeine, dieser vorzügliche Urstof aller erschaffe-
nen Dinge, gar verschiedene Gestalten annehme, nachdem es
in verschiedenen Verhältniffen mit dem Waffer und der Erde
verbunden wird; allein fielehret auch zugleich, daß die Verschie-
"denheit dieser Gestalten nur scheinbar, keineswegs aber wesent-
"lich fey; und die Erfahrung bestätiget solches , indem die viel-
-fache Schwefel-Gattungen sehr gerne gemeinschaftlich erzeugt wer-
"den. Wir wissen dann also, daß die weiße, dünne, durchdrin-
gende Naphta eine Zusammensetzung des brennbaren Original-
Wesens mit etwas weniger Erde und mit Waffer fey, wozu
fich die Vitriol-Säure gesellet, jener allgemeine Dunst, der nicht
in der Luft schwebet, sondern der auch das innerste der Erde
durchwandert, der aber allezeit diese Eigenschaft hat, daß er
durch das entzündbare Wesen flüchtig wird. Wir wissen, daß
das Berg-Oehl, (dann mit keinem andern Nahmen sollte man bil-
-lig die schwarze Naphta belegen ) von der reinen und hellen
-Naphta nur darinnen unterschieden ist, daß es mehrere Er-
de und weniger Waffer bei sich führt; daher es schwarz, dick
und unrein ist, ja auch das Feuer etwas langfamer zu fangen
pflegt. Wir können die Ursache, daß bey Baku in geringer
Entfernung der Plätze Naphta und Berg-Oehl zugleich entstehe, gar
"leicht einsehen; dann wir nehmen entweder an, beyde feyn - an-
fänglich gleich rein erzeugt, und letzteres in feinem Lauf durch
häufig beigemischte Erdrheilchen verdickt worden, da die erster,
vermöge ihrer Richtung, einer solchen Gemeinschaft entgangen
ist; oder wir glauben, es fey gleich anfänglich das Berg-Oehl
und Naphta als Naphta entstanden; oder auch wir vermuthen
mit Grund, und wahrscheinlicher Weise finden alle drey #
statt,
N, P. „A- Fr.
fast, Naphtofen ursprünglich Berg-Oehl gewesen und nach und,
nach habe sie fich zu reinigen Gelegenheit gefunden, nicht an-
ders, als wie aus dem Blut, wenn es den ganzen thierischen Kör-
per durchwandert hat, endlich eine Lympha abgesondert wird:
weil so wohl das Berg-Oehl nicht gleich dick und schwarz ist,
und die Naphta nicht gleiche Reinigkeit besitzt, so schlieffen wir
daraus, daß diese angeführte Muthmaßungen genugsam gegrün-
det fayn: allein mit alle diesem ersehen wir nur so viel, daß Naph-
ta und Berg-Oehl erzeugt werden; allenfalls begreiffen wir auch
diese Erzeugung, aber nur obenhin. Wir laffen es uns nicht befremden,
daß man schon an manchen stellen in Schirwan Schwefel ausge-
graben hat. Jedoch die Frage, woher kommt es, daß das
brennbare Wesen in dieser Gegend seine Residenz aufgeschlagen?
warum ist es hier so unveränderlich in Hervorbringung
der Körper, bei welchen es seine Würkung am allerkräftigsten
zeigen kann, beschäftiget ? diese Frage, sage ich, muß wohl uns
beantwortet bleiben. Das Caucasische Gebürge, welches in ein
ner ununterbrochenen Kette die ganze westliche Seite des Cass
pischen Meers begleitet, ist zwar der Gegenstand unserer Ver-
wunderung; ist der Wohnplatz vieler tausend muthigen Völker:
allein wie wir diese nur sehr unvollkommen, öfters kaum nach
ihrem Nahmen kennen, so wifen wir auch kaum die Oberfläche
ihres Vaterlands. Wer hat jemals Gelegenheit gehabt, oder,
wer hat es wagen dürffen, den geringsten Theil dieser Berge
zu öffnen? Wem sind die Schätze bekannt, die darinnen liegen?
und wenn war es also erlaubt, die Ursache zu ergründen, nach
welchen sich in denselben das brennbare Wesen unaufhörlich Gea
fchäfftig erzeigt, und unaufhörlich seine Herrschaft ausübt? ge-
nug, diese Gebürge sind die Werkstätte, in welcher die Natur
Naphta hervorbringt; dann die Naphta-Quellen werden an ihrem
Fuß ausgegraben, die Naphta vermischt sich mit dem Waffer,
das aus den Bergen hervorquillt, und verunreiniget daffelbe;
und weil man die erstaunliche Menge derselben nicht verbrau-
chen kann, weil Naphta-Brunnen, oder Vorrathskammern derselben,
nur an gewissen Orten vorhanden sind, so ergießt sich der größte
Theil dieses Oehls durch unterirdische Gänge in das ihnen nächst
zur Hand gelegene Meer, macht das Seewaffer vor andertin
Meerwaffer vorzüglich bitter, und giebt zu einem Salz Gelegen.
heit, das man in Rußland unter dem Nahmen des Astracha-
G 2 nischen
Beschrie-
bung der
ku.
nischen Bittersalzes kennt; einer Sache, von welcher ich in ei-
nem besondern Kapitel handeln werde.
. . Den ersten August. Ich gieng heute abermal zum
Chan. Er hatte bereits erfahren, daß ich zu den Naphta-
Quellen geritten war, und stellte mich darüber zu Rede, fragend,
ob man auch wohl in Rußland einem Fremden gestatten wür-
de, solche Dinge zu besehen. Ich antwortete ihm, wie sich auf
eine solche alberne Frage zu antworten gebühret: alle meine
Antworten hatten bei diesem Herrn nicht die geringste Würkung,
sondern seine ganze Gegenrede bewies hinlänglich, daß er mich
für einen ausgeschickten Ausforscher ansahe. In Ansehung des
Geschenks, welches er von mir erhalten hatte, machte er die An-
merkung, daß er mit solchen Dingen versehen fey, und nur
durch die Gesetze der Höflichkeit fey er abgehalten wor-
den , sie zurücke zu schicken. Er beliebte zu fragen, ob
ich keine Rpetier-Uhren, keine reiche Stoffen, oder sonst etwas
schönes Europäisches bei mir hätte, und wie ich ihm mit Nein
antwortete, so begab ich mich auch sogleich von ihm hinweg.
Heute Abend bemerkte ich, daß zween Kerls von ihm beordert
waren, aufferhalb der Pforte meiner Wohnung, auf alles acht
zugeben, was in derselben vorgehe: Leute waren bestellt, alles zu
bemerken, was von dem Schiff und nach demselben gebracht
würde: eben so wurden alle Tritte der Matrosen und Soldaten
belauret. Dieses Bezeugen verursachte in mir heils verdrieß-
liche Vorstellungen, theils machte es mich auch lachen: ich war in-
deffen entschloffen alle Beschwerlichkeiten zu ertragen, wann ich
nur die Haupt-Abfichten meiner Reife erreichen könnte. -
Vonn zweyten bis zum neunten. Die Stadt Baku
föst nordlich an den Berg Bischbarmak, westlich am Stra-
Stadt Ba-machie, füdlich an Sallian, und ist eine uralte, ungefähr un-
ter dem 39fen Grad 30. Min. in einem ungleichen Viereck
erbaute Stadt. Sie ist, oder sie war vielmehr, mit gedoppelten Mau-
ren umgeben, die von Kalcksteinen aufgeführet find. Die in-
nere Mauer übertrift die äußere an Gröffe, und diese ist durch
die Gewalt des Waffers verlohren gegangen, fo, daß nur noch
an der südostlichen Seite einige Ueberbleibsel Zeugen von der
ehmaligen Herrlichkeit abgeben. Die Mauren von Baku rei-
chen also bis in die See hinein. Sie haben ihre ordentliche
Brustwehren, die sich aber in einem schadhaften Zustand befin-
- - - A
den,
•, “„F- 53-
den, und an ihren Spitzen find in gehörigen Entfernungen
Oefnungen für Musketen und Pfeile angebracht. Der
Graben liegt an der nordwestlichen Seite der Stadt, auf einem
dürren Hügel, und hat keine Verbindung mit der See. Auf
demselben sind etlich und vierzig Mörfer und Kanonen aufge-
pflanzt. Die von den Ruffen ehmals angelegte Schanze ist noch
in einem guten Zustand. Vier bis acht Werte von der Stadt
sieht man auf den häufig um dieselbe herum zerstreuten Ge-
bürgen, Wachthürme von verschiedener Groffe und Dicke, die ohne
Zweifel, wie zu Derbent, ehmals darzu gedient haben, daß die
Stadt von der Herannahung und Bewegung fremder Völker,
benachrichtiger werden könnte. Des Schachs Pallast, der in
dem höchsten Theil der Stadt befindlich, und von den Ruffen.
bei der General Matuschkinschen Belagerung ziemlich mitgenom-
men worden ist, zeiget noch deutliche Spuren von der Orienta-
lischen Pracht, und der maßiven in Morgenland so sehr belieb-
ten Bauart. Der Platz zwar, den derselbe einnimmt, ist von
einem kleinen Umfang; aber die Gebäude, aus welchen er be-
steht, sind so schön, und neben ihrer Schönheit so dauerhaft ,
durch die künftlichste Gewölbe befestiget , daß es mich wundert,
warum man noch nicht daran gedacht hat, eine solche Zierde,
der Stadt wieder auszubessern. Mein Begleiter hatte den Be-
fehl, mich nicht in die innere Zimmer des Palasts einzulaffen,
und ich kan dahero von der Beschaffenheit derselben nichts er-
wehnen. An der Pforte war kein Zeichen von einem Löwen
oder Kameel vorhanden. Vermuthlich ist es ein Raub der Zei-
ten geworden; Kämpfer hat viel zu viel Glaubwürdigkeit, als
daß er in einer so gleichgültigen Sache, etwas, was er nicht
gesehen, als gesehen angegeben haben sollte. Neben diesem Palast
ist auch zur Rechten eine Mesched befindlich: da sie aber nicht
mehr besucht wird, so glaube ich, daß sie nur eine Hof-Ca-
pelle gewesen und daher mit dem geendigten Gebrauch
des Königlichen Hauses eingegangen ist. Sonsten giebt es in
Baku der öffentlichen Kirchen an Anzahl ungemein viele. Ne-
ben dreyen derselben sind hohe Thürme aufgerichtet, von welchen
die Priester das Volk zum öffentlichen Gebet auffordern. Ein
ohnweit der Schanze dicht an der See von ungeheurer Gröffe
- und Umfang aufgeführter anderer Thurm läst kaum mit Wahr-
fcheinlichkeit die Ursache “ , warum er erbauet worden
3“- - - - - - - - - - - - ist.
z- «A, H. „Als
ist. Die Jungfern-Geschichte, (20) welche der gemeine Mann da-
von erzehlt, scheint eine bloße Fabel zu sein: Aber zu einem bloßen
Wachhurm ist er augenscheinlich zu gros. Von der See hat die
Stadt ein vortreffliches Ansehen: kommt man hingegen in die
selbe, so sieht es nicht zum besten aus. Enge, meistens unge-
pflasterte Straffen, und in denselben Häuser mit platten Dä-
chern, meistens von einer Etage, die aufgethürmten Steinhauf
fen gleichen (21), machen den größten Theil von Baku aus, und
da der Ort noch über dis , aber bei weitem nicht , wie Der-
bent, abhängig liegt, so find auch die Straffen durch ihre
steile Anhöhen beschwerlich. Die Wohnung des Chans, die
dicht an der See befindlich ist, und gegenwärtig ausgebeffert
wird, unterscheidet sich von allen andern Gebäuden, und prangt
mit einem anmuthigen Garten; allein eine noch schönere, geräu-
migere, mit einem Orientalisch-Europäischen Geschmack angelegte,
andere Wohnung hat ganz neuerlich der jetzige Chan aufferhalb
der Stadt an der nordwestlichen Seite derselben, unterhalb dem
Graben, ohnweit der See erbaut, in welcher er sich zu mei-
mer Zeit mit seinen beiden Weibern aufhielt. Das Kara-
wan-Serai verdient noch angeführt zu werden. Es liegt dicht
an dem Hafen , und daher können die Schiffwaaren mit
aller Bequemlichkeit in dasselbe gebracht werden. Es besteht
aus
20.) Es ist fast eine Schande dieselbe zu erzehlen. Die Tochter ei-
nes Perfianischen Fürsten wurde von ihm, ihrem Vater, mehr
mahlen zu einer unreinen fleischlichen Vermischung aufgemun-
tert. Allein fie verweigerte dieselbe immer mit einem standhaften
Muth. Der Vater wollte sie endlich durch Drohungen über-
reden; und, wie sie denselben nicht zu entgeaen wußte, fo
bedung sie sich die Erbauung eines solchen Thurms aus, in
welchem sie ihm zu Gefallen zu leben versprach. Da sie ihn aber,
wie er fertig war, bestieg, stürzte fie fich von demselben in
die See. So erzehlen gemeine Persianer den Ursprung dieses
ungeheuren Thurms.
ar.) Der Steinhauer nemlich hat bei den Häusern gemeiner und
wohl auch vornehmer Leute nichts zu thun, die Steine werden,
wie fie wachsen, über einander aufgethürmt, kaum diejenige,
die fich am besten zusammen fügen laffen, zu einander gethan,
und mit Kalck oder Thon unter einander befestiget; daher find
solche Häuser von keiner langen Dauer, und haben überhaupt
auch ein fehr rostiges Ansehen. - - -
-
A, H „F- 95
aus einem steinernen Gewölbe, das durch treffliche Säulen unter
stüzt wird. Neben demselben find die Kaufbuden.
Die Innwohner in Baku find Perser und Tataren, oder ei-
ne von diesem vermischten Blut entsprungene unverschämt grobe
Raze: einige wenige Armenische Familien halten fich hier gleichfalls
auf. Von Indianern aber ist auffer den drey eifrigen Pilgrim-
men, deren ich beym immerwährenden Feuer gedacht habe, nicht
ein einziger hier. Die herrschende Religion ist die Mahometanisch
Schahische Secte: doch werden die Sunnier auch geduldet. Die
Armenier halten ihren Gottesdienst in der Stille. Die Produs-
ten des Landes find Naphta und Salz, und dieses letztere ist fo-
wohl Felsenfalz als auch hauptsächlich folches , fo ich auf
der Oberfläche der häufig um Baku herum befindlichen Seen
von selbsten crystallisiert und forein gefunden, daß es der künstlichen
Reinigung nicht viel bedarf. Diese Producten werden nach
ganz Persien verführer. Die Seeplätze bekommen dieselben durch
Fahrzeuge, ( Kirchims und Sandalen) und Land einwärts
werden ganze Karawanen damit beladen. Gilan und Masan-
daron versieht hingegen die Stadt mit Reis; Schamachie, mit
Seide und seidenen Zeugen. Der Handel ist in neuern Zeiten
von geringer Erheblichkeit. Ich habe schon gesagt, daß ge-
genwärtig keine Rußische Schiffe allhier zu landen pflegen;
daher dann die in den Buden befindliche Europäische Waa-
ren zu Land hergebracht werden. Safran wurde hier ehmals
stark gepflanzt und noch gegenwärtig ist der Bau defelben
üblich; doch wird solcher nunmehro in Derbent emfiger betrie-
ben. Hin und wieder fieht man auch Baumwoll-Schulen.
Von dem Bau dieser nützlichen Pflanze aber, so wie von der
Cultur des Safrans handele ich in besonders ausgearbeiteten
Auffäßen.
Zu Nadir-Schachs Zeiten war ein ganz gemeiner Gla-
ner, Nahmens Salem, Befehlshaber oder Cham zu Baku, der
bey feinem Oberhaupt in groffen Gnaden fund. Nach dem
Tode des Schachs bemächtigte sich einer von den bei der
Armee und dem Lager nachgebliebenen vornehmsten Myrf, Ma-
med Chan der Stadt; vermuthlich eben derjenige, der fein um-
treues Persianisches Herz auf das äußerte gegen Kanawat be-
wiesen hat. Er starb vor 6 Jahren. Nach dem Tode defel-
ben trat defen Sohn, der jetzige Cham Melik m die
-- ega-
56 «A, H. „F-
Regierung an, und steht derselben seit dieser Zeit vor. Ss
ist solcher dem Kubanischen Beherrscher Feth Ali Chan unter-
würfig, mit welcher Sache es folgende Bewandnis hat. Feth
Ali Chan, als der mächtigste nach Nordwesten gelegene Fürst,
ist genöthiger, seine Gränzen und vermittelt derselben die mehr
füdlichen Provinzen anderer Perfianischen Chane, für den Ein-
fällen der Caucasischen Tataren sicher zu halten. Er ist daher
schon seit geraumer Zeit gewohnt, für diese Gewehrleistung vön
dem Chan in Schamachie, Baku, und andern ihm benachbar-
ten Chanen eine jährliche Abgabe an Geld, Proviant und
Mannschaft einzuziehen. Wir werden bald hören , daß, weil
solche von dem Schamachieschen Chan dem Kubanischen ver-
fagt worden, die ganze Schamachie dem lezteren zu Theil wor-
den. Der Chan in Baku ist also eben so wie die andern ver-
pflichtet, dem Chan in Kuba zu zollen: doch gegenwärtig ist er
dieser Pflicht entledigt, weil er die Schwester Feth Ali Chans
zur Frau, und, wie die Bakusche Innwohner sagen, zu einer
Beherrscherin hat, wodurch er nicht nur diesen Vortheil genießt,
sondern sich von Feth Ali Chan noch vieler anderer zu erfreuen
hat, wie zum Exempel der beträchtlichen sich auf fünf und
dreißig bis 40. tausend Rubel erstreckenden Einkünfte von
Naphta und Salz. Indeffen ist er doch nichts anders, als
ein Vasall des Kubanischen Fürsten. Legt ihm gleich dieser keine
Geld - Abgaben auf, so fordert er doch im Fall der Noth
mit Proviant versehene Mannschaft von demselben , oder
er gebraucht ihn und feine Dienste, wie er es nutzen kan; wie
ich denn bald anführen werde, daß ich ihn bei meiner
Abreise aus Schamachie als Statthalter verlaßen habe. Me-
lik Mamed hat bey feinen Untergebenen wenig Liebe. Sie
klagen über die ihnen beständig auferlegte fast unaufreibliche
Geldsummen. Diejenigen, die ihm noch gut zu sein scheinen,
oder welche fich nicht getrauen, die Wahrheit zu fegen, beschrei-
ben ihn als ungemein reich, und bestätigen dadurch die Kla-
gen der Mißvergnügten. Ein Geldgieriger Richter wird
nimmermehr anders als ungerecht verfahren. Was wunder,
wann man in Baku höret, man könne nimmermehr Gerechtig-
keit erhalten. Sonderlich seufzen die Armenier, und wünschen
nur so viel Geld zu erhaschen, daß sie sich von dem Bakuschen,
Joch loskauffen könnten. Aufferhalb den Stadtchoren nach
- - N,
«A, + „se F
N. N. W. ist noch eine Merkwürdigkeit, deren ich erwehnen
muß. Sie besteht in Ueberbleibseln von einem ehmaligen Baku.
Ein anderthalb Wert im Umfang habender Platz, der gegen-
wärtig in eine Heide verwandelt ist, weist überall zerfallene Häu-
fer auf; oder es sind vielmehr auf demselben überall zerstreute
gröffere und kleinere Steinhauffen befindlich. Gegen drey hun-
dert Schritte von der nordlichen Stadtmauer entfernt ist eine
feinerne Treppe von etlich und dreißig Stuffen, bey deren En-
de sich eine Wafferquelle befindet , deren man sich noch gegen-
wärtig bedienet. Diesem Brunnen zur rechten gegenüber sieht
man Reliquien von einem alten Schloß, welches sich aber nur
durch zwo groffe Pforten verräth. Neben und um dieselbe
bemerkt man Ueberbleibsel von verschiedenen andern groffen Ge-
bäuden, die aber gänzlich unkenntlich sind. Ob ehmalen Baku
auf dieser Stelle gestanden, oder ob dieselbe eine Vorstadt
gewesen sen , welches letztere defiwegen glaublich ist , weil
zwischen diesem Ort und der gegenwärtigen Sadt eine bewohnte
Slobode befindlich ist, habe ich nicht erfahren können. Auf der
neunten Platte ist Baku mit der umliegenden Gegend in perspec-
tivischer Aussicht vorgestellt.
" Den zehnten. Ich verließ die Stadt nachmittags
um drey Uhr, und richtete den Weg nach Schamachie; der
Steuermann aber wurde befehligt, nach Sallian zu segeln, alwo
ich das Schiff wieder erwarten wollte. Ich reiste mit einem
Theil meiner Gesellschaft zu Pferde, und auf diese lastbare Thie-
re mute ich auch die allernöthigste Geräthschaft, packen laffen;
dann der Weg geht manchmal über solche steile Anhöhen, auf
denen kein Karren, geschweige ein anderes Fuhrwer“, fortkom-
men kan. Nach Schanachie reitet man von Baku aus
westlich, und also seitwärts zurück, da wir von Norden gekem-
men waren. Eben diejenige dürre Heide, welche die nordliche
und südliche Gegend dieser Stadt so unfruchtbar macht, beglei-
tete uns heute wieder. Auf den Abend erreichten wir das Dorf
Alecnetli, wo wir übernachteten. Kurz zuvor fahe ich die Erde
brenren. Die Ursache ist abermal eine Naphta-Ader, die i“ ren
Ausgang gefunden hat; wie nun die Oberfläche der Erde da-
durch ganz pechich wird, dieses Pech aber zu Pulver trocknet,
und sich, so bald das geringste Feuer in feine Nachbarschaft
kommt, entzündet, so dauert die Flamme fort, wann sie nicht
Dritter Theil. H ge-
58 A, H „Fe
gelöscht wird. Aus der westlichen Lage dieses neubeobachteten
Feuers fieht man, daß daffelbe einerley Ursprung mit dem schon
lange berühmten Apscheronischen haben müffe. Dadurch wird
die Unbeständigkeit der Naphta-Brunnen bestätiget. Dann fo
wie durch den Lauf der Zeiten andere entstehen, und einige ver-
fiegen, so kan aus ähnlichen Gründen die Erde in einer mit
dem brennbaren Wesen so reichlich versehenen Gegend an ver-
schiedenen Stellen in Brand gerathen. Wir kamen auch etliche
Salz - Seen vorbey, in welchen sich das Salz in feinen voll-
kommenen Cubischen Crystallen, aber beständig mit folchen ver-
mischt, die dem Wunder-Salz beykommen, auf der Oberfläche
und an den Seiten angesetzt hatte.
Den eilfen. Mit Anbruch des Tages wurde die Reise
fortgesetzt. Wir sahen ganze Heerden von Rehen (Cervus Ca-
preolus) auf den dürresten Feldern, daß ich nicht begreiffen kam,
wovon fiel die Nahrung finden können, die dannoch, sie mögen
solche herbekommen, wo sie immer wollen, das Fleisch dieser
Thiere so schmakhaft macht. In der Tatarischen und Perfischen
Sprache werden sie Tschairan genannt. Das Thier ist von
der Capra gutturoß, campestri Gmel. nicht unterschieden, und ge-
hört unstreitig zu den Antilopen des Hrn. Prof. Pallas. Et-
wan fechs Werte von unserm Nachtlager kamen wir ein altes
eingefallenes Karawan-Saray vorbey, in dessen Nachbarschaft ei-
nige Tatarische Bauern, die von der Viehzucht und dem Aker-
bau leben, ihre Kibitken aufgeschlagen hatten. Sie find unter-
thanen des Bakuschen Chans; jeder muß ihm einen jährli-
chen Tribut von 15. Rubel erlegen, und eine jede Familie auf
Verlangen einen tüchtigen Mann zum Kriegs-Dienst liefern. Wir
lagerten uns des Abends bey einem Bach, unter dem Fuß ei-
niger Thon-Gebürge , in denen eine gelblich rothe Trippel-
Erde häufig erzeugt wird, welcher ein überall zerstreuter Selenit
einen Silberglanz verschaft , deren Thon in chiffrigen Schich-
: ist, und mit rohen, weißen und gelben Farben
lelek.
Den zwölfen. Vierzig Werte wurden heute zurüf-
gelegt, ehe wir wieder zu einer Quelle kamen. Diese aber war
auf einem Berg mitten unter Felsen befindlich. Sie heißt
Tschairan Gulach, oder der Reh-Brunnen, weil sich diese Thie-
re bey demselben häufig einfinden, um ihren Durst zu ''
- - - - - ahe
«A, + „se 59
Nahe dabey quillt abermal eine schwarze Naphta aus einer
Wafferquelle, und mit dem Waffer hervor, das dadurch einen
fo unangenehmen Geschmack bekommt, daß unsre durstige Pfer-
de nicht einmal Luft bezeugten, davon zu trinken. Gegen
Abend kamen wir auf ein Dorf Tschalan genannt, und über-
machteten daselbst.
Den dreyzehnten. Ohne uns zu verweilen, dann durch
die Hitze fahe das Erdreich den ganzen Weg wie verbrannt aus,
und weder auf den Bergen, noch in den Steppen war etwas
tröstliches für einen Botanisten anzutreffen, eilten wir nach
Schannacthie, und erreichten die Stadt gegen Abend, nachdem
wir uns zuvor bey dem Bach Pufahar gelagert hatten. Es
führt derselbe eine erstaunliche Menge Schildkröten bei sich, und
zwar eine Gattung von diesem Geschlecht, die noch nicht be-
kannt, von dem fleißigen Studenten Klutschareff zuerst gefun-
den worden ist, und eine verläufige Anzeige verdienet (S. Pl.
10. und 11.).
Die Rafpische Schildkröte.
Die obere Schaale hat acht Zoll, und fieben Linien
in der Länge; in ihrer Mitte, wo sie am breitesten ist, beträgt sie
sieben Zoll und acht Linien; die untere Schaale ist sieben Zoll
und sechs Linien lang , und fünf Zoll drey Linien breit.
Der Rumpf ist ungemein erhaben, halb schwarz uud halb
grün, rings an dem Rande herum in fünf und zwanzig Schild-
chens abgesondert, wovon das erste das kleinste ist, alle aber
die Gestalt eines Parallelogramms haben. Die Mitte des
Tellers theilt sich in fünf Schildchen , die ziemlich gleich
viereckigt find; die Nathen, welche die Schildchen bilden, sind
bald gerade bald krummlinig, und anastomofiren unter einan-
der. Die drey ersten Schildchen übertreffen die zwey letztern et-
was an Gröffe. Auf der vordern Seite beobachtet man fünf,
und auf der untern vier Schilde; von denselben haben einige
die Gestalt eines Rhombus, und andere die von einem Quadrat.
Das Sternumm ist sehr glatt, schwärzlich, weiß geflekt,
nach hinten zu zweifach gespalten, stumpf, vorwärts mit einer
dreywinkelichten Furche bezeichnet, auf beiden Seiten mit vier
Querfurchen, und einer andern in die Länge laufenden versehen,
welche letztere viele Schnekenförmige Gänge macht.
H 2 Die
6o •A, § „X-
Schama-
chie.
Die Füße sowohl als die Hände find halbschwimmför-
mig; jene haben vier, und diese fünf Zehen.
Es ist mir diese Schildkröte nachmals mit andern
Gattungen in den meisten Gilanischen füßen Wäffern zu Ge-
ficht gekommen. Sie wird manchmal so groß, daß einige Men-
fchen auf ihrer obern Schaale stehen und sich von dem Thier
fortschleppen laffen können.
- Die Persianer verabscheuen die Schildkröten in einem
groffen Grad, und wann man ihnen sagt, daß es Provinzen
giebt, in welchen fiel nicht nur gegessen, sondern so gar als ein
Leckerbißen genoßen werden, fo schütteln sie den Kopf nicht
anders dabei, als wir, wann wir von Menschenfreffern hören.
Von vierzehnten bis zum neunzehnten. Wann
Derbent von undenklichen Jahren her ein beständiger Schau-
platz der Verheerung gewesen ist, so hat Schamachie die Grau-
famkeit des Schicksals noch, empfindlicher erfahren. Ich rede
nicht von alten Zeiten, von denen die Geschichte handelt. Mei-
ne Pflicht als eines Reisenden, ist nur diese, daß ich den Zu-
fand erzehle, in welchem ich diese Stadt angetroffen habe, und,
weil ich diesen nicht beschreiben kann, ohne auf die Regierung
des Nadir-Schachs zurück zu gehen, so erinnere ich meinen Le-
fer an das 34fte Jahr dieses Jahrhunderts, in welchem dieser
Persische Rehabe am alt Schamachie gänzlich zerstöret, und
fatt desselben, eine Tagereise davon entfernt eine andere, mit
einem gleichen Nahmen belegte Stadt in südwesten angelegt hat.
Entweder noch bey der Regierung Schach Adils, oder schon
unter Schachs. Ibrahim feiner, wurde Adschi Mamed Ali
Chan Anno 1748 als Beherrscher in dem neuen Schamachie
eingesetzt, und diese Würde behauptete er bis Anno 1761. Alt
Schamachie war von Tämas Kult Chan, dann dieß war Na-
dirs Nahme, ehe er die Schachs-Würde angenommen hatte, nicht
fo verheert, daß nicht noch einige Ueberbleibsel defelben nachgeblie-
ben wären. Ali Berdi Beglebte als ein vornehmer Edelmann
unter der Regierung U7adir Schachs, dann erbefaß viele Dörfer,
welche in der Nachbarschaft der zerstörten Stadt Schamachie
herumlagen, fo, daß sich seine eigenthümliche Güter gegen Süden
und Südwesten bis an den Fluß Achfin, gegen Westen bis
an den Fluß Kokschei, gegen Nörden bis zu dem Dorf Alda-
gatsch und gegen Osten bis zu dem Dorf markt:
- -
«A, - „A- 6r
Er starb unter der Regiernng des Nadir Schachs, und hin-
terließ seinem Sohn Uljene Said alle feine Güter. Dieser
begab sich mit einigen seiner Bauern nach dem alten zerstörten
Schanathie, und bezog daselbst im obern Theil der Stadt
ohngefähr fünfzehn Häuser, welche bey der Zerstörung nachge-
blieben waren. Kaum hatte er sich niedergelaßen, so kamen
aus verschiedenen Persischen Städten allerley verlauffene Leute,
die fich ihm unterwarffen. Er, der sich schon mit der Hof
nung, angesehener zu werden, schmeichelte , nahm sie nach
Wunsch auf, und dieses reizte andere, dem Beyspiel der ersten
zu folgen. Diese Schamachiesche Kalonisten suchten die Stadt
nach und nach in ihren vorigen Zustand zu bringen, und, wie
fie mit Erbauung einer großen Anzahl. Häuser fertig waren,
schickten sie einige Abgeordnete an Kerim Chan, und baten
ihn , er möchte Miene Said zum Chan in Alt - Scha-
machie machen, wozu er fich auch willig finden ließ. In-
deffen fingen die Unterthanen und Einwohner in dem neuen
Sthamathie an, über ihren Beherrscher Adschi Mamed Ali
Chan mißvergnügt zu werden und faßten den Entschluß, den-
selben abzusetzen. Derowegen giengen die Aeltesten aus ihrem Mit-
tel im Jahr 1761. zu lenc Said Chan nach dem alten Scha-
unachie, und unterlegten ihm, daß sie Aidschi Mamed Ali Chan-
keinen Gehorsam mehr zu leisten gesonnen wären, weil solcher
wieder alle Gesetze handle, dem Trunk sehr ergeben fey, und
noch andere Laster besitze; sie stellten sich deswegen ein, um
ihm die Beherrschung von Neu-Schamachie anzubieten. Me-
me Said Chan bedachte sich nicht lange, sondern zog ein
Kriegsheer zusammen, gieng mit demselben nach dem neuen
Schamachie, bemächtigte sich des Orts, und schickte Adfähi
UMTamed Ali Chan unter Arrest nach Alt - Schamachie
allwo er auch nach Verfluß eines Jahrs in dem 80sten Jahr
feines Alters verstorben ist. Nach dieser Einnahme gieng Menne
Saud Chan nach dem alten Schamachie zurück, und setzte in dem
neuen einen Naip. Sein Glück aber dauerte nicht allzu lange;
und die Unbeständigkeit desselben, die er erfahren hat, muß
er sich billig allein zuschreiben, dann bey ihm traf die Wahrheit“
des Apostolischen Ausspruchs, daß der Geiz eine Wurzel alles Uebels-
fen, vollkommen ein. Dieser verleitete ihn nähmlich, nicht nur einen
Materhanen solche Abgaben aufzulegen, die sie kaum mit dem
- H 3. - äufferten
62 •A, - „F-
äußersten Verlust ihrer Habseligkeiten entrichten konnten,
sondern auch dem Feth Ali Chan, als Beschützer von
Schamachie gegen die Lesgier und Tataren , den schuldigen
Tribut zu versagen; daher dann sowohl jene als dieser über
ihn aufgebracht wurden , und letzterer auf die Gedanken
fiel, Schamachie feindlich anzufallen. Er rückte zu verschiedenen
mahlen vor die Stadt ; allein er wurde jedes mahl, und
zwar manchmal mit Verlust zurückgetrieben, weil Meme Said
Chan von dem Tschakinischen Chan Uffein unterstützt wurde,
fo, daß auch schon der Kubanische fast allen Muthfinken ließ,
bis endlich auf einmahl eine Feindschaft zwischen Miene Said
Chan und Uffein Chan entfund, und letzterer im Jahr 1766.
Feth Ali Chan sagen ließ, daß es nunmehro Zeit fey ,
Schaunachie einzunehmen, wozu er ihm bey vorgefallenen ver-
änderten Umständen alle mögliche Hülffe zu leisten gedenke.
Konnte wohl dem Feth Ali Chan eine Nachricht erfreulicher
fyn, als diese ? Er rückte sogleich mit seinem Kriegsheer vor
Schaunachie und es dauerte kaum drey Tage, so nahm er
daffelbe mit Hülffe Uffein Chans in Besitz, bekam den Meme
Said Chan mit seiner ganze Familie gefangen, und schickte ihn
unter Wache nach Derbent, wo er sich auch bei meiner Anwe-
senheit in einem Alter von 60. Jahren befand. Meme Saids
Bruder, welcher Agae Chan heißt, und während der vorigen
Regierung in den hiesigen Gegenden tüchtig geraubt hat, so,
daß er sich durch diese Kunstgriffe ein Kapital von sechzig tau-
fand Rubel erworben, ließ er beide Augen mit einem Dolch
ausstechen, und ihm alle seine Güter wegnehmen; doch fand der
blinde Agaffe Clban kurze Zeit darauf Gelegenheit aus Scha-
maktie zu entwischen , und nach Karabaach in der Mo-
gane zu flüchten, allwo er sich auch gegenwärtig aufhält, und von
wo er vermittelt eines zusammengebrachten Anhangs , schon
manche Anfälle auf Schamachie, wiewohl vergebens, gewagt
hat. Es befindt sich derselbe in einem Alter von 30 Jahren.
tl fein Chan hielte sich nach der Einnahme der Schamarchie
noch drei Monathe bey dem Kubanischen Chan auf, bekam auf
die lezt Händel mit ihm, und begab sich unzufrieden nach Hau-
f. Anno 1769 ließ Feth Ali Chan das neue Schamachie
gänzlich zerstöhren , und befahl den Innwohnern derselben
sich in dem alten niederzulaffen, wozu ihn verschiedene Gründe
- - - be-
-
- AP - 6
bewogen haben. Erstens wird der Ort für ungesund ausgege,
ben, wenigstens find viele Innwohner daselbst gestorben, und
diesen Umstand hat man der bösen Luft zugeschrieben. Zwey-
tens litt derselbe einen groffen Mangel an Waffer. Die dritte
hauptsächliche Ursache aber war wohl diese. Ferh Ali Chan ist für
einigen Rebellen unter feinen Unterthanen nicht gar sicher, und
die Gefahr, in welcher er sich zu befinden glaubt, hielt er für
gröffer, wann sich letztere nicht an einem Ort aufhielten; daher er
sie alle durch Aufhebung des neuen Schamachie nach dem alten zog.
Auf solche Weise ist dann diese Stadt nach und nach
aus ihren Trümmern wieder entstanden. Man muß jedoch
nicht glauben, daß anjezo in derselben diejenige morgenländische
Pracht anzutreffen fey, welche ihr in ehmaligen Zeiten ein so groffes
Ansehen gegeben hat. Sie liegt nach Olearius, der sie
nun gar nicht mehr kennen würde, unter dem 40sten Grad
50 M. nordlicher Breite. Sie stößt nach Norden an den Berg
Bischbarmak, nach Westen an Kaballa, nach Osten an das
Gebürge, Rutan, und nach Süden an Sallian. Sie ist die
Hauptstadt der ganzen Provinz Schirwan, welche in alten Zei-
ten unter dem Nahmen des Königreichs Medien bekannt war:
wann die Persianer aus den verschiedenen Städten des Irans-
kischen Reiches nach Schamachie reisen, so sagen sie sogar, fie
reisen nach Schirwan. Die Nord-Ost und Westseite der Stadt
ist mit Gebürgen umgeben, oder liegt an diesen Kanten viel-
mehr an dem Fuß lauter Ketten weiß mit einander verbunde-
ner Gebürge, und nur an ihrer Südseite ist flaches dürres
Land befindlich. Ihrer Gestalt nach stellt sie ein in die Länge
wiewohl sehr unordentlich gebautes Fünfeck vor. Ich kann nicht
fagen, daß ich ein einziges ordentliches Gebäude in derselben
gefunden hätte. Die vorhandenen find aus Leim und unbehaue-
nen Steinen zusammen gefügt, von einer oder zwei Etagen.
Kein offentliches, wie zum Exempel Moscheen, deren zwar eine
groffe Anzahl ist, und Karawan-Saraien, verdient die geringste
Aufmerksamkeit, ja nur die in dem obern Theil der Stadt auf
einem Berg befindliche Wohnung des Chans hat vermöge ihrer
Gröffe und Umfang etwas besonders. Dieser obere Theil ist
auf eine gewisse Art befestigt, und mit einer, aber an manchen
Stellen schadhaften, Mauer umgeben, bey welcher rings um ein
mit einigen Kanonen besetzter Wall angelegt ist. Zur #
(M
64 A, § „F
Hand des Berges, auf welchem die Wohnung des Chans liegt,
ist ein groffer Markt, alwo Kramwaaren, Victualien und be-
fonders Garten-Früchte verkauft werden. An dem einen Ende
deffelben ist der Basar, oder die Kaufbuden. Sonsten wird
Sthamachie in neun Sloboden eingeheilt, deren Nahmen
folgende find: Intharae Ral:, Saran Tarpach, Kala Ba-
far, Dschuda Melle, Iman Melle, Maidan Melle, Schanpiri
Melle, Kellan dibli, Maragatsch. Die Straffen in Schama-
chie find meistentheils sehr enge, theils geflattert, theils nicht.
Die Innwohner der Stadt bestehen ohngefähr aus 1000.
Persischen und Tatarischen Familien, wozu man 50. Armenische
rechnet. Eine jedwede zahlt dem Chan jährlich 100. Rubel,
von den Armenischen aber erlegt noch eine jede jährlich aus-
fer diesem 240. Kopeken Kopfgeld , ein unverheirateter giebt
120. Kopecken , junge Leute entrichten nichts , bis sie zwanzig
Jahr alt sind. Diese Gelder werden durch einen vom Chan
bestimten Schreiber eingesammler. Auffer den 50. erwähnten
Armenischen Familien, sind noch fünf Armenische Dörffer in
der Gegend zwischen Alt- und dem ehmaligen neuen Sthanna-
chie befindlich, welche aber alle von dem Kubanischen Chan bey
der Einnahme der Stadt ziemlich zerstöhrt worden. Die
Nahmen derselben sind folgende: Mersani, Madraff, Sagi-
an, Kerkensch, und Reluchoni. Die Innwohner geben dem
Chan jährlich eben so viel, als die in der Stadt wohnende.
Bey zweyen dieser Dörfer sind zwey Klöster befindlich, deren
Errichtung die Holsteinische Gesandschaft ausgewürkt hat.
Feth Ali Chan übt eine unumschränckte Herrschaft in Stha-
machie aus und über den ganzen District dieser Stadt. Die
reichsten Kaufleute in derselben, welche sich durch eine Reise
nach Mecca und Medina den Beynahmen, Adschi, erworben
haben, besitzen keine andern Vorzüge, als daß sie wegen ihres
Geldes vom Chan geehrt werden. Bei den vorigen Chans hat-
ten sie mehr zu sagen, so daß solche ohne ihre Einwilligung nichts
wichtiges zu unternehmen vermochten: jedoch der gegenwärtige
hat ihnen alle Macht benommen. (a)
In
a. ) Nach mei er A reise aus Scham achie sind diese Li i von
Feth Ali Chan aller ihrer Würde entsetzt, aus der Start vertrie-
ben, und nach Derbent und Kuba gefänglich gebracht worden.
-
•, F. „Es 65
In seiner Abwesenheit versieht ein Statthalter feine
Stelle. Diese Würde bekleidete seit der Eroberung der Stadt
Feth Ali Chans Bruder Abdula Beg; allein schon ein Jahr
lang ist der Principal mit seinem Bedienten nicht zufrieden. Man
fagt, es soll letzterer in verschiedenen Stücken dem Chan untreu
gewesen. feyn, die ohnehin groffe Auflagen der Innwohner ohne
Wiffen des Chans noch mehr vergrößert, und noch manche
schädliche Handlung ausgeübt haben, unter welchen ihm vor-
züglich eine mehrmalen vollzogene, gewaltsame Bemächtigung
schöner Weibs-Personen, wann sie ' schon verheiratet gewesen,
zugeschrieben wird. Abdula Beg wurde also seines Amts ent-
setzt, und solches von Feth Ali Chan dem Chan in Baku an-
vertrauet, welcher auch daffelbe während meiner Anwesenheit an-
nahm (b.)
Feth Ali Chan sieht Schannachie mit feinem Di-
frict als eine durch das Recht der Waffen ihm zu Theil gewor-
dene Provinz an. Daher herrscht er in derselben mehr wie ein
Ueberwinder, als ein Vater des Volks. Von der Gröffe der
Auflagen habe ich schon gesprochen. Hat er Geld, Lebensmittel
an Getreide und Vieh, Pferde, oder sonsten etwas nöthig, so
muß solches aufgebracht werden, es mag auch herkommen wo
es immer will. Insbesondere find die Armenier diesen Beschwer,
den ausgesetzt. Kurz vor meiner Ankunft musten ihm die er.
wähnte Klöster ein Geschenk von tausend Rubel machen, und fie
besorgen täglich, er werde ihnen bald wieder ein ähnliches, oder
noch größeres Dongratuit abzwingen.
Wie Feth Ali Chan in Erpreßung des Geldes zimlich
unbarmherzig ist, so beweist er sich nicht weniger strenge in
andern Sachen. Fordert er Geld von einem feine Unterthanen,
und dieser entrichtet die Summa nicht auf das behendete, so
kann er sich einer schwehren Leibes-Strafe versichert halten. Als
vor kurzer Zeit der oberste Armenische Priester einigen von
dem Anhang des in der Moganischen Steppe herumirrenden
blinden Agaffe Chans etwas Mehl verkaufte, ließ ihn Feth
Dritter Theil. J Ali
-
«b) Bald darauf wurde auch der Bakusche Chan, weil die Inn-
wohner mit ihm gar nicht zufrieden waren, von seiner Statt-
halterschaft wieder abgesetzt. -
66 - •A, - „se
Ali Chan davor öffentlich auf die Fußsolen peitschen. Die
Muselmänner in Schamachie führen noch mehrere Klagen über
die Grausamkeit dieses Tyrannen.
Auffer dem Naip, oder Statthalter, ist hier in einer jeden
Slobode ein Starost, der auf Persisch Ketchenda heist und sein
College ist ein Defiatnik, dessen Verrichtung eben dieselbe
wie in Rußland ist. Auffer der Eintheilung der Stadt in Slobo-
den findet keine andere statt; und die Armenier, Persianer, und
Tataren, wohnen vermischt unter einander. Die Polizey - Be-
fchwerden müffen die Armenier und Muselmänner gemeinschaft-
lich tragen, nur mit dem Unterschied, daß die erstere auffer
dem Quartier, welches fiel einem jeden Durchreisenden geben
müffen, auch die Stadt an ihren Thoren zu bewachen haben,
letztere aber nehmen nur Einquartierung, und brauchen nicht
auf die Wache zu ziehen: dann man äußert hier eben so, wie
in Derbent, mehr Vertrauen zu den Armeniern, als zu den
Persianern und Tataren.
Man kan aus dem vorhergehenden leicht schlieffen, wie weit die
Unterthanen in Schamachie mit Feth Ali Chan zufrieden feyn?
ob sie sich unter feine Gewalt mehr aus Nothwendigkeit und Furcht,
oder aus einer wahren Unterthanen-Liebe und Ehrfurcht demüthi-
gen? und ob es nicht bei einer jedweden Gelegenheit, die ihnen
mehrere Freiheit versprechen dürfte , um Feth Ali Chan ge-
fchehen wäre? Alles dieses ist auch diesem Herrn nicht verborgen. Bey
der Einnahme der Stadt verlegte er diejenige, auf die er nur das
geringste Mißtrauen hatte, nach Kuba und Derbent. Kommt
er nach der Stadt, fo wohnt er selten in derselben, sondern
meistens auf einem etliche Werte davon entlegenen Dorf, wo er
sich mit der Falken-Jagd belustiger. Da hält er sich ganz in
der Stille auf, läst manchmal nicht einmahl wissen, daß er da
ist, sondern das falsche Gerücht ausbreiten, er fey bald in die-
fer, bald in einer andern seiner Provinzen. Des Nachts getraut
er sich so gar nicht einmahl ein Licht zu brennen, um dadurch den
Ort seines Auffenthalts gänzlich unbekannt zu machen: jedoch
glauben erfahrne Leute, daß ihn alle seine Vorfichtigkeit für fei-
nem Untergang, der früh oder spät nicht ausbleiben wird, schwehr-
lich schützen werde.
In einer geraden Linie über die Gebürge liegt Scha-
machie eine Tagereise von der See ab: der Weg aber ist so
feil
A, H. „F- 6)
feil und schmahl, daß man sich defelben fast ganz und gar nicht
bedienen kann. Von Derbent gerade nach Schamachie zu
reisen, ist nur vermittelt einer groffen. Bedeckung möglich. -
Schamachie hatte seinen ehmaligen Ruhm und Reich-Handlung
hum allein der Seide , die in dem District dieser Stadt zu Scha-
und besonders in der Provinz Kaballa erzeugt wird, zuzuschrei-machie-
den, und eben dieses nützliche Product ist es auch, welches der
selben noch jetzo den Schein ihrer vorigen Herrlichkeit, und da-
durch einen Vorzug vor andern Städten des nordlichen Per-
fiens nachgelaffen hat. Die Seide nemlich hat die vielfältige
Schamachiesche Fabriquen veranlafet, und sie hat aus der Stadt
einen beträchlichen Handels-Ort gemacht. Wie beyde Stücke
jetzo beschaffen sind , will ich kürzlich erzehlen. Aus Schama-
chie wird die Seide nach ganz Persien und Rußland verführt.
Aus dem innern Persien bringt man nach der Stadt verschie-
dene daselbst verfertigte feidene und baumwollene Zeuge: als
Kutna, Kanawat, Muchojar, Mof, Petran, Baeß, Burmet,
Kattun, allerley Sorten von Bettdecken, Saffian, und Schiraßische
Schaf-Felle. Aus Rußland bringt man Indigo, Zucker, Thee,
Holländische Laken, Leinwand, Zinn, Stahl, Eisen, Bley, Fer-
nambok, Bleyweiß, und allerley Kleinigkeiten als Spiegel, Mes-
fer , Scheeren, Korallen und so weiter. Zu Zeiten des vorigen
Chans wurde die Seide auch nach der Türkey verführt und
gegen Stahl, Fernambok und Korallen vertauscht; seit vier Jah-
ren aber ist dieser Handel gänzlich aufgehoben. In den
Kaufbuden werden auffer den obgedachten Waaren auch die
in den hiesigen Fabriquen verfertigte seidene und baumwollene
Zeuge an Ruffen und Tataren verkauft. Aber die ganze Hand-
lung, welche noch unter Name Said Chan in einem weit
blühendern Zustand war, ist anjeßo in äußerstem Verfall; weil
durch die starke Auflagen Feth Ali Chans die Kapitale
der hiesigen Innwohner so vermindert worden, daß die we-
nigsten unter ihnen im Stande sind zu handeln, und die noch
übrig sind, es nur in der Stille hun, aus Furcht, es möchte
ihnen ein guter Theil der Waaren ohne alle Bezahlung von
dem Chan weggenommen werden. Es halten sich auch gegen-
wärtig auffer einigen Ruffen und drey Indianischen Kaufleuten
keine andere ausländische in der Stadt auf, dahingegen in vori-
gen Zeiten die Anzahl der sehr stark gewesen ist, so #
K 2
6ß •, „sº
fich hier gleichfalls viel Türkische Handelsleute niedergelaffen hat - -
ten, von denen nun kein einziger mehr vorhanden ist.
Fabriken zu Nach der im Jahr 1720. geschehenen Verheerung der Stadt,
Schama- find die Fabriquen zu Nadir - Schachs Zeiten erneut worden. -
f.
Weinbau
chie.
Die meisten und besten waren von der Zeit an, bis jetzt in
MTNeu - Schannachie angelegt. Unter Miene Said Chan
befanden sie sich in einem ungemein blühenden Zustand; dann
hundert Tawrische Fabrikanten , welche die berühmteste in ganz
Persien find, hatten sich allhier niedergelaffen, kehrten aber, so
bald"Feth Ali Chan die Stadt eingenommen hatte, wieder nach
Tawris zurück. Gegenwärtig sieht es mit denselben sehr elend
aus. Die Zeuge, welche jetzund in dem alten Schamachiever-
fertiget werden, find zwar der Gattung nach eben dieselbe, wel-
che die ehmaligen Weberstühle lieferten; man macht nemlich noch
jetzund Kutna, Muchojar, Mof, Kanawat, und fo weiter: aber an
Güte kommen die neuen den alten nicht im geringsten bey.
Ich befahe eine große Anzahl in verschiedenen Fabriquen, aber
ich kann nicht sagen, daß ich ein einziges gefunden hätte, wel-
ches nur ein wenig erträglich gewesen wäre: allen fehlt die
Dauer und eine gute, fandhaltende Farbe.
- Schamachie ist mit seinem ganzen District wegen fei-
ner Fruchtbarkeit berühmt: ja, will man sich ein irdisches Para-
diß, welches nach und nach verwildert ist, vorstellen, so hat man
von der Schamachischen Gegend keinen uneigentlichen Be-
griff. Auserlesene Aepfel, Birnen, Aprikosen, Pfirschen, Grana-
ten, Feigen, Kastanien, Nüffe und andere Früchte vom besten
Geschmack belästigen durch ihren Ueberfluß die Bäume in den
Gärten. Reben-Plantagen haben die Armenier in groffer An-
zahl angelegt, und der Wein, welchen sie fast alle Jahre reich.
lich erndten, ist von besonderer Güte, ja alle dem andern, der
in dem übrigen nordlichen Persien gepflanzt wird, vorzuziehen.
verdient dieser Artikel, daß ich mich dabey ein wenig auf,
(llte.
zu, Die Armenier sind es , die fich mit dem Weinbau
Schama-
hauptsächlich abgeben : dann ohnerachtet es unter den Persia-
nern sowohl, als unter den Tataren eine beträchtliche Menge
gibt, die kein Bedenken tragen Mahumeds Gebot im Ge-
brauch geistiger Getränke zu überschreiten, so ist doch kein Ben-
spiel, daß ein einziger unter ihnen jemals einen Weingarten, an-
ge-
• A, K - - 69
gepflanzt hätte, davon vermuthlich keine andere als folgende Ursache
angegeben werden kann. Die Persianer nemlich fowohl, als die
Tataren bedienen sich zwar zum Theil des Weins und des Brante-
weins, ja sie berauschen sich so gar darinnen ; allein sie zechen
niemals, als in der Nacht, oder wann es etwan einmahlbey Tage ge-
schieht, so thun fie es gewiß ganz verborgen. Wie könnten
sie sich nun selbsten mit dem Bau der Trauben abgeben, da so-
dann jedermann wüßte, daß sie sich des Weins als eines Ge-
tränks bedienten? Sie überlaffen diese Beschäftigung den Ar-
meniern, und kauffen Wein und Brandtewein von ihnen.
Wie oft wurde ich von Muselmännern besucht, die es beklagten,
daß andere ihrer Religion zugleich gegenwärtig gewesen waren und
fie an dem Gebrauch geistiger Getränke verhindert hatten, wenn
auch gleich diejenige, die ein Stein des Anstoffes waren, eine ähnliche
Begierde hegten? Sie schämen sich voreinander, aber vor Gott
und ihrem Mahumed schämen sie sich nicht, wann sie taumelnd
zur Erde sinken. Die Armenier machen es ihnen nach,
dann obgleich jedermann weiß, daß sie trinken, so thun sie es
dannoch auch nur bey Nacht. Sie richten sich also entweder
nach den Alkoranisten , weil sie unter ihnen leben, oder sie
werden zu dieser Gewonheit durch den Trieb der Verstellung
verleitet, welcher in allen Herzen der orientalischen Völker
herrscht. Auch ist dieser letzte Grund der wahrscheinlichste,
dann sogar in Astrachan betrinken sich die Armenier nur bey
Nacht. Ich bitte mir diese kleine Ausschweiffung zu gute
zu halten, und erzehle nun was es mit dem Wein-Bau in
Schamachie für eine Beschaffenheit hat.
Die Schamachiesche Reben sind keine andere, als die in der
Nachbarschaft dieser Stadt wild wachsen, und aus ihrer Wildniß in
die Gärten verpflanzt worden. Wie eine jede wildwachsende Frucht,
wann sie gut gewartet wird , einen beffern Geschmack erhält,
fo trägt sich ebendaffelbe mit den Schamachieschen Reben zu.
Wann wild wachsende Trauben in dieser Gegend einen herben,
oder doch wenigstens merklich zusammenziehenden Geschmack
haben, und der daraus gepreßte Wein zwar geistig genug, der
Zunge aber nicht viel angenehmer als Eßig vorkommt, so liefern
die gepflanzten einen Nektar, welcher manchmal einem Pontak
zuweilen auch, je nachdem das Gewächs ist, einem Clairet bey-
kommt. Man hat rothe und man hat weiße Weine. Diesen
I 3 letzteren.
70 2. - -
lezteren pflegt man dem erstern vorzuziehen. Sehr vernünftig
handeln die Armenier, daß sie die Reben in ihren Gärten nie-
malen anders, als nach der Ordnung wohl eingerichteter Alleen,
die oben vermittelt eines Bogens mit einander verbunden find,
(en berceaux) zu pflanzen pflegen. Diese Ranken-Staude erfodert
solche Art. Man verhütet bey derselben die Gefahr Trauben zu
verlieren. Dieses faftige Gewächs hat dabei mehreren Raum, in
welchem es sich ausbreiten kann. Also darf man auf eine reichli-
chere Erndte richtige Rechnung machen. Die Weinlese fällt
in die Mitte des Septembers ein. Möchte es doch bey derselben
eben so ordentlich zugehen , als bey der Pflanzung des Wein-
stocks! Aber da, und bey den darauf folgenden Verrichtun-
gen kann wohl Noah, der erste Winzer, nicht einfältiger zu
Werke gegangen seyn, als jetzo die Schamachiesche Armenier
thun. An eine Auswahl der Trauben wird nicht gedacht. Rothe
und Weise, und beide von allerley Arten, werden zusammen
in einen Trog geschüttet, und mit den Füßen zertreten oder ge-
fampft und der ausgepreßte Saft in groffen irrdenen Töpfen, die
vermittelt einer Oefnung mit ihrer Mündung auf die Tröge paffen,
aufbehalten. Die töpferne Gefäße gräbt man zehn oder meh-
rere Fuß tief in die Erde. Zu Anfang des Frühlings schüt-
tet man den ausgegohrnen Wein in andere, und verwahrt ihn
auf eben die Weise, als das erstemal; da vermischen ihn
einige mit Waffer, und andere mit Brandtewein, damit er nicht
fauer werde. Einige bedienen sich, um ihre untaugliche Me-
thode noch schädlicher zu machen, kupferner Geschirre. Aus dem
nach dem Stampfen übergebliebenen Magma wird Brandtewein
abgezogen. Bei meiner Anwesenheit wurde der Wedro ( 8.
Stoffe oder 12. Bouteillen) Tschachir für neunzig Kopeken verkauft,
der fonsten nur fünfzehn gekostet haben soll: wird er über Land
verführt, so geschieht es in Schläuchen, worin Bakusche Naphta
gewesen; dadurch bekommt der Wein einen sehr bittern, und
pyrevmatischen Geschmack, den er nimmermehr verliert, hingegen
hält er sich länger. So machen die Armenier unwiffend von
Chynischen Lehrsäßen Gebrauch.
Vom zwanzigsten und ein und zwanzigsten. Ich war
begierig, die zerstöhrte Stadt Neu-Schamachie zu sehen, und be-
gab mich deswegen heute dorthin auf die Reise. Die Stadt lag
von dem alten, oder auch jetzigen Schamachie in Südwesten, und
(N4
•-A, - „ze 71
anderthalb Tagereisen von derselben entfernt. Nach einem Paar
Werten kamen wir die Ueberbleifel eines Gebürges, welches den g
Nahmen Kala Kulüstan, oder wie es der berühmte Herr Kol- Kaia Külü-
ligien-Rath Müller ganz eigentlich übersetzt hat, die Festung"
des Rosenthals, führte, vorbey. Le Bruns Zeichnung mag zu
derjenigen Zeit, da sie verfertiget worden, natürlich gewesen
feyn, jetzo sieht man nichts mehr als unordentlich zerstreute
Steinhauffen, und die Innwohner, welche von mir öfters
befragt worden, find nicht im Stande, einige Nachricht mitzu-
theilen, durch welche auch die ältere Geschichte von Schamachie
etwas mehr erläutert, oder bestätiget werden könnte, was Olea-
rius davon (p. 313.) angemerkt hat. Bald auf diese Ueber-
bleitel folgt das von den meisten Reisenden angemerkte Jung-
fern-Schloß, oder Kyß-Kalla. Nemlich auf dem Gipfel eines Kyß-Kalla,
Berges, welcher über andere merklich hervorragt, sieht man
Ruinen eines ehmaligen Schloffes, zu dem man nur vermittelt
feiler und schmaler Wege gelangt. " Man findt noch deutliche
Spuren von Zimmern, Gewölben, und Kaminen. Als die Ur-
fache der Benennung wurde mir von alten Leuten folgende Ge-
fähichte angegeben. Schach Abas, der Groffe, foll sich in die
Tochter eines vornehmen Persianers so verliebt haben, daß er,
da sich dieselbe , feinem Verlangen Genüge zu leisten bestän-
dig weigerte, zwei Jahre lang alle nur erfinliche Mittel
angewandt habe feine unbarmherzige Schöne zu überwinden :
wie aber diese in ihrem einmahl gefaßten Entschluß fest ver-
harrte, so fey er, um sich zu rächen, auf den Einfall gekom-
men, ermeldtes Schloß zu bauen, und in demselben die Dirne,
als in einem ewigen Gefängniß zu verwahren, worinnen fie auch
ihr Leben geendiget habe. Ich sagte oben, daß zwischen dem
alten und neuen Schamachie fünf von mir benennte Armenische
Dörfer, und zwey Klöster befindlich feyn. Von denselben ka-
men wir durch drey, bey deren einem ein Kloster angelegt ist.
Die Leute leben kümmerlich. Die Mönche getrauen sich nicht,
ihre Kirchengefäße, Bilder und andere Zierathen zu öffentlichem
Gebrauch anzuwenden, aus Furcht, sie möchten derselben mit
Gewalt beraubt werden. Daher fieht man in den Gottesdienst-
lichen Häusern dieser Klöster auffer dem Bild der heili-
gen Maria nichts. Ehe man nach Neu - Schamachie
kommt , fieht man das ehmalige Ansehen derselben einige
- - Werte
72 «A - „H-
Werte zuvor an den vielen - vortrefflichen Gärten, welche
besonders die Armenier angelegt hatten, die aber jetzo mehr ei-
mer furchtbaren Wildniß gleichen. Gelangt man an die Stadt,
fo sieht man einen kleinen Bach Athin, von dem die Stadt
ihren Nahmen hatte. Hanway schreibt Agow; dieses ist
falsch. Ach fit bedeutet so viel als weißes Waffer, und ein
solches führt dieser Bach mit sich : ebendaffelbe gab daher zu der
Benennung des Bachs, und dieser zu der Benennung von dem
neuen Schamachie, als der Stadt Achsu Gelegenheit. Der Bach
Achsu ist ungemein seicht, und ein Waffer fast gar nicht zu
trinken. Auffer demselben aber ist in der Entfernung einiger
Werte von dem neuen Schamachie keine Quelle noch Strohm
befindlich. Daher litten die Innwohner ehmals groffen. Man-
eher kleiß, gel, aus welchem viele Kranckheiten entstunden, und dieses war,
fel von dem wie ich schon erinnert habe, eine Ursache mit, warum das neue
neuen Scha-Schamachie zerstöhrt wurde. In der Tat traff ich nichts
machie.
als eingeriffene Mauren und Häuser an, aus welchen sich nur
schlieffen ließ, daß eine Stadt an dieser Stelle vorhanden ge-
wesen. Man konnte auch fehen , daß sie ganz eben gelegen,
etwan eine Meile im Umfang gehabt habe, und nach der Mor-
genländischen Weise aufgebauet gewesen fey. -
- Eine so kurze Zeit dauerte die Würkung, welche sich
von Nadir Schaths unmäßiger Rache herschrieb. Mit der
Zerstöhrung von Acthfin wurde das Vermögen vieler angefeffe-
nen Innwohner aufgeopfert, und manche, die bey dem Ruin
des alten Schamachie um das ihrige gekommen waren, befeufz-
ten nun ihren neuen Verlust, nicht ohne Empfindung an MTa-
dirs und feiner weniger mächtigen Nachfolger Regiment, zu
gedenken.
Vom zwey und zwanzigsten bis zum fechs und
zwanzigsten. Feth Ali Chan war, während meinem Auffent-
halt in der Stadt, auch daselbst; und ich war öfters bei ihm.
Er ließ sich darüber, was in Derbent vorgefallen war, nicht
das geringste merken. Er bezeugte sich in allem fo, wie ich
es wünschte. Aber zuletzt vergönte er doch der Sprache feines
Herzens ihren Lauff, dann er ließ sich durch einen, in der
Stille zu mir abgefertigten Staatsbedienten verlauten: sowohl
in Derbent als hier hätte er es deutlich verstanden, wie mein
politisches Kräutersammlen eine betrügerische Absicht zum
- - (s
-
«A, H „s- 73
habe, er für sich fey nicht bange, dann er fühle sich von der
Gnade Rußlands allzu sehr überzeugt, als daß er an derselben
bey irgend einer zukünftigen Vorfallenheit zweifeln sollte, daher
habe er mir bisher nichts in den Weg gelegt , werde
es auch hinführo nicht thun, und deswegen biete er mir nun auch
eine sichere Begleitung nach Sallian an. Feth Ali Chan hat
auffer dem Derbentischen Vorfall, meine Reise würklich beför-
dert; vermuthlich aber fluchte ihn sein Schwager, der Bakusche
Chan, auf andere Gedanken zu bringen; mir konnte es endlich
gleichgültig feyn, ob sich der Chan wahre oder falsche Begriffe
von meiner Verschickung mache, wo er sich nur nicht meinen
Absichten und der nothwendigen Vollziehung meiner Pflichten
entgegen zu setzen gesonnen fey ? Indeffen fuchte ich denselben durch
die überzeugendeste Bewegungsgründe feinen irrigen Wahn zu
benehmen; ich merkte aber aus allem deutlich, daß er bei dem
selben verblieb , doch eben so blieb er auch bei seinem Wort,
dann er schickte mir den sechs und zwanzigsten einen Jusbache
mit zwölf Soldaten zur Begleitung nach Sallian.
Den 27fen machte ich mich auf den Weg. Moganische
Räuber machen ihn unsicher, und insbesondere derentwichene blinde
Bruder des unglüklichen, zu Derbent gefangen fitzenden letzten Scha-
machieschen Chans. Ganze Karawanen werden geplündert, ja
diese Unsicherheit hat schon manchem das Leben gekostet. Ich
hatte also alle Ursache auf meiner Hut zu feyn. Die ganze
Gesellschaft blieb beysammen, und von der Begleitung wurden
immer einige ausgeschickt, die auf allen Anhöhen Achtung geben
mußten, ob nichts verdächtiges zu bemerken fey ? der Weg von
Schamachie bis Sallian ist recht dazu gemacht, ein raube-
risches Gesindel zu unterhalten. Man muß einen steilen Berg
über den andern paßiren, wo es öfters nicht einmal möglich ist
reitend fortzukommen. Zwischen den Bergen find mehr oder weniger
eiefe Gruben, oder doch erhebliche Vertiefungen mit allerley
natürlichen Schlupf-Winkeln, in welchenraubbegierige Menschen
die Vorbeyreisende sowohl belauren, als auch wann es ihnen mis-
linge , in selbige flüchten können. Wir übernachteten heute
bey einer Mühle, und setzten den 28sten mit Anbruch des Tages
unsere Reise fort. Nun kamen erst die gefährlichsten Stel-
len. Eine entfzlich tiefe Grube , über welche es fürchter-
lich zu reiten war, und zehn Werte darauf eine über einen
Dritter Theil. K - - fump-
74 •-A, - „R-
Sallian
- sumpfichten Bach von Nadir Schach erbaute steinerne Brücke,
der rechts gegenüber ein den Persianern heiliger Ort (22.) bey
dem sie zu opfern pflegen, zu bemerken ist, waren diejenige Plätze, wo
am meisten Unglück vorgegangen seyn soll. Wir verdoppelten
also unsere Wachsamkeit. Dieser, oder vielmehr dem wachenden
Auge der göttlichen Vorsehung, hatten wir es zu verdanken, daß wir
ganz ungehindert durchkamen, und auf den Abend ein durch
einen Erdwall befestigtes, groffes, aber meist verföhrtes Dorf,
MTawai genannt, erreichten, allwo wir übernachteten. Sobald
wir die Pferde gewechselt hatten, reiseten wir den neun und
zwanzigsten weiter. Das Gebürge verlohr fich nach und nach.
So wie auf dem ganzen Weg, so war auch hier alles von Holz
und Gesträuchen entblöst, das Feld dürre und wüst, die Hitze
aufferordentlich groß; und den ganzen Tag über fehnten wir uns
vergebens nach einer Wafferquelle. Auf den Abend erreichten
wir den Kur, und lagerten uns an dem Ufer defelben, allwo
eine groffe Anzahl vermischter Persianer in Kibitken wohnen,
die uns mit einigen Nothwendigkeiten des Lebens willig versahen.
Den 3osten reiseten wir weiter einige Werte von dem Ufer ent,
fernt: gegen Abend hielten wir an demselben wiederum stille, und
Tages darauf fuhren wir in einem Kirchim nach Salian, diese
Insul vorbey und noch eine andere, die vier Werte davon ent,
legen ist, auf welcher der rußische Consul wohnt; das Fahrzeug
aber kam zween Tage darauf glücklich an.
Vom ersten September bis zum lezten. Theils das
Verlangen Sallian und seine Nachbarschaft kennen zu lernen,
eheils ein neuer Anfall von einem intermittierenden Fieber, welcher
mir
22.) Der Ort heißt Pirchanange. Chanange ist der Nahme eines gewißen
Muselmanns, der es in der Frömmigkeit so weit gebracht haben
foll, daß es ihm in der Gewährung feiner Bitten bei Gott
niemahlen fehl geschlagen habe. Hier bauete er fich einen
Tempel und wohnte in demselben, als einem Gott geheiligten
Hauß. Daher verfah er auch daffelbe mit einem Thurm; und
Pirchanange bedeutet also den Thurm des heiligen Mannes
Cbanange. Aus diesem Grund wird der Ort für heilig gehal-
ken. Dafelbst pflegen die Persianer zu beten und Schafe
opfern, wann sie krank sind, oder sich in einer andern Angela
genheit den Bepfand des Himmels erflehen wollen, -
«A, „F- 75
mir vierzehn Tage einen Haus-Arrest verursachte, waren die
Bewegungsgründe, daß ich mich hier diesen ganzen Monath aufhiel-
ee. Ich nutzte indessen die Zeit, wie es die Umstände erlaub-
ren. Dasjenige was für dieses Tagebuch bestimmt ist, folgt anjetzolin
derjenigen Ordnung, wie ich es während meinem Auffenthalt ent-
weder selbst niedergeschrieben, oder andern in die Feder dictirt
habe. Geographische Anmerkungen sollen den Anfang machen.
Der Kur, der bei den ältern Geschichtschreibern den Der Kur:
Nahmen Cyrus führte, entspringt bekannter maßen in den Caus
eafischen Gebürgen, ohngefehr drei Tagereisen von der Georgi-
anischen Hauptstadt Tiflis, bei welcher er dicht vorbei fließt,
und einen ungemein schnellen Lauff hat. Hier ist eine in vie-
len Ausflüffen bestehende Mündung , die zu eben so vielen,
durch besondere Nahmen unterschiedenen, im Frühjahr der Ueber-
schwemmung ausgesetzten Infuln Gelegenheit geben, und fich
endlich - in zween groffe Arme vereinigen , davon der obe-
re auf der nordwestlichen , und der untere auf der südlichen
Seite in die See fällt. Der Sallianische District bestehe aus
vielen auf beiden Seiten des Kurs unordentlich zerstreuten Dör-
fern, die von Persianern und Tataren, sowohl Schahischer als
Sunnischer Secte, wie auch von einigen wenigen Armeniern
bewohnt werden. Er ist fruchtbar, erzeugt besonders Reiß und
Baumwolle, erstreckt sich nach Norden bis 23aku, nach Süden
bis Gilan und nach Westen bis an das Gebürge. Eben deswe-
gen, weil wenige Armenier in demselben vorhanden sind, ist es
auch mit dem Gartenbau schlecht beschaffen; und ohnerachtet auch
hier die Reben wild wachsen, so wird dennoch aus denselben,
wenigstens gegenwärtig, kein Wein gepreßt. Sallian erstreckt
fich in der Länge den Kur hinauf ohngefähr fünfzig Wert, die
Breite dieses Districts, welche die beiden Seiten des Kurs be-
stimmen kann, ist kaum auf zehn angegeben. Der Kur ist in
fich und in feinen Armen ungemein fischreich. Er ernährt
Störe, Sewrugen, Belugen, Lachse, Fettfische, die in der Landes-
sprache Schamaja heiffen, eine Art von Heeringen, die von mir
an einem andern Ort als eine Gattung der Cyprinen beschrieben
wird, Sandarte, Aspen, ( Cyprinus Aspius, Kuli Perfisch)
Ußatschen (Cyprinus barbus) Rothaugen, Karpfen, Hechte, und
verschiedene andere kleine Fischgattungen, besonders einige neue
aus dem Geschlecht der er In Sallian ist s
- 2.
76 A, M „F-
der Sammelplatz dieser Geschöpfe; dann dafie füffes Waffer lie-
ben, so begeben sie sich von dem gesalzenen in dasselbe; die vielen
Aeste des Kurs kommen ihnen zu statten, und glaubwürdige
Nachrichten belehren mich, daß mitten in dem Kur bey der
Stade Ganscha, welche sieben Tagereisen von Sallian entfernt
ist, groffe Feldsteine in der Quere befindlich find, welche den
aus der See kommenden Fischen den Zutritt frohm aufwärts
versagen, so daß nur kleine über dieselbe zu schwimmen Gele-
genheit finden. Warum ist man noch nicht auf den Einfall
gekommen, diese Steine hinweg zu welzen, oder zu sprengen.
Georgien hat ja Fische nöthig, und Sallian kan von einem
überflüßigen Vorrath dieser natürlichen Waare eine reichliche
Abgabe liefern.
Meinen Nachrichten zufolge steht Sallian schon lange un-
ter den Befehlen der Vorfahren von Feth Ali Cham. Unter
der Regierung Madir-Schachs wurde zwar ein besonderer Chan,
der Mamed hieß, als Beherrscher nach dieser Provinz geschickt.
Allein gleich nach dem Tode dieses Regenten bekam Ibrahim
Chan, Feth Ali Chams Halbbruder, das Regiment über den
selben. Ob nun dieser schlecht gewirtschaftet, oder ob er sich aus
einer andern Ursache Feinde zugezogen haben mag, weiß man nicht.
Man suchte ' bey Uffein Ali Chan verdächtig zu machen und es
gelung. Der Vater stürzte seinen Sohn, und bestellte seinen an-
dern Feth Ali zum Chan. Der angränzende District Kaballa
war zu Madir-Schachs Zeiten ganz frey: die Innwohner
wählten nemlich einen Beherrscher über sich nach ihrem Gefallen,
ja diese Mode gilt auch noch gegenwärtig bey denselbe, doch
mit dem Unterschied, daß dieser mit feinem ihm untergebenen
Volk Feth Ali Chans Oberherrschaft erkennen muß. Die
Einkünfte, welche Feth Ali Chan von den Innwohnern des
Sallianischen Districts zieher, bestehen in Kopf-Geldern, und Ab-
gaben von Reiß; man versicherte mich, sie sollen kaum fünf und
zwanzig tausend Rubel betragen. Die Leute sind mit ihrem
Herrn mehr zufrieden, als in Schamachie. Die Anmerkung, wel-
che ich bei dieser Stadt gemacht habe, bekommt durch diese
mehrere Wahrscheinlichkeit. Mit der Fischerey in dem Rur
hat es folgende Bewantnis. Wer da fischen will, der kan
es thun: für einen Belugen und für einen Stör bekommt der
Chan fünf, für einen Sewrugen drittehalb, für einen :
- UN
•A, - „F 77
fünf und zwanzig, und für drey Fettfische fünf Kopeiken: an-
dere Fische werden obenhin berechnet. Die Lachse und die Fett-
fische werden nach Derbent, Kuba, Baku, und nach andern
umliegenden Städten verführt; wegen des Belugen-Sewrugen-
und Stör-Fangs kommen auch jährlich einige Rußische Fahrzeuge
an, und sie befinden sich gut bei ihrer Fahrt. Zum Einsal.
zen der Fische wird das Salz aus den in Sallians Nach-
barschaft befindlichen Seen herbei gebracht und solches Chay-
waren-Weise verkauft. Ein Chaywar aber, der zwanzig rußi.
schen Puden gleich , kostet 2- Rubel. Dieses Sallianische
Salz bringt mich auf einige merkwürdige Eigenschaften des Sal.
lianischen Bodens und nachdem ich dieselbe erzehlt haben werde,
will ich ihnen einige andere natürliche Schönheiten beyfügen.
In verschiedenen Stellen um Sallan herum trift man Kochende
kochende Salzquellen an, deren Waffer bitter schmeckt, auf der Salzseen.
ren Oberfläche und an deren Seiten das Salz in seinen gewöhn-
lichen Crystallen anschießt, von denen das Waffer aus der Tief
fe mit Gewalt in die Höhe steigt, und sich mit einem mehr
oder weniger erheblichen Fall, sowohl in die in der Nähe befind-
lichen Bäche ergießt, als auch zu andern Seen Gelegenheit gibt,
welche mit der Zeit vertroknen, und in diesem Zustand ihr
Salz liefern. Die Bakusche Naphta-Quellen haben mir schon
Gelegenheit gegeben meine Gedanken über das Caspische See-
Waffer zu äußern. Werden sie nun nicht bei dieser Erschei-
nung bestätiget? Ich leitete damals die Ursache des bittern
Geschmaks , der zwar auch andern Seen eigen ist , den aber
die Caspiche vorzüglich befizt, von der in den Caucasischen Ge-
bürgen so verschwenderisch entstehenden, dieser durch unterirdische
Gänge beigemischten Naphta her; nun treffe ich Seen an,
und Seen dicht an dem Caspischen Meer, zwischen den Gebür-
gen und demselben , die Salzwaffer bey sich führen , das wie
ein wahres Schwefel-Bad kocht, das mit einer auffrordentlichen
Kraft in die Höhe getrieben wird, so gar, daß solches noch ei-
nen Fall verursachen kann : das Salz aber, so man aus
denselben erhält, hat nicht nur Cubische sondern Rautenförmige,
den Cubischen häufig bei gesellte Crystalle. Woher entsteht
die Wärme in diesen Seen? Ich glaube von nichts anders als
von der beigemischten Naphta, von welcher diese ganze Gegend
angefüllt ist. Woher die Rautenförmige er
3 -
-
78 «A, P. „F-
Kuntschut-
Oehl. ,
Ich glaube von nichts anders, als von eben derselben. Dann
hinlängliche Versuche belehren mich, sie unterscheiden sich von
dem Wundersalze nur darinnen, daß die Vitriol - Säure, die
den einen Theil derselben ausmacht, mit dem brennbaren Wesen
verbunden fey. Möchten nicht die Chymisten auch aus dem
Grunde, daß man Naphta und Salz so gesellschaftlich bey ein-
ander antrifft in ihrer Meinung bekräftiger werden , es ge-
be nur eine einzige allgemeine Säure, die zu den übrigen
bekannten durch verschiedene Modificationen Gelegenheit gibt?
Warum klagen die Astrachanische Kaufleute so oft über die
Untauglichkeit des Astrachanischen Salzes bei dem Einsalzen
der Fische? Vermuthlich weil es durch das Bitter-Salz verun-
reiniget ist. Haben nicht die Sallianische Salz- Seen viele
Aehnlichkeit mit dem St. Peters-Brunnen bei dem ehmaligen
Terki? Alle diese Fragen werde ich in dem Abschnitt von der
Beschaffenheit des Caspischen Seewaffers ausführlicher berühren;
gegenwärtig erinnere ich nur noch, daß sich viele gemeine Leute
in ermeldte Seen zu stürzen pflegen, indem sie ein solches Ba-
den für gesund halten , und besonders in den Unreinigkeiten
der Haut für ersprießlich ansehen. Der ganze Sallianische
District ist überhaupt, wegen des vielen Salzes, das er ä
vorbringt , merkwürdig. Hauptsächlich hat das westliche Ufer
des Kurs an demselben einen groffen Ueberfluß. Das Salz
wächst aus der Erde hervor, wie in einigen Provinzen des
Rußischen Reichs der Salpeter: wann es geregnet hat, so
schmeckt daher das Pfützenwaffer falziger.
Hier, wie an andern Orten Persiens, wird aus einer Gattung
vom Antirrhinum (23) ein vortreffliches Oehl gepreßt, welches an
Farbe und angenehmen Geschmack dem besten Italienischen fast nichts
nachgiebt, und in der Türkischen Sprache Kunschut Jag, in der Per-
fischen aber Kunschut Rogoe heißt. Die Samen dieser Pflanze
werden vermittelt eines willkührlichen, in Bewegung gebrachten
Mehl-Steines gepreßt, das Oehl welches herauslauf, '
dur
23.) Antirrhinum (majus) corollis ecaudatis, floribus spieatis, cally-
eibus, rotundatis, L1NN: Sp. pl. 2. p. 89. n. 35. Antirrhinum
majus alter um folio longiore Bauk. pin an. Antirnhinum flare
rubro et albo vario. H. Elf.
- -
<A, H. „F- 79
durch ein Sieb, welches unterhalb dem Steine angebracht ist,
und wird dadurch gereiniger. Ehe die Samen gepreßt werden,
röstet man sie ohngefär so lange , als die Coffeebohnen, ehe sie
gemalen werden: auffer dem guten Baum-Oehl kenne ich würk-
lich kein anderes, welches mit dem Kunschut-Oehl in Ver-
gleichung gezogen werden könnte. Sogar zum Backwerck
statt der Butter gebraucht , konnte ich es von dieser
nicht unterscheiden. Eigene gute Oehle im Vaterlande zu ha-
ben, ist eine wichtige Sache. Nun könnte dieses Antirrhinum
an den meisten , nur nicht an den kältesten, Orten des Ru-
ßischen Reichs gezogen werden; Rußland aber hat wegen der
Fastenzeit noch vorzüglich Oehle nöthig, und Olivenbäume dörften
an den wenigsten Plätzen fortkommen. Ich schlage also dieses
Antirrhinum vor , um es in Rußland zum großen Nutzen
des Reichs einheimisch zu machen. Der Blau-
Der Blau-Vogel, oder nach Rußischer Art zu reden das Perfische Vogel,
Huhn, (24) ist in ganz Perfien in äußerster Menge. Das Gestade
der Caspischen See wird öfters auf einige Meilen mit Schilff besetzt,
und nur in einer solchen Wohnung hüpft dieser Vogel gerne herum.
Der Ritter Linnaeus bringt denselben unter das Geschlecht der
Wafferhühner; und freilich hat ein Schnabel und kahle Stirne
eine vollkommene Aehnlichkeit mit demselben, aber die Füße find
gespalten, und weil sie es find, so kann der Blau-Vogel fich
nicht im Waffer aufhalten, und folglich ist er kein Wafferhuhn.
Mich dünkt daher, daß so wohl er, als das gelbfüßige Huhn,
und Edward seines mit Flügelspornen, von dem schwarzen
Wafferhuhn des berühmten Schwedischen Ritters getrennt werden
sollte: der Blau-Vogel aber mit größtem Recht, dann er zeige
durch seinen vortrefflichen Geschmack, daß er ganz wo anders
feine Nahrung suche, als in dem Waffer, ohnerachtet er sich
beständig ohnweit defelben befindet. Edward hat uns eine vor-
ereifliche Beschreibung von demselben geliefert, und die von ihm
Es
m-
4.) Porphyrio veterum. Rallus aquaticus rostro, fronte, pedibusque
rubri, reliquo corpore cyaneo, fub cauda plumis albis KLEIN11.
Fulica fronte major pulla, fromte ceracoccinea oblonga quadrata,
sRowN. Fulica fronte Calua corpore violeseo digitis -
bus, LuNNABI. -
ge «A, - „F-
Schakallen.
erheilte Zeichnung verräch die Stärke seines Pinsels. Ich wer-
de feiner bei einer andern Gelegenheit noch einmahl mehr or-
nithologisch, als jezo gedenken, und dabey, was er in Persien
für eine Abänderung leidet, anführen: jezo gebe ich von demsel-
ben eine Abbildung auf der 12ten Platte, und erinnere noch,
daß das Weibchen im Schilffe nistet, gegen die Mitte des
Merz drei bis vier weißlich gelbe Eyer leget, und solche
binnen drei oder vier Wochen ausbrütet; daß dieser Vogel sich
schwer zahm machen läst, sondern viel lieber sein Leben, als sei
ne Freyheit verliert; daß das Männchen eben so wenig, wie an-
dere Hühner, beim Ausbrüten das Weibchen ablöst, und daß
dieser Vogel alle vier Jahreszeiten hindurch an Ort und
Stelle verbleibt. -
Hier erhielt ich endlich einige Exemplare von dem
Schakal. Sie hatten bey nahe viertehalb Schuhe in der
Länge, und dem ersten Ansehen nach schienen sie einem ausge-
arteten Wolff ähnlich zu sein, aber ihre ganze Oeconomie
kommt mehr mit des Fuchs seiner überein , fo, daß ich dieses
Thier als ein Mittelding zwischen beiden ermeldten Hundsarten
ansehe. Die Haare sitzen sehr dicht an seinem Leibe, oberhalb
fallen fiel ins gelbliche, und unten find sie weis, doch findet
hin und wieder einiger Unterscheid statt; zum Exempe, die Haa-
re an den Seitentheilen des Kopfs find zwar gelb, aber ande-
re , welche schwärzlich aussehen , find mit untermischt , und
eine ähnliche Beschaffenheit hat es mit der Gegend des Kopfs
zwischen den Augen und Ohren, mit dem Hals und dem Rü-
ken. Der Schwanz ist ganz rund, gerad, und mit ungemein
dicken Haaren besetzt, welche an ihrer Grundlage dunkelgelb, in
der Mitte ganz gelb, und am Ende schwarz find. Die Haare
an der Brust und dem Bauch find viel kürzer, und bei weitem
nicht so dicht als auf dem Rücken, die Seitentheile des Bauchs
find gelb, und eben diese Farbe spielt auch auf der Mitte der
felben, und auf der Mitte der Brust unter die weife. Die Ge-
gend des Afters ist roth. An dem unterm Hals bemerkt man ein
gedoppeltes gelbes, halbzirkelförmiges Band, davon ein jedes
fast einen Daumen breit ist. Der Ropf beträgt etwas über
fieben Zoll in der Länge, ist ablänglich, nach hinten zu breiter,
und endiget sich mit einer spitzigen Schnauze, an deren Ende
die Nase befindlich ist. Die Schnauze ist lang und schmal,
- - wie
•A, - „Re- 8
wie bey dem Fuchs, und sie verräth dadurch die Schlauigkeit
des Thieres, von der ich bald sprechen werde. Die Augen
find ungemein groß und hervorragend, der Stern ist schwarz
und sehr beweglich, der Regenbogen dunkelgrau, die zwizernde
»aut dick und aschgrau, die Ohren länglicht, herzförmig, auf
recht, stumpf, und an ihrer äußern. Grundlage zweifach gespalten.
Die Lefzen find schwarz, an der obern Kinnlade glatt, und an
der untern oberhalb runzlicht. - Mit den Zähnen hat es durch-
aus eben diejenige Beschaffenheit, wie bey den andern Arten des
Hunde - Geschlechts. Die Barthaare find in verschiedenen
Stellungen geordnet: fie find einfach, einige kurz, andere lang,
schwarz,..und borstenförmig. Der Hals ist dick, rund, fünf
Zoll lang, und der Rumpf ist länglicht rund. Der Schwanz
gleicht des Wolffs feinem, und ist beweglich. Der Bau der
innern Theile kommt mit des Wolff seinem vollkommen überein.
Die Schakallen paaren sich wie die Wölffe; dann die Männer
besitzen gleichfalls eine knöcherne Ruthe, die mit einer Wulst
umgeben ist, und verhindert, daß sie nach der Begattung sehr
fchwehr von den Weibern kommen. Das Weibchen wird des
Jahres nur einmal, nämlich im Frühling, trächtig; und die Zeit
feiner Schwangerschaft soll sich nicht über vier Wochen belauffen.
Es wirft fünf, sechs bis acht Junge, und die Natur hat daher
daffelbige mit vielen Brüsten versehen. An einigen zehlte ich
fechs, an andern acht. Es macht ein Lager auf eben die Weise als
der Fuchs, und ist von dem Mann äußerlich in nichts, als durch
seine geringere Gröffe unterschieden. Die Schakallen sind fleisch-
freffende Thiere, lieben aber auch, wie der Fuchs, Obst; und
aus diesem Grund werden sie des Herbsts besonders fett. Des
Tages über halten sie sich in den Wäldern auf, die nicht
weit von den Gebürgen liegen, gegen die Nacht verlaffen fie
diesen Wohnplatz, und besuchen die anliegende Städte, Flecken,
Dörfer, und Bauerhöfe. Sie erscheinen niemalen anders, als
in der Gesellschaft einiger ihrer Cameraden. Wann fiel auf
eine Beute ausgehen, so lauffen fiel sehr langsam, wie ein schlei-
chender Dieb, mit einem hervorhangenden Kopf, um die für sie
taugliche Gegenstände desto besser zu belauren. Haben sie etwas
auf der Spuhr, so lauffen sie ungemein geschwind, und übertref
fen hierin den Wolff. Auf den Bauerhöfen ist alles Feder-
Vieh ihrer Raubbegierde ausgesetzt. Treffen sie offene Hausthü-
Dritter Theil, L ren,
F2 • A, M „F
Ein Art
ren, oder einen Eingang in Gezelte an, so find fiel gar nicht zu
schüchtern, um bei einer solchen Gelegenheit, Stiefel, Schuhe,
und was ihnen von Kleidern vorkommt, Käse, Brodt, etc.
zu rauben, und mit sich fortzuschleppen. Ihr Nachtgeschrey ist ab-
scheulich, beschwerlich, und in allweg einem entsetzlichen Geheul
ähnlich, welches sehr oft mit einem Hundebellen unterbrochen
wird. Es kann wahr feyn, was Kämpfer fagt, daß, wann einer
zu heulen anfängt, alle, welche die Stimme hören in seine Ge-
meinschaft treten. Ich kann versichern, daß ich niemals anders
als eine große Anzahl Schakallen zusammen heulen gehört ha-
be, und öfters dadurch am Schlaffe verhindert worden bin. Es
ist kein Beispiel, daß die Schakallen alte oder junge Menschen
jemalen angegriffen hätten. Man will, wissen, daß unter Scha-
kallen und Wölffen schon mehrmalen eine Begattung vorgefallen,
daß aber auf dieselbe nimmermehr eine Befruchtung erfolget
fey. Ich bin aber für diese Nachricht keineswegs Bürge, in-
dem, wie aus dem vorhergehenden erheller, der Schakall eine ei-
gene Gattung ausmacht, die zwar viele Aehnlichkeit mit dem
Wolff hat, aber eben so wenig ein Wolff ist, als ein Wolff
und ein Fuchs, ein Hund. Da von demselben noch kein Natu-
ralist hinlänglich gesprochen hat, fo habe ich diese vorläufige
Nachricht ertheilen, und auf der 13ten Platte eine Abbildung
dieses Thieres beifügen wollen.
Hier in Sallian fahe ich eine besondere Art von Stampff
von ampff-Mühlen, auf denen Korn und Gersten klein gemacht wird: die
Mühlen.
wird aber, ohngeachtet die Einrichtung selbsten sehr einfach ist,
beyöconomischen Europäern keine Nachahmung finden (S. Pl. 14)
Ein langes dickes hölzernes Brett, das an einem hölzernen
Block befestiget ist, stellt die ganze Maschine vor, deren ich
gedenken will. Ein Kerl sitzt hinten auf demselben, bringt solches,
indem er sich zugleich , um nicht zu fallen , mit beyden
Händen an einem Stock hält, vermittelf feines Fuffes in Be-
wegung ; an dem vordern Ende des Bretts ist ein Loch an-
gebracht, in welchem ein anderer Block, der an einem untern
Ende mit kleinen eisernen Zacken versehen ist, befestiget wird.
Ein anderer Kerl fitzt neben der Maschine auf der Erde, schüt-
tet das in Grüße zu verwandelnde Getreide auf einen hölzernen
Teller, feßt solchen unter den vordern, mit eisernen Zacken ver-
fehenen Block, bringt das durch die Bewegung des Bretts auf
-
die
•A, - „Fe 83
die Seite gefallene Getreide wieder an Ort und Stelle, und
räumt nach verrichteter Arbeit die Grütze hinweg.
Erst vor einigen Jahren hat es dem Rußischen Hofbe-
liebt bei dem hiesigen Hafen eine Consulschaft anzulegen, oder
vielmehr den Consul, der vorher in Baku wohnte, hieher zu
versetzen. Wann man die Nähe von Schamachie bedenkt, das
eine ansehnliche Menge von Seide liefert, und die Beschaffen-
heit der Lage dieses Orts überhaupt, in Betracht der Periani-
fchen und der vielen benachbarten Tatarischen Fürsten, und in
Betracht des vornehmsten derselben, ich meine des Ferh Ali Chans,
besonders in Zeiten, wie die jetzige find, in Erwegung zieht, so ist
nicht zu leugnen, daß ein solcher Ort wie Sallian zu der Wohnung
eines Consuls wie angemeffen ist. Ich höre aber, daß der Ha-
fen , der nach Baku und Afrabad der beste an der Caspischen
See ist, kraft geschehener Astrachanischer Vorstellungen, eingehen
soll. Der gegenwärtige Consul heißt Michailo Jemeljanowitsch
Sulikow dem ich nachrühmen muß, daß er mir nach Kräf
ten gedient hat. Er ist ein Kaufmann, vorher schon Consul
in Baku gewesen, und bereits zu Nadir-Schachs Zeiten in Per-
fien herum gereist. Zu einem besondern Lob muß ihm nachgesagt
werden, daß er die Insul, auf welcher er mit feinem Comman-
do wohnet, mit guten theils aus Holz, theils aus Thon gebauten
recht wohnbaren Häusern versehen hat; auch ist durch seine Ver-
fügung auf derselben ein Gasthof für die Handelsleute angelegt.
Vom ersten October. Nachdem ich schon gestern mit
einer Chaluppe den Südlichen Kurs hinunter gefahren und
- heute früh mit einer Gesellschaft auf unser Schiff gestiegen war,
fo spannten wir mit einem günstigen Nordwest-Wind gegen
Mittag die Segel auf, und erreichten den dritten den Hafen
LEnzelli. Den vierten schickte ich zween meiner Studenten mit
einem Dolmetscher ans Land, dem Herrn Conful Gawrila Se-
menowitsch Bogolubow meine Ankunft zu melden und ihn
um gute Quartiere zu bitten, wobey ich ihm nicht verheelte,
daß ich in Gilan zu überwintern gedächte, um durch meine
Offenherzigkeit bessere Wohnungen zu bekommen. Ich befahl
meinen Studenten, daß sie sich nach vollendeten Verrichtungen
wieder auf das Schiff verfügen, und mich wenigstens gegen
Abend ans Land bringen sollten; allein die Befehle des Aerls
waren kräftiger, als die „meinige. Gleich nach ihrer Abreise
L 2 erhob
84 -A, - -
Beschrei-
bung der
Perfischen
F"
irschi,
Beschrei-
bung des
Buroms.
erhob sich ein entsetzlicher Sturm aus N. N. Westen, daß es
nicht möglich war, mit irgend einem Boot vom Land ans Schiff
zu kommen. Der Sturm dauerte über zweymal vier und zwan-
zig Stunden, und ich beklagte nur, daß alle Victualien mit
dem Koch und feinem Geräthe zugleich voraus geschickt, und
mir und der andern Gesellschaft nicht einmal ein Biffen
Brodt nachgeblieben war. Die Hungersnoth war jedoch nicht
die größte : dann zween Tage läst es sich endlich wohl noch
fasten. Der Sturm hatte noch eine kläglichere Wirkung auf
unser Schiff. In der Kajute und im Raum konnte
man, weil alles leck war, fast nicht bleiben; und auf dem Ver-
deck zu feyn, verhinderte der fast beständige Platzregen. Dafür
aber war nun keine Hülfe vorhanden. Ein jeder umhüllte sich, so
gut er konnte, und erwartete ein befferes Schicksal; das wurde
uns auch den 6ten zu Theil, indem uns, da der Sturm nur
etwas aufhörte, von den vorausgeschickten Studenten ein Kirschi
zugeschickt wurde. Kirschi oder Kirfthims, wie es die Rus-
fen aussprechen, find eine Art kleiner Boote, welche, weil sie
fehr leicht und flach gebaut werden, gar nicht tief im Waffer gehen
sondern gleichsam nur auf der Oberfläche desselben schwimmen,
und fich so von derselben forttreiben laffen. Auf beiden Seiten
find zween Büschel von Weinranken befestiget, um dadurch die
Gewalt der Wellen abzuhalten. Diese Weinranken müffen auch
die Stelle der Stricke vertreten. Statt des Ankers bedient
man sich eines mit Steinen angefüllten Sacks oder Netzes.
In ein solches Kirschi setzten wir uns. Kaum fuhren wir ei-
nige Minuten, so wurde der Nordwind stärker, und verwandelte
sich in einen Sturm. Wir näherten uns dem Hafen, als die
Wellen auf einmal so hoch giengen, daß sie weit über unser
Fahrzeug schlugen; die Leute aber wußten solches so geschickt zu
drehen, daß sie nur unsere Rücken trafen. Die Sandbank nehm-
lich bey Enzelli, (die Rußen schreiben und sprechen immer
Sinfili) ist fo flach, daß sie bey Nordwinden wirbelförmig her-
um getrieben wird, und die Matrosen nennen diese Unruhe der
See 25uron. Die Wellen sind kurz, und indem eine auf
die andere folgt, desto gefährlicher. Der Vorsehung gefiel es
aber doch, mein Leben zu erhalten, und wir kamen glücklich
ans Land. Der Herr Consul Bogolubow empfieng mich auf
das freundschaftlichste. Er bekleidet schon seit drei Jahren
- die-
-A, - „F- 85
diesen Posten, und hat vorhero bei einer Türkischen Ambassade
Secretärsdienste verrichtet. Er ist ein Hofmann, und die hie-Beschrei-
fige Lebensart gefällt ihm daher nicht. Einzelli wird in alt bung des
und neu Einzelli abgesondert. In jenen wohnen, allein Per- Russischen
fianer, und Perfische Armenier; und in diesem nur die Rußische # En-
Kaufmanschaft, nebst den Armeniern, die unter Rußischer Bothmä- zell.
ßigkeit stehen. Die Häuser find alle, kein einziges ausgenommen,
von Schilff aufgeführt, worüber man sich billig verwundern muß,
da der Hafen schon über funfzig Jahr alt ist, und wegen dieser
Bauart das Feuer schon so vielen Schaden angerichtet hat: wie
denn im abgewichenen Jahr am Weynachtsfest alle mit Waa-
ren angefüllte Buden ein Raub desselben worden, und in mei-
ner Anwesenheit der Herr Consul selbst abgebrant: da derglei-
chen elende Hütten, in welche sich die Feuchtigkeiten der Lufft
von der ersten Hand hineindringen können, keine andere, als ei-
ne höchst schädliche Würkung auf die Gesundheit haben müßen,
wie folches auch die Erfahrung bestätiget, und da es endlich
äußerst unbequem ist, sich in solche Schafställe, wo man sich öf
ers weder wenden noch rühren kann, einzukerkern. Alt-En-
zelli , wo ehmalen das Etablissement war , und UNeu-
Enzelli hängen mit einander zusammen, und die Armenische
Kirche befindet sich zwischen beiden. Die Anzahl der Gebäude
von Schilff mag sich in allem etwan auf 300. betragen. Der
Marktplatz ist auf Alt-Enzelli. Man verkauft daselbst alle
Astrachanische und Persische Waaren, nebst Lebens-Mitteln;
Aber man findt nur solches Zeug, welches in Recht als eine
verlegene Waare nicht mehr verkauft werden kan. Bei dem
Marktplatz sieht man Ueberbleibsel von einer Verschanzung und
eingefallene Gebäude, welches alles für den Rest einer Festung
angesehen wird, worinnen der berüchtigte Stenko Raffin ge-
wohnt haben soll. Man kann sich Alt-Sinseli und Neu-Sinfeli
nicht beffer, als eine lange Straffe vorstellen, die längst dem
Ufer angelegt ist, und von vielen Querstraffen durchschnitten
wird : fie hangt aber nicht in einem zusammen, sondern es sind
groffe leere Plätze dazwischen. Der Meer - Busen nimmt da-
selbst feinen Anfang, eheilt sich oberhalb Enzelli in zween Arme,
nemlich einen groffen, und einen kleinern, die fich wieder mit ein-
ander verbinden, südwestlich lauffen, viele Flüffe aufnehmen, und
ohnweit Langerood sich in die See ergieffen. (S. Pl. 15.)
- - L 3 Durch
86 4-A, - „se
Zugvögel,
welche in
Durch diesen Meerbusen wird aus Enzelli eine Halbinsul gebil-
det, die sich bis an die Swiddura erstreckt. Es find auf der-
selben ungemein viel andere Dörfer, deren Innwohner entweder
Kirschiki find, oder sich von dem Seidenbau nähren. Die Kirschiki
verdienen sich vieles Geld: dann theils ist der Fischfang beträcht-
lich und theils fahren sie zu den Schiffen, die auf der Rheede
Anker geworfen haben ab und zu, um so wohl Waaren abzu-
holen, als welche dahin zu bringen; für ihre Mühe aber laffen
sie sich reichlich bezahlen. Die häufigen Reisen nach Peribazar
tragen auch manchen Rubel ein. Abekenar ist eine anmuthige
mit schöner Waldung versehene und bewohnte Insul, vier Werte
von Einzelli entlegen. In der Rußischen Kirche, die mit einem
ordentlichen Priester versehen ist, wird täglich Gottesdienst gehal-
ten. Der Consul hat ein Kommando von dreyzig Soldaten;
und ein Unterwundarzt besorgt ihre Gesundheit. Das Erdreich
zu Enzelli ist lauter Sand, der den Anbau guter Häuser
beschwehrlich macht, weil es aber zu Herbstzeiten viel regnet,
fo kommt er wieder zu statten. In der That sind der Octo-
ber, der November und der December die eigentlichen Regen- .
und zugleich die einzigen Winter-Monathe , in dem die
Luft fast niemahlen heiter ist; dann die Nordwinde wehen bestän-
dig, und die Nordwinde bringen Regen. Sehr selten verbindt
sich mit dem Regen auf eine kurze Zeit ein kleines Schnee-
Gestöber: daß das Waffer zufrieren sollte, davon hat man nur sehr
seltene Beyspiele. Man kann also mit gutem Grund sagen, daß
in Persien kein Winter ist, aber das naße Wetter ist weit
beschwehrlicher, als der Frost, besonders wenn man in fähilferen
Ställen wohnen muß, wie zu Enzelli. Es blühen auch einige
Pflanzen immerweg , wie Z. E. verschiedene Ehrenpreiß-Gat-
tungen, wie Alfine, Swertia, Rubus fritticofus, Crataegus nobilis,
Prunus spinofius, Leotodon Taraxacum, Fumaria bulbofa, Datura,
Stramonium, Ricinus americanus, Mirabilis Nyctage, Cynarchum
acutum u. a. m. Viele Kräuter verlieren ihre Blätter nicht, und es
sieht mit einem Wort den ganzen Winter über so aus, wie in Rußland
im September. Im Jenner kommt die Sonne schon wieder hoch
zu stehen. Mit diesem Monath fängt sich das schöne Wetter an, und zu
Ausgang des Hornungs ist der vollkommene Frühling vorhanden.
Die Zugvögel kamen mit dem Ausgang des Octobers
und dem Anfang des Novembers an, Gänse und Schwanen
- - machen
•A, H. „F- 87
machen den Anfang. Auffer der Merz- und Krik-Ente fahe Perfen
ich keine andere Gattung zurückkommen. Wo blieben dann die überwin-
andere Arten und insbesondere die verschiedene Sorten von ern
Katarka? vielleicht nehmen diese ihren Zug nach Osten. Dann
folgten in unzählbaren Heeren die Kropfgänse, die Baglane, die
Möven, besonders die groffe Lachmöve, eine kleine Täucherart und
der groffe geöhrte Täucher. Nur selten konnte ich die Löffelgans, nimmer
aber die Seeschwalbe den ganzen Winter über entdeken. Wo bleiben
dann diese ? Schnepfen von allen fast nur möglichen Gattun-
gen find in äußerster Menge vorhanden. Einige davon find
nicht Europäisch, und kommen aus Südwesten, und ich will
davon ein Paar Beyspiele anführen, weil sie besonders find.
Charadrius folopax.
Länge des Vogels von der Spitze des Schka. S.Z. L. |
bels bis zum Ende des Schwanzes. – –| 1. |2. TG. –
– – bis zum äußersten der Zehen. – 1. |3.6. –
Länge des Schnabels, an der Grundlage der
Stirn gemeffen. - - - O, [ I, | I., | *-
– – an der Schläfe gemeßen. – – –0. | 1. |6. |
– – der Naslöcher. – – – – 0. | 0 | 4.–
Breite derselben. – O. l O• I. | -
Entfernung derselben. Os | O• 2. - -
– – von den Augen. – – – –|0. | 0.9. | |
Länge der Augen. - o.| 07.|-
Breite der Augen. O- | O-| 5 | –
Abstand zwischen denselben. – – – – 0. | 1. | 1. |_
– – derselben von den Ohren. – –|0. |0. 6. –
Länge der Ohren. - O. | O.» 4. –
Breite derselben. – o. | o | 3. –
Abstand zwischen denselben. – – – – 0. | 1. |0. –
Klänge des Kopfs. o. | 1. | 9. –
– – des Halses. O. | 3.8.|-
– – des Rückens. – – – – – –lo. |3.8 |–
– – des Schwanzes. – – – –0. | 4.8. –
Umfang des Kopfes. O. 13. o. |-
" d
E
$
88 •A, - „F-
S. RTL
– – des Halses unterhalb dem Kopf, _“ 1. 6. –
– – ohnweit der Brust. – – –| 0.3.1. –
– – des ganzen Leibs. – – – – 0.4.8.|_
Breite des Schwanzes. – – – – –| 0.12.10 –
Abstand der ausgespannten Flügel. –- – –| 1. |4.2. –
– – der Stirne von der Biegung des Ellen-
bogens. - O. |6-19. –
Länge der Schenkelbeine. – – – –|o|3 |5-1-
– – Kniebeine. o. 12. | 6.–
Länge des mittlern Zehen. – – – –| o | 1. |2.–
Länge des Nagels. o.|o|3-1-
– – des inneren Zehen. – – – –| 0.10. | 11–
– – feines Nagels. – – – –| 0.|0.|2. –
– – des äusern Zehen. – – – –| 0.|0.|8. –
– – feines Nagels. – – – – 0.lo. "2. –
Dieser Vogel sieht in der Ferne betrachtet einem Sco-
lopar so ähnlich, daß ihn jedermann zu diesem Geschlecht rech-
nen würde; so bald man ihn aber näher betrachtet, verräth er
fogleich, daß er zu den Charadriis gehöre. In der That ist
er ein Mittelding zwischen den Schnepfen und dem Trapper-
geschlecht. Er hat einen nach dem Verhältniß feines Leibeskur-
zen Schnabel, der an einer Grundlage Pomeranzen, Farben,
oder auch grün, aber nach feiner Spitze zu schwarz aussieht.
In der Mitten ist solcher conver, und an den Seitenplatt; die
obere Kinnlade ragt etwas über die untere, welche die Gestalt
eines ausgehölten Spatels hat, hervor. Die Zunge ist blau-
lich, länglich, lanzenförmig, an ihrer Grundlage zwiefach ge-
spalten, in der Mitte tief gefurcht, und an ihrer Endung
ganz.
Der ganze obere Theil des Vogels fällt von dem asch-
grauen ins röthliche, und alle Federn sind in der Mitte dunkel-
grau; an dem hintern Theil des Rückens aber sind sie weiß aus-
gezackt. Die Seiten des Kopfs fehen schneefarbig aus, und
man bemerkt ein schwarzes schmales Band unterhalb den Au-
gen. Der Kopf ist dick und länglicht, der Hals sehr verlängert;
die Augenbraunen und Augenlieder blos und Pomeranzen-Far-
- ben.
•A, H „Fs 89
ben. Der “ besitzt eine ähnliche Farbe; der Stern
aber ist blaulich schwarz. Der untere Kopf ist Schneeweiß,
der untere Hals weiß röhlich, und mit schwarzen, länglichen,
schmalen Flecken besprengt: der ganze übrige Untertheil des
Leibs ist schneeweiß, den Schwanz ausgenommen, welcher ins
Kastanien farbenefällt. Dreyzig schwarze Schwingfedern er-
freken sich fast bis an das Ende des Schwanzes; sie werden
fuffenweiß kleiner und sehen an ihrer innern Seite unten weiß
aus: der erste Stiel wird nach ihrer Mitte zu weiß und eben
dafelbst nimmt sie diese Farbe auf beiden Seiten an, der zwey-
ten ihrer wird es erst nach ihrer Endung zu, und in diesem
Verhältniß verbreitet sich auch diese Farbe an den Kanten; die
dritte, vierte und fünfte haben eine weiße Spitze, und sind an
ihrer Grundlage auf beiden Seiten weiß, die allerletzte behalten die
Farbe des Leibs. Die äußerste Dekfedern sind unbeflekt schwarz,
die innerere weiß und dunkelgrau gemischt; die entferntere
weißlich, von der Farbe des Leibs; diejenige aber, welche die
Biegung des Ellenbogen bedeken, sehen okermäßig aus. Der
Shwanz hat eine runde Gestalt, und besteht aus zwölf an
der Größe sich ziemlich gleichen Regierfedern, wovon die zwey
äußersten weiß sind, und eine schwarze Endung haben, davon
sich die Schwärze bey der letztern an der äußern Seite merk-
licher ausdehnt: und hingegen die vorletzte mit einem oder
einem Paar dunkelgrauer Bande nach ihrer Endung zu versehen
ist; die drey auf beiden Seiten darauf folgende Regierf-
dern sind an ihrer Grundlage außen aschgrau, und inwendig
weiß, werden gleich darauf von drei oder mehreren schwärzlich
grauer Querbanden unterbrochen, sodann mit einem weißen, bey-
de Seiten einnehmenden Flecken bezeichnet , und lauffen endlich
ganz schwarz aus. Die zwo mittlere Federn find aschgrau,
und rings um okerfarben. Die Deckfedern sehen wie der
Ober-Leib aus. Die Schenkelbein-Federn sind weiß, die Füs-
fe und Zehen gelb; die Haut, welche die Zehen verbindet,
ist auch gelb, die Nägel schwarz, klein, und kaum ein wenig
gebogen. Der Vogel hält sich meistens am Strande auf, und
liebt die Gesellschaft sowohl von seines gleichen, als von andern
Schnepfen-Gattungen. Er hat einen mittelmäßig hohen Flug;
feine Stimme besteht im Klappern. Er lebt hauptsächlich von
Würmern, und sucht die Oniscos unter den Muscheln gerne her-
Dritter Theil. M vor
yo ZA, H. „So
vor (S. Pl. 16) Im Frühjahr. Zieht er nach Astrachan und wohl
auch weiter die Wolga hinauf. Viele bleiben auch beständig,
wo fiel find.
In den Schwingfedern leidet dieser Voget machmal
eine Abänderung. Die nfte und 2te ist öfters wie die dritte
innwendig lebhaft weiß, und fie haben nach ihrer Endung
zu auswendig einen länglich schmalen, kleinen, weißen und mit
einer schwarzen Spitze versehenen Flecken; die 4te, 5te und 6te
find öffers innwendig blaß weiß, die 7te, 8te und 9te von
ihrer Grundlage an bis nach der Mitte ganz weiß und mit et-
ner weißen Spitze versehen; dahingegen die übrige bei ihrem
Anfang kaum weiß sind, und entweder gar keine weiße Spitze,
oder ohnweit derselben nur einen oder den andern undeutli-
chen weißen Flecken haben.
Das zweite Beispiel einer besonderen Schnepfe nehme
ich aus dem Geschlecht des Scolopar, dem ich den Nahmen
gegeben habe
Scolopax obfura
Länge des Vogels von der äußersten Spitze des SRT
* - - -
Schnabels bis zum Ende des Schwanzes. –|0. 11. 6.
– – bis zum Ende der Füße. − –| 1. |3.|1.
- − des Schnabels an dem Anfang der
Stirn gemeßen. 0. | 1. |7.
– – bei den Schläfen gemeßen. – - -
– – der Naslöcher. − -_. –
Breite derselben.
Abstand. – – – – – –
– – von den Augen. – – –
Länge der Augen. -
Breite derselben.
Abstand zwischen denselben. – – –
– – von den Ohren. – – –
Länge der Ohren.
Breite derselben. – – – – – – – O, O. 2, - - -
Abstand zwischen denselben. – – – o. 0. 7. –
Abstand von der Grundlage des Schnabels bis | | –
zur Biegung des Ellenbogens. – – – 'o. 5. o.– |
SR : „Ho 9
S. Z. 1.
= – ' f Flügel. - - - - O. I.
än des opfs» - - – – – –0. |1
Länge des des Halses. - O- I. |3.
– – des Rücken.
- - – – – – 0. 3.
mfang des Kopfs. – – – – –0, 2.
umf so des Halses unterhalb des Kopfs. – • Io
– – ohnweit der Brust. – – –0.. 2.
– – des ganzen Leibes. – – – –0. 1. 3.
Breite des Schwanzes. – – – – –0. 2. 3.
Länge der Schenkelbeine. – – – – 0. 1. 8.
– – des mittleren Zehen. – – –0. |1. 8.
– – feines Nagels. – – – – o. |1. 5.
– – des innern Zehen. – – – –o, o.
S.
– – feines Nagels. – – – – o. . .
– – des äußern Zehen. – – –o. a. F.
– – feines Nagels. – – – –... . 4.
– – des hintern Zehen. – – –, o. 6.
- - feines Nagels. – – – –e. 0. 3.
- Der Schnabel dieses Vogels ist purpurfarben, der
Gestalt nach rundlich, und meßerförmig. Seine Länge übertrifft
die Länge des Kopfs. Der Kopf ist länglich, mit dem Hals
gleichwinkelich, und satt aschgrau; die Federn find in der Mit-
te dunkelgrau, einige okerfarbene laufen mit unter, oder viel-
mehr es giebt welche aschgrau dabei, die kastanienfarbene Spißen
und Ränder haben. Die Zunge hat eine ähnliche Gestalt,
wie bei dem vorigen Vogel. Der vordere Hals gleicht dem
Kopf vollkommen, der untere aber so, wie der Rücken fehen ganz
schwarz aus, und die Federn sind alle castanienfarben und aus
gezaft. Der Hals ist ungemein verlängert, und hat eine nur
sehr mäßige Dike; das Uropygium ist von der Farbe des
Rückens, der ganze untere Leib aschgrau, und die Federn an
den hintern Theilen desselben dunkelgelb. Die Gegend um den
Affer und die Schenkelbein-Federn fallen von der dunkel,
grauen in eine erhöhte castanienfarbe. Die Gegend unter den
M 2 Flügeln
92 «A, - „F-
Flügeln ist schwarz, mit untermischten weißen und gelben Fe-
dern, die Augen Gegend weiß, der Regenbogen fafranfarben,
und der Stern blaulich. Die Füße sind verlängert, nach hin-
ten zu gebogen, fleischfarben, und vielfach in die Quere einge-
schnitten; die vier Zehen haben eine ähnliche Farbe; der mitt-
iere ist der größte, der innere größer als der äußere, und diese
beyde mit dem mittleren vermittelt einer kurzen fleischfarbenen
Haut verbunden. Die Nägel sind bloß, und unter denselben der
hinterste der kleinste. Schwingfedern hat dieser Vogel an der
Zahl achtzehen : sie sind dunkelgrau und klein. Ihre Deck-
federn sind castaniengelb, in der Mitte dunkelschwarz und an
ihrer Grundlage spielen die weiße, die aschgraue, und dunkle
schwärzliche Farbe unter einander. -
Der Schwanz besteht aus zwölf ganz kurzen, schwärz-
lichen Regierfedern , davon einige castanienfarbeen Endungen
aben. -
h Das Weibchen unterscheidet sich darinnen, daß es matei-
fens etwas kleiner ist, als das Männchen, und daß es noch we-
niger lebhaft aussieht.
Der Vogel hält sich beständig an dem Gestade des Kas-
pischen Meers auf, und ist auf der 17ten Platte in seiner na-
türlichen Größe vorgestellt.
Der Phönicopterus ist an den westlichen Ufern der
Kaspischen See ein seltener Vogel, oder vielmehr, er erscheint
da selbst selten, wann er aber erscheint, so kommt er in großer
Menge, allemal von der ostlichen Seite des Meers, mit einem
Nord-Ost-Wind, der ein regnerisches Wetter und Schneegestöber
verursacht. Er fliegt Heerdenweise herbey, gerade, als wann
er eine Retirade suchen wollte, und dieses trägt sich gemeinig-
lich in den Monathen October und November zu. Sobald
der Wind füdlich, westlich, oder nordlich, und nordwestlich wird,
ist keine Spur mehr von ihm vorhanden. Die Ruffen nennen
ihn wegen der Aehnlichkeit, die er mit einer Gans hat, kpacho
1ych , oder rote Gans. Wann er ganz jung ist, so ist er un-
ten ganz weiß, und auf dem obern Theil seines Leibes weißgrau-
lich; nach einen und nach zwei Jahren wird er glänzend roth,
die grössere Schwingfedern bleiben beständig schwarz, und find
an ihrer Grundlage weiß Sonsten haben die Ornithologisten
die Natur und die Oekonomie dieses Vogels so vollständig
VOT-
A, H. „F- 9
vorgetragen, und solche gute Abbildung von demselben geliefert,
daß ich der Mühe überhoben bin, ein mehreres von ihm all-
hier zu erwähnen-
* “ Ein anderer Vogel aus der Ordnung der Hühner er-
scheint auch nur bei einem sich einstellenden Schneegestöber, Er
kommt nicht von Ferne, sondern aus dem benachbarten Gebürge,
allwo er sich in dicken Wäldern auf den Bäumen aufhält, und
diese seine Wohnung niemalen verläßt, er werde dann durch
eine solche Witterung dazu genöthiger. Ich rechne ihn zu dem
Geschlecht der Feldhüner, ohngeachtet sein Schwanz Fasanen mäs-
sig aussieht. Vermuthlich ist er den Naturalisten noch unbe-
kannt. --
Das langfhvinzige, oder das mit einem spitzigen
Schwanz versehene Wald-Huhn.
Tetrao caudacutus.
(S. Pl. 18)
Länge von dem äußersten Schnabel bis zur En. SZ...]
dung des Schwanzes – – – – * * |7“T
– – bis zu der Endung der Zehen. − º "T
– – des Schnabels an der Stirne gemessen. º | º |“T
– – an den Schläfen gemeßen. – – º | º |7“ –
– – der Naslöcher. – – – – º | º |3
Breite derselben. – – – – – – – º | *** -
Abstand. – – – – – – – - º | º |“ –
– – von den Augen. – – – Tº | º |“|_
Sänge der Augen. – – – – – – º | º |“ –
Breite derselben. – O. | O. |3 |_
Abstand. – – – – – – – º | º |“ –
– – von den Ohren. – – – – 9. | º |3 –
Länge der Ohren. – – – – – – 9. | º |+-
Breite derselben. – – – – – – 9. | º |* –
TAbstand – – – – – – – 0. ots-
Länge des Kopfs. – – – – – – – 1.2. –
– – des Halses. – – – – – o. | 3-9--
– – des Rückens. - |
M 3 Schwan
94 - -A, - „ze
– – Schwanzes. – – – – –
Umfang des Kopfs. – – – – – „_
– – Halses unter dem Kopf – – –
– – ohnweit der Brust. – – –
Umfang des ganzen Leibs. – – – –
Abstand der ausgespannten Flügel. – –
– – des Schnabels von der Biegung des
Ellenbogen.
Länge der Schenkelbeine. – – – – –
– – Schienbeine. --
– – des vordern Zehen. − –
– – feines Nagels. – – –
- – desinnern Zehen. – – –
– – feines Nagels. – – –
– – des äufern Zehen. – – –
- – feines Nagels. – – –
- − des hintern Zehen. – – –
* – feines Nagels. – – – – –
=
Die Alchata, oder die Flacotona der Schriftsteller,
welche bei dem Herrn von Linne die eilfe Gattung seiner Reb-
hüner ausmacht, kenne ich nicht: es scheint aber, es müße der-
selbige Vogel eine große Aehnlichkeit mit demjenigen haben, von
dem ich anjezo zu reden gedenke.
Das langschwänzigte Waldhun hat einen kegelförmigen,
gekrümmten, und blaßfleischfarbnen Schnabel , defen obere
ZKinnlade etwas größer, als die untere ist. Seine Zunge ist
kurz, lanzenförmig, an ihrer Grundlage mit Warzen befizt,
- und endiget sich mit einer ganzen Spitze. Die Naslöcher be-
finden sich an dem untersten Theil des obern Kiefers. Sie
find eiförmig schief, und gänzlich mit Federn bedeckt
„Die Zeugenbraune sind zwar bloß, aber kaum merklich
"sig, der Regenbogen ist blanlich, und der Stern schwarz.
Der Kopf ist ablänglich, und mit kastanienfarbenen, an
ihrer Spitze aber mit schwarzen Federn bedeckt. Die Seitentheile
des Kopfs, die Gegend ober- und unterhalb der Augen sind
lebhaffer kastanienfarben, bey jener mischt sich etwas weisses
mit
•A, - „Hie 95
mit unter, bei dieser werden die Federn von ihrer Mitte an
schwarz- -
Der obere Hals prangt vorwärts mit Federn, welche
von kastaniengelben ins weißliche fallen, und in der Mitte
schwarz find; hinwärts wird derselbe aschgrau, uud mit schwar-
zen Querbanden versehen: gleichwohl gibt es auch Federn dar.
unter, die unbefleckt aschfarben aussehen, davon einige in die
grünlicht-gelbe Farbe spielen.
Der Rücken hat beinahe einerlei Aussicht mit dem
Hals; nur find eine Federn mehr gelb, die schwarze Quer-
bande an denselben find fektener, besonders nach hinten zu; alle
' endigen sich nichts destoweniger mit einer schwärzlichen
pitze.
Das Ukropygium ist mit wechselsweilen schwarzen und
gelben Querbanden geziert. Der untere Kopfweiß, und schwärz-
lich gesprengt. Der untere Hals vorwärts vom grünnen ins-
gelbe, und die meiste Federn sind an der Mitte und Spitze
mit schwarzen Flecken bezeichnet: dann folgt ein schwarzes Hals-
band, auf welches sogleich der Hals eine schöne Kastanienfarbe
annimmt, die Brust solche beybehält, und sich mit einem an-
dern schwarzen gedoppelten Band endiger. -
Der Bauch, die Gegend unter den Flügeln, die Schen-
kelbein-Federn sind weiß: die Gegend um den Affer ist zwar
auch weiß, aber an ihrer Grundlage befinden sich schwarze
Querbände, zwischen welchen ein gelblicher Raum nachbleibt."
Sechs und zwanzig Schwingfedern erstrecken sich bis
zum Anfang des Schwanzes; die erfte zehen find aschfarben,
und an ihrer innern Seite bis zur Spitze in der Schiefe weiß;
die eilfe bis zur sechszehenten find fchwarz, innwendig mit
einem weißen schiefen und breiten Flecken versehen, auswendig
aber gegen die Spitze zu, und an derselben selbsten weiß; die
17te bis zur 19ten sind auswendig dunkel schwärzlich und haben
einen weißen Rand gegen der Endung zu, innwendig sind fie
weiß, und gegen die Spitze führen sie einen dunkel schwärzlich
schiefen Flecken; die zwanzigste und ein und zwanzigste find
von auffen dunkel aschfarben, und ihr Rand wird an der Spi-
ze weiß; innwendig sind sie auch weiß, und bekommen bey
ihrer Endigung einen länglich dunkel aschgrauen Flecken, '
- 226
96 «A, - „se
22ste ist ganz aschgrau, und nur innen und an der Spiße ek-
was weiß, die 23 und 24ste sind von auffen gelbaschgrau, und
an der Grundlage mischt sich etwas kastanienfarbenes mit unter,
innwendig find sie unterhalb aschgrau, gegen die Spitze zu aber
gesellt sich das aschgraue zu dem kastaniengelben ; die 25ste ist
äußerlich grün mit etwas aschgrauem vermischt, und innwendig
ganz aschgrau ; die 26ste wird wie die bei kommende falschen
federn mit schwarzen und gelben Querbänden ausgeziert.
Die auferliche Deckfedern sind unbefleckt aschgrau, die
mittlere Zimmerfarben, von außen an ihrer Grundlage weiß,
und mit einem weißen Streiffen an dem Rand bezeichnet, von
innen fallen sie vom weißen ins aschgraue; die entferntere sind
grünlichtgelb mit schwarzen Spitzen. Die Federn, welche die
Biegung des Ellenbogen ausmachen, sehen dunkel aschfarben
QU3 und unter dem aschfarbnen leuchtet auch etwas gelbes mit
durch. -
Der Schwanz gänzlich rund, und besteht aus sechs-
zehn Regierfedern, davon die sechs äußerste auf beiden fei-
ten aschfarben sind, äußerlich gelbe Flecken und weiße Spitzen
haben; die zwey mittlere find ungemein lang, sehr spizig, an ihrer
Grundlage mit wechselsweise geordneten schwarzen und röhlichen
Querbänden versehen, in der Mitte grünlichtgelb und an ihrem
verlängerten Theil schwarz dahingegen die auf beiden Sei-
ten darauf aschgrau, an ihren beiden Kanten kastaniengelb ge-
sprengt, an ihrer Spitze weiß, fonsten gleichfalls verlängert, je-
doch solches weit weniger als die zwo mittlere. Es hat
aber mit diesem verlängerten Schwanz in Betracht aller Federn
aus denen solcher besteht, noch eine andere Bewandnis. Die
allerlängste mittlere übertrifft ihre gleichfalls sehr lange Be-
nachbarte noch um einem halben Zoll in der Größe, und die
dreyfammt einer Linie, die beide ihro folgende haben ohngefehr
eine gleiche Länge, die erste von den äußern sind schon kleiner,
als diese, die den ersten am nächsten kleiner, dann die erste, bis
endlich die allerletzte eine gleiche Größe bekommen, alle aber,
indem sie sich ausbreiten, einen runden Schwanz bilden. Die
Deckfedern, die Regierfedern sind wie das Uropygiun gefärbt.
Die Füße sind vorwärts wollicht, die drey vordere Zehen ver-
mittelt einer sie vereinigenden Haut mit einander verbunden,
und
z, H. As- 97
und mit schwärzlichen Nägeln versehen: der hintere aber so klein,
daß er fast nur den Nahmen eines Sporns verdienet.
Das Weibchen dieses Vogels erscheinet in einer an."
dern Gestalt. Vors erste befizt solches keinen verlängerten
Schwanz, aber die Regierfedern belaufen sich manchmal an
der Anzahl bis auf zwanzig; die zwo mittlere find kaum um
ein merkliches länger, als die übrige; die Natur hat sie alle,
insgesammt mit schwarzen und gelben Querbänden versehen. Der
untere Kopf ist weiß, ohne eine mit untermischte Schwärze. Der
obere Hals, der Rücken und das Uropygium prangen mit
weißen, ins kastaniengelbe fallenden, schwarzen und ganz gelben
Querbänden; der untere Hals ist schön kastaniengelbe, besonders
vorwärts, und die Federn sind schwarz ausgezakt. Die Brust
ist weniger kastaniengelbe, und die Federn schwarz gewäßert
oder gestreiff. Kein Halsband ist vorhanden. Die Bie-
ung des Ellenbogens wird mit weißen und kastaniengelben
#" ausgeziert. Bei den Deckfedern der Schwingfe-
dern befindet sich dieser Unterschied, daß die äußersten aschgrau
sind, und sich mit einer weißen Spitze endigen, daß sich statt
der mittleren Zimmet farbnen, theils aschgraue und gelbe
einfinden , und jene einen äusern schwarzen Rand haben, diese
hingegen in ihrer Mitte schwarz gewäffert sind, mit einigen sehr
wenigen untermischten würklich Kamelfarbnen, welche schwarz
auslauffen, und daß endlich diejenige, welchr dem Leib am
nächsten sind, mit der sogenannten ala notha die Farbe des
Leibs haben, nemlich daß sie mit schwarzen und gelben Quer-
bände ausgemalt werden.
Es nistent dieser Vogel im Frühling und legt häufige
Eyer. Das Persif the Huhn (Tetrao rufus) hält sich das gan-
ze Jahr hindurch in den benachbarten Wäldern auf, und zieht
nicht. Der Fasan ist eben so gemein, und bleibt auch befän-
dig. Der Francolin des Tourneforts läßt sich nur sehr selten
ehen.
feh Von kleinen Vögeln giebt es eine auffrordentlich gros-
fe Menge. Die allermeisten Europäischen sind vorhanden, und
viele diesem Himmelsstrich eigene. Aber nur überaus wenige
find Zug-Vögel, dann ich bemerkte sie fast insgesammt zu
allen Jahres-Zeiten in gleich groffer Anzahl. Nur sieht man
fie des Sommers über in den Gebürgen häufiger. Ich kann
FDritter Theil. N mich ,
98 A, H „F
mich nicht enthalten, von den besonderen einige wenige Bey-
spiele anzuführen.
Motacilla littorea.
(S. Pl. 19. 1.)
Länge des Vogels von der äußersten Spitze des SZ. | L. |_f
Schnabels bis zum Ende des Schwanzes. –|2. | 5 |- |-
– des Vogels von der äußersten Spitze des
Schnabels bis zum Ende der Zehen. – – P. | 5 | |–
– des Schnabels an der Stern gemeffen. – 9. |o|- |-
– den Schläfen. o, | O. |6. –
– der Naslöcher. – – – – –0. | 9-11 |-
Breite derselben. – o. |0. O. | #
Abstand derselben. O, | O. II. |-
– von den Augen. – – – – –(o. |o|4 |-
Länge der Augen. - O, | O, 2. | -
Breite derselben. –o. |o.| 1. | #
Abstand. o. |O. 3. | #
– von den Ohren. O. | O, 12. |-
Länge der Ohren. - o. | O, 12, -
Breite derselben. – |o. |o.| 1. | #
Abstand. O. | O. |5. –
Länge des Kopfs. O. | O. (3.- |–
– Halfes. – O. l I. | I. –
– Rückens. – |O. | I, 2. –
– Schwanzes. - O. | 2. 12. |–
Umfang des Kopfs. - - O. | I. 2. | -
– des Halses unterhalb des Kopfs. – –o. |0 |8. |
– – ohnweit der Brust. – – O. | O. 11. |–
– des Leibes. - - O. | I. |8. –
Breite des Schwanzes. – – – – –o.|1. 5. |–
Abstand von der Grundlage der Stirn bis zur |
Biegung des Ellenbogen. – – –|0-| 1. |9. –
– der ausgespannten Flügel. – – –0. |5. 8. –
Länge der Schenkelbeine. – – – – –0. | 1. |0. –
– der Schienbeine. „O - O, IIO, |- |-
– des mittleren Zehen. – – – –0.- o. 7. |-
– feines Nagels. – – – – –o. le. 2, l.
d
e
8.
- A, S „F 99
- - STFT-
– des innern Zehen. – – – – –So. 15 -
– feines Nagels. – O. IO, |2, -
– des äußeren Zehen. – – – –. O. | 4. -
– feines Nagels. – – – – –. 0.2. –
– des hinteren Zehen. – – – –O. 10. 4.
– feines Nagels. O. (o. 15.
Der Schnabel ist einer Schuhpfrieme ähnlich; dünne,
gerad, gelblich und oberhalb etwas dunkel, die Maslöcher sind
länglich eiförmig, blos, und befinden sich an der Grundlage
des obern Kiefers. Man bemerckt an denselben auf beiden
Seiten drey Borstenförmig schwarze Barthaare, zwischen welche
fich noch einige andere kleine unmerkliche beymischen. Die Zun-
ge ist Lanzenförmig, und an ihrer Spitze ausgezackt.
Der Kopf, der obere Hals, der Rücken und das
Uropygium find dunkelgrün, die Federn nemlich find alle in
der Mitte dunkelgrau, und dieses dunkelgraue erstreckt sich bald
mehr und bald weniger in die Breite; sie endigen sich aber
alle rund um mit grünen Zacken. Der oberste Theil des
Rückens ist gesättiget aschfarben. . . "
Die Gegend um die Augen fällt von dem gelben ins
weißliche, der Stern und der Regenbogen sind dunkel schwärz-
lich.
Der untere Theil des Vogels ist weiß gelblich mit
schwarzen in die Länge lauffenden Flecken, die den Kopf, den
unterm Hals, und die vordere Brust bekleiden. -
- Der Schwingfedern sind an der Anzahl achtzehn,
welche sich fast bis auf die Mitte des Schwanzes ausdehnen.
Sie sehen dunkelschwärzlich aus, und fallen an ihrem äusern
Rand ins grüne. Die Deckfedern besitzen mit ihnen einerley
Farbe, die Rände aber sind an denselben um ein merckliches
grüner. Unten werden beyde dunkel aschgrau. - -
Zwölf gleiche, schwärzliche, mit grünen Rändern verfe-
hene Regierfedern machen den Schwanz aus. Die beyde
äußerste auf beiden Seiten find weiß, und innwendig halb weiß
und halb dunkelgrau. Ihre Deckfedern find grünlich.
Die Schenkelbein - Federu fehen weißlich aus, die
Füße und Zehen fleischfarben oder gelblich und die Nägel,
JN 2 NO0 VON
- -
100 «A, - „F-
wovon der hinterste der längste und der geradeste, fast wie bei
den Lerchen ist, find dunkelblaß. -
Der Vogel hält fich beständig am Strande, oder in
keiner allzugroßen Entfernung von demselben auf. Es scheint
daher, er nähre sich hauptsächlich von den Würmern. Sein
Gesang ist nicht unangenehm.
Metacilla longirostra.
(S. Pl. 19. N. 2.)
Der ganze Vogel ist fünf Zoll und neun Linien
lang, und nur zween Zoll zwo Linie dick. Der Schnabel
ist schwarz, ungemein verlängert, schuhpfriemen ähnlich, und ge-
rad. Er hat einen converen Rücken, und die beiden Kinnladen
find einander an Länge gleich. Die Zunge ist Lanzenförmig, an
ihrer Grundlage zwiefach gespalten, läuft schmal aus, und hat
eine ausgezakte Spitze. Die Taslöcher sind länglich, und
Linienförmig. Der Kopf, der obere Hals, der Rücken und
das Uropygium find aschgrau; die Kehle, der untere Hals,
die Brust, der Bauch, und die Gegend um den Affer schwarz
und schwärzlich.
Der Schwingfedern, welche sich bis an das Ende des
Schwanzes ausdehnen, giebt es an der Anzahl fechszehn. Sie
find schwärzlich. Die vier erstere führen an ihren innern Sei-
te zwei weiße, von einander abstehende, eiförmige Flecken,
und die fünfte ist mit einem ähnlichen kleineren gegen die
Mitte zu versehen; alle aber find von ihrer Grundlage an bis
über die Mitte Purpurfarben, und die Biegung des Ellenbogens
ist mit gleichen Federn besetzt.
Der Schwanz besteht aus zwölf gleichen, dunkel schwar-
zen Regierfedern, davon sich die zwei äußerste auf beiden Sei-
ten mit einer deutlich merklichen, die übrige aber mit einer
nicht so sichtlichen weißen Spitze endigen.
Die Füße und die Zehen sind schwarz.
Die Persianer nennen den Vogel Rapischkin, und er
hält sich meistentheils nur auf den Gebürgen auf M
0e
«A, „Fo - LO
Mottacilla Ochruros.
(S. Pl. 19. N. 3.) -
Dieser Vogel ist fast von gleicher Größe und Länge
mit dem vorhergehenden. Er hat einen ähnlichen Schnabel,
der aber nur fünf Linien lang ist. Seine Maslöcher sind blos
und eiförmig. Der Kopf ist aschgrau, die Stirne aber und
die Schläffe schwarz. Der obere Hals und der vordere
Rücken sehen schwärzlich aus, der hintere ist aschfarben, und
das Uropygium castaniengelb. Die ZKehle, der untere Hals
und die Brust find glänzend schwarz, der Bauch und die Ge-
F" um den Affer gelb. Die Augen befinden sich an den
: des Kopfs , und haben eine bloß bläulichte
("3 (2.
Achtzehn Schwingfedern, mit welchen die Natur die-
fen Vogel versehen hat, erstrecken sich über die Helfe des Schwan-
zes; fie find dunkel schwärzlich, innwendig und einige auch an
der Spitze weiß. Die Deckfedern sind schwarz, und die äufer-
ften haben eine aschgraue Endung.
Der Schwanz ist Rund, und besteht aus zwölf gle-
chen gelben Regierfedern, davon die zwo mittlern dunkelgrau
find. Die Füße und Zehen haben eine schwarzfarbe.
Das Weibchen unterschiedet sich von dem Männchen
darinnen, daß sein oberer sowohl als ein unterer Leib mehr,
ins graue fällt.
Auch dieser Vogel ist ein Einwohner der Perfischen Ge-
bürge, und wird in der Landes-Sprache Affeulis genannt.
Ist er nicht etwan Motacilla phoenicurus, Linn?
Die gelbe Meise.
( Parus Iuteus.)
(S. Pl. 20. N. 1.)
Länge des Vogels von der äußersten Spitze des S.Z. L. E -
Schnabels bis zum Ende des Schwanzes.0. 5. 10. –
– – bis zum Ende der Zehen. – –0. 5. 4. –
- des Schnabels an der Stierne gemeffen.o. 9. 5. - |
Länge des Schnabels an den Schläfen. – – 0. 10. 7. –
IN 3 VON
TO2 •z“, „F-
– von dem hintern Winkel der Naslöcher SZ-LL.
bis zu dem vordern der Augen. – – B. 9. 4.
–
– der Augen. – O, O, 2. |-
Breite derselben. - ––| o. 0. | 1. | #
Länge des Kopfs. – – – – –| 0.0.9. | #
– des Halses. – - o. 0. 8. | #
– des Rückens. – – – – – – 0, 1. 7. –
– des Schwanzes. – – – – –| 0. 2. 3. |–
Umfang des Kopfs. – – – – –| 0.1. g. |–
– des Halses. - o. 1. 3. |-
– des Leibes. O. 3. 2. | –
Abstand von der Stirne bis zur Biegung des
Ellenbogens. O. |2, O.
- der ausgespannten Flügel. – – –| 0.4 %.
Länge der Schenkelbeine. – – – –|o...
– der Schienbeine. – – – – –|o. lo. o.
– des vordern Zehen. – – – – o. 0.7.
– feines Nagels. – – – – –| o |o. 3-
– des innern Zehen. – – – – –| 0.0.
– feines Nagels.
– des äußeren Zehen. – – – –
- feines Nagels. – – – – – –
– des hintern Zehen. – – – –
– feines Nagels.
" |3.
• |S.
• 12.
• S.
• |4.
Der Schnabel ist schuhpfriemen förmig, gerade, spitzig
und schwarz; die Zunge länglich Lanzenförmig, bei ihrem An-
fang gespalten, und bei ihrem Ende in Borsten geheilt. Zwi-
fchen den Maslöchern bemerkt man eine erhöhte Furche. Der
Kopf ist vorne gelb, hinten fällt er vom gelben“ ins Olivenfarb-
ne. Die Augenlieder sind blos, blaulich, in der Mitte und an
Der : mit vielen gelblichen Federn besetzt. Der Regenbo-
gen ist, dunkelgrau, und der Stern schwarz. Der obere Hals,
der Rücken, und die Deckfedern des Schwanzes find Olli-
wenfarben, ohngeachtet alle Federn bis über ihre Hälfte schwärz-
lich aussehen. Der ganze untere Vogel ist gelb, mit den Fe-
dern aber hat es eben die Beschaffenheit, wie eben gemeldet worden.
- Der
•A, H „F- roy
- - - - - - - - - - -
Der Schwingfedern find an der Zahl 13. die
sich kaum über den Anfang des Schwanzes erfirecken, und
dunkelgrau sind. Die 1ste bis zur 13ten sehen an der hintern
Seite unten weiß oder weißlich aus, die 14te und 15te
haben auch an der vordern Seite einen weißen Rand, die
16te bis zur 18ten sind mehr dunkel, auswendig gelb, und inn-
wendig unbefleckt.
Die Deckfedern von der ersten Ordnung sind dunkel,
grau, an der Spitze und von vornen weißlich; die von der
zweiten find noch mehr grau, und haben gelbliche Endungen,
und die von der dritten führen die Farbe des Leibes.
Der Schwanz besteht aus zwölf gleich schwarzen Regier-
federn, davon die zwo äußerste weiß, und an der innern Seite
mit einem verlängerten schibarzen Flecken versehen sind. Die
Füße, die Zehen und die UNägel fehen schwarz aus; der hin.
tere ist mehr gebogen , und ist fast van der Länge der
Zehen,
h Das Weibchen unterscheidet sich darinnen, daß sein Kopf,
fein oberer und vorderer Hals eine aschgraue Farbe hat, daß
es hinter den Schläfen mit einem weißen länglichen Band, wel-
ches auch die Gegend ober - und unterhalb den Augen umgibt,
versehen ist, daß der Rücken aus dem grauen ins Olivenfarbene
fällt, daß das Kinn weiß ist, und daß endlich der Vogel an dem
untern Theil seines Leibes nicht so lebhaft gelb aussieht, als das
Männchen. Jedoch dieses letztere Kenzeichen ist so beständig
nicht, daun ich habe auch viele Beyspiele gesehen, wo das
Weibchen dem Männchen in Ansehung der vollkommensten
Pomeranzenfarbe im geringsten nichts nachgab.
Dieser Vogel ist der einzige unter den kleinen, deren
ich gedenke, der da zieht, und sich mit den ersten Frühling nach
Astrachan Heerden weise auf macht allwo er aber nicht nistet,
fondern sich über die Wolga nach Rußland begibt, dafelbst der
Liebe pflegt, in dem Herbst nach den Ufern der Kaspischen
See zurück kommt, und sich hauptsächlich von Saamen nährt,
dabey aber auch kleine Infecten nicht verachtet.
Die Abbildung ist nach dem Weibchen besorgt worden.
Die
-
104 «A, + „F-
Die Kaspische Meise,
(Parus Capicus.)
(S. Pl. 20. N. 2.)
Sie ist etwas größer, als die geschwänzte Meile, und
derselben an Dicke gleich. Der Kopf, der obere Hals und der
Rücken sind aschgrau, mit etwas gelben untermischt, der untere
Hals ist vornen weiß, und hinten schön Safran farben, gleich
wie die Brust, der Bauch, die Gegend unter den Flügeln, die
Schenkelbein-Federn und das Crißum. Das Uropygtum
ist gleichfalls gelb. Die Augenlieder find weiß. Hinter
den Augen befindet sich ein kleiner weißer Flecken. Der Augen-
Regenbogen und der Stern find schwarz. '-
Die Schwingfedern find dunkel schwärzlich, die kleine-
re innwendig an ihrer Grundlage, und von den letztern welche
auf beiden Seiten weiß. Die letzte falsche hat die Größe der
erfern, ist schwarz, äußerlich nach ihrer Spitze zu mit einem
weißen länglichen, schmalen Flecken bezeichnet, und innwendig
bey ihrer Grundlage mit einem andern breiteren versehen. Die
Deckfedern führen mit den Schwingfedern einerley Farbe.
Der Schwanz ist viel größer, als der Leib, fast vier
Zoll lang, da jener kaum anderthalb beträgt, Er besteht aus
zwölf gleichen, beweglichen Regierfedern, davon die äußerste auf
beiden Seiten ganz weiß ist, und die beyden darauf folgenden
eine ähnliche Farbe, zugleich aber auch einen schwarzen Rand
an ihrer vordern Seite haben, der bald mehr, und bald we-
niger breit ist, dahingegen solcher bei einigen von den mit-
leren gelb aussieht. Die Deckfedern des Schwanzes sind
schön Orange, und die Füße fleischfarben.
Dieser Vogel ist bey Enzeli häufig vorhanden. Er
hält sich bei den Häusern, auf den Straßen, und am Srtande
Heerden weise auf, daß man mit einem Schuß öfters zehen
und mehrere bekommt: er ernährt sich hauptsächlich von Saa-
INNEN.
Die
- 2. H. „Fs
105
-)1
Die gesprengte Meise,
( Parus Varietagus.)
(S. Pl. 20. N. 3.)
Länge des Vogels von der äußersten Spitze des S ZIL
Schnabels bis zum Ende des Schwanzes.
– bis zum Ausgang der Zehen. – –
– des Schnabels an der Stirne gemeffen.
– der Schläffen. – – – – –
– der Naslöcher. – – – – –
Breite der Naslöcher. – – – – – –
Ah and. - - - - - - * - - - -
– von dem hintern Winkel der Naslöcher
bis zum vordern der Augen. –
Länge der Augen. – – – – –
Breite. – – – – – – –
Abstand. – – – – – – –
– – von den Ohren. – – – –
Länge der Ohren. – – – – –
Breite. – – – – – – –
Abstand. – – – – – – – – – – – – –
Länge des Kopfs. – – – – – – – – – –
Länge des Halses. –– – – – – – – –
– des Rückens. – – – – – – – – – –
– des Schwanzes. – – – – – – –
Umfang des Kopfs. –– – – – – – – –
-- des Halses unterhalb. – – – – – –
-- ohnweit der Brust. – – – – – –
– des Leibes. – – – – – –
Abstand der Stirne von der Biegung des Ellen-
bogens. – – – – – – –
– der ausgespannten Flügel. – – –
Länge der Schenkelbeine. – – – –
– der Schienbeine. – – – – –
– des vordern mittleren Zehen. – –
– feines Nagels. – – – – –
– des innern Zehen. – – – –
- Dritter Theil. O
O.
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O.
O.
S.
S.
O.
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O.
O.
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O.
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O.
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Ioß «A, P. „Am
– feines Nagels.
– des äußern Zehen. – – – –
– feines Nagels. – – – – – –
– des hintern Zehen. -- – – – ––0.
– feines Nagels. – – – – – –
Der Schnabel ist rundlich, Schuhpfriemen ähnlich, und
fchwarz; die obere Kinnlade ragt mit ihrem zugespizten Rand
etwas über die untere hervor. Die Naslöcher sind rund,
und mit Federn besetzt, welche von der Stirn auslauffen. Die
Zunge ist Lanzenförmig, an ihrer Grundlage zweifach gespalten,
und daselbst auf beiden Seiten ausgezähnt, auch hat sie eine
zerrißene Spitze. -
Der ZKopf, der obere Hals und der Rücken werden
mit schwarzen, rings um röthlich ausgezakten Federn bedeckt,
besonders am Kopf, der davon fast ganz roth ausfieht. Das
Uropygium ist halb weiß und halb Kastaniengelb. Die Kehle
fchwarz mit Federn, welche gelbe Endungen haben, der Bauch
weiß, die Gegend um die Augen und der Stern schwarz, die
Augenlieder hingegen blaulich, der Regenbogen Stahlfarben,
und die Schenkelbein-Federn weiß.
Der Schwingfedern gibt es an der Anzahl achtzehn;
fie find dunkelgrau, und dehnen sich bis auf die Hälfte des
Schwanzes aus. Die erstere ist kleiner, als die übrige, alle
find an ihrer innwendigen Seite, und einige auch an der Spit-
ze weiß, die leztere aber haben gelbe Endungen, und einen
äusern gelben Rand. Die nächste Deckfedern find schwarz,
mit weißen und Kastaniengelben Rändern, die entfernte werden
weiß bekleidet.
Der Schwanz ist aus zwölf gleichen Regierfedern zu-
fammen gesetzt, die im Anfang weiß, dann schwarz, an ihrer
Spitze aber und Seitentheilen Okerfarben find.
Die Schenkelbeine sind ganz befedert. Die Ohren
find kurz und rund, die Füße, Zehen und Nägel schwarz,
erstere haben keine Quereinschnitte, und von den leztern ist
der hintere ungemein gekrümmt, und hat einerley Länge mit feinen
Zehen.
- „Die
A, - „Fa. - 107
Die vordere Schwingfedern sehen unten weiß alsch,
grau aus; die hintere behalten ihre Schwärze bey, nur sind
die Mündungen an den meisten Federn weiß.
Dieser Vogel ist mir von Schamachie aus überall
vorgekommen, man trifft ihn bald allein und bald in Gesell-
fchaft an. Ich entschuldige mich, daß ich ihn unter die Mei-
fen gerechnet habe; dann ich weiß wohl, daß fein Schnabel
eine andere, als bey diesem Geschlecht gewöhnliche Gestalt hat.
Indeffen kommt er vermöge seiner Oeconomie mit den Meisen
überein, und der Karacter eines andern Geschlechts paßt nicht
beffer auf denselben.
Unsere Hausschwalben find hier in äußerster Menge.
Sie heiffen auf Perfisch Parastuk, auf Türkisch Garindschu,
und auf Armenisch Zchernik. In der Gilanischen Landsprache
nennt man fie. Hadfhi Hadfcho, wovon folgende Ursache ange-
geben wird. Sie ziehen von dem Nordlichen Persien Süd-
westlich nach der heiligen Stadt Mecca, wo Mahumeds Grab
befindlich ist. Diß ist aber der Ort, wo die Perser Hadschier
werden. Bei dem zweiten Zug endigen fiel daselbst ihr Leben,
und sollen ihrer eine so grosse Menge auf den Feldern und
Straffen liegen, daß man sich ihrer statt einer brennbaren Ma-
terie zum Brennen bedient.
Das gehaubte Stachelschwein.
Hytrix ( cristata) palmis tetradactylis, plantis pen-
tadactylis capite critate, cauda abbreuiata, I in Syst. Nat 1.
p. $. 6. n. 1. hält sich hier häufig auf. Es lebt in Höhlen, wie
die meisten Mäuse: diese Höhlen verfertiget es aber auf eine un-
gemein listige Art. Es gräbt erftlich solche sehr tief, sowohl
in die Queer, als in die Länge, und sehr oft in einer spiral-
förmigen Richtung. Der kleinern Gruben aber, welche eine
große im ganzen ausmachen, sind so viel, daß, wann sie in
einer geraden Linie gebauet wären, ein Spatium einer halben
Werft vielleicht nicht zu gros angegeben feyn sollte, um ihren
Diameter zu bestimmen. In diesen unterirdischen Wohnungen
fucht fich dieses Thier vor seinen Feinden zu verbergen, und,
wann es eine Gefahr bemerkt, so begibt es sich in die entle-
gente, um vor feine Schritt, zu sorgen. Es wohnen
2, ey
103 «A, H „se
Der Citro-
Mal,
bey einander, und sie nehmen auch die Dachse, als Gesellschaf-
ter, gerne zu sich auf, welche sogar in denselben ihre Junge werf-
fen. Die Gruben haben nur eine einzige Oefnung, die zum Ein-
gang dienet. Gibt man sich die Mühe, dieselbe aufzuschürfen,
wie es dann kein anderes Mittel giebt, dieser Thiere habhafft
zu werden, als dieses, so hat man zu dieser Arbeit manchmal
einen Tag nöthig, bis man zu seinem Endzweck gelangt. Kommt
das Stachelschwein zum Vorschein, so versucht es noch fein äu-
ferstes, um sich zu retten. Es zwingt sich, wie der Igel, in
einen Knopf zusammen, und dehnet seine Stacheln so gewaltig
aus, als wann es im Sinn hätte , sich ihrer statt Pfeile zu
bedienen. Einige behaupten auch würklich im Ernst, es werfe
solche von sich, allein diß ist wider meine Erfahrung; ich ha-
be nichts anders gesehen, als daß es solche in die Höhe hebt,
wie ein erzürnter Hahn sein Kamm, und die Zergliederung
hat mich gelehrt, daß es dieses vermittelt musculöser Fasern
veranstalte, die sich unmittelbar unter seiner Haut befinden, und
ein patisma Myoidis vorstellen. Ist man seiner endlich habhaft
worden, so ist es fast unmöglich, es in Zaum zu halten,
geschweige, daß man es zahm machen könnte. Es durchbohrt
nach und nach die Kasten, worin man es zu verwahren sucht,
verschwindet unversehens, und ist wieder in feiner Freiheit, ohner-
achtet man ihm die Nahrung mit aller erfinlichen Sorgfalt
gereicht. Diese besteht in Kohl, in Früchten, in allerley Blättern
und Wurzeln; vornehmlich liebt es den Buxbaum, und seine
Höhlen sind in Buxbaumwäldern am häufigsten anzutreffen.
Es wirft zu Ausgang des Merzen, oder zu Anfang
des Aprils zwei, drei und vier Jungen: die Naturalisten aber
haben von ihm so ausführlich geschrieben, daß ich an die Stelle
einer weitläufigen Beschreibung diesem Tagebuch nur eine
deutliche Abbildung desselben einverleibe. (S. Pl. 21.)
Der Citronat ist eine in unserer Haushaltung bekannte
Frucht aber noch bis hieher haben wir keine gute Kenntniß
von einer natürlichen Geschichte. Hier traf ich ihn in seinem
Vaterlande an, es fey, daß er würklich als einheimisch zu
betrachten ist , oder, daß er solches durch die Länge der
Zeit geworden: dann ein Anbau macht den Innwohnern keine
andere
2. „F- 109
andere Mühe, als die Cultur der Aepfeln und Birnen in Deutsch-
land. Er liebt besonders den Sand zu seinem Auffenthalt,
und da der Boden zu Einzelli aus nichts, als Sand besteht,
fo ist in ganz Gilan kein Ort, wo er häufiger anzutreffen wä-
ren, ja hier ist er ganz verwildert, und an das fandigte Gestade
der Kaspischen See so gewöhnt, daß man nicht einmal nöthig .
hat, ihn des Winters über zu verbinden. Der Baum erreicht
eine ziemliche Größe, und wird sehr ältig, die Aeste aber dehnen
sich in die Breite aus. Der Stamm erlangt eine Manns-
dicke, und darüber. Die Blätter haben die Gestalt , den Ge-
schmack und die Größe der Citronen- Blätter, sie sind aber
auf beiden Seiten eingekerbt und wechselsweise geordnet. Sie
werden mit keinem besondren merklichen Stiel versehen, zwischen
denselben aber und dem Stengel befinden sich einzelne, gerade,
Schuhpfriemen förmige, ungemein zugespitze, und daher empfind-
lich stechende Stacheln von verschiedener Größe. Die Blumen
kommen entweder gleichfalls aus den Achseln der Blätter mit
den Stacheln hervor, oder sie endigen die Zweige. Ihre Farbe
ist weiß, oder weißröhlich, und sie verhalten sich vollkommen nach
den Kennzeichen des Limonen-Geschlechts. Die Frucht hat eine
längliche Gestalt, ist von einer schönen gelben Farbe und aus-
nehmendem Geruch, von außen sehr ungleich, in Betracht vieler
auf ihrer Oberfläche merklichen Furchen, Vertiefungen, und Ex-
höhungen; ihre Rinde besitzt eine beträchtliche Dicke, und inn-
wendig ist sie mit einer aus lauter Bläßchen zusammen ge-
fezten Pulpa angefüllt, die aber wenig Safft in sich enthalten.
Sie wird manchmal ungemein gros, daß sie einige Pfund an
Gewicht beträgt, viele hingegen bleiben klein und der größte
Theil ist mittelmäßig. Der Bauty blüht das ganze Jahr hin-
durch, oder er trägt Früchte. Sehr oft blüht er, und hat zu
' Früchte, die sowohl reiff, als unreiff, sind. Ich verwundere mich
aß man ihn nicht mehr aus einander zu verpflanzen pflegt,
fondern ganze Büsche dicht neben einander wachen läßt, dann
dadurch erhält er offenbar weniger Nahrung, als er haben wür-
de, wann man ihn gehörig verflanzte. -
Die Persianer nennen die Früchte Badranken, sie ver-
fertigen davon den Citronat, den sie als ein Herz- und Magen-
färkendes Mittel ansehen. Man kann sie lange Zeit frisch er-
halten und auch verführen; jedoch in diesen letztern Fall pflegt
O 3 MQM
IIO" •, - „se
Gilanische
Schilf
Häuser.
man sie um mehrerer Sicherheit willen gemeiniglich einzufalzen.
Auf der 22ften Platte ist ein Zweig von diesem Baum, und
auf der 23sten 1. die Frucht vorgestellt. Ich glaube, die Bota-
nisten werden mir gerne zugestehen, daß der Citronat keine
Spielart der Limonen, sondern eine würklich besondere Gattung
dieses Geschlechts ausmache. -
Ich habe oben erwähnt, daß sich die Perser zu Enzelli
hauptsächlich mit ihren Kirchims und mit dem Seiden-Bau
ihr Brod verdienen; es gibt aber noch eine dritte Nahrungs-
Art, die auch einträglich ist , und welche der Schilf an die
Hand gibt. Erstlich werden aus demselben die Häuser aufge-
baut. Alle angefeßene Innwohner und alle des Handels hal-
ber ankommende Ruffen müßen Wohnungen, letztere noch über
diß Waarenlager haben; und der Gewohnheit gemäß nehmen
sie zum Schilf ihre Zuflucht. Die Hütten baut man alle
ins Viereck, und darnach werden sie auch bezahlt. Die Arbeits-
Leute meßen den Plaz, der bebaut werden soll, und laßen sich
für einen Schuh 40. bis 60. Kop. bezahlen, je nachdem zu
einer bestimmten Zeit mehr oder weniger zu thun ist. Man
bezahlt aber nur die eine Seite des Viereks, dann die übrige
drey, fammt dem Dach, find dabey schon mit eingerechnet. Auf
diese Weise kostet ein solches Haus fünfzig bis hundert Rubel, weil
es aber höchstens nur drei Jahre Dienste thun kann, dann
das regnerische Wetter in den Wintermonaten macht den Schilf
faulend, so müßen nach Verfluß dieser Zeit wieder fünfzig oder
hundert Rubel in Bereitschaft seyn, wann man wieder bedeckt
wohnen will, und auf diese Weise gehen in zwanzig Jahren 300.
oder 700. Rubel verloren, ohne daß man das geringste davor
hat, wann nicht die allzugewöhnliche Feuers-Brünste die Sum-
me noch über dem vermehrt haben. -
Die Zäune bezahlt man Faden - Weise, und zwar vor
einen, d. i. drey Rußische Ellen, 10. Kop. Waaren-Lager, Kü-
chen, u. d. gl. mit einem Dach versehene Gebäude werden wie die
Häuser bezahlt.
Es ist eine beträchtliche Summe, welche jährlich mit
diesem Schilfwerk verschwendet wird. Die Reparaturen betragen
so viel, als neue Arbeiten. Die Persianer verstehen auch die
Kunst, ihre Sachen fo zu verfertigen, daß sie bald wieder et-
was
A, - „A- III
was zu verdienen bekommen. Man rechnet einige tausend Ru-
bel, welche gewöhnlich darauf gehen; die Summe aber steigt
gemeiniglich höher.
Aus dem Schilf werden auch die berühmte Persianische Perfische
Matten verarbeitet. Man hat sie von unterschiedlicher Güte, Matten,
und wählt dazu den grünen, allerdünnsten Schilf, welcher kaum
recht zu wachsen angefangen hat. Er wird in die Sonne ge-
legt, bis er eine gelbe Farbe bekommt, nicht geschnitten, sondern
ganz auf das feinste zusammen geflochten, die beste Matten wer-
den also schwarz gefärbt, daß die schwarze und gelbe Farbe
mit einander schattierend abwechseln. Die schlechteste kosten 15 bis
20; die mittlere 30 bis 50 ; die feinste und größte 80 bis 100. Kop.
Man macht auch aus dem Schilf Körbe, Müßen, Fä-
cher und andere Dinge, welche man an andern Orten aus Stroh
zu verfertigen pflegt.
Die Perfische Innwohner zu Einzelli zahlen dem Gi-
lanischen Chan Hedaer eine jährliche Abgabe von anderthalb
tausend Rubel; eine jedwede Perfisch-Armenische Familie ent-
: ihm hundert Rubel, eine unverheiratete Person aber geht
ey aus.
In Einzelli sowohl, als in ganz Gilan überhaupt, ist
eine besondere Art zu Fischen üblich. -
Zwey Fischer setzen sich in ein ganz kleines Kirschi, Fischerey
davon der eine rudert, und der andere das Netz auswirft, in Eizelli
wie solches auch erzehlter maffen auf den Astrachanischen Wa-
taggen bey der Art von Fischen, Boganey genannt, üblich ist.
Die Netze sind von unterschiedlicher Größe, Zirkelrund, und
werden flach auf das Waßer geworffen, also daß sie sich auf
demselben nach ihrer Größe ausbreiten. Sie sind an den
Kanten mit kleinen Gewichten versehen, welche sie in die
Tiefe ziehen, an der Mitte aber ist ein Strick befindlich, vermit-
telt defen sie wieder in die Höhe gehoben werden können. Ehe
fie das Netz auswerfen, schmeißen sie kleine weiße Steine, oder
sonst etwas glänzendes ins Waßer, dann sie sagen, daß sich die
Fische nach dem glänzenden begeben. So viel nun Fische an
dem Ort vorhanden sind, wo das Netz hingeworfen wird, so
viel werden auch Fische gefangen. Der Fischer zieht den mitt-
lern Strick in die Höhe, die Gewichte an den Kanten s"
- l
II), - A, - „3-
sich zusammen und die Fische werden, wie in einem Sacke, einge
loßen. -
schloß Eine andere Art zu Fischen ist den Gilanern nicht be-
kannt. Man sollte denken, daß sie sehr leicht, und ohne alle
Schwierigkeiten fey ; aber es wird eine Uebung dazu erfodert,
die ich und andere, die mit mir zum Zeitvertreib Versuche
machten, unmöglich lernen konnten: und sie besteht darinnen, daß
man das zusammen gerollte Nez geschickt von einander zu brin-
gen, und, wann es aus einander ist, in der gehörigen Gleiche
aufs Waßer zu werffen weiß. Die Netze werden gemeiniglich
aus Zwirn gemacht, man sieht leicht, daß sie keine große Fi-
-
sche saßen können. Diese verlangen auch die Perser nicht, dann
sie sind ihnen vermöge den Grundsätzen ihrer Religion abscheu-
lich: wie sie dann nach denselben keine andere genießen, als
welche runde Schuppen haben. Sie fangen damit Kutoms, Bar-
sche, Usatschen, Schereks, Lare, eine andere Laren-Art, welche
Asatt heißt, Saans, Sudaks, Golowlins, Kuli, und so weiter;
lauter Nahmen, welche in verschiedenen Stellen dieses Tagebuchs
erklärt werden. /
Auffenthalt in Einzelli.
Ich hatte mir vorgenommen, einen Theil des Winters
allhier zuzubringen, aber die Zeit meines Auffenthalts in diesem
Hafen dauerte länger, als es mir selbsten lieb war. Kurz nach
meiner Ankunft sandte ich zween meiner Studenten die Her-
ren Klutscharew und Moschkow an Hedaet Chan, Beherrscher
von Gilan, der zu Rächt wohnt. Ich meldete ihn durch diesel-
ben meine Ankunft, überschickte ihm das Empfehlungs-Schreiben
des Astrachanischen Herrn Statthalters, welches von den Herrn
Consul Bogolubow mit einem Communicat begleitet war
und erhielt von dem Chan folgendes in Persischer Sprache
verfaßtes Schreiben; (25.)
„Dem Hochzuverehrenden, in großer Würde befindlichen,
„in hohem Ansehen schimmernden, dem auserlesenen unter dem
„edel-
25.) Ich habe mit Fleiß eine Uebersetzung des Chanischen Briefs an
mich und meine Antwort darauf hier übersetzt liffern wollen,
damit man sehe, wie ich mit diesem morgenländischen Fürsten und
derselbe mit mir unterhandelt habe,
- • A, S „3- 113
„edelsten Meßianern, dem geehrtesten unter der Religion Je-
„su, entbiete ich meinen Gruß, und wünsche, daß sich derselbe
„in vollkommenem Wohlergehen befinde, und daß ihm alles, was
„er zu unternehmen beginnt, auf das beste gelinge.
„Nachdem ich diesen aufrichtigen Glückwunsch vor-
„aus geschickt habe, so melde ich freundschaftlich, daß ich auf
„die von dem Hochgeehrtesten, in hoher Würde befindlichen, des
„Allerhöchsten Rußischen Hofes getreuen Consul, von Dero in
„dem Enzelischen Hafen glücklichen Ankunft, welche durch zween
„ihrer Studenten und einem von dem Herrn Consul zugleich
„abgefertigten Menschen bekräftiget worden ist, erhaltene Nach-
„richt, in große Freude versetzt worden bin. Daher kan ich
„nicht umhin ihnen zu dieser ihrer Ankunft Glück zu wün-
„schen, und, um dieses zu ihrer Ueberzeugung mit größerem Nach-
„druck zu thun, so habe ich den edlen und geehrten Mir Ma-
„homned Haschana und den angesehenen der Meßianer Chod-
„scha David mit diesem Brief, welcher die reine Gesinnungen
„meines Herzens zu erkennen geben wird, an fiel abgefertiget.
„Damit aber dieser mein freundschaftlicher Brief ihnen nicht
„ganz leer zuhanden komme, so bitte ich sie ihren Bedienten zu
„befehlen, dasjenige in Empfang zu nehmen, von dem ich ihnen
„hier eine Liste überschicke, bis ich die Ehre haben werde sie
„fröhlich und vergnügt in Räscht zu sehen, so wollen wir unsere
„Freundschaft also untereinander halten, daß fiel mir beständig
„von ihrem Wohlergehn und von dem, was sie nöthig ha-
„ben, Nachricht geben ; inzwischen ist mein brünftiger Wunsch,
„daß sie Gott beglücke, und ihre Lebens-Tage mit dem Wachs-
„thum ihres Glücks fortsetzen laße.
Auf der andern Seite des Briefs war ein Siegel mit
dem Nahmen Hedajet Chan aufgedruckt.
Die Geschenke, welche diesem Brief beigefügt waren
befunden in folgenden Dingen. - -
1.) 10. Batman Confituren.
2.) 20. Batman Reiß.
3.) 12. Schaafe.
4) 100. Hüner.
5.) 80. Enten. -
6.) 20. Gänse. - - -
Dritter Theil. P und
II4, R, + J-
und eine zimliche Anzahl von Granaten, Limonen, Pomeranzen,
und Apfeln.
Ich bewillkommte die Herren Abgeordnete, wie es hier
zu Land gebräuchlich ist; auf das Schreiben des Chans antwor-
tete ich folgendermaßen: -
„Nachdem ich die Ehre gehabt habe, Ihnen dem in der höchsten
„Würde und ausnehmendem Ruhm befindlichen Chan, von meiner
„Ankunft in dem Enselischen Hafen fowohl, als von den mir
„zufolge des Befehls Ihro glorwürdigst regierenden Rus-
„fifth-Kayserlichen Majestät obliegenden Verrichtungen schul-
„dige Nachricht zu ertheilen; so ersehe ich nun gegenwärtig
„Dero gute Gesinnungen gegen das Rußfh-Kayserliche Reich,
„und dieses fowohl aus Dero Freundschaftlichen Schreiben, als
„aus der mündlichen Versicherung, des von Ihnen als dem in
„höchsten Würden regierenden Chan, an mich abgeordneten Mir
„Mahomed Haschuna, als auch aus den überschickten. Ge-
„schenken; daher bleibt mir nichts anders übrig, als daß ich de-
„menselben, in höchsten Würden regierender Chan, durch diesen
„freundschaftlichen Brief, der mir von Ihnen erwiesenen Ehren
„halber meine geziemende Danksagung bezeuge: wie aber Sie,
„in höchsten Würden regierender Chan, schon jetzo ihre Erge-
„benheit zu erkennen gegeben haben, und wie Sie zu den mir
„aufgegebenen Verrichtungen vermuthlich auch künftig, Ihre
„Hülffe nicht versagen werden, so soll auch ich nicht unterlas-
„fen, bei Ihro Rußisch - Kapferl. Majestät , deren Zepter
„ich unterhänigst verehre, Ihre mir erzeigte Gefälligkeiten zu rüh-
„men, und mir alle Mühe zu geben, mich gefällig gegen Ihnen
„zu bezeugen, der ich immer bin und verbleibe in Höchsten
„Würden enregierder, Chan.. - -
Deroselben
aufrichtigt ergebenter Diener
Der beständigen Gegenwart des Rußischen Consüls in
Gilan, und der beständigen Gemeinschaft, welche wir mit dieser
Provinz auch nach der Abgabe des nordlichen Perfieus gepflogen
haben, hab ich es zu danken, daß Hedajet Chan mich ganz
anders aufgenommen hat, als bisher die andere Chane, deren
1N
-
<A, F. „Re- 115
in Betracht der Gebirge mehr barbarische Lage vermuthlich auch
einen barbarischen Einfluß auf ihr Gemüth hat. Ich merkte hier
wenigstens zum erstenmahl das feine der Perser; ich wünschte
von Herzen, daß es wenigstens in Ansehung meiner dabey ver-
bleiben, und fich die Falschheit dieser Nation für jezo doch ver-
bergen möge. Man glaubt gerne, was man wünscht, und ich
will daher auch dieses glauben. -
Daß ich aber gesagt habe, daß mein Auffenthalt in dem
Enzelischen Hafen länger gedauert habe, als ich glaubte, ist heils
Schuld daran, daß mein Sallianisches Fieber abermal eine nicht
erbetene Visite bei mir abgestattet hat, und daß nach meiner Ge-
nesung, die einen Monat lang daurende Fasten der Perfer, von denen
ich bald sprechen werde, eingefallen seyn, als zu welcher Zeit
der Chan mir nach Räscht zu reisen versagte, weil er vermöge
der Gesetze der Mahometanischen Religion, mich, wie er sich aus-
drückte, nicht so empfangen könnte, wie es sich gebühre: dieser
beyden Umstände wegen blieb ich also bis in der Mitte des
Hornungs in Enzelli. So viel es meine Beschaffenheit erlaub-
te, ordnete ich meine den Sommer über gemachte Beobachtun-
gen, und suchte mir von der gegenwärtigen Verfaßung in Per-
fien, diejenige Kenntniß zu verschaffen, die man währendem be-
ständigen Reisen nicht erlangen kann. Damit ich diejenige
Lücke ausfülle, welche ich in meinem Tageregister bis auf den
Zehnten Februar machen muß, so gedenke ich bis dahin dieje-
nigen Nchrichten vorzutragen, die ich in Einzelli eingezogen ha-
be, und um an einer Stelle alles dasjenige anzuführen, was
mir zu bemerken die Gelegenheit an die Hand gegeben, so will
ich hier alles das zugleich einrücken, was zu einer allgemeinen
Kenntniß von Persien gehört, in so fern ich zu derselben auf
meiner ganzen Reise gelangt bin. Ich höre also eine Zeitlang
auf, als ein Reisender zu schreiben, und spreche in einem mehr
zusammenhangenden Styl. - - - -
P 2 - erfer
116 … •A. „AF-
Erster Abschnitt
Von der *-
gegenwärtigen
Politischen Verfassung Persiens
Ansehung der Regierungsform
J je ein Reich der besondern Betrachtung eines Philoso-
phischen Geschichts-Schreibers würdig, so ist es ohne Zweifel das
Perfische, welches von der höchsten Stuffe menschlichen Ansehens
in neuern Zeiten das Erbarmungswürdigte Schicksal erfahren
hat. Sollte ein Cyrus, ein Darius, ein Xerxes, ein Alexander,
und ein Abas der groffe, wieder aufstehen; sollten sie einen
Blick auf die unglückliche Regierung Huffins werfen, den endlich
der Hunger nöthigte, seine Krone niederzulegen, und solche auf
das Afganische Oberhaupt, Machmud, zu fetzen; sollten sie fe-
hen, daß ein Churafanskischer Schäffer, der zwar das Afga-
nische Joch von Persien abgeschüttelt hat, der durch erstaunende
in Indien gemachte Eroberungen eine ungeheure Menge Golds,
Silber und Edelgesteine in sein Vaterland gebracht hat, vor
welchem die Ottomanische Pforte zitterte, der selbsten zu einer
gewiffen Zeit den Hof von Petersburg aufmerksam machte,
mit einem Wort, daß Thaemas Kuli Chan, oder wie er sich
nach Besteigung des Iranskischen Throns nennte, Nadir Schach,
indem er seiner unersättlichen Habsucht kein Ziel zu setzen wußte,
als ein Tyrann feines Volks unter demselben ein solches Elend
gestifftet hat, dem bis auf die jetzige Stunde noch nicht abge-
holfen werden können, das von Jahr zu Jahr um sich greifft,
und welches über kurz oder lang , woferne sich nicht die Vor-
fehung über das finkende Persien erbarmet, diesem Reich den
gänzlichen Untergang drohet; sollten, sage ich, jene groffe Re-
genten, Persien betrachten können, wie es jezo steht, so wür-
- - den
•A, - „Fe 117
den sie erfahren, daß auch unmöglich scheinende Dinge öffters
möglich gemacht werden. Meine Absichten richten ihr Augen-
merk nur auf die neueste Zeiten, und um denselben ein Ge-
nüge zu thun, so ist es hinlänglich, wann ich bey dem Schluß
der Nadir Schachischen Regierung den Anfang meiner in die-
fem Abschnitt vorkommenden Nachrichten mache; dann so weit
muß ich doch zurückgehen, um den Zusammenhang der Dinge
zu zeigen.
Im Anfang des Jahrs 1747. zog Nadir Schach nach. Die Grau-
Kirman, ließ daselbst fiebenzehn hundert Personen alle ihre famkeit
Güter abnehmen, und sie ohne alle Ursache mit dem Schwerdt Nadir
aus dem Weg räumen. Die abgehauene Köpfe wurden zu Ex-Schachs
bauung eines Thurms gebraucht. Aus Kirman zog er mit
einem Kriegsheer von fiebzehn tausend Mann, welche meisten-
theils Afghaner und Usbeker waren, und unter denen sich einige
Persianer untermischt befanden, nach Mesched. Sobald er da-
selbst angekommen war, foderte er von den Innwohnern der
Stadt eine Summa von sieben Millionen, welche sie ihm in
zehn Tagen liefern sollten, mit dem Befehl, daß derjenige, der
zu bezahlen nicht im Stand wäre, er fey wer er wolle, ohne
Verzug getödtet werden solle. Es gieng auf diese Weise kein
Tag vorbei, wo nicht gegen drei hundert Mann niedergehauen - -
wurden. - -
- Es scheint würklich, daß Nadir Schach in den letzten
Jahren feines Lebens feiner Sinnen beraubt gwesen, oder es
fey, daß ein entsetzlicher Geiz, verbunden mit der Kentniß,
die er von dem Hochmuth, und dem den Persianern angeboh-
nen heimtükischen Wesen hatte, die Triebfeder zu solchen ab-
scheulichen Handlungen abgegeben habe. Indessen erhielten alle
Umstände zu dem Untergang des Persischen Königs ihre Reiffe;
die in seinem Lager befindliche Chane geriethen von der gerech-
testen Furcht, die sich ihrer Gemüther schon lang bemeistert hat-
te, in eine Art von Verzweiflung, sie wagten das äußerte, und
faßten den Entschluß, den Tyrannen zu tödten. Sie benachrichtig-
ten von ihrem Vorhaben den Neveu des Nadirs, Ali Ruli Cham,
welcher kurz vorher mit einer Kriegsmacht von vierzigtausend
Mann nach Siet geschickt war, um die von dem Schach abge-
fallene Abdollier wie zum Gehorsam zu bringen, und baten ihn, fie
wider ihr Unglück zu vertheidigen und den Iranskischen Thron
- - P 3 zu
113 z. - -
§Der Tod
Nadir
Schachs.
zu besteigen. Ali Kuli Chan hatte kaum diese Nachricht erhal-
ten, als er Siet, ohne feine Commißion geendiget zu haben,
verließ, sich der Stadt Mesched näherte, und den Chans zu
verstehen gab, sie möchten bei der nächsten Gelegenheit die Sa-
ehe ausführen. Diese fanden sich zeitig genung ein. Nachdem
Nadir seine Grausamkeiten in Mesched verübt hatte gieng er
nach Kurfthan, um das dafige aufrührische Volk zu bän-
digen. Hier zeigte sich ein Grimm gegen die Persianer in dem
äuterstem Grade. Er befahl nemlich den in seinem Lager
befindlichen Afganern und Usbekern , nachdem er sie zuvor den
Eyd der Treue und Verschwiegenheit schwören laßen, sie sollten
in einer gewissen bestimten Nacht alle in seinem Lager befindliche
Persianer, ohne den geringsten Ueberbleibsel, umbringen. - Je-
doch die Sache bleib nicht verschwiegen. Ein Bedienter des
Schachs entdeckte sie den Persianern, welche sich, um ihrem Un-
tergang vorzukommen, mit dem Chan Salibeg, der mit andert-
halb tausend Mann eine besondere Leibgarde bey dem Schach
ausmachte, vereinigten, und noch mit acht anderen Chans in
das Serail des Schachs dringen. Wie sie nicht wußten, in
welchem Gemach desselben sich der Schach befand, so zeigte ihnen
ermeldter Bediente auch daffelbe an , und WNadir wurde im
May - Monath 1747. getödtet. (26.) (27. ) Auf diesen wichti-
gen Vorfall entstund ein großer Aufruhr in dem Persischen
- - Lager,
26.) Ich laffe andere Umstände, welche Hanway anführt, unangefoch-
ten. Sie können meinet wegen wahr seyn. Meine Nachrichten
aber wissen nichts davon, wie fiel dann auch in andern mehr
wesentlichen Stücken von den Hanwayschen abgehen. An ihrer
Gültigkeit ist aber gar nicht zu zweifeln, da sie sich von Leu-
ken herfchreiben, die in dem Zeitpunct, von welchen die Rede
ist, in Persien gewesen waren, und fich während ihrem Auf-
fenthalt, um alle Vorfallenheiten genau erkundigt hatten. Man
hat mich verfichern wollen, Herr Hanway habe alles geglaubt,
was ihm der nächste, beste Armenier gesagt habe.
27.) Mit einigen näheren Umständen find mir die Vorfälle bey
- Nadirs Tode folgendermaßen erzehlt worden. Nachdem den
Vorgesetzten des Persianischen Lagers die Verabredung des Schachs
mit den Afghanern bekannt gemacht war versammleken fit
das ganze Perfische Heer, und entdekten demselben die Gefahr,
worauf einmüthig beschloffen wurde, es fey beffer, daß einer
- - - - - 11g"
Lager, der hauptsächlich durch die in demselben befindlichen frem-
den Völker, die mit Nadirs Tode nicht zufrieden waren, erregt
worden, eher auch nicht gedämpft worden, als bis der Kopf
des Königs öffentlich vorgezeigt wurde. Ali Kuli Chan be-
kam von dieser Begebenheit gar bald Nachricht; er eilte nach
Mesched, bestieg daselbst den Iranskischen Thron, und nahm Ali Kuli
den Namen Adil Schach, welches so viel als ein Schach der Chan wird
Gerechtigkeit bedeutet, an. Um sich in seiner Regierung fest zu König, un-
setzen, tödtete er die beiden Söhne des MTadirs, Nesir Ali ' “-
Myrf, und den von feinem Vater felbst blind gemachten Rift Schach,
Kult Myria; er übte auf gut Morgenländisch noch andere
Grausamkeiten aus, und ließ etlichen schwanger nachgebliebenen
Weibern des Nadirs die Bäuche aufschneiden. Ja ohngeachtet
er den Sohn des Ria Kull, Schachruch Myra, selbsten un-
gemein liebte, so wie er sich von allen Persianern einer beson-
- * deren"
--- –––----------- ---
um sein Leben - käme, als fo, viele tausende. MTadir müfft noch."
felbigen Tag vor Mitternacht fein Leben verlieren. Salibeg über- -
nahm die That auszuführen, und verlangte nur zwanzig
Mann zur Hälfe. Da sich schon alles zu Ruhe begeben hatte,
gieng er dreiste auf die Vollziehung seines Vornehmens aus,
Die Wache die ihn und fein „Gefolg bey des Schachs Gezelten
nicht paßiren laßen wollte, wurde niedergemacht. In vier Ge-
zelten suchten fiel den Nadir vergebens; worüber zwölf vom
Gefolge den Muth fallen lieffen und fich auf die Flucht begaben.
Salibeg war auch schon willens fich mit feinen acht nachge-
bliebenen in das fünfte Zelt , wo Nadir mit einer feiner
Frauen und einem Kammermädchen fich befand, zu begeben,
als der Schach über das entstandene Geräusch erwachte, und
das Kammermädchen herausschickte, um zu fehen, was da
vorgienge. Diese über den Anblick so vieler mit bloßen Säbeln
bewaffneten Leuthe '' kam zitternd ins Zelt zurück. Hier-
auf sprang Madir selbst auf, trat aus dem Zelt, und da er
der bloffen Säbel gewahr wurde, wollte er zurückkehren, um
auch den einigen zu holen, so wie er fich aber um wandte und
bückte, um in die Thüre des Gezelts einzugehen, gab ihm
Salibeg einen Säbelhieb über den ganzen Rücken, daß er fo"
gleich zur Erden ins Zelt fiel. Die auffer demselben- funden,
warteten eine gute Weile ob nicht Lärmen, entstünde; da fie
aber nichts vermerckten, traten fiel näher herbey, und hieben
ihm den Kopf ab , der sogleich den Vorgesetzten gebracht -
Wurde..
12O •A, H. /F-
deren Achtung zu rühmen hatte, so hielt er es dannoch für nö-
thig, ihn in seinem Sorail gefangen zu halten.
Es ist bekannt, daß die Herrlichkeit des Adil Schachs
kaum etwas über ein Jahr gedauert hat. Unter feinen Weibern
besaß er auch die Tochter des Georgianischen Zars Teimuras,
Er liebte daher die Georgianer besonders, und da ihn fein
Schwieger-Vater in Mesched befichte, beschenckte er ihn mit
einer goldnen Schale, die von auffen mit Diamanten ausgelegt,
und dem Madir von dem König in Indien verehrt worden war,
mit der Bedeutung, daß seine Schwiegermutter aus derselben
Wein trinken sollte. Er räumte den Christen verschiedene an
fehliche Vortheile ein, und viele vornehme Staats-Bedienungen
wurden mit denselben besetzt. Wie aber die Persianer von Na-
tur abgesagte Feinde der Christen sind, so zeigten sich gar bald
Spuren von Unzufriedenheit über die Regierung Adils; weil
er noch überdis dem Trunke fehr ergeben war, so begieng er
auch vielerley Fehler in der Regierung, und wurde daher einem
Adil Schach groffen Theil seiner Unterthanen verhaßt. Adil Schach merk-
wird einem te dieses nicht so bald, als er im Jahr 1748 auf Anrathen fei-
'' nes Schwieger-Vaters, des Georgianischen Zaars Teimuras den
“ "Rußischen Hof um Schutz bath, aus Mesched nach Afrabad
- " - gieng und seinen Bruder Ibrachim Chan nach Isphahan
schickte, um die dortige Regierung zu verbeffern. Jedoch auf
diese Weise setzte er den Bock zum Gärtner. Ibrachim Chan
war kaum an Ort und Stelle angekommen, so unterhandelte er
mit Amur Aslan Chan, einem Oheim, und Nadir Schachs
Halbbruder, welcher sich dazumahl in Tavris aufhielt, ins ge-
heim, wie er sich Adils bemächtigen, und den Thron besteigen
könnte? Dieser nahm Ibrachims Vorstellungen ohne Bedenken
an, vermuthlich nicht um Ibrachims willen, sondern um sich
dabey selbsten bedenken zu können; dann als ein Halbbruder
von Nadir glaubte er gleichfalls ein Recht zum Persischen Thron
zu besitzen, und als ein Mann von 60. Jahren dachte er so
gar des Throns würdiger zu feyn, als Ibrachim, der kaum
- 20. alt war. Indeffen hatte ihr Complot für jezo feine voll-
Von Ibra- kommene Richtigkeit. Ibrachim dachte an nichts weniger, als
chim Myr- an die Vollziehung der ihm von Adil aufgegebenen Verrichtun-
fa verfolgt gen. Er lebte als ein unumschränkter Herr für sich; er ver-
mehrte die bey fich habende Trouppen. Er statt, mit
- mur"
-A, - „Es rar
Amur Aslan Chan beständig. Adil Schach konnte dieses
Bezeugen nicht lange verborgen bleiben. Er beschickte seinen
unruhigen Bruder zu verschiedenen malen, und ermahnte ihn,
feinen Befehlen Gehorsam zu leisten. Wie dieses nichts fruch-
ten wollte, legte er ihm folche vortheilhafte Bedingungen vor, die
bei einem andern Gemüth den Trieb der Freundschaft und der
Ruhe gewiß Rege gemacht hätten. Endlich boht er ihm den
Thron sogar selbsten an, und verlangte nichts von ihm, als die
Freiheit, in frieden zu leben. Ibrahim blieb bei allen Vor-
stellungen Felsenhart, und Adil Schach fühlte sich nun von
der offenbaren Verrätherey seines Bruders vollkommen überzeugt.
Persien befand sich nach den ihm von Nadir geschlagenen Wun-
den in einem so kläglichen Zustande, daß der König feine eige-
ne Herrschaft nicht für hinlänglich hielt, um sich vor seinem
beoorstehenden Unglück genugfam zu schützen. Er schickte, nach-
dem er schon zuvor eine ähnliche Anfrage gethan hatte, zween
aufferordentliche Gesandten an den Rußischen Hof und bat um
Hülffe. Selbst geng er von Astrabad nach Masandran, aber
kaum war er daselbst angekommen, so fahe er sich genöthigert
gegen Jbrachim ins Feld zu ziehen, der nun Ispahan verlaffen,
und fich mit Amur Aslan Chan vereiniget hatte.
Sie begegneten sich mit ihren Heeren bey dem Flecken Souch-
bulach genannt. Adil Schachs Heer war größer, als dasje-
nige, wieder welches er zu streiten hatte. Jedoch eine Kriegs-
list, welche Amur Aslan Chan gebraucht, machte solches um
ein namhaftes kleiner. Dieser listige Herr nemlich beorderte
5000. Alfganer von seiner Armee zu Adil Schach, mit dem
Befehl, ihm seine Dienste anzubieten, und wann sie solche an-
genommen haben würden, das Lager des Königs gelegentlich
zu überfallen. Beide waren schon in Schlacht-Ordnung gestellt,
als ermeldte Afganer sich Adils feinem näherten, ihm seine
Hülfe anboten, und von ihm unvorsichtiger Weise aufgenommen
wurden. Es gieng auf beiden Seiten hitzig zu, doch eben da
der Streit entscheidend werden, und für Adil vortheilhaft aus
fallen sollte, überfielen die Afganer das Harem, und die ganze
Bagage das Königes, wodurch feine Soldaten genöthiget wa-
ren an einer Seite sich zu wiederseßen, wo sie es sich am we-
nigsten vermutheten, und wodurch Adils ganzes Heer in eine
so große Verwirrung gerieth, das es gleich darauf gänzlich über-
Dritter Theil. Q wunden,
122, »A, I. „F
Von eben wunden, und fein Oberhaupt gefangen genommen wurde. Jbra-
demselben chim wurde also Oberbeherrscher; seinem unglücklichen Bruder
überwunden ließ er die Augen ausstechen, und ihn bald darauf ums Leben
gefangenge bringen. Damit er von Amur Aslan Chan nichts zu befürch.
' ten haben möchte, räumte er denselben bei Gelegenheit einer Vi-
getödtet.“ fite, die ihm derselbe gebeten abstattete, aus dem Wege, (28.)
MTadir Schachs Enkel Schach Roch, der von dem Persischen
Volk und von Adil selbst geliebet war, erhielt, als dieser den
Thron bestieg, Gnade; jedoch mute er sich gefallen laffen, un-
ter der Regierung des neuen Schachs als ein Gefangener im
Serail zu bleiben. Nach dem Tode desselben und während
den darauf erfolgten innerlichen Unruhen, begab er sich nach
Mesched, zuvor aber hatte er das Unglück von einem Kurta-
linskifhen Rebellen feiner Augen beraubet zu werden. Anfäng-
lich mag er wohl in dieser Stadt als eine Privat-Person gelebt hat
- ben, dann ich vermuthe dieses, weil ihn viele für Todt gehalten
und sich daher einige in der Hoffnung, die Schachs-Würde da-
P0M
e8.) Adil Schach hinterließ an einem, eine Tage-Reise von Ma-
fanderan, gelegenen Ort viele Reichthümer, unter welchen auch
das unschätzbare Zelt des Nadir Schachs, welches er aus In-
dien mit fich gebracht hatte, befindlich war. Es blieb auch
- der ermeldte Georgianische Zaar Teimuras, und noch ein ande-
rer Georgianischer Beherrscher mit Namen Amilachor daselbst
nach, welcher letztere wegen der besonderen Gnade, in der er
bey Adil Schach fund, Ali Kuli Chan Kular Agaßi hieß,
und bey diesem Herrn hielten fich auch noch mehrere Georgianer
auf. Als sie nun von dem, was mit Adil Schach vorgefallen
war, Nachricht bekommen hatten, fchickten sie sogleich einen
Erpreffen nach Enzeli an den allda befindlichen Rußischen Re-
fidenten Tscherkassow mit der Bitte, er möchte ihnen ein Schiff
nach Masanderan schicken, das sie mit ihren Reichthümern nach
Rußland bringen möchte. Der Refident aber schlug ihnen viele
Bitte ab, wozu er feine wichtige Ursachen gehabt haben mag.
Teiturs und Amilzchor sahen also kein anderes Mittel zu
ihrer Rettung vor sich, als den Ort, wo sie Adil Schach
nachgelaffen hatte, mit allen ihren Reichthümern zu verlassen,
fich nach der Perfischen Stadt Kaswin und von dar nach
Georgien zu begeben. Als man von dem unglückseligen Ende
des Adils an den Rußischen Gränzen Nachricht eingezogen
hatte, wurden die zween erwehnte Abgesandten defelben nicht
«A, R. „Re 123
d
von zu tragen, für seine Person ausgegeben haben (29). Nach-
mals bekam er die Regierung über diese Stadt, und in dieser
Würde hat ihn auch Kerim Chan, der, wie ich bald fagen wer-
de, eine neue Rolle in Persien gespielt, bestättiger. Die Schachs-
würde selbst hat er nimmermehr bekleidet; allein die Geburth
die ihm zu derselben hätte verhelffen sollen, (denn von Väter-
licher Seite ist er ein Enkel des WTadirs und von Mütterli-
cher ein Enkel des Schachs Abas) die Geburth sage ich, ließ ihm
dannoch den Schachs Titel übrig, worzu auch dieses was mit
beigetragen haben mag, weil ein Turban bereits von Nadir
Schach mit dem Giga oder dem Königlichen Federbuch geziert
worden. Indeffen konnte es der blinde Schach Roch doch auch
nicht erdulden, daß Ibrach in der zu dem Thron weit weniger
Recht, als er hatte, denselben behaupten sollte. Er verschafte
sich einen Anhang zu Mesched, schickte zu Ausgang des Jahrs
1749. Amir Chan, einen Canonengieffer, mit einem Kriegsheer
gegen Ibrachim, der Mine auf Mesched machte. Sie begegneten Ibrachim
fich auf der Helffe weges zwischen Ispahan und Schach Rochs Myra wird
Residenz. Ibrachims Heer wurde geschlagen, und er selber ge- # :
tödtet. -
Schach-Roch blieb nun allein nach: man sollte denken, bracht,
er werde darauf ohnfehlbar den Thron bestiegen haben, allein
meine Nachrichten wissen nichts davon. Die bald darauf ent-
fandene Aufruhren veranlaßten ihn vermuthlich, in Mesched
stille zu sitzen, und ein Anhang, der vermuthlich unter seinem
Nahmen regieren, und sich die nachgebliebene Schätze selbsten
zueignen wollte, wurde eben dadurch geschwächt. -
Rerin Chan und Ali Mardan Chan erscheinen auf
dem Schauplatz. Jener ist ein Mann von schlechter Her-
Q 2 kunft,
# f gelaffen, fondern aus Astrachan nach Perfien zurück-
eschickt. ---
29.) F erschien bald nach Nadirs Tode ein gewisser Schmid
aus Kuba, der fich für den jungen Schach Roch ausgegeben,
einen Anhang bekommen, und sich als Beherrscher zu Tawris
niedergelaßen; er hieß eigentlich Sam, und Spot weise ist fein-
Andenken unter der Benennung San Schach behalten wor-
deü. Die Herrlichkeit des Kubanischen Schmieds dauerte aber
nur einen Monath, und er wurde noch zu Ende des Jahrs
1747, von Amur Aslan Chan umgebracht,
-
I24 «A, z. „F-
Geschichte
des Afad
Chans,
-
kunft, und zu Nadir Schachs Zeiten nichts, als ein bloffer
Jeffaaul gewesen. Er soll aber eine ungemeine Leibes-Stärke
besitzen, und eine zahlreiche Familie haben, die sich des nämlichen
Vorzugs rühmen könne. Leibes-Kräfte werden bei den Persern
sehr hochgeschätzt, und man sagt mir, daß es dieselbe haupt-
sächlich gewesen sey, die Kerim Chan von einer geringen zu
einer so erhabenen Ehren-Stuffe gebracht habe. Ali Al Jardan
Chan, war von vornehmer Herkunft, und ein angesehener Offizier.
Diese beiden vereinigten sich nach Ibrachums Tode mit
einander, giengen gemeinschaftlich auf Ajad Chan los, und über-
wunden ihn auch zu verschiedenenmalen, bey Tavris, Isfahan
und Schuchbulach, bis er sich endlich auf die letzte nach Geor-
gien zu flüchten genöthiget fahe , allwo ihn aber der Prinz
Heraclius gefangen nahm, und Kerin Chan 176 auslieferte,
bey dem er annoch in hohem Alter, als ein mißvergnügter, dem
alle Gelegenheit zu neuen Rebellionen benommen ist, lebet.
Die Geschichte Afad Chans veranlaßet mich hier, eine
kleine Ausschweifung zu begehen. Von seiner Herkunft sind keine
zuverläßige Nachrichten vorhanden. So viel weiß man, daß er
ein gebohrner Afghaner ist, und unter der Regierung Achmed
Schachs einen kleinen Landesstrich beherrscht hat. Als Nadir aus
Indien zurück gekommen war nahm er viele Usbecker, Afghanen
und Kabulner in seine Dieufe; unter denselben war auch Asad-
Chan, der die Würde eines Oberfien bekleidete. Einige Zeit
darauf bemerkte der Schach, daß es diese nicht sehr redlich mit
ihm meinten; er theilte sie also in 2. Theile, schickte die eine
Hälfte nach Afrabad und die andere nach der Georgianischen
Gränze nicht sowohl ins Exilium, als vielmehr in Rücksicht
auf seine Sicherheit. Unter denen, die nach der Georgianischen
Gränze gekommen, befand sich auch Asad Chan, allwo sie mit
demselben bis nach Radirs Tode verblieben. Als dann aber
glaubte er sowohl als eine Consorten, daß ihrer Freiheit nichts
mehr ihm Wege fiürde. Asad Chan nahm die Stelle eines .
Anführers an, und war gesonnen Adil Schach seine Dienste
anzubiethen. Als er aber vernommen, daß derselbe nicht mehr am
Leben fey , gedachte er sein Glück bey IT brach in Myra zu
versuchen, und gieng dißfalls zu ihm nach Tavris. Er sah
jedoch gleich nach feiner Ankunft, daß es ihm nicht nach Wunsch
ergehen dürfte; daher machte er sich bald wieder davon, und
- - gen
-K, Ş „F- 15
gieng auf Kaswin los, in der Absicht sich dieser Stadt zu
bemächtigen. Unterwegens plünderte er alle Dörfer, die ihm nur
vorkamen, und nahe bey Kaswin ließ er sich mit feinem Heer
nieder. Jbrachin Myra hätte alle diese Unternehmungen ver-
hindern können, wenn er nicht durch andere Angelegenheiten da-
von abgehalten worden wäre. Nach feinem Tode verließ Asad
Chan Kaswin, reißte nach Tawris, nahm die Städte Almas
und Rumi ein, wollte sich auch der Stadt Choi bemächtigen,
wurde aber von den Innwohnern derselben überwunden und be-
gab sich auf die Flucht nach dem Fluß Aras. Das bst kam ihm
der 25eiman Chan Gerdschi aus der Nachtschuwanischen Pro-
vinz zu Hülfe. Mit diesem kehrte er sogleich wieder zurück, gieng
nochmalen auf die Stadt Choi los, nahm fiel auch glück-
lich ein, marschierte von da nach Tavris, bemächtigte sich der
Stadt, ließ daselbst eine große Anzahl Einwohner niedermachen
und nahm Fetch Ali Ciban, der unterdessen Beherrscher von
Tävris war, in seine Dienste an. Auf diese Thaten bekam
er nun den Titul eines würklichen Chans; dann bisher wurde
er nur schlechtweg Asad genannt. Nach diesen Begebenheiten
gieng er nach Kaswin, Kon, Kafcham und Jsphahan, brachte
alle diese Orthe unter seine Botmäßigkeit; den Kerim Chan
vertrieb er bis nach Stiras, und ohnweit dieser Stadt kam
es mit ihm und Kerim zu einen blutigen Handgemenge, wor-
in er den letzteren überwunden, feine Frauen, Kinder, wie
auch seinen Vetter den Tschirch Ali Chan gefangen nahm, und
fie nach Rumi schickte, Kerim Chan selbst flüchtete nach
Schiraß, da sich mittlerweile die nach Rumi geschickten Afgha-
ner noch unterwegens les machten, und Gelegenheit fanden nach
Schiras zu kommen. Ad Chan konnte wegen eingefallenem
Winter weiter nichts ausrichten und begab sich daher nach
Isphahan, moselbst er verblieb bis endlich Tschich Ali Chan
es auch wider ihn auf ahm, Isphahan abermal einnahm,
Afad Chan nach Glan zu flüchte- nötigte, in welcher Provinz
er von Mahomed Haß an Chan in feinen Progreßen mächtige
Hindernfäße erfuhr, sich von da nach Tavris und Rumi flüch-
ten wollte, von Nahemed Hassan Chan aber eingeschloßen wur-
de, diesen endlich mit Vortheil zurück trieb, aber sich auf ein-
mal von Fetch Ali Chan verlaßen fahe, der mit allen seinen
Afghanern und Usbekern zu Haßan Chan üborgieng. Da nun
O. 3 Asad
A
126 »A, § „F*
Asad Chans größte Macht in denselben befund, so blieb ihm
nichts übrig, als mit den ihm nachgebliebenen Hundert Mann
sich durch die Flucht zu retten. Mahomed Haffan Chan mach-
te sich darauf nach Isphahan: was er daselbst vollführet, wer-
de ich bey seiner Geschichte mit mehrerem erzehlen. Feth Ali
Chan blieb mit den Afghanern und Usbeckern in Tavris zur
Besatzung, und Asad Chan wollte über Gurdistan nach Bagdad,
um allda Hülfe wieder eine Feinde zu fischen. Er erhielt auch
würcklich eine gewiße Anzahl Truppen, die er mit feinen nach-
gebliebenen Hundert Mann vereinigte und damit auf Rumi los-
gieng. Kaum aber hatte er sich daselbst blicken laßen, so ward
er von dem zu Tavris mit den Afghanern und Usbeckern zurück-
gebliebenen Feth Ali Chan überwunden, und fahe sich genöthiget
mit aller feiner Mannschaft, die etwan noch höchstens aus drey-
hundert Mann befund, die Flucht zu ergreiffen. Wie ihm nun
auch dieses fehl schlug, so wollte er noch auf folgende Weise
fein Heil versuchen. Er gieng nemlich mit allen seinen Leuten
nach Georgien. Als er sich der Gränze näherte, schickte er ei-
nen Courier mit Briefen an den Zaaren Heraclius ab, machte
ihm seine Ankunft bekannt, und versicherte ihn, daß er aus kei-
ner andern Ursache in ein Gebiet käme, als weil er nach so
vielen ihm in Persien mißlungenen Glücks-Verfirchen fich vorge-
nommen hätte, in seine des Heraclius Dienste zu treten; indem
er mit Ueberzeugung glaubte es warte ein beißeres Schicksal
in Georgien auf ihn, als ihm bisher in Persien zu Theil ge-
worden wäre. Heracluis versprach ihm in seinem Antworts-
Schreiben alles was er sich nur wünschen konnte, und Asad-
Chan nahm also seinen Weg gerade nach Teflis. Als er sich
in der Nähe derselben Stadt befand, kam ihm der Zaar mit
einem großen Gefolge einer angesehensten Unterthanen und
ein tausend Mann Soldaten aus derselben entgegen um ihn zu
empfangen. Nach verrichteten Complimenten, ritten sie mit ein-
ander nach der Stadt: da fiel aber derselben schon ziemlich nahe
waren, äußerte sich auf einmal die Falschheit Asad Chans, die
er bisher verdeckt hatte. Er befahl nemlich feinen Soldaten,
daß sobald sie die Stadt erreicht haben würden, sie auf einmal
den Prinzen Heraclius überfallen und ihn tödten folten; nach
diesem aber würde er schon weitere Veranstaltungen machen.
Diesen Befehl erheilte er in Afghanischer Sprache, weil
- glaubte
•A, R. „F- 127
glaubte Heraclius verstünde solche nicht. Allein die Sache lieff
ganz anders ab. Heraclius, der vollkommen Afghanisch verfund,
gab auf alle Worte acht, und befahl unvermerckt die ganze Mann-
schaft Asads niederzumachen, und ihn selbsten gefangen nach der
Stadt zu bringen. Beides wurde sogleich vollzogen, und Alfad
Chan lebte eine geraume Zeit als ein Gefangener zu Teflis,
wurde endlich wieder in Freyheit gesetzt und über einen gewißen
District in den Gebürgen als Stadthalter von dem Heraclius
eingesetzt. Es dauerte aber nicht lange so lieffen neue Nach-
richten von den boshaften Unternehmungen Asad Chans wider
Heraclius ein. Er hatte nemlich an die Lesgier geschrieben, daß
er gedächte ihnen zur Einnahme von ganz Gruinien (Georgien)
behülflich zu sein, wenn sie sich feines Raths und Beistands
bedienen wollten. Der Brief aber fiel dem Heraclius in die
Hände, der sich alsdenn abermals der Person Asad Chans ver-
sicherte, und ihm auf vieles Bitten, und nach erhaltenen Ge-
schenken, dem Kerin Chan in die Hände lieferte,
Kerin Chan und Ali Mardan Chan, theilten unter
einander die Beherrschung der Perianischen Provinzen, und der
letztere trug den größten Theil davon. Sie schienen in einem gu-
ten Verständniß unter sich zu leben als auf einmal der letztere von
der Iphahanischen Vorstadt Julfe, die zu Kerims Gebieth gehör-
te, eine beträchtliche Summe Geldes foderte, und darüber den
letzteren dermaßen aufbrachte, daß er wider ihn zu Felde zog,
sein Heer glücklich schlug, und ihn auf einem Berg bey Ipha-
han umbrachte, welches sich entweder im Jahr 1754. oder
1755. zugetragen. -
Kerim Chan wurde nach und nach über feine Siege
stolz: fein Kriegsheer nahm von Tag zu Tage zu, und nun
erkühnte er sich schon sich für einen Beschützer des Volks zu er-
klären, der demselben die lang gewünschte Ruhe herzustellen suche.
Jedoch war es mit feiner Sicherheit noch nicht vollkommen
richtig. Mamed Haß an Chan und Feth Ali Chan, der
Rumelskische (Rumeli eine ehemalige Armenische Stadt hinter Ta-
wris) Beherrscher verbanden sich nunmehr wieder ihn, und zu
gleicher Zeit machte ihm der schon gedachte, nunmehr in Ver-
wahrung fzende Affan Chan noch vieles zu thun. Mamed
Haffan Chan bemächtigte sich so gar der Stadt Isphahan,
und nöthigte Kerim Chan nach Schiraß zu fliehen. '
D16
123 •-A, - „F-
Kerim
Chans
Oberherr-
, schafft.
diese Herren waren unter sich selbsten nicht recht einig; sie wur-
den durch Verräterey und Desertierung ihrer Soldaten in ih-
rer Kriegsmacht geschwächt; bei dem ganzen Volk aber hatten
sie sich wegen ausgeübter Räubereyen einen allgemeinen Haß
erworben.
- Kerim Chans Vetter Tschich Ali Chan überfiel
im Jahr 1758. Isfahan, als Ulamed Haffan Chan fich
solches am wenigsten versahe, nahm die Stadt glücklich ein, und
der letztere wurde auf der Flucht, durch die er sich zu erretten
fuchte, von zween Offiziers umgebracht. Feth Ali Chan end-
lich war der letzte, den Kerim zu besiegen hatte. Er überfiel
ihn im Jahr 1761. mit einem doppelt verstärkten Heer in Ru-
meli selbsten, übermannte sein Heer, nahm ihn gefangen, und
nachdem er neue ungetreue Gesinnungen an demselben wahr ge-
nommen hatte, räumte er ihn Anno 1763. mit dem Beil aus
dem Wege, -
Das Jahr 1763. brachte Persien die äußerliche Ruhe,
welche es bis jezo, aber nur auf eine sehr eingeschränkte Wei-
fe, genießt. Sobald Kerin Chan durch Vertilgung dieser bey-
den Chans frey worden war, trachtete er nun nach nichts so sehr, als
feine Herrschaft auf einen festen Fus zu setzen. Er ließ daher alle
Provinzial-Chans zusammen kommen, stellte sich ihnen, als ihren
Oberherrn dar, und ließ sie darauf einen Eid ablegen, daß sie
ihm mit ihren Unterthanen Treue und Gehorsam leisten, und
alle ihnen von ihm aufzulegende Abgaben freiwillig tragen woll-
ten. Damit er sich dessen hinlänglich versichert halten könnte,
nahm er entweder ihre Weiber, oder ihre Kinder, oder auch ihre
nächste Anverwandte zu Geißeln, und hält sie auch noch gegen-
wärtig bey sich zu Schiras und zu Kaswin, allwo eine Fe-
fung ist. Zu gleicher Zeit ließ er, damit nicht neue Rebellio-
nen unter dem Volk entstehen möchten, sieben von Nadir
Schach nachgebliebene Chans folgender Maffen umbringen, daß
er fie, einen nach dem andern, unter dem Schein eines geheimen
Raths in sein Zelt kommen, und daselbst in der Stille tödten
ließ. Ihre Stellen ersetzte er entweder mit ihren Unterbe-
dienten, oder mit andern reichen Unterthanen, gab ihnen Städ-
te mit allen zu denselben gehörigen Gegenden zu beherrschen, gleich,
fam, als wann er sie verpachtete, und verlangte von denfel-
ben auf eben die Weise und mit eben der Vorsichtigkeit,
- als
-
- A, K 3- - 129
als ich von den Provinzial-Chans gesagt habe, die gehörige
Gebühren und Abgaben. Kerim Chan beherrschet gegenwär-
tig folgende nach Norden zu, längst der Kaspischen See gelegene
Provinzen, nemlich einen Theil der Aderbifanskischen, die Melan-
dronische und Afrabadische und gegen Mittag folgende Städ-
te mit ihrem Bezirke, Tavris, Gamadan, Tegrat, Schiras,
Jsphahan und Kirman, wie auch die übrigen Oerter die sich
von der einen Seite bis zum Persischen Meerbusen und von
der andern bis an die Türkische Grenzen erstrecken. Nachdem
Kerin Chan feine Wünsche in Erfüllung gebracht fahe, begab
er sich nach Schiras, um seiner Ruhe zu pflegen, und zugleich
feine Person in eine noch größere Sicherheit zu fetzen; da bau-
te er sich ein Palais, umgab es mit einer Mauer, lies sein
Kriegsheer aus einander, und behielt nur eine geringe Anzahl
Mannschafft zu seiner Beschützung bei sich. Er scheint ein Herr
von geringen Talenten zu feyn, der sich nichts wenigers ange-
legen seyn läßt, als das Wohl seiner Unterthanen zu befördern,
der während einer ganzen Oberherrschafft noch nicht eine einzige
von den Thaten aufweisen kann, die sonsten den Ruhm der
Fürsten zieren; der vielmehr nur darauf bedacht ist, wie er fei-
- nem unersättlichen Geiz, der traurigen Leidenschaft aller Perfer in
neueren Zeiten, auf alle mögliche Art den Zügel schießen lasse,
sich daher von den Abgaben seiner Unterthanen, die sich in der
äußersten Armuth befinden, und von dem Tribut und Geschenken
der unter seiner Bothmäßigkeit stehenden Chane bereichere: wie er
fich dann, der allgemeinen Sage nach, schon manche Millionen
Rubels während seiner Oberherrschafft erspahrt haben soll; der ferner
nur darauf denkt, daß er seinen Belustigungen und Wolken
die dem Bacchus und der Venus beständig gewiednet sind, einen
ungehinderten Laufflaße, der sich in feinem hohen Alter, so er
bereits auf vier und fiebenzig Jahre gebracht hat, um nichts,
als um sich bekümmert, anstatt daß er die feiner Macht unter-
worffene Provinzen auf eine gerechte Weise und mit einer einem
Oberherrscher gebührenden Gewalt regieren, die übrige Clans
aber in gehöriger Furcht und Gehorsam erhalten sollte, damit
diese ihre freie Macht nicht so, wie jezo zu dem äußersten und
unvermeidlichen gänzlichen Verderben des ganzen Reichs, anwen-
den könnten. So oft beklagten sich schon die Unterthanen an-
derer Chane bey Kerim Chan, und nimmermehr konnten sie die
Dritter Theil. - R 8e-
- -
130 «A, F. „AR-
geringste Hülfe von ihm erhalten. Diejenige, den es an Herz
oder Kräfften gebricht, leiden ihre Beschwehrden, oder sie müffen
fie vielmehr gedultig leiden, andere aber, wie zum Exempel
die Innwohner von Astrabad, und die zwischen Astrabad und
Mesched angeseiffene Perser, find schon öffters aufrührich worden.
Alles dis ist eine in Persien durchgängig bekannte Sache.
Wie könnte sie dann den Unterchans unbewußt feyn? Allein diese
kennen eben die Schwäche ihres Oberherrn. Sie wissen die
ganze Verfaffung des Staats, und profitieren von derselben. Da
sich derselbe durch eine bloffe Jalousie erhält, so erhält ein jed-
weder Chan durch eben dieselbe die feine, wann nicht die Ja-
lousie von einem würklichen oder vermeintlichen Uebergewicht
besiegt wird. Die Chans betrachten ihr Oberhaupt in demje-
nigen Alter, in welchen es sich befindet. Sie erfüllen seine Be-
fehle, wie sie wollen, und wann sie ja etwas übriges zu thun
vermeynen, so thun sie es entweder darum, weil sie Kerim
Chan wegen ihrer gegenwärtigen Würde und Einkommens Ver-
bindlichkeit schuldig sind, oder weil fie, wann sie andere Gefin-
nungen zu entdecken geben sollten, etwas in Anlehung der übri-
gen Competenten vor der Zeit wagten, was sie nachmals be-
reuen dörfften. Dem äuerlichen Schein nach find also die jetzi-
gen Unterchans nichts als Vasallen von Kerim Cham; in ih-
rem Herzen aber glauben sie eben so gut unumschränckte Re-
genten zu feyn, als er einer ist, und ein jeder schmeichelt sich mit
der Hoffnung, die Oberregentschafft nach dessen Tode, zu erhal-
ten; damit er aber desto eher dazu gelangen möge, so scharrt
er von feinen Unterthanen, nach Kerims Beyspiel soviel zusam-
men, daß er in benöthigtem Fall ein Kriegsheer zusammen bringen,
sich vertheydigen, fich eine unabhängige Macht erwerben, und
feine Herrschafft schon jezo erweitern könne. Er für sich famm-
let Schätze, und fragt nichts darnach wann ein Unterthan Hun-
gers stirbt.
Kann man sich nun wohl was kläglicheres als den
gegenwärtigen Zustand Persiens vorstellen? Es ist wahr, seit dem
Kerim Chan Oberherrscher ist, hat dieses Reich eine äußerliche
Ruhe zu geniefen, und in diesem Stück hat er fein Versprechen
vollkommen erfüllt. Allein auf was für eine Art? Die aus-
wärtigen Kriege, welche Nadir Schach mit den Türcken, den
Indianern, den Afganern und Lesgiern geführt hat, und die
- ihm
•A, S. „F- 131
ihm so oft den Ruhm eines Helden verschaffen, haben ihre End-
schafft erreicht, und wenn die Feinde Persiens ehmalen für die
fem Reich zitterten, so können sie nun in Ansehung desselben ihre
Hände ruhig in den Schooß legen; dann bei einer solchen halb
Aristocratischen und halb Monarchischen Verfaffung darf ihnen
vor den Persern keineswegs bange sein. Sie können vielmehr
bey der nächsten besten Gelegenheit von der Zertrennung des
Reichs in so viele Provinzen im großen so wohl als im kleinen,
Gebrauch machen, und also dasjenige vergelten, was sie in vori-
gen Zeiten leiden müßen. Jedoch, sie mögen meinetwegen die
Schahische Muselmännern in Ruhe laßen. Ist dann durch den
erlangten auswärtigen Frieden, der für Persien nothwendigere
innerliche von Kerin Chan ebenfalls hergestellt worden? Die-
fe Frage beantworten meine vorhergehende Betrachtungen hin-
länglich. Selbst der jetzige Oberherrscher, der durch seinen
Geiz, der ihn fo weit gebracht hat, daß er den so gar weni-
gen ihm dienenden Soldaten den schuldigen Sold öffters ver-
fagt; der dadurch, daß er zu den Klagen der Bedrängten
über die Ungerechtigkeiten ihrer Beherrscher, einer ihm zu be-
fehlstehenden Chans, die Ohren weder öflien kann noch will; der
durch seine eigene unbillige Gerichtsbarkeit die Liebe des Volks
schon gänzlich verloren hat; Kerim Chan, sage ich, selber
ist seines Lebens nicht eine Stunde ficher, und findet sich da-
her genöthiget , beständig im Serail unter feinen Weibern,
deren er über siebenzig bey-fich haben soll, oder doch wenigstens
immer in seinem Hause eingesperrt zu verbleiben. So und nur
mit veränderten Umständen verhält es sich mit den übrigen je-
zigen Unter-Beherrschern. Ja wann der elendete Unterthan
Gelegenheit bekommen könnte, das Joch von sich abzuschütteln,
welches ihn gegenwärtig drückt, so würde er zeigen, daß weder
ein Ober- noch Unter-Chan dem Lauff seiner herrschbegierigen
Triebe wiederstehen könnte.
Ich muß Schachruch Schachs noch einmal erwehnen.
Nachdem Adil aus dem Wege geräumt war, verheirathete sich dieser
Herr, und gegenwärtig hat er zween Söhne, von welchen der
älteste 18. Jahr alt ist. Dieser wäre nun der einzige Prinz
in Persien, der sich einer rechtmäßigen Ansprache auf den Irans-
kischen Thron rühmen könnte. Dieser ist es auch, der vermuth-
lich über kurz oder lang zu einem neuen Auftritt in diesem Reich
R 2 - Gelegen-
- - - -
/
132 - - - -
Gelegenheit geben dörfte. Man spricht auch schon gegenwärtig
ganz laut von einigen Bewegungen, die man zu Mesched be-
mercken soll; man spricht von einem Verständniß zwischen ihm
und den Afganern, die sich schon lange in die Persischen Unru-
hen gemischt haben. Vor einem Jahr hat er beim Kerim Chan
eine Visite abgestattet, in der Erwartung, es möchte ihm der-
felbe von sich selbsten einige angenehme Vorschläge thun. Allein
aufferdem, daß er ihm eine von feinen Töchtern ohne Würkung,
zur Frau angeboten, paßirte weiter nichts, und dieser junge
Herr reiste halb beleidiget zurück.
Die Grausamkeit Nadir Schahs hat einen solchen tiefen
Eindruck in alle Persianische Gemüter gemacht, daß ein jeder bey fei-
nem und seiner Nachkömlinge Namen eine Empfindung fühlt, die der
Erhebung des Sohns von Schachruch auf den Persischen Thron
fehr zu wieder zu sein scheinet. Die zeitige Abtheilung des Reichs in
Chanschaffen ist den Beherrschen, die eine vollkommene Freyheit
genießen, von denen ein jeder regiert, ohne Rechenschaft von seiner
Regierung zu geben, die also in den ihrem Gehorsam unterworffenen
Provinzen, unumschränkte Herren oder Partie ulier-Schachs vor-
stellen. Diese Abtheilung ist ihnen so angenehm, daß sie sich
schwehrlich entschließen möchten von selbsten ein Oberhaupt in
der Würde eines Schachs zu wählen; dann durch diese Wahl
verlöhren sie ja ihre Herrschaft, ihr Ansehen und ihr Einkommen;
aus Regenten würden sie Bediente und ich fetze, der neue Schach
machte sie zu seinen vornehmsten Ministern, zu Statthaltern, und
Generals, so wären sie doch nichts anders, als Diener ihres
Herrn, die verpflichtet würden, demselben von allem ihren Thum
und Laffen auf Verlangen, pünctliche Rechenschaft zu geben. Es
finden sich also auf Seiten der gegenwärtigen Chane, und auf
Seiten des ganzen Persischen Volks, Schwürigkeiten genug für
den Prinzen des Schachruchs oder für dessen Bruder, um ihr an-
gebohrnes Recht nachdrücklich zu behaupten; indessen find sie
doch auch nicht von der Art, daß sie die Hoffnung eines von
diesen beiden Competenten gänzlich niederschlagen sollten. Die
Chane werden zur Schachs-Würde nimmermehr ja sagen; dann
sie handelten wieder ihren eigenen Vortheil, und nach Kerim
Chans Tode erwarten sie von demjenigen, der die Oberhandler-
halten wird, eben diejenige Zeiten, in welchen sie jezo frey und
vergnügt leben, und sie werden auch demselben diejenige Geifel
- - - gut-
A, - „se 133
gutwillig überlaffen, die Kerim Chan gegenwärtig bei sich
hat, oder ihm auch andere auf Verlangen zu geben sich keines
wegs weigern. Allein ob nicht die Unterthanen eine günstigere
Aussicht für einen der Competenten, von welchen die Rede
ist, mit der Zeit selbsten an die Hand geben möchten, ist eine
Sache, wegen welcher sich billig fragen läst.
So vorrheilhaft die Chanschaften den Chans sind, so sehr erleich-
tert sie sich durch dieselbe nach Nadirs Tode befinden, so wenige
Hülffe hat durch diese Verfügung das Volk erhalten. Sie, die von
den Chans so sehr unterdrückte Unterthanen, die die auferlegten Sum-,
men fast nicht aufzubringen wissen, und in dem Fall, daß sie es
nicht thun können, mit so harten Leibes - Straffen beleget wer-
den; fie, die bei ihren bisherigen über ihre Chans in Schiras
angebrachte Klagen kein Gehör gefunden, sondern nur dadurch
ihre Sache verschlimmert haben, fie, die Unterthanen können
sich durch richtige Schüffe überzeugt halten, daß bei einem zu-
künftigen neuen Ober-Chan die Sachen den nemlichen Lauff ha-
ben werden, den sie jezo haben, daß also sie sich für ihre Per-
fonen nicht verbessern werden; sondern daß ihnen vielmehr auch
als dann nichts übrig bleiben wird, als unter einem despotischen
Joch abermal zu feufzen. Sie daher könnten vielleicht auf
den Einfall gerathen, einen Schach zu wählen, und die Wahl
auf einen von den Söhnen Schachruchs werffen: wenigstens
möchte ein großer Theil der Innwohner solche Gedanken hegen,
und mit demselben wäre einem von Schachruchs Familie schon
geholffen; dann durch ihn und die mit ihm allirten Alfganer
könnte er sich fhon einen Anhang machen, der, wann er anders
Mittel und Wege weiß, zu dessen Unterhalt Geld auftreiben, und
vielen Chanschafften die Spitze bieten dörffe. Das mütterliche
Blut möchte einem von Schachruths Söhnen zu ihrem Recht
gleichfalls behülflich feyn; wann sie ja der unversöhnliche Haß
gegen Nadir, ihrem Groß-Vater, desselben berauben sollte.
Kerin Chan hat zwar auch einen Sohn, der schon über 20.
Jahr alt ist. Man hört aber nicht, daß sich der Vater Mühe ge-
be, für dessen zukünftige Oberherrschafft nach seinem Tode, zu
sorgen. Es würde auch wohl vergeblich fern. Wie in den
letzten Zeiten die Schachs nicht durch das Recht ihrer Geburt
zu ihrer Würde erhoben worden sind, so findet dasselbe noch we-
niger bey den Chanschafften statt. Also hat nach dem gegenwär-
R 3 tigen
134 - -, K. „F-
tigen System der Sohn von Kerim Chan auf die zukünfti-
ge Oberherrschafft keine andere Ansprache, als die ein jedweder
Chan zu haben vermeint; ohne Zweifel wird er im Fall der
Noch die nachgebliebene Reichthümer seines Vaters zu gebrauchen
suchen, und dann wird es sich zeigen, ob ihm das Glück eben
so gut wolle, als günstig es seinem Vater gewesen ist?
Auffer dem Prinzen Schachruch giebt es noch, andere
Competenten zum Persischen Throne, nämlich alle die von Chat-
lahans Nachkommen noch am Leben find. Chaulachan, der
vor dem Abas Kult Beg genannt wurde, war viele Jahre
lang Beherrscher über Tavlischa, und das Tavlischanische
Gebürge, welches sich von der Mogane füdwestlich bis Kes-
kär und Kesmar erstreckt. Seine Vorfahren stammten von
wahrem Schachischen Geblüth , nämlich vom Schach Anu
Schirwan Adil ab, und denjenigen Posten, den Charlachan be-
kleidete, versahen sie beständig. Charlachan starb vor 2. Jahren,
und hinterließ einen Sohn, der eben so, wie der Vater genannt,
und jetzund von dem Gilanischen Chan erzogen wird. Er hin-
terließ auch 5. Brüder, von denen der älteste gegenwärtig Chan
in Tavlischa ist, und Rita Kuli Chan heißt. Dieser hat auch
2. Söhne, von denen der älteste 25. Jahre hat, Haß an Chan
genannt wird, und sich gleichfalls in Rächt aufhält.
Zwey
A, -- „F- g
Zweyter Abschnitt,
Von
der gegenwärtigen
Beschaffenheit Persiens in An-
fehlung der Justiz,
den Persischen Münzen, Gewicht und
Maaß.
V. der gegenwärtigen Regierungsform in Persien habe ich
gesprochen und aus derselben die jetzige Beschaffenheit dieses
Reichs hergeleitet. Man wird sehen, daß sich auch die Ge-
richtsbarkeit in vielen Stücken auf dieselbe gründet.
Die alte von den ehmaligen Persischen Schachs ge-
fifftete Gesetze in weltlichen und geistlichen Sachen, die sich blos
auf die im Koran allen Mahomedanern erheilte Vorschrifft gründen,
find schon seit geraumer Zeit aufgehoben; und gleichwie sich
die vorige nicht aus Schachischem Geblüthe herstammende Schachs
weder nach diesen, noch nach andern schrifflichen Verordnungen,
sondern ein jeder nach seinem eigenen Gutdüncken und Wohlgefall-
len richteten, also thut nun Kerim, und alle übrige Chane auch.
"Dann sie befinden sich bei diesem Corpus juris weit besser, als
bey dem allervortrefflichsten Gesetzbuch. Man wird aber den-
noch vermuthen, es könne wohl nicht anders seyn, als daß auch
bey dieser Art zu richten, eine gewisse Ordnung, ein allgemeines
natürliches Gesetz beobachtet werden müffe. Jedoch man be-
trügt sich, wann man solche Muthmaffungen hegt. Wie in Per-
fien anjezo kein Völkerrecht statt hat, so weiß man auch von
einem Natur-Recht nichts. Dafür hat ein grausamer Seffi
und ein unmenschlicher Madir schon gesorgt, daß sie :
- ihre
- -
136 -, F- „F-
ihre unnatürliche Handlungen die Ungerechtigkeit ihrer Nachfol-
ger bey den zukünftigen Untertharen derselben rechtfertigen.
Wer einer Mordthat, eines Diebstahls oder eines andern
wichtigen Verbrechens schuldig befunden wird, dessen Leben und
Güter stehen in der Gewalt desjenigen Chans, unter welchem
er steht. Die Anverwandte eines mit Gewalt ums Leben gebrach-
ten Menschen bekommen sehr oft von dem obersten Befehlsha-
ber Erlaubniß, sich auf eine ihnen beliebige Art an dem Leben
des Thäters oder sonsten zu rächen, wobey manchmal wunder-
liche Umstände vorzukommen pflegen. Sehr oft dictirt der
Chan die Straffe selbsten, und die gewöhnlichste besteht in der
Bogenfehne und dem Beil. Noch öfters geht es gnädiger zu.
Wer gute Geschenke zu bringen im Stande ist, der kann mit
der Peitsche auf die Fußsohlen abkommen. Mit den con-
fiscirten Gütern eines Uebelthäters, oder anderen aufgelegten
Geld-Straffen, die ehmals in die Königliche Caffe fielen, be-
reichern jezo die Chans die ihrigen; und weil die Geldbegierde
bey diesen Herren bis zur Verabscheuung groß ist, so betragen
die letztere manchmal bei einem kleinem Versehen große Sum-
men. Der Chan von Gilan wollte sich zu einer gewissen Zeit
ein Vergnügen mit Fischen machen, und befahl, den Fluß zu
verdämmen; der Fischer, der feine Sache nicht recht veranstaltet
hatte, mußte für seinen Fehler 50. Tomanen bezahlen. Am aller-
unbarmherzigsten geht es zu, wann einer im Verdacht ist, etwas
gegen die zeitige Beherrscher im Sinn zu haben, oder wann
jemand fich nicht im Stand befindet, die auferlegte Geld - Ab-
gaben zu gehöriger Stunde zu entrichten. Da findet im erstern
Fall keine weitere Untersuchung statt: der als schuldig an-
gegebene wird entweder so gleich feines Lebens, oder doch seiner
Augen beraubt, oder es werden ihm auch Nafen und Ohren
abgeschnitten. Im letzten Fall wird dem saumseligen abgenom-
men, was er hat, und er wird noch überdis mit harten manch-
mal so tyrannischen Leibes-Straffen belegt, daß viele dabey ihr
Leben einbüßen, wie es dann keine seltene Sache ist, daß bei dem
Fußsohlen-Peitschen verschiedene ihren Tod finden. -
In Schuld-Sachen wird nimmermehr darauf gesehen,
daß das Recht gehandhabt werde. Wann derjenige, der die
gerechteste, durch untrügliche Wechsel - Briefe bestätigte Forderun-
- gen
•-A, - „F- 137
gen hat, sich nicht gefallen laffen will, den Lieblingen der Chane
und den Chanen selbsten ansehliche geschenke zu machen, fo
müffen fiel nicht nur viele Jahre warten, bis sie zu dem vier-
ten Theil oder zur Helfe ihrer Schuld gelangen: mehrmalen be-
kommen sie gar nichts. Bei welchen die Chane selbst im Schuld-
Register stehen, die dürffen auf den letzteren Fall sichere Rech-
nung machen. Es ist erstaunend, wie bei einem solchen Verfah-
ren das Ganze leiden muß. Es ist entsetzlich, wie weit die
Ungerechtigkeit getrieben wird. Aber es ist auch unbegreiflich,
wie weit es der Mensch in der Verstellung und in der Verban-
mung aller innerlichen Scham bringen kan; dann dasienige, was
mir heute ein vornehmer oder geringer Persianer öffentlich zu-
gestanden hat, das leugnet er mir morgen rein ab, ohne zu
erröthen. -
Wann es den Chans gefällig ist, sich eine Belustigung
mit der Andictierung unterschiedlicher Straffen zu machen, so
steht es ihnen frey solches ungehindert zu thun. Ich weiß, daß
Leute zu Tode gepeitscht worden, denen man nichts anders als das
Unglück vorwerffen konnte, dem Chan, der die Straffe veran-
faltete, nicht zu gefallen. Bei einem gewissen Spiel, das ich
bey einer anderen Gelegenheit beschrieben habe, befiehlt ein Chan
- manchmal mit Fleiß, daß einem oder dem andern hauptsäch-
lich so zugesetzt werde, damit er auf dem Platz bleiben möge.
An mehreren Beyspielen fehlt es nicht, so gar an solchen, die
die Sitten beleidigen, und damit sie in Europa unbekannt blei-
ben, hier nicht erwehnt werden.
Ist es nun nicht so, daß die gegenwärtige Staats-Ver-
faffung in Persien die wahre Ursache der daselbst herrschenden
elenden Justiz, oder eigentlicher allgemeinen Ungerechtigkeit ist?
An einem Oberhaupt fehlt es. Der dirigierende Chan muß froh seyn,
daß ihn die andere Beherrscher seine Tage im Genuß einer Lüfte unge-
Hindert beschlieffen laffen. Wo soll also der Bedrängte recht erhalten?
Jedoch ich habe zu Ende des vorigen Abschnitts davon mit
mehrerm gehandelt. -
Die Persische Münzen find theils Gold-theils Silber- Beschrei
theils Kupfer-Münzen, beyde sowohl alte, als neue, oder vielmehr bung der
beyde unter einerley Nahmen bekannt, aber nach verschiedenem Persischen
Wehrt bestimmt. Münzen,
Dritter Theil, S Gold
138 -, - -
-
Gold-Münzen sind.
Muhr Afähreffe oder drey doppelte Ducaten, wovon
ehmals das Stück fechs Hazardenaers, die von den Rußen zu
hundert berechnet werden, oder sechs Rußische Rubel kostete: an-
jezo gelten sie 10. Rubel und 11. Copeken.
Afähr effie, oder ein alter Ducaten Schach Nadirs, ein
neuer Ducat, Dito von Mesched, daß Stück ehmahls zu 180.
Copeken; jez und aber auch zwey Rubel, und 2. Rubel 50. Cop,
Schach Sultan - jedes Stück ehmals 210. nun aber
Schach Suliman. 314. Copeck.
Schach Seffe.
Silbermünzen:
Ein Toman, eine eingebildete Münze, besteht aus 10.
Hazardenaers oder Rußischen Rubels.
Ein Sißiddenaer, oder Schis Schachie, war ehmalen
so viel als 30. Copeck und beträgt nun 37, Copeck.
Ein Abas war ehedem 20. Copeck und nun 25.
Ein Siddenaer betrug vor dem 10. Copeck, nunmehr aber
12. -
Ein Schachie kostete 5. und jezo 6 Copeck.
Ein Bistie ist 2. Copeck: diese sind sowohl von Silber,
als Kupfer, eine Käzbekie ist - Copeck, und 5. Denaer find
einem Käzbekie gleich. --
Diese bisher nach ihrem alten und neuen Werth be-
stimmte Münzen sind definvegen doch noch nicht bestimmt genug,
wie die gegenwärtige Persische Beherrscher unter sich durchaus
nicht einig sind, so können sie sich auch in Ansehung der ver-
schiedenen Geldsorten mit einander nicht vertragen; und daß fie
es nicht thun wollen, ist neben der allgemeinen Uneinigkeit ihr
Geiz abermal eine beträchtliche Ursache mit. -
- - Ein jeder Chan münzt sein eigenes Geld. Er setzt dem-
selben einen Werth, wie der kurz angeführte ungefähr ein allge-
meines Muster abgibt: allein der Ducaten, welcher in Gilan für
dritthalb Rubel geht, gilt in Masanderan nur 2. oder auch nur
180. Copeck; der Masanderaniche gilt in Gilan nicht; zu Tav-
ris hat man bey beyden Verlust und mit einem Wort, sobald
man von einer Chanschafft in die andere kommt, so bald '
liehrt
«A, H „z- 139
liehrt man am Gelde. Ich weiß, daß da einmal dem Gila.
nischen Chan bekannt gemacht wurde, es wären in Recht Kauf
leute mit einer ansehnlichen Summe Geldes an Golde angekom-
men, um Seide zu kaufen, der Ducaten auf einmal um 25.
Copeck an seinem alten Werth gefallen, die Kaufleute für solchen
Preis die Seide kauffen, und gleich nach ihrer Abreise erfah-
ren mußten, daß der Ducat wiederum 50. Copeck d. i. zu
feinem vorigen Worth gestiegen.
In Schamachie, Derbent und Baku ist man noch übe-
ler daran ; dann an diesen Orten findet man kein anderes, als
gänzlich verfälschtes Geld. Ein neuer Abas hat daselbst an
innerm Silber - Werth kaum 8. Copeck, und ein halb Rubel-
Stück kaum zwey und zwanzig. Weil nemlich alles Persische
Silber - Geld klein und dick gemünzt ist, so können oben und
unten angebrachte Silber-Blättchen das reine in der Mitte be-
findliche Kupfer verbergen. Man hat in Schamachie bey mei-
ner Anwesenheit den Schaden von diesen Geldsorten in der
Handlung eingesehen, und sie wurden auf die Helfe ihres bis-
herigen Werths heruntergesetzt, wobei auch mir die Ehre ange-
tan worden 75. Rubel zu verlieren.
Das Persische Gewicht in Gilan (30.) besteht aus Beschrei-
zweyerley Batmans. Nach einem wird Seide, Indigo und bung des
Cochenille verkauft, und nach dem andern alle übrige Waaren."
Ersterer, welches so viel als 13 Pfund Rußisches Gewicht aus- Gewichts.
macht: der andere hält 12 Pfund Persisch und 5. Solot-
nik in sich, und ist daher 15. Pfund Ruß. und 36. Solotnik
gleich. Ein Persisches Pfund, welches Pancha heißt, hat 100.
Schach-Solotnik. 100. Persische Solotnik machen 180. Rußische;
ein Solotnik aber auf Persisch lufthal. Einen Bat-
man nennt man auch 200.Dran, mind. 1. Dran ist 6. Solotnik.
107. Muscal machen 1. Pfund Holländisch. 6. Dunkman 1.
Muscal: 4. Karats find gleich 1. Dunk, und 1. Karat 3. Häbbie.
S. 2 Des
go.) Der im Text angeführte Unterschied der Batmans wird in
- ganz Persien beobachtet: allein beide Batmans find an den
verschiedenen Orten Persiens verschieden. Gilan hält unge-
fehr den Mittel-Weg. In Derbent und Ispahan sind sie am
grösten, und in Schamachie und Tavris am kleinsten
M40 -A, - „F-
Das Maas besteht aus zweyerley Ellen; die eine ist
die Schachs-Elle, oder 30. Pariser Zoll und 8. Linien; die an-
dere heißt die Makafar-Elle, und ist einer Rußischen Archine
gleich. Die Breite von 7. Pferde-Haaren ist ein Gersten-Korn;
7. Gersten-Körner find. 1. Daum 32. Daumen machen 1. Schachs-
Elle; 12000. solcher find eine Farfang.
Dritter Abschnitt,
Von der
Gemüths Art und den Tempera-
menten der heutigem Perser.
Von ihren
Körperlichen Eigenschafften, Gesundheit und
Kranckheits-Umständen,
Wie auch von der
Kenntniß, welche sie in Wißen schafften besitzen,
Und von ihrer Kleidung.
D. Aufschrifft dieses Abschnitts lehrer, daß ich, wie in andern
Sachen, also auch bei diesem Artikul von den jetzigen Persern
und ihrer gegenwärtigen Beschaffenheit rede, dann einem Rei-
fenden gehen die alten Zeiten nichts an , und nur als ein
solcher schreibe ich was ich mit meinen eigenen Augen ge-
sehen habe, und wovon ich vermittelt meiner Sinnen, ver-
mittelt meiner Erfahrung überzeugt worden bin. Die Ueber-
einstimmung und den Unterscheid der ältern und neuen Zei-
ten kann man bei einer, auch nur mittelmäßigen Kenntniß der
Geschichte leicht herausbringen.
- Wann
A, F. „F- 14
Wann ich ferner von den jetzigen Persern rede, so
schließe ich bey Erwähnung dieses Nahmens die von Kißlar
bis an die Moganische "Steppe längst, dem westlichen Ufer der
Kaspischen See, und Land einwärts regierende Fürsten aus dem
Persischen Geblüte, aus, deren Nachbarschaft und Verkehr mit
den Gorskischen Tataren, fiel bereits zu Tataren gemacht hat,
wann sie nicht würklich dieses Ursprungs sind. Ich rede von
den Persern als Perfern, und da sich in Gillan und Majendran
von allen Provinzen dieses Reichs Innwohner aufhalten, so bin ich
im Stand, die Perser nach einem allgemeinen Gesichts- Punct
zu schildern; wenigstens getraue ich mir, für eine jede U-
wahrscheinlichkeit Rede und Antwort zu geben.
Die untrüglichste Weise, durch welche wir die Gemüths-
Art der Menschen erforschen können, ist zuverläßig diese , wann
wir auf die Handlungen derselben ein genaues Augenmerk rich-
ten, und zugleich nicht vergeffen, auch auf uns selbsten und
auf die Gedanken, die bey der Betrachtung anderer in uns vor-
gehen, Achtung zu geben. In dieser Verfaffung will ich sehen,
ob ich hinter den Charakter der Perser kommen könne? -
Es ist dieser Nation eigen, gegen jedermann höflich zu
fyn, verschwenderische Versicherungen ihrer Freundschaft von sich
zu geben, sich durchaus gastfrey zu bezeugen, dabey aber sich
eine folche Ehre anzumaßen, daß man bald erkennen kann, die
erwiesene Wolthaten stammen nicht sowohl aus einem edlen Her-
zen, als vielmehr aus anderen Absichten her. Die gewöhnliche
Höflichkeit der Perfer besteht in einer Auswahl schmeichelhafter
Worte, mit welchen fiel die Herzen anderer an sich zu ziehen
suchen, in übertriebenen Lobes-Erhebungen, womit sie andere
überhäufen; ihr Körper bequemt sich zu solchen Gebärden, und
ihr Gesicht legt sich in solche Falten, daß das ganze äußerliche
Ansehen mit dem reizenden Klang ihrer Worte eine vollkomme-
ne Harmonie bekommen soll: sie werden bey gewiffen Gelegen-
heiten ungemein freigebig, sie bewirthen gerne; aber fe zeigen
bey allen diesen Umständen, daß sie höflich fern, entweder
um sich einen Nahmen zu machen, oder dadurch für sich oder
für andere, und deren Vortheil sowohl als Schaden, etwas aus-
zuführen. Die Auswahl der Worte besteht Z. E. darinnen, daß
fie einem Gast sagen können, ein Platz fey bis hieher leer ge-
wesen: ohne ihn habe eine dicke Finsterniß geherrscht, und nun
S 3 fey
142 -, - „A-
fey eine helle Lampe aufgesteckt; sie nennen einen wohl hundert-
mal willkommen; sie preisen des Gasts fürtreffliche Eigenschaf-
ten, wann sie ihnen gleich nicht bekannt sind, und wann er auch
keine besitzt; sie belegen ihn wohl mit dem Titul eines auserle-
fenen Menschen; sie verherrlichen ihn als den Schmuck, den
Glanz und die Zierde seines Geschlechts. Alles dieses sagen
fe aber bei einer jeden Visite zu verschiedenenmalen, und
demjenigen, der diese Schmeicheleien anhören muß, warhaftig
zum Eckel. Indem sie ihm ihre Freundschaft anbiethen, so
biechet ein Haus-Wirth-Haus und Hof, und ein Regent seine Pro-
vinz an, mit dem Beyaz, sie wäre nun nicht mehr sein, sondern
der Gast habe damit zu schalten und zu walten, als wann alles
schon lange ein anererbtes Eigenthum gewesen wäre. Ich konn-
te mich einmal, da ich eine Reise von etlichen Wochen in den
Gilanischen Gebürgen hat, und mir so viele Dörfer angeboten
waren, nicht enthalten zu fagen, es wäre mir nur bange, wo
ich Pferde auftreiben könnte um so viele Sachen fort zu brin-
gen. Sie beehren einen Fremden gern mit ihrem Besuch; aber
indem derselbe zu oft wiederholdt wird, rauben sie ihm auch
viele Zeit. Ihre Gaffreyheit erstreckt sich so weit, daß ein je-
der Fremder, er mag bey nahe feyn, wer er will, weder für
Quartier noch für effen und trinken zu sorgen hat. Da es in
Persien keine Herbergen gibt, wie in Europa, so dienen statt
derselben auf den öffentlichen Land straffen die von mir mehrmals
erwähnte Karawan-Saraien, allwo ein Reisender einen Ort zum
Ausruhen und auch meistens ein hinlängliches Nachtlager antrifft.
Gemeine Leute finden in den Städten und Dörfern Brod, Milch,
Käse und Reißgrüze : wann man ihnen diese Nahrung auch
gutwillig versagen wollte, so wissen sie wohl auch mit Gewalt dazu
zu gelangen. Vornehmere, wann sie mit einem Certificat des-
jenigen Regenten, in dessen Landschaften sie reifen, versehen sind,
werden nach ihrem Stand bewirthet. Ihre Freigebigkeit zeigt
sich in prächtigen Gastmahlen, die mit Verfaz angestellt werden,
und in mäßigen Geschencken, die gemeiniglich in einem Pferd
und Kleidern, nach Persischer Mode verfertigt, bestehen. Aber mit
allen diesen Freundschafts-Bezeugungen ist es den Persern kein
wahrer Ernst. Wann man ihre Complimente nicht noch über-
triebener beantwortet, als sie solche verschwendet haben, so zeigen
fie deutliche Merckmale einer höhnischen Verachtung, und beweisen
da-
-, - „f- I43
dadurch deutlich, daß sie nur gelobt haben, um noch mehr ge-
lobt zu werden. Wann sie einem Haus und Hof anbiethen,
und man ist genöthiger, sie nur wegen der geringsten Sache um
ihren Beystand zu bitten, so versprechen sie zwar noch immer
frisch weg, aber sie haben nicht im Sinn, das geringste zu hal-
ten, welches man beim Ausgang der Sache zu seinem Schaden
erfährt, wenn man ihrem Versprechen geglaubt hat. Wann fie
sich auch würcklich auf das äußerste angreiffen, die Gesetze der
Höflichkeit zu beobachten, so geschieht es nicht aus einem wah-
ren Freundschaffts-Trieb, sondern sie wollen dadurch entweder
ihren Nahmen erheben, oder sie verlangen von demjenigen, Ge-
gen den sie sich höflich bezeugen, zu gleich, daß er durch ge-
schenke oder einen anderen Dienst sich auf feiner Seite gegen
dieselbe einstelle, um dasjenige dadurch reichlich ersetzt zu bekom-
men, was an ihn von ihrer Seite verwandt worden ist.
Aus diesem schlieffe ich billig, daß die Höflichkeit der
Perfer eine Würkung von ihrer Ehrbegierde und Eigennuß fey.
Zugleich aber bemerke ich zum voraus, daß darunter auch schon
ein mercklicher Grad von Verstellung verborgen liege.
Wie die Ehrbegierde, wann sie nur in dem äußerlichen
besteht, und auf keine innerliche Genugthuung gebauet ist, einen
gebahnten Weg zum Stolz und Hochmuth abgibt, also konnte es
nicht anders feyn, als daß sich dieses leztere Laster der Perfer
vorzüglich bemächtiger hat. Sie sind diejenige, welche alle an-
dere Menschen, von welcher Nation sie auch feyn, in Betracht
ihrer selbst, verachten. Sie allein glauben fich weise, und wann
fie gleichwohl den Verfall, in welchen das Iranskische Reich
feit vielen Jahren von außen und innen gerathen ist, nicht
gänzlich leugnen können, so schreiben sie die Schuld dem unver-
meidlichen Schicksal, welches bey allen Gelegenheiten herhalten
muß, zu, und vermuthen in sich nichts destoweniger den Stoff
zu einem solchen Adel zu besitzen, der den Eigenschaften aller an-
dern nicht Kyfilbasisch gebohrener Menschen Troz bieten könne.
Sie find es, die diese Gedanken, die in ihrem innwendigen so
feste Wurzel gefasst haben, bei allen Gelegenheiten frei heraus
fagen, uud sich recht befleißigen, dabey eine besondere Auswahl
hochtrabender Worthe zu gebrauchen, um dadurch ihr Ansehen
zu vergrößern. Da es ihnen aber an wahren Gegenständen fehlt,
- - - - die
144 «A, z. „A-
die den Ruhm unpartheyscher Richter verdienten, so sind es nur
elende, nur dem äußerlichen Anfehn nach rühmliche Dinge, welche
den Zunder zu ihrem Stolz abgeben, und solchen unaufhörlich
erhalten. Ein Perser ist stolz, weil ihn sein Geld und Anhang
in den Stand fest, Herr über die Herrschaft seines Neben-Men-
fchen zu werden. Er ist stolz, und rühmt gegen andere feine
Wissenschaften wann es ihm glückt, einen andern durch feine List
zu hintergehen. Der reiche ist stolz über seine Reichthümer,
ein mittelmäßiger und Armer aber dünkt sich nicht weniger zu
feyn, wann er am Feyertage in einem feiertäglichen Kleid erschei-
nen kann. Ein Perfer ist stolz, wann er einen andern, es
mag dann dieser auch ein Persianer feyn, oder nicht, auf eine
solche Weise beleidiget zu haben glaubt, daß er dadurch seiner
stolzen Leidenschafft etwas zu gute thun kan; so, wie er im Ge-
gentheil äußerst erbittert, und manchmal rasend wird, wann diese
die geringste Hinderniß in ihrem Lauff dulden muß. Anderer
Arten des Persianischen Hochmuths, welche in dem angeführten
ihren guten Grund haben, gedenke ich nicht.
Wie der Stolz die Verachtung des Neben-Menschen zu
feinem hauptsächlichen Augenmerck hat , so finnt ein stolzer
Mensch auf nichts anders, als auf Gelegenheiten, seinem Neben-
menschen zu schaden. Mit nichts kan man diese Absicht beffer
erreichen, als durch den Betrug: und nichts macht den Betrug
unkenntlicher, als die Verstellung des Herzens. Wird man sich
wohl wundern wann ich bey dem Character der Perfer ihrer
Arglistigkeit gedenken muß? Derjenige ist unter ihnen weise,
welcher die Kunst recht versteht, andere zu betrügen. Derjeni-
ge hat unter den Weisen einen Vorzug, der diese Kunst überall
anzubringen weiß; gleich als wann Uljahummed, der feine Lehre
durch nichts, als eine aufs äußerst getriebene List so sehr ver-
breitet hat, die Nothwendigkeit sich zu verstellen, als den rich-
tigsten Weg, glücklich in dieser Welt feyn zu können, mit feinem
Beyspiel angerühmt; gleich als wann er sie mit seinem Tod
bekräftiget hätte! Ja ein heuchlerisches arglistiges Herz, das
mit dem Mund die leutseligste Honigsüße Worte von sich gibt,
nährt in seinem Busen nichts als lauter gefährliche Räncke und
den teuflischen Trieb, jedermann zu schaden. Ein Perfer ist
bis zur Niederträchtigkeit höflich, wann er den Beyfand eines
andern gebraucht, so bald er aber feiner nicht mehr nöthig hat,
fo
A, H „F- A4%
so bald weiß er von seinem Freundschafts-Versicherungen nichts
mehr, wann er fiel auch bei dem Nahmen seines Ali zugeschwo-
ren hat: er vergißt auch alle Dienste, die ihm geleistet worden.
Er folgt seinen verderbten Neigungen; und eben derjenige, den
er vorzüglich lieben sollte, wird ein Gegenstand seines Haßes.
Wann fich ein Perser am aller freundschafflichsten, wann er sich
vertraut anstellt, so hat man sich vor ihm am meisten in acht zu neh-
men; denn alsdann geht er mit einer Boßheit schwanger, die er
unter dem heuchlerischen Deckmantel der Freundlichkeit ausüben
will. Verschwendet ein Perfer feine Höflichkeit nach den Gesetzen der
Politick, nöthigt ihn nehmlich ein Fall, Complimente zu machen,
so habe ich schon gesagt, daß er diese Kunsttreflich verstehe, allein,
feine Worte find und bleiben nur Complimente.
Die Unbeständigkeit ist der andere Character, der den
Persianern eigen ist. Ich glaube, man kan sie von ihrer Ver-
stellung herleiten. Ein Heuchler ist nicht im Stand, sich felbsten
zu trauen, und aus eben dem Grund muß er in allen seinen
Sachen unbeständig sein. Er nimmt sich heute vor, dieses oder
jenes auszuführen, allein gleich wie er gegen andere niemalen
fein Wort hält, so verleitet ihn eben dieser Trieb, solches auch
gegen sich selbst nicht zu halten; dann da ein ganzes Herz voll
Falschheit ist, so muß es auch falsch gegen sich selbst seyn. Die
Unbeständigkeit der Perser kommt also nicht sowohl daher, daß
fie aus Mangel einer genungsamen Kleberlegung an die Unter-
nehmung dieser oder jener Dinge gedenken, davon aber, nachdem
fie weiter nachgedacht haben, wieder abstehen; man muß diesel-
be der Unrichtigkeit des Herzens zuschreiben, das von dem
wahren Adel der Seele so entfernt ist, daß ihm die Aufrichtig-
keit, das zuverläßigste Kennzeichen eines rechtschaffenen Men-
fchen ein Räthel, eine Chimäre zu seyn dünckt.
. Der Zorn und die Grausamkeit der Persianer ist eine
Würkung ihres Stolzes. Wie sie nur darnach trachten Macht,
Ansehen, und Geld zu erlangen, als aus welcher letzteren
Begierde ihr erstaunender Geiz, von dem ich sogleich reden wer-
de, herrührt; so geräth ihr Gemüth in die äußerste Erbitterung,
wann einer dieser Absichten die geringste oder eine erheblichere
Hinderniß in den Weg gelegt wird. Es ist erschrecklich, wie
weit sich ein Mensch von der Menschlichkeit entfernen kan; aber
man sehe nur einen erzürnten Persianer. Auffer der Gestalt ver-
Dritter Theil. T schwins -
46 «A, H „s
schwindet alles Menschliche an ihm. Gott, sich und feinen Näch-
fen lieben, ist eine Pflicht, die uns die Natur auferlegt. Die
selbe ist der Grund der Christlichen Religion, und sie ist es da-
her, die uns der Erlöser bei allen Anlegenheiten anpreise.
Sie beglückt den Christen, und schenkt ihm Zufriedenheit.
Unglückliche Mahumedaner, die ihr die wahre Glückseeligkeit
miffen müßet, und die ihr krafft der verkehrten Grundsätze, wel-
che euer betrügerischer Lehrer in eure Seelen eingeflößt hat, die
Rache als etwas süßes anzusehen gewohnt feyd!
Der Zorn und die Grausamkeit herrscht bei allen durch-
gängig, von dem größten bis zu dem kleinsten, und dieses Laster
zeiget sich unausbleiblich, wo nur Gelegenheit vorhanden ist, fol-
chem feinen wütenden Lauff zu laßen.
"Man laße zwey gemeine Persianer in einen kleinen
Streit gerathen, den meinetwegen ein Wortwechsel, eine etliche
Kopeken werthe Sache, ein Pferde-Futter oder sonst eine
andere Kleinigkeit verursacht haben mag, man wird sehen, daß
fie wie ergrimmte Wölfe auf einander zufahren, ein Geschrey an-
fangen, als wann der Untergang der Welt bevorstünde, sich
jämmerlich unter einander prügeln, und nicht eher den Lärmen
endigen als bis sie dazu durch den Mangel der Kräffte genöthi-
get werden. Ein Gewaltiger streitet wieder einen andern Gewalt-
tigen aus keiner andern Urfache, als weil er glaubt mächtiger
zu feyn. Es gelingt ihm zu siegen. Was erfolgt darauf,
Nichts als entfzliche Geld-Erpreffungen, die bis aufs äußerte zu
treiben die Mahumedanische Religion erlaubt, Plünderungen,
Blutvergieffungen, Nasen und Ohren abschneiden, Augen ausfie-
chen, grausame Todes-Urtheile. Was der Sieger nicht selbsten
zu vollziehen befiehlt, das thun seine Soldaten für sich, und
kein abscheulicher Anblick, kein Mitleiden hat einen rührenden
Eindruck auf die Felsenharte Herzen dieser barbarischen Leute.
Man sehe zurück in die Zeiten Schach Abas des ersten. Man
bedenke das Joch, fo Tähnmas Ruli Chan feinem Volk auf
gelegt. Man betrachte das Blutvergieffen, welches von feinem To-
de an bis zu der im Jahr 1762. dem äuerlichen Schein nach
durch Kerim Chan hergestellten Ruhe, unaufhörlich gedauert
hat. Weiffen Herz noch nicht ganz. Diamanten hart geworden
ist, oder beffer gesagt, wer kein Persianisches Herz hat, der
wird bei der Beherzigung dieser Umstände einer besonderen über
- - - dem
<>A, J. „Es 147
/
dem menschlichen Verderben rege gewordenen Empfindung gewahr
werden. Der Zorn und defen abscheuliche Geburt, die Grau-
famkeit, find das verabscheuungswürdige Mittel, wodurch die ge-
waltigen ihre Unterthanen, und die Vornehmen die Geringere
unter den Persianern im Zaum halten. Um die Unterthanen
auffer Stand zu setzen, fich zu empören, benehmen ihnen die Re-
genten von ihrer Habseligkeit, ohne Mitleiden so viel, daß sie
von dem nachgebliebenen Rest kaum noch das Leben behal-
ten. Statt sie zu ihren Pflichten durch Wohlthun zu er-
muntern, müffen jährlich ein paarmal derbe Schläge auf die
Fußsolen, die Stelle desselben vertreten. * Dieser und anderer
empfindlichen Leibes-Straffen bedient man sich, um sich bei der
geringsten Gelegenheit zu erkennen zu geben: dann größere Fehler
werden unvermeidlich mit dem Tod bestraft. Dem Beyspiel der
Regenten folgen die Vornehmen, und erhalten sich dadurch in
Furcht. Es ist andem, daß das erstaunende Verderben, wel-
ches in ganz Perfien herrscht, ein strenges Regiment bey nahe
nothwendig gemacht hat; dann läßt man dem elendesten Per-
fer nur ein wenig zu viel Willen, so ist es leicht geschehen,
daß auch sein beständig im verborgnen loderender Stolz und
Zorn in lichterlohe Flammen ausbreche, und sich zu erst an fei-
nem Oberbefehlshaber, dem er gezwungen gehorcht, räche: da
es aber mit der Sache solche Beschaffenheit hat, so ersieht
man daraus bey der Grausamkeit die Allgemeinheit dieses Cha-
racters unter den Persern: und denselben zu verbeffern, steht in
keines Menschen Gewalt. Man sollte dencken, daß Bluts-Verwand-
te, Eltern und Kinder, Geschwister und so w. dem Zorn
und feinen Folgen unter fich keinen Raum vorgönnen würden.
Allein nichts weniger, als dieses, die blutigsten Händel find
diejenige hier am gemeinsten, welche die nächste Bluts-Verwand-
te untereinander führen. Kerim Chan ließ seinem nahen
Verwandten, der ihm große Dienste geleistet hatte, Tschich Ali
Chan, die Augen ausstechen, damit er nur nichts von ihm zu
befürchten haben möchte. Bey angesehenen und weniger bedeu-
renden Personen ist es eben fo: dann den Persern fehlt die Lie-
be,
- Des Persischen Geizes habe ich schon mehrmalen ge-
dacht. Das ist ihr einziges Dichten und Trachten, Schätze zu
fammlen, um dadurch nie zu werden. Darauf finnt der
2, PO's
348 «R, - „Fe
vornehmste, bis zum geringsten, und keine Handlung ist ihm zu
niederträchtig, wann er nur eine Absichten erreichen kan.
Der Erpreffungen, welche die Regenten befehlen, habe
ich schon oft erwehnt. Eben diese Herren und sowohl ihre Vor-
nehmere als geringere Unterthanen sind auffer dem, daß sie
Soldaten-Dienste versehen, insgesammt Handels- Leute ; wer
den andern am feinsten betrügen kan, der ist der verständigte
Handelsmann; dann er wird dadurch reicher. Wer Geld auf
borgt, der denckt felten daran, es wieder zu bezahlen. Aus-
wärtige Kaufleute, die ihre Waaren absetzen, find froh, wann sie
nach Jahr und Tag zu ihrer Foderung gelangen. Den ihrigen
nehmen die vornehmen solche mit Gewalt weg, und find wegen
der Bezahlung, unbekümmert. Ist der Regent einer Summe
Geldes benöthigt, so erhöht er den Werth feiner Münze, und fo-
bald fiel bey einander ist, so setzt er fiel wieder herunter. Alle
mir bekannt gewordene Beyspiele der Perstanischen Habsucht,
mit welcher ein jeder Iranskier gebohren zu werden scheint,
zu erzehlen, würde zu weitläuffig und auch unnöthig feyn; ge-
nug, daß man weiß, die Perser fehn geizig, sie seyn es in
aufferordentlichem Grad, und sie feyn es deswegen, weil fie
glauben, alles Anfehn und alle Glückseligkeit bestehe in dem
Befiz der Güter dieser Welt. -
Bisher habe ich von der Ehrbegierde, dem Stolz, der
Falschheit, der Unbeständigkeit, der Grausamkeit und dem Geiz
der Perfer gehandelt, und bei dem Anfang dieses Abschnittsha-
be ich auch ihrer Höflichkeit gedacht, und sie aus guten Grün-
den dem Eigennutz und dem Ehrgeiz zugeschrieben: bisher gab
ich also keinen Panegyristen dieses Volks ab: follte ich es noch
werden, so müßte ich ganz andere Erfahrung haben.
Die Perfer find von einer hitzigen Complexion, und
ihr vornehmstes Temperament ist unstreitig das Cholerische.
Man fieht dieses deutlich aus ihrem Ehrgeiz , ohngeachtet
folcher einen falschen Gegenstand hat, dann er ist von dem
Stolz fast nicht unterschieden: man sieht es auch aus ihrem
zornigen und grausamen Wesen. Ein Cholerischer sucht immer
den Vorzug einem andern streitig zu machen. Ein Cholerischer
zeigt sich muthig mit dem Schwerdt an der Spitze einer Ar-
mee. Ein Cholerischer vertheidiget fein Lehrgebäude gegen die
Einwürffe seiner Gegner beherzt: aber ein Cholerischer füh-
Test
2. - - 149
ret auch eine Bande kühner Mörder und Straffen-Räuber an.
Die Temperamente und die Verschiedenheit derselben gründen
fich nach meiner Meinung auf bloffe körperliche Ursachen, auf
eine besondere Mischung der in den Säfften enthaltenen Be-
fandtheile, und auf das Verhältniß derselben zu den festen Thei-
len der menschlichen Machine. Aber diese körperliche Ursachen
würken so sehr auf den unkörperlichen Theil des Menschen, daß -
es bey nahe scheint, er richte sich nach denselben. Es wird ei-
ne Canone in der Nachbarschaft eines Phlegmatischen Menschen
von dem Feind, als ein Zeichen seines Angriffs abgefeuert. Je
ner besinnt sich, ob er von seinem Lehnstuhl aufstehen, und
entfliehen soll. Der Cholerische hört von weitem eine ihm dro-
hende Gefahr; aber er bleibt nicht lange fitzen, sondern gürtet
feine Lenden, und setzt sich als ein Held in den Stand der Ver-
theidigung. Die Säffte des Phlegmatischen haben einen Ueber-
fluß an Waffer, und seine feste Theile find schlapp, dann sie
bekommen eine wäßerige Nahrung. In demjenigen Theil des
Menschen, wo die Seele ihre größte Krafft ausübt, da meyne
ich, wo sie denkt, werden die nach derselbigen Stelle getriebene
wäfferige Säffte und davon schlapp gemachte feste Theile auf
das unkörperliche Wesen keinen andern, als einen schwachen Ein-
druck machen können; wie solches durch den ganzen Körper die
Unwirksamkeit eines wäßerigen Gesellschafters zu erkennen gibt;
also zeigt auch feine edelste, eine denkende Eigenschafft eben die
jenige Verbindung an: und daher bleibt ein Phlegmatischer fit-
zen, wann nahe bei ihm die feindliche Armee zu donnern an-
ängt. -
fäng Die Säfte des Cholerischen haben wenig Waffer, wenig
grobe Erde, mehr von dem brennbaren Wesen; und ziemlich
viel Eisen. Seine feste Theile sind stark, dann fiel genießen
eine ansetzende, fandhabende Nahrung: dahin also, wo die
denkende Seele ihren Sitz hat, kommen electriche Materien,
das unkörperliche beständig geschäfftige Wesen wird mehr geschäft
tiger, und ein Cholerischer rennt über Berge und Thäler, rüstet
fich, flieht entweder bei Zeiten, oder biethet feinem Wiedera-
cher die Spitze. Diese Begriffe habe ich voraus gesetzt, in der
Absicht zu zeigen, daß ein Cholericus aus körperlichen Ursachen
ein Chlericus fey. Nun kommt es darauf an, wie ein Chole-
rischer, als Cholericus handelt. Das Grundwesen des Chole-
T. 3 - rischen
750 «-A, - „H-
rischen besteht in einer hitzigen Complexion. Nach derselben
wird er alle Sachen, die er zu unternehmen hat, mit einem gs-
wiffen nach den Umständen mehr oder wenig gemäßigten Feuer
angreiffen. Er wird aber nicht nur einen bloßen Angriff wa-
gen, sondern auch von seinem Unternehmen nicht eher abstehen, bis
er von der Unmöglichkeit, solches auszuführen, überzeugt ist.
Man kan ein Feuer in löblichen und tadelhaften Dingen an den
Tag legen; dann ich habe schon gesagt, daß tapfere Feldherren
und Anführer von Räuber-Comploten Choleriker seyn müffen.
Nun wollen wir sehen, auf was für eine Weise die Perser ihr
Cholerisches Temperament gebrauchen. Die Sache wird durch
das vorgehende bald entschieden feyn.
Alle Reiche der Welt, selbst die mächtigsten und dieje-
nige, die den andern Troz bothen, find von undenklichen Zei-
een her den wundersamsten Veränderungen unterworffen gewe-
fen. Endlich mußte sich die Republicanische Verfaffung des
Römischen unter den Zepter des Julius Cäsars demüthigen,
und sich von ihm Monarchisch beherrschen laßen. Epaminondas
fahe den bevorstehenden Untergang seiner Thebaner ; allein
fo weise und so tugendhafft er auch immer war, so konnte er
denselben dannoch nicht verhindern. Kaum war Alexander, der
Macedonier, mit Griechenland fertig, so gieng er über Nato-
lien auf Persien los, und die Kriegs-Macht des Darius konnte es
nicht verhindern, daß er nicht über dieses Reich vollkommen
Meister worden wäre. Wenn wir alle berühmte Veränderungen
der Reiche mit einem aufmerksamen Auge betrachten, so finden
wir daß eine geraume Zeit vorher, als dieselbe zu ihrem würk-
lichen Ausbruch gekommen, die Herzen der Menschen verdorben
gewesen sind. Bald der Mangel der Vorsichtigkeit, bald Hoch-
muth und Schwelgerey, bald das Uebergewicht mit Vorurtheilen
und Betrug angefüllter Personen, bald andere Ursachen machten
jedesmal einen gebahnten Weg zu dem Gewitter, welches sich
nach und nach in finstern Wolken über die Provinzen zusammen
zog, und als dann mit verstärkten Kräfften wüthete, wann es
zum Ausbruch gekommen war. Nicht ein Fehler, sondern eine
Kette an einander hangender, und aus einander entspringender
Thorheiten war es, die in alten und neueren Zeiten das gegen-
wärtige in Persien herrschende Elend erregt hat, welche den
Iranskischen Thron jetzt in die Hände eines Helden, ein anders-
mas
•A, L. „F- 15
mal in die Hände eines rauberischen Eroberers überlieferte, wes-
che endlich das Zepter von diesem Reich gänzlich entwandte, und
es kläglicher zertheilte, als der Anbetungswürdigte Oberherr
mit dem Salomonischen zu thun in seinem gerechten Zorn be-
fchloßen hatte. Das Herz der Perfer war verdorben, und war
es schon in einem großen Grade, als der unglückliche Huffin
Shach. Mir Machmud, dem Afgahner, den Königlichen Feder-
busch an seinen Turban befestigen mußte. Dazumal fehlte es
ihnen hauptsächlich an nöthiger Klugheit, und dem Hof an ge-
treuen Ministern. Die Perfer waren verdorben unter der Regie-
rung des Schachs Thanas; dann ohngeachtet es scheint, die
Verjagung der Afganer, die oftmalige Demüthigung der Tür-
ken, und die in den innern Theilen verschiedentlich gestillte Unru.
hen, lauter Umstände, die unter derselben vorgefallen, feyn Merk,
male von einer Verbefferung des Reichs, umd also auch ihrer Sit-
ken gewesen; so hat doch der Erfolg bewiesen, daß die göttliche
Vorsehung alles dieses nur zugelaffen habe, um bald darauf
dieses lasterhafte Volk durch die Tyramey des UNadirs zu züch-
eigen. Die blutige, kurze Regierungen der Gebrüdere Adil
Schachs umd Ibrachim Chans, die darauf erfolgte Unruhen, und
Trennung beweisen fiel wohl was anders, als daß die Per-
fer in ihrem Elende noch gar nicht über dasselbe aufmerksam
worden, noch nicht über die Ursachen defelben nachgedacht, und
also auch noch keinen Weg gefunden haben, fich von demselben
zu befreien? Und damit ich einmal zum Schluß komme, sieht
man nicht deutlich, daß ihr Cholerisches Temperament, ihr schon
lange verderbt denkendes Wesen auf eine sehr unglückliche Wei- .
fe bestimme, daß sie ihr Feuer blos dazu gebrauchen, um ihr
Anglück zu vergrößern, und daß es daher ein Laster fey, deß sie
fich bei allen ihren Handlungen theilhaftig machen, als einer
Quelle aus der sie immer neuen Zufluß erhalten.
Neben dem Cholerischen Temperament besitzen die Per-
fer auch eine ziemliche Dofin von dem fanguinischen. Entweder
agiert das Haupttemperament, oder sie find aufgeräumt. Sehr deut-
lich konnte ich eine Melancholische Mischung des Bluts anmerken,
und, wo fiel mir vorkam, war sie wieder natürlich. Von dem
Selbstmord hat man deswegen in Persien nur sehr wenige
Beyspiele, und bei denjenigen, die man hat, ist man genöthiger,
die
152 •-A, - „F-
die Ursache einer Cholerischen Raserei zuzuschreiben. Das fan-
guinische Temperament ist eben so wie das Cholerische allgemein;
der reiche ist lustig bei seinen Reichthümern, und der Arme grämt
sich bei einer Dürftigkeit auch nicht; nicht, als wann er zu-
frieden wäre, sondern weil ihn körperliche Eigenschafften lustig
machen. Man fieht manchmal, daß diejenige, welche sich eben
auf das fürchterlichste mit einander herumzankten, bald dar-
auf ausgelaffen aufgeräumt sind. Aus dieser Veränderlichkeit
läßt sich eine Harmonie mit der schon angeführten Unbeständig-
keit der Perfer bemerken. Veränderlich höflich und unbestän-
dig seyn, ist einem fanguinischen Temperament eigen. Ein San-
guineus verspricht gern und viel, aber er hält wenig. Warum
kan man so leicht die Freundschaft eines Franzmanns erhalten?
warum hält es so schwer, bis man das Herz eines Britten ge-
winnt? aber warum kan man auch auf dasselbe in allen Fällen
ficheren Staat machen? Weil den Persern der Gebrauch eines
wahren Vergnügens unbekannt ist, so sind es nur elende Gegen-
fände, mit denen sie sich belustigen. Sie find gewohnt, viel zu
fingen, sie mögen allein seyn oder in Gesellschafft; aber für ei-
nen andern, der zuhören muß, gereicht dieses Vergnügen zu ei-
ner Beschwehrde: dann das fingen eines Persers ist nicht ton-
mäßig, immer gleichlautend, und daher für ein europäisches,
nur ein wenig musikalisches Ohr etwas unaußstehliches. Sie
balgen sich mit einander scherzhaft herum, und versuchen da-
durch ihre Stärke. Diejenige, welche am Wein und andern
hitzigen Getränken Geschmack finden, hören nicht eher auf, sich
derselben zu bedienen, als bis ihnen die Trunkenheit die Krafft
benommen hat, weiter zu trinken. Da ihre Zechereyen nur des
Nachts angestellt werden, so dauert ihr Lärmen bis zum An-
bruch der Morgenröthe, welche fie nöthiget, auszuschlaffen, das
mit nicht jedermann ihre saubere Lebens-Art erfahre. Bey
demselben erscheinen auch in vornehmen Gesellschafften ihre Mu-
ficanten; Auswärtige werden sich aber an ihrer Kunst eben so
wenig ergötzen können, als an ihren Sängern. Jedoch von der
Persischen Musik werde ich bei einer andern Gelegenheit etwas um-
fändlicher handeln können. In nichts zeigt sich das sanguinische
Temperament der Perser deutlicher als in der Begierde zu den
fleischlichen Lüften. Ein Perser glaubt deswegen hauptsächlich
auf der Welt zu seyn , daß er dieser freien und ungehin-
- derten
A, S. „F- 153
derten Lauff laße. In der Befriedigung derselben sucht er sein
vornemstes Vergnügen: ja weil er glaubt, daß der Genuß des-
felben von dem Bewußtseyn der Menschlichkeit in diesem Leben
ohnmöglich getrennt werden könne, so gibt er vor, daß ein Pro-
phet Ulahomed aus diesem Grund von Gott befehliget worden,
die Lehre, welche Jesus gepredigt hat, zu ändern, und aus
derselben eine solche fest zu setzen, die der menschlichen Natur
angemeffener wäre , nachdem der Meßias schon zuvor das
Mosaische Gesetz, als welches gar zu strenge Vorschrifften ent-
' aufgehoben habe. Wie nun ein Perfer vermöge seiner
eligion berechtiget ist, den fleischlichen Leidenschafften nachzuhän-
gen, also weiß er dabey keine Maas zu gebrauchen. In dem
folgenden Abschnitt werde ich der Hochzeits-Ceremonien und der
Concubinen erwähnen, welche sich die Perfer neben den ange-
trauten Frauen beylegen. Man erstaunt über die Anzahl bey-
der, die der Luft eines einzigen Manns zu Befehl stehen müffen,
und ein Gegenstand einer unbändigen Eifersucht werden. Das
wahre Reizende einer ehlichen Verbindung ist einem Perfer un-
bekannt: feine Triebe sind blos thierisch, und diese toben so lang,
bis er denselben vor der Zeit alle Kräffte aufgeopfert hat, in
welchem Fall treibende Mittel zu größern Schaden der Ge-
fundheit herhalten müffen, um den bereits versiegenden Brunnen
nach ihrer Einbildung zu erfrischen; wie dann ihre meisten Ar-
zeneyen von dieser Art find, und wie ich mich wohl erinnere,
daß mir bey meiner Perianischen Reise lauter solche Hülfs-Be-
dürftige Patienten vorgekommen sind. Das weibliche Geschlecht
ist für die ausgelaffene Triebe der Perser nicht hinlänglich. Sie
halten auch vielfältig mit dem Vieh zu und die Knaben-Schän-
derey ist überall im Schwang, daher die Lesgier die geraubten
jungen Georgianer bei ihnen gut abzusetzen wissen, dann es wird
mancher, wann er jung und schön ist, für tausend Rubel ver-
kaufft.
Also agiert auch das fanguinische Temperament auf feine
vorrheilhafte Weise bey den Perfern, oder sie gebrauchen es
eben fo schlecht, wie ihr Cholerisches: und wegen diesem gedop-
pelten schlechten Gebrauch liegt die ganze Nation in einem solchen
Verderben, welches ihr über kurz oder lang den völligen Garaus
machen muß, wann sie nicht bald so glücklich ist, aus ihrem
langen Schliff zu erwachen. -
Dritter Theil. U - Die
154 «A, I. „H
/
Die Perser find von groffer Statur, und corpulent.
Ihre Farbe ist weiß bräunlich, jedoch die Schiraffer, die Inn-
wohner zu Kandahar, und alle, die nahe an den Gränzen von
Indien wohnen, sehen schwärzlich aus. Sie haben schwarze
Haare, eine hohe hervorragende Stirne, schwarze Augbraunen,
schwarze und blaue Augen, eine Habichts-Nase, volle Baken, und
ein großes Kinn. Ihr Angesicht ist länglich, und hat viel
reizendes. Ihr Hals ist lang. Ihre Ohren filzen nicht wie
bey uns an dem Kopf feste, sondern hangen gemeiniglich herun-
ter, woran ihre schwehre Müzen, die sie zu tragen pflegen, und
die sie nimmermehr von dem Kopf abnehmen, vernuthlich mit
fchuld find. Die Araber besitzen Ohren, die sowohl eine anseh-
liche Gröffe als Breite haben, und die so straff, als ein ausge-
spanntes Segeltuch befestiget find; es ist aber nicht andem,
daß sie mit denselben einige Bewegung machen, und also auf ei-
ne vielfältige Art die Straten des Schalls auffaffen könnten;
als wovon ich hinlänglich überführt zu werden Gelegenheit ge-
habt habe. Alle Perfer haben, mehr oder weniger merckliche,
fähiefe Beine, welches von ihrem sitzen komt, da sie sich also auf
der Erde niederzulaffen pflegen, daß die ganze Last des Leibes
auf den Füßen ruher, indem sie dieselben also zurückbiegen, daß
die Fußsohlen mit dem Hintern einerley Lage bekommen.
Die Natur hat dem schönen Geschlecht nicht in allen
Ländern denjenigen Vorzug eingeräumt, den solches in Europa
genießt. Die Arabische Weiber sind durch die Wärme ihres Him-
melstrichs fo garstig geworden, daß sie noch häßlicher, als die
Mohrinnen aussehen. So find auch die würckliche Persianerin-
nen, die in dem innersten des Reichs wohnen, von der Sonnen-
hize gleichfalls so ausgebrannt, daß sie schwehrlich bei unsern
Schiedsrichterinnen für Schönheiten paßiren würden; es ist
auch nichts feines, nichts regelmäßiges an ihnen. Das Per-
fische Blut aber hat durch die Einführung des Tscherkäßischen
und Georgianischen Frauenzimmers eine sehr vortheilhafte Ver-
änderung erlitten. Die Harems der vornehmen Herren sind mit
demselben angefüllt. Sie finde es nicht nur neuerlich, sondern seit
etlich hundert Jahren zurück, und es ist dadurch nach und nach
- geschehen, daß die Würfung allgemein wurde, und daß man jezofagen
kan, auch die Perianerinnen feyn schön, und recht schön. Ein voll-
kommen schönes Frauenzimmer muß nach dem Persischen Geschmack
fol-
•A, H „F* ISS .
folgende Eigenschaften besitzen: Sie muß eine mittelmäßige Län-
ge und eine mit derselben proportionierte Dicke, ein schwarzes
und langes Haar, eine kleine Stirne, schwarze Augen und Aug-
braunen, lange Augenlieder, ein weis röthliches Gesicht, eine
kleine Nase, einen kleinen Mund, ein kleines Kinn, kleine weis-
fe Zähne, einen langen Hals, kleine Brüste, kleine Hände und
Füße, einen dünnen Unterleib, und eine zarte Haut auf dem
ganzen Leib haben. -
Die Perser sind stark von Natur, ja sie besitzen sehr
oft eine aufferordentliche Stärke. Sie find im Stand, die
größte Strapazen auszustehen, und werden doch nicht ermüdet.
Sie sind nicht nur gesund, sondern ihre Gesundheit ist auch dauer-
haft, und sie erreichen ein hohes Alter. Es ist fast unglaublich,
wie bei ihrem beständig unruhigen Leben, bei dem unmäßigen
Gebrauch der Weiber, bei andern der Gesundheit sonst so nach-
theiligen Dingen ihre Natur aushalten könne; aber sie thut es;
und wir find genöthiger, bei diesem Umstand sehr viel der Ge-
wohnheit zuzuschreiben. Jedennoch werden auch die Persianer
sehr oft kranck; die Innwohner in Gilan und Masanderan sind
wegen des platten Landstrichs, den sie inne haben, viel mit
Fiebern und fibrischen Zufällen, mit übelm Gehör, mit Schwindel
und Geschwulsten des Leibes geplagt, sie haben auch alle eine blas-
fe, gelbe Farbe. Die Perfer insgesammt müffen sich fast ihr
ganzes Leben hindurch mit allen Gattungen von Augenkranckhei-
ten, viele auch mit dem Staar, mit haemorrhoidalischen und allen
daraus entstehenden Beschwehrden schleppen, und nur ihre viele
Bewegungen machen ihnen solche leidlicher. Auffer diesen find
fie zu hizigen Fiebern geneigt; jedoch werden solche selten gefähr-
lich. Weil sie viel Blut haben, fo müffen sie auch alle Folgen
ertragen, die mit der Vollblütigkeit verbuben sind. Die Gelb-
fucht ist in Persien fast wie endemisch. Von außerordentlichen
Krankheiten hört man nichts. -
Der kriegerische Muth herrscht in allen Persianischen
Seelen; ich glaubte, ein junger Persianer bringt ihn mit fich
auf die Welt. Aber eben derselbe ist es, der auch alle Liebe zu
den Wiffenschaften unterdrückt. In Persien weiß man nicht
einmal was Wiffen schafften, wenigstens was reelle Wissenschaft
ten find? Glückliche Europäer, die ihr den Vorhang der Fin-
ferniß schon lange abgezogen, und zu eurem blühenden Nutzen
U 2 ein-
156 •A, P. „F-
eingesehen habt, die Wissenschaften seyn der einzige Weg, durch
welchen man zu der Erkenntniß Gottes und seiner Werke, zu der
wahren Glückseelichkeit, zu einem nützlichen und gesellschaftlichen
Leben, und zu der Zufriedenheit, ein würdiges Mitglied der Welt
zu seyn, gelangen könne. Von diesem Vergnügen wifen die
Persianer nichts. Sie gestehen, es auch selbsten, daß sie nichts
wiffen, und räumen hierinnen den Ausländern allen Vorzug ein.
Sie wollen aber auch nichts davon wissen, dann weil sie von
den Wißenschaften keinen Nutzen für ihren Säbel erwarten, so
können sie nicht begreiffen, was man dann mit den Wissenschaf-
ten haben wolle ? gleichwohl gibt es Gelehrte unter ihnen, und
diese sind ihre Geistlichen, deren einziges Augenmerck aber die
Astrologie ist. Wann eine Sache von Wichtigkeit unternommen
werden soll, sie mag von einer Art feyn, von welcher sie will,
fo müffen die Geistlichen, aber unter denselben diejenige, welche
den größten Ruhm haben, den Tag zu der Ausführung nach der
Constellation bestimmen. Wann ein Kind gebohren wird, so
müffen diese ihm das Prognosticon ausfertigen. Wann einer
geträumt hat und er will wissen, was ein Traum zu bedeuten habe,
fo geht er zu den Geistlichen, und diese vertreten Josephs Dienste.
Will ein Vater seinen Kind nicht selbst einen Nahmen bey
der Beschneidung geben, so erheilt ihm der Priester einen, nach
dem Planeten, unter welchem das Kind gebohren ist. Alle gu-
te und böse Dinge, alle wichtige Veränderungen, Glück oder Un-
glück, Ehen, u. d. g. bestimmen, entwikeln und verbeffern die
Geistlichen nach den Sternen. Und diese Sternwissenschaft, wel-
che mehr fehlschlägt, als eintrift, ist die einzige Gelehrsamkeit
der Perfer. In Gesellschaften oder auch nur bey gemeinen Zu-
sammenkünfften lesen sich auch wohl dieselbe unter einander et-
was aus den Büchern ihrer Gelehrten vor. Ihre berühmteste
find Sirich Chodsia Hafes und Sirich Säadi Siraft, davon
der erste vor 431. und der andere schon vor 600 Jahren ge-
storben ist.
Die Perfer laffen sich den ganzen Kopf bescheeren, und
nur junge Personen auf beiden Seiten defelben an den Schläfe
fen eine Locke herabhangen, die zu einer Zierath dienen soll: man
findt es aber nicht durchgängig. Sie tragen hohe Müzen von Lacken,
wozu sie das Cramoisinrothe besonders lieben, welche von auffen
mit schwarzen Schafs-Felle bebrämt sind. Diese Müzen hal-
ten
A, R. „F- 157
ten den Kopf ungemein warm, und sind deswegen im Sommer - -
sehr beschwerlich. Vornehmere Leute tragen eine Binde von
- Kirmannischer Ziegen-Wolle, welche sie sich, gleich als einen Tur-
ban um den Kopf wikeln. Diese Binden kosten sehr viel. Man
hat welche zu zwey hundert Rubel, und die zu dreyßig sind von
den schlechtesten. Den Bart halten die Perser heilig, und warten
feiner mit vieler Sorgfalt. Weil er schwarz feyn muß, so fär-
ben ihn diejenige, welche keinen schwarzen haben, oder bey wel-
chen er Alters halber schon grau zu werden beginnt. Zuerst
machen sie ihn roth, und nehmen zu diesem Ende eine gewisse
Quantität zu Pulver gemachten Kna, thun zu derselben so viel
warm Waffer, daß das Pulver zu einer Salbe wird, und mit
dieser schmieren sie den Bart; wann solcher nach einer halben
Stunde trocken worden ist, so kämmen sie mit einem Kamm die
Salbe wieder aus den Haaren heraus, und diese haben als dann
eine rothe Farbe erhalten. Es gibt einige, hauptsächlich alte
Leute, die den Bart roth haben wollen , und diese haben also
auffer diesem Mittel nichts weiter nöthig; die ihn aber schwarz
verlangen, die nehmen hierauf noch eine Quantität von dem zu
Pulver gemachten Kraut Renck oder Anil (Indigotera tinctoria
leguminibus arcuatir incanir, racemir folio brevioribus, Linn Sp.
pl. 2. p. 106. n. 1. Anil. 5. uil. inodorum color. Bauh. hf. 2.
p. 945.) machen daraus auf eben die Weise, als aus Kna, eine
Salbe, und beschmieren mit derselben den fhon roth gefärbten
Bart, wann sie troken ist, so kämmen sie dieselbe aus, und die
Haare haben alsdann ihre gehörige schwarze Farbe , welche
aber aufs allerhöchste vierzehn Tage dauert; daher sie gemeinig-
lich alle acht Tage in den Badstuben dieses beschmieren mit
ihren Bärten vornehmen. Die Weiber färben auf eben diese
Weise ihre Haare.
Die Perser tragen gemeiniglich drei oder vier leichte
Kleider, die ihnen entweder bis an oder etwas unter die Knie
gehen. Vornehme tragen seidene, mit Baumwolle ausgestopfte
Unterkleider, und das Oberkleid ist von Goldstück, über welches
fie einen Zobelpelz hängen. Mittlere und gemeine Leuthe tragen
ihre Kleider von Seiden und Cattun, beides nach der Verschie-
denheit der Menschen von verschiedener Güte; der Oberrock bey
diesen ist feines oder s Lacken. Die Röcke sind ganz
- 3 21 N-
158 -A, - „F* -
einfach, ohne viele Umstände, vernünffig, und nach der Natur
gemacht. Sie haben ihre gehörige Länge, fiel sind an der Hüffte
mit einem Haken befestiget; um die Gegend der Lenden schnallen
sie ein seidenes Band, damit sie paßen, und über demselben
tragen sie einen Gürtel von Seide und Kattun, oder von Kir-
wanischer Ziegen-Wolle. Die Ermel des Oberrocks gehen ihnen
herunter bis auf die Finger; die Knöpfe an demselben sind sehr
klein, und an der Zahl viele. Unten find sie auf beiden Seiten
offen. Die Hosen sind weit, wie eines Holländischen Matrosen,
und wegen der Sommerhitze bequem. Vornehme tragen Carmoi-
finlakne Strümpfe, andere bedienen sich nur der Soken von ge-
blühmter Wolle, die nur über die Knöchel reichen. Sie tragen
Pantoffeln mit hohen Absätzen, wie Weiber-Pantoffeln, und wer
fen solche von sich, wann sie in ihre oder andere Zimmer gehen.
Ihre Hembde find von Kattun oder von Seide, aber nicht
ganz von Seide, dann das Gesetz verbietet ihnen, in einem solchen
ihr Gebet zu verrichten. Sie sind entweder an der rechten oder
an der linken Seite feste, und haben weite Ermel. Unter dem
Gürtel tragen sie ein langes spiziges Meffer in einer Scheide.
Ihre Hälse sind bloß. Sie lieben besonders große Mäntel,
und wählen sich darzu das dickste rohe Tuch. Sie tragen sie
zum Staat sowohl, als wieder den Regen.
Die Perfische Damen umwikeln den Kopff mit großen
feidenen Tüchern, die über zwei Schach Archinen im Vierek
haben, und von verschiedenen Farben gewebt sind. Die Art, wie
sie dieselbe umbinden, ist diese; sie legen sie in der Gestalt eines
Dreyeks doppelt zusammen, und die Mitte davon also auf den
Kopf, daß ein Ende hinten herabhängt, dahingegen die übri-
gen zwey Enden von beiden Seiten umwunden, und hinten zu-
fammen gebunden werden. Ihre Hembber sind von der Männer
ihren darin unterschieden, daß sie erftlich unter dem Hals und
nicht auf der Schulter zugemacht werden, zweitens daß die
Oefnungen viel größer, als jener ihre find, dann sie gehen
vom Halse bis unter den Nabel, werden drittens rundherum
mit einem schwarzen seidenen Band und filbernen Schnüren be-
brämt, wovon jenes über und über mit dünnen runden oder
vierekigten Stücken Silberblech oder Meßing belegt ist.
Ihre Röke sind viel kürzer, als der Männer ihre,
und werden bei den Vornehmen aus reichen Zeugen, bei gerin-
gern
«A, K „F- - 159
gern aus Laken, Burmet, oder auch von Producten der Seiden-
Fabriquen verfertiget. Die Armen tragen sie noch viel kurzer,
als die angesehene Frauens-Leute. Sie sind eng wie der Män-
ner ihre, und unter den Ermeln aufgeschlitzt, die Ermel find auch
nahe an den Händen mit Knöpfen versehen. Bei den Reichen
werden sie auf beiden Seiten vom Hals an bis zum Nabel
mit goldenen und filbernen Lizen und groffen Knöpfen besetzt,
so, wie eben dieses auch bei den Männern gewöhnlich ist.
Gürtel tragen die Frauenzimmer, wie die Männer. Ihre Hosen
unterscheiden sich darinnen, daß sie enger um die Füße find.
Anstatt der Strümfe bewikeln fiel die Füße bis an die Knie
mit weißen baumwollenen Tüchern, eines über das andere, und
legen auch noch wohl Baumwolle dazwischen, damit fiel recht
dicke werden, ihre Schuhe sind wie die Manns-Schuhe beschaffen,
oder eigentliche Europäische Weiberschuhe, Pantoffeln, ohne Quar
tiere mit hohen Absätzen. Wann sie ausgehen, umhüllen fie
fich mit großen, aus feinem oder groben weißen Kattun verfertig-
ten Schleyern, welche vom Kopf bis an die Erde herabhangen
gerade, wie es noch an einigen Orten Deutschlands Mode ist,
daß in solchen das Frauenzimmer von Stande, vornehmen Lei-
chen-Begängnißen beywohnet. Ihre Haare hangen in Locken
ohne viele Ordnung. Sie zieren ihre Arme mit Armbändern
von Perlen, und ihre Häupter prangen mit Juwelen. Sie
eragen groffe Ohr-Ringe; aber eine einfältige Mode ist es, die
viele mit den Tatarischen Weibern gemein haben, daß sie ihre
beyde Naslöcher aufschlitzen, und in denselben filberne und an-
dere metallene Ringe zu einer besondern Zierath tragen.
vierten
160 - -A, - „F-
Vierter Abschnitt,
Von dem Essen und Trinken der Perser; der
Grobheit des Pöbels, ihrer Reinlichkeit;
von der Beschneidung, den Hochzeiten
und Begräbnißen.
D, Perser effen täglich zwei oder dreimal. Das erstere ist
am gewöhnlichsten, wenigstens bey vornehmen, und geschieht Mit-
tags nach zwölf Uhr, des Abends aber, wann es beginnt dun-
kel zu werden. Die Abendmalzeit ist die hauptsächlichte, und
dauert am längsten. Wann die Zeit zum Speisen vorhanden ist,
fo gehen zuvor die Bediente bei allen herum, die da speisen
wollen, und reichen ihnen Waffer, um sich zu waschen. Sie
find auch mit Servietten versehen, mit denen man sich wieder
abtrocknen kan. Gewöhnlicher weise wird auch zugleich Rosen-
Waßer herum gegeben, damit man sich damit wohlriechend ma-
chen möge; dieses kommt auch schon bey ganz gemeinen Visiten
zum Vorschein. Wann das Waschen vorbey ist, so werden
große Präsentier - Teller in den Speise-Saal gebracht, und
einem jeglichen vorgesetzt. Von den vornehmsten bekommt ein
jeder ein eigenes, die übrigen haben zu zwei und drey eines
mit einander. Man sieht genau darauf, daß im Rang keine
Irrung vorgehe, und die angesehensten ihre Teller zu erst bekom-
men, so wie sie denselben auch nach vollendeten Malzeit zu
letzt hinweggenommen werden. Die Speisen trägt man zu gleicher
Zeit auf, und füllt damit die erwähnten Teller an. Wann ihr Um-
fang nicht hinlänglich ist, allen Schüffeln Raum zu geben, so
pflegt man die übriggebliebene mit Hinwegsetzung anderer nach
und nach zum Vorschein kommen zu laffen. Das Hauptgericht
der Perfer besteht in dick gekochtem Reis, dessen Körner ganz
bleiben, und unter sich nicht zusammenhängen. Ist solcher mit
Butter zu bereitet, so hat er den Nahmen Plof, ist er ohne
dieselbe gemacht, wird er Schloff genannt. Man bringt diese
Asiatische Speise, welche bei den vornehmsten sowohl, als den
geringsten zur Erhaltung des menschlichen Lebens für :
lich,
2. - - - r61
lich, als der nahrhafteste Lekerbissen, und als ungemein gefund
angesehen wird, entweder für sich allein auf die Tafel, oder
man füllt ihn mit gebratenem und gekochtem Schaffleisch, Hüh-
nern, Gänsen und Enten, mit großen und kleinen Rosinen auch
andern sowohl frischen als getrokneten Früchten aus. Man
würzt ihn auf verschiedene Art. Er wird, um ihm eine ange-
nehme, den Geschmack reizende Farbe zu geben, auf seiner Ober-
fläche mit Safran bestreut, oder es wird derselbe auch mit an-
dern Farben ausgeziert. Im Sommer wird Schloff dem Plof
vorgezogen, dann man hält zu dieser Jahres-Zeit alle Fertigkei-
ten, nicht ohne Grund, für schädlich. Im Sommer enthalten
sich auch die meisten Perfer des Fleisches. Es ist zu verwundern,
was für eine erstaunliche Menge von dieser Speise die Perser
zu sich zu nehmen fähig sind. Ganze Hände voll kneten sie zu-
sammen, und schluken die Maße hinunter, ohne sie zu kauen.
Das Fleisch ist mürbe gekocht, daß sie es mit den Fingern zer-
eheilen können; das rollen sie mit ihrem Plof in ganzen Stü-
cken just fo hinunter, als wann ihnen unbekandt wäre, warum
die Natur dem Menschen die Zähne gegeben hat? Aber es ist
auch andem, daß es den Gesetzen ihrer Religion zu wieder
lauf, sich der Meffer und Gabeln bey dem Effen zu bedienen;
daher auch alle Speisen hauptsächlich aus diesem Grund also
zubereitet werden, daß sie derselben entbehren können. Jedoch
ist ihnen der Gebrauch der Löffel nicht verboten, und dannoch
greiffen sie in ihre Ploffhüffeln mit den Händen ohne Löffel,
bekümmern sich nicht darum, wann dadurch der Bart und
das ganze Gesicht also beschmieret wird, daß Fett-Tropfen wie
Schweiß von den Lippen herunter rollen, und erregen dadurch denen,
die eine solche Eßart nicht gewohnt sind, einen würklichen Eckel.
Auffer dem gekochten Reiß mit oder ohne Fleisch auf
getragen, sieht man auch auf den Persianischen Tafeln allerley
Zugemüse von Garten-Gewächsen, Wurzeln und Früchten. Man
erblickt gebakene Reiskuchen, eingeschlagene verhärtete Eyer und
allerley Arten von verzukerten Früchten, als Pistacien, Mandeln,
Nochotta u. f. w. überhaupt von unterschiedlichen Confitu-
ren, in welchen sie sich besonders verschwenderisch aufführen, weil
fie Süßigkeiten ungemein lieben, auch diejenige nicht ausgenom-
men, die an Wein und geistigen Getränken ein Vergnügen finden.
Schalen mit künstlichen süßen und säuerlichen Waßern, die fie
Dritter Theil. ZE allein
162 «A, M „Fs
allein vermittelt hölzerner dünne verarbeiteter Löffel zu sich neh-
men, find in gleichem Ueberfluß vorhanden. Die Schüßeln, in
welchen die Speisen aufgetragen werden, find meistens von Por-,
zellain: die Stelle des Tischlakens ersetzt das morgenländische dünn
gebakene Brod (S. meine Reise-Beschreibung 2ten Theil) oder
Tschurek, welches in langen und breiten Fladen über die Prae-
sentierteller ausgebreitet ist, so daß man sich feiner ohne viele Um-
stände bedienen kan, und wer trinken will der fieht immer
Bediente mit Waßer-Krügen vor sich stehen.
Die Perser sprechen wenig oder gar nichts über Tisch:
fie effen sehr geschwind, und die Mahlzeit dauert längstens eine
Stunde. Nach derselben wird abermal Waßer zum Abwaschen
herumgegeben; Coffee, Thee und der Kallian gereicht. Vorneh-
me Perser speisen ordentlicher weise nur zweimal, des Mittags
und des Abends. Bey dem Mittagsmal pflegt es still und
fittsam herzugehen; bey dem Abend-Brod erscheinen ihre Mu-
ficanten und Sänger ; da opfert man auch dem Bacchus mit
vollen Pokalen so lange, bis man nicht mehr opfern kan: es ist
ja Nacht, und weil es Nacht ist, so hat es durchaus nichts zu
bedeuten. Geringere Leuthe find auch gewohnt zu frühstücken,
und des nachmittags zu effen. -
Die Grobheit des Pöbels gegen die Europäer ist ziemlich
groß. Man kan nicht läugnen, daß das Ungewöhnliche vieles
zu derselben beiträgt; aber der Haß kommt auch noch dazu. Die
Ausländer müßen sich gefallen laßen, auf den Straßen von
einer Menge Volks so umgeben zu werden, daß sie oft nicht
wiffen, wo sie aus oder ein sollen; sie müßen sich über ein
höhnisches Lachen, über Schimpf und Schmachreden nicht ent-
rüsten, sondern vielmehr zufrieden feyn, wann ihnen durch die
von allen Seiten herbey fliegende Steine kein sonderlicher Schaden
zugefügt wird. Die Ausländer müßen fich ferner nicht befrem-
den laßen, wann Tag aus Tag ein ihre Wohnungen von dem
neugierigen Pöbel gleichsam bestürmt werden, wann er sich so
gar in die Wohnzimmer dringt, sich weder durch höfliche Worte
noch durch Ernst angeredt wieder hinweg begeben will. Der
Pöbel hat nicht nöthig, auf eine Gelegenheit zur Beleidigung für
Europäer zu warten, er macht solche selber, so viel ihm beliebt;
jedoch find ihm auch Gelegenheiten angenehm. Ich erinnere mich,
daß mir an dem Huffins-Fest nachgeschrien wurde: den Fluch,
mit.
«A, H „Fs 163
mit dem wir anjezo Jesib belegen, verdienest du eben sowohl,
als er. Jedoch zu gutem Glück ist es nur der Pöbel, der - auf
solche Weise beleidiger. Ein feiner, gesitteter Perfer verabscheuet
folche Aufführung, und denkt er vielleicht in seinem Herzen nicht
beffer, so wird er doch äußerlich gegen Ausländer allzeit eher
Achtung als Verachtung zu erkennen geben. -
Wann sich einige Provinzen Europens in der Reinlich-
keit besonders hervorthun, so können sie es doch damit unmög-
lich so weit treiben, als die Perser. Ich rede anjezo nicht von
der Reinlichkeit, welche zu dem Abschnitt von der Perianischen
Religion gehört, die in allweg mehr lächerlich ist, als daß sie
einige Aufmercksamkeit oder Nachahmung verdienen sollte. Je-
dannoch muß ich voraussetzen, daß die Reinlichkeit, in einem
allgemeinen Verstand betrachtet, einen Hauptpunct unter den
Perfianischen Religions-Sätzen ausmacht, und daß daher dieses
Gesetz der hauptsächliste Bewegungsgrund feyn mag, warum die
Perser so erstaunend viel auf die Reinlichkrit halten, und eher
Leib und Leben verliehren, als hierin den geringsten Ein-
griff zu thun sich unterstehen. In ihren Häusern und Wohn-
zimmern dulden fiel nicht das geringste Unfaubere: der mittlere
Teil der Stubenböden ist bey den Vornehmen mit vortrefflich
gewirkten Teppichen belegt, und an den Seiten derselben sind
Filze von Kamel-Haaren ausgebreitet, auf welche fiel sich nach
ihrer weise niederzusetzen pflegen ; dahingegen bei geringern
Schilfrohr-Matten, und diese wiederum nach Beschaffenheit der
Umstände von verschiedener Güte, die Stelle der Teppiche und
der UNämets, ( so werden die filzerne von Kamel-Haaren auf
Perfisch genannt ) vertreten müffen. Kein Perser tritt in seine
eigene oder eine fremde Stube, er habe dann die Pantoffeln,
deren sich alle statt der Schuhe bedienen, und die hohe Absätze, wie
bey uns die Toffeln des Frauenzimmers haben, welche aus viel-
fach gefärbten Chagrin verfertigt und sehr hart find, in dem
Vorhaus abgelegt, und solche an einen solchen Ort hingesetzt, wo
er sie leichtlich wieder finden kan. Kein Perfer wird feinen Spei-
chel in eine Stube auswerffen, ohnerachtet sie so erstaunlich viel
Tobak rauchen, und den Rauch so stark in sich schluken, daß er
bis in die Lunge dringt, und wieder durch die Nase hervorkommt.
Gleichwohl haben sie auch keine Speytöpfe, und der Schnupf-
tücher bedienen sie sich auch nur selten. An ihren Kleidern muß
- 3E 2 alles
164 «A, - „F-
alles nette und unbefleckt feyn. Sie waschen sich sehr oft, nicht
nur ehe sie beten, nicht nur wann sie ihre Nothdurft verrichtet
haben, nicht nur wann sie zu Tische gehen, sondern so oft fie
glauben, etwas angerührt zu haben, wovon irgend was unrei-
nes zurückgeblieben feyn möchte. Sie gehen fast täglich in
die Badstuben; nach einem jeden Beyschlaff muß es unausbleib-
lich geschehen, und deswegen geschieht es manchmal in einem
Tag zwei bis dreimal. In einem jeden Ort find theils öffent-
liche und theils besondere Badstuben. Jene find stattlich aufge-
führt, und durchgängig gewölbt. Es werden eigene Leuthe da-
zu bestimmt, die an gewissen Tagen der Woche und zu gewifen
Stunden derselben die Liebhaber öffentlich in gewissen Formuln,
zu derselben einladen, so, wie täglich von den Thürmen eine
dreyfache Aufforderung zum öffentlichen Gebet geschieht, und am
Freytage laßen dann ermeldte Leute ihre Stimme besonders leb-
hafft ertönen.
Das Alter, in welchem bey den Persern die Kinder be-
schnitten werden, ist verschieden. Bei einigen verrichten fie die
Beschneidung gleich nach sieben oder zehen Tagen, und bey an-
dern erst nach zehen Jahren. Es wird solche von einem Feld-
fcheerer, und nicht von einem Priester vollzogen. Die Ceremo-
nien, welche bey derselben vorgehen, find diese, daß der Vater
des Kindes, so beschnitten werden soll, an dem Tage der Be-
schneidung ein großes Gafmal anstellt, zu welchem er alle seine
Freunde und Bekannte einlädt. Sobald sie abgegessen haben,
geht die Operation vor sich. Es ist kein Gesetz, daß bey dersel
ben ein Priester zugegen feyn müße; das steht allein im Belie-
ben des Vaters: keine besondere, zur Aufnahme eines unbeschnitt,
tenen in die Mahummedanische Gemeine bestimmte Gebetsfor-
muln, oder, um nach unserer Art zu reden, keine Legenda find
deßwegen bey dieser Gelegenheit üblich.
Den Kindern werden die Nahmen auf drei verschiedene
Arten beigelegt. Die eine beruht auf dem Belieben des Vaters,
der Macht hat, seinem Kind einen zu geben, was er für einen
will. Die andere läßt es auf das Schicksal ankommen, welchen
es dem zu beschneidenden Kinde zugedacht hat, und wird, fo-
gender maßen ins Werck gerichtet. Der Vater des Kindes fekt
fechs oder sieben Lichter auf einmal an, giebt einem jeden einen
besondern Namen, und nach demjenigen, welches am längsten
POs)
•A, - „F- 165
von allen feine Flamme erhält, wird das Kind genennet. Die
dritte Weise ist, daß wann einem Vater nach diesen beyden
Arten das Kind zu nennen nicht gefällig ist, er einen Priester
ersuchet, den Nahmen des Kindes zu bestimmen, welcher sodann
in feinen Büchern nachsieht, unter welchem Planeten das Kind
gebohren fey, und nach demselben seinen Priesterlichen Ausspruch
thut. Die Nahmen, so die Kinder zu bekommen pflegen, find
insgesammt die Nahmen ihrer Propheten oder anderer Heiligen,
als z. e. Mahumed, Ali, Moyßes, Isaac, Smail, Hußen,
Ephraim, u. f. w. Wann Reiche ihre Kinder beschneiden laßen,
so besorgen fiel auf ihre eigene Kosten aus einem Trieb der
Barmherzigkeit und in der Meynung, es werde die Operation
bey dem Ihrigen desto beffer und beglückter von statten gehen,
solche auch an einer ungleichen Anzahl anderer armer Kinder.
Es wird nicht die ganze Vorhaut, sondern nur die Spitze der-
flben abgeschnitten. Die Wunde heilen die Perfer entweder so
wie andere Mahumedaner, mit pulverisiertem alten Eichenholz,
und betreuen damit dieselbe; oder ihre Feldscheerer bedienen
sich auch zu diesem Ende eines eigenen Pflasters, welches fie
felbsten verfertigen. Daß Kinder an der ihnen zugefügten Wuns
de sterben sollten , hört man wenig ; daß sie aber öfters
lange an derselben kranck liegen und große Schmerzen ausstehen
müßen, giebt es desto mehrere Beyspiele. Die Ursache schreibt man
der Unvorsichtigkeit zu, nach welcher man den neu beschnittenen
Kindern viel zu trinken giebt, woraus geschwülste entstehen sollen,
die manchmal über dreyßig oder vierzig Tage dauren.
Von der Beschneidung ist kein Perfer männlichen Ge-
schlechts ausgenommen; die Araber verrichten dieselbe auch bei den
Mädchen, aber von diesem wißen die Kyfilbaschen nichts.
Der Beschneidungs-Tag ist ein großer Tag der Freude
in einer Familie, dann der beschnittene wird an demselben ein
wahres Mitglied der Gemeine und ein ächter Anhänger ihres
großen Propheten und Gesetzgebers Mahomeds. Die Luftbar-
keiten, die hierbey angestellt werden, dauren öffters etliche Tage
hinter einander, und sind um so feierlicher, je größer das Ver-
mögen ist, so die Väter der Neubeschnittenen befizen.
- Die Hochzeiten der Perser und die dabei übliche Ce-
remonien verrathen einen gänzlichen Orientalischen Geschmack,
ja man bemerkt dabei eine groffe Aehnlichkeit mit den alten,
3E 3 und
66 •z, R. „F-
und aiso ursprünglichen Hochzeit-Gebräuchen der Rußen, als welche
nun aufgeklärte und auf Europäischen Fuß gesetzte Nation überhaupt
vermöge ihrer Nachbarschafft mit dem Morgenland ehmalen nichts
als Morgenländische Sitten und Gebräuche geheget hat, und zum
Theil, besonders etwas in weiter Entfernung von Petersburg und
Moscau, noch heger. Ist nicht die wahre alte Rußische Kleidung
fast ganz orientalisch? Die alte Rußische Musik und Rußische Tän-
ze haben sie nicht eben denselben Ursprung? Die Hochzeiten der
Perser mögen einen neuen Beweis davon abgeben.
Das Alter, in welchem bey den Persern die Männer sich
zu verheiraten pflegen, ist unbestimmt; Bemittelte thun es früh
und Arme spät, dann die letztern müßen sich erst so viel erwor-
ben haben, daß sie eine Frau unterhalten können. Demnach ge-
schieht es auch selten, daß sich reiche Leuthe vor dem fünfzehen-
ten Jahr verehlichen. So aber nun jemand in den Ehstand
zu treten gedenkt, so geschieht die Anwerbung auffolgende Weise.
Derjenige, der sich zu verloben willens ist, schickt von feiner Sei-
te eine alte Frau in das Haus seiner zukünftigen Braut mit
dem Auftrag, solche in Augenschein zu nehmen, und fich nach
allen Umständen zu erkundigen. Nach verrichteten Dingen be-
giebt sich die alte Frau zu dem Freyer zurück, und stattet ihm
vom demjenigen, was sie gesehen hat, gebührenden Bericht ab;
um sich von der Wahrheit der Sache zu überzeugen, fertigt der
Freyer nach einigen Tagen drey andere Frauen in eben dersel-
bigen Absicht, in welcher die erste abgeschickt wurde, nach dem
Hause feiner verhofen zukünftigen Braut ab, und wann dann
diese gleich der ersten, mit erwünschten Nachrichten zurück kom-
men, so sendet er zween angesehene Männer an die Eltern, oder
falls diese nicht mehr am Leben sein sollten, an die Anverwand-
ten der Braut mit der Anfrage ab, ob sie gesonnen wären, ihre
Tochter oder Befreundtin an ihn ehlich zu verheirathen? Erfolgt
auf die Anfrage eine Antwort mit ja, so erkundigen sie sich
weiter, wie viel Geschencke die Braut vom Bräutigam verlange,
und wie viel fiel dagegen ihm zu geben gesonnen fey ? Die ge-
schenke aber bestehen bey den gemeinen in zwanzig bis dreyzig
Rubeln, bey vornehmen aber in 6. 10. bis 20. Paar Kleidern,
goldenen Knöpfen, Treffen und so weiter. Ohngefähr so viel als der
Bräutigam der Braut schenkt, muß diese ihm wieder schencken,
Ist man nun auch über diesen Punct einig, so kehren die Abge-
- ordner
«A, - „F- 67
ordneten mit ihren Nachrichten zu dem Brautigam zurück, und
die ganze Sache hat fast ihre vollkommene Richtigkeit. Das
Verlöbniß, bei welchem aber der Bräutigam, der seine Braut
vor der Hochzeit-Nacht nicht zu sehen bekommt, keineswegs ge-
genwärtig sein darf, besteht in der leeren Ceremonie, daß lezte-
rer feiner Braut einige Schüffeln mit Confituren, einen Dia-
mantnen, goldenen oder silbernen Ring, und ein Paar mit Edel-
gesteinen besetzte, oder aus Gold und Silber verfertigte Armbän-
der überschickt. Diese Dinge werden der Braut von einigen Wei-
bern eingehändiget; sie verzehrt die Confituren mit einigen ihrer
Freundinnen, steckt hernach den Ring an, und bindt auch die
Armbänder um die Hände, welche sie sammt dem Ring nicht eher,
als nach der Hochzeit ablegt; die Gesellschafft geht, wann alles
dieses geschehen ist, vergnügt aus einander. Die Zeit zur Hoch-
zeit bestimmen die Eltern oder nächste Anverwandte von beyden
Personen. Die zu den Geschencks-Kleidern bestimmte Zeuge werden
einander von beiden seiten einige Tage vor der Hochzeit übersandt,
und wann sie beiderseits gefallen, die Kleider daraus verfertiger."
Am letzten Tage vor der Hochzeit wechselt man die fertige Klei-
der nebst den andern Geschenken mit einander. Zu dem Hoch-
zeits-Fest selbsten wird eine große Anzahl Personen beyderley-
Geschlechts eingeladen, und ein jedes besonders bewirthet; die
von dem männlichen halten sich bey dem Brautigam, und die
von dem weiblichen bey der Braut auf. Die Unkosten dieses
doppelten Tractaments trägt der Bräutigam, und erwählt zu
diesem Ende zwei eigene, durch eine Scheidewand von einan-
der abgesonderte Häuser. Sobald alle Gäste bey einander, wel-
ches des Nachmittags zu geschehen pflegt, versammlet find, fo-
wird auch ein Priester herbey geholt, dessen Verrichtung darin-
nen besteht, daß er erstlich einen Zeugen von denen mit und un-
er einander gewechselten Geschencken abgiebt; zweitens, daß er
mit den Eltern der beiden Partheien eine gewife Summa Gel-
des, die sich von dreißig auf fünfhundert Mindeneares erstrecke,
befimmt, die der eine Theil dem andern auszahlen muß, wann
er sich scheiden lassen will, und drittens, daß er fich an diejenige
Thür begiebt, welche die Scheidewand zwischen dem Zimmer des
Bräutigams und der Braut ausmacht, und dafelbst mit heller
Seimme einige Gebete verrichtet. Wann dieses alles vollzogen ist,
so setzt man sich zu Tisch, ißt und trinkt sich fatt, der Bräuti-
- - / Y 8am
-
168 •A, E. „F- -
gam aber verfügt sich darauf unter der Begleitung aller seiner
Gäste in sein eigenes Haus, die Gäste beurlauben sich bald von
demselben, und begeben sich nach ihren Wohnungen. Auf dieses
wird die Braut unter der Begleitung vieler Frauen in das
Haus des Bräutigams geführt, die nachdem jene ihren Ab-
schied genommen haben, ihre erste Visite bei dem Bräutigam
in seinem Schlaffzimmer abstattet, das von der ersten Unterhänd-
lerin geschloffen und solange bewacht wird, bis den andern Mor-
gen die jungen Eheleute solches selbst eröffnen. Sie nimmt
das Betlacken, auf welchem die Braut die vergangene Nacht
über gelegen, in Empfang, mit demselben geht sie bey den El-
tern und Anverwandten der gewesenen Braut und des Bräuti-
gams herum, und beweißt ihnen mit demselben die Keuschheit
der erstern. . Für diese Bemühung wird sie von einem jeden
nach Vermögen beschenckt und damit haben auch alle Hochzeits-
Ceremonien ihre Endschafft erreicht.
Mahumed schreibt den Persern in seinen Gesetzen vor,
sich nicht mehr, als vier Frauen antrauen zu laßen; dabey
aber giebt er ihnen die Erlaubniß, unangetraute zu miethen, und
so viel zu miethen, als es eines jeden Beutel verstattet. Reiche
glauben sich daher bei Gott verdient zu machen, wann sie eine
groffe Anzahl derselben unterhalten, dann fiel geben vor, daß
indem sie dieses thun, fiel ja dieselbe fähig machen, dem
menschlichen Geschlecht einige Dienste zu leisten, da sie sonsten
unnüzliche Mitglieder der Gesellschafft bleiben würden.
Wann sich ein Perfer mit mehreren Frauen antrauen
Iäßt, so find die Ceremonien eben dieselbige, die ich in dem vor-
hergehenden angeführt habe; und zwischen allen angetrauten
Frauen ist kein anderer Unterschied, als daß die zuerst verlobte
einen beträchtlichen Vorzug nach den Glaubens-Gesetzen behaupten
kan, und auch ihre Kinder, falls sie welche gebiehrt, eben den
selben vor den Kindern der andern Frauen besitzen. Bey ge-
meinen Leuthen wird sie auch mehr geachtet, ist definvegen von allen
schweren Arbeitern befreit, und ihr nur die Besorgung der Haus-
haltung aufgetragen. Allein unerachtet sich dieser Vorzug felbst
auf die Lehre des Corans gründet, den die Perser doch sonsten
als die einzige gewisse Richtschnur ihres Lebens ansehen und
ansehen müßen, so geschieht es vielfältig, daß derselbe über die
maßen geschmälert wird. Ein gröfferer Reiz der Jugend, eine
mehr
- -
•A, S. „F- - 169
mehr gefallende Schönheit, oder auch ein mehr geschärfter Ver-
fand lenken das Herz der Männer öffers weit kräftiger zu einer
oder der andern von neuerlich angelobten Frauen, und es kann
daraus nichts anders erfolgen, als daß der Vorzug der ersten
auf den mehr geliebten Gegenstand zurückfällt.
Es kan sich ein jeder Perser von seiner angetrauten
Frau, oder diese von ihrem Mann, ohne einige Gründe anzugeben,
scheiden laffen. Der unzufriedene Theil geht nur zu dem Priester,
und meldet ihm feinen Entschluß, welcher solchem die bey, der
Hochzeit ausgemachte Reukaufs - Summe dem andern auszu-
bezahlen, anbefielt, ihm alle empfangene Geschencke zurück zu geben
auferlegt, und so dann einen gültigen Scheide-Brief ertheilt. Hat
ein Mann mit feiner Frau Kinder gezeugt, und er läßt sich von
ihr scheiden, so steht es in seinem Willen, ob er dieselbe behal-
ten, oder ob er sie der Frau überlassen will? und so verhält
' sich auch mit der Frau, wann sie sich vom Mann scheiden
äßt.
Die unangetraute Frauen stehen mit den angetrauten in
einem solchen Verhältniß, daß sie vom Mann schlechter, als die-
fe gekleidt werden, und daß sie nach des Mannes Tode auffer
ihren Lohn nichts erhalten: da die vier angetraute hingegen, fo,
wie es unten folgen wird, den siebenden Theil des Vermögens
bekommen. Sie werden auch von dem Mann ohne alle feyer-
liche Scheidung abgelaffen. Er mietheit dieselbe entweder auf
eine bestimmte oder auf eine unbestimmte Zeit; jene besteht
manchmal in Jahren, manchmal auch nur in Monaten und
Wochen. - -
- Das Haus, worinnen bey den Vornehmen die Weiber
wohnen, besteht aus vielen Zimmern, wovon zwei oder drey ei-
ner jedweden zum Gebrauch dienen. Wann die Mutter, Schwe-
fer, oder auch sonsten eine nahe Anverwandtin des Herrn am
Leben ist, so hat diese das Commando über alle Frauen, und
diese müßen sie auch als ihre Vorgeseztin erkennen. Sie schlich-
tet alle Streitigkeiten, die unter denselben vorfallen; mit einem
Wort, sie stellt eine Oberaufseherin vor. So, wie die Männer
alle Tage des Morgens und Nachmittags bei ihrem Vorgesetz-
ten ihre Aufwartung machen müßen, so machen es auch die
Frauen bei ihrer Oberaufseherin. Ist niemand von den An-
verwandtinnen des Herrn am Leben, so versieht die erste Frau
Dritter Theil. Y diesen
17» •A, § „F-
diesen Posten. Sonsten ist keine Subordination unter den Frau-
en, als daß sie für diejenige, die der Herr am meisten liebt, ei-
nigen Respect bezeugen müßen. Die Beschäftigung aller dieser
Frauen besteht täglich darinen, daß sie mit Gold, Silber und
Seide allerley Sachen ficken, daß sie fein nehen und stricken,
und daß sie einige feine Zeuge aus Seide und Baumwolle ver-
fertigen; man hält es auch für gar keine Schande, die Arbei-
ten. der Chanischen Frauen auf dem öffentlichen Marckt zu ver-
karifen. Eine jede Frau wird von zweyen Weibern bedient, von
denen die eine beständig in der Küche, und die andere im Zimmer
ist. Das Perfische Frauenzimmer wird in der Jugend von
den Priestern im Lesen und Schreiben, wie nicht weniger, in den
Grundsätzen der Religion unterrichtet. Von Kämpfers lüster-
nen Spitznahmen, mit welchen die Damen bei den Herren in
den Harems belegt werden sollen, ist gegenwärtig nichts bekannt;
es kam aber seyn, daß sie zu Schachischen Zeiten Mode gewe-
fen find.
fi Es wird bey den Persern gar nicht für schimpflich ge-
halten, eine Witwe zu heirathen, zumalen, wann sie Schönheit
und Verstand befizt. - -
Die Stelle der Hebammen vertreten bei den gebähren-
den Frauen alte durch die Erfahrung geübte Weiber. Sie be-
dienen sich auch gewisser Wehestühle, und gebrauchen bei der
Geburt treibende Mittel, unter welchen folgendes das gewöhn-
lichte ist. Der Priester schreibt einige Gebetsformuln auf ein
Papier, legts ins Waßer, bis es aufgeweicht ist, und giebt
dieses Waßer der gebährenden Frau zu trinken. Bey wieder-
natürlichen Geburten und Lagen müßen die Hebammen zu hel-
fen suchen, so gut fie können. Von unglücklichen Kindern und
Geburthen auf Seiten der Mutter und des Kindes hat man
nicht gar viele Beyspiele. Die Nabelschnur schneiden die Perfer
erst nach sieben Tagen mit einem Meffer ab. Die Nachge-
burth wird gleich nach der Geburth mit Gewalt heraus geriffen
die Natur mag dazu sagen, was sie will. Die Kindbetterin-
men halten ihre Wochen, wie bei anderen Nationen, verschieden.
Die Armen stillen ihre Kinder selbst, und die Reichen halten sich,
nach der verkehrten in und unweit vom Orient nur allzu übli-
chen Mode, eigene Ammen. Die Zeit der Entwehnung ist gleich-
falls verschieden. Einige Kinder genießen die Milch ein, andere
zwey
•-A, - „F- 171
zwey ganze Jahre. Von Zwillingen hat man sehr viele Exem-
pel, von Trillingen aber sehr wenige, und es wird auch bey den
Persern als ein schlechtes Zeichen von dem zukünftigen Glück der
Kinder angesehen, wann eine Frau drey zu gleicher Zeit auf die
Welt bringt. Ueber drey hat man gar keine Beyspiele, da es
hingegen bei den Arabern sehr gewöhnlich sein soll, daß eine
Frau vier bis fünf Kinder auf einmal ans Licht bringt. Die
Persianischen Weiber sind ungemein geil: es ist ihnen aber bey
nahe diese Unart nicht übel zu nehmen, da sie die Reihe so
sparsam trifft, ihre Lust befriedigen zu können. Wann sie mer-
ken , daß ihnen dieses Glück bevorsteht, so wifen sie sich
nicht genug aufzupuzen, und allen Theilen ihres Leibes, beson-
ders den finnlichsten, einen solchen Reiz zu geben, daß ja der
Mann bewogen werden möchte, seine Besuche öffters zu wieder-
holen. Sie find ziemlich fruchtbar, doch hören sie gemeiniglich
mit dem Gebähren zwischen dreyzig und vierzig Jahren, auch
wohl noch früher, auf -
Sobald bey den Persianern jemand stirbt, wird er ab-
gewaschen. Ist es ein Mann, so wird er dieser wegen nach
einem Fluß oder Brun-Waffer gebracht, ist es aber ein Weib,
fo verrichtet man diese Arbeit zu Hause. Hierauf wird er noch
felbigen Tags begraben. Sie halten es aus einer thörichten
und vielleicht manchmal höchst fhädlichen Meinung für besonders
gut, wann es gleich ein Paar Stunden nach dem Tode geschehen
kan. Ihre Sterbe-Kleider bestehen in einem, aus feinem
weiffen Bäß verfertigten Hemd, welches bey den Knieen zusam-
men gebunden wird, und einem aus eben dieser Materie gemach-
ten Tuch, mit welchem man den Kopf umbindet. Die Reichen
unterscheiden sich in diesem Fall von den Armen nur darinnen,
daß sie dem Verstorbenen mehr als eines oder zwey Hemder an-
legen, ja wohl bis zu sieben eines über das andere. Ihre Grä-
ber machen sie folgendermaßen. Sie graben erstlich einige Ellen
in die Tiefe, und bereiten dadurch den Eingang zum würcklichen
Grab, der sehr oft mit Staffeln versehen ist; dann graben fie
nach der Länge eine Höhle, die mit Steinen ausgemauert und
mit einer Thüre verschloßen wird. In diese Höhle legen sie den
Todten fo hinein, daß er nicht auf den Rücken, sondern auf die
Seite, mit dem Gesicht nach Mittag gerichtet, zu liegen kommt.
Man bringt ihn von dem Sterb-Hause nach dem Grabe in
Y) 2 einem
172 . •-A, - „F-
einem bretternen Sarg, aus diesem aber wird er vor dem erstern
heraus genommen, und in seinem bloßen Hemde beigelegt.
Die Leiche wird von allen Anverwandten und Freunden
eben so wie bei uns, zur Beerdigung begleitet. Die Prie-
fer gehen auch mit vollem Gesang vom Sterb-Hause bis zum
Grabe mit, allwo sie sowohl vor der Einsenkung als nach der
selben einige Gebete verrichten. Die Seelen-Meffen sind bey
ihnen auch im Gebrauch; Reichelaffen gemeiniglich dieselbe sieben
Tage lang über dem Grab unaufhörlich lesen, und während die-
fer Zeit kam auch sonsten niemand, er mag feyn, wer er will,
auffer dem Priester, zu dem Grabe kommen. Die Geistlichen
besuchen auch die Sterbende, und thun alles dasjenige, was
in diesem Fall unter andern Religionen üblich ist. Die Leid-
tragende machen bei der Proceßion und dem Grabe einen gros-
den Trauer-Lermen, und drücken ihre Betrübniß mit mannigfalti-
gen Gebährden und wunderlichen Bewegungen des Leibes aus.
Die Perser machen ihre meisten Grabstätte definvegen am öffent-
lichen Wege, damit ein jeder Vorbeigehende Gott um die Er-
lösung und das Heil der Seele des Verstorbenen anruffen möge.
Wann ein vornehmer oder geringer Persianer stirbt, und
Frauen oder Kinder hinterläßt, so wird sein Vermögen folgen-
dermaßen unter dieselbe verheilt. Die vier oder weniger an-
getraute Frauen bekommen erstlich den fiebenden Theil deßelben;
die übrig gebliebene fechfe fondert man in drey andere ab. Von
diesen dreyen bekommen die Söhne zwey, und die Töchter einen;
aber der unangetrauten Frauen Kinder bekommen nur halb so
viel, als der angetrauten ihre, es fey dann, daß der Vater auf
feinem Todt-Bette solche den andern gleich gesetzt hätte. Der
älteste Sohn hat bei der Erbschaft aufferdem, daß er das beste
Pferd, so der Vater hinterläßt, das beste Buch und den besten
Säbel, den er findt, zu sich nimmt, keinen Vorzug. Testament-
liche Verordnungen sind bei den Persianern eben so, wie bei uns
im Gebrauch, und fiel müßen durch Zeugen bestätigt seyn,
wann sie ihre Gültigkeit haben sollen.
- Wann ein Vater stirbt, und unmündige Kinder hinter-
läßt, fo fzt er noch in den letzten Stunden feines Lebens einen
feiner Freunde zum Vormund über dieselben ein, und dieser muß
dem sterbenden Vater die Hand geben, daß er statt feiner als
ein rechtschaffener Vater für eine nachgebliebene Kinder sorgen
- wolle.
•-A, - „AF- - 173
wolle. Der Vormund hat niemand, als den heranwachsenden
Kindern von seiner Haushaltung Rechenschafft zu geben. Wann
die Mutter sich nach des Vaters Tode nicht mehr zu verhei-
rathen gesonnen ist, so wird kein Vormund gesetzt, sondern fie
erzieht ihre Kinder selbst und besorgt auch deren häusliche Um-
fände. Wann Vater und Mutter schnell mit Tode abgehen,
und zuvor keinen Vormund über ihre unmündigen Kinder be-
fimmt haben, so werden dieselbe auf Kosten der Sloboden, oder
Gemeinden, zu welcher dieselbe gehören, erzogen: daß sich aber
vornehme Personen, als Chane, Veziers, Sultane, zu gleich fol-
cher Waisen annehmen folten, hat man nur sehr seltene Beyspiele.
- Im Fall ein Mann ohne Leibes-Erben das Zeitliche
verläßt, fo erben die nächsten Blutsverwandte; und wo der fer-
bende den Bluts-Verwandten nichts mit ausdrücklichen Worten
vermacht, sondern ein Vermögen unter fremde Leute austheilt,
fo können die Verwandte, wann sie es erfahren, sich bey
der Obrigkeit beschwehren, und ihre Gebühr zurückbekommen;
hat aber der Verstorbene feine Habseligkeit an die Metscheden
vermacht, so wird schlechterdings nichts mehr zurückgegeben.
P 3 - Fünf
174 •», + JF-
Fünfter Abschnitt. -
Von
dem gegenwärtigen
Gilanischen Chan, Hedatet,
dessen Einkünften, Regierung und
Hofstaat.
Aus einer andern Stelle meines Tageregisters erhellen, daß Maho-
med Chaffan Chan einen gewissen Perfer, Adschi Schamal, zum
Befehlshaber in Gilan eingesetzt habe, als er sich bei seinen glück-
lichen Umständen dieser Provinz bemächtigt hatte. Dieser Adschi
Schamal (*) war der Vater des gegenwärtigen Chans Hedaer,
schon zu Madir Schachs Zeiten Ketchuda zu Fomin, und besaß
ansehnlichen Reichthum. Nach der Aufhebung der Schachischen
Würde in Persien und mitten unter den darauf erfolgten Un-
ruhen, erwarb er sich gelegentlich eine Partey, und fuchte
mit derselben Gilan unter feine Botmäßigkeit zu bringen.
Sein Vorhaben gelung ihm auch, aber das Glück dauerte nicht
lang: dann nach zwei Jahren, den 6ten November 1752. nem
lich, wurde er, da er sich zu Schaft befand, von dem dortigen Sta-
roten Hadschtschef, mit zwey hundert Mann überfallen und
getödtgt. Dieser Hadschischef und der Kestärische Naip,
Mirsa Saki, eigneten sich nach dieser Begebenheit die Beherr.
fchung über Gilan gemeinschaftlich zu, wurden aber nach drey
oder vier Monathen von dem damaligen Masanderanischen Chan,
Mahoned Haffen, überfallen und ums Leben gebracht. Zedaet,
Adschi Schamals Sohn, wurde von Mahoned Haffan Chan
- zum
( * ) Der Mörder des Eltäns Schamal, nicht Gemal Begs der zu
Somili im Jahr 1751. erschoßen worden. Schamal bedeutet
schön und Beg einen Edelmann,
•A, - „F 175
zumr Naip in Gillan erklärt, und der Kesminische Naip, Adschi
Nadbi, mute, weil jener noch minderjährig war, feinen Pfleger
abgeben. Als Mahomed Haffan Chan immer von Alfad Chan
beunruhiget wurde, und der letztere sich einmal der Provinzen
Gilan und Masanderan bemeistert hatte, so gefiel es ihm wäh-
rend seiner kurzen Regierung Heda er dem Naip, die Chans-
Würde zur ertheilen, und dieselbe behauptete er sowohl zu den
Zeiten, da lahomed Haffan Chan wieder zum Besitz seiner Herr-
fchaften gelangte, als noch bis jetzund unter der Oberherrschaft
Kerim Chans. Die Chans oder Naips aus den kleinern Städ-
ken der Provinz Gilan, Lagidschaan, Langorod, Keßnin, Keskär
und so weiter, die sonst ganz freye Beherrscher ihrer Districte waren,
muten sich vor 9 Jahren auf Befehl Kerin Chans dem He-
daer unterwerffen.
Hedaer Cham ist wie alle andere Chane, die an Ruß-
land gränzende Gorskische ausgenommen, ein Vafall von Kerim
Chan. Er bezahlt demselben jährlich 2500. Batman Seide,
und zweimal hundert Tausend Rubek an Gelde. Manchmal
verlangt man noch aus Schiras aufferordentliche Abgaben. Er
muß sich äußerlich gefallen laffen, allen Befehlen zu gehorsamen,
die von daher an ihn einlauffen; und wann Kriegs-Völker ver-
langt würden, so kann er sie nicht versagen, denn ungeachtet
an und vor sich selbsten wider einen ungehorsamen Vasallen Ke-
wim Chan nicht viel zu thun vermag, so nimmt man sich doch
bey feinen Lebzeiten in acht etwas abzuschlagen, was vor der
Zeit eine widrige Gesinnung verrathen könnte. Indessen hat
Hedaet bald nach seiner Gelangung zur Chanschaft mit Kerim
Vekil angebunden. Er war verpflichtet, einem Oberherrn wie-
der den Tawrifischen Chan mit Truppen zu Hülffe zu kommen;
er versprach, solche von Zeit zu Zeit, hielt aber niemals Wort;
und endlich zog er von der Sache heimtükisch feine Hand völ-
lig ab, bis dieselbe endlich in zimliche Gewaltthätigkeiten von
Kerim Chans Seite ausbrach, wie ich bei meinem Auffenthalt
in Maffula erwehnen werde. Hedaer Chan hat in der That bey
den Umständen, von welchem ich rede, vieles verlohren, und sich
vorgesetzt, lieber so lang ein Vasall zu bleiben, bis es Zeit feyn
möchte das Joch abzuschütteln. - -
Was die Chans in den Persischen Provinzen unter der
Regierung der Könige bedeutet haben, das sollen noch gegen-
wärtig
-
wärtig die jetzige vorstellen. Kerim Chan nemlich nimmt die
Person eines Schachs an, und sie find eine vornehmste Be-
dienten. Rerin Chan wohnt in Schiras. Hedaet Chan z.
E. bezahlt an ihn an Seide und Geld für Gilan so viel, als
ich angezeigt habe, und erhält von Kerim seine Besoldung.
Gut, wann dasjenige sich allzeit so verhielte, wie es den Nahmen
führt. Da schon zu Schachischen Zeiten die Provinzial-Chane
fast einen Schachischen Staat geführt haben, was ist wohl von
den gegenwärtigen zu erwarten, die sich selber so gut Herren zu
feyn düncken, als ihr Principal ? die von ihrem Verfahren ihrem
Herrn wenig oder gar keine Rechenschaft geben dürffen? Denn
wann sie auch äußerlich keinen Staat machen wollen, auf ihre
Bereicherung dencken müßen, um bey der nächsten besten Gele-
genheit von ihrem Gelde Gebrauch zu machen? Kerim Chan
schindet seine Unterthanen und versparet das Gold für das
Schwerdt feines Sohns. Hedaet Chan versteht gleichfalls
die Kunst Geld zu erpreffen, aber er wendet solches zu einer
glänzenden Hofstaat an , und vergißt dabei nicht feinen
Sparbeutel zu spicken ; und nun betrachte ich ihn in diesem
Abschnitt nicht mehr als einen Vasallen, der von der Besoldung
feines Herrn leben sollte, sondern als einen Chan jetziger Zeiten,
der Kerim den gesetzten Tribut liefert, und übrigens für sich
allein sorgt. -
Es ist schwehr zu bestimmen, wie hoch sich die Einkünf
ter des Gilanischen Chans belauffen, und eben deswegen ist es
schwehr, weil sie nicht rechtmäßig sind. Die dem Chan aus-
gemachte Besoldung soll zwar derselbige an 1500. Batman Sei-
de, an 25000. Rubel Geld, und 5000. für seine Hofstatt erhal-
ten; dieses nemlich ist ihm von Kerim Chan zu seiner Bestallung
ausgesetzt. Aber wie könnte dieses für Hedatet oder einen jeden
andern Persischen Chan zureichend feyn, der groß thun und famm-
len will wie er? Gar nicht milde gerechnet zieht der Gilanische
Chan aus seiner Provinz jährlich zwo Millionen Mindenars
und er erhält diese Summa hauptsächlich durch den Verkauff
der von feinen Unterthanen eingesammleten Seide, von demjeni-
gen was die Straffen abwerffen, von Abgaben, die er von Zeit
zu Zeit aufbringt, von dem Commerz-Wesen mit Rußland, und
von den Einkünften des Zolls, den er nun für siebenzig tausend
Rubel verpachtet hat. Von den Armeniern, die unter '
Ot-
•A, F. „F 177
Botmäßigkeit stehen, und zu Räscht, Enzelli, Keskär, oder an-
derwärts in Gilan leben, bezahlt eine jede Familie 100. Rubel,
die unverheirathete erlegen nichts. Die Juden find von allen
Abgaben befreit, jedoch stellen fiel sich alle Jahr mit einem
Geschenck von etlichen hundert Rubel bey dem Chan ein.
Die Anzahl aller Gilanischen Truppen mag sich auf 8. bis
10000. Mann belauffen , wovon aber nur 1500. diejenige nem-
lich, die beständig um den Chan find, eine Besoldung genießen;
nicht, daß sie ihnen vom Chan selbsten ordentlicher Weise ge-
reicht würde, sondern weil sie zu einträglichen Verschickungen ge-
braucht werden. Der Chan Z. E. verlangt Abgaben an Geld,
Proviant, Bau-Materialien und so w. Er schickt seine Officiers
und Soldaten aus um seinem Verlangen genüge zu leisten. Die-
fe wiffen mit Genehmigung ihres Herrn die Commißionen so aus,
zurichten, daß sie auch für sich bei einer einzigen Gelegenheit
mehr erhalten, als vielleicht die reichlichste Besoldung eintra-
gen würde. Nicht nur genehmiget der Chan feinen Soldaten
diese Einkünfte; sondern manchmal geht es mit der Sache gar
Befehls weise zu. Ich war einmal an einem Gilanischen
Orth, wo ich so viel unrecht erlitte, daß ich mich genöthiger
fand bey dem Chan schriftlich mit einer Klage einzukommen.
Der Ort muste wegen feiner Vergehungen an den Chan 10000.
Rubel Straffe bezahlen, und derjenige Officier, der zur Eintreibung
dieses Geldes auf Execution erschien, hatte noch überdiß Befehl,
von einem jeden der ältesten, deren nicht wenige waren, für fei-
ne Bemühung 50. Rubel zu fordern. -
Der Chan stellt bey feinen Soldaten den Sipah
Solaar oder Generalißimus selbsten vor, und in wichtigen Fäl-
ken erscheint er mit demselben im Felde. Vornehme Kriegs-Be-
diente hält er, wie andere Chane, gar nicht. Es ist hinlänglich,
daß Mimbafi, Panatbasi, Juus Bafi, Panfha Bafi und
Onbasi Officiere, die über tausend, fünf hundert, hundert fünf
zig und zehen Mann das Commando führen, vorhanden seyn,
um sein Corps zu ordnen. Die Gilaner bedienen sich so, wie
andere Perser, entweder ordentlicher Schieß-Gewehre, oder fol-
cher, die mit Lunten abgebrandt werden müßen. Pfeile und
Bogen sind nicht mehr viel gewöhnlich. Sie haben keine ein-
förmige Montirungen, wie die Europäische Soldaten. Ein jeder
wählt diejenige Farbe, die ihm gefällt. Alle sind mit einem
Dritter Theil. Z großen
178 •A, P. „F
großen Säbel versehen, der meistentheils krumm ist. Auf die
fen halten sie ungemein viel , und vermögliche Leuthe zahlen
für schön ausgezierte manchmal einige hundert Rubel. Zwischen
das Kleid und den Paß stecken noch die meisten einen Dolch,
und an dem Rock hängt die Patrontasche. Uebrigens putzt
sich ein jeder nach eigenem Belieben aus. Einige tragen an
den Müzen Federbüsche, andere find gepanzert. Einige bringen
an Riemen, die wie Ritterbänder über den Leib hangen, verschie-
dene Zieraten an, und andere laßen fich mit prächtigen Turbanen
sehen. Ueberhaupt wird in dem äußerlichen Aufzug die Schön-
heit geliebt; dann man richtet sich nach dem Chan, dessen Bey-
spiel dieselbe empfiehlt. Die Gilaner haben schon mehrmalen
Proben ihrer Tapferkeit abgelegt, wann man das tapfer nennen
kann, wenn ein Perfer über andere Perser oder über Gorskische
Völker Meister wird. Freylich würden sie wieder einen ordent-
- lichen Feind nichts ausrichten können. Wann fiel würkliche
Dienste thun, fo beobachtet man, wie bei allen Persischen Sol-
daten, weder im Lager noch auf dem Streit-Plaz selbsten, nicht
das geringste regelmäßige. Ihre Feld- Musik macht einen fo
verwirrten Lermen, daß man lieber davon lauffen, als dadurch
zu einem muthigen Angriff ermuntert werden sollte. -
Man kann überhaupt fagen, die Innwohner von Gilan
fyn mit der Regierung ihres Chans zufrieden: dann ungeachtet
fie mit schwehren Abgaben belegt werden, und ein groffer Theil
derselben fast nicht im Stande ist, solche aufzutreiben, fo wiffen
sie doch, daß kein einziger Persischer Unterthanen ist, der nicht eben
dergleichen Schicksal mit ihnen erfahren sollte; hingegen bringt
die Liebe zum Aufwand, die dem Räschtischen Chan eigen ist,
vielen seiner Unterthanen ansehliche Summen ein. Eine fich in
manchen Fällen zeigende großmüthige Freigebigkeit thut ein gleiches,
und ein billiges Verfahren in gerichtlichen Dingen hat schon in
vielen Gemüthern Liebe erregen müßen. Der Landmann hat es
wohl am schlimmfen; dann der muß Seide und Geld schaffen,
wann man es haben will, und an ihn wird weiter nicht gedacht.
Der Landmann gewinnt auch nichts durch die Handlung, die
besonders in Betracht der Rußischen, die Reichtümer der Inn-
wohner zu Räscht so ansehlich vermehrt. Es scheint würcklich,
Hedaet Chan hege den Grundsatz, daß wann es mit dem Ver-
mögen feiner Unterthanen gut stehe, er selbsten eben dadurch
reich
«A, - „F- 179 . .
reichfey: dann von allzugroßen Gewaltthätigkeiten, die er an den
Güthern seiner Leute verübt hätte, sind wenige Beyspiele bekannt.
Er findet sich nun in einem Alter von 34. Jahren, ist mit sechs
Frauen ordentlicher Weise angetraut, befizt zween noch ganz jun-
ge Söhne, ernährt in seinem Harem eine sehr große Anzahl
gemietheter Dirnen und Weiber, hat auch eine ganze Bande
Georgianischer Knaben, vermehrt solche noch jährlich, liebt haupt-
sächlich nächtlicher weile den Gebrauch farcker Geträncke auffer-
ordentlich, giebt sich viel mit der Jagd ab, und sucht in allen
Stücken sein Leben unter dem Genuß aller möglichen Lustbarkeiten
zuzubringen. Er läst etwas besonders angenehmes und feines in
feinem Umgang blicken; und weil er beständig in den prächtigsten
Kleidern, Gold- und Silber - Stoffen erscheint, der Natur aber
eine schöne Gesichts-Bildung und männliches Ansehen zu danken
hat, so machen alle äußerliche Umstände seine Person mit der
Würde, die er bekleidet, übereinstimmend.
Die geistlichen sowohl, als die weltlichen Bedienungen
find in gegenwärtigen Zeiten nach Aufhebung der Schachischen
Würde in dem Iranskischen Reich diejenige nicht mehr, die sie vormals
gewesen. Einige derselben sind gänzlich aufgehoben. Ich kann zwar
nicht Bürge feyn, wie es dießfalls im innern Persien aussieht; aber
ich habe doch Nachrichten, die mich belehren, daß es daselbst
mit weniger Veränderung eben die Beschaffenheit habe, wie in
dem nordlichen. Von einem Mudschi Tehid weiß man nichts
mehr; nichts von geistlichen Pflegern und Verwaltern; dann schon
Ladir hat durch die Einziehung der geistlichen Güther diese
Aemter unnöthig gemacht. Zu Räfcht besteht die Geistlichkeit
in einem Schilchalichstan, in Pifinanmaas, in Haffis und
Mulla. Muwafins können auch noch zu diesen Leuten gerechnet
werden. Der Schilchalichstan stellt den vornemsten Priester
oder den Bischoff vor. Es kommt mir vor, er habe eben das-
jenige zu bedeuten, was ehmalen der Kafi zu sagen gehabt hat.
Er richtet nemlich in denjenigen Dingen, wo bei uns Christen
geistliche und weltliche Beamte zugleich erfodert werden, wie
Z. E. Ehe-Sachen, wird aber auch zu andern Geschäften ge-
braucht. Der Chan Z. B. hätte was zu schlichten, wo er
auf keinerley weise hinter die Wahrheit kommen kann, so schickt
er den schuldigen und unschuldigen zum Schichalichstan. Die
fer muß beide scharff auf ihr Gewissen ausfragen, im Fall
der Noth Eide schwöhren und also nach theologischer Stren-
- 2. -- ge
186 «A, „F-
ge die Sache zu Ende bringen. Er spricht selbst unter den
Priestern das Recht, wann bey ihnen Streitigkeiten vorfallen.
Er ist der Oberste Aufseher in den Medcheten und Melaaren.
Nichts kann in geistlichen Dingen vorgehen ohne ihn. Pisina-
maas bedeutet so viel als einen Ober-Priester, und so viel es
Medcheten giebt, so viel giebt es derselben. Diese halten den
ordentlichen Gottesdienst, und geben bey den Gebeten die auf
mercksamste Aufseher ab. Nach ihnen richtet sich das Volk in
den Kirchen. Werffen sie sich auf die Erde nieder, so thut es
auch dieses. Bücken sie sich nur mit dem Kopf, so thut auch
das Volk nicht ein mehreres. Beten sie laut, leise, mit unter-
mengten Seufzern, so ahmt auch das Volk mit feiner Stim-
me nach. Ein Hafis ist derjenige Priester, der bey den Grab-
stätten der Verstorbenen die Seel-Meffen für Geld liest. Ein
Mulla ist ein gemeiner Pfaff, welcher keinen Gottesdiensthal-
ten kann. Das Wort Muwafin druckt so viel als einen Sän-
ger aus. Diejenige Leuthe nemlich, die auf den, neben den
Medcheten errichteten Thürmen täglich viermal, beim Auf- und
Untergang der Sonne, zur Mittags-Zeit, und um Mitternacht,
öffentlich zur Kirche ruffen und dabey einige Gebets-Formuln
hersagen, verrichten ihr Amt fingend, und mit einer solchen hel-
' Stimme, daß man sie in einer zimlichen Entfernung hören
(UNM.
Eben so, wie die geistliche Bedienungen vermindert
worden sind, ist es auch mit den weltlichen zugegangen, weil
die Chane denjenigen Staat nicht führen können, der in Scha-
chischen Zeiten möglich und nothwendig war, und weil durch
die Verrichtungen, die ein jeder Chan auf seine eigene Schultern
nimmt, die Hülfe anderer überflüßig wird. Jedoch ist bey dem
Räschtischen Chan noch ein ziemlicher Schein Schachifber
Herrlichkeit nachgeblieben, und wann gleich feine Staats, Be-
diente dasjenige natürlicher Weise nicht zu bedeuten haben, was
fie in den nemlichen Aemtern bei einem Schach vorstellen wür-
den, so führen sie gleich wohl eben dieselbe Tittel, und wissen
durch sie ihrem Stolz vieles zu gute zu thun. Es find mir
aber folgende Bedienungen bekannt worden.
Der Mafir, Oberhofmeister, der alles dasjenige zu be-
sorgen hat, was zu der Hofstaat des Chans im öconomischen
Verstand, gehört. Der Wakaheurwäs, oder der Staats- Se-
cretär,
A, H „Fs 18r
cretär, der alles, was schriftlich behandelt wird, dem Chan un-
terlegt, und dessen Entschluß über die in den Papieren enthal-
tene Materien empfängt. Der Munedfim Basi, erster Astrolog.
Der Mahmandaar Bafi, ober Ceremonienmeister, der
Dienste thut, wann Asiatische Völker und Abgeordnete bei dem
Chan Verrichtungen haben.
Der Mir Achuur Bafi, Oberstallmeister.
Der Solbat Jeffaunwul Basi, oberster Jeffaul, der dem
Chan den Marschalls-Stab vorträgt, und sich mit demselben in
dem Zimmer befindet, wo der Chan ist, an der Spitze des
Volks, unterhalb den Gästen.
Der Muhtefib, oder Markt-Inspector, Polizeimeister,
bem die Aufsicht über die zum Verkauf gebrachte Victualien, die
Untersuchung des Gewichts und so w.obliegt. Ein sehr vortheil-
hafter Posten, den ein jeder gerne bekleiden möchte.
- Der Hokin 25afi, Leibarzt, welche Stelle zu meiner
Zeit der unwissendete Mensch verwaltete. Auffer ihm bedient
fich der Chan noch anderer, die sich für Aerzte ausgeben, aber
eben so wenig als der Hakim Bafi verstehen. -
Der Mür Aab, oder Waffer-Meister, der die Aufsicht
: alle Canäle und Springbrunnen, Gärten und Luftschlös-
fer führt.
h Der Mielick Tudiaar, oberster Kaufmann, Commißionair
des Chans, der für den Chan handelt, und die Streitigkeiten,
die unter andern Kaufleuten vorfallen, schlichtet. Ein sehr ein-
trägliches Amt, das viele Ehre bringt, weil derjenige, der dem-
selben vorsteht, beständig um den Herrn ist, und daher den Ad-
vocaten derer, die ihm am meisten bezahlen, und den Ankläger
derer, denen er nicht gut ist, abgiebt.
Der Mianaan-Basi, oder Baumeister.
Det Nafir Dawaah, oder Vieh-Inspector.
Der Dhiaartfi XSafi, welcher die offentliche Befehle des
Chans auf den Straßen bekannt macht.
Der Gilanische Chan, wie er in vielen Stücken einen
wesentlichen Vorzug über andere Chane behaupten kann, also
ist er auch in den Wiffenschaften nicht ganz und gar fremde
Man muß nicht vergeßen, daß ich allbereits gesagt habe, es
Z 3 habe
- 13 - «A, L. „F
habe nunmehro das Ansehen, als wären die Wiffenschaften aus
Persien gänzlich verbannt worden, und, daß ich berührte, was
noch von denselben übrig geblieben fey. Man muß daher von
mir nicht erwarten, daß ich aus Hedaet Chan einen Europäischen
Gelehrten machen wolle. Aber doch stellt er sich auch nicht ganz
unbekümmert um die Wiffen schafften an. Es find ihm nicht
völlig Böhmische Dörfer, wann man von Europäischen Entde-
kungen spricht; er mag seine geringe Kenntniß herhaben, wo
er will. Die ' Verfaßung von unserm Welt-Theil ist
ihm nicht unbekannt, und er wird niemand fragen, wie ich von
einem feiner Collegen gefragt worden bin, ob ein oder mehrere
Chane in Europa das Regiment führen? Den Zustand Per-
fiens von den ältesten Zeiten bis auf die neuesten weiß er voll-
kommen gut. Er ließt viel, und kauft alle gute Bücher auf,
deren er habhaft werden kan. Er versteht nicht nur, sondern
spricht auch Arabisch, und feinen verständigten Priestern legt er
manchmal Fragen vor, deren Beantwortung sie nur von ihm
erwarten müßen. Schon aus dem, daß er gar keine abergläu-
bische Meinungen hegt, läßts sich sehen, daß er klüger ist als
andere, und man kan dazusetzen, daß er sich eben deswegen,
weil er etwas von Wiffenschaften weiß, vernünftiger im Um-
gang aufführe, als man sonsten in Persien erfährt.
Sechster
•-A, - „F- z
Sechster Abschnitt,
Von der
Jahrs-Rechnung der „Perser und den das
Jahr über vorfallenden Festtagen.
Dr. Perfer ihre Jahre find Monden - Jahre, die eine Zeit
beschreiben , binnen welcher sich die Sonne mit dem Mond
zwölfmal vereiniger, oder, binnen welcher zwölf Neu-Monde an
dem Himmel erscheinen. Sie rechnen also von einem Neu-Mond
zu dem andern; und die Zeit zwischen zween macht bei ihnen
einen Monath aus. Die Neu-Monde bestimmen die Zeit der
Feyertage bei ihnen. Wie aber die Mond-Monathe in der An-
zahl der Tage ungleich, und meistens um einen Tag kürzer
verlauffen, als unsere Sonnen-Monatehe, so find die Feste der
Perfer sehr beweglich, und fallen alle Jahre zehen bis eilf Ta-
ge früher ein, welches nach verschiedenen Jahren einen ansehlichen
Unterschied in der Zeit ausmacht.
Der erste Monath hat den Namen Muharrem, defen
zehn erste Tage dem Gedächtniß des gewaltthätigen Todes eines
ihrer größten Imame, nemlich des jüngsten Sohnes von Ali,
dem Tod des Huffins, gewidmet find. Zehn Tage feiern fie
das Angedencken dieses traurigen Schicksals, weil Huffein zehn
Tage lang in einem Streit mit Jesib verwickelt gewesen und
fich zuletzt der Streit mit Huffins Untergang geendigt. Sie
nennen diese Feyer Afhuur, welches Wort in der Arabischen
Sprache eine Zeit von zehn Tagen bedeutet, und in die Per-
fische um diese zehn klägliche Tage auszudrücken, aufgenommen
worden ist. Ich werde der Ceremonien, die in diesen Gedächt-
niß-Tagen bey den Persern üblich find, an einem andern Ort
gedenken, und erinnere anjezo nur noch dieses, daß Olearius
recht habe, wann er bey dem Tode Huffins fagt, es fey
derselbe vor seinem Tode von allen Lebensmitteln abgeschnitten,
durch viele Wunden verletzt, und endlich erst von zweenen des
feindlichen Heeres getödtet worden. Der zweite Monath hat
den Namen Sephir, und den zwanzigsten Tag desselben :
16-
„184 •-A, - „F*
die Perser, weil sie glauben, daß an demselben vermittelt eines
Wunders die Vereinigung des Hufeinischen Leibes mit dem
Kopf defelben, der davon im Streit getrennt worden, vorge-
gangen fey. Der acht und zwanzigste Tag dieses Monaths ist ihnen
heilig, weil sie vorgeben, daß an selbigem ein anderer Sohn
vom Ali, Hafen, durch beigebrachtes Gifft sein Leben verlohren
habe; und endlich glauben sie von dem letzten, darzu von einer
Aussage Mahumeds beredet, daß er der unglücklichste im gan-
zen Jahr fey, und sich an solchem die Gestirne wieder das be-
fe der Menschen verschwohren haben. Der dritte Monath heit
Rebia Awil, an dessen neuntem Tage fich die Schias des be-
rühmten Müllers erinnern, der den Omer in seiner Mühle
umgebracht, und sich darnach auf die allerseltsamste Weise
geflüchtet hat. Einige Stellen des Korans sagen, Ali habe
ihm sein Wunder-Pferd geliehen, und mit demselben sei er
in Zeit von vier und zwanzig Stunden aus Kaschan nach
Medina gekommen: andere, der Weg hätte sich auf das Wort
des Ali also zusammen gezogen, daß er in vorgemeldter Zeit die-
fe Reise gemacht habe, wovon man andere Reise-Beschreibungen
nachsehen kan; dann meinen Lesern würde nicht viel daran ge-
legen feyn, wann ich unnöthiger weise fabelhaftes Zeug von
dem Koran zur Vermehrung dieser Blätter entlehnte. Der vierte
Monath wird Rebia Achir, der fünfte Dschemmadi Awil,
der sechste Dschemmadi Achir, und der siebente Redfcheb ge-
nannt. Der achte heist Schaaboon. Die Perser glauben,
daß an dem fünfzehnten Tag dieses Monaths einige Engel von
Gott befehliget werden, das Buch zu eröffnen, in welchem die
Nahmen der auf dem Erdboden lebenden Menschen und ihre
entweder gute oder böse Thaten , aufgezeichnet stehen. Der
neunte Monath führt den Nahmen Romafaan und ist so wie
bey den Türcken und Tatarn, also auch bei den Persern feinen
ganzen Verlauff über dem Beten und Fasten allein gewidmet.
Von der Morgendämmerung an bis in die finstere Nacht hat
kein Muselmann die Erlaubniß, das geringste von Speise oder
Getränke zu sich zu nehmen, man erscheint in den Medcheten
häufiger als gewöhnlich; unter den Persern laffen auch dieje-
nige, welche ich bei einer andern Gelegenheit Sauff-Brüder
nennen werde, eine größere. Andacht blicken, als sonsten; jeder-
mann will in diesem Monath für seine Sünden büffen, jeder-
MQNN
«A, P. „F- rF
mann sich mit seinem Schöpfer versöhnen. Es gibt Leuthe
die ihr Angesicht während dieser Zeit umhüllen, damit nicht
mit der Luft etwas in den Mund fallen möge, welches diese so
strenge Fasten verletzen könnte. Wie nemlich die ganze Religion
der Perfer ins Lächerliche fällt, und bei vernünftigen Christen
nur zum Mitleiden Anlaß giebt, so müffen auch ihre Fasten lächer-
lich seyn, und Mitleiden erregen. Das Lächerliche erhellt von selb-
fien und das Mitleiden erfolgt gewiß, wann man das, was
ich sagen werde, erwäger. Nur die Tage in diesem Monath
find den Muselmännern so heilig. Nur so lange die Sonne
den Horizont erleuchtet, wird ans Beten und Fasten gedacht. So
bald die Nacht einbricht können diese armen Menschen nach
Mahumeds Gesetzen thun, was sie wollen. Da werden alle
bei ihnen übliche Speisen zur Stillung des Appetits aufgetra-
gen. Da laffens sich die Sauf-Brüder bey dem Gebrauch be-
rauschender Geträncke so lange schmecken, bis sie von Stell
und Ort taumlend hinweg gehen, oder geführt werden müffen.
Da laffen sich die Musikanten hören. Da ist es erlaubt, den
Lüsten des Fleisches ihren Lauff" zu laßen, gleich als wann
Gott des Nachts wie ein Baal, schliefe, oder mit dem ihm
des Tags über geleisteten, gezwungenen Dienst zufrieden feyn
könnte, die nächtliche Zeit möchte dem zuwiederlaufen oder “
nicht. - - - -
Der zehnte Monath heist Schawal und der erste Tag *
deffekben ist zum Almosengeben bestimmt. Ein jeder Hauß-
Vater rheilt unter seinem Gesinde am Lebensmitteln und Gelde“
fo viel aus, als es sein Vermögen zuläßt. Wer Religionsmäßig
verfahren will, dann die Mahumedanische Glaubens-Lehre befiehlt
überhaupt gegen die Dürftigen ein weiches Herz zu äußern, der
beweist sich an diesem Tage besonders freigebig an ihnen: die
Derwische rechnen daher solchen für ihr Neu-Jahrs Fest.
Der eilfe Monath führt die Benennung Sülkaadeh
und der zwölfte Sülhadfiyeh. An dem zehnten Tag des
leztern begehen, wie die Türcken und Tartaren allzumahl,
also auch die Perfer ein Fest, welches bei allen diesen drey
Nationen das fröhlichste ist.
Es wird angestellt, um die dem Patriarchen Abraham
zur letzten Prüffung des Glaubens anbefohlen gewesene Aufopf-
rung seines Sohns im Gedächtniß zu erhalten. Es ist zu wis-
Dritter Theil, A a sen,
36 •-A, - „F-
fen, daß die Mahumedaner nicht den Sohn der Sara, son-
dern der Hagar ihren für das bestimmte Schlachtschaaf aus-
geben. So wie ich die Umstände, die bey des Müllers
Wunderflucht erdichtet worden, zu erzehlen für überflüßig hielt,
fo kan ich mich auch nicht überwinden, der verfälschten und
mit den ungereimtesten Erdichtungen angefüllten Nachrichten zu ge-
denken, welche der Koran bei dieser Geschichte erzehlt. Genug
die ungläubigen Mahumedaner beehren diese Begebenheit mit
einer sonderbaren Feyer, und diese besteht darinnen, daß solche in
den Gottes-Häusern an dem zehnten Tage des gedachten zwölf-
ten Monaths Panegyrisch erzehlt wird; daß sich bey dieser
Erzehlung die ganze Muselmännische Glaubenszunft jedes Orts
einfindet; und daß ein jeder, der sich zu derselben bekennt,
verpflichtet ist, auf offentlichen darzu bestimmten Plätzen, die
gemeiniglich unweit den Medfcheten erwählt werden, so viel
Schaafe und Lämmer zu schlachten, als es feine öconomische
Umstände zulaßen. Vermögende Leuthe laffen sich dann bey
dieser Gelegenheit manchmal besonders sehen, dann das, was
öffentlich geschlachtet wird, kommt den Armen zum Besten. Es
bleibt jedoch bei den öffentlichen Opfern nicht allein, eine jede
Familie opfert auch für sich, wann fiel es thun kam, stellt in
ihrem Hause, um mich eines bei uns gebräuchlichen Ausdruks
zu bedienen, Ostermale an, und nicht nur der zehnte Tag des
Sülhadscheh, sondern auch noch einige darauf werden in vol-
lem Vergnügen zugebracht. Das Fest wird mit dem Nahmen
Bairam Kurbaan belegt.
Des Neu-Jahrs-Fests der Perfer, welches, wie bei uns,
nicht befohlen ist, sondern der Gewonheit nach und Calender-
mäßig gefeiert wird, gedenke ich an einem andern Orthe.
Sieben-
- -A, - „H- Ry
Siebenter Abschnitt,
Religion der Perfer.
Mahm, der im Jahr 50 nach Christi Geburth als ein
Gözendiener auf der Welt erschienen ist, Mahummed, der
Stiffer einer Religion, die fich nach der Zulaffung des höch-
fen Wesens fast weiter verbreitet hat, als die Christliche, dieser
in der Kirchen-Geschichte so berühmte Mann, sowohl von dem
Licht seiner Vernunft, als von einer ganz aufferordentlichen
Ehrbegierde getrieben, erkannte die Irrthümer des Götzendien-
fes, und bildete seinen Lands-Leuten ein, er wäre nach Mose
und Jefin Christo der dritte göttliche Gesandte, welcher von dem
Allmächtigen, feinem Principalen, ein ganz neues Gesetz für die
Menschen, ein solches, welches für ihre verderbte Natur recht
angemeffen fey, zu ihrer Richtschnur bekommen habe. Der
Koran, der mit dem Wort Schrift übersetzt werden muß,
enthielte daffelbe, und um das ihm mangelnde Creditiv fich
selbsten zu geben, so wußte der verschmitzte Betrüger durch falsche
Wunder, zu denen ihm seine Leibes-Beschaffenheit und sein erster
Anhang behülflich waren, sich gar bald das Ansehen eines
Propheten zu verschaffen. Man wird nicht von mir erwarten,
daß ich allhier die Grundsätze der Mahometanischen Religion
vortrage. Diß gehört nicht zu meinen Zweck, und ich würde
auch nur eine Arbeit unternehmen, die schon längst vor mir
vollendet worden ist. Ich rede nur von der Religion der Perser;
und diese Secte der Mahometanischen Glaubens-Lehre erfoderte
blos wegen dem Zusammenhang diese Einleitung. Drey'Arabische
angesehene und mächtige Männer Abubecker, Osman und
Onner gesellten sich nicht so bald zu Mahumed, als sie viel-
mehr zugleich eine vertrautesten Freunde und Collegen wurden.
Ali war der Geburth nach ein Bruders-Sohn von Mahumed,
und nachhero wurde er auch fein Tochter - Mann. Wie sich -
nun mit dem Tode Mahumeds sein Pabstthum in der Mahu-
A a 2 Umeda-
MZ8 •A, H „F- -
medanischen Kirche endigte, so war die Frage, wer fein Nach-
folger seyn folte? Von den erst erwehnten drei Männern folg-
te einer nach dem andern: anfänglich Abubecker, der Mahu-
meds Schwieger-Vater war, dann VDsman und Omer, der es
auf sich nahm, Ali und seine Nachkömlinge, die auf das Pa-
eriarchat noch immer ihren gegründeten Anspruch machten, mit
dem Schwerdt zu bekriegen, bis er endlich durch die List eines
Müllers sein Leben verlohr, (welche Begebenheit die Perser an
dem neunten Tag des Monaths Rebia Awill feyren) und darauf
Ali als das Haupt der Kirche erkannt wurde.
- Die Perser nemlich, welche Mahumed fowohl, als viele
andere Völker auf seine Seite gebracht, und von dem Gözen-
Dienst sowohl, als der Ehrfurcht gegen das Feuer, wieder Zo-
roasters Einfälle und feiner, auch noch heutigen Tags anzutreffen-
den, unter dem Nahmen der Gebers bekannten Anhänger, auf
die Erkenntniß des einzigen wahren Gottes geleitet hat, die
Perser, sage ich, sind es allein, die Ali, als den rechtmäßigen
Nachfolger Mahumeds erkanten, ihn als ihren ersten Imam
verehrten, dessen Nahmen fie, wie es auch noch gegenwärtig
vollkommen gebrauchlich ist, bei allen ihren Verrichtungen anruf
fen. Sie waren es, die sich unter der Benennung der Schas von
den Türcken, von den Krimmern, den Arabern und dem größten
Theil der Usbecker, als den Sunniern, die Omers Nachfolgung
vertheidigen, unterscheidten, und solche als abgesagte Feinde mit
einem auch jez und noch unversöhnlichen Haßbelegten, davon schon
die Perfische Ableitung des Worts Sonni von Sonnet, welches
nach Kämpfer er. p. 148. so viel als eine überflüßige, von
Mahumed nicht befohlene Lehre bedeutet, einen deutlichen Zeu-
gen abgeben kan: sie führten vermöge dieser Trennung Religions-
Kriege, und mußten manchmal dieselbe führen. -
Es ist zwar andem, daß die Nachfolge in dem Ma-
humedanischen Pabstthum, als die erste Ursache, zu dieser Trennung
Gelegenheit gegeben hat, aber zu dem unauslöschlichen Haß
zwischen den Schias und den Sunniern war sie nicht die ein-
zige. Ali selbst machte Veränderungen in dem Koran, und
Omer schränkte die fleischliche Begierden nur auf den Besitz
weniger rechtmäßig angetrauten Frauen, mit gänzlicher Aus-
fchlieffung aller Kebsweiber oder gemietheten Dirnen ein. Je-
nes brachte den Eifer der Sunnier, und dieses die Geilheit
des
•, „so 189
des fleischlichen Persers in die äußerste Bewegung. Dannoch
würde darauf keine solche erhebliche Absonderung erfolgt seyn,
woferne sich nicht zu Ausgang des fünfzehnten Jahrhunderts
die Familie der Seffer, die in dem gegenwärtigen durch den
gewaltthätigen Eroberungs-Geist Tämas Kuli Chans, oder
des nachmaligen UNadir Sibachs, ihre Endschaft erreicht hat,
so gewaltig erhoben hätte. Tamerlan, die Ehre der Usbecker,
hatte kaum etwas über hundert Jahre die Erbfolge für das
Heldenrecht seinen Nachkömmlingen überlaßen, als Haidar, der
von der Familie des Ali war, die zwischen den Schias- und
den Somaliern obwaltende Streitigkeiten, erneuerte, zu den
Alianischen Veränderungen des Korans noch mehrere beyfügte,
und fich bey feinen Anhängern durch eine außerordentliche Fröm-
migkeit empfohl, bis er endlich, als ein Opfer "ä"
Rache, von Rustan erschlagen wurde, nachdem er drei Söhne
hinterlaßen, von denen der jüngste, Ismael der erste, um die
gemeldte Zeit das Propheten-Amt antrat, und den weltlichen
Thron zugleich bestieg.
Ismael, der Stifter der Seffer, den die unglückliche, -
und die wegen ihres seltenen Unglücks fo merckwürdige Regie-
wung Schach Huffins ihr bestimmtes Ziel gesetzt hat, Ismael,
der Groß-Vater von Abas dem Großen, hierg den Lehrsäzen
feines Vaters so sehr an , daß er sich zwar dadurch mit
den Sonniern in die blutigste Kriege verwickelte, aber auch
sich dadurch den Ruhm eines der größten Persischen Könige -
erwarb, und daher einen Vorbothen von einem noch größeren
Enckel abgab. Von diesem Regenten an bis auf 1733, nach
unserer Rechnung ist die Secte der Schias, wo nicht unange-
fochten, doch in ihrer Macht und Ansehen geblieben: da aber
wagte es Madir, als er den Königlichen Schmuck genommen
hatte, derselben einen neuen, ja den letzten Stoß zu verfzen,
indem er, entweder in feinem Herzen als ein Sonnier gesinnt,
oder von einer entsetzlichen mehr als Hypothetischen Ehrbegier-
de getrieben, eine Vereinigung zwischen den Omeranern und Alia-
nern zu Stande bringen wollte. So glücklich er aber in allen fei-
nen Unternehmungen gewesen, so mißgünstig war ihm das Vor-
urtheil in dieser Sache, die gleichwohl den Oberpriester das
Leben kostete. Die Persianer blieben Anhänger des Ali, abge-
A. a 3 sagter
190 - z, H. „MF-
fagte Feinde der Sonnier, wie sie waren. Laßt uns nun, ihre
Grundsätze erzehlen. -
Es ist ein einziger Gott, das Wesen aller Wesen, der
Schöpfer und der Erhalter aller Dinge, der Vater der Men-
schen, gerecht, allmächtig, allwissend; dieses ist der eigentliche Be-
griff, den sich die Perser von der göttlichen Majestät machen:
diß sind ihre wahrhaftig Christliche Gedanken von Gott. Dieser
allein, sagen sie, und kein anderer muß von den Menschen ver-
ehrt werden, diesem nur gebühret Lob, und Ruhm, und Danck:
dem muß man sich ganz aufopfern, ihm allein dienen, und feine
Gegenwart im Herzen durch ein beständiges Gebet unterhalten.
Betet ohne Unterlaß, befiehlt Mahumned, dann das Gebet be-
wahret vor den Sünden. Stellet euch ja nicht Gott unter
einem Bild vor, damit ihr nicht in die Abgötterey verfallet.
Was die Propheten - Würde des Mahumeds und was
die Würde des Korans anbetrifft, so hegen die Schias durch-
aus einerley Gesinnungen mit den Sonniern. Der in der Ara-
bischen Sprache verfertigte Koran, von dem Mahumed vorgege-
ben, daß er ihm aus dem Himmel zugesendt worden fey, der
aber vielmehr von ihm selbsten mit Beyhülfe eines aus Constan-
einopelverlauffenen Mönchen, Namens Sergius, zusammen geschrie-
ben worden ist, der Koran, sage ich, hat die heilige Schrifft,
und insbesondere das alte Testament, weil sich zu Mahumeds Zeiten
mehr Juden als Christen in Arabien aufhielten, zu einer Grund-
lage, oder um mich beffer auszudrücken, was in demselben gu-
fes enthalten ist, wurde aus dieser Quelle geschöpfft; dieses gu-
ke aber ist mit einer so ungeheuren Menge rasender Verfäl-
fähungen und mehr als abentheuerlichen Erzehlungen angefüllt,
daß davon ein Buch entfund, welches nur das Mitleiden,
die Verachtung und den Spott der Vernünftigen erregen kan.
Der Koran enthält die Kirchengesetze sowohl als die Civilver-
ordnungen: er enthält alle Glaubens-Lehren und die Vorschrift
fromm, glücklich und weislich zu leben. Die Perfer beobachten
gegen dieses Buch die tiefste Hochachtung. Sie öffnen es nie
mals ohne es zuvor über dem Haupt gehalten zu haben, als
welche Ceremonie, die auch fonten bei andern Gelegenheiten,
als z. E. bei dem Empfang von Befehlen und Briefen erhabe-
ner Personen üblich ist, die größte Ehrerbietung unter ihnen
bedeuten soll. Es ist ihnen auferlegt, Neißig in demselben zu
- - - lesen,
•F, P. „H - 91
lesen, und die Belohnung einer gewißen Seeligkeit auf die Be-
folgung dieses heilsamen Geboths gesetzt. -
Die Perser beten alle Tage viermal, des Morgens,
beim Aufgang der Sonne, des Mittags, beim Untergang der
Sonne, und des Nachts gegen zwölf Uhr. Die Uhuwalins
laden zu dieser gesetzmäßigen Andacht öffentlich ein, und be-
geben sich, wie ich schon gemeldt habe derowegen auf erhabene,
neben den Mescheden aufgerichtete Thürme. Die Gebets-For-
mul, deren fie, sich zu ihrer Einladung bedienen, hat Hamwey
Reise durch Rußland nach Persien Hamb- und Leipz. 1754
. 1. S. 250.) ganz gut aufgezeichnet. O Gott, ruffen oder
fingen sie vielmehr, zu drey malen, es ist nur ein Gott, Mo-
“ ist ein Prophet und Ali ist sein Freund. Auf dieses
eten sie folgendermaßen.
- „Ehre fey dem Beherrscher der ganzen Welt, und dem
„Richter des jüngsten Tages! Wir ehren deinen Nahmen, und
„bitten dich, uns in unsern Nöthen beizustehen, uns die Pflich-
„ten der Gerechtigkeit ausüben zu lehren, und uns zu bewahr
„ren, damit wir nicht ins Verderben gerathen.
MTadir Schach, der angezeigtermaßen auf eine Verei-
nigung der Schias und der Sunnier bedacht gewesen, wollte
in dieser Gebets-Formulauch eine Aenderung vornehmen, und die
den letztern anstößige Worte Ali ist sein Freund, ausgelaßen
haben; allein, wie sein ganzes Vorhaben nimmermehr würck am
geworden ist, also fand auch diese Aenderung bey feinen Unter-
hanen keinen Eingang, und es bleib dißfalls alles, wie zuvor,
Die Ruffer zum Gebet nöchigen also durch ihre öffent-
Miche Aufmunterungen ihre Glaubens-Genoßen nach den Metsche-
den zu gehen, um daselbst ihre Andacht zu verrichten, oder auch
in ihren Häusern den Gesetzen der Religion nachzuleben. Die
jenige, die sich auf Reisen oder fonsten auf dem Felde befinden,
wiffen die zum Gebet verordnete Stunden allzu wohl, als daß
sie ihre Pflicht aus der acht laßen sollten, wenn sie auch gleich
die öffentliche Einladung der Ruffer nicht hören können.
- Die ordentliche Gebete der Privat-Personen bestehen fo-
wohl in der öffentlichen Gebetsformul, als in dem Lesen einiger
Stellen aus dem Koran, und eigenen, auf gewiße Umstände
eingerichteten geistlichen Reden, W
- (Q1
-
192 z, „s-
Wann die Perser beten, so waschen fiel sich zuvor, dann
Mahumed befiehlt ausdrücklich:
„Wann ihr beten wollt, so waschet zuvor euer Ange-
„sicht, eure Hände, eure Arme, und eure Füße. Verheirathete
„Personen follen sich baden, wann sie nach dem Beyschlaff ihr
„Gebet verrichten wollen. Wann Krancke, wann Reisende kein
„Waßer bekommen können, so sollen sie sich statt desselben eines
„reinen Sandes bedienen, dann Gott liebet die Reinlichkeit. Er
„will haben, daß unsere Gebete vollkommen sein; daß wir ihm
„für diejenige Gnade, die er uns erweiter, pflichtmäßig dancken,
„und daß man seinen Nahmen offmals anruffe. ( Tournefort
„relation d'un voiage du Levant, Amft. 1718. 4. T. 2. p. 41.)
Jedoch das Waschen der Perfer, ehe sie beten, verdient
etwas weitläufigere Anmerckungen, die ich sogleich in diesem
Abschnitt machen werde. Nachdem sie sich gewaschen haben,
fo kämmen sie ihre Bärte mit der größten Sorgfalt aus, und
alsdann zählen sie öffters die an ihrem Rosenkranze auf Baum-
wollenen oder zwirnen Fäden angereihte Knöpfe (das thun
fie auch - öffers zum bloßen Zeitvertreib, da sie damit spielen,
wie unsere Damen mit dem Fächer) deren Gebrauch ihnen die
Morgenländische Christen abgelernt haben, und von welchen fie
vielleicht bey andern Christen, besonders den Katolicken, durch
die daher zurückgekommene Mißionarien, Mode worden sind.
Der Gebrauch der Rosenkränze ist den Persern ganz und gar
nicht unbekannt. Noch was besonders führen die andachtigern
Perfer bey fich, nemlich lange, schmale, fast in der Gestalt eines
Cylinders auf Holz oder eine andere feste Materie zusammen
gerollte Papiere, auf welchen Gebete und Gebets-Formuln geschrie-
ben find; sie tragen solche gemeiniglich an dem obern Theil ihres
lincken Arms bey fich, inwendig fest gebunden, zugleich mit ei-
nem aus Mecca vorgeblich oder würcklich gebrachten, im Um-
fang so viel als einen Rubel austragenden Stückgen Leins, dem
fie deßwegen eine besondere Kraft beylegen, und auf welches fie
ihre Stirne niederlegen, wann sie sich im Beten auf die Erde
werffen. Die Perser nemlich stehen bei einigen Stellen, wann fie
beten, bei andern beugen sie sich auf die Knie, und abermals
bei andern werffen sie sich mit dem ganzen Leib nieder. Wann
fie fich bücken, so thun sie solches von einem bis zu dreymalen
nach dem Verhältniß der Umstände. Sie beten fille, :
QUILLs
A, H. „Es 193
äuerliche Getöse, unerachtet man nicht in Abrede seyn kan, es re-
giere sie während ihrer Andacht ein durch ihre Gebährden unge-
mein mercklicher Enthusiasmus. Sie beten lange, aber weit ge-
fehlt, daß sie die Kräffte ihrer Seele im Gebet zusammen fam.
mlen, daß sie die eigentliche Kunst zu beten verstehen sollten,
vielmehr sieht man, daß sie sich binnen dieser heiligen Verrich-
tung durch den geringsten Gegenstand föhren laßen, und sich
gar kein Gewißen daraus machen, mitten unter derselben gegen
andere, von denen sie etwas nur berührt werden, in die schändlichste
Worte auszubrechen, worauf sie dann da wieder anfangen, wo
fie es gelaßen haben. Heißt nun aber das gebetet, wann man
und ohne die gehörige Faffung seines Herzens
etet
Es ist den Persern nicht erlaubt, wann sie ihr Gebet
verrichten, etwas von Gold oder Silber bey sich zu tragen, oder
mit reichen Kleidern bedeckt zu feyn. Sie dürffen auch während
dieser Zeit keine ganz seidene Zeuge an sich haben: mit Kattu-
nen-Fäden vermischte, als Kutna und d. g. find erlaubt. Sie
leiden kein Bild um sich, wann sie beten, um ja keinen Schein
einer Abgötterey von sich zu geben. -
Auffer dem, daß die Perser täglich zu bestimmten Stun-
den beten, so befiehlt der Koran bey besondern Gelegenhei-
*ten eigene auf dieselben eingerichtete geistliche Unterredungen.
Einige sind schlechterdings nothwendig, andere aber beruhen
nur auf Kirchen-Gesetzen. Von den erstern giebt es der Anzahl
nach zwölfe, und von den letzteren vier und zwanzig.
Die nothwendige besondere Gebete sind folgende.
Ein Gebet an der Fasten-Feyer des neunten Monaths
Ramafaan. Ein Gebet an dem zehnten Tage des zwölften
Monaths Sülhadscheh, auf welchen die Gedächtniß-Feyer von
der Aufopferung Ismaels einfällt. Ein Gebet bei der Wall-
fahrt der Hadschier nach Mecca, wann sie um die Riaba (*)
herum wandern. Ein Gebet, wann sich am Himmel eine schrök-
liche Lufft-Erscheinung zeigt, oder, wann die Erde bebt. Ein
Gebet für die Verstorbenen. Ein Gebet, wann man ein Gelübde
Dritter Theil. B h VOT
(*) Kiaba oder Kaba ist das Tempel-Gebäude zu Mecca, wo den
uralten Vorgeben nach des Patriarchen Abrahams Bett-Haus steht.
194 «A, - „Fe-
vor Gott thut. Ein Gebet wann einer einen andern für sich
zum Beten miethet, indem er solches selbsten zu verrichten sich
auffer Stand befindet, oder auch solches wegen einer andern
Ursache zu thun nicht vermag. Ein Gebet, wann einer einen
Eid ablegt. Ein Gebet zur Wiederherstellung des Friedens und
Festhaltung der Tractate , nach welchen man mit einander
überein gekommen ist. Ein Gebet, welches der älteste Sohn
bei dem Tode seines Vaters verrichten muß, wann nemlich der
selbe lange Zeit krank gelegen und wegen seiner Krankheit das
Gebet versäumt hat, oder wann er in der Fasten - Zeit seiner
Pflicht nicht nachleben können, in diesen Fällen befiehlt der ster-
bende Vater vor seinem Hingang dem ältesten Sohne, daß
er statt einer den Gesetzen der Religion genug, thue. Die Gebete
des Tages und des Nachts,
Nachstehende Gebete verordnen die Kirchen-Gesetze. -
Die Gebet des Tages und des Nachts. Ein Gebet zu dem
Ali. Ein Gebet an die Fatma, Tochter des Mahumeds und
Eheweib des Ali. Ein Gebet, welches Dschafar oder Diafer
der Bruder des Ali, und der Ordnung, nach der sechste
Jmaam verfertigt hat. Diesen Dschafar halten die Perser unter
allen Imaanen nach Ali, Hufen und Huffein in den größten
Ehren. Ein Gebet von einem: gewißen. Araber verfertiget.
Ein Gebet um Regen. Ein Gebet an dem Fest Kadir, des
Gefz-Gebers. Ein Gebet zu Anfang, eines jeden Monaths.
Ein gebet in der Nacht, da Mahumed zu prophezeihen anfieng.
Ein Gebet den Tag darauf. Ein Gebet an dem sieben und
zwanzigsten Tag des Monaths Redfieb. Ein Gebet den 24sten
des Monaths Zil Hadfche. Ein Gebet zur Zeit, wann die Ueber-
bleibsel der verstorbenen Heiligen angeruffen werden. Ein
Gebet zu Anfang des Monath Redfieb. Ein Gebet den fünf
ehnten eben desselbigen Monaths. Ein Gebet in der ersten.
ächt der Raumafaam-Feyer. Ein Gebet bey einer außerordent-
lichen unerwateten: Begebenheit. Ein Gebet der Reisenden.
Ein Gebet, wann einer Gott gelobt, von dieser oder jener
bösen Handlung abzustehen. Ein Gebet, wann bey Leichen-Be-
gängnißen Almosen ausgeheilt werden. Ein Gebet an der
Feyer - Aschuur, allwo der durch Jesib veranlaßte Tod der:
Söhne. des. Ali, Hafen und Huffin theatralisch vorgestellt:
wird -
wird. Ein Gebet am fünf und zwanzigsten des Monaths Zülka.
# Gebet am Naururus oder dem Neu-Jahrs Tag der
2'IE", -
Das Waschen ist wie bei den Sunniern also auch bei
den Schias eine unumgänglich nothwendige Sache, ehe fie be-
ten wollen, aber es giebt verschiedene Arten desselben.
Weu ist diejenige Wasch-Art, wo nur die Hände und
Füße biß zum Ende des ersten Arm- und Fuß-Knochens durch
das Waffer gereiniget werden. Rusl nennen fie, wann man
fich mit dem ganzen Leib in das Waßer stürzt, oder eigentlich
sich badet : Teimen aber, wann man sich vermittelt des
Sandes reiniget.
In gewißen Fällen ist vor dem Gebet ein einziges
Wefit, mit Ausschließung des Rusl hinlänglich; in andern kan
und muß man das Kusl allein gebrauchen; wiederum ist das
ZKusl ohne Wefin gänzlich unnüz und verboten; abermal muß
man sich anderwärts des Wein und des Tainen bedienen,
manchmal ist weder NPesi, noch Kusl und Teimen noch-
wendig.
Ein Wefin ohne Rusl ist hinlänglich, wann ein Mensch
im Schlaff unwißend seinen Harn gelaßen, oder feine Ercuremen-
ten von sich gegeben hat, wann laute Blähungen von ihm ge-
gangen find, oder wenn eine Frauens-Person auch etwas von
der monatlichen Reinigung an sich bemercket. Ein Kusl ohne
Wesu ist nach dem Beyschlaf hinlänglich, ja das Wesu ist in
diesem Fall sogar verbothen.
Wefin und Rusl find nothwendig, wann bei einer
Frauens-Person das monathliche Blut aufhört zu fließen; nach
der Geburt, und wann jemand mit einem Theil seines Leibs den
Lieichnam eines todten Menschen berührt hat, jedoch nur in
folgenden Fällen. 1) wann der Leichnam schon erkaltet, 2) wenn
folcher noch nicht abgewaschen 3) wann es den Leichnam eines
folchen Menschen betrifft, der von den Ungläubigen seiner Re-
ligion halber umgebracht worden, und jemand denselben wißent-
lich oder unwissend, was für einen Leichnam er vor fich habe,
abgewaschen hätte, dieser muß sich für solche That mit Wefin
und Rusl reinigen; dann die Leichname der Märtyrer dörffen
nicht abgewaschen werden. 4) Wann das Glied des lebendigen
Menschen, mit welchem er den Leichnam berührt, empfindlich ist,
B b 2. daß
196 - •z. As-
vaß alsö wann solches Z: E: mit dem Nagel oder dem Bart
geschehen wäre, keine Reinigung erfodert wird.
Wefin und Teilnen find nothwendig, wann eine Weibs-
Person ihr monathliches verliert, nach der Geburt, und wann
jemand den Leichnam eines Menschen berührt hat. In so ferne
aber nur so viel Waßer vorhanden, als das Wesu erfodert,
dann vertritt Sand, die Stelle des Kusl. Auf gleiche Weise
bedient man sich des Rusl und Teimen, wann man nur so
viel Waffer haben kan , als der Rusl erfodert und das
Gebet verliert bey beyden diesen Arten fich zu reinigen, feine
Krafft nicht. Kommt der Fall vor, daß man sich weder mit
Waffer noch mit Sand reiniger, so können alsdann keine andere
Gebete gethan werden, als die für die Verstorbene; ferner diejenige,
die ein Mann nach dem Beyschlaff, und solche, welche ein
Frauenzimmer, die binnen dem monathlichen Fluß viele schmerzen
ausgestanden hat, verrichten darff-
Endlich ist zu wissen, daß alle Gebete vor Gottes
Angesicht, nach der Perser Meinung, nichts taugen, wann man sich
bey der Reinigung eines unerlaubten Waßers und Sandesbedient
hat; wann man fich an einem rechtmäßigen Ort zu reinigen
unterlaßen oder, wann man während demselben die Pantoffeln
an den Füßen getragen hat; dann das Pantoffel-Tragen während
dem Waschen ist so verbothen, als ein unerlaubter Ort, Waffer
und Sand. Sollte aber einer die Pantoffeln also tragen, daß
fie nicht an den Füßen aufliegen, sondern so wie Z:. E: im
Reiten eine abhängige Lage haben, so kan man ohne Bedencken
von dem Wefin sowohl als dem Teimen den gehörigen Ge-
brauch machen. Ingleichem wann jemand an einem ungezie-
menden Ort ins Gefängniß geworffen wird, so ist Wefin,
Kus, Teimen und das darauf erfolgende Gebet gültig,
Die Art und die Weise, nach welcher man sich des
Wefin bedienen muß, so wie auch die damit verbundene. Um-
fände , werden von den Persern folgendermaßen erzählt.
Zwanzig Dinge find dazu unumgänglich nothwendig, und zu
denselben rechnet man folgende. Der Ort wo man sich, ver-
mittelt des Wefin reinigen will, muß erlaubt sein, er muß
memlich eines rechtmäßigen, allgemeinen Gebrauchs feyn, oder
wann er einen Eigenthums-Herrn hat, so kan man ohne defen
Einwilligung, das Wefit daselbsten nicht verrichten. Kein ''
ßer
z, N. „Es 197
Waßer ist tauglich, als reines, natürliches, kein über den Helm
gegangenes, kein über Rosen, oder etwas anders abgezogenes
kan dazu gebraucht werden. Sollte es kommen, daß man
zwey mit Waßer angefüllte Gefäße anträffe, in deren einem
reines, und in dem andern unreines Waßer befindlich wäre, fo,
daß man nicht wüßte, welches das reine und das unreine ent-
hielte, so muß man in diesem Fall statt des Wesu das Tei-
mem gebrauchen. – Das Waßer selbst muß gleichfalls nie-
manden zugehören; wann man sich aber desselben ohne Erlaub-
niß des Besitzers vom Brunnen zugeignet hat, so gilt das
damit verrichtete Wefin nichts, und dennoch muß der schuldige
für das entwendete Waßer dem Besitzer des Brunnen eine Zah-
kung leisten. Die Gliedmaßen, mit welchen man das Wein
verrichtet, müßen keusch und unbeflekt feyn, widrigenfalls sollen
fie zuvor gereiniger werden. – Mit dem Wesu selbsten ver-
fährt man aber alsdann folgendermaßen: man wäscht das
Angesicht zugleich mit dem Bart von den Kopf-Haaren an bis
auf das Kinn, fo, daß man ja in dem Bart nicht die geringste
Unreinlichkeit entdeken kan. – Dann wäscht man die Hände,
und fängt dißfalls bey dem untern Arm-Bein an, in beiden
Fällen dergestalt, daß das Waßer von dem Angesicht und den
Händen tropfen weise auf die Erde falle, jedoch mit der äufer-
sten Sorgfalt, daß ja kein Pläzgen trocken bleibe. – Endlich
veibt man den Kopf und die Füße mit von neuem naßgemachten
Händen, macht bey den Zehen den Anfang, und befolgt alles
nach dieser angezeigten Ordnung. – Wann einer Kranckheits-
halber alles dieses selbsten zu vollbringen nicht im Stande ist,
fo kann er einen andern ersuchen, daß er ihm Waßer reiche;
er ist aber verpflichtet, solchem dafür denjenigen Lohn zu zahlen,
den er allenfalls verlangt. * - - - - -"
Folgende Gesetze befehlen, in Anlehung des Wefin, die
Kirchen-Verordnungen. - - - -
Ehe man zu den Handlungen schreitet, von denen wir
in dem vorhergehenden Abschnitt gehandelt haben, werden fol-
che Gebete gesprochen, die auf eine erwünschte Vollziehung des
Wefin eingerichtet sind. – Dann wählt man sich ein solches
Waßer Gefäß, deßen Mündung weit genug ist, wäscht zuerst
die Hände, fängt definvegen von dem untern Arm-Bein an,
und fährt mit der Bis bis zu der äußersten Spitze der Fins
int
b 3, ger
98 •A, - „F-
ger fort. Es ist hinlänglich, dieses Geschäffte ein einzigesmal
unternommen zu haben: sollte aber einer kurz zuvor von seinen
Ercrementen befreit worden feyn, so muß er solches dreymal
wiederholen. – Das Waßer-Gefäß muß demjenigen, der sich
wäscht, zur rechten Hand stehen. – Dieser muß mit eben der-
felben aus jenem das Waßer herausnehmen. – Dreymal
muß man sich darauf gurgeln. – Dreymal das Waßer ver-
mittelt der Nase in sich ziehen. – Wann man sich des Wefin
bedienet , so wird eine Richtung des Menschen gegen den
Mittag erfodert. – Das Angesicht kan nur mit der rechten
Hand abgewaschen werden. – Das Haupt reibt man mit
drey Fingern. – Und mit eben so viel die Füße. – Die
Zähne werden mit einem einzigen Finger gereiniger. – Man
gebraucht zur Vollziehung des Wefin nicht mehr als ein Med
Waßer, ein Med aber ist dem Gewicht nach 14040. Gersten-
Körnern gleich. – So oft man einen neuen Theil dieser Hand-
lung verrichtet, so oft spricht man besondere, darzu eingerich-
tete Gebete. -
ch Dinge sind bei der Vollziehung des Wefin
ändlich.
f Wann man sich ohne einen Nothfall das Waffer von
einem andern reichen läßt. – Wann das Waßer warm, oder
von der Sonne erwärmt ist. – Wann es aus einem Sumpf
genommen, oder ranzigt ist. – Wann man es aus denjenigen
Rinnen herbey holt, aus welchen die Schaffe zu trincken pfle-
gen, dann es ist verbothen sich eines solchen verächtlichen Was-
fers zur Speise zu bedienen. – Man muß sich nach verrich-
tetem Wefin nicht vermittelt der Sonnen-Strahlen abtrocknen.
– Und sich in den Metsche den nicht aus einem güldenen oder
vergüldten Gefäße waschen. – -
Die Nothwendigkeit des Wefin erhellet noch aus fol-
gendem. Alle Gebete, ( : die nur ausgenommen, die man zum
besten der Verstorbenen thut:) taugen ohne Wefin nicht, wann
fie auch ein Mann verrichtet, den kein neuerlicher Beyschlaff
verunreiniget hat, oder ein Frauenzimmer, das von dem monath-
lichen Fluß befreyet ist. – Ohne Wefu ist es den Hadschiern
nicht erlaubt, um die Riaba herum oder andere ähnliche Oerter
zu gehen. – Wann ein Mensch nach dem Beyschlaff wieder
auf einen andern denckt, oder nächtlicher Zeit im Schlaff durch
die
«A, K. „Fs 199"
t:
der Griffe des Teufels feinen Samen verloren hat, oder, wann
jemand willens gewesen ist, bei einer schwangern Frau zu schla-
fen, so kann er weder den Koran in die Hand nehmen, und
darinnen lesen, nach Gebete - für verstorbene, für sich selbsten,
und für gerechte thun, noch die Ueberbleibsel der Heiligen ge-
ziemend verehren, ohne daß zuvor ein Wefin vorhergegangen
wäre; dann er ist unrein, wenn auch von dem Beyschlaf eine
Beschwängerung, erfolgt seyn möchte; und endlich ist Wesu nö-
thig damit nicht das Kind ohne Verstand auf die Welt komme.
– Wann jemand, nach dem er einen todten abgewaschen hat,
den Beyschlaff hält, so muß sich das Frauenzimmer so oftmahls
des Wefin bedienen, als Gebete für den Verstorbenen abge-
lesen worden.-– Wesu wird erfordert, wann aus der männ-
lichen Röhre Saamen lauft, der mit dem weiblichen Saamen
eine Aehnlichkeit hat, oder etwas anders, das kein würcklicher
Saamen ist, und doch wie Saamen aussieht; wann jemand
mit feiner Hand, die weibliche Schaam berührt hat, wann ein
Mensch vom Erbrechen in eine Krankheit fällt, wann einer aus
der Nase blutet, und wann die Zähne geblutet haben. Aber
wann einer Kranckheits- oder anderer Ursachen halber auf Krü--
ken gegangen ist, und er von einem andern Waßer empfangen,
oder er es auch selbst, aber mit Stiefeln oder Pantoffeln an-
gekleidet geschöpft hat, und darauf sich die Krankheit etwas
beßern sollte, ein solcher muß das Wefin zweimal wiederholen.-
Wann das Rusl.nothwendig fey, lehren die Perfer fol-
gendermaßen. - - - - - - - * - -
Die Religion befiehlt daßelbe nach einem jeden Bey--
fchlaff, zur Zeit des monathlichen Flußes, vor und nach der
Geburt, wie auch nach der Abwaschung eines Todten.
Die Kirchen - Verordnungen empfehlen solches noch bey
vielen andern Gelegenheiten. Alle Freytage. – Den ersten,
zweyten, dritten und fünften Tag des Dana. – Den ein und
zwanzigsten einen jeden Monaths. – Zwey Kusl im Monath
Ramasaan, eine des Morgens und die andere des Abends. –
In der Nacht vor dem Ramafaan. – An der Ramafaan--
Feyer. Am Feste Kurbaan. – In der Mitte des Monaths
Redfheb gerade um Mitternacht. – In der Mitte des
achten Monaths Siaboon um dieselbe Zeit, wo sie, die Perfer,
vorgeben, daß die Bücher im Himmel von den Engeln auf
ges-
TOO A, H. „Fs
geschlagen werden, in welchen die Nahmen der auf Erdenleben-
den Menschen aufgezeichnet stehen. – An dem Tag, wo Mu-
humed zu prophezeien angefangen hat. – Den siebenden des
Monaths Rebia Awil wegen dem Mörder des Omers. –
den 24sten des Monaths Zll Hadfche. – Den fünf und zwan-
zigten des Monaths Zilkade. – An der Feier der Gesetzge-
bers Kafirs. Den achten, und den achtzehnten des Mo-
naths Zil Hadfche. – Am Neu-Jahrs-Tag. – Beym
Eintritt in die Metsched Kiaba zwey Kusl, wovon die eine
Iran Hadsch und die andere Jram Onre heißt. – Beym
Herumwandern um die ZKiaba. – Zur Zeit, wann die Ueber-
bleibsel der Heiligen verehrt werden. – Wann einer vor Gott
gelobt, von dieser oder jener bösen Handlung abzulaßen. –
Beym Eintritt in die Metsched zu Mecca. – Beym Eintritt in
Medina. – Beym Eintritt in die Metsched zu Medina. –
Beym Eintritt in die Metsched Kerbela. – Beym Eintritt in
das Hauß Kabi. Wann einer sich von Gott etwas besonders
ausbittet. – Das Kusl Ifechare Kerden genannt, welches
folgende Bedeutung hat. Wann sich jemand vornimmt, etwas
wichtiges zu unternehmen, es sei nun was es wolle, zu reisen,
einen Handel anzufangen, u. f. w. so badet er sich zu allererst,
und dieses Baden heißt Jstechare Kerden. Darauf geht er
entweder zu einem Priester, oder wann er selbst lesen kan, schlägt
er selber den Koran auf, und je nach dem ihm eine Stelle in
die Hände fällt, so bestimmt er nach derselben, ob ihm sein Vor-
haben gelingen werde, oder nicht? auf dieses nimmt er seinen
gewöhnlichen Rosenkranz zu Hülfe, denkt dabey wieder an sein
Vorhaben, blindlings fährt er auf dasselbe zu, und von demjenigen
Ort an, den er von ungefähr ergriffen hat, fängt er an die
Korallen bis zum Ende des Rosenkranzes Paar weiß, zu zäh-
len. Wann zuletzt ein gerades Paar übrig bleibt, so hält er
sich überzeugt, daß sein Vorhaben eine gewünschte Würfung
haben werde , bleibt aber ein Stein ungleich nach , so
schließt er daraus das Gegentheil. Die Kirchen-Verordnungen
befehlen das Kusl ferner bey der Geburt eines Kindes. – Wann
einer einen drei Tage lang erhenckten Menschen betrachtet hat.
– Nach der Abwaschung eines Todten. – Wann jemand
eine Eidere oder ein ihr ähnliches Thier umgebracht hat. –
Bei der Erleichterung eines auf Stüzen einhergegangenen
Men-
•-A, - „F- - 20T
-
Menschen, wie ich beim Wesu erwehnt habe. Das Rusl geht
dem gedoppelten Wesu vor. – Wann der Mensch, von wel-
chem wir reden, sich eines verübten Lasters bewust ist, so muß
nach vollbrachtem doppelten Wefin noch ein Kusl erfolgen. –
Wann man den Ort besucht, wo Abraham feinen Sohn
aufopfern sollte; – Wann ein im Kopf verrückter Mensch wie-
derum zu dem Gebrauch feines Verstandes gelanget; – Wann
man einem verstorbenen Menschen die Leichen-Kleider anzieht.
– Ist der verstorbene Mensch unrein verschieden, so wird
ein zweifaches Kutil erfodert. – Wann man den Allmächti-
gen um Regen anzuflehen willens ist; – Am neunten Tag des
Monaths Zil Hadsethe.
Was die Stellen anbetrif, wo das Kusl erfodert wird,
das Waßer selbsten, und die Ordnung, welche man in Betracht
der verschiedenen Theile des Leibes bey Verrichtung des Rusl,
beobachten muß, so verhält sich dieses alles, eben so, wie bey
dem Wefin; wie denn auch einige andere daselbst angeführte Um-
fände bey dem Kusl gelten.
Noch muß ich des Teimen, oder der Reinigung mit
dem Sande gedencken. Damit diese rechtmäßig vollführt werde,
fo befiehlt dißfalls die Religion einige Puncte, und die Kirche
andere. Zwey schädliche, oder vielmehr den Persern schändlich
vorkommende Dinge müßen unterlaßen werden.
Die Religions-Befehle find diese: der Ort, wo man
den Sand nimmt, muß erlaubt feyn, und einem jeden frey fe-
hen. – Der Sand oder die Erde natürlich. – Ringe, Edel-
gesteine, oder sonsten etwas anders an den Händen zu tra-
gen ist nicht erlaubt, wann man die Reinigung mit dem Sand
vornimmt. – Mit den Händen berührt man unmittelbar die
Erde, von der man den Reinigungs-Sand entlehnt. – Dann
bringt man sie in die Höhe, um die Stirne einzureiben, von
den Kopf. Haaren an bis auf die Nase – Ist dieses gesche-
hen, so berühren die Hände wiederum die Erde. – Man
Febt sie abermal in die Höhe; so daß die lincke Hand die rech-
te Seite des Haupts und die rechte Hand; die rechte Hand aber
die lincke Seite und die lincke Hand reinige. -
Die Kirchen - Verordnungen in Ansehung des Teilnen
bestehen in folgendem: - -
Dritter Theil. C c Die
202 - >F, § „F*
Die Erde - muß rein feyn, und der Ort, wo man
fie gewinnt, erhaben. – Die Finger müßen ausgebreitet werden,
wann man mit der Hand die Erde berührt. – Dann wann
man sie in die Höhe hebt, wird die Erde erst abgeschüttelt. –
So viel Reinigungen mit dem Sande sind nöthig, als Ge-
bete verrichtet werden sollen. - -
Die zwey bey dem Teinem nicht geziemende Dinge
sind diese: man darff sich keiner allzu feinen Erde bedienen. –
Und es ist ferner unschicklich, wann man die Erde von einem
solchen Ort hernimmt, in dessen Nachbarschafft gesalzenes Was-
fer, oder gediegenes, von der Natur selbsten schon ausgearbei-
tetes Salz angetroffen wird. -
- So weit gehen meine Nachrichten von den drey Reini-
gungs-Mitteln der Perser, von denen sie glauben, daß sie zur
Keuschheit und Zucht des Leibes hauptsächlich erfodert werden.
Jedoch zu derselben verlangen sie noch mehrere Umstände. Wie
die Reinigung des Leibes vermittelt dem Wein, Kusl und Tei-
mem gemeiniglich außerhalb den Mauren der Häuser geschieher,
also , sagen sie, muß man auch in den Häusern züchtig feyn,
und um diese Hauszucht rechtschaffen zu beobachten, befiehlt die
Religion drey und die Kirche fünf Gesetze. Fünf Dinge werde
verboten, und acht für schändlich gehalten.
Die Religions-Gesetze find folgende 1.) Männer sowohl,
als Weiber müßen ihre Zeugungs-Glieder beständig bedeckt hal-
ten; Kinder aber beiderley geschlechts sind von dieser Regul
ausgenommen. 2.) Man muß weder von vornen noch mit dem
Rücken nach Norden fitzen, und 3.) den Harn muß man mit
gemeinem Waßer abwaschen, und nicht mit einem abgezogenen,
z. E. mit Rosen-Waßer, wie die Sonnier zu thun pflegen.
Wann man den Bauch entlediget, und die der Mündung des
Affters zunächst gelegene Theile davon unbefleckt bleiben, so kan
man das Nothwendige mit Gras, Lumpen, u. d. g. reinigen,
wann auch gleich Waßer zu haben wäre; es muß aber zwey
oder dreimal geschehen, dann das nennt man erst, sich reinlich
halten. Sind aber die der Oeffnung des Affters verbundene
Theile befleckt worden, so muß man sich zur Reinigung mit
Waßer unumgänglich bequemen.
Die Kirche verordnet zur Hauszucht 1.) daß man sich
an einem solchen Ort seiner Excrementen entledige, der von nie-
- - manden
A, J. „Es 203
manden beobachtet werden kan; 2) daß, wann man iw denselben
eingeht, der erste Schritt mit dem lincken, und, wann man
heraustritt, der erste Schritt mit dem rechten Fuß gefchehe; 3.)
während der Zeit der Entledigung muß die ganze Last des
Leibes der lincke Fuß tragen; 4.) nach vollendeter Entledigung
foll man den Affer dreymal reinigen, fünfmal aber den Harn
aus der Röhre ausdrücken, damit nicht das geringste Tröpfchen
nachbleibe; 5.) zu erst ist der Affter zu reinigen, und alsdann
die Röhre.
Verboten wird. 1.) Daß man den Affer nicht mit der
Haut oder Haaren derjenigen Thiere äubere, deren Fleisch
zu genießen erlaubt ist. 2.) Ja nicht mit einer Speise-Mate-
rie. 3.) Nicht mit Knochen. 4.) Nicht mit einer in Ehren
zu haltenden Sache, Z. E. Papier; dann es könnte darauf
der Nahme des höchsten Wesens, oder eine Glaubens-Lehre, oder
fonten etwas aus dem Koran geschrieben stehen. Wer den
Affter mit Papier reiniget, der muß wegen feiner Unvorsichtig-
keit unter die Ungläubige gerechnet werden. 5.) Wann man
den Affter fäubert, so darff man keinen Ring an der Hand
haben, dann wann ja auf denselben der Nahme eines Gesetz-
Gebers, oder der Nahme eines Heiligen gestochen wäre, könnte
es geschehen daß von einer solchen Verunehrung ein Haß gegen
den Ring, und ein Unglück für denjenigen, der ihn getragen
hat, entstünde. -
Als schändliche Dinge werden nachstehende acht Puncte
angesehen : 1.) Wann man bei der Entledigung des Leibes
fein Angesicht gegen die Sonne oder den Mond richtet: dann
von diesen Gestirnen fallen die Stralen auf die Erde. 2.)
Wann man den Affter mit der rechten Hand reiniger. 3.)
Wann man feinen Harn auf eine harte Materie Z. E. auf
einen Stein läßt, der den Harn nicht in sich schluckt, fo, daß
wieder einige Tropfen davon auf den Leib und die Kleider zu-
rückprallen können. 4.) Wann man den Harn in die Löcher
und Gruben der wilden Thiere, in Ameisen-Haufen, in Schlan-
gen - Behältnisse u. d. gl. lauffen läst. 5.) Wann man an
einem solchem Ort harnt, oder sich seiner Excremente entlediger,
wo Zusammenkünfte von Menschen zu geschehen pflegen. Z. E.
Tekia-Häusern, bey Metscheden, ben Ruhe-Plätzen der Heiligen,
u. f. w.. oder wo die Leuthe ihr Waßer zu holen pflegen. 6.)
C. c 2 Wann
204- •R, „F-
Wann man abermal beyde Ercremente unter einem Baumr von
chgiebt, welcher entweder bereits schon Früchte trägt, oder von
em solche bald zu erwarten stehen. 7.) Wann man uriniert,
oder sich von hinten seiner Last befreitet, entweder im Waßer
stehend, oder auf demselben fahrend, und 8.) Wann man wäh-
rend einer dieser Entledigungen etwas anders spricht oder
edencker, als eines von folgenden Dingen, die Erwähnung nem-
' des göttlichen Nahmens; die Formul, mit welcher die öffent-
liche Ruffer zum Gebet einladen; die Erinnerung, oder das Lesen
einiger Stellen aus dem Koran, item einer höchstnothwendigen,
sich am nächsten angehenden Sache. Wann man diese letztere
bei dieser Gelegenheit aus der Acht läßt, so wird sie nimmer-
mehr zu Stande kommen.
Nun habe ich von den Reinigungs-Mitteln in und aus-
fer dem Haus gehandelt. Laßt uns nun auch sehen, was die
Perfer auffer dem unreinen, welches die angeführte Reinigungs-
Mittel erfodert, noch überdis für unrein, für höchst unrein halten.
Wesia, Rust und Teinen sind als allgemeine Mittel nur
nothwendige Zubereitungen zum Gebet. Die häusliche Zucht-
Lehte enthält nur das Verbot solcher Dinge, die den Menschen
allenfalls noch unschuldiger Weise verunreinigen können. Aber
diejenige, die nun folgen, die find mehr als unrein, die find obseön,
die machen ungläubig, wann man nicht den größten Abscheu für
dieselbige heget. Es sind aber diese erstlich und zweitens die Ercre-
mente und der Harn aller Thiere, deren Fleisch zu effen verboten
ist, oder von welchen die Weibchen den monathlichen Fluß
haben, wie die Frauens-Personen. 3.) Das Blut aller Last-
Thiere. Wann aber ein Last-Thier, dessen Fleisch zu effen erlaubt
ist, geschlachtet wird, so kann man, das in den Adern zurück-
gebliebene Blut für rein und erlaubt halten. 4.) Der Saar
me aller dieser ermeldten Thiere. 5.) Alle vierfüßige Waffer-
Thiere. 6. ) Item das Schwein. Wann ein Hund ein
Schaf belegt, das davon entstandene Geschöpf aber mehr
dem Hunde, als dem Schaf gleicht, fo ist es unrein, wie-
drigenfalls aber nicht. Wann sich Hunde und Schweine mit
einander belauffen so ist, in allen Fällen, der Wurff höchst
unrein. 7.) Alle Ungläubige, welche den Koran nicht verehren,
werden unter dem Namen der Gözendiener begriffen, auch nicht
die Christen ausgenommen, weil sie drei Personen in der Gott-
heit
",
•A, H „F- 265 .
heir annehmen. 8.) Alle berauschende Geträncke. 9.) Der
aus Weinbeeren gepreßte Safft, wann er im Kochen nicht vier
Donck, (welches Wort so gleich erkläre werden soll,) verlohrent
hat. 10.) Alle Geträncke, die vermittelt der Gährung aus
Frucht-Körnen, als Gersten, Haber, Rocken, Dinkel, u. d. gl.
- bereitet sind. 11.) Aeser, die Wolle davon, die Knochen und
Zähne ausgenommen. - - - - - - - -
Wann ein Hund ein zu jedem Gebrauch bestimmtes
Gefäß berührt hat, so wird daßelbe dadurch unrein. Man
muß es unumgänglich mit Sand säubern, und darauf zweimal
mit Waffer abwaschen. – Wann ein Knabe von zwei Jah-
ren auf ein Kleid, Hemd u. f. w. gepißt hat, fo muß man
auf die Stelle, die dadurch verunreiniget worden, Waßer gießen.
Wäre es statt eines Knaben ein Mädchen, und wäre solches noch
überdiß älter, als der Knabe, fo muß das dadurch verunrei-
nigte Leinwand, Lacken oder Zeug zweimal gewaschen, und
das Waßer ausgedruckt werden. Andere Unreinigkeiten, mit
welchen sonsten die Kleider befleckt werden, bedürfen nur einer
einzigen Wäsche. – Sich zum Waschen goldener Gefäße zu
bedienen wird schlechterdings verbothen. – Sie sollen auch
eigentlich nicht auf den Tafeln erscheinen - – Sollte einem
einfallen, daraus zu trinken, so muß er fiel nicht mit den Lip-
gem berühren. – Dinte in denselben zu halten, ist erlaubt. -
Wie die Perser einige Dinge für höchst unrein halten,
also haben sie auch andere, den großen Unreinlichkeiten entgegen
gesezte. Der Anzahl nach sind es zwölffe: Das Waßer reiniger
alle Unreinigkeiten, die es berühren kann; von dem Brunnen-
Waßer gilt jedoch folgendes: wann es trüb, ranzigt u. d. g.
aussieht, weiß man aber daß es beständig, also ist, so kann
man es für rein halten. Wann von ungefähr Thiere darein
gefallen wären, wann es durch den Saamen eines Thieres oder
durch das monathliche Blut einer Frauens-Person, oder einiger
Thiere, die daßelbe, wie die Weiber, vergießen, eine Verunreini-
gung gelitten hätte, so muß der Brunnen vom Aufgang der
Sonne an, bis zum Untergang derselben von zwei oder vier
Personen ausgeschöpft werden. Wann ein Mensch darinnen
fein Leben verlohren hätte, so müßen davon 40 Eimer aus-
ggoffen werden; wann frische Excremente, oder Blut darein,
C- c-3 ge-
/
206 A, H „Fs
gefallen wäre, fo find 60 Eimer erforderlich; bei trockenen
Excrementen einer lebendigen Maus, eines Hundes, 7. bey
einem Haasen, Fuchs oder Kaze 40. und bei Urin oder einem
Sperling 1. – Die Erde reiniget Schuhe, Stiefeln und Pan-
toffeln. – Die Sonne reiniger die Erde, dann ihre Strahlen
dringen durch dieselbe, und machen sie fruchtbar. – Das
Feuer reiniget alle Materien, welche verbrannt werden können.
Asche und Kohlen find dahero rein. – Ifetthale ist das
fünfte Reinigungs-Mittel. Z. C. ein unreines Thier läßt fei-
nen Saamen auf einen gesalzenen Ort fallen, und verunreiniger
ihn; Iftechale giebt das Reinigungs-Mittel ab, und verwandelt den
aamen in Salz. – Intecal nimmt alle diejenigen Unreinigkei-
ten hinweg, die von einer Stelle auf die andere gebracht werden
können. – Jnkelab reiniget Wein, und macht ihn zu Eßig.
– Tefs ist die achte Reinigungs-Methode. Z. E. der
Wein ist unrein; kocht man ihn aber, und es sondern sich von
demselben acht Donk ab, so ist er rein, ein Solotnick hat sechs
Donk. – Neuntens Islam, der wahre Glaube reiniget alle
Ungläubige. – Durch Zevol Ain, die zehente Reinigung -
wird Z. E. ein Pferdeknochen , oder ein anderes Glied
von diesem Thier rein, wann es mit Blut besprengt war. –
Mesch Batahir reiniget den Affer , indem derselbe, nach
dem die Ercremente abgegangen sind, mit drey Steinen, sie
mögen dann feyn, was sie für eine wollen, mit drey Klumpen
rother Erde, oder auch mit drey Lumpen zwiernerner oder baum-
wollener Leinwand abgerieben wird. – Betia beiet endlich …
bedeutet diejenige Reinigung, wann ein Orthodore einen gefange-
nen Ungläubigen auf den wahren Glaubens-Weg leitet.
Ich habe zwar schon der Leichen-Begängniße Erwe-
zung gethan, jedoch bringt mich die Reinlichkeit der Perser
nochmals auf diesen Artikul, und ich kan dabey Nachrichten
von einigen andern Umständen anbringen, die zu diesem Abschnitt
eigentlich mitgehören. -
Wann ein Mensch stirbt, so ist es unumgänglich nöthig,
daßfein Angesicht die Richtung gegen Mittag habe, nemlich, daß
er auf dem Rücken liegend, mit den Händen und Füßen nach
Norden liege. Die Kirche befiehlt, daß man vor das Heil
der Seele des Sterbenden eifrig behe. – Daß, wann der To-
des-Kampf lange dauret, der Kranke an denjenigen Ort ge-
bracht
-, S- „AR- 27
r
bracht werde, wo er gesund sein Gebet zu verrichten pflegte. –
Daß man ihn Mitten in dem Tode die Lippen und Augen
fest zusammendrüke. – Daß man ihm den Kopf verb n-
de, damit sich der Mund nicht wieder öffnen könne. – Daß
man ihm die Hände in die Länge nach den Seiten zu aus-
dehne. – Daß man seinen ganzen Leib mit einem Teppich, mit
Leinwand, oder sonsten einem andern beliebigen Zeug bedecke,
daß man alsdann Gebete, besonders auf dergleichen Fälle ein-
gerichtete Stellen aus dem Koran, hersage: daß man den Todten
des Nachts nicht ohne Licht bewache: daß man ein Effen für die
Priester zu recht mache: daß man den Leichnam des verstorbenen
nicht unmittelbar nach feinem Tode zur Erde bestatte.
Wann in das Zimmer, wo ein Verstorbener liegt, ein
unreiner Mensch, oder eine mit ihrem monathlichen behaftete Weibs-
Person kommt: so darff auch um den Verstorbenen herum kein
Schwerd, kein Dolch, kein Meßer, überhaupt nichts von Eisen
verarbeitetes, oder auch kein rohes Eisen, befindlich feyn. Auch
muß man ihn in diesen beiden Fällen nie alleine laßen.
Die bey dem Abwaschen eines Todten zu beobachtende
Puncte find theils nothwendig und theils den Kirchen-Gesetzen
gemäß. Dabey werden auch einige Dinge für schändlich an-
gesehen.
Die nothwendigen begreifft der gegenwärtige Abschnitt,
Bey beyden Geschlechten müßen die Geburths-Glieder bedekt feyn.
– Ein Mann wäscht einen Mann. Eine Frau wäscht eine
Frau. – Jedoch kan ein Ehemann fein Eheweib, und ein
Eheweib ihren Ehemann abwaschen. – Auch ein Haus-Vater
eine gemiethete Magd; und eine Magd ihren Haus-Vater, wenn
fie ihm einen Erben gebohren hat. – Ein Mann kann eine
Jungfrau im eigentlichen Verstand genommen, und ein Weib
einen Knaben von drei Jahren abwaschen, ohne defen Scham zu
bedecken. Wäre kein Mann oder kein Weib vorhanden, der
oder die den Verstorbenen oder die Verstorbene abwaschen kön-
te, so muß jemand von den nächsten Anverwandten diese Arbeit
übernehmen. – Das Abwaschen geschieht vermittelt eines
solchen Waßers, in welches die Blätter von einem Baum, der
auf Persisch Serder heißt, und die Gestalt von einer Weide
Hat, von dem ich aber sonsten keine ächte Nachricht geben kan,
gelegt werden. Das Waßer wird davon trüb und weißlich. Z
- UI
203 «A, 4. „Fe
Zuerst wird die rechte Seite des Leibes und dann die linke abgewe-
fchen. – Nach dem Abwaschen mit Serder folgt die Reinigung
vermittelt des Kamphers. – Während diesen Abwaschungen
muß das Angesicht des Todten gegen Mitternacht gerichtet feyn.
Wann Serder-Waßer und Kampher nicht zu haben ist, so foll der
Todte mit gemeinem Waßer zweimal gereiniget werden. –
Wäre auch kein Waßer vorhanden, so muß der Sand (Teimem)
auf folgende Art herhalten, dreimal nemlich werden die Hände
damit gerieben, dreimal die Füße, alsdann die Stirne, der
Rücken und die übrigen Theile des Leibes. – Ist hingegen
Waßer vorhanden, so muß daßelbe rein, klar und erlaubt seyn.
– In Ansehung des Orts, wo man das Waßer herholt, soll
dasjenige beobachtet werden, was ich bey dem Wefu angezeigt
habe.
Die Kirchen-Gesetze wollen beim Abwaschen der Todten
folgendes befolgt wißen. – Man muß dem Todten sein Hemde
mit Erlaubniß der Erben ausziehen. – Die Finger werden
mit Kna roht gefärbt. – Das von dem abgewaschenen nach-
gebliebene Waßer soll an einem besondern Ort aufbehalten
werden. – Wann ein Todter gewaschen wird, so muß er sich
unter einem Dach befinden. – Das Abwaschen wird mit Rusl
verrichtet; entweder vor oder nach dem Rusl gebraucht man
auch das Wesu. – Derjenige, der den Todten wäscht, steht
zur rechten desselben. – Das Serder-Waßer muß so lang
behandelt werden, bis es eine weiße Farbe bekommt. – Der
Kopf fowohl, als die Seiten-Theile des Leibes müßen mit dem
Kusl dreimal gereiniget werden. – Bei dem ersten und
zweiten Kusl werden die Hände in die Länge nach dem Bauch
zu ausgestreckt. – Nachdem alles dieses geendiget ist, so
' eine gehörige Zeit zum Trocknen des todten Leibes erfor-
Als schändliche Dinge werden beim Abwaschen gehalten;
Laues Waßer dazu zu gebrauchen: ferner wann man die Nägel ab-
fchneidt. – Wann man die Kopf-Haare abscheert. – Und
endlich, wann man sich nicht wohl in acht nimmt, daß nicht
das Waßer-Gefäß umgestürzt werde. – Wann jemand zu
Mecca gestorben ist, so muß er ohne allen Anstand mit Kamp-
fer gereiniget werden.
Wann
- A, - „F- … »
/
Wann ein Todter abgewaschen ist, so erfolgt darauf fol.
Als nothwendige Puncte müßen diese beobachtet werden;
Diejenige Theile des Leibes vermittelt welcher der Verstorbene sein
Gebet im Leben verrichtet hat, als die Stirne, die Hände, die
Knie, die Daumen und die Füße sollen mit Kampher eingerie-
ben werden; der Todte wird mit zween oder drey Sterbekitteln
angekleidt, die man auß, einer reinen baumwollenen, erlaubten,
geräumigen, und ja nicht mit Gold- oder Silber-Fäden, durch
wirkten Leinwand verfertiget. – Grober oder feiner Bäß, nach
der Beschaffenheit und dem Ansehen der Leuthe, ist dißfalls am
gebräuchlichsten. " - - -
Die Kirche erfordert nachstehendes: der Kampher darf nicht
in einem Mörser - verpulvert, sondern er soll mit den Fingern
zerrieben werden. – Was von demselben übrig bleibt, legt
man dem Todten auf die Brust. – Unter die Sterbe-Kleider
giebt man dem Verstorbenen auf beiden Seiten zween hölzerne
Stefken in die Hände nach gewöhnlicher Größe. Es wird frisches
Holz dazu erfordert, aber gleichgültig von was für einem
Baum man daßelbe genommen habe. – Die Leichen - Habite
müßen aus einer Baumwollenen Leinwand verfertiger, und die
Faden, mit welcher fiel zusammen genäht werden, von eben der
selbigen Materie seyn. – Zu einem Leichen - Kleid werden 3.
Schachische Ellen erfordert: diese vierthalb Ellen theilt man
in zwey gleiche Stücke. – Das eine wird zum Sterbe-Kleid
bestimmt, das andere zu einem dreifachen Gebrauch. – Ein
Drittheil davon dient zur Bewiklung des Kopfs: die Enden
deßelben müßen auf die Brust gelegt werden. Ein anderes
Drittheil giebt eine Schürze zur nothwendigen Bedekung züchtig
zu erhaltender Gegenden des Leibes ab. Mit dem letzten Drit-
theil werden die Schenkelbeine umwickelt, und die Enden da-
von an die Schürze festgebunden. Abgeschiedene Weibs-Per-
fonen kleidt man anders an, und verstopft den Eingang der
Geburtsglieder mit Baumwolle. – -
Es schickt sich nicht, daß man die zu den Kleidern der
Todten bestimmte Leinwand, von den großen Stücken vermittelt
einer Scheere absondere, sondern sie muß mit den Händen von
derselben abgerißen werden. – Der Schneider, der die Leichen-
Kleider nähet, muß sich hüten, daß er den dazu erfoderlichen
- Dritter Theil. D. d Zwirn
gendes:
210 «R, + „s-
Zwirn nicht mit seinem Speichef benetze. Die Leichen-Kleber
dürffen weder aus Lacken noch einem seidenen Zeug verfertigt
werden: Man kan auf dieselbe nichts mit Dinter schreiben. –
Die Augen und die Ohren. des. Todten find ganz und gar
keines Kamphers benöchiger.
Ist der Verstorbene abgewaschen, ist er schon ange-
kleidt, fö müßen mit ihm ferner fünf Religionsmäßige und
drey und dreyßig auf Kirchen-Gesetzen beruhende Puncte beobach-
er werden. Einige Dinge halten, die Perser dabei abermal
für schändlich,
Die Religion will haben, daß man für einen Todtenr
beten foll. – Und daß man ihn hernach begrabe. – Sollte
es sich zutragen, daß einer auf der See stürbe, so foll man
ihn in dem Fall, da kein Bley zum Unterfincken vorhanden
wäre, in einen Sarg legen. – Sein Angesicht wird gegen den
Mittag gerichtet, und dann wird er in die See geworffen. –
Diejenige, die ihre Ruhe in den Gräbern finden, haben mit
ihrem: Angesicht die Lage gleichfalls nach Süden, und mit der
rechten Seite des Leibs wenden sie sich gegen die Erde –
Wann eine während ihrer Schwangerschaft gestorbene Person
begraben wird, fö muß ihr Rücken auf der Erde aufliegen,
und ihr Angesicht nach Mittag gerichtet seyn. – Manthürmt so
viel Erde auf die Gräber, daß kein wildes Thier in dieselbiger
eindringen, und daß sich kein fauler Geruch in die Nachbar-
schafft verbreiten könne. - -
Die Kirche verordnet folgendes:
Diejenige, die den Todten zu seiner Grabstätte beglei-
ten, müßen unmittelbar hinter dem Sarg, oder auf beyden
Seiten desselben folgen. Die Leichenträger müßen mit ihrer
rechten Arell die rechte Seite des Todten, und mit ihrer linken
die lincke tragen. – Man muß den Sarg, wann man ihn
ein Stück weges weiter gebracht hat, auf die Erde setzen, und
Gebete für den Todten thun, und dieses, bis man zur Grabstät-
te kommt, etlichmal wiederholen. – Die Tieffe des Grabes
muß mit der Figur des Menschen, der begraben wird, übereins
kommen. – Man muß es nicht geräumiger machen, als daß
eben der Todte in demselben zu sitzen Platz hat. – Ist man
bey der Grabstätte, so muß man, ehe der Todte in die Erde
- gefekt
A, F. „F- EHI
-
geffekt wird, noch einige Zeit verweilen, und beten. – Eine
Manns-Person wird zu erst mit dem Kopf in das Grab ge-
bracht. – Eine Frau ohne alle Umstände. – Eine Manns-
Person kann von einem jeden andern Mann beigesetzt werden;
bey einer Frau aber muß ein Anverwandter diese Verrichtung
über sich nehmen. – Dann wird wieder gebetet. – Hier-
auf macht man dem Todten ein Kopfküßen von Erde. – Auf
die Brust freut man etwas von derjenigen Erde, die Karbella
heißt, und von den Gräbern der Märtyrer, Hafen und Hufein
genommen wird. – Ist der Todte schon bei gesetzt, so hebe man
den Kopf, öffnet die Leichen-Kleider, und legt ein Stück vorher
Erde unter den Rücken, und bedeckt den vordern Theil des
Leibes mit eben derselben oder mit Leim. – Die bey dem
Grab versammlete Menschen werfen etwas Erde ins Grab, und
wer da will, rufft hiebey aus: Gott hat diesem Menschen das
Ziel gesetzt. Dabey ist wohl eben die Absicht, in welcher Christ-
liche Priester das bekannte: Mensch du bist Erde, und zur
Erde folt du werden, hersagen. – Alsdann bedeckt man
das Grab mit Erde, so daß auf der Oberfläche desselben ein
vier Zoll hoher Hauffen nachbleibe. – Diesem mischt man et-
was Sand bey; – wirft statt eines Zeichens etwas beliebiges
darauf hin, Z. E. alte Krüge, Steine u. d. gl. begießt als-
dann das Grab mit Waßer, von dem Kopf des Todten an bis
auf seine Füße , und wieder zurück. Dasjenige Waßer, fo
übrig bleibt, wird auf die Mitte des Grabes ausgegoßen. –
Während der Zeit, daß man sich mit diesen Verrichtungen be-
fchäffiget, muß jedermann mit feinem Angesicht sich nach Mit-
tag kehren, und das Grab also berühren, daß davon in der
Erde eine merckliche Vertiefung fichtbar ist. Und endlich wird
die ganze Handlung mit einen Gebete geendiget.
Als schändlich wird angesehen: wann Weibs-Personen
eine Leiche begleiten. – Wann man zwo Leichen auf einmal,
und mit einander zur Erde bestattet. – Wann man zween
Todte in ein Grab zusammen legt. – Wann man etwas
unter die Todten legt. – Wann man die Erde von einem
fremden Grabe nimmt. – Wann man die Gräber erneuert.
– Wann man auf dieselbe fizt, oder auf dieselbe mit Füßen
tritt. – -
D d 2 Von
RI- «R, M. „F-
Von Todten-Kapellen und von Grabsteinen "habe ich
bey meinem Auffenthalt zu Derbent gesprochen. Es ist würck-
lich so, daß die bei den Begräbnißen zu befolgen angezeigte
Umstände der Glaubens-Lehre, den Befehlen der Kirche und der
Perianischen Ehrbarkeit gemäß sind. Der Andachts-Eifer und
der nachgebliebene Reichthum der Verstorbenen, fügt aber die
Pracht der Grabstätte hinzu. –
Die Grabmahle der zwölf Imame hat die Andacht ge-
fifftet. Das Wort Imam bedeutet einen geistlichen Statthal-
ter, und Ali, dem die Schias die Nachfolge in der geistlichen
Statthalterschaft zueignen, führt unter den zwölfen die Reihe
an. Auf ihn folgen die eilf andern, Hafen, Hufein, ein Ela-
abedien, Mahumed Bakir, Diaefer Tfdick, Musa Kafim,
Refa, Mahumed Takhi, Ali Ulachi, Hufenr Askert und end-
lich Mahumed Mehdi. Nach diesen zwölf Imamen nennen
die Araber die Perianische Seete in ihrer Sprache. Isnaffier,
Wie die Schias denenselben die höchste Ehrerbiethung beweisen,
wie sie ihnen die Gabe, Wunder zu thun, in einem aufferordent-
lichen Grad zuschreiben, wie sie befliffen sind, ihr Leben nach
dem Beyspiele derselben einzurichten, also schätzen fiel die Ueber-
bleibsel ihrer Leiber als etwas heiliges, das sie anruffen bey
dem sie ihre vorzüglichste Gebete verrichten, in dem fiel fich fest
überzeugt halten, daß deren vollendete Seelen bey dem Allmäch-
tigen aus diesem Grund Fürsprecher für das Heil der ihrigen
abgeben werden, zu denen sie endlich ihre genugfam bekannte
Wallfahrten, von denen ich bey dem Beschluß dieses Abschnitts re-
den werde, anstellen. Um aber ihre Ehrfurcht gegen diese heili-
gen Ueberbleibsel recht ernstlich zu bezeugen, so find von ural-
ten Zeiten her bey ihren Behältnißen ansehliche Kapellen und
gemeniglich noch überdieß ein geraumiges Tekia-Haus erbaut
worden. Man hat bey denselben Badstuben errichtet, man hat
sie mit Fontainen ausgeziert, man hat daselbst prächtige Luft-
gärten angelegt. Die Perfianische Könige, und andere reiche Per-
fonen haben diesen Imamen - Gräbern so beträchtliche Sum-
men vermacht, daß sie insgesamt solche Capitale aufweisen
können, von denen ihre Prache, die dazu besonders verordnete
Priester, der Zunder zum Aberglauben und die Pflichten der
Gastfreiheit unterhalten werden. Wie nach Ali und seinen Söh-
nen, Hasen und Hufein, der sechste Imam Diaefer Tadick
- oder
F, E. „Es ar
oder Distafer in ber Würde folger, also nimmt diesen in der-
selben der achte Imam Reft auf. Mit feinem Grabmal prange
die berühmte Stadt Mesched, und ihm wird hauptsächlich
die Wunderkraft. Blinde sehend zu machen zugeschrieben, als
wegen welcher zu verschiedenen Zeiten im Jahr öffentliche und
feyerliche Proceßionen in ermeldter Stadt geschehen, die aber
jedoch nichts anders als den Betrug der Mullah, der eben
vernünftigen Persern nicht unbewust ist, verrathen. Das Grabmal
dieses Resa ist eines der vorzüglichsten, welches Persien auf
weifet-
- Die Andacht hat nicht nur den Imamen, sondern noch
vielen andern Heiligen und Personen, die sich in ihrem Leben
durch besondere Frömmigkeit hervorgethan haben, Kapellen ge-
fifftet, die wie der Imamen ihre, Melaar genennt werden,
und welchen man nicht viel weniger Ehrerbietung schuldig ist,
als den Metcheden. Man wird nicht leicht einen Orth antref
fen, wo nicht eine solche Gedächtniß-Grabstätte vorhanden wäre,
An beträchtlichen giebt es mehrere, und überaus viele; die
Stadt Kaschan stellt den Sammel-Platz der allermeisten vor,
Wer sich irgend durch ein vorgebliches Wunder bekannt ge-
macht hat, und ein der Welt in die Augen fallendes gottseli-
ges Leben, besonders als ein Einsiedler geführt hat, der wird
nach seinem Tode für einen Heiligen angesehen, und wer auf
deffen Grabstätte eine Kapelle erbaut, der bereiter fich nach ih-
rer Meinung eine gewisse Staffel nach dem Himmel. Hieraus
kam man den Ursprung so häufig angelegter Todten-Kapellen er-
(2h) EM,
h Der Reichthum der Verstorbenen giebe auch Anlaß zu
dergleichen Aufwand nach dem Tode; daher übertreffen die
Grabstätte der Könige manchmal der Imamen ihre; und anderer
vornehmen Personen Grabmahle kommen denselben an vielen
Orthen ziemlich bey- - - - - - - - - - - - - -
- Die Religionsmäßige Reinlichkeit der Perser und das damit
verbundene Waschen leitet mich, indem ich eben diese Materie
zu schlieffenr gedenke, noch auf etwas so die Frauens-Personen
allein angeht, - -
Alle Feuchtigkeiten, die aus ihrer Schaam flieffen,
werden für höchst unrein gehalten, die Persische Physiologie
fondert sie in drei verschiedene Arten ab. Die erste nennt sie
D d 3 Heiz-
-214 -A, - „se
„Zeiz, und versteht darunter die gewöhnliche monathliche Reini-
gung, die niemals über zehn Tage dauert, und sich vor drei
Tagen sehr selten endiget. Das hervor quillende Blut ist dick,
schwärzlich, ranzicht, nicht viel warm, und fließt aus der linken
Seite der Schaam. Dieser Fluß fagen die Perser, kommt in dem
neunten Jahr der Dirnen zum Vorschein, und endiget fich im
fechszigsten der Weiber. Das erstere ist wahr, und vermöge des
warmen Klima, unter welchen die Schias wohnen, sehr wohl
begreiflich ; das letztere aber gründet sich nur auf wenige
Beyspiele, und ist nicht nichts weniger als allgemein. Während
der Zeit des monathlichen Fluffes ist der Beyschlaf verboten.
Hätte jedoch eine Frau Lust darzu, und der Mann willigte da-
ein, so ist zuvor ein gedoppeltes Rusl nöthig. Ueberdieß
müffen Almosen gegeben werden. Geschieht der Benschlaf beim
Anfang desselben, so bestehen solche in einem Loth Gold; geschieht
er binnen der Mitte derselben, so ist ein halbes Loch hinläng-
lich ; bey der Endigung aber braucht man nur den vierten
Theil zu erlegen. Die zweyte Feuchtigkeit, welche zu Zeiten
aus der weiblichen Schaam quillt, heist bei den Persern Ife-
chafe. Europäische Aerzte würden sie kurz und gut den weißen
Fluß nennen; diese Varietät von Menschen aber behauptet, daß
es ein blaffes und kaltes Blut fey. – Es kommt in einer
groffen, in einer mittelmäßigen und in einer kleinen Menge zum
Vorschein. – Gering wird sie genannt, wann die Baumwolle,
welche die Perianische Frauens-Personen in ihre Schaam zu
Stefen pflegen, von der Feüchtigkeit nicht durchdrungen wird.
Will man doch indessen beten, so muß die alte Baumwolle mit
neuer verwechselt werden, und man muß sich des Vesu be-
dienen. – Man glaubt die Feuchtigkeit flieffe in mittelmäßi- -
ger Menge, wann man bemercken kan, daß sie durch den Kat-
tun gedrungen ist. In diesem Fall wechselt man nicht nur den
leztern, sondern auch die Gurte um, womit die Weiber denjeni-
gen Theil ihres Leibes unmittelbar bedecken müffen, der die
Eifersucht der Männer in so groffe Bewegungen bringt. – Dann
badet man fch, und nach vollbrachtem Kusl ist es erlaubt zu
beten – In groffer Menge fließt die Feuchtigkeit, wann sie
an dem Kattun sowohl, als an dem Gurt Spuhren von sich nach
gelassen hat, dann ist auffer der Verwechselung von benden ein
zwiefaches Kusl nöthig, eines wegen den Morgens und Mit-
- tags,
«R, - „s-
kags, und ein anderes wegen den gegen Abend zu verrichten-
den Gebeten. – Die dritte Art der Feuchtigkeiten, welche die
weibliche Schaam von sich gibt, nennen die Perser Nefe. Es
ist diejenige, welche vor und nach der Entbindung, der Frauen-
zum Vorschein kommt. Und man beobachtet dabey auf männlicher
Seiten sowohl, als auf weiblicher, was bey dem ersten Fluß dem
Heiz, gesagt worden ist.
- Es ist mir recht lieb, daß ich mit der gesetzmäßigen Rein-
lichkeit der Perser zu Ende bin: wann ich mit diesen Nachrichten die
Gedult meiner Leser auf die Probe feze, so müffen fiewiffen, daß
die Meinige , indem ich dieses närrische Zeug zusammenge-
famlet habe, diese Probe bereits ausgehalten habe. Ist meine
Mühe nicht allen Lesern angenehm, fo ist sie es doch vielleicht
: ich suche mit meinem Tage-Buch jedermann zuge-
llen.
Das Almosen-Geben wird, nach dem Gebet und nach
der Reinigung des Leibes bei den Persern, eben so wie bey
den Türken als ein nothwendiger Religions-Punckt angesehen-
Diejnige, die fleißig im Koran lesen, diejenige, die öfters beten,
und diejenige, die sich beim Almosengeben großmüthig aufführen,
diese spricht Mahumned, werden sich in ihrer Meynung ganz
und gar nicht betrügen. Ihre Auslage wird ihnen reichlich
vergolten werden. Gott vergibt denen ihre Sünden, die die
Werke der Liebe ausüben, und dasjenige, was man in seinem
Nahmen gibt, erhält man mit Gewinnt zurück. Aber nur gegen
Arme, nur gegen Hülfsbedürftige, befiehlt Mahumed barmherzig
zu feyn. Erpressungen, grausame an reichen. Leuthen begangene-
Verbrechen, Gewaltthätigkeiten, deren Würkung man der Präde-
fination zuschreibt, diese Dinge sind erlaubt, sind der Mahumeta-
mischen Lehre in ihrem eigentlichen Verstande gemäß, find also
durchaus Religions- mäßig. Ich muß dieses bemerken, damit
ich mir nicht hier, da ich von dem Almosengeben rede, selbsten zu
wiedersprechen fcheine, dann ich weiß mich sehr wohl zu besinnen, daß
ich in einer andern Stelle meines Tagebuchs den Persischen Ge-
mütern die edle Eigenschaft der Liebe gänzlich abgesprochen habe, und
ich kan derowegen anjezo voraus fzen, daß fie, die Perfer, bey
ihrem Allmosengeben keine andere als solche Absichten hegen,
welche ihr eigenes Intereffe betreffen. Dannoch ist es andem,
daß der Koran ausdrücklich gebeut, man soll das Almosen
per
--
26 «A, H „F- -
-
der Stille geben, ja nicht um gesehen zu werden, sondern blos
allein darum, daß man sich dem Allmächtigen gefällig mache.
Aber auch diese Absicht, wann man die Sache recht betrachtet,
ist schon unlauter, nemlich auf die Hoffnung eines eigenen Vor-
theils gegründet.
Unter dem Namen Zikat verstehen die Perser in einem
allgemeinen Verstand die Pflicht Almosen auszuheilen, und
dieses Wort bedeutet nichts anders als den Theil des Vermögens,
welchen ein jeder Muselmann auf das Allmosen verwendet,
oder vielmehr verwenden muß. Ein jeder giebt von seinem
Golde, Silber, Korn, Gartenfrüchten, und vom Vieh was ab,
und er giebt es denjenigen, die es bedürffen, und fich keines an-
dern herrschaftlichen Schutzes erfreuen können. Der Koran
befiehlt besonders, den Eltern beizustehen, den Anverwandten,
den Nachbaren, den Waisen, den Reisenden und den Walfahr-
tern. Er verspricht den Gehorsamen den Seegen des Himmels
und droht auf den Tag des Gerichts dem niederträchtigen
Geizhals, der von den Wercken der Barmherzigkeit nichts wissen
will, einen unausbleiblichen Fluch, eine unfehlbare Höllen-Pein.
Der Zeckat hat bey den Persern eine gewisse Regeln,
von 20. Solotnik Goldes sollen die Arme ein halbes bekommen.
Von 200. Derham Silber (ein Derhan ist drei viertel Solotnick
gleich ) fünfe; also von vierzig Derham allemal einen. Von Korn
und selbst gepflanzten Früchten den zehnten, oder doch wenigstens
den fünfzehnten Theil. Von 5. Kamelen, ein Schaaf, von 26.
eine Kamel-Stutte von zwei Jahren, von 36. eine von drey
Jahren, von 46. eine von vier Jahren, von 61. von fünf
Jahren, von 76. zwo von drei Jahren, von 9. zwo von
vier Jahren. Befizt aber jemand einen Reichthum von 121. Ka-
melen und darüber, so giebt er von jedem vierzig eine vierjähri-
ge Stutte. – 30. Ochsen geben ein zwey jähriges und 40.
ein drey jähriges Kalb. – 40. Schafe eines. Befizt man
aber über 400. fo ist eines von hundert hinlänglich. Jedoch
müffen die Schaafe untadelhaft und zum wenigsten sieben Mo-
nath alt seyn.
Die erst angezeigte Puncte verordnet die Religion; die
Kirche fezt zu denselben noch folgende hinzu. Ein jedes Pferd
zahlt 2. Solotnick Gold. – Von Garten-Früchten giebt man
den zehnten, – Wann jemand wieder zu dem rechtmäßigen
Befiz
A H „Es ary
Besitz seiner Güter gelangt, die eine Zeitlang in ben Händen
eines andern waren, so erlegt er auf einmal für ein ganzes
Jahr den Zekat. – Wann jemand in Zweifel steht, ob er
von seinen Gütern den gehörigen Almosen-Tribut entrichtet ha-
be oder nicht? so soll er das gewifeste als das beste wählen,
und fich mit dem Zekat einfinden. – Von einem jeden er
' Gewinnst, wann man ihn auch durch die Handlung
ekommt, muß man etwas abgeben. – Auch der Besitz eige-
ner Häuser erfödert den Zekat. – In folgenden fieben Fällen
---
muß man den fünften Theil von feiner Habe abgeben. Erstlich,
wann man die Güter eines Ungläubigen erbeuthet hat; zweytens,
wann man so glücklich gewesen ist Edelgesteine zu finden, jedoch
mit dem Unterscheid, daß die zwanzig erste Solotnik frey aus-
gehen; drittens, wann die Täucher Perlen gefischt, oder sonsten
etwas von Werth aus dem Waßer gezogen haben ;viertens,
wann erlaubte und unerlaubte Güter unter einander vermischt
worden find: der fünfte Theil auf Almosen verwendet macht
das ungerechte gerecht; fünftens, wann ein Orthodor einem
Ungläubigen etwas verkauft, von dem er einen Nutzen gezogen;
– sechstens, wann man in dem Land der Ungläubigen etwas
von Werth Z. E. in der Erde vergraben gelegene Schätze
entdeckt; und fiebentens, wann man durch die Handlung, durch
den Akerbau, auf eine fonst erlaubte Art einen so beträchtlichen
Gewinst erhält, daß er noch einmal so groß wäre, als die häus-
liche Ausgaben erfodern, so wird solcher in zween gleiche Theile
abgesondert. Den einen thut man zu seinem übrigen Vermögen
ganz, und von dem andern erlegt man den fünften Theil zum
Zekat, damit dadurch der Nahme Gottes gepriesen werde, der
durch seine Seegens-Hand dem Menschen wohl thut, und ihn
in feinen Unternehmungen unterstüzet. -
Die Priester sind es, welche den Zekat einsammlen ,
und darüber ein richtiges Verzeichniß halten. Sie verwenden die
Einkünfte nach den Befehlen des Korans, um zu Kriegs-Zeiten
Gefangene loß zu kauffen, um diejenige zu lösen die in Schuld-
Verhafft stecken, um Metscheden und Schulen zu erbauen. In
dem Ramasan, dem Fasten Monath der Mahometaner, ist noch
eine andere Almosen - Gabe eingeführt, die Zekat "Fetr genennt
wird. Da muß ein jeder Haus-Vater von sich selbst ange-
rechnet bis auf eine jede im Haus befindliche Seele, von feinem
Dritter Theil, E e vors
218 •A, - „sº
vorrath an Korn, Reiß und andern Eß-Waaren an die Arme
o viel abgeben, als ihm seine Umstände erlauben. Bei allen
Liebes-Wercken, welche die Perfer ausüben, fieht Gott, spricht
der Koran, mehr auf das Herz des Gebenden, als auf feine
Gaben. Ein frommer Armer, der seine Armuth mit Gedult
träger, ist einem freigebigen Reichen dann och vorzuziehen.
- Viele Muselmänner beobachten bei ihrem Allmosengeben
nicht nur das Gesezmäßige, nein, wo sie Gelegenheit haben,
dem hungrigen Brodt zu geben, da unterlaßen fiel es nicht ger-
ne. Allmosen vermehrt den Reichthum und erwirbt die Gnade
des Allmächtigen: dieß ist der Grund, warum die Perser in der
Ausübung dieser Pflicht so unermüdet sind. Hierauf gründet
sich ihre Gastfreiheit: hierauf ihre Sorgfalt gegen die Reisen-
de, die sich durch häufig angelegte Erfrischungs-Häuser und
Karawan-Sarais, die sie durch so viele an den Landfraffen aus-
gegrabene Brunnen an den Tag legen. Hierauf gründen sich
auch endlich ihre Vermächtniße und Stiffungen.
Nach dem Beten und der dazu erforderlichen Reinlichkeit
des Leibes, nach dem Allmosengeben ist ein anderer hauptsächli-
cher Religions-Punct, welcher zu fasten befiehlt; und dieses Fa-
fen, auf Persisch Rufe, erheischt nicht nur die Enthaltung von
einigen Speisen, sondern verbeuth das Effen, das Trincken und
den Beyschlaff gänzlich; würde man sich aber dennoch in Sinn
kommen laßen, den letzteren zu begehen, so muß derjenige Theil
der ihn veranlasfet hat, für sich sowohl, als für den andern ein
Kafar oder den vierten Theil eines Solotnik Golds, zusammen
also ein halbes Solotnik den Armen geben. – Eine Frauens-
Person, die während den Fasten mit dem monathlichen Fluß
behaftet ist, muß sich alle Morgen und Abend des Rusl be-
dienen. – Man hütet sich für dem Erbrechen, – ent-
hält sich von Baden in Flüffen und Bächen, – von allen
Schimpfreden und Verfluchungen. – Wer dieses alles nicht
genau beobachtet, dem nuzt fein Fasten nichts.
Die Religion verordnet allein die Ramasan-Faften, von
der ich im vorhergehenden Abschnitt weitläuffig gehandelt habe:
Sie befiehlt aber auch, noch einige besonders dabey zu beo-
bachtende Regeln, deren ich hier am füglichsten gedenken kan.
Wann jemand in dem Monath Ramasan den einen oder den
andern Tag nicht gefastet hätte, so muß er es in allweg zu
- - einer
•A, P. „F - 219
einer andern Zeit ersetzen. – Eben so ein jeder der es wegen
mothwendigen Arbeiten unterlaßen hätte. – Wann jemand
darüber hinweg sterben sollte, ohne das gehörige ersetzt zu haben
und es lieffe ein solcher verschiedene dem Alter nach ungleiche
Söhne nach, so müßte von demjenigen, was der Vater hätte ins
Werck stellen sollen, der älteste Sohn die eine, und die jüngern
Brüder die andere Helfe über sich nehmen, um das Heil des
Verstorbenen zu retten. – Wann sich einer im Ramafan
Monath mit dem Beyschlaf abgegeben hat, so muß er für die-
fe That an andern Tagen in zween Monarchen fasten, oder ei-
nen Gefangenen los und ledig machen, oder 60. verschiedenen
Menschen und unter denselben einem jeden ein Med Gersten
reichen; ein Med aber enthält vierzehn tausend und vierzig Kör-
ner. – Es ist sehr heilsam, wann man sich während dieser
feyerlichen Fasten in den Mescheden aufhält, wenigstens drey
Tage lang und mehr, und dieselbige aus keiner andern Ursache,
als wegen einer natürlichen Nothdurfft verläft. – Endlich, wer
sich eines Lasters bewust ist, und kein Almosen geben kan, der
muß zween Monath lang fasten. –
- Die Ramasan-Fasten werden deswegen angestellt, weil
Mahumed vorgegeben, um dieselbige Zeit habe er den Koran
aus dem Himmel bekommen.
Zu den Ramasan-Fasten setzt die Kirche noch folgende
hinzu. Am Tage der Geburth Mahumeds ihres Propheten.
- Am Tage , wo derselbe zu weißagen angefangen hat.
– Am 27sten des Monaths Retscheb. – An der Kadirs
Feyer. – Den achtzehnten des Monaths Silbadfche. – In
einem jeden Monath drei Tage lang, nemlich den ersten Nitt-
woch und Donnerstag und den letzten Donnerstag in demselben.
– Das weibliche Geschlecht soll wegen seiner natürlichen Un-
reinigkeit ihres Fußes den 13ten 14ten und 15ten eines jeden
Monaths fasten. – Am achten des Monaths Silbadische."
– Am 24ten des Monaths Silkade. – In eben demselbi-
gen Monath vom 1sten bis zum 9ten. – Den ganzen Mo-
nach Retscheb. – Den ganzen Monath Schabon. – Den
25sten des Monaths Silkade. – Die 9. ersten Tage des
Monaths Muharem, am 10ten desselben bis auf den Mittag.
– Den 29ten des Monaths Silkade. – Den 9ten des
Monaths Silhadsche. – An dem Fest des Königs David-
- - E e 2 - Und
-
220 A, H. „F -
Und an den drei ersten Donnerstagen und Mittwochen nach
dem Monath Ramasan. –
Von den Ramasan-Fasten kan sich kein Perfer ausschlies-
fen, die meisten hingegen von den übrigen werden nur von den
wenigsten, fast nur allein von den Priestern gehalten.
Die Schöpfung schreiben die Perser in allweg Gott zu.
Vom Teufel behaupten sie, daß er aus dem Feuer, und von
dem Menschen, der allerfürtrefflichsten Creatur , daß er aus
der Erde erschaffen worden sey. Sie erkennen, daß der Satan
der abgesagteste Feind des menschlichen Geschlechts fey, und
fie wißen, daß er an der Verstoffung Adams aus dem Paradis
hauptsächlich schuld gewesen. Sie halten in allweg Adam für
den ersten Menschen, und nennen ihn die Reinlichkeit Gottes.
Es scheint sie suchen bey dergleichen Ausdrücken etwas be-
fonders. O Gott! es ist nur ein Gott, ist der erste Glau-
bens-Artikul, dann folgt allzeit gleich darauf: Mahumed ist
fein Prophet und Ali fein Freund. Bey andern Gelegenheiten
fezen die Mullah in den öfentlichen Metcheden hinzu. Jesus
hristus ist der Hauch Gottes. Moses ein Bekannter. Da-
wid der von ihm eingesetzte König. Salomo oder Solyman,
wie sie schreiben, fein Getreuer. UNoa, der durch seine Barm-
herzigkeit errettete. Adam der Reine. Heil und Seegen fey
über ihnen!
Von der Seeligkeit der Frommen und von der Verdam-
niß der Gottlosen sind die Perser vollkommen überzeugt. Sie
glauben so gar, auch die unvernünftige Thiere werden dereinst
das Recht der Auferstehung genießen; dann fiel können nicht be-
greiffen, wie Gott etwas zernichten könne, daß er geschaffen
hat. Den jüngsten Tag zwar nehmen sie für den Tag des
Gerichts an; aber fiel glauben dannoch auch das Fegfeuer. Die
Schias halten viel auf gute Wercke, daher find Fasten und
Almosen bei ihnen so unumgänglich nöthig; man muß aber
dabey gar kein Ansehen vor den Menschen suchen. Sie ziehen
die Gnade allen verdienstlichen Wercken vor. Die Gnade, deren
man sich durch nichts anders, als durch eine wahre Frömmig-
keit theilhaftig machen kan. Die dem ewigen allmächtigen
Wesen zu erzeigende Furcht und Liebe, die Aufrichtigkeit des
Herzens und die Erhaltung eines beständigen Andenckens von
Gott empfehlen fiel angelegentlicht. Aber, leider, daß es
e
A, P. „F-
bei den Worten bleibt! Die Handlungen aller Perser, auch der
Priester ihre nicht ausgenommen, beweisen deutlich, daß der
Dienst, den sie Gott leisten, nur in Worten bestehe, und nicht
mit dem Geist verrichtet werde.
Die Perser schreiben alles der Vorsehung, oder der Prä-
destination, zu, alles gute und böse, alle erhebliche Umstände
ihres Lebens und alle geringere. Daher kommt es vermuthlich,
daß fich keiner in sein Glück zu schicken weiß, wann ihm eines
unvermuthet auflöst, und daher sind die meisten fast unem-
pfindlich, wann sie Leben, Augen, Ansehen und Güter verlieren.
Unser Freytag ist der Persianer ihr Sabat; dann an
einem Freytag soll es gewesen seyn, daß fich Mahumed von
feinen Wiedersachern verfolgt, aus Mecca nach Medina in
Arabien flüchten müßen. Am Freytag (Dschuma ) muß man
dann in den Metscheten fleißiger erscheinen als sonsten, am Frey-
tag betet man auch fleißiger in den Häusern, und am Freytag
ist der Beyschlaff verbothen, der aber des Tages zuvor so un-
fehlbar erfodert wird, als gewiß es ist, daß Frauen, die dieß-
falls vernachläßiget worden, einen Scheide-Brief von den Prie-
fern verlangen können.
Trinker nicht Wein, befiehlt der Koran, und enthal-
tet euch der Hazardspiele, fagt er, dann das find Dinge, welche
den Saamen der Feindschafft unter die Menschen ausstreuen,
und die Luft, im Gebet den Rahmen Gottes anzuruffen, beneh-
men. In wiefern sich die Perfer in Ansehung des Wein-Ver-
boths und anderer geistigen Getränke aufführen, habe ich schon
eben angezeigt. In der That aber ist mir niemalen zu Ohren
gekommen, daß sie sich mit Hazard-Spielen abgeben. Das Spie-
ken überhaupt ist ausgenommen des Schachspiel unter ihnen sehr
wenig Mode.
- Vor dem Schweine- Fleisch tragen die Perser würcklich
einen Abscheu, und vor dem Fleisch aller derjenigen Thiere, die
sie für unrein halten. Wölfe, Füchse, Schakalen, Hunde sind
bei ihnen abscheulich umrein, fie lieben hingegen die Kazen, fie
dulden sie in ihren Häusern, fie spielen mit ihnen, und tragen
für ihre Erhaltung große Sorge. – Ein Perser glaubt, er
ehue Gott einen Dienst, wann er einem in die Gefangenschafft
geraehenen Vogel zu seiner Freiheit verhelfen kan. – Es gebe
welche, die so einfältig sind, daß sie im Sommer auf die
E e 3 Graba
224 2. - -
Grabstätte der Todten Waßer gießen um die Verstorbenen durch
diesen Liebes-Dienst zu erfrischen. -
Indem ich auf einer anderen Stelle dieser Reise-B-
schreibung der Schauschi gedenke, so thue ich auch daselbst der
Hadschier Erwehnung: jedoch kam ich hier einige Anmerkungen
von dem Wallfahrten der Perfer zum Beschluß dieser Abhand-
lung voraus schicken. Diejenige, die nach Mecca geschieht, hat
Mahunet zu einem nothwendigen Religions-Punct gemacht.
Der Koran behauptet zuversichtlich, daß der Tempel Haram zu
Mecca unstreitig derjenige fey, den der Patriarch Abraham
zur Verherrligung des Allmächtigen und zum Gedächtniß der
befohlen gewesenen Aufopferung seines Sohnes errichtet habe,
Abrahan fey der erste gewesen, der die Kunst auf eine an-
fändige Art, nemlich mit einem gläubigen Herzen, zu beten
verstanden habe. Wann man also zu Mecca bete, fo fey es
Gott angenehm. Ja, er befehle es so gar, daß es ein jeder
thue. Die meisten Perfer also verrichten einmahl in ihrem Leben
ihre Andacht zu Mecca, und wann sie es nicht selbsten thun, so
miethen sie zu dieser Verrichtung jemand. Es giebt auch Frauen-
zimmer, deren Andacht so weit geht, daß sie diese Wallfahrt
unternehmen, da sonsten diesem Geschlecht nicht erlaubt wird,
in dem öffentlichen Menscheden zu beten, woran zwar mehr die
Eifersucht der Männer, als das geringe Ansehen des weiblichen
Geschlechts schuld ist: so sind es euch nur vornehme Damen, die
diese Art der Frömmigkeit unter dem Schutz derjenigen Manns-
Personen, denen sie ihr Ansehen zu verdancken haben, an den
Tag legen können. Es gibt viele, die indem sie nach Mecca
reisen, von daraus auch noch nach Medina gehen, allwo die
Grabstätte des Mahumets ist: dann ist es Gott angenehm, sagen
fie, wann man zu Mecca um des Abrahamitischen Tempels
willen ein Gebet verrichtet, so muß es ihm auch gefallen, wann
man solche bey der Ruhe-Kammer seines Propheten thut. Es
ist bekannt, daß Mecca in Türkischen Händen ist, und deswegen
haben die Perser von jeher neben der erstaunlichen Beschwehr-
lichkeit der Reise, die man meistentheils durch die Wüsten machen
muß, welche durch die unerträglichste Sonnen-Hize ausgebrant
fast von gar keiner Waßerquelle erfrischt werden, erstaunend
vieles Ungemach von ihren abgesagten Feinden, den Sonnich ge-
finnten Türcken erfahren müßen, In alten Zeiten durften sie es
- - - - " gar
«A, H „R 223
gar nicht fagen, daß sie Schias feyn. In neuern sollte die
Sache beigelegt werden, aber nur mit dem Beding, daß die
Perser aufhörten Schias zu seyn, und sich mit den Sunniern
vereinigten, welches sich unter der Regierung des Nadirs zu-
getragen, der nach der Erzehlung des aufmerksamen Hanwalt seine
Perfer bald zu Sunnier machen, bald eine ganz neue Religion
unter ihnen aufbringen wollte. Anjezo verschweigen sie gleichfalls,
wann sie können, wer sie sind, oder bezahlen groffe Zolle.
Die Wallfahrt nach Bagdat geschieht wegen der Grabstät-
ten des Ali und seiner Söhne, die unweit dieser Stadt befind-
lich find. Denjenigen, die solche Wallfahrt unternehmen, verschaft
fie die in so großen Ehren gehaltene Bet-Steine für sie so
wohl als für andere, denen sie solche mit heilen wollen. Der
Walfart nach Uliested wegen Keja, dem Augen-Arzt, habe
ich erst kürzlich gedacht; die nach Damaskus unternehmen nur
die in Asien wohnende Türken und die nach Zeber die Araber.
Bey dem Abschied eines Menschen aus dieser Welt neß-
men die Perfer einen besondern Engel an, der den Tod auf
gottlichen Befehl zufüge. Daher ist der Selbstmord bey ih-
nen etwas fehr seltenes und daher weiß man unter ihnen
auch von. Duellen gar nicht. Endlich glauben sie, daß ihr zwölf
ter Imam, Muhamed Mehdi gar nicht gestorben, sondern
von Gott unmittelbar, wie Enoth, in ein Paradieß hinweg ge-
rüket worden sey, von wo er nach einer gewissen Zeit zurück-
kommen werde um den Anti-Mahumet zu tödten und alle
Menschen zum wahren Muselmanischen Glauben zu bekehren.
Derohalben nennen sie ihn Saheb El Samoon, oder den
Herrn der Zeiten. -
Achter
W24 - •A, § „F-
Achter Abschnitt.
Persischen Mönchen,
Gleich wie die meiste Religionen ihre Mönche haben, also
weist auch die Alianische die ihrigen auf, die von andern Mön-
chen sehr unterscheiden sind, mit den Bettelmönchen der Catho-
licken aber gleichwohl eine ziemliche Aehnlichkeit haben.
Ein Mönch führt in der Persischen Sprache den Nah-
men Derwisch, und dieses Wort bedeutet so viel als einen “
Menschen, der sich vorgenommen hat, entfernt von der Welt
und den weltlichen Küsten, sein Leben in der Gemeinschaft Gottes
zuzubringen, feine Handlungen nach den Handlungen heiliger
Leute einzurichten, um sich also der Gnade des Himmels verdient
zu machen. Man könnte daher aus dem finnlichen Verstand
dieser Benennung einen vorheilhaften Begriff von den Derwischen
bekommen. Sie sind aber meistens die nichtswürdigsten Leuthe
von der Welt; wenigstens jetzund lediglich aus Liebe zur Faul-
heit, öffters auch wegen würcklicher Armuth pflegen sie in diesen
Stand zu treten, um die Erlaubniß zu haben, Städte, Dörffer
und Häuser durchzuwandern und überall öffentlich zu betteln.
Zur Beförderung des gemeinen Besten tragen sie gar nichts ber,
dann fiel geben sich weder mit der Handlung ab, noch sind sie
Handwercker, oder Bauern. Vielmehr hat man von ihnen die
Erfahrung, daß sie sich auf die Kunst andere zu betrügen und
zu bestehlen tüchtig verstehen. Doch mag es auch noch welche
geben, deren Absichten mit der Benennung eines Derwisch we-
fentlich übereinkommen, und die ein Institutionsmäßiges Leben
führen; dann wer sollte nicht unter einem so zahlreichen Hauffen
wandernder Menschen noch ein oder anderes rechtschaffenes
Gemüth vermuthen?
Den Ursprung der Derwische erzehlen die Perser aber-
mal auf eine besondere Art d. i. auf gut Perfisch. Sie leiten
•A, - „Re- 225
ihn bis auf die Mosaischen Zeiten zurück. Einsmals habe sich
Moses mit einigen von feinem Gefolge an dem Fuß des Ber-
ges Sinai befunden, worauf ihm Gott erschienen, und die Ein-
ladung Mofis zu einem Abendmal angenommen habe. Moses
bereitete sich darzu und als feine Anstalten fertig gewesen, so
fey er hingegangen, um Gott zu fich abzuholen, da sich der
felbe inzwischen mit einem schlechten und ungewöhnlichen Kleid
angezogen in die Hütten Mofis begeben, den Bedienten angetroffen,
der den Tisch zurichtete, und von demselben nach Art der Bettler ein
Stück Brodt verlangt habe, welches ihm auch aus einem an
der Wand hangenden Korb gereicht worden, worauf er sich
wieder nach der Spitze des Berges Sanai begeben, einem ihm
entgegen kommenden Wirth, der ihn abermal zum Effen gebe-
ten, geantwortet, daß er bereits bei ihm gewesen und zum
Beweiß desen das erhaltene Brodt vorgezeigt habe. Nach
dem Beispiel des Allerhöchsten, geben die Derwischen vor, hätten
sich schon dazumal Leute gefunden, die in ungewöhnlicher Klei-
dung ihr Brodt durchs Betteln gesucht und so der Gebrauch bis
auf fiel gekommen.
Unter den Derwischen giebt es vielerley Orden, die nach
und nach enfanden zu feyn scheinen. Es haben sich nemlich zu
denselben , meinetwegen nun aus guten oder bösen Absichten,
verschiedene Leuthe von Zeit zu Zeit gesellet. Eine jede Haupt-Partey
hat zu einer Gesellschaft oder einem Orden Gelegenheit gege-
ben, und dieser bekam um sein Gedächtniß zu erhalten, einen
eigenen Namen. Mir find durch die Bekanntschaft, die ich
mit den Derwischen selbsten gepflogen habe, vierzehn verschiedene
Orden bekannt worden. Hier folgen ihre Benennungen , mit
der Kleidung eines jeden Mönchen-Ordens.
Beck Daschi. Ihre Kleidung ist die gewöhnliche Per-
fische, nur daß sie einen in zwölf Falten zusammen gerollten
Turban tragen, damit vermuthlich die geheiligte Anzahl der zwölf
Imamen auszudrücken.
Mawlowi. Sie erscheinen mit einer Mütze von vier
Falten, und tragen einen aus dem Flaschen-Kirbis gemachten
Becher, der am Knieband befestigt ist.
Haider. Ihre Mütze besteht aus einem leinenen oder
wollenen Tuch von fünf Falten; auf dem Rücken tragen sie ein
Dritter Theil. F f rohes
226 •A, P. „F
rohes Schaaf Fell, an der rechten Lende eine Flasche, in der
einen Hand führen sie einen Stock, in der andern aber ein
Horn. Kämpfer sagt, daß sie abgesagte Feinde der Naamu-
telai find, die sich von einem gewissen heiligen Naamet Blasi
herschreiben. Er erzehlt sogar, daß sich alle Alianer in Hai-
deri und Naamutelai absondern, das ist, daß jeder Perfischer
Muselmann entweder von der einen oder von der andern Par-
tie seyn unüffe, und daß zwischen beiden bei öffentlichen Gele-
genheiten und besonders bei dem Huffins-Fest alle Jahr viele
blutige Streitigkeiten vorfallen. Das mag noch zu seiner Zeit
also gewesen sein. Gegenwärtig ist der Naamutelai-Orden
gänzlich aufgehoben und die Haideri leben feinet halben im
rieden.
F Seidfähietali. Sie gehen mit bloßem Kopf und bloßen
Füffen und umgeben sich an den Hüften und Schenkeln mit einem
Schaaf-Fell.
Medari. Sie tragen auch keine Mütze, aber den Kopf
laffen fie ungeschohren, und die Haare hängen unordentlich
über die Schultern herunter.
Karedi. Sie gehen auf Perfisch gekleidet aber ganz
MTachfähibendi.
Saliki. Mönche, die nicht herumreisen, sondern an
einem Ort verbleiben. -
Achtari, fonten auch Müchtari genannt. Diese betteln
nicht selbsten, sondern haben ihre Zuträger.
Abdali, welche statt ihrer betteln, und das erbettelte
zu ihnen bringen müffen. Sie umhängen sich mit einem Schaafs-
Pelz, an welchem weder Kopf, noch Ohren, noch Füße zu sehen
fyn müßen.
Mpfitti, (andere sprechen es Muftitti aus.) Ihre Ach-
feln umgiebt ein Fell, wovon der Kopf und die Klauen ab-
gelöst, find. -
Rafaaki sind diejenige Derwische, die sich auf den öffent-
lichen Straffen versammlen, die Thaten ihrer Heiligen, ihrer
Könige, anderer großen und verdienten Leuthe durch ausgesuchte
Lobprüche erheben; so wie sie sich solche aus den Büchern be-
kannt
grün
•-A, - „F- 227
kannt gemacht haben. Sie stellen dabei ordentliche Comedian-
ten vor, indem sie sich in die Person desjenigen versetzen, den
sie erheben wollen, mit dem Schwung der Stimme, mit ihren
Gebehrden und mit ihrem ganzen Körper diese oder jene Helden-
that, dieß oder jenes Wunder ausdrücken, von welchem sie spre-
chen. Wann sie mit ihrer Comödie fertig sind, so fordern sie
auch wie Comödianten von den herumstehenden Geld. Die Ra-
saaki besitzen überhaupt eine Aehnlichkeit mit unsern Gelegen-
heits-Poeten. Wann ein vornehmer Herr in die Stadt kommt,
am Neu-Jahrs-Tag, bei andern groffen Feyerlichkeiten, u. f. w.
erscheinen sie öffentlich und in den Häusern mit Glückwünschen
und mit Lobes-Erhebungen.
Kalandari; und
Atdschami. Diese beide Gattungen von Mönchen wur-
den mir als die von der schlechtesten Art angegeben. Sie ha-
ben keine gewisse Kleidung und erscheinen heut in dieser und
morgen in einer andern. Bald gehen sie mit Ordens-Kenn-
zeichen, bald auch ohne diese.
Es ist überhaupt bey den Persischen Mönchen weder in
Ansehung des Habits, noch in Betracht der Insignien, als Z.
E. der Beile, der von den Kirbis-Früchten gemachten Becher,
der verschiedenen um den Leib hängenden Felle u. f. w. eine Be-
ständigkeit zu beobachten. Es mag einer von einem Orden feyn,
von was für einem er will, so erscheint er, um zu betteln, ent-
weder auf diese oder auf eine andere ungewöhnliche Art. Von
den Ordens-Kennzeichen sieht man manchmal gar nichts. Die
Leuthe wiffen auch nicht einmal, was sie bedeuten. Die Stiff-
ter unfrer Orden haben sie getragen, und deswegen tragen wir
fie auch; dieß ist die einzige Antwort, die ich auf viele Fragen -
erhalten habe. r- -
Die Derwische haben drey Vorgesetzte, deren Benennun-
gen find, Destinahüb, Mahüb und Pyr. Die zween erfere
findt man in einer jeden Hauptstadt, als Ispahan , Kafchan,
Rom, Räscht, Mafanderan u. f. w.. und sie werden anje-
zo von den jedesmaligen Befehlshabern oder Chanen bestellt. Aber
der dritte bedeutet weit mehr als die ersten beide, und ist das
Oberhaupt von allen Derwischen. Der einzige, der dieses Amt
führt hat in Mesched feine Wohnung und wird von keinem re-
F f 2. gieren-
228 •A, P. „F-
gierenden Fürsten, sondern blos durch die Mehrheit der Stim-
men, welche die Derwische geben, bestellt. Aus den andern
Vorgesetzten, oder aus den Derwischen selbst, wird derjenige zu
diesem Amt erhoben , der sich durch einen heiligen Wandel,
durch genugsame abgelegte Proben seiner Gründlichkeit in Re-
ligions-Sachen, und durch eine bekannte Kenntniß in Persischen
Wiffenschaften, zu demselben tüchtig gemacht hat. Wie er sich
aber nur in Mesched aufhält, eine Gewalt zwar über alle Per-
fische Derwische hat, solche aber allein unmöglich ausüben kan,
fo bekommt er in allen vornehmen Städten an den ermeldten
zween Vorgesetzten dem Destinahüb und Nahüb seine privile-
gierte Collegen, die die Streitigkeiten der Derwische statt seiner
entscheiden, und die schuldig befundene zur gehörigen Straffe
(2) (21.
zieh Es ist den Persischen Derwischen nicht nur erlaubt ganz
Perfen durchzuwandern, sondern fiel können auch ihr Hand
werck in den Türkischen Provinzen und in Indien treiben.
Wie es aber auch in diesem letzteren Reich Derwische giebt,
(dann ich darf nicht erinnern, daß ein groffer Theil Indianer
Mahumetaner find;) und wie sich die Indianische Derwische
gleichfalls in das ihnen so nahe gelegene Persien begeben; also
entstehen zwischen ihnen und den Persischen viele von dem Hand-
wercks-Neid ursprüngliche Zwistigkeiten, und der National-Haß un-
terhält dieselbe. Da wird unter einander gestritten, wer der
ehrlichste Derwisch fey, wem es nemlich mit feinem Derwischen-
Leben um die wahre oder feine eigene Absichten zu erfüllen zu
thun fey? Da wirft man einander diese oder jene bekannt ge-
wordene Laster vor; da kommt es manchmalen zu solchen Ge-
waltthätigkeiten, die freilich den Mönchen nicht geziemen. Je-
doch Christen, die lange in Persien gelebt haben, und auch die
Perfer selbsten räumen den Indianischen Derwischen immer den
Vorzug vor den Persischen ein. Die Derwische haben ihre
eigene Formuln, wann sie betteln. Sie bekennen zum Bey-
spiel, daß sie um ein heiliges Leben zu führen in diesen Stand
getreten feyn; fie sagen, daß sie nicht nur für diejenigen beten,
die ihnen ein Almosen reichen, sondern auch für das Wohl des
ganzen Vaterlandes und aller gläubigen Mahumedaner; fiefeyn
an fich arme elende Menschen, wer aber an sie etwas verwende
der verdiene dadurch die Gnade des Höchsten, und könne '
er
•A, P. „F- 229
\,
chert sein, daß er von ihm das ausgelegte vielfach wieder erhal-
ten werde. Dergleichen ähnliche Bestellformuln haben sie mehre-
re, und die Einrichtung derselben schreibt sich von ihren Vor-
gesetzten her, die wie in allen Fällen also auch in diesem haupt-
fächlich ihre Lehrer abgeben.
Wann jemand ein Derwisch werden will, so giebt er
feinen Nahmen bei einem der geringern. Vorgesetzten an, läst sich
gefallen, bei solchem sieben Jahre lang zu dienen, in denselben
die Kunst, ein heiliges Leben zu führen, zu erlernen, dem Bey-
spiel heiliger Leuthe und besonders der Imamen, das er dem
feinigen einprägen soll, zu folgen, und sich aus defen Munde
die Gebote des Korans bekannt zu machen. Nach Verfluß die-
fer sieben Jahre bekommt er von seinem Lehrmeister ein Zeugniß:
mit demselben reist er nach Mesched zu dem Pyr, und erhält
von demselben die Kennzeichen, wie auch ein öffentliches Derwi-
fchen-Patent.
Es kann ein jeder, der in den Derwisch-Stand getreten
ist, denselben wieder verlaffen; aber von einem angenommenen
Orden in den andern überzugehen, ist keinem erlaubt.
Es mag meinetwegen bey der ersten Einrichtung der Der-
wische eine Absicht vorgewaltet haben was man sich für eine vor-
stellen will, so ist es doch gewiß, daß alle diese Leuthe bey ihren
Glaubens-Genoffen in der größten Verachtung stehen; daß fie
ihre Würde, wann man sie ja nach ihrem gegenwärtigen Zustand
noch einigermaffen würdig nennen kan, theils der Gewohnheit
und theils dem äußerlichen Schein nach verehren, und daß es
ihnen gleichgültig wäre, wann fich gar keine Derwische unter
'' befänden. Vermuthlich ist die ärgerliche Lebens-Art der
erwische an dieser Verachtung schuld, dann ich traue noch weni-
gen Persern zu, daß sie den angegebenen Ursprung ihrer Mönche
für eine Korans-Fabel halten sollten.
So wie die Häuser, in welchen die Zusammenkunft zu
der Huffeins-Feyer geschieht, Tekia genannt werden, also führen
die viele auf den Straffen und öffentlichen Wegen angebaute
Erfrischungs-Häuser eben dieselbe Benennung. Sie haben auch mit
jenen und den Persianischen Schulen einerlei Gestalt. Wer Lust
hat von der Reise auszuruhen, einen frischen Trunk Waffer zu
genießen, den Kallian zu rauchen, der begiebt sich in dieselbe
- F f3 Man
230 A, P. „F-
Man sagt insgemein, daß solche von den ehmaligen Königen
den wandernden Derwischen zu Liebe, damit sie auf ihre Reisen
ausruhen, oder gar schlaffen können, angelegt worden sein. Es
kan feyn; jezo aber baut man auch noch Tekia-Häuser, nicht
um der Derwische allein, sondern um aller Reisenden willen.
Man gebraucht sie zu kleinen Marktplätzen, auf welchen man
wenigstens einige zur Erfrischung dienende Früchte antrifft, und
ich habe es für dienlich erachtet, ihrer beim Beschluß dieser
Derwischen-Geschichte zu gedenken.
Auf der vier und zwanzigsten Platte sind drei verschie-
den Derwischen in ihrem Ordens-Habit vorgestellt.
- Neun-
•-A, - „F- 231
Neunter Abschnitt
Von der
Caspischen See
überhaupt.
D. Caspische See, die schon zu so manchen Hypothesen Ge-
legenheit gegeben hat, verdient doch noch, daß ich ihrer in einer
besondern Abhandlung gedenke, ohngeachtet ich gar nicht willens
bin, weder diejenigen zu wiederlegen, die zwischen ihr und dem
Perfischen Meerbusen mit dem schwarzen Meer zusammen
genommen, eine Gemeinschaft suchen wollten, noch auch solche,
die da glaubten, sie überliefere ihr angehäuftes Waßer unter-
irrdischen Höhlen. Es ist nemlich in allweg andem, daß solche
nach den allgemeinen Gesetzen der Natur so viel Waßerohngefehr
ausdünste, als sie von der zwar beträchtlichen Anzahl über-
aus großer, mittelmäßiger und kleiner Ströhme erhält, und daß
eben diese Ausdünstung sowohl den Füßen wieder zu statten
komme, als daß sich auch beides nach der Beschaffenheit
der Winde auf den benachbarten Gebürgen verliere, und sich in
Regen, Schnee, Thau, Nebel u. f. w. wieder sichtbar mache.
Es bleibt dabey übrigens eine Wahrheit, daß die Caspiche See,
als der allergrößte, ganz und gar eingeschloßene, und mit dem
Weltmeer in gar keiner Gemeinschaft stehende Sumpf, wie ein
Rätsel der Natur angesehen werden müße, dergleichen sie uns
so viele bey mehr oder weniger in die Augen fallenden Gegen-
fänden vorgelegt hat, und daß diese Meinung der Erfahrung
gar nicht zuwieder fey, wann man weiß, eben diese Caspiche
See ergieße sich bald mehr nach Osten, und bald merklicher nach
Westen: dann Umstände von dieser Art hängen allemal nur von
einem Zufall ab, und sind der Veränderung ungemein unter-
worffen.
Die Caspische See hat in den verschiedenen Orientali.
schen Sprachen verschiedene Nahmen bekommen, und auch die
(MN
232 •A, + „F-
an dieselbe gränzende Landschaffen ' ihr unterschiedliche
Benennungen beigelegt, wovon Corn. Brun Reizen over Mosco-
wie door Perfie en Indie p. 98. Olearius Persianische Reise-
- Beschreibung. 273. und Büschings Erdbeschreibung erster Theil
p. 109 nachzusehen sind.
Die Gestalt Die Gestalt derselben ist nicht rund, wie man ehmals
der Caspi- glaubte, sondern nach den Entdeckungen, die unter der Regierung
fchen See. Deter des Groffen gemacht worden sind, und nach denjenigen
die man dem geschickten Seemann Woodroof zu verdanken hat,
ungleich länglich; läuft in viele Busen aus, von welchen auf
der westlichen SAte der Bakusche, der Enzelische und Aschraff-
fche die beträchlichten find; bildet erstaunend viele groffe und
- kleine Inseln von Astrachan bis Afrabad; hat bald einen
schlammigten, und bald einen Muschel-Grund, und ist an ver-
schiedentlichen Orten von verschiedener Tieffe, manchmal, in einer
Entfernung etlicher Meilen vom Ufer, zu fünf hundert Rußischer
Faden, aber auch nach dem Strande hin fast überall so flach,
daß an der westlichen Seite dieser See auß Baku, Lankari
bey dem Risilagatskoi Kultuk und Astrabat gute Baaken
vergebens gesucht werden und daher Boote Schnauen und Gal-
liote, besonders, wann sie beladen sind, meistentheils in der See
- vor Anker zu liegen genöthiget find. Ein Schiff von der Linie
- muß es bleiben laßen, die Caspische See zu befahren. -
Wann man die Caspische See als eingeschloffen betrach-
tet und noch dazu bedenkt, daß sich ihr beyderseitiges Ufer
in der Nachbarschaft hoher Gebürge befindet, so ersieht man
gar leicht, warum die Schiffahrt auf derselben, eine ganz an-
, dere Beschaffenheit habe, als man solche fonsten auf andern
- Meeren zu beobachten gewohnt ist. Eben deswegen nemlich,
weil sie weder mittel - noch unmittelbar eine Gemeinschaft
- mit dem Ocean befizt, und wiel sie von den Gebürgen durchaus
umznigelt ist , üben einige Hauptwinde auf derselben eine
unumschränkte Gewalt aus und hemmen derohalben sehr oft
die Absicht der Lavierungen. Eben daher rührt es, daß man
nicht fagen kan, es fey an der Caspischen See ein vollkommen
guter Hafen. Nord- Nordwest-, und West - Winde find es
hauptsächlich, die man auf derselben bemerckt , und die offt
in die gewaltsamste Stürme ausbrechen. Auf der Ostlichen
Seite find die Ostwinde am häufigsten, und es geschieht *:
da
A, H. „F- 233
daß die Schiffe, welche von Persien nach Astrachan fegeln
wollen ihren Cours gerne nach diesem Ufer hinzuhalten pflegen.
So ungeheuer groß der Caspiche Sumpf ist, so arm
ist er hingegen an Verschiedenheit seiner Producten; ganz gewiß
aus keiner andern Urfache, als weil er keine Gemeinschafft
mit der offenbahren See befizt, die ihm von ihrem Vorrath
etwas von Zeit zu Zeit mittheilen könnte. Aber auch aus eben
diesem Grund vermehren sich die denselben von dem Schöpfer
einmal angewiesene Geschöpfe in seinem Busen dergestalt, daß ihn
die Rußen, die sich allein desselben zu bedienen wißen, mit allem
Recht für eine unerschöpfliche Quelle von Reichthum vieler
Menschen, selbsten für eine Schatzkammer der hohen Krone,
ansehen. Es erhellet von selbsten, daß ich hier von den Fischen
der Caspischen See spreche, und damit das ansehliche Nahrungs-
Geschäfte verstehe, mit welchem sich die an der Wolga und
dem Jaik wohnende Völker abzugeben pflegen. Nach der ge-
wöhnlichen Art der Kaufleute zu sprechen, wird der Fischfang in
den groffen und in den kleinen eingeheilt: unter jenem begreift
man die Belugen, die Störe, Sterlette und Sewrugen: als
geringer geschätzte Fische fügt man denselben die Karpfen (ca3ah)
den Scheidfisch (Rus. cy« , Perfi. Schaitan) und den
Sandart - Ruß. Sudack, Perfi. Su) ben. Der kleine Fisch-
fang begreift die Brachen (Ruß. Meug, Pers. Sin) den Idus
( Ruß. kpachoe nepo) den Roth - Aug (Ruß. noax Bulgarb)
den Ohrfisch (Ruß. 43) den Rothfisch, (Cyprinus rutilus, Ruß.
nxomna ) den Nasfisch (Cyprinus Nafus Ruß. roaonan) den
Weißfisch (Ruß. cecaxa ) den Cyprinus alpius des v. Linne,
den Cyprinus barbus (Rufi. ycans) eben desselben, den Kopf
fisch (Cyprinus jefes Linn.) den Blickfisch (Ruß. cranienb) die
Hechte (Rufi. uyka) die Karausche Ruß. kapach) die Schleyen
( Cyprinus tinca Ruß. Anh) die Kutumen, die Lachse, den
Salmofario Linn. den Belaja Ribiza der Rußen, welches eine
ganz neue Gattung von Salmen ist, eine andrre neue Lachsen-
Art, die in der Perfischen Sprache Asatt genennnet wird, und
zwo ebenfalls noch unbeschriebene Arten von Cyprinen, davon die
eine zu Astrachan unter dem Nahmen des Kislarischen Herings
bekannt ist, und wovon ich der andern wegen ihrer Habichts-
Nafe den Nahmen Cyprinus Perla gegeben habe. Die unter
dem groffen Fischfang begriffene Fische find sowohl in der gan-
FDritter Theil. G g zen
".
234 - •A, H. „F-
Beschrei-
bung der
Sterlette,
zen Caspischen See fast überall gleich häufig, als befinden
fie sich auch hauptsächlich zur Laichzeit, in den mit unterm
Sumpfverbundenen Flüffen, wovon die Astrachanische und Jaikische
Watagen und wovon diejenige, welche die Ruffen bey der Mün-
dung der Swidura unweit Langoreod, und an dem Kur ohn-
weit Sallian, angelegt haben, überzeugende Beweise sind. Die
kleinen Fische beobachten das allgemeine Gesetz, daß sie sich im-
mer von dem salzigten Waßer nach dem süßen wen Kn; es
hat der Natur gefallen, einigen Gegenden eigene Fische anzuwei-
sen, wie Z. E. dem Tereck, der Samura und dem Kur den
genannten Kißlarischen Hering, wie dem Sinfälischen Busen
den Kuttum. Aber kein Fisch ist mir bekannt geworden, der sich
beständig in der See aufhielte. -
Von vielen hier erwähnten verschiedenen Fisch-Arten,
die man in der Caspischen See antrifft, habe ich sowohl in dem
ersten und zweiten, als auch in diesem Theil meines Tagebuchs
bereits ichthyologisch gesprochen; dasjenige, was zur Gleichför-
migkeit desselben dienen mag, besteht in folgenden Erwählungen.
Der Sterkett ist zwar schon lange, nenlich schon seit
des Marsili Zeiten bekannt. Bei dem Hn. von Linne heißt
er Accipenfer ruthenus. Bruin hat ihn auch in seinen Reizen
over Mofovie door Perfie en Indie p. 87. beschrieben und n.
33. ziemlich gut abgebildet. Ich ergänze mit nachstehendem fei-
ne Geschichte,
- Man irret fich, wann man glaubt, es gebe nur eine
einzige Sterletten-Gattung. Ich habe drey derselben besondere
kennen lernen. Die erstere ist diejenige, die man im eigentlichen
Verstand Sterlett nennet. … Die größte Individuen, welche ich
von derselben gesehen habe, betrugen kaum einen Zoll über 2.
Pariser Fuß; die von mittelmäßiger Größe waren 20. Zoll
lang, die kleinsten 1. Fuß, mehr oder weniger, allzeit von dem
Schnabel an bis an die äußerste Spitze des Schwanzes geme-
ßen. Der vorderste Theil der Schnauze ist oberhalb ein we-
mig zurückgebogen. Der Kopf ist vollkommen dreywinkelicht,
unten gespalten, 27 Zoll lang, in der Mitte aber 13 Zoll breit.
Die Augen stehen 14 Zoll von einander ab. Oben an einem
jeden Aug befindet sich eine länglichte Höhle, wovon die eine
von der anderen 14 Zoll entfernt ist. Die äußere Haut, welche
in derselbigen Gegend weißlich aussieht, verdoppelt sich daselbst,
und)
«-A, - „se 235
-
und bedeckt gedachte Höhlen fast gänzlich; vorwärts und ober-
halb derselben beobachtet man runde, " Zoll von einander ab,
gesonderte Löcher. Die Breite des Kopfs zwischen den Höhlen
beträgt 5 Zoll, der Abstand der Schnauze von der Linie aber,
welche die runde Löcher durchschneidet, ist 4 Zoll gleich; die
äußerste Schnauze ist „ Zoll breit. An der unteren Kinnlade
befinden fich 4. barförmige Fäden, die eine den runden Lö-
chern gerad entgegen gesetzte Lage haben, und von welchen eine
jede # Zoll lang ist. Nächst diesen Fäden sieht man einige
knorpelichte, runde Erhöhungen, dergleichen zwo ähnliche, und
Zoll unter sich entfernte, aber weit plattere in eben derselbi-
gen Linie mit den Fäden vorwärts befindlich sind. Die Spal-
tung des Mundes ist über 3 Zoll breit. Die obere Lippe
fchwillt, gegen ihrer Mitte zu, auf beiden Seiten auf, und bil-
det daselbst eine Scheidewand, gleich einer Furche die 5 Zoll in
der Breite beschreibt. Der Gaumen ist rauch anzufühlen und
mit elliptischen, etwas erhabenen Querstreiffen versehen. Mit
den Floßfedern hat es folgende Beschaffenheit. Zwo find an
der Brust befindlich, welche die übrige an Größe übertreffen,
zwo am Bauch fast von einer vierwinkelichten Gestalt, nur die
untere Seite ausgenommen, welche kleiner ist, als die übrigen,
die fast einen Zoll in der Länge ausmachen. Der Rücken ist
nur mit einer einzigen Floßfeder versehen. Da wo sie an den
Leib angewachsen ist, hat sie 2“, bey der entgegen gesetzten Rip-
pe aber 13 Zoll in der Breite. Die obere Seite ist viel län-
ger als die untere, und die äußere wird von einer krummen Li-
nie umzingelt. Wo sich die Bauch-Floßfedern endigen, da ist
der Affer angebracht, der 3 Zoll im Durchmeßer hat. Der -
Schwanz ist 4 Zoll lang, nach oben zu zurückgebogen, und
unten mit einer Feder ausgeziert, die an ihrer vorderen Endung
über 2 Zoll breit ist, aber sich gleich darauf über ein drittel veren-
gert. Der obere Leib des Sterletten ist mit einer dreifachen
Reihe knöcherner Schuppen versehen. Die mittlere, die sich
mitten auf dem Rücken befindet, fängt in einer Entfernung
3 Zoll von der äußersten Schnauze an, auf welcher Stelle auch
der hintere Theil des Kopfs in einen erhöhten Proceß ausläuft;
der mit den knöchernen Schuppen in einer gleichen Linie fort-
geht. Diese mittlere Reihe endiget sich unweit dem Anfang
der Rücken-Floßfeder, hat die größte Schuppen in Betracht der
andern; jedoch so, daß die an der Nachbarschaft des Kopfs be-
G g 2 findli-
-3- A, L. „F-
findlichen die allergrößten find. Die Anzahl derselben in allem
beläuft sich auf 15. Sie haben die Gestalt eines Sattels, dessen
beyde Seiten auf der mitten in einen dünnen Proceß erhöht
werden, der hinten wie ein stumpfer Schnabel hervorragt. Un-
terhalb dieses Proceßes beobachtet man eine Höhle, an dem lin-
ken Rand der Schuppen aber verschiedene Einschnitte. Die
Oberfläche der Schuppen ist gestrahlt, und die Strahlen
lauffen unweit der Mitte des Proceßes zusammen. Diese Lage
schreibt sich von gedachten Höhlen her, die wechselsweise geordnet
find, daher sie dann auch durch die zwischen den Schuppen an-
gebrachte Haut durchscheint. Die zweyte und dritte Schup-
pen-Reihe befindet sich auf den beiden Seiten des Rückens,
und jede desselben besteht aus mehr als 60. Schuppen. Die
Gestalt derselben ist rhomboidalisch, und fast ganz platt. Auf
ihrer Mitten erhöhen sie sich gleichfalls in einen Proceß, der mit
den Proceßen der mittleren Schuppen parallel ist, und die
Schuppen in zwey gleiche Dreyecke absondert. Sie fangen sich
bei dem Ende der ersten Schuppe von der mittlern Reihe an,
und endigen fich einen Zoll von der Schwanz-Floßfeder entfernt.
An der Mitte des Leibs, die vor andern Theilen desselben dicker
ist, stehen sie 4 Zoll von den Schuppen der mittleren Floßfeder
ab. Die Schuppen aller Reihen sind beweglich, und im Fleisch
feste. Am Bauch find zwo andere Schuppen-Reihen befind-
lich, davon die Schuppen der Gestalt nach denen auf der Seite
des Rückens ähnlich sind, nach ihrer Anzahl aber sich nur auf
10. 11. oder 12. erstrecken.
Die Haut des Sterletts ist wie eine Feile scharf, und
daher rauch anzufühlen, oberhalb bis zu den Seiten - Schuppen
dunkelgrau, oder dunkel-gelblich, und unten weiß. Die Schup-
pen find gelb, und die Floßfedern röhlich.
Die Höhlen des Kopfs lauffen zwischen einer filber-
farbenen Haut zusammen. Wann man solche von einander
zieht, so kommt eine zähe schmierigte Feuchtigkeit zum Vorschein.
Auf der Grund-Lage der Höhlen beobachtet man große, schwärzliche
Strahlen, die von dem Umkreis eines kleinen Zirkuls entstehen.
Aehnliche Strahlen, nur daß sie kleiner sind, sieht man auf der
Grund-Lage jener runden Löcher, an dem Kopf, deren ich oben
gedacht. Zwischen einer jeden Höhle, einem jeden Koch ist auf bey-
den Seiten ein kleiner knocherner Proceß befindlich, der mit
er-
•-A, - „F- 237
ermeldeten Vertieffungen parallel läuft. Zerschneide man densel-
ben, so bemerkt man, daß die Höhle und das Loch Ausgänge einer
und derselben Cavität seyn, deren Umfang wohl eine Wallnuß
aufnehmen könnte. An dem vordern Theil dieser Cavität,
und an der Stelle, die dem Prozeß gerade entgegen gesetzt ist,
fieht man einen kleinen Zirkel, der mit kleinen Fleischfarbenen
Puncten dick bestreut ist, und nach welchen zu fich jene schwärz-
liche Strahlen wenden, die rückäwrts größer find, und sich theils
neben der Höhle, theils in der Cavität selbsten, die noch vor-
wärts ein wenig weiter fortgeht, endigen. Diejenige Strahlen, die
bey der Höhle aufhören, endigen sich nicht etwanbey ihrer Mün-
dung, sondern noch ehe sie solche erreichen - Zoll von ihr entfernt.
Die vordere Strahlen sind ungleich kleiner, und lauffen biß zur
Mündung des runden Loches aus. Alle Strahlen schwellen nach
der Peripherie zu etwas auf, und an ihren beiden Endungen
find jene am dünsten. -
Von der äußersten Schnauze an bis zu der Spal-
tung des Mundes ist eine mit vielem Schleim angefüllte Cavität
befindlich. Nimmt man die letztere heraus, so kommen ungemein
viele, nervichte, schneeweiße Fasern zum Vorschein, die ihre Rich-
tung längst der Höhle in einer geraden Linie nehmen, eine und
die andere ausgenommen, welche über die andere quer zu liegen
kommen. Fast in der Mitte der Höhle befindet sich ein Nerve,
der vor andern mehr aufgeschwollen ist, und dieser, wann er die
wirckliche Mitte erreicht hat, geht mit den andern nicht in einer
Linie fort, sondern, indem er einen stumpfen Winkel bildet,
verbirgt er fich unter die übrige.
Wann man die Bart-Haare des Sterletts in der
Krone durchschneidt, so zeigen fiel eine ganz weiße Farbe, und
durchaus Nervenmäßige Structur. Sie schlagen sich in erst
ermeldte Cavität , und verlieren sich in derselben so unmerklich,
daß es mir nicht möglich war, ihre Endschafft eigentlich zu be-
stimmen. Die Fischblase, die ich durch die Speise-Röhre auf
blies, ist cylindrisch. Unterhalb der Schuppen beobachtete ich
einen Dün-Gang, der eine Fett-Materie enthielt. Er befizt
überall eine # Dicke, und giebt vermuthlich die hauptsächlich-
fe Ursache von der gelben Farbe, welche die knöcherne Schuppen
und auch einigermaßen die Floßfedern führen, ab. Unter den
Fisch-Ohren, bemerkt n4. fleischigte Lappen, die über ein-
G g 3 ah-
238 -A, - JF-
ander liegen, und an die gewöhnlichen knorplichten Zirkel befestiget
ind.
fi Die zweite besondere Sterletten-Gattung hat in der Rußi-
fchen Sprache den Nahmen Koster (Kocluepb). Sie ist 13 Zoll lang.
Ihr Kopf läuft in eine etwas stumpfere Schnauze aus, als
bei dem eigentlichen Sterlett. Von der äußersten Schnauze bis
zur oberen Spaltung der Fischohren ist ein Abstand von 2:
und bis zur untern ein anderer von 3. Zoll. Vornen ist der Kopf
Zoll, in der Gegend der Augen 1 bey den Ohren aber 14 Zoll-
breit. Gleichfalls ist diese Gattung mit vier Bart-Haaren
versehen, die einen halben Zoll lang sind. Der Mund hat eine ähn-
liche Lippe, die einen halben Zoll breit, und Zoll hoch ist. Die
Augen ragen an dem Kopf nicht viel hervor, find schwarz,
mit einem aus dem Gelben in das Silberfarbne fallenden Stückchen
Haut versehen, und - Zoll breit. Die bei dem ersten Ster-
lette an dem Kopf bemerckte Höhlen und runde Löcher verhalten
sich bei diesem eben so. Der Leb dieses Fisches ist rundlich,
vereiniget sich von dem Kopf an allmählig nach unten zu, und
ist unweit des Schwanzes kaum # Zoll breit. Die ''
Schuppen find des ersten feinen der Anzahl von Reihen nach
ähnlich. Auch stimmt die Farbe, ihre Lage, und die in einer jeden
Reihe befindliche Menge mit jenen vollkommen überein. An den
Floß-Federn konnte ich auch keinen merklichen Unterschied wahr-
nehmen, nur sind die an den Ohren befindliche von einer
trapezoidischen Gestalt und fester an ihre Rippe angewachsen.
Die Bauch-Floßfedern stellen beinahe ein Viereck vor, und
find von den Brust-Floßfedern 5. Zoll entfernt. Die Rücken-Floß-
feder steht 7. Zoll von der lezten knöchernen Rücken-Schuppe
ab und ist an ihren Mündungen etwas gekrümmt. Die
Bauch - Floßfeder folgt gleich auf dieselbe; und endlich lauft der
Fisch in einen zwiefach gefurchten Schwanz aus, dessen ei-
ner Theil seine Richtung nach oben , und der andere nach
unten zu bekommt. Der Ober-Theil, welcher mit der Rücken-
Floßf der einerley Lage hat, endiget sich nach oben zu mit kur-
zen und gleichen Strahlen, der untere aber hat vornen sehr lan-
ge, hinten kürzere, in eine krumme Linie auslaufende und mit
der schon gemeldten Rippe fest verbundene. Es scheint daher,
' dieser Schwanz dem Koffer hauptsächlich zum Rudern dienen
NU 6,
An
<A, + „F- 239
An dem Bauch beobachte ich zwo Reihen von Warzen,
welche unterhalb den Fisch Ohren ihren Anfang nehmen, und
fich bey den Bauch-Floßfedern endigen. Die Warzen sind von
unterschiedlicher Größe, nicht immer einzeln, sondern auch zwo
und drey bey einander , gleich als wann sie zusammen flieffen,
Vor der Affer-Floßfeder bemerkt man eine einzelne andere, die
besonders gros ist, und mit den übrigen in keiner Gemeinschaft
steht. Der Affer befindet sich an dem Ende der Bauch-Floßfeder
gerade in der Mitte, und fieht an seinem gedoppelten Rand
röhlich aus. Oberhalb des Mastdarms entdeckte ich einen ziem-
lich geraumten Kanal, der sich in den Affter endigte.
Wann man erst gedachte Warzen aufschneidet, so lie-
fern fiel eine weißliche Materie, die etwas dick, fast Eitermä-
ßig ist, manchmal auch nur wie ein Blut - Eiter aussieht, der
beständig mit einiger Gewalt hervorquillt.
Die Haut des Koffers ist fast noch rauher, als des
Sterletten feine, und nicht überall von einer gleichen Farbe. Die-
jenige, die zwischen den Seiten - Schuppen des Rückens befind-
lich ist, erhebt sich in gestrahlte Warzen von verschiedener Grö-
ße, die eben deswegen, weil sie gestrahlt aussehen, viele Aehnlich-
keit mit den knöchernen Schuppen besitzen. Die größten Warzen be-
merckt man unweit den mittleren Rücken-Schuppen, die kleinste
find kaum fo groß als ein Nadel-Knopf, und ihre strahlichte
Abtheilung erkent man mit dem bloßen Auge sehr schwehr. Auf
dieser Stelle fällt die Farbe der Haut aus dem grauen ins bläulichte.
Zwischen den obern Rücken - und den Bauch - Schuppen ist
zwar die Haut auch warzig, aber die Warzen sind nicht so er-
haben, wie auf der vorigen Stelle. Die Haut erhält daselbst eine
ganz weiße Farbe, eine einzige bey den Seiten-Schuppen des
Rücken befindliche Linie ausgenommen, die mit einer gräulichten
Farbe gesättiget ist. Sonsten kommt der Koffer mit dem
Sterlett nach allen Umständen überein und ich habe daher mit
Verschweigung der Harmonie nur die Unterscheidungs-Kennzeichen
deffelben anzeigen wollen. - - A-
Die dritte mir bekant gewordene Sterletten-Art heißt: Der Fisch
auf Rußlich Kostera (koc-nepa) und hat mit der zweiten einer Keller ge“
ley Gestalt, Größe, Farbe, Barthaare und Floßfedern. Bloß"
unterscheidet sie sich durch ihre knöcherne Schuppen, von denen
sie eine fünffache Reihe aufweist. Dann statt der :
PLICI)-
-
240 • A, -
Belugen.
welche die vorige an dem Bauch befizt, find dieser von der
Natur Schuppen gegeben worden. Diejenige fo man auf der
Mitte des Rückens und an den Seiten-Theilen desselben bemerkt,
sind die Schuppen der vorigen Arten auf eben denselben Stellen
durchaus gleich. Die vierte und fünfte Schuppen-Reihe besteht
auf beyden Seiten nur aus 10. Schuppen, die weißlicher aus-
sehen, als die andere, an Gröffe die Seiten-Schuppen des Rü-
ckens übertreffen, sich bey den Bauch-Floßfedern endigen, ihrer
Gestalt nach aber mit den mittlern Rücken-Schuppen überein-
kommen. -
- Alle diese drey Sterletten-Gattungen haben ein sehr
weißes, ungemein zartes und dem Geschmack überaus angeneh-
mes Fleisch, weßwegen fiel durch ganz Rußland verführt wer-
den. Man hält sie auch zu Petersburg und Moscau in Fisch-
teichen, und verkauft manche lebendige von der größten Länge für
6. bis 10. Rubel. Sie laichen insgesammt im Frühling. Zu
Astrachan hält man den Koffer für einen kleinen Stöhr, und
zieht ihn als einen besondern Lekerbißen den Sterletten vor.
Man findt öffters Sterlette zu einer Rußischen Elle und 8.
Werschock. Mir aber ist von dieser Größe keiner zu Gesichte,
gekommen.
Die Geschichte des Beluga ist von den Ichthiologen
bereits erschöpft worden. Es ist der Haufen der Deutschen und
die Ichthiocolla der ältern Naturforscher. Er und der Ster-
lett liefern hauptsächlich den Caviar, der in der Rußischen Spra-
che Ikra heit. Seine und aller Accipenser Fischblase geben
den so genannten Fischleim, er und der Sevruga aber den
weißesten, im Waßer am leichtfen auflösbaren und also den be-
fen. Sein Fleisch ist härter als des Stöhrs, Sterletten und
Sewruga feines; weil er jedennoch sehr fett zu werden pflegt, so
hält man ihn für eine noch sehr gute Fisch-Gattung. Er
wird manchmal ungeheuer gros, zu 2. bis 3. Faden in der
Länge und zu 30. bis 40. Pud schwehr. Ich habe bereits an
einem andern Ort erwähnt, daß die Perser keine von allen in
diesem Tagebuch erwähnten Fischförmigen Amphibien zu effen
pflegen, und daselbst auch die Ursache ihres Abscheues gegen die-
felbe angeführt.
Das Wort Schaitan bedeutet in der Persischen Spra-
che den Teuffel, und die aus lauter Einbildung zusammen ge-
fetzte
«A, - „Fe
241
setzte Perfer geben dem Scheidefisch diesen Nahmen, damit sie Der Schel,
dadurch defen fürchterliches Ansehen anzeigen können. ä #
hat ihn Gen. pisc. adp. p. 82. sehr schön beschrieben. Die Mor-
genländische Christen vermuthen, er sei eben derselbe, der dem
Propheten Jonas einen dreitägigen Auffenthalt in einem Bauch
gegeben habe. Er ist ungemein häuffig, und hat in Betracht der
Größe seines Leibes sehr kleine Augen.
Von den kleinen Fischen der Caspischen See beschreibe
ich den Kuttum, den Afatt und den Cyprinus Perf in den
Commentarien der Petersburger Academie. Von nachstehenden
füge ich hier folgende wenige Bemerkungen bey.
Der Jdus, welcher in Rußland kpacoe nepo genannt. Der Idus.
wird, heist in Astrachan zRWpxb; und auf Perfisch Barch. Sieh.
unf. Reise- Besch. 1. T. pag. 59. ). In der Ausmessung seiner
Theile hat er sich wie folget bewiesen.
Länge von der Spitze der Schnauze bis zu den Z.
Augen. – – – – – – – 1.
– der Augen. O.
Breite derselben. - - O.
Abstand derselben. – – – – – – 1.
Länge von der Spitze der Schnauze bis zu den
– Brust-Floßfedern. – – – – –3.
– der Brust-Floßfedern, wo sie am größten. |2.
Breite der Brust-Floßfedern. – – – – 1.
Abstand zwischen ihnen. I.
Länge von der Spitze der Schnauze bis zu den
Bauch-Floßfedern. – – – – – 7.
Breite derselben. o.
Länge. I.
Abstand. – – – – – – – – o.
Länge von der Spitze der Schnauze bis zur Floß
- feder des Affters. – – – – – II.
– der Affter-Floßfeder. – – – – 2.
Breite derselben. – – – – – – 1.
Abstand zwischen der Affter - Floßfeder und dem
Schwanz. –* 2.
Gröste Länge des Schwanzes. – – – –3.
Breite desselben. - -, 2.
Dritter Theil. H h
*
–
änge
-
242- A, - „F*
Länge von der Spitze der Schnauze bis zur Rücken-Z. . . |
Floßfeder. – – – – – – – – 8. 7.–
– derselben. – – – – – – – 2. |6. -
Breite. -- --- --- | I. - 9.
Abstand von ihrem Ende bis zum Schwanz. – 5. 16. -
Auffer dieser angeführten Ausmeffung ergänze ich des
Artedi mit meiner eigenen Beschreibung durch diese Anmer-
kung. Die Spaltung des Mundes ist beträchtlich groß. Der
Augen-Regenbogen ist fast beständig mehr Silberfarben, und
unten hat er einen Gold-Silberfarbenen Rand, der nach feiner
obern Fläche zu so ins schwärzliche fällt, daß doch dabey das
Silberfarbene durchscheint. Ueberhaupt bemerkt man auf der
oberfläche des Regenbogens meistentheils schwarze puncten, die
jedoch auch bei vielen Individuen, sowohl als diejenige, die man
sonsten an den Fisch-Ohren-Deckelchen bemerckt, ganz und gar
fehlen. Die Strahlen der Schuppen sind sehr zahlreich,
und alle lauffen von der Grundlage bis zur halb zirkeligten
Spitze in einer geraden Linie fort. Die zwey erste Beinchen
der Rücken-Floßfeder find ungespalten, das erste um die Helf
te kleiner, als das zweyte; die übrigen aber alle an ihrer äußersten
Mündung ungemein ältig. Von den zwoen Bauch-Floßfedern
besteht jede, so wie die Affter-Floßfeder aus 10. Strahlen: die
Floßfeder des Schwanzes, der zweifach gefurcht ist, wird auch
in 2. Theile gespalten, und hat 24 Beinchen. Es hält sich dieser
Fisch sowohl in der Caspischen See, als in den Füßen gleich
häufig auf. Im Frühling laicht er. Der Fisch wird nimmer-
mehr fett, und sein Fleisch ist daher gar nicht angenehm zu
effen. In seinem Magen habe ich nichts als Leim und Gras,
das fast wie die Alga vitrariorum aussahe, angetroffen: diese
Pflanze aber selbsten konnte ich in der Caspischen See niemals
entdecken.
Der Usatsch Cyprinus barbus; Cyprinus pinna ani, ra-
dis 7. cirrhis 4. pinnae dorfi radio fecundo undique ferrato.
Man findt ihn im Tereck und im Kur; in der Wolga aber
ist er ein seltener Gast. Er hat einen länglichten, dicken Kopf,
auf dessen Oberfläche die grüne, gelbe und dunkelgraue Farbe
vermischt sind, der unten weiß aussieht, und der an seinen Seit
tentheilen und an den Lungendeckeln mit einer glänzenden
2"-
z, „s- 243
berfarbe erscheint. Die Naslöcher find länglicht, mit einer
gedoppelten Oeffnung versehen, 3. Linien von einander entfernt,
und haben eine nähere Lage nach den Augen, als nach der äu-
ferten Schnauze zu. Die obere Kinnlade ist etwas größer,
als die untere, halb zirkelförmig, ganz glatt, und wie der
Mund ohne Zähne. Vier werfe Barthaare befinden sich an
dem Kopf, auf beiden Seiten 2, davon ein Paar an dem
Nasknochen, und das andere an dem obern Kiefer befestiget
ist; alle vier haben einerley Länge. Die an den Seiten-Theilen des
Kopfs angebrachte, niedriger als die Naslöcher liegende Augen
find mit einem glänzend Silberfarbnen Regenbogen und einem
überaus schönen Stern versehen. Die Fisch-Ohren-Haut be-
steht aus 3. Strahlen; der Rücken hat eine etwas erhöhtere
Gestalt, als der Kopf und ist spitzig; der Bauch ragt auch
etwas hervor, und ist breiter als der Rücken. Die in der
Länge lauffende Bauch-Linie wird aus ablänglichten, von ein-
ander abgesonderten Streiffen zusammen gesetzt, und nimt die
beiden Seiten des Rückens ein.
Die Schuppen des Fisches haben eine Rhomboidal-
Gestalt, und find wellenförmig geordnet. Die Rücken-Schup-
pen find Silberfarben, und rings um dunkelgrau, die an den
Seiten-Theilen des Rückens befindliche find ganz und gar
glänzend Silberfarben, die an der Brust und dem Bauch
aber weiß, und unmerklicher, als die übrigen.
Der ganze Rücken ist sowohl vor als hinterwärts seiner
Floßfeder conver , die Gegend zwischen den Bauch-Floßf-
dern und dem Affter platt, diejenige aber, die sich von dem
Affter bis an den Schwanz ausdehnt, ungemein verengert. -
Die einzige Floßfeder, mit welcher der Rücken versehen
ist, hat ihre Lage an der vordern Mitte desselben, und bestehet
aus 10 Beinchen, davon das erste das kleinste, das zweyte wie
eine Säge, am Rand eingezackt, eben daßelbe und das dritte die
zwey längsten sind. Die zwei ersten sind einfach, das dritte aber bis
zu dem zehenden letzten an ihrer äußersten Endung in viele Aeste
gespalten. Von den beiden Bauch - Floßfedern bestehet
jede aus 18 Strahlen; die erstere sind die längsten, die leztern
die kleinsten, alle spalten sich an ihrer Spitze.
Die beiden Bauch-Floßfedern befinden sich hinter denen
an der Brust und unter der an dem Rücken. Sie haben 9 von
- - - H h 2 weißen
244 •-A, - „F-
Perca nilo-
tica.
weißen ins gelbliche fallende Strahlen, davon die zwey erfere
ganz, die übrigen hingegen alle nach ihrer Spitze zu ästig er-
scheinen. Die 3 ertern übertreffen die folgende, welche nach
und nach in der Länge abnehmen, an Größe.
Die Affer-Floßfeder hat nur 7. Strahlen, der erste
ist abermal ganz, die übrige gespalten; alle weiß, und in ihrer
Mitte gelb.
Der Schwanz lauft ziemlich in der Breite aus, ist zwie-
fach gefurcht, weiß gelblicht, an einer Endung roht, und wird
aus 20 Strahlen zusammengesetzt. Der Affer hat einen mit-
telmäßig großen Durchmeßer und ragt etwas hervor: die ganze
Länge des Fisches beträgt etwas weniges mehr als 3 Pariser
Zolle. Die innere Theile desselben sind eben so wie bey andern
Cyprinen beschaffen. Die Fisch-Blase ist geräumig, in der
Mitte gespalten, und daselbst gleich als mit einem Faden zu-
fammen gestrickt; der Pnevmatische Canal ist an einem untern
Theil länger, und hat überhaupt die Gestalt eines männlichen
Glieds (S. Pl. 25. 1.)
Die Beschreibung, die Artedi von dem Cyprinus Aspius
gegeben hat, kommt mit denjenigen Fischen dieser Art vollkommen
überein, die in der Caspischen See leben. Nur werden die unsrigen
niemalen über 1. Fuß lang. Der Augen-Regenbogen weitet keine
fchwarze Punckte auf, die Bauch-Flosfedern sehen weißlich aus; die
Rücken-Floßfeder ist nur mit 10 Strahlen versehen, und die
an dem Affter befindliche führt gleichfalls keine schwarze Puncte.
Die Floßfedern alle sind überhaupt ganz weiß. (S. Pl.
25.2.) -
- Noch verdient ein anderer Fisch wegen feiner Selten-
heit angeführt zu werden. Es ist die Perca nilotica des Hn.
von Linne. Haffelquists Reisen habe ich zwar anjezo nicht
bey Handen, um davon ganz gewiß zu feyn, die Linneifche
Beschreibung aber dient mir zu einer hinlänglichen Ueberzeugung,
Der Kopf ist zusammengedrückt, die Kinnladen von
einer gleichen Länge, und die Oeffnung des Mundes ziemlich
weit. Unzählige, überaus kleine und schneidende, Zähne befin-
den fich rings um den Umkreis der beiden Kinnladen, und
auch der Gaumen ist mit zwoen in die Länge lauffenden Rei-
hen gleicher Zähne versehen. Die Zunge ist glatt, breit, schwerdt-
förmig, und ganz; die Maslöcher klein, haben eine doppelte
Oeffnung
•A, I. „F- 245
Oeffnung, und befinden sich etwas näher bei den Augen, als bei
der Schnauze. Die Augen beobachtet man an den Seiten-
Theilen des Kopfs, und fiel befizen eine beträchtliche Gröffe; Der
Stern ist rund, und prangt mit einer sehr schönen grünen Far-
be; die Fisch-Ohren-Haut besteht aus 7. Strahlen.
Der Rücken erhebt sich von dem Kopf an ungemein
mercklich, und läuft ' zu. Der Bauch ist von dem Kopf
an bis zur Affter-Floßfeder ziemlich breit, da aber verengert
er sich in einen stumpfen Nachen. An dem Rücken bemerckt
man zwo etwas von einander abgesonderte Floßfedern, davon
die erste mit 7. stumpfen Strahlen versehen ist, von wel-
chen die letztere kleiner find, als die übrige, die andere aber
wird aus 15. zusammen gesetzt, unter welchen einige stumpf
sind, andere aber in unstacheligte Spitzen (Spinae inermes) aus-
lauffen.
Die Brust-Floßfedern bestehen aus 15. äftigen Strah-
len, von welchen die an den Seiten befindliche die kleinsten find.
Gleich unterhalb denselben ist eine einzige Bauch- Floßfeder
angebracht, die 8. Strahlen hat, und sich, wann der Fisch leben-
dig ist, in eine kugelrunde Höhle zusammenzieht. Die Affter
Floßfeder führt 12. einfache Strahlen, von den die zween erste
die kleinsten sind, und diejenige, welche den Schwanz ausmacht
16. äftige.
Die Farbe aller Floßfedern fällt vom weißen ins graue;
: die äußerste Spitzen der Schwanz-Beinchen sehen schwärz-
lich aus.
Die Schuppen haben eine mittelmäßige Gröffe, find
dicht mit einander verbunden, hart, und Rückwärts mit dem
Finger berührt sehr rauch anzufühlen: oberhalb sehen dieselbe
gelblich aus, und unten find sie weiß, die 2Prust ist ganz glatt.
Die Seiten-Linie hat eine so ziemlich gerade Richtung, und
ihrer Lage nach ist sie dem Bauch ein wenig näher, als dem
Rücken.
Dem Fleiß des geschickten Studenten Klutschareff ha-
be ich es zu verdancken, daß ich dieses Fisches habhaft worden
bin. Er fand ihn zu Anfang des Jenners in dem Einzelischen
Meerbufen, da er noch ganz klein, kaum einige Tage alt war,
und es ist daher zu vermuthen, daß dieses die Geburts-Zeit
h 3 des-
246 •A, + „Fe
deßelben fey. Er erreicht die Größe von dem Cyprinus Ibus.
(S. Pl. 25. 3.)
Ich habe gesagt, daß die Fische der Caspischen See
eine wahre Schatzkammer für Rußland abgeben; dann fie ver-
mehren sich auf eine erstaunende Art. Die zu den großen ge-
hörige werden erstaunend groß, und weil die Caspische See kei-
nen Ausfluß hat, so bleiben fiel daher in derselben als in ei-
nem Gefängniß eingeschloßen , die ansehliche Menge ausge-
nommen, die sich in die Füße begiebt, daß daher bey dem
allerverschwenderischten Fischfang niemalen der geringste Man-
gel zu befürchten steht, und daß auch die ungeheure Anzahl
von Fischen, die durch den Genuß des Caviars verlohren geht,
nimmermehr einen großen Einfluß auf denselben haben kann;
ungeachtet es gewiß ist, daß einige Stellen der Caspischen See
Fischreicher, als andere, und auch zu gleich veränderlichen Ab-
wechselungen ausgesetzt find, wie der Jaik ein Beyspiel abgiebt, der
gegenwärtig diejenige Menge von Fischen nicht mehr liefert,
die er ehmals geliefert hat: dahingegen der Fischfang an der westlichen
Küste unters Caspischen Sumpfs sowohl, als in der Wolga,
immer unerschöpflicher wird.
Unter allen vierfüßigen Thieren ist der See-Hund das
einzige, welches die Caspische See ernährt. In derselben aber
ist er auch so häufig, daß er, wie bey den Grönländern, ein
ansehliches Nahrungs-Mittel für viele Menschen abgiebt. Man
trifft von ihm ungemein viele Spiel- Arten an, die sich aber
alle nur in Ansehung der Farbe unterscheiden. Es giebt schwar-
ze, weißlichte, oder vom weißen ins gelblichte fallende, aschgraue,
Mausfarbne, und auch solche, die gleich dem Tiger gefleckt sind.
Mit den Vorder-Füßen kriechen die See-Hunde aus der See nach
den Insuln, und daselbst werden sie eine Beuthe der Fischer, die
fie daselbst mit dicken, anderthalb Ellen langen Stöcken ohne
alle Mühe erlegen; da inzwischen immer mehrere und mehrere, die
den Unglücklichen zu Hülffe zu eilen scheinen, herbekommen,
und einem gleichen Schicksal nicht entgehen können. Sie haben
ein sehr hartnäkiges Leben, daß sie manchmal ohne den Verlust
ihres Lebens 30. ihnen gewaltthätig beigebrachte Streiche aus-
zuhalten im Stande sind; ja sie leben öffers noch etliche Ta-
ge lang, nachdem ihnen die Prügel auf das äußerte zugesetzt
haben. Nichts können sie weniger erdulden, als s und
(Uer",
A. - - 247
Feuer. Bei dem ersten Anblick dessen begeben sie sich vom festen
Land ins Waßer; vor dem Regen und den Winden aber find
fie ganz und gar nicht bange. Sie werden ungemein fett.
Das Pud See-Hundfett wird in Astrachan für 35. Kopeken,
das tausend Felle aber, wann sie noch mit Fett angefüllt sind,
für 42. Rubel verkaufft. Im Herbst und im Frühjahr fängt
man sie am allerhäufigsten. Die Schakallen und Wölfe sind
ihre abgesagtesten Feinde, die ihnen gewiß keine Vergebung er-
theilen, wann sie mit einander in einen Angriff gerathen: deß-
wegen diejenige, die auf den See-Hund-Fang ausgehen, bey den
Insuln beständige Wachen ausstellen, um die Schakallen und
Wölffe zu verjagen.
Es erscheinen jährlich auf der Caspischen See, von
Astrachan aus, einige kleine Boote hauptsächlich um des See-
Hundfangs willen. Unerachtet sie sich also nur auf den In-
fuln aufhalten sollen, von welchen eine diffalls besonders bekann-
te, zwischen Rislar und Derbent befindliche, den Nahmen der
See-Hunds - Insul (myAbhol ocumposb) hat, so treibt sie
doch sehr oft und fast gemeiniglich ein unerlaubter Gewinnt an,
solche Persische Hafen zu besuchen, in denen sie vor der Gewalt
der Rußischen Consuls sicher sind, um Waaren abzusetzen, und
andere einzuladen, wodurch eines Theils der Zoll der hohen
Krone geschmählert wird, und auf der andern Seite Rußische
Unterthanen Persischer Seits solche Gewalthätigkeiten erfahren
müßen, die ihnen um so viel empfindlicher find, weil sie nicht
einmal darüber klagen dürfen.
Ist die Caspische See an vierfüßigen Thieren arm,
fo ist sie es noch weit mehr, Verhältniß weise gerechnet, an den-
jenigen natürlichen Dingen, welche man sonsten als eigenthüm-
liche Meer - Produkten anzusehen pflegt; ich meine an Wür-
mern und See-Pflanzen. Ich bin nicht so glücklich ä
ein einziges Zoophyt, einen einzigen See-Stern, einen Echinus,
eine Meduse oder einen andern Wurm von den Molluscis in
derselben zu entdecken, unerachtet ich mich nicht allein damit be-
gnügte, daß ich solche mit der größten Aufmerksamkeit an ver-
fähiedenen Ufern aufsuchte, sondern viel mehr einige Monathe
lang auf eigenen dazu bestimmt gewesen Booten und mit be-
sondern dazu verfertigen Netzen bald in einer größeren und bald
in einer geringeren Entfernung vom Strand in der See felb-
ften
248 «A, H. „F-
/
Kaspische
Muscheln.
fen fischen ließ. In Ansehung der Muscheln hat es keine bes,
fere Beschaffenheit. Nicht daß ich etwas neues erwartet hätte,
nein, es war mir nicht einmal vergönnt, die sonsten am aller-
gewöhnlichsten Conchylien aufzutreiben. Hier ist das Verzeichniß
aller derjenigen, die ich angetroffen habe.
Cardium edule.
Cardium ruficum.
Der zwischen den Furchen befindliche Raum ist bald
gelb oder falb, und bald schneeweiß; die Furchen selbst sind
mehr oder weniger erhaben. Einige lauffen bis an den vorder-
ften Rand, und bey andern verlieren sie sich schon gegen der
Mitte. Die Querzusätze find öffters ganz und gar unmercklich.
Die Muschel ist innwendig weiß, und nach vornen zu gesättigt
purpurroth. Ihre Größe wird von dem Alter des Thiers be-
stimmt; fonsten aber ist sie auch überdiß ungemein vielen Abän-
derungen unterworffen.
Cardium trilaterum.
Die Schale ist so gros, als des vorhergehenden Wurms
feine, dreywinkelich, und ungemein höckericht. Die Valvuln ha-
ben einerley Größe ; eine Seite ist platt, die andere breit und
conver. An jener find die Streiffen unmercklich und an dieser,
sowohl der Anzahl als dem Durchmeßer nach, beträchtlicher.
Tellina fragilis. Sie ist bald größer, und bald kleiner,
als die äußerste Spitze des Daumens; und innwendig an dem
Cardine manchmal violet. --
Mytilus edulis, leidet in Ansehung der Farbe erstau-
nend viele Abänderungen.
Chaina Cor.
Serpula triquetra.
Serpula Conglomerata, und unterschiedliche Helices.
An Vögeln verschiedener Gattungen leidet hingegen die
Caspische See keinen Mangel. Ich habe vieler hin und wieder
in diesem Tagebuch erwehnt. Jezo will ich hier ein fumma-
risches Verzeichniß aller von mir bemerckten einrücken, aber
nur derjenigen, die sich unmittelbar an dem Ufer der Caspischen
See aufhalten; Persischer Berg-Wald- und Feld-Vögel hier
gar nicht zu gedencken. A
Us
•A, P. „A- 249
Aus dem Gänse- und Enten-Geschlechte find mir nach-
fehende Gattungen zu Gesichte gekommen.
- Der Schwan (Anas Cygnus). Er wird von den Ma-
humedanern in großen Ehren gehalten. Man verkaufft das
Pud Daunen zu 25. Mindenaer. Er wird sehr fett, wozu ihm
die häuffige Reisfelder in Gilan und Mafanderan verhelfen,
und sein Fleisch ist daher ein wahrer Lekerbißen. Die Chine-
fifthe Gans (Anas Cygnoides) Die Hausgans (Anas anfer). "
Die Gans, Kafarka genannt, der ich in dem zweiten Theilmei-
ner Reise-Beschreibung gedacht habe. Die gehörnte Ente, die eben
dafelbst vorkommt. Die Bereikla-Ente. Die 2Breit schna-
belichte Ente (Anas clypeata L. Anas latirofira major. Gef.)
Die Ente clangula. Diejenige, welche ich in den Denckschriff
ten der Kayserlichen Academie und in dem ersten Theil dieser
Beschreibung p. 70. unter dem Nahmen Anas lurida vorgetra-
gen habe. Alle bekannte Gattungen von Krück-Enten. Die
Ente mit dem langen, spitzigen Schwanz ( Anas acuta, L.)
die Merz-Ente; die gehaubte Ente, (Anas filigula, L. Anas
Cirrhtta, Gefu) und endlich eine noch neue Art, die in der
Rußisch-Asiatischen Landsprache. Kekuschka heißt, und von mir
diesen Trivial-Nahmen bekommen hat. Folgende Beschreibung,
und die derselben beigefügte Abzeichnung, (die auf der 26sten und
27sten Platte zu finden ist,) werden diese Ente kenntlich genug
machen. s
- Die Kekuschka-Ente.
Anas Kekuschka.
Länge des ganzen Vogels von der äußersten Spiße FZ L.
des Schnabels bis zum Ende des Schwanzes. | 1. |7|10.
– bis zum Ende der Füße. – – – – 1. |7.|11.
Länge des Schnabels an der Stirne gemeßen. –0. | 1. |8.
– den Schläffen gemeßen. – – – –0. | 1. | 11.
– der Naslöcher. O. l O.! 2.
Breite. – – – O. | O. | I.
Abstand. - O. 0.3.
– derselben von den Augen. – – – –0.|1. 2.
Länge der Augen. 0.10. 3.
Dritter Theil. I i Brei-
25a «A, M „F-
QBreite. – – – – – – – – –0.
Abstand. – – – – – – – –o.
– von den Ohren. – – – – – –
Länge der Ohren. – – – – – –
Breite. – – – – – – –
Abstand. – – – – – – – –0.
Länge des Kopfs. – – – – – –0.
– Halses. – – – – – – –0.
– Rückens. – – – – – – –
– Schwanzes. – – – – – –
Umfang des Kopfs. – – – – – –o.
– Halses unterhalb dem Kopf. – – –
– bey seinem Ende. – – – – –
– Leibes. – – – – – – – –
Breite des Schwanzes. – – – – –
Abstand der ausgebreiteten Flügel. – – – –
– der Sterne von dem Bug des Ellenbogens.
Länge der Schenkelbeine. – – – –
– Schienbeine. – – – – – –
– des mittlern Zehen. – – – – –
– feines Nagels. – – – – – –
– des innern. – – – – – – –
– feines Nagels. – - - - - –
Länge der äußern Zehen. – – – – –
– feines Nagels. -
-- Q-
– feines Nagels. - -
Unstreitig gehört diese Ente unter die önste Arten
ihres Geschlechts, Ich erinnere mich dieselbe “ Afra-
chan auf sumpfichten Stellen beobachtet zu haben; ihr Winter-
quartier sucht fie von Astrachan aus zu Anfang des Winters
an dem Persischen Gestade des Caspischen Meers, aber auch
nur an solchen Stellen desselben, die sumpfiche sind.
- Der Schnabel ist lammellös, gezähnt, schwarz und endi-
get sich mit einer stumpfen glatten Spitze: die UTaslöcher find
Eherförmig, und blos. - - - - - - - -
Der
<A, § „se 25
Der Kopf ist ablänglich, ziemlich dick, die Federn aber,
die ihn bedecken, sehen in der Mitte schwärzlich aus, und sind
Okergelb, ausgezakt. … Die Seiten-Theile davon fallen ins
weißliche, jedoch bemerckt man an denselben schwärzliche mit etwas
gelbem untermischte Flecken.
Der Hals ist mäßig verlängert, vorwärts oberhalb in sei
ner Mitte schwärzlich und auf beiden Seiten also beschaffen,
daß die Farbe von der schwärzlichen in die Okergelbe fällt; vor-
wärts unterhalb begleiten denselben weiße Federn, deren Endun-
gen auf eine gar schöne Art durch eine aus der weißen, grauen
' schwarzen Farbe angebrachte Vermischung marmoriert wer-
EM.
--
Der Rüken hat vorwärts eine glänzende Aussicht,
nach hinten zu ist er dunkelgrau; an denjenigen Seiten-Theilen
die eine den Schwingfedern entgegen gesetzte Lage besitzen, bemerkt
man eine überaus feine aschgraue Farbe , und die En-
dungen der Federn sehen gelb aus, das Uropygium hingegen
ist glänzend schwarz.
Die untere Seite des Kopfs fällt ins weißliche, und
wird durch etwas schärzliches und gelbes schattiert. Der untere
Hals sieht vorwärts eben so aus, nur mit dem Unterschied, daß
die gelbe Farbe die Oberhand erhält. Nach hinten zu werden
die Federn schneeweiß, mit scharzen Querbanden, und einer weiß-
lichen Endung. Hin und wider find auch auf ihrer Oberfläche
ockergelbe Flecken angebracht.
Die Brust und der Bauch führen eine Schneeweiße
Farbe. Das Cristum ist zwar auch weiß, aber schwärzliche
ungemein dünne und deswegen fast unmerckliche Querstreiffen
verursachen zwischen dem weißen eine hübsche Schattierung.
Der untere Theil des Schwanzes ist kohlschwarz.
Die an den Seiten des Kopfs befindliche Augen sind
fehr klein, und der Stern sowohl als der Regenbogen sehen
schwarz aus. - -
Mit den Schwingfedern hat es folgende Bewandniß:
sie erfreken sich bis auf das Ende des Schwanzes: die zehen
erste sind dunkelgrau, und an ihrer innwendigen Seite undeutlich
aschfarben. Die eifte bis zu der vierzehenten sind zwar
auch dunkelgrau, sie endigen sich aber mit einer weißen Spitze,
die fünfzehente bis zur neunzehenten haben zu ihrer Grund-
lage wiederum die nämliche Farbe, dann aber werden sie kohl-
I i 2 - schwarz,
-
252 «A, H „F-
schwarz, und lauffen endlich in eine weiße Endung aus. Inn-
wendig sind sie Aschgrau. Die zwanzigste ist von auffen halb-
weiß und halb schwarz, innwendig aber, wie die übrigen, Asch-
farben, die drey und zwanzigste hingegen bis zur letzten
fechs und zwanzigften auf beiden Seiten grau.
Die äußere Deckfedern find unbeflekt dunkelgrau; die-
jenige die unmittelbar darauf folgen, find es auch, aber ihre in-
nere Spitzen von gelber Farbe und an ihrer innwendigen
Seite sehen sie weiß aus: die innerste sind kohlschwarz. Die
mittlere Deckfedern sind gelbröhlich, prangen aber mit einem
fo glänzenden Ansehen daß sie eine wahre Feuer-Farbe vorstellen.
Die allerentfernteste sind dunkelgrau, entweder unbeflekt oder
in eine weiße Spitze auslauffend, oder auch mit ganz feinen
weißen Puncten gedüpfelt. Alle Deckfedern endlich find unter-
halb schneeweiß; die Schwingfedern hingegen selbsten sehen
grau aus, und die meisten von denselben haben allda weiße En-
dungen. - - - - -
- Die Gegend unter den Flügeln fieht eben so aus, als der
vordere, obere halb, und die Schenkelbeine werden mit eben
den Federn bedeckt.
- - Der Schwanz ist kurz, und besteht aus sechzehn gleichen
Regier-Federn, die eine fact aschgraue Farbe haben, und deren
Endungen an den Seiten, sowohl als an der äußersten Spitze
' oder auch manchmal gelb sind, die Deckfedern aber kohl-
warz. -
Die Schwimm-Füße sind mit ihren Zehen gelb, die
Mägel schwarz und die Verbindungs-Haut fällt von dem
dunkelgrauen ins schwärzliche. - - -
Das Weibchen unterscheidet sich dadurch, daß es eine
weniger lebhafte Aussicht befizt, und daß ihm besonders das
glänzende Feuerfarbne an den Deckfedern der Schwing-Federn
mangelt. - -
Der Kekuschka endlich auf die Wagschaale gelegt, wäre
dem Gewicht nach 2. Rußischen Pfunden und 2. Medicinischen
Unzen gleich. Ihr Fleisch hat durchgängig einen unangeneh-
men Fisch-Geschmack.
Von dem Reiger-Geschlecht trifft man an der Caspi-
fchen See verschiedene Gattungen an, und es find fummarisch
folgende. -
- - Der
• A, H. „F- 253
Der Kranich. (Ardea grus) Der Storch. (Ardea Ci-
sonia). Der Schwarze Storch (Ardea ignea). Der Quack-Reiger
(Ardea nycticorex. Der Fisch-Reiger (Ardea cinerea, L.) Der
gebaubte, Purpur farbne Reiger (Ardea purpurea, L.) Der
große Vorreiger (Ardeabotaurus major Br.) Der große Cayen-
niche gestreifte Reiger (Ardea Cayennenfis friata. Br.) Der
Castanien farbene, und der Qkerfarbene Reiger (Ardea Castanea
und Ferruginea) die ich in den Commentarien der Kayserlichen
Akademie beschrieben habe. Der schneeweiße Reiger (Arden
Nucea) deßen ich eben daselbst erwehnt habe. Die Ardea Egre-
toides den ich bereits in dem zweiten Theil dieses Tagebuchs
vorgetragen, und abgebildet habe. Die Ardea Egretta, des Hn.
Briffons. Ein neuer besonderer Reiger, mit einem gelben Schna-
bel und Schnabel-Haut, einer Kastanienfarbnen Haube, schwarz-
zen Kopf, ungemein verlängerten gelblichten Hals, Rücken, Fü-
ßen und Zehen, dessen ich in der Geschichte der Persischen Vögel
ausführlicher gedenken werde. Und endlich eine Gattung, die
ich Ardea fäntodactylas nenne, und von welcher ich anjetze
zum Muster folgende Beschreibung gebe. -
Es gehört dieser Vogel zu den weißen Reigern des Hn.
Brißons, von der sechzenden Nummer bis zur 20sten: aber
feine Eigenschaften paßen auf keinen derselben , und von
meinen neuen Reigern, die ich Egrettoides und nucea betitelt
habe, unterscheidet er sich durch den Mangel der Haube, und
durch seine gelbe Zehen. Er ist ungefähr so groß, als die
Ardea egrettoides, er hat nemlich 4. Fuß 7. Zoll und 3. Linien
in der Länge, ist aber kaum 10. Zoll dick, also um viel hagerer
als jene. Der Schnabel ist 4 Zoll lang, so beschaffen wie es
die Mode bey diesem Geschlecht mit sich bringt und der Farbe
nach schwarz. Die untere Kinnlade sieht von unten an ihrer
Grundlage Fleischfarben aus. Der zwischen dem Schnabel und
den Augen befindliche Raum ist blaßgelb, und nur nach vornen
zu etwas bläulich. Der Regenbogen ist Safran-Farben und
der Stern schwarzbläulich. Der übrige ganze Leib des
Vogels ist schneeweiß, ohne daß man den geringsten andern Flecken
an demselben bemercken könte. Der Hals hat eine sehr beträcht-
liche Länge, und keine Haube, wie ich bereits erwehnt habe.
Die Füße führen mit den Nägeln eine schwarze Farbe, die Ze-
hen hingegen eine überaus schöne Orangen gelbe.
J. i 3 Er
254 •-A, - „F-
Er erschien in der Mitte des Octobers bei dem Enzel-
lischen Hafen in Gilan, Heerden weiß, überwinterte daselbst und
bei den Mündungen der Gilanischen Füße; daß er aber feine
Reise nach hieher von Astrachan aus gemacht habe, erfahe ich
zu Anfang des Frühlings, als zu welcher Zeit er sich abermal
„in ganze Horden versammelt Abschied nahm und nach Norden
zurückflog, jedoch so, daß auch welche in Persien nach blieben
und auf ihre Forpflanzung emsig bedacht waren. Von den
übrigen Grallis halten sich an der Caspischen See auf, die Ro-
the Gans (Phoenicopterus ruber), von der ich schon an einem
andern Ort gehandelt habe; die Löffel-Gans (Platalea levcodia);
der Brach-Vogel (Scolopaxarquata); der Regen-Vogel (Scolo-
pax Phacopus; das 25auer-Huhn (Scolopax ruficola) und die
Schneppe mit rohen Beinen Scolopax totanus. Von dieser ma-
che ich folgende Anmerkungen. Sie hat einen geraden, schwärzlichen
und an ihrer Grundlage rohen Sthnabel, dessen Spitze stumpf
und platt ist. Die Federn, die den obern Theil des Leibes
deken, fallen vom dunkelgrau ins Aschfarbene, jedoch find die
Spitzen derselben etwas heller. Auf beiden Seiten läufft ein
weiffes Band von der Stirne oberhalb über die Augenweg und
endiget sich an ihrem Ende. Die Gegend hinter den Augen
ist gleichfalls weiß, eben so wie der untere Kopf, defen Sei-
ten-Theile gleichwohl mit dunckel aschgrauen, in die Länge gehen-
den Flecken vermischt werden. Weiß ist auch der untere Hals,
schneeweiß aber die Brust, der Bauch und das Cristum. Der Au-
gen-Regenbogen sowohl, als der Stern find bläulich schwarz,
die Füße Carmofin roth und die Wägel schwärzlich.
Die vordern Schwingfedern sehen dunkel fast schwärz-
lich aus, und endigen fich mit einer weißen Spitze. Die er-
fe davon hat einen weißen Stiel. Remigum - Secundariarum
primae furco alboque dimitiatae Vel verfus apicem fufo adum-
bratae, mediae niveae, ultime gryfeae fufo adsperfae: Tectrices
cinerafentes, albo albidoque terminatae. Der Schwanz besteht aus
12 gleichen Regierfedern, die mit schwarzen Querbänden versehen
find. Die Deckfedern derselben find ihnen vollkommen gleich. Ich
habe diesen Vogel von Derbent an bis Aschraff zu allen Jahres-
Zeiten angetroffen. Er liebt aber die Mündungen der Füße zu
feinem Auffenthalt besonders. Zu Einzelli bemerkte ich eine
Spielart, bei welcher die ganze Augen-Gegend weiß aussahe;
- - hinge-
-- •A, – „se 255
hingegen waren die ermeldten weißen Bande kaum mercklich. So
gewiß ich bin, daß es der Totamus des Hn. v. Linne fey, so
sehr zweifle ich hingegen, ob die Briffonische dritte Tringa
mit denselben eine und dieselbe Art ausmache. Die kurze Be-
schreibung, die ich anjezo gegeben habe, mag Bürge für meinen
Unglauben feyn. -
Ferner find in der Gegend der Caspischen See Becaßin
(Solopaxgallinago); das Wafferhuhn (Limofa grifa und Limo-
fa grufa major, Bri/...) eine sich beständig an Ufer aufhaltende,
gesprengte, noch unbeschriebene Schneppe, deren ich in der Geschich-
te der Perfischen Vögel gedenken werde, und die Limofa des
Hn. v. Linne, die bey Briffon die erste Art eines Limofen-
Geschlechts ausmacht. Die Anzeige, die dieser letztere Schrift-
steller von derselben gemacht hat, kommt auch mit meinen Beo-
bachtungen überein, jedoch bemerkte ich an den Caspischen In-
dividuen, daß sie viel größer find; dann fiel erreichen manchmal
die Länge von anderthalb Fuß, und auch noch wohl etwas dar-
über. Daß die schwarze Federn, die sich auf der Oberfläche
des Leibes mit untermischen, nicht nur an ihrer Spitze röhlich
aussehen, fondern daß sich auch diese Farbe in gleicher Menge
mit der fchwarzen auf ihrern ganzen Umfang befinde, daß zwar
der Hals halb grau und halb röthlich aussieht, aber ganz und
gar keine dunkelgraue perpendicular Linie an seinem untersten
Theil zu bemercken fey, und daß endlich die Regierfedern durch-
aus halb schwarz und halb weiß sind. Es leidet überhaupt
dieser Vogel, der zu den Strand-Schneppen gehört und ein Zug-
Vogel ist, vielfache Abänderungen. An dem Kur bemerkte ich
eine, die oberhalb ganz grau war mit untermischten dunkelgrauen
Flecken. Eben so war der untere Kopf und Halsbeschaffen, und
nur an dem Kinn beobachtete ich okerfarbene Streiffen. Das Band,
fo von der Stirne nach den Augen läuft, fah nun weis-gelblich
aus, ganz gelb aber die Augenbraunen und Augenlieder. Bestän-
dig bey diesem Vogel ist der gerade, an einer Grundlage
Fleischfarbene, und an seiner Spitze schwarze Schnabel, die
dunkelgrauen Füße, die Schwingfedern mit ihren weißen Quer-“
Flecken und die Beschaffenheit der Regierfedern in Ansehung ihrer
Farbe.
Von denienigen Vögeln, die zu den Tringis des Hn.
von Linne gehören, kann ich in diesem Kapitel folgender geden-
- ken
256 «A, + „F-
ken nemlich des Kibizes (Tringa vanellus) des Dolmetschers
(Tringa interpres). Zu meiner Verwunderung habe ich erst diese Gat-
tung an den südlichsten Stellen der Caspischen See und sonst
niemahls angetroffen. Der Tring: hyg»levcos, arenaria und lit-
torea; der Seelerche (Tringa cinculu) und der Tringasquat-
rola: den Totanus naeuius des Hrn. Briffons, welcher zu den
Linneichen Tringis gehöret, habe ich auch angetroffen. Verschie-
dene unbekannte Gattungen beschreibe ich in der Geschichte der
Persischen Vögel.
An Charadriis ist der Caspiche Sumf gleichfalls
reich. Der langbeinigte (haemantopus) ist sehr gewöhnlich, ferner
die hiaticula pluvialis calidris und oedicnemur. Auch trifft man
daselbst verschiedene, noch nicht deutlich beschriebene an.
Der Krumfhnabelichte Vogel (Recuruirofra avoft-
ta), der Austern-Dieb (Haemantopus Ostrolega), das schwarze
See-Huhn (Fulica atra), der Blauvogel (Porphyrio) und mit
demselben die bekannte Waffärhenne (Fulica chloropo) find
ebenfalls nicht selten. -
Von eigentlichen Waßer-Vögeln ernährt diese See fast
alle Meven-Gattungen, den geöhrten und den gehaubten Täu-
cher und eine noch andere Art von diesem Geschlechte, welche mit
der siebenten des Hn. 2Briffons viele Aehnlichkeit hat, sich
aber dannoch als eine besondere unterscheidet. Die Kropf
gans, den Baklan, verschiedene Spiel-Arten desselben und eine
ganz neue Pelican-Gattung. Daß die Krähen Liebhaber von
Fischen feyn, davon kan man sich an den Ufern der Caspischen
See überzeugen: dann in Betracht der Menge, in welcher fie
daselbst erscheinen, machen sie den Kropfgänsen, den Baklanen
und den Meven den Rang fast freitig.
Ich könnte noch verschiedener anderer kleinen Vögel
aus der Ordnung der Sperlinge und Spechte gedenken ,
die würklich an dem Gestade des Caspischen Sumpfes sehr oft
erscheinen, nicht etwan um langer Weile willen, sondern weil sie
daselbst auf Waßer-Infecte lauren; allein ich bin würklich bange
mich bei einem so troknen Gegenstand länger aufzuhalten, da
ich noch ohnehin anderer Merckwürdigkeiten in diesem Abschnitt
erwähnen muß, und zwar solcher, die vermögend find eine allge-
meine Aufmerksamkeit an sich zu ziehen; vornemlich auch def-
wegen, weil sie unmittelbar auf öconomische Gegenstände leiten
- NPE's
- A, H. „Als a:57
-- - - -
werden. – Ich betrachte nemlich gegenwärtig die Caspiche
See in Ansehung der Beschaffenheit ihres Waffers, und indem
ich dieses thue, beschlieffe ich diesen ganzen Abschnitt.
Die Caspische See ist sich in Ansehung ihres Waffers
nicht überall gleich; dann fie wird theils von der beträchtlichen
Anzahl der Flüffe, die sich in dieselben ergießen, und theils
von der Beschaffenheit ihres Grundes vielen Veränderungen un-
terworffen. Ueberhaupt ist es wahr, daß sie fallzig ist, aber
unerachtet sich die ganze westliche Küste derselben von dem 46sten
bis auf den 35sten Grad nordlicher Breite erstrekt, und man
also meynen follte, ihr Waffer müßte fehr falzreich feyn, fo
verhält sich folches dennoch nach meinen in Gilan angestellten
Versuchen ganz anders; und es ist gewiß, daß bey Nord-
Nord-Ost- und Nord-West-Winden die Menge des Salzes noch
geringer wird, fo gewiß man auch mit gutem Grund vermu-
ehen kan, diese See habe ihr gefalzenes Waffer den Salz-Ge-
bürgen zu danken, die man an ihren beiden Ufern entweder be-
reits entdekt hat, oder deren Bekanntmachung unsern Nachköm-
lingen noch aufbehalten ist. Wie aber die Tiefe des Waffers
nach dem Ufer zu, von einem Fuß zu dem andern abnimmt
und daher die Anlandung fo beschwehrlich macht, auch den schon
von mir erwähnten Burum verursachet, weswegen man an die- ''
fer westlichen Küste, von der die Rede ist, außer Baku und
Astrabat keinen guten Ankergrund für die Schiffe ausfindig
machen kan; also wird auch das falzigte Waffer , nach dem
Lande zu, immer süßer; und es gibt nicht felten Fälle, daß sich
ganz süßes, wiewohl unreines und mit Leem angefülltes bis auf
eine oder zwo Meilen, wann der Nordwind wüthet, von den
Mündungen der Ströhme in die See verbreitet. Das habe ich
felbst in dem Gebiethe des Fetch Ali Chans an dem Kur-
fluß, und an der Swidura in Gilan, sowohl als alle meine
Gefährten mit unseren eignen Augen angesehen; fo gar daß
unsere vor Anker gelegene Fahrzeuge Waffer zu ihrer Nothdurft
geschöpft haben. Diese Veränderung, welche unsere See an und
unweit ihrer Ufer durch die Mündungen der Flüffe nach der Be-
fchaffenheit der Winde bald mehr und bald weniger leidet, giebt
sich auch durch die Farbe des Waffers zu erkennen, als welches
bey ermeldten Stellen trüb, weiß oder auch leberfarben aussieht;
da hingegen fo bald fich solches mit dem See-Waffer vermischt,
Dritter Theil. K. f ,
itter und
258 - «A, + „F-
und dann dieses die Oberhand bekommt, ein wahres Meer-Grün
zum Vorschein kommt; eben so, wie bei dem Welt-Meer, und
allen andern sich in dasselbe ergießenden Seen. Es ist bekannt,
daß alles See-Waffer neben feinem falzigten Geschmack auch einen
bittern hat; aber man weiß auch, daß dieser bittere Geschmack
dem Salz als Salz, ( indem nemlich solches ungemein salzigt
ist ), und der Vermischung verschiedener fremden dem Küchen-
Salz in der See beigemischten Materien, (besonders mancher-
ley Alaun-Arten, wann nemlich allerley Gattungen von Säu-
ren in Verbindung kommen ) zugeschrieben werden muß. , Das
Caspische See-Waffer hat überdies noch einen andern bittern Ge-
fchmack, der eine wahre Bitterkeit, eine Gallen-Bitterkeit, eine
Bitterkeit im eigentlichen Verstand der Zunge zu empfinden
giebt, als welche Eigenschaft diesem See-Waffer eigen ist, ob sie
gleich zu allen Zeiten nicht gleich kräftig, ich meine nemlich,
nicht zu allen Zeiten gleich bitter bemerkt wird. Dann binnen
der Zeit, da die Nord- und Nord-West-Winde wüthen, zeigt sie
fich in einem vorzülichen Grad, und hingegen ist sie bei Süd-
Ost-Winden weniger mercklich. -
Woher kommt aber dieselbe ? und was ist daran schuld,
daß sich das Caspiche See-Waffer eben dadurch von allen andern
Meer-Waffern fo deutlich unterscheidet? Diese Frage läßt sich
fchon durch meine zu Baku und Sallian gemachte Beobach-
tungen beantworten, und jetzo will ich “fie nur deutlicher ent-
fcheiden. Die Caspische See ist auf ihrer westlichen Seite mit
dem Caukasischen Gebürge umgeben; das Haupt-Gebürge läuft
von Derbent aus bis an das schwarze Meer der Breite nach
gerechnet, und die von Derbent an bis nach Aschraf sich er-
streckende Berge sind nur eine Fortsetzung desselben der Länge
nach. Sie find es die sich bey Aftrabat nach der östlichen
Seite meines Sumpfs fchlingen, und wann sie sich endlich vor
oder bei der Mündung des Jaiks als Gang-Gebürge in Flöze
verlieren, und Rußland fowohl als Sibirien alsdann, vermuth-
lich diejenige Reichthümer mittheilen, die unsere beglückte Provinzen
aus dem Schoos der Erde genießen. Ich habe gesagt, vermuth-
lich, und eine Vermuthung ist freilich keine mathematische Wahr-
heit; aber dannoch auch nicht eine hypothetische Grille; dann ich
weiß noch wohl, waß ich ehmals, in den ersten Theil dieser Reise-
beschreibung für Gedanken bei Gelegenheit meines Auffenthalts
zls
«A, F - 259
zu Walday äußerte, als ich dazumal von den mir unter den
Nahmen der Rewinfkischen angegebenen Gebürge handelte.
Das Caukasische Gebürge , gleich wie es eine uner-
fhöpfliche Vorraths-Kammer von brennbaren Wesen abgiebt, also
erzeugt solches in seinem Bufen eine erstaunende Menge Me-
talle, und überall, feiner ganzen Länge nach, entdekt man an
dem Fuß desselben entweder warme Bäder, oder Naphta-Quel-
len von verschiedener Güte, oder gediegenen Schwefel und Vi-
triol-Erzte, oder endlich auch vermöge eines innerlichen Feuers
fehr merklich brausende, und manchmal mit der Gewalt eines
Waffer-Falls erscheinende Seen. Das ist eine Sache, welche ein
jeder aufmerksamer Reifender täglich beobachten kan; das ist also
eine zuverläßige gewisse Wahrheit.
Indem aber der Fuß des Caukasischen Gebürges das
westliche Gefade des Caspischen Meers unmittelbar umgiebt, fo
ist begreiflich, daß er demselbigen dasjenige mittheile, waß er
vermöge seiner flüßigen Beschaffenheit an sich zu ziehen fähig ist.
Das brennbare Wefen allein, und in keiner Verbindung mit
andern Körpern, läßt sich zwar als ein Element denken, aber
folches also einfach darlegen zu können, mag eben deswegen
nicht geschehen, weil es ein Element ist. Wir kennen also daffel-
be blos durch feine Würkung, blos dadurch, wann es verschie-
dene Gattungen brennbarer Körper zeiget. Wir kennen daher
besonders feine Gegenwart in der Naphta, und dem Berg Oehl,
welche Materien es in Schirwan fo besonders verschwenderisch
hervorbringt. Ich habe schon bey einer andern Gelegenheit ge-
fagt, daß die weiße Naphta ein äußerst verdünnertes, durch-
fichtiges, gelbes und den Augenblick feuerfangendes, die schwarze
aber ein dickes, unreines, harzigtes, und mit vielen groben
Erd-Theilen angefülltes Oehl fey, welches nicht so geschwind Feuer
fängt, als die weiße Naphta, und indem es brennt, einen
höchst unangenehmen, der Brust sehr beschwehrlichen, Dampf
von sich giebt. Ist also nicht diese Naphta die Ursache von der
Bitterkeit des Caspischen See-Waffers? Allerdings ergießt sie sich
fowoht in einer reinen, als in einer unreinen Gestalt durch
verborgene unterirrdische Gänge aus den Gebürgen in das Meer,
dringt durch das innerste Eingeweide defelben, vermischt sich
mit dem gefalzenen Waffer, (dann das Salz vermittelt die
Verbindung des Oehls mit dem Waffer); und begibt sich ver-
KR f 2 - möge
>-
26o 2. - -
möge ihrer Schwehre in die Tiefe. Er sieht man nicht hieraus,
warum dieses See-Waffer bey Nord-West - und West-Winden
bitterer ist? Diese reiffen nemlich mehrere Naphta von den Ge-
bürgen in das Meer. Er sieht man nicht, warum die Ober-
fläche des See-Waffers und das See-Waffer nahe an dem Land
füß ist; nemlich im Gegensatz der Naphta, nicht bitter ? Weil
nemlich in beiden Fällen das See-Waffer weniger Salz hat, und
daher das Oehl entweder fortgetrieben wird, oder unterfinkt.
Und lehren nicht meine ehmals beschriebene Sallianische Salz-
Seen, lehren nicht die falzigten brausende Pfützen, die man überall
in Sthirwan antrift, daß sich die Naphta würklich mit dem
See-Waffer vermischt? Und ist es also nicht erwiesen, daß die
Ursache der Bitterkeit des in der Tiefe ausgeschöpften Caspischen
See-Waffers eben dieser ihm beigemischten Naphta ohne allen
Zweifel zuzuschreiben fey?
Aber die Naphta erheilt dem Caspischen See-Waffer nicht
nur einen bittern Geschmack; sie ist der Urstoff noch von einer
andern Sache, die auf der einen Seite überaus vielen Schaden
thut, und auf der andern von einem fehr beträchtlichen Nutzen
feyn könnte, wie denselben die Astrachanische Apotheke bereits
an den Tag gelegt hat.
Ich erinnere zum voraus, daß das Caspiche See-Was
fer neben seinem Küchen-Salz noch verschiedene andere Erd-Salze
von allen Alaun-Arten bey fich führe, und also hierin, wie
andere See-Waffer, die Herrschaft der Vitriol-Säure erkennen muß,
die fich bald mit dieser , bald mit einer andern Erd- Gattung
entweder allein, oder in Gesellschaft der Säure des Küchen-
Salzes verbindet. Denn nach meinen Begriffen rechne ich als
les dasjenige zum Geschlecht der Alaune, defen einer Theil eine
willkührliche Säure, der andere aber, eine willkührliche Erde
ist; denjenigen Alaun aber, den man im gemeinen Leben ges
braucht, unterscheide ich von allen andern Arten als eine befon-
dere Gattung dadurch, daß die Vitriol-Säure den einen feiner
Bestandtheile, und eine in dem Thon befindliche fliptische, we-
der kreidigte noch kalkigte Erde den andern ausmacht. Aber
außer diesen Salz-Arten führt das Caspiche See-Waffer noch
ein anderes Salz bey fich, welches von eben derselbigen Ursache
seinen Ursprung hat, als von welcher der bittere Geschmack des
letzteren entsteht; ein Salz, welches mit dem Glauberischen
'- Wunder
«A, R. „F- 261
Wunder-Salz ungemein viele Aehnlichkeit besitzt, von demselben
aber sich eben so unterscheidet, als das Sedlitzer , das
Epsomische, das dafür in den Apotheken gemeiniglich zum
Verkauf kommende Englische, und alle diejenige Salze, die
berühmte und bekannte Gesund-Brunnen liefern. Jetzund muß
ich von einem Bitter-Salz sprechen, welches in dem Caspischen
See-Waffer befindlich ist, und welches sich allein von der
Naphta herschreibt, die sich, wie ich erwiesen habe, aus dem
Caucasus unserm Asiatischen Sumpf beygesellet. Jedoch, hierzu
muß man Beweise im Vorrath haben und diese werden mir die
Versuche an die Hand geben, welche der um meine Expedition
fehr verdiente Herr Apotheker Lüthe, defen Fleißes und guter
Aufführung ich bei dieser Gelegenheit rühmlich gedenken kan,
auf das forgfältigste angestellt hat. Aus denselbigen werde ich
alsdann folche Schlüffe ziehen können, welche für die Wahrheit
eines in dem Caspischen See-Waffer befindlichen Bitter-Salzes
fprechen werden. Darauf gedenke ich zu zeigen, waß fich die
Oekonomie in Ansehung dieses Bitter-Salzes zu merken habe ;
und endlich werden andere finthetisch angestellte Chymische Pro-
ben zuverläßig erörtern, warum ich die Naphta als die Ursache
des Bitter-Salzes, welches die Caspiche See abwirft, angegeben
abe.
h Man schöpfte das Caspische See-Waffer aus der See
folgendermaßen. Es wurden englische Bier-Flaschen mit bley-
ernen Kränzen beschwehrt, an einem Strick befestiget, und mir
einem Propf versehen, durch welchen ein Bindfaden gezogen war,
um den Propfen ausziehen zu können. Dritthalb Meilen von
dem Enzelischen Hafen entfernt, und in einer Tiefe von 3. Fa-
den wurden ermeldete englische Bouteillen in die See gesenkt,
und wie fiel darinnen waren, ihre Propfen ausgezogen, um das
Waffer einzulaffen.
Von diesem also geschöpften See-Waffer wurden einige
Evaporier-Schalen angefüllt. In denselbigen ließ man es in
einer Sand-Kapelle gelind abrauchen, bis sich auf defen Ober-
fläche eine dünne Haut zeigte, und von 122. Pfund Waffer nur
noch 16. Pfund Lirivium nachblieben. Man ließ es erkalten.
Nach 48. Stunden waren noch keine Krystallen angefchoffen,
sondern es zeigte sich nur die eben erwähnte Haut auf der Ober-
fläche, welche nach der Filtration . Unze wog, und sich mit
K k 3 ihren.
262 «A, § „F-
ihren kubischen Kristallen als ein wahres Küchen-Salz Her's
rieth.
h Diese filtrierte Lauge dunstete man zum zweiten mal aus,
erhielte aber nach 24. Stunden nichts als eben eine solche erst
angeführte Haut.
Man ließ die Lauge zum dritten mal ausdünsten, und
bekam nach 24. Stunden diefelbige Haut; allein einige kleine
kubische Krystallen hatten sich zugleich auf dem Boden angesetzt.
Diese, und die Haut, die man bey der zweiten Evaporation
erhielt, wogen in allem 3. Quintchen.
Nach der vierten Krystallisation bekam man binnen 24.
Stunden viereckige, rautenförmige Krystallen, welche klar und
rein waren, nicht aneinander, fondern einfach angefchoffen, die
einen zwischen dem scharffen und bittern zusammengesetzten Ge-
fchmack hatten, einen folchen Geschmack, den man allezeit an
dem See-Salz bemerkt. Die Lauge veränderte sich goldgelb, und
die würfichte Krystallen wogen . Unze, die sich auf die Ober-
fläche angesetzte Haut aber 5. Quintchen und 1. Scrupel.
Bei der fünften Krystallisation erhielt man in der ei-
nen Evaporier - Schale die gemeldete viereckige rautenförmige
Krystallen, die in allem 1. Unze und 5. Quintchen am Gewicht
betrugen. In der zweiten Evaporier-Schale fanden fich läng-
lichte, spizige Krystallen, von einer gleichfalls viereckigten Ge-
falt, einige dicker und länger als die andern, fast von eben dem Ge-
fchmack, den das Glauberische Wunder-Salz, die Salze die man
gemeiniglich in den Gesund-Brunnen antrift, und das in Ruß-
land schon längst berühmte Astrachanische Bitter-Salz, haben.
Ihr Gewicht war . Unze, und das Häutgen 5. Quintchen schwehr.
– Als die fechste Krystallisation veranstaltet wurde, zeigte
fich, nach dem einige Feuchtigkeiten weggedünstet waren, bey
derselben ein vitriolisches Gemengel, welches an den Seiten in
die Höhe, und weit über die Feuchtigkeit heraus stieg, auch sich
an die äußere Fläche anlegte. Auf dem Boden des Gefäffes
fezte sich eine Menge verschiedener Salze, als kubische, läng-
lichte Glauberische, und andere kleine compacte an, die fast wie
ein vitriolisierter Wein - Stein aussahen, alle zusammen wogen
3. Unzen und 2. Quintchen. -
Die nachgebliebene durchgefeigte Lauge ward zum fie-
benden mal zur Ausdünstung ans Feuer gesetzt. Man '
- - nac)
- - -
- •A, § „s- 263
nach einem Verlauf von 24. Stunden nichts als kubische Kry-
fallen, und dem Gewicht nach von denselben 2. Quintchen; die
Cuticul wog 1. Quintchen. -
Die achte Krystallisation lieferte wiederum rautenför-
mige, mit länglicht spitzigen überaus schönen Krystallen ver-
mischt, die dem Wunder - Salz der Gestalt und der Farbe nach
abermal sehr nahe kamen. Sie wogen zusammen 6. Quintchen.
Von der ganz orangengelben Lauge blieben 2. Unzen nach, die
nach der Durchfeigung in einem kalten Zustand befindlich, kleine
länglichte und spitzige Krystallen ansetzte, welche nach dem fie
getrocknet waren, 3. Quintchen und 18. Gran wogen.
Diese nachgebliebene gelbe Lauge wurde zum letzten mal
in die Sand-Kapelle gebracht, und mit derselben wie gewöhn-
lich, verfahren. Man erhielte eben diejenige Krystallen, deren
nur erst erwähnt worden ist, und ihr Gewicht betrug sich in
allem auf 6. Quintchen. Die wenige Lauge, die man noch von
diesen Krystallen abgoß, wurde bis zur Trockenheit in der Eva-
porier - Schale behandelt, und man erhielt auf diese Weise
eheils länglichte, und theils viereckigte, reine Krystallen, am
Gewicht von beyden 3. Quintchen, ohne daß so viel Erde
nachgeblieben wäre, deren Gattung ich genugfam bestimmen
könnte. - -
Nach diesen angestellten Versuchen wurden abermal 122.
Pfund Caspisches See-Waffer auf eine nemliche Weise, als
zuvor geschöpft. Man ließ diese ganze Menge nach und nach
bis zur Trockenheit ausdünsten, und bekam davon in allem 10.
Unzen und 6. Quintchen Salz. -
Von diesem inspißirten Salz wurden 2. Unzen genom-
men, und auf dieselbe 16. Unzen Fluß-Waffer gegoffen. Man
erhielt in der gehörigen Wärme eine vollkommene Auflösung
des Salzes ohne daß man deutliche Spuren von einer nachge-
bliebenen Erde hätte entdecken können. Das Waffer, fo zum
Auflösungs-Mittel des Salzes gedienet hatte, färbte sich hell-
gelb; es wnrde vermittelt Fließ-Papier geläutert, um damit
folgende Proben anzustellen. -
- Die denselben beigemischte Vitriol, Salpeter- und Koch-
falz-Säure verursachte kein Aufbrausen, und überhaupt keine
andere Veränderung, als diejenige ist, wann man schwehre
Sachen in leichtere gießet, da sich nemlich fothane :
nicht
264 «A, - „F-
nicht gerade vermischen, sondern in krummen Linien zu Boden
finken. Die gelbe Farbe des aufgelößten Salzes verschwand
gänzlich, indem die Salz-Säure eingemischt wurde; von der
Vitriol - Säure wurde die Farbe heller, allein von der des
Salpeters feiner blieb fie unverändert.
- Die feuerbeständige Alkalien, als das zerfloffene Wein-
stein - Salz, und der Liquor des fixen Salpeters, fanken bey
der Eingießung gleich zu Boden, ohne die geringste Bewegung.
Die Solution aber blieb unverändert hellgelb. Nachdem ein
flüchtiges Alkali derselben beigemischt worden, wurde sie etwas
trübe; das flüchtige Salz über setzte sich nach und nach zu
Boden,
Der beigemischte aufgelößte Bley-Zucker verursachte fo-
gleich eine milchichte Veränderung, und nach der Hand schlug
fich ein weißes Pulver auf den Grund nieder. Eine ähnliche
Alteration zeigte sich indem die Auflösung des Silbers im Schei-
dewaffer in diese Salz-Lauge gegoffen ward.
Die Infusion der adstringerenden Dinge machten an-
fänglich fast gar keine Veränderung, nach und nach wurde die
Mischung dunkel, und nach 24. Stunden bemerkte man etwas
von einem gelblichten Pulver , das sich auf den Boden
gesetzt hatte. -
Das in abgezogenem Waffer aufgelößte Quecksilber-
Sublimat verursachte gleich anfänglich eine Milch, und nach
24. Stunden hatte sich ein weißes Pulver niedergeschlagen.
Die beigemischte Auflösung des Eisen-Vitriols blieb
zwar anfänglich klar, nachgehends aber wurde fiel dunkler. Nach
24. Stunden zeigte sich auf dem Boden ein wenig Präcipitat.
Die Auflösung des Zinck-Vitriols wurde gleich bei der Zu-
mischung trübe, und nach einigen Stunden setzte sich ein weißes
Pulver zu Boden; da hingegen der aufgelößte Kupfer-Vitriol
die Mischung fogleich vertrübte, eine grüne Farbe hervorbrachte,
und nach etlichen Stunden zu einem bläulichtgrünen Pulver Ge-
legenheit gab, welches sich auf den Grund des dazu gebrauch-
ten Probier-Glases ansetzte; dahingegen der übrige Liquor klar
und hellgrün aussahe. -
Die
- * - 265
Die Infusion des Lakmus, das im Scheide - Waffer
aufgelößte Quecksilber, die Auflösung des Alauns, des vitrioli-
firten Weinsteins, des Salmiaks so wie aller Schwefelgattun-
gen machten und litten keine Veränderung.
Von der bey der fechten Krystallisation nachgebliebenen
Lauge wurde noch ein anderer Theil zu folgenden Versuchen ver-
wandt. Man füllete drey reine Zucker-Gläser damit an, und
goß in ein jedes besonder, Vitriol-, Salpeter -, und Kochsalz-
Geist darauf. Bey keinem zeigte sich das geringste Aufbrausen,
fondern während der Beymischung bemerkte man keine andere Ver-
änderung, als diejenige ist, wann schwehrere Sachen in leichter
gegoffen werden. – Diese also mit unserer Lauge und den
3. mineralischen Säuren angefüllte Zucker-Gläser fetzte man in
eine Sand-Kapelle, und ließ die darinnen enthaltene Materie
gelind abdunsten. Nach 12. Stunden fetzten sich auf dem Bo-
den und an den Seiten der Gläser schöne, reine, kubische Kry-
fallen in einer Rautenlage an, und der zwischen allen dreyen
Gläsern beobachtete Unterscheid befund nur darinnen, daß die
Krystallen, zu deren Lauge die Vitriol- und Salz- Säure bey-
gegoffen waren, ganz filberfarben aussahen; daß aber die mit
dem Salpeter-Geist gemachte Probe die goldgelbe Lauge nicht
nur ganz weiß und klar machte, fondern daß auch die Krystal-
len, unerachtet fiel der Gefalt nach den übrigen ganz ähnlich
waren, fchneeweiß aussahen.
Endlich wurde eben derselben Lauge der flüchtige Sal-
miak, Geist zugegoffen. Man bemerkte abermal nicht das ge-
ringste Aufbrausen. Jedoch nach 3. Stunden ungeachtet die
Wärme nichts dazu beigetragen hat, zeigten sich in derselben
länglicht spitzige sehr breite Krystallen herumschwimmend: sie verän-
derten sich aber nach einer halben Stunde, und fetzten fich in
der Gestalt kleiner kubischen zu Boden. Man fzte die nachge-
bliebene Lauge abermal in die Sand-Kapelle, ließ die Feuchtig-
keit allmählig verrauchen, und bekam ähnliche Krystallen, wie
zuvor, da die Lauge mit den mineralischen Säuren untersucht
wurde, nur daß sie ein wenig gelblich aussahen.
Aus diesen Versuchen erhellet, daß ich gar nicht hypo-
thetisch angenommen habe, auffer dem Küchen-Salz fey in dem
Caspischen See-Waffer ein anderes von der Art des Glauber-
fchen enthalten. – Man sieht, daß solches daselbst in einer
Dritter Theil. L. l beträcht-
266 A, S- „F-
beträchtlichen Menge vorhanden fey. – Man erkennt, daß
es mit dem See - Salz in der innigsten Verbindung stehe, und
über dasselbe eine gewisse Oberhand behaupte. – Da ich aber
bey einer andern Gelegenheit, und nachdem ich die angeführte
Experimente bereits angestellt hatte, zu aufgelößtem reinem Kü-
chen - Salz, das ich in dieser Absicht aus dem Caspischen See-
Waffer bereitet hatte, weiße Naphta in verschiedenen Proportio-
nen mischte, und zu gleicher Zeit mit diesem gereinigten Küchen-
Salz und einer vermittelt des brennbaren Wesens gesättigten
Vitriol - Säure mannigfaltige Erfahrungen machte, fo überzeugte
ich mich so gar auf eine synthetische Weise, daß die aus dem
Fuß der Caspischen Gebürge in die Caspiche See flieffende
Naphta an dem Bitter-Salz schuld fer, mit welchem das Waf
fer derselben geschwängert ist; dann ich erhielt durch die Kunst
rautenförmige Krystallen, die denjenigen ähnlich waren, die ich
# der Untersuchung des Caspischen See-Waffers erhalten
habe.
Weil die Caspische See keinen Ausfluß hat, so leitet sie
ihr überflüßiges Waffer durch unterirrdische Canäle landeinwärts;
und Salz-Gruben entstehen in solchen Gründen, die mit ihrer
Höhe der See horizontal liegen. Die beiden groffe Steppen,
die fich an der Cafpischen See nach Westen und nach Osten er-
strecken, bestehen hauptsächlich aus einem bloßen Salz- Grund.
Das Salz efflorefirt in vollkommen gebildeten Krystallen auf
der Oberfläche derselben, Salz-Regen und Salz-Thaue sind daher
in ihrer Nachbarschaft eine gar nicht feltene Sache, und aus
diesem Grund leicht zu begreiffen; und falzigte Kräuter, als
die verschiedene Gattungen von Kali und Wermuth, Nitra-
ria, Korispermum, Salikornia, Franken nia, Ceratokarpus,
Barmala, u. f. w. find hauptsächlich die angefeffenen Innwoh-
ner dieser Steppen. Die vielen Versteinerungen, die man in bey-
den antrift, fcheinen so gar zu beweisen, daß die Gränzen der
Caspischen See in ehmaligen Zeiten weiter ausgedehnt gewesen
feyn müffen, als sie es jetzo find, oder fiel bestätigen doch die
alte Sage von dem Steigen und Fallen dieses asiatischen
Sumpfes. -
Das astrachanische Gruben - Salz und das efflorefirende
Steppen-Salz, weit gefehlt, daß sie reine Arten Küchen-Salzes
wären, so weiß man vielmehr zuverläßig, daß sich eben dasje-
nige
A, H „se 26y
nige Bitter-Salz, von welchem ich bisher fo weitläufig gehandelt
habe, in ihre Mischung mit eindringe und fiel ganz und gar
verunreinige. Ja, ich habe gar vielfältige Stellen angetroffen,
wo dieses Bitter-Salz in seinen rautenförmigen Kristallen in ganz
gediegener Gestalt und ohne alle Verbindung mit einigem ku-
bischen Anschoß angetroffen wird. Diesem Bitter-Salz schreibe ich
den Grund der Klagen zu, die man beständig über das afra-
chanische Salz ergehen läßt. Alle fette und öhlichte Dinge sind
zur Fäulniß geneigt, und ein fettes Salz muß alles dasjenige
verderben, was mit demselben eingefalzen wird. Eine Grube
aber, wann sie auch gleich in einem Jahr reines Salz giebt,
kan doch im andern gänzlich verdorben feyn.
Um des allgemeinen Bestens willen wünsche ich, daß
vermöge dieser Untersuchung des Caspischen See-Waffers, in dem
afrachanischen Gouvernement eine Salz-Commißion errichtete
würde, unter deren Anleitung alles Salz, ehe es zum Gebrauch
bestimmt wird, zuvor gereiniget und von feinem ihm anhangen-
den Bitter-Salz befreyt würde. Der Gewinst des letzteren, das
man auch nach auswärtigen Ländern verschicken könnte, dürfte
vielleicht den Betrag der diesfalls nöthigen Kosten wohl ersetzen;
man erhielte das reinste und beste Küchen-Salz, aller bisher
erlittene Schaden erreichte feine Endschaft und auch selbst die
Unterschleiffe, die mit dem Salz, zu einem groffen Verlust der
Reichs-Einkünfte, noch jetzo im Schwange sind, würden auf
diese Weise füglich gehemmet, wenigstens leicht entdekt werden
können, -
Nur noch ein Wort von dem Steigen und Fallen der
Caspischen See. Es ist zuverläßig, daß solches feine Richtig-
keit habe, aber ganz ungegründet, daß die Natur mit demsel-
ben eine gewisse Ordnung beobachte. Wie an den Ufern dieser
See groffe und kleine, merkliche und unmerkliche, steile und
niedrige Sand-Berge entstehen, und wie solche bey veränderten
Umständen wieder vergehen, also verhält es sich auch mit den
Inseln. Es kommt alles auf die Witterung und auf die Winde
an, und die fich in diese See stürzende Flüffe tragen zu diesem
Phönomen gleichfalls ein nahmhaftes bey.
L. l 2 Vom
- 263 •A, L „F
Reise nach
Räfcht.
Peribazar.
Vom zehnten Hornung. Endlich fügte es sich auch,
daß ich Enzelli verlaffen konnte, da mich der Gilanische Chan
er einigen Tagen auf das höflichste nach Räscht einladen ließ;
und heute geschahe die würkliche Abreise, deren Unkosten der
Chan allein über fich nahm. Ich kam gegen 11. Uhr vormit-
tags in Peribazar an, und 6. persischer Böte waren wir be-
nöthigt , um nur die unentbehrlichste Bagage mit den zur
Expedition gehörigen Leuten fortzubringen. Die Reise wurde auf
dem Enzellischen Meerbusen binnen 4. Stunden vollendet. Die
Einfurth von der Enzellischen Rhede nach Enzelli hat eine
lange strecke Wegs das Ansehen eines Fluffes, und nachgehends
eröfnet sie sich in einen Bufen, der einige Meilen im Umfang
der Länge sowohl als der Breite nach hat, überall viele Flüffe
aufnimmt, feinen Lauf füdwestlich und südostlich hält, bey Lan-
garood vermittelt eines Canals sich wieder mit der See verei-
niget, dem Nord-Wind gänzlich blosgestellet ist, und anfänglich
in zween Aeste abgesondert wird, davon der eine den Nahmen des klei-
nen, und der andere des groffen Meer. Busens führet. In diesem
Meer-Bufen pflegten ehmals die Rußische Fahrzeuge vor Anker zu
liegen, ja eines oder ein paar lief sogar in den Fluß Peribazar, als in
einen Hafen ein, und landete bey dem Flecken. In der That konnten
fie aber ihre Ladungen auf diese Weise weit füglicher nach
Räfcht bringen, als es jetzo geschicht. Der Flecken Peribazar
ist nicht sehr groß, und die Häuser sind, wie in Gilan, ganz
auseinander zerstreut angelegt. Eine kleine Karavan-Sarai mit
einem Waaren - Lager befindet sich an dem Fluß, wo die Kir-
fähime anzulanden und abzustoffen pflegen. Von Peribazar
nach Räscht rechne ich 12. Rußische Werte. Hedaet Chan
hatte die Gütigkeit für mich in Peribazar einen Mamandaar
zu befehligen, der mich und alle die Meinigen mit der einem
Rußisch-Kayserlichen Krons-Bedienten gebührenden Ehren-Be-
zeugungen aufnehmen folte. Ihm war auch aufgetragen, die
zur Landreise nöthige Pferde herbeizuschaffen, und, wie ich an-
kam, waren bereits 50. vorhanden. Neben diesem Mamandaar
traf ich auch in Peribazar einige von dem Chan abgeordnete
vornehme Armenier und Perfer an, die mich im Nahmen des
selben bewillkommten. Nach eingenommenem Mittags-Mahl
fezten wir uns zu Pferde und ritten gerade nach Räfcht. Keinen
elendern und gefährlichern Weg kan man sich wohl vorstellen,
: als
• A, L „se - 269
als der Peribazarische nach dieser Stadt zu ist; besonders wird
einem hier ungewohnten Reisenden die erste Hälfte, auf welcher
man 2. bis 3. Werte von einander entfernte Mescheten antrift,
beschwehrlich. Es war nemlich dieser Weg ehmalen gebrückt,
weil man aber niemals auf eine Ausbesserung desselben gedacht
hat, so sind nun zwischen den Brücken so groff im Frühling
und Herbst mit lauter Sumpf und Morast angefüllte Lüken vor-
'' die einen, jeden Tritt des Pferdes bedenklich machen.
arzu kommt noch, daß auf beiden Seiten des Weges dicke
Waldung ist, und daher die in der Breite auswachsende Wur-
zeln der Bäume zu feiner Ungleichheit noch ein nahmhaftes vey-
tragen. Noch über dieß läuft längst dem ganzen Weg ein
fumpfichter Bach, der ehmals keine Böte trug, nun aber fein
Waffer zum Gedeihen der Reiß-Felder hergeben muß. Wann
dieser im Frühling durch das Schmelzen des Schnees zunimmt,
fo wird die ganze Paffage also überschwemmt, daß sogar die
Gemeinschaft zwischen Peribazar und Räscht manchmal auf einige
Wochen gänzlich gehemmt werden muß. Es wäre indessen gar
was leichtes, und auch nicht mit allzu vielen Unkosten verknüpft,
diesem Uebel abzuhelfen, allein eines theils bleiben die Perser
gerne beim alten, und andern theils haben die Innwohner von
Peribazar ihren guten Gewint, darunter; dann wann der Weg
fchlecht oder nur mittelmäßig gut ist, so nehmen sie von den
Reisenden für die Pferde eine farcke Miethe; und diese müffen
geben, was man von ihnen verlangt, weil sie erflich an Peri-
bazarische Pferde gebunden sind, und weil auch fürs andere nur
diese allein durch lange Gewohnheit zur schlechten Beschaffenheit
des Weges abgerichtet werden. In Peribazar funden einige
Sandalen vor Äncker, daß wir als Gelegenheit hatten solche mit Sandalen
Muße zu betrachten. Es find größere perfische Fahrzeuge als
die Kirchime, fast nach dem Geschmack der letzteren gebauet,
doch mit dem Unterschied, daß die Balken an den Seiten un-
ter sich sehr fest verbunden, und in unterschiedliche, genugfam
von einander entfernte Reihen geordnet werden, wodurch sich
also diese Fahrzeuge in verschiedenen Vertheilungen absondern,
die dichte find, und von denen eine jede ihre eigene Lecke hat,
fo, daß keine Lecke einer Verheilung mit der Lecke einer andern
in Gemeinschaft steht. Die Sandalen werden inwendig und aus-
wendig mit groben Bäß f, die Fugen fest gemacht, und
3 mit
175 T SX FF.
mit geheertem Kokkun überzogen. Sie finb würklich von einer
etwas längern Dauer als die Kirchime; dennoch wagen sich die
Schiffer mit ihnen gar nicht tief in die See, und wann es ein
wenig stark wehet, fo liegen sie dicht am Ufer vor Ancker.
Krumme Stücke Eisen, an welche man Steine befestiget, mäß
fen die Stelle der Anker versehen, und ihre Seegel machen sie
aus Baumwollenen Zeugen. Hauptsächlich gebrauchen sie ihre
Sandalen und Kirchime zur Reise nach Masanderan und Baku.
Selten gehen sie mit denselben bis nach Derbent.
. Als wir den halben Weg nach Räscht zurück gelegt hat-
ren, vegegneten uns etlich und zwanzig angesehene Perfer, die
aus der Stadt hieher gekommen waren, um uns einzuholen,
wodurch unser Zug nicht ein geringes Ansehen erhielt. Je nä-
her wir zur Stadt kamen, je mehr stellte sich das neugierige
Volck ein, um uns zu betrachten, und da wir würklich in der
felben angekommen waren, fahen wir alle Straffen von beyden
Seiten mit einer fo ungeheuren Menge von Leuten besetzt, daß
es schien, kein unschuldiger Professor, sondern ein ganz auffror-
dentliches Wunder-Ding habe sich in Räscht fehen laffen. Damit
wir durch diesen Anblick vollkommen gemartert werden möch-
ten, wurde unser Zug erst durch alle vornehme Straffen geführt,
bis wir endlich von der uns angethanen Ehre ganz ermüdet, un-
ter der Begleitung einiger Tausenden, unser Quartier erreichten,
und ein paar Stunden darauf von dem Chan durch feinen Marschall
auf das allerhöflichste bewillkommt wurden. Zugleich erhielt ich
einen mir zu allen Bedürffniffen abgegebenen Mamandaar, wel-
cher Adschi Mahomet Chan (*) hieß, einige Bedienten vom
Chan und eine Wache von Soldaten, die unter dem Commando
eines Jeffauls stunden. Nach dreyen Tagen gefiel es dem Chan,
- Nur
(*) Das Wort Chan bedeutet nicht nur die große Ehrenstelle,
welche anjetzo so viele im höchsten Ansehen stehende Perser
als würkliche Vize - Schachs bekleiden, sondern es ist auch
ein Beynahme, den manchmal Kinder von schlechter Her-
kunft schon bey der Beschneidung bekommen. Indeffen war
mein Mamandaar ein sehr geachteter Jusbach und schon
aus dem, daß er die Würde eines Hadschi führte, kam
man sich von feinem Character einen Begriff machen.
«A, L. „F- 271
mir und allen meinen Reise-Gefährten die erste feierliche Audienz
zu geben." "Wir begaben uns des Vormittags in förmlicher
Proceßion zu ihm, und wurden von dem Fürsten also empfan-
gen, wie wir es immer wünschen konnten. Soviel unfer waren,
fo viel stunden schon Stühle vor unserer Ankunft in Bereitschaft,
… und schon mit diesen Stühlen wollte der Chan feine Pracht zei-
gen, dann fie waren mit feinem rohen Laken überzogen, und
überall an ihren Kanten mit breiten goldenen Lahn-Treffen be-
fetzt. Einige Rußische Armenier, die der Chan bey Bewirthung
Europäischer Gäste zu feinen Rathgebern gebraucht, wollten ha-
ben, daß wir nach Perfischem Gebrauch unsere Stiefeln vor dem
Saal, wo der Chan faß, ablegen, und in demselben nur mit
Strümpfen erscheinen folten; allein man antwortete ihnen, daß
sich dieser Aufzug für unfre übrige Kleidung gar nicht schicken
würde, und daß ein Europäer in Persien eben so wenig von
feiner Mode abgehen könne, als es ein Persianer in Europa zu
thun pflege. Das geringste Zeichen einer Unterwürfigkeit aber
von sich blicken zu laffen, hielten wir als Leute, die das Glück
genieffen, der Größten Kayserin zu dienen, gar nicht für
rathsam. Man verstund die Sache, wie man sie verstehen sollte,
und wir erschienen vor dem Chan insgesammt in Stiefeln.
Nach dem ersten gemachten Compliment bedienten wir uns unse-
rer Stühle, die dem Chan gerade gegenüber gesetzt waren, und
fezten unsere Hüthe auf. Der Kalian wurde herum gereicht, man
fezte Coffe, Thee und andere Erfrischungen vor. Der Chan hieß
uns tausend mal willkommen und ließ sich mit mir in ein freund-
fchaftliches Gespräch ein. Es wurde ihm der Endzweck meiner
Reife abermal erklärt, und er fähien über alles nicht nur äußerst
zufrieden zu sein, sondern er versprach mir auch in den nach-
drücklichsten Worten zu allen meinen Verrichtungen feinen ge-
wiffen Beyfand: ja er konnte sich nicht enthalten zu fagen, daß
da er wisse, wie ich von andern Chanen bisher nicht fo aufge-
nommen worden fey, wie es fich gebührt hätte, so wolle er
bey Gelegenheit meiner Reise besonders an den Tag zu legen fu-
chen, wie groß feine Ehrerbietung gegen den Petersburgischen
Hoffey, und was für Schuldigkeiten folche mit fich bringe.
Ich beantwortete seine mir fo viel versprechende Worte, wie es
die Pflicht der Danckbarkeit erheischte, und beurlaubte mich nach
Verfluß einer Stunde. Auf dem Hof des Palastes, über '
EN
272 •A, I. „F-
chen wir zurück giengen, stunden auf beiden Seiten vier Reihen
Soldaten im Gewehr, eine große Anzahl Jeffauls, aber beglei-
tete uns nach Hause, und sie thaten, uns würklich gute Dienste,
indem sie das von allen Seiten zurennende Volck von den
Straffen vertrieben. Am folgenden Tag und etliche darauf, als
ich bey dem Chan meine erste Visite abgestattet hatte, erschie-
nen die in Rächt wohnende und besonders zum Hofstaat des
Chans gehörende angelehnte Gilaner, und auch andere sich als
Gäste hier aufhaltende vornehme Perfer bei mir, um mir ihre
Achtung zu bezeugen. Es kamen gemeiniglich einige Parteien
mit einander, und diese brachten - allezeit so viel Ober- und
Unter-Bediente mit sich, daß ein paar Wochen lang mein gan-
zer Hof mit Leuten wie besetzt war. Die Gäste wurden nach
Lands-Gebrauch bewirthet, und dieses hätte ich von Herzen
erne gethan, wann ich nur durch den Ueberlauf nicht fo viele
' verlohren hätte. Zu dem erforderte es die Höflichkeit, bey
allen denen, die zu mir gekommen waren, Gegenbesuche abzu-
statten, und dadurch verlohr ich an der nöthigen Benutzung der
Zeit abermal vieles. Zu allem Glück fiel ein unaufhörendes
Regen- Wetter ein, welches mir doch nicht erlaubt hätte, viele
Excursionen von der Stadt aus, auf das Feld zu machen.
Nachdem diese Visiten ihr Ende erreicht hatten, lud mich den
23sten Hedaet Chan zu sich ein, entweder, daß er mich länger
um sich haben wollte als das erste mal, oder daß er prüfen
wollte, wie sich Europäer bey Perfischen Gast-Mahlen aufführten,
oder auch und hauptsächlich, daß er uns wieder feinen Aufwand
zeigen wollte. Wir erschienen heute insgesammt zum Mittags-
Mahl; weil aber der Chan wußte, daß wir auf Persische Art
zu speisen nicht gewohnt waren, wurde für uns nicht nur eine
ordentliche Tafel zubereitet, fondern neben dem, daß auf der-
selben alle Perfische Gerichte in Ueberfluß erschienen, trugen
auch die Aufwärter viele von Armeniern zubereitete von weitem
nach Europäischen riechende Speisen auf. Das Tischzeug, Löffel,
Meffer und Gabeln wurde in dieser Absicht von mir entlehnt;
dann es ist bekannt, daß diese uns zum Effen fo nöthige Werk-
zeuge bey den Perfern theils nicht üblich sind, und theils ihnen
greuelhaft vorkommen. Unser Tisch wurde wieder dem Platz
gegen über gesetzt, wo der Chan faß, und mit einer zahlreichen
Gesellschaft auf der Erde sitzend die Speisen mehr zu verschlin
gen
•-A, - „F 273
-
gen als zu effen fähiene. Während dem Effen sprach man we-
nig, es dauerte auch kaum #. Stunden. Nachdem das Wasch-
Waffer herum gegeben war, muste der Kallian herhalten; man
reichte abermal Coffe, und retirierte sich bis auf den Abend, da die Luft-
barkeiten aufs neue und erst recht angiengen. Das ganze Palais des
Chans war nun ganz illuminiert, und auf dem Weg, den wir von
unfrer Wohnung bis zu demselben zu machen hatten, brannten auf
beiden Seiten Fackeln. In dem Zimmer, in welchen wir bewirtheit
wurden, leuchteten auf allen Seiten, in einer verschwenderischen
Menge angebrachte Wachs-Kerzen, zwischen welchen alle Gat-
tungen von Orange - Früchten aufgethürmt lagen. Unter den
felben machten harmonisch zerstreute Blumen eine angenehme
Abwechselung. In der Mitte des Zimmers sprang eine vor-
nemlich erleuchtete und ausgezierte Fontaine; hinter derselben
ließ sich eine Bande perfianischer Musikanten und Sänger hö-
ren. Vor den perfianischen Gästen aber stunden auf der Erde
fo wie auf der europäischen Tafel groff Presentir - Teller, an-
jetzo nicht nur mit allerley Arten von Speisen und Früchten,
fondern auch mit Danziger Brandtwein, mit Schiraßischem und
Ispahanischen Wein angefüllt. So still es beim Mittag-Effen
zugegangen, so laut und gesprächreich war nun das Abend-Effen.
Jedoch der Gegenstand aller Unterredungen lief bloß dahin aus,
daß man rechtschaffen effen und trincken müffe. Wie ich dem
Chan auf fein Befragen die Musik gezwungen lobte, fowünschte
er auch die unfrige, zu hören , dann er wute , daß einige
von meiner Gesellschaft auf der Violin spielten. Ich willfahrte
ihm, ließ die Instrumenten holen, und es schien, als wann
ihm unser Getudel beffer gefiele, als uns das Seinige; befon-
ders da einige Menuets dabey getanzt wurden, die eben deswe-
gen, weil sie weniger Lüsternes haben, als die perfische Lustbar-
keiten in dieser Art, ihm, wie er sich ausdrückte, als ein un-
schuldiger Reiz vorkamen. Ein persischer Musikant wird bey
feinen Lands-Leuten gar nicht als ein Mann von Verdiensten
angesehen, und nur schlechte Leute, nur Bediente geben sich mit der
Musik ab, um dadurch die Leidenschaften ihrer Herren zu be-
friedigen. Darum nahm ich Gelegenheit, Hedaet Chan zu fa-
gen, daß es mit der Musik in Europa, eine ganz andere Be-
wandniß habe, als mit der in Persien; daß sie bei uns bereits
auf einen solchen Gipfel der Vollkommenheit gebracht fey, der
Dritter Theil, M m ihr
274 «A, H. „F-
- -
ihr schon längst einen ansehlichen Rang unter den schönen Kün-
ften verschaft hätte, und daß sich daher die erhabenste Personen
gar nicht schämen, dieses oder jenes Instrument selbsten zu spie-
len, wann ihnen ihre eigene und anderer Ohren das ungezwun-
gene Zeugniß der Meisterschaft geben. Hedaet Chan mochte
der Europäische Geschmack gefallen haben oder nicht, fo mußte
ich ihm diese Erklärung machen, weil die Perfer die Musikanten
als verächtliche Leute ansehen. Indeffen vergiengen unter dem
Musiciren und Trincken die Abend - Stunden, als wann fie
flögen, und wir hielten es für gut, uns um 11. Uhr nach Hause
zu begeben, um welche Zeit das Zechen der Perfer erst recht
angeht, zu welchem wir uns nicht weiter einlaffen wollten.
Vom vier und zwanzigsten. Das Regen-Wetter
hielt noch immer an; ich mußte also fast beständig zu Hause
bleiben; um aber meinen bisher eingezogenen Nachrichten täglich
etwas weiter beifügen zu können, brachte ich meine Zeit viel-
fältig in Gesellschaft von Perfern und Armeniern zu. Kaum hatte
- man den Toback in Amerika entdecket, so ist in der ganzen Welt
fein Gebrauch so allgemein geworden, daß man wohl wenige
Menschen antreffen mag, denen derselbe jetzo unbekannt wäre.
Nur bedient man sich defelben auf verschiedene Weife. Einige
rauchen, andere schnupfen ihn, und wiederum giebt es Menschen,
die ihn kauen. Die Art, nach welcher man denselben zu rau-
chen pflegt, ist wiederum verschieden: mich beschäftiget anjezo
aber nur diejenige, die eigentlich in Persien üblich ist. Ein jed-
weder in der Kräuter-Kunde bewanderter wird mir zugestehen,
daß der Toback unter die giftige, tollmachende Pflanzen gehöre,
und ein jedweder, der zum ersten mal geraucht hat, wird eben
dieses kraft der Ueblichkeiten, der Beängstigungen, und des bey
ihm ohne Zweifel erfolgten Erbrechens, welche Zufälle alle bey
einem Anfänger im Rauchen sich einzufinden pflegen, lebhaft be-
stätigen. Inzwischen, wie sich die Natur zu allem nach und
nach gewöhnen kan, fo hat sie sich auch zu dem Toback ge-
wöhnt, und jetzo weiß man so gar, daß ein mäßiger Gebrauch
deffelben den zähen Schleim in den Gegenden, wo der Catharr
feine Residenz aufzuschlagen pflegt, verdünnet, loß macht und
ausführt, daß er den überflüßigen wäfferichten Feuchtigkeiten
Einhalt thut, als um welcher Ursache willen man ihn besonders
phlegmatischen Temperamenten anrühmer, und daß er, wie '
--- - - - MQQs
„A, „F- 27
narkotische Mittel, in gehöriger Maße gebraucht, das Hirn,
und alles was vom Hirn abhangt, lebhaft macht. Dies alles
wiffen die Perfer auch, ungeachtet sie sich feiner so unmäßig be-
dienen, daß sie davon mit Wiffen und Willen berauscht wer-
den. Zwar scheint die Art, nach welcher die Perfer Toback
rauchen, dieser angegebenen Würkung zu wiedersprechen, dann sie
ziehen den Rauch vermittelt einer, auf die Hälfte mit Waffer
angefüllten Maschine in sich, da dann das Waffer den Rauch
nicht nur verkältet, sondern auch das in solchen enthaltene em-
pyrevmatische Oehl, welches den aus der Pfeiffe dampfenden
fo oft beschwehrlich wird, und den Magen sowohl als den Kopf
angreift, kräftig in sich schlucket. Die Maschine nennen fie
Rallian, und ist ein mehr oder weniger, doch selten über 1.
Fuß- hoher, gläserner mit einem senkrechten Hals versehener
Kolben, dessen oberes Ende sich mit einer mehr oder weniger
breiten Krone endiget, die in ihrer Mitte zwo mit einander be-
festigte Röhren durchläßt, davon der untere Theil des einen in
den Kolben geht und sich in das Waffer fenkt, der obere aber
auf die trichterförmige Kohl-Pfanne, in welcher der zum rau-
chen bestimmte Toback liegt, ganz genau pafft; dahingegen die
andere kürzere Röhre mit ihrer untern Endung nicht in das
Waffer reicht, mit ihrer obern gekrümten aber sich an das
groffe Rohr anschließt, daß der Rauchende zum an sich
Persische
Art, den
Toback zu ,
rauchen.
schlucken des Tobacks im Munde hat. Also ist es an dem, daß
der Rauch, ehe er zum Munde kommt, schon destilliert ist;
dann indem er in dem Waffer angenehm herum brauset, fo
geht schon diese Operation vor, und solche wird als dann in der
einen kleinen Röhre und in der andern groffen Ledernen fortge-
fetzt. Aber die Perfer ziehen den Rauch des Tobacks nicht mit
den Lippen, fondern mit ihrer ganzen Brust an sich, daher sich
dann folcher durch die Lunge verbreitet; bey geübten durch Nase
und Ohren hervorkommt, bei allen aber aus dem Mund gleich
einem starken Nebel steiger. Aus diesem Grund werden die
Perfer von ihrem Rauchen berauscht, da sonsten ihr Destillier-
Kolben dieser Würkung gerade zuwieder ist. Es ist eine be-
kannte Sache, die ich hier erzehle, aber weil ich in Persien bin,
fo habe ich eine in diesem Lande fo gemeine Sache nicht ver-
fchweigen können. – Es giebt auch Perfer, die, wie die
Türken, den Tobak aus Pfeiffen rauchen; sie pflanzen ihren
Toback fehr wenig selbsten. Er ist gelb, leicht, und damit er
M m 2 , noch
A ",
276 A, H. „Es
noch weniger schaden könne, wird er noch allezeit mit Waffer
ausgelaugt, und mit demselben also geknettet, daß er allezeit
etwas naß in die Kohl-Pfanne kommt. – Die Beschaffen-
heit der Kalliane gehört auch vornehmlich zum Staat der Per-
fer. Vornehme Personen haben goldene, mit Edelgesteinen be-
fetzte, andere silberne, und von Meßing verfertigte. Die glä-
ferne Kolben, deren schönste man aus Petersburg hieher bringt,
find auch nicht überall eingeführt. Die lederne sind bey fehr
vielen Leuten gemein, dann fie zerbrechen nicht, und diejenige,
fo sich auch nicht diese anschaffen können, begnügen sich mit
folchen, die ihnen die Flaschen-Kürbisse (Cucurbita lagenaria L.)
umsonst liefert. – Eben so herrscht ein Unterschied zwischen
den Mund-Röhren. Je länger die lederne, je schöner fiel aus-
Off
ff.
Von der
Schreive-
rey der
Perfer,
Stücken feiner baumwollener oder seidener Zeuge, gemeinglich
geziert sind, je mehr fallen fiel in die Augen. Die hölzerne find
aber auch gang und gebe, und manchmal fallen fie fo kurz
aus, daß sie mit den sogenannten deutschen Philister - oder
den Finnischen Pfeiffen um den Vorzug streiten könnten.“
Weil in den persischen Gesellschaften neben dem Kallian
auch immer Coffe herum gegeben wird, so muß ich auch hier
die Art sagen, nach welcher der persische Coffe bereitet wird.
Wann sie dem coffeliebenden Frauenzimmer in Europa nicht ge-
fällt, so kan ich daffelbe versichern, daß sie auch weder mir
noch einem meiner Gesellschaft den Nachahmungs-Geist einge-
prägt habe. Die geröstete und halbgeftoffene Bohnen, die aus
der Levante kommen ( dann von Coffe-Mühlen weiß man hier
nichts) werden mit siedendem Waffer gekocht; der abgekochte
Trank in die dazu bestimmte Kanne gegoffen, und ehe er herum
gereicht wird, damit ja von der Kraft des Coffees nichts ver-
lohren gehe, von den Bedienten mit dem auf dem Boden nie-
dergeschlagenen Saz tüchtig herumgeschüttelt. Ehe man ihn
würklich in die Schalen gießt, wiederholt man das Schütteln
noch ein mal, und dann muß man ihn ohne Zucker und Milch
austrinken. – In den Thee mischen die Perfer gemeiniglich
Rofen - oder ein anderes wohlriechendes Waffer. – Ihre Con-
fituren macht die zugethane Butter allezeit eckelhaft.
Von fünf und zwanzigsten. Heute habe ich alle
zur Schreiberei der Perfer gehörige Nachrichten gesammlet, und
es sind kürzlich diese. Sie machen ihr Papier aus kleinen
A., § „R- 277
in einem ablänglichen Octav-Format. Sie glätten es auf el-
nem feinem Stein, und beschaben es mit einem tück Glaß
fo lange, bis es ganz zart und glatt wird. Wann die eine
Seite ihren bestimmten Glanz erreicht hat, wird es auf die
andere Seite umgelegt, und mit derselben, wie vorhin, verfah-
ren; weil aber also das Papier leichtlich zerreiffen könnte, so
rollen sie solches in eine cylindrische Gestalt zusammen; diese
Rolle umwickeln sie mit einem andern fück Papier, folgender
Maßen bereitet. Man nimmt feines holländisches Papier, taucht
es in kochendes weißes Kraft-Mehl, oder auch in Gummi ein,
und läßt es alsdann an der Sonnen trocknen. Wann es trocken
ist, zerschneidet man es in schmale Stücke, und mit eben den-
felben werden die zusammengerollte Briefe umwickelt. An dem
jenigen Ort, wo die beiden Enden des umgewickelten Papiers zu-
fammen gehen, und auf einander geklebt werden, wird das äuß
fere Pettfchaft mit Dinte aufgedrückt. Will man derselben eine
rothe, blaue, grüne, Farbe geben, so veranstaltet man nach der
verschiedenen Absicht verschiedene Mischungen mit Cochenille und
Indigo. Die Perfer machen ihre Dinte aus Gall-Aepfeln,
gebrannten Reiß und Gummi, wann sie schwarz feyn foll, und
ihr Siegellak besteht aus einer ähnlichen Materie mit der Dinte.
Ihre Feder schneiden sie aus einem Rohr fo man aus Ispahan
und Schiraß bringt. Es heißt Kalam (Calamus) und wird
in allen Buden verkauft. Es empfiehlt sich insbesondere, wegen
feiner Härte, und ist von einer schönen braunen Farbe. Wer
es nicht kauffen will, der schneidt auch Federn aus dem Schilf,
und es läßt sich auch würklich mit diesen gut schreiben. Man
hat eigene Futterale, in welchen alle zur Schreiberey nothwen-
dige Dinge aufbehalten werden. Es sind folche länglich und
entweder oben oder unten mit einer verborgenen Schublade ver-
fehen, worinnen das Dinten-Faß und die Sand-Büchse stehen.
Man macht sie von Holz oder Leder, lakiert fiel von auffen,
oder ziert sie auch mit hübschen Malereien aus. Die Perfer
fchreiben, wie die meiste morgenländische Völker von der Rechten
zur Linken, und lieben eine vielfältige Richtung in ihren Linien,
daß sie einige ganz, andere halb, und wiederum welche nur bis
auf den vierten Theil ausschreiben, um zu zeigen, wie geübt
fie im Lesen feyn, daß ihnen auch so gar der verworrente Ab-
faz nichts wieder das Verständniß des geschriebenen in Weg
- M. m 3 legen
278 AP -
legen könne. Sie sind ferner in ihren Schreibereien sehr rein-
lich, und leiden nicht das geringste ausgestrichene, auch keinen
Flecken darinnen. In ihren Ringen tragen sie ihre Pettschafte,
auf welchen ihr Nahme gestochen ist. Entweder drucken sie fol-
che selbsten auf, oder die Vornehme geben dieselbe zu diesem
Verschie-
dene HD-
Tange-
Früchten.
Ende ihren Secretairen ab.
Vom fechs und zwanzigsten. Der Chan beschenkte
mich hute mit vielen Orange- und andern Früchten, und diese
gaben mir Gelegenheit die mannigfaltige Abänderungen, welche
unter denselben herrschen, kennen zu lernen. Man brachte sie
insgesammt aus Tenkabun und Aschraf -
Pommeranzen von verschiedener Größe. Diese
wachsen besonders häufig in Masanderan. Ich habe, als ich
mich nachmals in dieser Provinz aufhielte, 1000. Stücke für
40. Kopeken gekauft. Es giebt füße und faure, welche leztere
manchmal so saftig find, daß ich aus einer einzigen 1. Unze Saft
gepreßt habe. Der Saft hat zwar einen etwas bittern Geschmack;
jedoch, wann man keine Limonen hat, fo taugt er zum Punsch
recht gut. Sie heiffen auf türkisch so wohl als auf perfisch
Narinsch. -
- Limonen, wiederum in Masanderan fehr gemein, und
abermal verschiedentlich groß. Ich kaufte das Tausend für 90.
Copeken. Sie find theils füß und theils fauer. -
Eine Abänderung der Limonen, welche in der persischen
Sprache. Murakap heißt, und von mir auf einer andern Stelle
beschrieben wird.
Abermal als eine Spiel- Art angenommen, von mir
aber unter dem Citrus spinosus, als eine besondere Limonen-
Gattung vorgetragene Abänderung der Citrone, die sich mit
dem persischen Nahmen Badranke unterscheidet: von dieser Gat-
tung eine wahre Varietät, die auf perfisch Balane heißt. Sie
ist äußerlich eben fo warzicht, als die Badranke, aber die
Frucht hat eine runde Gestalt. Ihr Saft hat einen sauren Ge-
fchmack, ihre Rinde eine beträchtliche Dicke, der Geruch aber
davon ist nicht so durchdringend, als bey den Badranken. Sie
taugt zu Confituren noch beffer, als die letztere, und giebt für
den Magen ein kräftig stärkendes Mittel ab.
Turinz
-
«A, H. „F- 279
Turinz. Eine Abänderung von Limonen , zwei mal
gröffer, als die gewöhnliche Citrone, und mit fauren Limonen
dem Geschmack nach vollkommenen übereinstimmend.
Von Amarellen oder Aprikosen ( mala armeniaca)
wurden mir folgende Arten gebracht. Darkesicht. Sie find
länglicht, mesferförmig, fafreich, füß, ihr Geschmack angenehm,
auf der einen Seite roth, und auf der andern gelb. Die Kerne
schmecken fast wie Mandeln. Todimschamsche. Sie sind etwas
kleiner, als die Derkefht, rund, ganz gelb, füßer als jene, und
haben füße Kerner. Diese Früchte troknet man zum Gebrauch
im Winter. Sefit parfi, find noch füßer, als die Todim-
schamsche, und man trocknet sie auch. Kei, die allerlüffeste,
kleiner als Sefit parf. Sie vertrocknen auf den Bäumen selbsten,
man trocknet sie auch in der Sonne, und in diesem Zustand
zerflieffen sie in dem Mund, wie Zucker. Ihre Kerne sind auch
füß. Tochne Demba, die größte unter allen. Fünf bis sechste
wägen ungefehr ein rußisches Pfund. Sie führen sehr viel
Saft in sich, aber fiel müffen frisch aufgegessen werden; dann
wann sie einmal ihre Reife erreicht haben, so taugen sie zum
Troknen nicht mehr. Kalandar. Ihr Fleisch ist an ihren bit-
tern Kern fest angewachsen. Zehn bis funfzehn aufgegessen,
geben ein leichtes abführendes Mittel ab. -
Pferfiche oder Pfirschen. Man pflanzt sie in allen perfiani-
fchen Gärten, aber die Ispahanische hält man für die beste. Wann
der Kern an das Fleisch angewachsen ist, so nennt man sie Schab-
dula. Sie erhalten sich, auch weit verführt, bis in den Merz-
Monath, find von einem sehr angenehmen Geschmack, halb-
gelb und halbroth, und darunter einige fo groß, daß sie fast
ein medicinisches Pfund wiegen. Sie werden häufig getroknet.
Diejenige Spiel-Art, bei welcher der Kern mit dem Fleisch
nicht zusammen hängt, wird Luli genannt. Sie ist gemeinig-
lich noch größer, als die vorhergehende Gattung und voll Saft,
eben so, wie dieselbe gefärbt, und dem Geschmack nach fast noch
angenehmer, aber sie läßt sich weder frisch lang erhalten, noch taugt
fie zum Trocknen. Schelil mincina ist noch eine andere Ab-
änderung von Pfirschen, wo der Kern abermal an das Fleisch
anhangt. Sie hat eine ganz runde Gestalt, ist ganz gelb, füß,
und fafreich, muß aber frisch aufgegessen werden.
Maul-
2Zo A, S. „Fs
Maulbeer-Baum - Früchte. Die weisse sind überaus
füß, man troknet sie für den Winter, und verschikt sie auch.
Die schwarze findet man vom Anfang des Winters beständig,
einige nemlich noch grün und andere schon in ihrer Reiffe. Sie
haben einen säuerlich- süßen Geschmack, und werden gleichfalls
getroknet. Man bereitet sowohl Selze als Syrupen davon, und
die persischen Aerzte bedienen sich solcher in der Bräune, in der
Faulniß des Munds, im Scorbut und bey der Dysenterie.
Gebrauch Vom sieben und zwanzigsten. Solanum. Melon-
'“ gena (Deutsch, der Eyer-Baum) heißt in der persischen,
ingen. tatarischen und armenischen Sprache Badinschan. Die Früchte
mit den Saamen kochen die … Armenianer und die asiatischen
Ruffen, welche von denselben diesen Gebrauch erlernt haben, wie
andere Garten-Gewächse in den Fleisch - Suppen, oder sie be-
dienen sich auch derselben statt eines Zugemüffes. Wiederum
giebt es welche, die solche mit Butter braten. Das Gericht
fchmeckt wirklich gut, wann die Früchte jung find; nähern sie
sich aber schon zu ihrer Reiffe, so taugen sie nicht mehr viel.
In Astrachan wird die Pflanze auch gezogen, und sie erträgt
Spani- das dortige Clima vollkommen gut. – Der Spanische
fcher Pfef Pfeffer heißt auf armenisch Bibar, auf perfisch und türkisch
fer. aber Estiot. Wann er trocken ist, wird er klein gestoffen, und
in verschiedene Speisen so wie bei uns der andere Pfeffer, ge-
legt. Man schärft auch die Schwäche des Wein-Eßigs damit,
- Von acht und zwanzigsten. Eine besondere Art,
Eine Art, die Waffer - Vögel in Gilan zu fangen, ist folgende. An dem-
'' jenigen Ort des Ufers, oder auch im Schilf, wo die Vögel
' zu übernachten gewohnt sind, spannen die Perfer ein ungefähr
6. Faden breites Netz aus. Sie befestigen 2. Ecken desselben
an 2. auf beiden Seiten befindliche Stangen, und die 2. übrige
an 2. andere, um die Hälfte kürzere Stangen also an, daß die
dordere Hälfte des Netzes, welche nach dem Waffer gehet, einen
Sack, die hintere aber eine gerade Wand bildet. Wann fie
nun vermuthen, daß sich die Vögel an ihrem gewöhnlichen Ort
r Ruhe begeben haben, fo kommen sie auf einmal mit er-
euchteten Laternen und einem entsetzlichen Geschrey auf dieselbe
von dem Land hinterwärts losgelauffen; durch diesen Lärm wer-
- - - den
«A, -- „F- 2 Z1
ben die Vögel in ihrer Ruhe gestöhrt, und indem sie sich auf die
Flucht begeben wollen, stoffen sie wider das ihnen vorgespannte
Netz, und verwickeln sich entweder augenblicklich in dem vordern
Theil desselben, oder sie fallen in den untern, nemlich in den
Sack hinein. Jemehr sie sich alsdann bemühen, wieder zu ih-
rer Freyheit zu gelangen, je mehr verwickeln sie sich in dem
Netz, dann folches ist ziemlich weitläufig verfertiget. Wann das
Neß am Ufer aufgestellt wird, so verrichten die Perfer diese
hübsch anzusehende Jagt zu Fuß; geschicht es aber in einer Ent-
fernung von demselben, als im Schilf, fo fahren fie des Nachts
auf kleinen Kähnen mit Licht dahin. Man fängt auf diese weise
Gänse , Enten, Schneppen und das persische blaue Huhn
(Porphyrio). Eine andere Methode, vermittelt welcher man
besonders der Gänse und Enten habhaft wird, und die, wann
ich mich nicht irre, auch an einigen Orten von Rußland, be-
fonders bei der Jagt kleiner Vögel üblich ist, will ich noch
kürzlich erzehlen. Es wird ein groffes viereckigtes Netz auf ei-
nem hohen und trokenen Platz in die Höhe gestellt, und unter
daffelbe 2. oder mehrere mit Fleiß dazu abgerichtete zahme Gänse
oder Enten gesetzt. Diese locken mit ihrem Geschrey die vorbey-
fliegenden Wilde zu sich; sobald sich aber nun dieselben nieder-
gesetzt haben, wird das Netz vermittelt eines Stricks, der am
obern Theil des Netzes befindlich ist, von dem Vogelfänger um-
geriffen, wodurch alle auf der Erde sitzende Enten oder Gänse
bedeckt, und also gefangen werden. Man bringt die also ge-
fangene Vögel zu Markt, und weil sie hier sehr häufig find,
wird z. E eine Ganß für 8. bis 10. Copeken und eine Ente
für 2. bis 4. verkauft. Die eigentliche Waffer - Vögel schmecken
aber immer tranicht, und finden daher nur bei gemeinen Leuten
einigen Abgang.
Vom ersten März. Die von mir fchon gedachte -
Schakallen fängt man in Persien auf eben dieselbe Art, wie Art, die
in Rußland die Füchse und Wölfe, und wie in Astrachan die Schale
Fasanen. An denjenigen Orten, wo man Spuhren von ihnen “-
gewahr wird, oder vielmehr an denjenigen, wo sie sich am
unverschämtesten hören laffen, werden gewisse Fallen nachstehender
maßen ausgestellt. Man nimmt eine ziemlich lange biegsame
Stange, und gräbt dieselbe mit einem Ende fest in die Erde
Drurter Theil. N. n ein,
282 - «A, - „F-
Beschrei-
dung des
Duschaps.
ein, am andern Ende aber bindet man einen langen Strick an,
deffen Ende die Fall-Schlinge abgibt, hierauf wird eine an-
dere krummgebogene Stange in einer folchen Entfernung mit
benden Enden in die Erde gefekt, daß die erstere dieselbe mit
ihrer Spitze erreichen kan; an sie bringt man eine Quer-Stange
an, und hinter diese fekt man einen hölzernen Keil, der an der
Spitze der ersten Stange angebunden ist, und wodurch also fol-
che gebogen wird. Man legt auf die Quer- Stange allerley
Strauch - Werck; auf demselben breitet man die Schlinge aus,
und legt in solcher allerley den Schakallen angenehme Nahrungs-
Mittel, als Fische, Aase, u. f. w. Sobald das Thier auf
das Gesträuche tritt, so bald fällt das Quer-Holz nieder; die
erstere Stange prallt zurücke, und zieht die Schlinge nach, fo,
daß das Thier mit dem Kopf oder den Füßen erhängt wird.
Auf Bauer - Höfen sind diese Fallen fehr nöthig; dann der
Schaden ist sehr groß, den die Schakallen anrichten, da Hüh-
ner, Gänse, Endten, ja so gar Schaafe ein häufiges Opfer
ihrer unersättlichen Raub-Begierde abgeben. Es ist zwar an
dem, daß sie sich vor den Hunden etwas zu fürchten pflegen,
aus welchem Grund man die leztere, unerachtet fie in den Au-
gen der Muselmänner ein Gräuel find, mit Fleiß unterhält;
kommen aber die Schakallen Heerden-Weise, und es bellen ih-
nen nur wenige Hunde entgegen, fo gehen fiel von dem Ueber-
gewicht ihrer Macht versichert, beherzt auf dieselbe loß, nöthi-
gen fiel zum Stillschweigen, und rauben, wie fie können, unge-
indert. - -
h Vom zweyten. Der Dufchap ist eine bey den Per-
fern und Armeniern eingeführte füßige Materie, die eigentlich
nichts anders als ein bis zur Verdickung eingekochter Trauben -
Saft ist. Sie hat mit den teutschen Selzen (Latwergen)
die man aus Früchten bereitet, viele Aehnlichkeit. Man ver-
füßt das Waffer und die Speisen damit, wirklich thut sie auch
nach meiner eigenen Erfahrung eben diejenige Dienste, die man
an dem Honig rühmen muß. So gar wird sie auch als ein
kräftiges Arzney - Mittel ausposaunet. Sie treibt nemlich den
Schweiß, und in denjenigen Fällen, wo es dienlich ist, diese Ab-
ficht zu erreichen, wie z. E. in hitzigen Fiebern, vermischt man
fie mit Waffer, und giebt solches dem Krancken entweder unter
der Gestalt eines Juleps, oder warm als Thee zu trincken. A- -
us
«A, - „F ssg.
Aus den unreiffen Trauben preffen die Perfer den Saft aus,
kochen ihn, legen etwas Zucker und Salz darzu, und erhalten
dadurch einen Eßig, der neben dem, daß er ungemein scharf
ist, auch eine angenehme Süßigkeit befizt, daß er mit einer
genugsamen Menge Waffer vermischt einen vortrefflichen Quaß
abgiebt. Sie nennen den Saft füfen Eßig. Ich erinnere mich,
daß man auch zu Astrachan einen Saft aus unreiffen Wein-
Beeren in gleicher Absicht zu sammlen pflegt. Aber dieser wird
nicht gekocht, und man legt auch nicht Salz dazu; daher verdirbt
er gar bald.
Vom dritten. Eine ganz besondere Weiden-Gattung
bekam ich heute das erste mal in ihrer Blüthe zu sehen. Sie
wächst in (Filan auf sandigten Stellen, bald nahe am Ufer der
Caspischen See, und bald nach den waldigten Vorgebürgen zu,
wo das Erdreich sehr oft auch fandigt ist. Sie gehört unter
diejenige Gattungen dieses Geschlechts, die nach dem Ritter von
Linne ganze und haarigte Blätter haben ; weil eben denselben
die Natur ein auffrordentlich glänzendes Ansehen gegeben hat,
fo nenne ich die Pflanze
Salix nitida.
( S. P. - - - )
Der 2Baum hat eine rothe Rinde an seinem Stamme
fowohl, als an den Aeten. Die Augen (gemmae) sind auch
roth, länglicht, hökericht, und in 2. Kappen gespalten. Die
2Blätter und Kätzchen, Blumen ordnen sich innerhalb derselben.
Jene, wann sie einmal ihre Vollkommenheit erreicht haben, sind
Eyerförmig rund, ganz, auf beiden Seiten, etwas wollicht,
stumpf, und mit einer Spitze verfehen: Diese fast Kopfförmig
gestaltet, und durch zwei weiße Staub-Fäden zur Befruchtung
tüchtig gemacht, die sich bald mit gelben, und bald mit röth-
lichen Spitzen endigen. Die weibliche Blumen verhalten sich,
wie bei andern Arten dieses Geschlechts. Der Baum heißt auf
persisch Badmuschk, und von den Blumen defelben ziehen die
Armenier ein nicht unangenehmes Wasser ab, das in der Fieber-
Hitze eine kühlende Würckung macht.
M. n a Vom
284 •z, F. „R-
Perfische Vom vierten. Die Neubegierde trieb mich auch, in
Badstuben. die persische Bad-Stuben zu gehen, und ich bin würklich froh,
daß ich es gethan habe, dann von ihrer Schönheit hätte mir
fonsten kein anderer denjenigen Begriff beibringen können, den
ich anietzo aus eigener Erfahrung habe. Weil ich nämlich bis-
hero keine andere Bad-Stuben, als Rußische, gesehen hatte, fo
würde ich mich immerhin alle audere nach denselben vorgestellt ha-
ben. Es ist wohl selten ein Dorf in Perfien, das nicht eine
Bad - Stube aufweisen könnte. In groffen oder auch nur in mit-
telmäßigen Städten sind derselben viele, und sie tragen fo gar,
wegen ihrer weitläufigen, maßiven Bau-Art fehr vieles zu ih-
ren Schönheiten ben. Diese Bad-Stuben aber, von denen ich
rede, find zum öffentlichen Gebrauch bestimmt; es kan fich der-
selben bedienen, wer da will, und ihr Gebrauch ist auch Chri-
ften erlaubt, wann sie die gehörige Miethe dafür erlegen. Ja
diese fieht man fehr gerne, weil fiel gemeiniglich mehr geben,
als die Mufelmänner. Es find nemlich gewisse Leute, welche
die Bad-Stuben auf ihre Kosten unterhalten, und von ihnen
einen nicht geringen Gewinst ziehen; dannoch giebt es auch Leute,
die eigene Bad-Stuben zu ihrem besondern Gebrauch in ihren
Häusern haben, fo, wie dieses bey den rußischen Herrschaften
eine durchaus gewöhnliche Sache ist. Sobald man in die öf-
fentliche Bad - Stuben tritt, kommt man in eine groffe Stube,
wo eine gemäßigte Hitze herrscht; daselbst zieht man sich aus,
und bedient sich, wann es einem beliebet, zuvor einiger Erfri-
fchungen. Man trinkt nemlich Thee oder Coffee, Punsch oder
glühenden Wein, je nach dem der Geschmack eines Menschen,
der sich zu Baden vorgesetzt hat, beschaffen ist. Von dar begiebt
man fich in das wirkliche Bad-Zimmer, zwischen welchem und
demjenigen, wo man sich ausgezogen, ein anderes schon etwas
- heifferes durchgegangen werden muß. In diesem findt man
zween Tröge, davon der eine ganz warmes, und der andere
kaltes Waffer enthält: je nach dem man nun eine größere oder
eine geringere Wärme liebt, nachdem wird die Mischung von
diesem in beiden Trögen befindlichen Waffer veranstaltet, um
sich folches über den Leib nach Gefallen gießen zu laffen. Un-
terirrdische Oefen erhitzen dieses Zimmer, und darinnen bleibe
man so lang, bis die Luft sich zu Baden verschwindet. –
Die Perfer find aber nicht allein damit zufrieden, daß sie sich
mit.
•A, H „F- - - 285
mit Waffer abwaschen, fiel laffen fich auch durchfeiffen und rei-
ben. Ein Badstuben-Bedienter, eben als wann er einen fest
nehmen wollte, fzt sich mit feinen Knien auf den Leib des
Badenden, nimmt einen rauhen, durchgefeifen Stein, und be-
handelt ihn also damit, daß man meynen follte, es wäre auf einen
zu besorgenden Beinbruch angesehen. So, wie sie fich den
Vorderleib quälen laffen, fo geschicht es auch mit dem Hintern,
wann dergleichen grausame Operationen angenehm zu feyn dün-
ken, fo wird kein Theil des Körpers von derselben verschont,
fondern vielmehr etliche mal wiederholt. Da die morgenländische
Völker wegen der Reinlichkeit die Haare auch an denjenigen
Orten abscheren laffen, wo fiel bey den abendländischen vorzüg-
lich geliebt werden, so geschicht auch dieses in den perfianischen
Badstuben. Endlich wird zuletzt der ganze Leib mit warmen
Waffer wiederholt begoffen, mit eigenen Bad-Saiffen stark
gerieben, und, wie die Uebung die Meisterin in allen Sachen
abgiebt, so schwitzen die Perfer bei diesen Gewalthätigkeiten fo
fark, daß der Schweiß unter denselben nicht anders, als un-
ter der Gestalt von Oehl-Tropfen, hervorquillt. Galante Leute
unter den Perfern bedienen sich statt gemeiner Bad - Seiffe ei-
ner wohlriechenden. Wer aber die Hitze in den perfianischen
Badstuben aushalten will, der muß eine gute Lunge haben, oder
nach und nach an jene gewohnt werden, fonsten kommt er eben
fo zu kurz, als es mir ergangen, da mich das erste mal der
Vorwitz in eine rußische Badstube getrieben hatte.
Vom fünften. Die gilamische Hühner haben einen be-
fondern Vorzug vor andern. Nicht nur find fie, das Weibchen
sowohl als das Männchen größer, sondern ihr ganzes Ansehen
ist weit ansehlicher, als bei unsern Europäischen. Man trift
auch eine Abänderung unter denselben an, wo die obere kleine
Haut ( epidermis) ins schwarze fällt. Die Fischotter gab
zu folgender Beschreibung heute Gelegenheit. Sie hat in beiden
Kinnladen 6. dicht an einander befindliche Zähne, von welchen
die in der obern gerad und fpizig sind, mit dem Unterfähied,
daß der Aeufferte auf beiden Seiten die übrigen an Größe über-
trift; da hingegen die in der Untern kleiner sind, und in
stumpfe Spitzen auslauffen, auch unter denselben die beiden in-
merte, und die äußere auf der rechten und linken Kante, wie
- N n 3 mit
Gilanische
Hühner.
Die Fisch-
Otte,
286 •A, H. „F-
mit einem Fortsatz, versehen sind. Die Hundszähne sind über-
aus groß, einzeln und gekrümmt. An Stokzähnen hat die
Fischotter der Anzahl nach in der oberen Kinnlade auf beiden
Seiten 5., von denen die 2. hintere ungleiche Fortfätze führen,
die beyden darauf folgende einfach, gerade und von einander
abgesondert sind, der äußerste aber unter allen die kleinste
Gröffe besitzt. In der unterm Kinnlade befinden sich auf bey-
den Seiten 6. Stokzähne; die zween innerste sind gerad, rund
und ganz stumpf, die beyden darauf folgende mit Ansätzen ver-
fehen, die zween äußerte aber wiederum gerad, einfach und
fpizig. -
Die Zunge ist breit, glatt, und in der Mitte stark
gefurcht, der Gaumen hingegen knöchern.
*- Der Kopf hat eine länglichte Gestalt, ist 5. Zoll lang,
und mit einem sehr converen, verbreiteten Wirbel versehen. Die
Schnauze fellt ein Viereck vor, welches bloß, glatt und
fumpf ist. Die Naslöcher haben vermöge einer nach auffen
zu gekrümmten Furche eine mondförmige Gestalt. Die Lippen
find roth, glatt und bloß; die Barthaare aber von verschiede-
nen Reihen, steif und einzeln. Unter ihnen bemerkt man die
Hinterste als die Längste, da diejenige, die der Endung des
Mundes am nächsten find, die kleinste Gröffe erlangten. Sie
fehen hauptsächlich weiß aus, es giebt aber auch unter ihnen
fchwärzlichte und gelblichte. Hinter den Augen sind noch zwo
andere Reihen von Haarborsten, von denen sich der einen ihre
Lage gegen die Ohren, und die andere gegen den Wirbel zu
richtet: Die Augen find ungemein klein, länglich, von dem
vorderen Winkel der Ohren 1. Zoll abgesondert; ihre Häute
fehen röhlich aus. Der Regenbogen und der Stern aber
fallen vom blauen ins schwärzliche. Die Ohren nehmen die
unterste Seite des Hinterkopfs ein, find gerad und ganz mit
Haaren besetzt. Sonsten beobachtet man an dem Kopf keine
Warzen.
Der Leib hat eine runde, ablängliche Gestalt, ist überall
von gleicher Dicke, und 1. Fuß lang, der Schwanz aber be-
trägt der Länge nach 14. Zoll. Ich muß jedoch bemerken, daß
diese angegebene Ausmeffung nur bey jungen Fischottern statt
finde, dann Ausgewachsene erreichen gar gern die Größe von
3. Fuß, den Schwanz nicht mitgerechnet, Die
-2, - - 287
Die Haare bedeken den obern Theil des Leibes in einer
gleichen Dicke; sie sind an ihren Grundlagen schwarz, und füh-
ren fhwärzlich graue Spitzen; manchmal, besonders bei ganz
alten find auch diese ganz fähwarz, und je dunkler die Haare
an den Fellen sind, je höher werden solche von den Persern
geschätzet. Die Haare, welche die Ohren umgeben, sind kürzer,
als die übrigen, aus- und inwendig fhwärzlich, an ihrem Rand
aber ringsum afhgrau. Der Sthwanz ist ganz ausgeründet,
und mit dicken Haaren besetzt, die eine mit den Haaren des
Leibs durchaus ähnliche Farbe haben. Die Haare an der Kehle,
der Brust und dem Bauth fallen vom grauen ins weiße, die
jenige aber, mit welchen die Vorder- und Hinterfüße beklei-
det werden, sind Kastanienbraun, und endigen sich erst da, wo
die Nägel ihren Anfang nehmen; jedoch ist die untere Fläche
der Zehen ganz bloß. Von diesen zählt man an den Aermen
und Füßen fünf. Die Nikhaur ist ziemlich dick, blau, und
mit einem schwärzlichten Rand verfehen.
Vom fechten. Pflaumen bringt Persien in groffem Verschie-
Ueberfluß hervor. Es giebt schwärzlichte und gelbe, die letztere dene Pflau-
aber verdienen wegen ihres angenehmen Geschmacks vor jenen "en-Arten
einen erheblichen Rang. Man erhält beide das ganze Jahr
hindurch, indem sie an einem Faden in der freien Luft aufge-
hängt werden. Zehn bis funfzehn aufgegessen bringen eine
abführende Wirkung zu wege, ohne daß dabey das geringste
Grimmen erfolgen sollte. Man bedient fich also folcher nicht
nur zum Effen, sondern fiel vertreten auch in der persischen
Arzney - Gelahrtheit die Stelle einer Arzney. Von diesen Pflau-
men find mir noch einige andere Spielarten bekannt worden.
Eine ist es, welche in der Landessprache Alukra heißt. Die
Bäume gelangen zu einer beträchtlichen Höhe, die Früchte find
gröffer, als Apricofen, rund, grün, bey ihrer völligen Reiffe
aber röhlich gelb, ungemein Saftreich; und der Saft schmeckt
fauer; die Aerzte reichen fiel in hitzigen und kalten Fiebern,
dann fie kühlen, löschen den Durst, und halten den Leib offen.
Eine andere Abänderung heißt Alu, fie kommt mit den vorigen
vollkommen überein, nur find fiel etwas kleiner, und weniger
fauer. Wiederum giebt es eine dritte, die Alwiafthe fonsten auch
Alitscha (prunus Spinofus. L.) heißt. Sie wird erst im
späten
238 •A, H „F-
Persische
Manna.
späten Herbst reiff, ist noch kleiner als Alu, aber weit faftiger.
Man bedient sich ihrer in Speisen, und zu Confituren. Man
troknet sie auch in Vorrath auf den Winter.
Vom siebenten. Ich habe schon an einem andern
Ort gemeldt, wo ich die Granate zuerst in Persien wild an-
getroffen habe. Von da aus wachsen sie überall, besonders aber
in Gilan und Masanderan äußerst häufig. Dem Geschmack
nach find sie sowohl fauer als füße. Sie lieben aber nur die
an dem Gestade der Caspischen See nächstgelegene Länder zu
ihrem Auffenthalt. Diejenige, von denen man glaubt, sie ha-
ben keinen Saamen, heiffen im persischen Psidana. Von allen
Gattungen, bereitet man Roob und Syrupen, und hält solche
für kühlende Arzneien. Der Sumak wächst auch in Gilan.
Man ißt die Beere davon, und derselben bedienen sich auch die
Perfer in der Mundfäule, in dem Blutdurchfall und andern
Kranckheiten. – Sciucus officinalis wird in den meisten
perianischen Arzneybuden verkauft. Man findt diese Eidere
hinter Schiraß, und zwar unweit dem persischen Meerbusen.
Es ist den Perfern die derselben durchgängig beygeschriebene
Würkung, die Venusluft zu befördern, bewußt. Dann wie
folte Leuten, die Tag und Nacht auf nichts anders finnen, als
nur diese zu befriedigen, ein folches diesfalls überall bekanntes
Mittel unbekannt bleiben? Sie bedienen sich ihrer in Confitu-
ren. – In eben diesen Buden verkauft man auch die perfi-
fche Manna, welche Theremiabin genannt wird. Sie wächst
nicht weit von Ispahan, in der Provinz Peria, und man findt
fie auf den Blättern, eines mir unbekannten stachelichten Bau-
mes. Sie ist so weiß, wie Schnee, und die Körner fo groß,
als Koriander -Saamen. Die Bauren sollen sie vor dem Auf-
gang der Sonne zu fammlen pflegen. Einer stellt unter die
Aeste des Baumes ein Sieb, und ein anderer schlägt mit ei-
nem Stock von den Blättern und Stacheln die Manna ab, daß
fie in das Sieb fallen kan. Darauf verwahrt man sie in ei-
ner Küste oder in einem ledernen Sack. Wann man erst nach
Aufgang der Sonne ihrer Habhaft zu werden gedenkt, so er-
hält man nichts; dann von der Sonnenhitze zerschmelzt die
Materie , und verschwindet gänzlich. Man gebraucht diese
Manna gleichfalls zu Confituren, und die persische Aerzte be-
dienen
-, F-„R- -289
-
bienen sich ihrer fehr oft, fo wohl, wann sie gelind abführen,
als wann fiel ein gutes Brustmittel geben wollen. Sie belegen
diese Art von Manna noch mit dem besondern Nahmen Ga-
Zangu. Es giebt noch eine andere, die in der Provinz Cho-
rafan zu Hause ist, und von einem andern Baum gefammlet
werden soll. Sie ist schneckenförmig gewunden, führt stärker
ab, als die erste Gattung, aber auf die Brust würkt fiel eben
nicht besonders, fie hat auch keinen fo angenehmen Geschmack,
ist nicht so schön weiß, und heißt in der persischen Sprache
Serchichte. -
Vom achten. Auf der Reise von Baku nach Scha-
machie habe ich angemerkt, daß die Gebürge verschiedentlich ge-
färbte Erden auf ihrer Oberfläche erzeugen. Ich hielte sie dazu-
mal für Trippel-Erden. Nun sehe ich eben dieselbe in den Medicini-
hiesigen Kramläden zum Verkauf ausgestellt, und von den Cau- fcher Ge-
kasischen Gebürgen deswegen hieher gebracht. Ich fand grüne, “ den
rothe und weiße. Alle Arten sind bey den Persischen Aerzten in # (N
groffem Ansehen, und sie schreiben ihnen ungemein viele Wür-
kungen, wiewohl vermuthlich unschuldiger Weise zu. Sie follen
die verlohrne Kräfte wiederherstellen, die Lebensgeister erwecken,
dem Gift wiederstehen. Man gebraucht sie daher in Ohnmach-
ten, in hysterischen Krankheiten, bey den Frauenspersonen in
den Fällen, wo auch bey unfern alten europäischen Aerzten die
Erden und erdigte Arzeneyen foverschwenderisch herhalten mußten.
Die Grüne hat den Vorzug vor allen andern, und die rothe
hält man für beffer, als die weiße, – Ulmen - Bäume
findt man durch ganz Perfien. Von der gegenwärtigen Zeit an
entdekt man den ganzen Frühling über an ihren Aeten häufige
Bläsgen, die mit einem süffen und kleberichten Saft angefüllt
find, und in diesem Saft entwickeln sich, oder leiden vielmehr
ihre letzte Verwandelung viele kleine, geflügelte Infekten, die ich
für den tenthredo Ulmi des Ritters von Linne halten möchte.
Dann sie haben borstenförmige Fühlspitzen, und viele Gelenke.
Gegen den Herbst trocknen die Bläsgen aus, und die Insekten
sterben. Man fammlet jene, und findt einen schwärzlichen oder
gelben Balsam darinnen, der etwas füßlich fähmeckt, und in
Brustkrankheiten gebraucht wird. – Die Munia bringt man
aus Schiraß, ihrem Vaterland nach Gilan. Diese ist nun eben
, Dritter Theil. O o fo
290 APA, H. „F
Neujahrs-
feyer der
Perfer,
so gut bey den Perfern ein Universalmittel für alle Krankheiten,
als die Goldtincturen bey den Alchymisten feyn müffen. Man
verkauft sie daher in einem gar entsetzlich hohen Preise. Es soll
auch welche auf den Caukasischen Gebürgen geben, man schreibt
aber dieser diejenige vortreffliche Eigenschaften nicht zu, die man
an der Perfischen rühmet.
Vom zehnten UMärz. Auf den heutigen Tag fällt
das Neujahrsfest der Persianer ein, welches in der Mitternacht,
mit Kanonen- und Mufquetenschüffen angekündiget wurde. Alles,
was sich unter ordentliche Leute zählte, erschien fowohl aus der
Stadt, als aus der ganzen Provinz bey dem Chan, wünschte
Glück, und brachte Geschenke. Man sagt, er soll an dem heu-
tigen Tag zu 50000. Rubel an Geld und Geldes werth einge-
nommen haben. Ich schickte zween meiner Studenten die Hrn.
Habliz und Klutfcharew mit einem Geschenk von Sammt,
Goldstück und ausländischen feidenen Zeugen, das gegen dritte-
halb hundert Rubel betrug, zu ihm, und ließ dadurch meiner
Seits nichts an dem ermangeln, was die persische Gewohnheit,
die in diesem Stück ganz und gar Europäisch ist, mit sich
brachte. Der Chan nahm es geneigt auf, besuchte mich ein
paar Tage darnach, und versicherte mich in den ausgesuchtesten
Worten von der Aufrichtigkeit seiner Gesinnungen gegen mich.
Die Neujahrsfeyer daurt zehn Tage lang: einige, die sich ihr
Vergnügen verkürzen wollen oder müffen, find auch mit drey
Tagen zufrieden. Die Lustbarkeiten befiehen im Sauffen, das
bey dieser Gelengenheit auch den Tag über im Schwange geht,
im Pferderennen, wobey die Ritter, sich einander fo nahe zu
kommen fuchen, daß ein jeder den andern, wann es sich thun
läßt, mit feinem bey sich habenden Stock oder spitzigen Staab
berühren kan: einer Belustigung, die manchmal tiefe, Verwun-
dungen des Leibes nach sich zieht. Endlich besteht auch die Feyer
darinnen, das sich die Persianer fleißig unter einander besuchen,
spazieren gehn und auf den öffentlichen Straffen ihre gewöhnliche
Musik hören laffen. Ich hahe auch bemerkt, daß diejenige, der
nen es ihr Beutel zuläßt sich neu zu kleiden, folches bey die
Gelegenheit zu hun selten unterlaffen. Zwischen dem 12ten
und
d 13ten in der Nacht wurde ich von dem Chan gebeten, eine
der Hauptpersonen, die um ihn sind, zu besuchen, welche, wie
«A, P. „F 29.
die Bochen sagten, sehr krank sein sollte. Der Chan verlangte
nur zu wissen, ob sie sterben würde oder ob noch Hofnung zu
ihrer Genesung übrig wäre. Dem Chan konnte ich fein Ge-
fuch nicht wohl abschlagen, verfügte mich dahero fogleich zu dem
Kranken. An demselben fand ich einen schon ziemlich bejahrten
Mann, der schon den eiften Tag an einer Pleuritis (Seiten-
stechen) krank lag, und nun bei meiner Anwesenheit mit dem
Tode rang. Mein Ausspruch war, daß er schwehrlich mehr
über 3. Stunden leben könnte, und es wäre daher vergebens,
ihm das geringste von Arzneyen zu reichen. Die Prophezeiung
traf ein: dann der Kranke verschied eben 3. Stunden darauf,
und ich hatte die Ehre, den Tag darauf als ein ungemein ver-
fändiger Mensch in der Stadt ausgeposaunt zu werden.
Vom dreyzehnten. Heute wurde abermal botanisiert,
aber meistens fruchtloß ; die niedrige sumpfigte Gegend von
Räscht, die zu dem Reißbau fo tauglich ist, verbannt einige
Meilen um die Stadt die Vortrefflichkeit der Flora, die sich
fonten in Gilan so majestätisch weitet: ich konnte daher heute
nur wenige nützliche Anmerkungen machen, und diese, die ich
emacht habe, find meistens ganz und gar botanisch, also nach
einem Plan für dieses Tagebuch nicht bestimmt. Hanwey
at vollkommen recht wann er erzehlet, man finde in Gilandes-
wegen keine Kamele, weil ihnen der Buxbaum ( den sie wie
der die den Thieren eingepflanzte Triebe lieben) einen plötzlichen
Tod verursache. Er heißt in den meisten morgenländischen
Sprachen Schimfhat, und in Georgien thut er eben diejenige
Dienste, die in Rußland am Palmfest die Weiden verrichten
müffen. Der Schneckenklee (Medicago chochleata) wuchs häufig,
und ist als ein treffliches Futterkraut für die Pferde berühmt, in
der persischen Sprache heißt er Gunscha. Das Leontodon
tuberosum zeigte gegen eilf Uhr mit seinen hangenden Blumen
feinen Mittagsschlaf -
Den vierzehnten und den fünfzehnten beschäftigte
ich mich zu Hause, und schickte die bei mir gegenwärtige Stu-
denten allein auf das Feld. Sie kamen aber, aus der bereits
angeführten Ursache fast leer zurück. Den fünfzehnten dieses
Monaths endigen sich die Feyertage der Perfer, '
Q) 2 N
292 - - •A, + „Fs
Kurban
Bairam.
den fchszhenten fangen andere an, die sich mit dem achtzehn-
ten schlieffen. Unter dem Artikel, wo ich von der Jahres-
rechnung der Perfer gehandelt habe, erwehnte ich auch ihrer
Feste. Nun schreibe ich als ein Journalist. Die Feyertage,
deren ich erwähne, führen den Nahmen Kurban, und find
der Aufopferung Isaks, defen Nahmen die Muselmänner mit
dem Nahmen feines Stiefbruders Ismaels verwechseln, gewidmet:
Das beste, was der Koran enthält, ist, wie ich schon erinnert
habe, aus der heiligen Schrift gezogen. Die jetzige Feyertage
haben einen ähnlichen Ursprung; nur ist die Geschichte Mahu-
mechanisch verfälscht; beygehende Nota (*) kan einen neuen
Beweiß davon abgeben. Die festtägliche Ceremonie, die jeder-
mann in die Augen fällt, besteht kürzlich darinnen, daß jeder-
mann zum Gedächtniß der bestimmt gewesenen Aufopferung
Isaks in den ermeldten drei Tagen eifriger im Gebete ist,
Schaafe schlachtet, und solche theils mit feinen Freunden ver-
- zehrt,
(*) Die Hagar wußte vor der Sara flüchten. Abraham fand
erfere an einem Ort, wo es ihr an Waffer gebrach. Er
gebietet einer Quelle, die einen schnellen Lauf hatte, und fie
wird durch Sand langsamer. – Darauf stellte Abraham
an derselbigen Stelle auf grtlichem Befehl einen Tempel
bauen. Von einem benachbarten Gebürge wälzen sich Steine
von felbsten herunter. Abraham baut davon den Tempel,
und das an dem Ort, wo jetzt der Tempel zu Meccg steht.
Einige Zeit darnach sollte er feinen Sohn schlachten. Er
versteht. fich willig dazu, und wie Hagar davon von dem Teufel
benachrichtiget wurde nicht minder. Auch Ismael fchickte
fich in dieses Verhängniß gedultig. Jedoch, wie Ahraham
das Meffer ansetzte, ungeachtet solches zuvor einen Stein
zerstückte, so konnte es doch an dem Knaben seine Gewalt
nicht ausüben, und der Engel Gabriel bedeutete Abraham,
daß die ganze Sache auf eine bloße Versuchung ankäme, wo-
mit fich Gott von feinem Glauben habe versichern wollen,
ja das Meffer felbst hat zu Reden angefangen, und gesagt:
Gott will nicht haben, daß ich durch den Hals Ismaels
dringen soll. Hagar, Abraham und Ismael haben bey die-
fer Begebenheit den Teufel mit Steinen vertrieben; diese
- Steine liegen noch jetzund zwischen Mecca und Medina in
- " verwandelt, weil die Wallfahrter solche mit
- - uwerffen neuer Steine jährlich vermehren, u. f. w.
A, - „Fe 293 -
zehrt, heils Bedürftigen preis giebt; bemittelte Personen greifen
fich vorzüglich an, und schlachten viele; arme erscheinen wenig
fens mit einem Huhn. -
- Vom neunzehnten. Auf den hiesigen Gebürgen giebt
es eine große Anzahl Bären, sie heiffen in der persischen Spra-
che Chors, und in der türkischen Aju, sie sind kleiner, als
die Europäischen, und fehen weiß oder weißgelblich aus: man
pflegt sie zahm zu machen, und sie einige Künste u lehren;
allein in Betracht derjenigen, die wir der unfrien beyz -
bringen wissen, haben sie wenig besonderes. Ich habe nim-
mer mehr einen tanzen sehen; ihre vornehmste Geschicklichkeit fchien
mir darinn zu bestehen, daß sie sich mit dem Kopf über den
Leib zu drehen oder zu burzeln wuten.
Die Persianer richten die Schaafe ab, sich unter einander
mit ihren Hörnern zu stoffen. Es ist nicht zu beschreiben mit
was für einer Wuth ein erhitzter Widder auf den andern los
gehet; fie ist aber daraus ersichtlich, daß der Streit nimmer-
mehr feine Endschaft erreicht, ohne daß man die streitende Par-
tien von einander trennt, oder daß eine von denselben das ihr
eben so wenig natürliche als anständige Feuer mit Verlust des
Lebens büßet. -
Den zwanzigsten besuchte ich den Chan, und hatte
Gelegenheit bey demselben eine Art von Kanonen zu fehen, die
Nadir Schach aus Indien hieher gebracht hat. Sie haben uns
gefähr acht rußische Archinen in der Länge, ihre Oeffnung aber
hat kaum einen halben französischen Fuß im Durchmesser. Sie
dienen bey diesen morgenländischen Völkern dazu, daß eine der-
felben in die Quere gelegt auf zwei Pferde gepackt, und also
bey den schmalen Wegen dieser Provinz fortgebracht werden kan.
Es follen diese Kanonen ungemein weit reichen; es scheint aber,
daß die Persianer mit keiner Art dieses Geschützes gut umzuge-
hen wifen. Meine Unterredung mit dem Chan war heute ziem-
ich gleichgültig, und sie dauerte auch nur eine kurze Zeit.
" Den ein und zwanzigsten, lud er mich abermal zu
einem Abendeffen bey fich ein, wobei ich nichts anders anzu-
merken finde, als daß die Herren Alianer uns Christen aber-
mals im Zeichen weit übertraefn; wenigstens giengen wir gerade
nach Hauß, jene aber musten geführt werden.
O o 3 ““ Den
294 A, H. „F-
Den zwey und wollte mir der Chan ein
besonders Vergnügen machen. r nöthigte mich einige Werte
von der Stadt in fein Feldlager zu fich, und gedachte mir ei-
nen groffen. Theil feiner gewöhnlichen Belustigungen zu zeigen.
Es mag nun aber feyn, daß die Anstalten, die er deswegen
vorgekehrt hatte, nicht die gehörige Wirckung gehabt hatten, oder
daß das eingefallene Regenwetter feinen Absichten entgegen fund.
Aus den Lustbarkeiten wurde nichts; der Chan ließ sich nicht
einmal sprechen , fondern verschob alles auf den fünf und
zwanzigsten; doch hatte ich Gelegenheit heute einige Umstände
zu bemerken. Der Ort, wo ich hin beschieden war, befund in einen
offenen freien Feld neben einem Dorf Paschan genannt, bey
welchem ein Fluß auf gleiche Weise benannt, der in den Ge-
bürgen entspringt, und sich unweit Peribasar in den Sinfelischen
Meerbusen ergießt, vorbeyströhmt. Die angeführte Benennug
des ermeldten Dorfs schreibt sich von einem Persianer her, dem
folches zugehörte, und der daselbst wohnte. Man erzehlt von
demselben eine Geschichte, die den morgenländischen Geschmack
abermal verräth: er soll sich nemlich, in seine eigene Tochter
verliebt, und um sein Gewissen zu befriedigen, einen Priester
gefragt haben, ob es erlaubt fey, die Frucht eines Baums zu
genießen, den man selbst gepflanzt hätte? Nachdem er die Ant-
wort mit ja erhalten, in foferne er feinen Fuß verwundete,
und kein Blut aus der Wunde hervorquellete, fo foll er sich
einen hülzernen verfertiget, denselben zerschnitten, dem Priester
gewiesen, daß auf diese Operation rein Blut hervorgekommen,
von demselben die Erlaubniß zu der Vollziehung feines Vorha-
bens bekommen, und folches darauf wirklich ins Werck gestellet
haben. Die Grabstätte dieses Menschen ist unweit des Dorfs
befindlich, und vorbeigehende Persianer können sich nicht enthalten,
solche durch allerley Arten der Verachtung zu verunehren, ja sie
baten uns, da wir vorbey kamen, eben dieselbe durch ausspeyen
und hinwerfen der Steine zu erkennen zu geben (*).
Der
(*) Wann nach der vorhergehenden Note Steine hingeworffen
werden, so geschicht es um seinen Muth an dem Teufel
zu kühlen. Hier bedeutet es überall eine grosse Verachtung,
und ist daher die Sache nicht ohne Connexion.
•A, H. „F 295
Der Chan, der mir heute seine Lustbarkeiten öffentlich
zeigen wollte, enthielte sich, ungeachtet dieselben aufgeschoben
worden, nicht, mir die Ceremonien zu zeigen, in welcher er rei-
tet, wann er standesmäßig reiten will. Eine halbe Stunde zu-
vor, ehe er aus dem Lager aufbrach, und nach der Stadt zu
kommen gedachte, kam ein Courier über den andern, feine be-
vorstehende Ankunft zu verkündigen ; so bald er sich aufs
Pferd setzte, verdoppelte sich die Anzahl derselben , und der
ganze Weg war mit denselben wie besät. Einige Flintenschüffe
vor ihm voraus erschien eine andere Anzahl bewaffneter Ritter,
die durch ein erschreckliches Geschrey den ganzen Weg über des
Chans würkliche Gegenwart ansagten, und dadurch jenen von
Menschen und Vieh rein machten. Auf diese Horde folgten 8.
Paradepferde, die von einem Kriegsbedienten geführt wurden,
auf diese ein paar Läuffer famt dem Kalliansträger; gerade vor
dem Chan ritt der Marschall mit feinem Staab voraus ,
und dann folgte jener mit der bey fich habenden Suite, die je-
derzeit aus den vornehmsten bey feinem Hofstatt befindlichen Personen
oder aus feinen Bekannten besteht, fo, wie er sich der Stadt
näherte, fo befand sich auf beiden Seiten eine große Menge
Volks, welches durch viele Verbeugungen des Leibes dem Be-
herrscher seine Hochachtung zu erkennen gab: in der Stadt blie-
ben die Derwische, deren ich schon erwähnt haben, auch nicht stille,
sondern sie erhoben mit lauter Stimme die Thaten des an-
kommenden Fürsten, und hieffen ihn willkommen. So prächtig
aber dieser Aufzug zu feyn fähien, fo unordentlich war das Ende.
Die chanische Begleiter ritten fo harmonisch unter einander, daß
ein jeder in der Gefahr fund zu stürzen: wo es ein weni
enge zugieng war der Chan selbst nicht ficher. Da man '
an sein Hauß kam, zerstreute sich ein jeder und gieng ohne
die geringste Beurlaubung nach Hause.
Dies ist nemlich die Art der Persianer zu reiten, wer
sich mit seinem Pferd hervordringen kan, der hat mit feinem
Pferd ein vorzügliches Ansehen; auf dieses gründet sich ihre be-
sondere Liebe zum Pferderennen, das ich heute auch zu sehen be-Pferderen
kam. Es soll solches, wie man gleich fehen wird, auch eine, Kriegs-", "er
übung vorstellen. - Man erwählt auf freiem Felde einen geräu- Perfer.
migen Platz, auf dem wenigstens zwölf in die Wette “
EMs
296 A., § „F-
Menschen sich mit einander herumtummeln können. Es ist bei
greiflich, daß zu dieser Lustbarkeit die beste Pferde ausgesucht
werden. Die Ritter haben alle hölzerne Stäbe, die an dem
einen Ende zugespitzt, und an dem andern platt sind. Der
Anfang wird nach gegebenen Zeichen gemacht, sie rennen mit
einer unglaublichen Behändigkeit, und fast beständig in einer
zirkelförmigen Richtung auf dem erwählten Platz unter einander
herum, und derjenige, der dem andern fo nahe kommt, daß er
ihm mit seinem Stab einem Hieb zu versetzen glaubt, der wirft
solchen auf denselben, er mag nun einen Theil des Leibes treffen,
welchen er will ; andere , die sich am Rande des Kreises
zu Fuß befinden, heben die Stöcke auf, und geben sie ihren
Besitzern wieder. So belustigen sich die Persianer viele Stun-
den hintereinander, fo üben sich diese in der wahren Kriegskunst
unerfahrnen Soldaten, auf eine Art, die sie im Fall der Ex-
forderniß bey andern eben so ungeübten gebrauchen können. So
aber müffen fiel auch manchmal diese ' scherzende Uebung mit
vielem Schaden ja öfters an ihrem Leben büffen, dann die Ge-
fahr einer solchen Lustbarkeit erhellet von selbsten.
Den drey, und vier und zwanzigsten beschäftigte ich
mich unter anhaltendem Regen zu Hause, und den fünf und
zwanzigsten nahm ich die Einladung des Chans an, mit ihm
abermal nach Baja Chan zu gehen. Es gieng heute und in
denen darauf folgenden Tagen, dann ich hielte mich bis zu dem
neun und zwanzigsten in Baffa Chan auf, würklich etwas
beffer zu: ich bekam zum wenigsten von den persischen Luftbar
keiten einen beffern Begriff, als ich zuvor hatte , ohnge-
achtet ich eben nicht sagen kan, daß sie denjenigen Eindruck bei
mir erregten, den sie bei den Perfern zu wege brachten. Das
erste, was ich zu beschreiben habe, ist das Lager selbst, wel-
ches das Theater zu diesen Ergößlichkeiten abgab. Der Umfang
des Lagers betrug etwan zwo rußische Werte, und die Gezelte
waren auf demselben, als einem freien offenen, mit zwei Bächen
durchströhmten Platz, aufgespannt. In den Zelten felbst beob-
achtete man keine Ordnung: sie waren weder in gewisse Reihen
#" noch auch sonsten auf eine andre Art regelmäßig ange-
racht. Das fahe man wohl, daß der Ort, wo dasjenige fund,
in welchem sich der Chan aufhielte, von andern Gezelten in sei
- - - - Net
A, P. „Es 29y
wer nächsten Nachbarschaft befreit blieb, und daß diejenige,
die des Chans feinem am Verwandtesten waren, nur von den
Vornehmsten, nur von Lieblingen bewohnt wurden. Unter denselben
“ mir eines““ Gesellschaft angewiesen, welches
uns alle, indem es ziemlich geraumig war, aufnehmen konnte.
Die Gezelte des Chans und der Vernehmen insgemein “-
Känglicht, und werden von zwei oder drei Stangen unterstützt,
Die auswendige Seite ist von feinerem oder groberem Katum,
und die inwendige mit seidenen und wollenen Zeugen bedekt.
Auf der Erde sind verschiedene Teppiche von größerem oder ge-
ringerm Werth ausgebreitet, und an den Seiten liegen mit
Blumen durchgewürckte Filze, auf welchen sich die Perfer nie-
derzusetzen pflegen. Größere Zelte waren in zwei oder mehrene
Zimmer vermittelt eigener Vorhänge abgerheit. Nächst dem
Zelte des Chans und der Vornehmen fahe man auch einige in
die Erde gegrabene Löcher, die mit Laken und Kattun bedek
waren , um daselbst feine Nothdurft verrichten zu können.
Des Chans Zelt unterschied sich von andern nur darinnen, daß
es größer, und an seinem obersten Theil sowohl, als an feinen
Seiten mit Taftwerk besetzt war, worauf ausgeschnitzte Blu-
einen angebracht waren. Ueber der Mitte des obersten Theils,
da nemlich, wo er sich niedersetzte, hieng ein mit Dammast ü-
berzogener Baldachin. An jeder Seite des Zelts fahe ich auch
einen kleinen Gang, vermittelt werfen die Bediente rings um
das Zelt herum gehen konnten. Der vordere Theil der Gezelte
ist durchgängig offen; jedoch weil die Witterung nicht die aller-
angenehmste war, so wurden Mangallen in die meiste Zelte gesetzt;
Mangallen aber findeiserne, kupferne oder metallene Krappen, die mit
glühenden abgerauchten Holzkohlen angefüllet werden, um dadurch ei-
nige Wärme zu erhalten; diejenige mögen meinetwegen einen Nutzen
davon haben, die ein offenes Feuer ohne den Durchzug eines Kamins
in der Nähe lieben, oder die fich auch bei der Empfindung des
Dunstes unempfindlich befinden. Endlich merke ich noch an,
daß die Zelte geringerer Personen nicht alle dreieckige, sondern
auch von verschiedener Gestalt und meistens nicht beffer waren,
als die Zelte unserer Soldaten. In diesem von mir beschriebe-
nen Lager, in welchem sich der Chan mit dem Kern des Gilani-
fchen Adels aufhielte, sollte man nun nichts anders als ein fitt-
fames Bezeugen aller Anwesenden erwarten; allein, so wie schon
Dritter Theil. Pºp - die
ä98 K, Ş. „H-
die Einrichtung bey den Gezelten unordentlich war, so ging
auch alles andere unordentlich zu. Und in dieser Unordnung be-
fund eben das Vergnügen der Perfer. Einige ritten fo rasend
unter einander, daß man aufferhalb feinem Gezelt befindlich,
alle Augenblicke Gefahr lief, an einem Theil seines Leibes ge-
fährlich verletzt zu werden. Wirklich wurden auch bei dieser Ge-
legenheit ein paar junge Leute zu tode niedergeritten. Andere
machten in der Ruhe denkenden Menschen durch ein entsetzliches
Lärmen ihre Zeit so beschwehrlich, daß sie ihr Vergnügen lieber
an einen andern Ort gefucht hätten, als hier: wiederum einige
übten fich im Schieffen, oder schoffen mit Pfeilen nach dem
Ziel, da es inzwischen auch in den Gezelten eben nicht allzu still
hergieng, fondern in denselben unter dem Klang verschiedener
Persianische musikalischer Infrumenten tapfer herum getrunken wurde. Bey
F"“ der Musik des Chans will ich mich ein wenig aufhalten. So,
wie bei uns das Gehör verschiedene Empfindungen liebt ,
also findet auch das Perfianische einen Geschmack daran, und
der erfinderische Befriedigungsgeist unferer Leidenschaften hat auch
bey diefer Nation Schatmenen, Posaunen, Violinen, Pandu-
ren, Harffen, Pauken, Pfeiffen und dergleichen ausgedacht. Je
nachdem nun die Art der Lustbarkeit ist, nachdem erwählt man
sich auch diese oder jene Art von musikalischen Instrumenten.
Ramantfhin ist diejenige Art von perfischen Violinen, die mit
drey oder vier Saiten bezogen ist, die auf einem langen, fähma-
len und fast kegelförmig gestalteten, auf beiden Seiten mit
Schrauben, deren Anzahl fich nach der Anzahl der Saiten richtet, ver-
fehenen Körper befestiget find. Der Resonanzboden ist rund, drey oder
vier Querfinger breit, und mit einem häutigen Fleck überzogen. Un-
ken endigt erfich entweder mit keiner Spitze, oder er lauft in einem
metallenen Stift aus, Man streicht ' Instrument mit ei-
nem Bogen von Pferdehaaren, und indem man auf demselben
spiele, ruht der Resonaßboden auf der Erde, wie eine Viola di
Gamba auf. Tftbefesde, eine Art von Panduren, welche aus
vielen meßingenen Drathfiten besteht, von welchen die zwo
nächste immer einerley Ton haben; fie wird, wann man auf
derselben spielt, mit den Fingern geriffen. Von Harffen ist eine
Gattung, welche Tschie heißt. Sie ist einem stumpfen Tri-
angel ähnlich, besteht aus fechs Saiten, und man spielt auf
derselben auch mit den Fingern: eine andere ist es, die viele
- - Saiten,
-
A, § „Fs 299
Saiten, aber eine ungleiche viereckigte Gestalt hat, und mit be-
fonders dazu verfertigten Stöcken gestrichen wird, fast eben das
felbe Instrument, so man im rußischen Zimbal heißt. Gur-
nai oder Schalmeien, den umstrigen vollkommen ähnlich, fowohl
der Gestalt als dem Ton nach. Sinfähi, wirkliche türkische
metallene Becken, die wie groffe Tischschüffeln aussehen, und
aneinander angestoffen werden, daß sie einen schwirrenden Schall
geben. Dieses find die eigentliche perfische Musik-Instrumente,
mit denen sich die Musikanten in den Häusern hören laffen, und
die ich bei dieser Gelegenheit alle insgesammt bey Hedaet Chan
angetroffen habe. Zwischen und unter denselben lieffen sich auch
öfters die Pauken hören. ... Sie heiffen in der Landsprache Mla-
garn, und find beständig Paarweise, aus Kupfer gemacht, mit
Leder überzogen und fest mit einander verbunden, auf denen ein
Mensch mit Stöcken spielt. Posaunen, entweder gerade oder
gekrümmte von unbestimmter Länge, und eben so von einem
unbestimmten Umfang der Mündung. Auf diesen spielt man
morgens die Reveille und abends den Zapfenstreich. Sie gehö-
tren zur Feldmusik, und zu ihnen gesellt sich eine einzelne große
metallene Pauke, die sich nur mit ihrer Größe und pompofen
Klang von den bereits angeführten gedoppelten kleinen unter-
scheidet. Alle Pfeiffengattungen find entweder unsern Pfeiffen,
oder zum höchsten der Flötedouse ähnlich. Auf der 29sten Platte
habe ich einige persianische Musik - Instrumenten abgezeich-
net, und derselben eine kurze Erklärung beigefügt. Es giebt
übrigens noch mehrere Arten von allerley musikalischen Werkzeu-
gen, die ich zu Gesicht bekommen habe; allein die angezeigten
mögen genug feyn, meinen Lesern einen Begriff von der pers-
fchen Musik benzubringen; und ich erinnere nur noch, daß die-
felbe nach der Beschaffenheit eines Liebhabers der Musik, mehr
oder weniger kostbar verarbeitet, und in dem leztern Fall manch-
mal mit Perlenmutter, mit Silber, Gold und Edelgesteinen aus-
gelegt find: Ferner, daß die Musik nimmermehr errhöne, wo nicht
die Sänger ihre Stimme gleichfalls erheben; daß es dabei auch
fehr oft zu einem Tanz komt, daß bey diesem Tanz aber weder
ein deutscher noch französischer Geschmack herrsche, sondern daß
diejenige, die sich damit sehen laffen, nur darauf bedacht feyn,
wie sie mit den wunderlichsten Wendungen und Drehungen ihres
Leibes die Gewalt der Musik ausdrücken mögen; daher es dann
P p 2 fomt,
-
- -
zoo A, H „F-
kommt, daß sie sich bald rückwärts beugen, bald mit den ausge-
streckten Armen vorwärts auf die Erde nieder fallen, öfters auch
die Hände über den Kopf zusammen schlagen, bis sie auf ein-
mal durch einen andern Gegenstand der Musik wieder in die
heftigste Bewegungen gerathen, sich in Wirbeln herum drehen,
und sogar mit dem Kopf über den Leib stürzen, wobey dann
auch das Händeklatschen nicht vergeffen wird; und endlich erin-
nere ich noch, welches aber beinahe überflüßig ist, daß nur
Mannsperfonen unter einander tanzen, das schöne Geschlecht aber
von diesem Vergnügen vermuthlich zu feinem Verdruß, und ge-
wiß zur Unzufriedenheit europäischer Gäste, wie überall, also
auch beim Tanz ausgeschlossen bleibt.
Täglich wurde in dem Lager gejagt und gefischt. Nur
der Chan selber gieng nicht auf die Jagt, sondern bereits ge-
hetzte Schweine wurden von den Jägern lebendig in das Lager
gebracht, und dafelbst mit Spielffen getödter. Die Fischerey
gieng gleichfalls ganz natürlich zu, ohne dabey viele Mühe an-
Menschen-
kampf.
zuwenden, und nichts destoweniger konnte man versichert sein,
man würde Fische genug bekommen. Der Fluß Paffachan
memlich war ein paar Tage zuvor verdämmt worden, und diese
Anstalt schloß also die Fische, wie in einen Kerker, ein. Würk-
lich zoge man nach und nach viele tausende, theils mit Netzen
und theils mit Haken, heraus: es waren aber meistentheils nur
Äutume. Der Chan ließ mich auch etliche mal einen Zuschauer
von Menschen kämpfen abgeben. Besonders in Schlägereyen ge-
übte schlancke Kerls zogen sich, einige bedekgebliebene Theile
ausgenommen, ganz nakend aus, und erschienen in diesem Zu-
fand bey dem vorderen Theil des chanischen Zeits, um den Grad
ihrer Stärke und die Größe ihrer List an einander zu versuchen.
Ein jeder gab auf die Stellungen und Bewegungen des andern
Achtung, und wann er eine vortheilhafte Lage ersehen zu haben
vermennte, fo bediente er sich fotcher, da inzwischen eben diesel-
be ein ihm gelegter Fallstrick gewesen war, und er sich nur
glücklich schätzen konnte, wann er fich felbsten noch in Zeiten
aus der Schlinge ziehen konnte, die er für feinem Widersacher
bereitet hatte. Und so bestand im Anfang bei allen ihre vor-
nehmste Kunst darinnen, daß sie durch verführische Stellungen
ihres Leibes und der Glieder desselben, nur zu einem Handge-
•z, S- „s- zor
menge Gelegenheit geben wollten, zu welchem fie sich schon vor
bereitet hatten; bis endlich die größere List eines geübtern oder eine be-
gangene Unvorsichtigkeit des andern durch die Stärke den Sieg be-
stimmte, welchen derjenige davon trug, der den andern zu Bo-
den geworfen hatte, strittig aber wurde wenn beide zugleich
fielen. Die Sieger wurden von dem Chan beschenkt. "Ich
mußte würklich unter einigen die besonders schlaue Anschläge so
wohl, als die verfähiedenen Stellungen des Leibes bewundern, in
welche sich zu schicken diese Maschine gezwungen wurde, um die
Absicht der Kämpfer zu erfüllen. Ich bin zwar keineswegs ge-
fonnen, ihre Geschicklichkeit mit den römischen Kämpfen zu ver-
gleichen, aber diese Anmerkung zu machen kam ich nicht um-
hin, wie groß die Aehnlichkeit des altrußischen und des perf-
schen Geschmacks bey. Betrachtung vieler Umstände, die man
mit einer auf mein Tagebuch nur gering verwandten Aufmerk-
famkeit bemerken kan, wie groß sage ich diese Aehnlichkeit fey,
und um wie viel lebhafter sie in die Augen fallen müßte, wann
man sich bemühen wollte, einen Blick auf die Verfaffung in
Rußland zu werffen, die vor der Regierung des Zars Iwan
Wasiljewitsch noch statt gefunden hat?
Der Chan hatte auch einen Seiltänzer bei sich, aber
ich finde es gar nicht der Mühe werth, feiner Künste zu er-
wähnen. Nachdem ich mich in dem Lager bis zur Unlust auf
gehalten hatte, fo beurlaubte ich mich von meinem freundschaft-
ichen Wirth, dankte ihm für diese neue Probe seiner Gütigkeit,
und reiste mit meiner Gesellschaft nach Räscht zurück, da jener
erst ein paar Tage darauf in der Stadt ankam.
Den ersten April. Die linke Seite ist bei den Per-
fern die Ehrenfrite. Wann sich zween Perfer auf der Strafe
begegnen, so begrüßt derjenige den, welchen er zuerst zu fehen
bekommt, mit dem Wort Salamalik, welches so viel, als
alles Heil, bedeutet. Dieser antwortet als dann auf eben dieselbe
weise, oder er dreht das Wort um, und fügt Alikalam.
Waun zween Bekannte einander lange nicht gesehen haben, so
geben sich beyde die Hände, also, daß sie solche der Länge nach
in einander legen, küssen sich mit einander ein oder zwey mal,
und nachdem sie die Hände wieder auseinander gelassen, und
-- P p 3 EU-
30 SA, H. „FS
einjeder die rechte an Mund und Stirne gelegt hat, brechen fie
in folgende Complimente aus: Tsaksen, Danaimefchochdur,
Reffitischochder, d. i. bist du Gefund, wie steht es um deine
Gesundheit, und wie befindest du dich? Wann sie sich in ihren
Häusern besuchen, so begrüßt der ankommende Gast den Wirth -
auf obengedachte Art, und dieser beantwortet den Gruß auf
türkisch Chochgeldi, Safageldi, und auf persisch mit Cho-
fhammadi, Saffaamadi, d. i. fey willkommen! Bey dem
Weggehen schweigt der Gast gemeiniglich stille, und der Wirth
wiederhohlt die eben angeführte Complimente. Wann die Perser
einem von einer andern Religion begegnen, oder zu ihm ins
Hauß kommen, so begrüßen sie ihn nicht mit Salamalik, fon-
dern mit Allafenglafinn, welches so viel fagen soll, als: Gott
bewahre dich: und dieser antwortet mit Saloofen, d. i.- ich
bedanke mich.
Nachricht Vom zweyten April. Einen besondren Wurm fand
von einem ich heute in einem neben meiner Wohnung befindlichen fiehen-
besondern den Sumpf, bald in einer Länge von etlichen Ellen, und bald
Wurm, in einer geringern. Dem äußeren Ansehen nach hat er die
Gestalt des Bindelwurms, und wirklich mit dem Meffer oder
mit der Hand in größere oder kleinere Theile abgesondert, wächst
eine jede Absonderung, wie bey den Polypen, wiederum zu
einem neuen Thier an. Aber er ist mit keinen Quer-Einfähitten
versehen. Er ist nicht gelenkt. Der Körper ist frey, weder
rund noch platt, von einer gallerten Substanz, und dabey
durchsichtig wie Krystall, fo, daß der Wurm beständig aus
den Händen glitscht, wann man ihn nicht recht zu faffen be-
kommt. Er hat ferner keine Ströffen und ist inwendig seiner
ganzen Länge nach mit schwarzen, runden, glänzenden, bewegt
lichen, einfachen und gedoppelten Körperchen angefüllt Son-
fen fällt die Farbe ins blaßgelbe. Jederzeit fand ich ihn nach-
gehends fowohl auf der anzeigten Stelle, als andern Orten in
ganzen schnekenförmig zusammengerollten Klumpen bey einander
versammlet. Wann die Sümpfe durch die Sonnenhitze ver-
trockneten, war von diesen Würmern keine Spuhr anzutreffen,
fobald aber Regen einfiel, sobald erschienen sie so häufig als
zuvor. (S. Pl. 30.)
- -
- - Vom
-
•A, „F- 303
Vom dritten bis zum zehnten April. In diesen „ .
Tagen botanisierte ich in der Nachbarschaft von Räscht. Ohne #
mich weder von meinem Zweck zu entfernen, noch auch meine #",
weitläufigere Geschichte von den persischen Pflanzen zu enterben, gen. -
rücke ich hier folgende Warnehmungen ein. Eine neue Gattung
vom Sisymbrio, der ich den Nahmen Sisymbrium fimpli-
cifimun gebe, und die ich auf der 31ften Platte Nr. 1. ab-
bilde foll den Anfang machen. Man kan sie entweder unter die-
jenige Ordnung nach dem Schwedischen Ritter bringen, welche
ganze Blätter, oder auch unter diejenige, welche einen entblößten
Stiel haben. Mit der Eruca hrfuta floribus albis, Bocc.
Muf. 2 p. 84. t. 80 hat sie viele Aehnlichkeit. Folia radi-
ealia houa a , liliato - ifpida , numerosa in orbem pofita ,
petiolata; Caulina felsilia, rara, vtrisque integerrimis. Flores
et filiquae, quae aliquantum incuruatae, alternae. Caulis in-
fra hipidus, fuperne glaber. Potala alba.
Eine besondre Art von Scandix ist es, dem ich den Tri-
vial-Nahmen von ihrem Vaterland ertheile. -
Scandix gilanica.
A ( S. Pl. 31. Nr. 2. )
Die Pflanze hat eine dicke, in die Quer lauffende, durch
viele zirkelförmige Runzeln ungleiche, und in zwei oder drey
vor andern beträchtliche Aete abgefonderte Wurzel, welche fich
wiederum in andere kleinere, mit Fafern verfehene spaltet. Aus-
we dig ist, fie gelb, und inwendig weiß. Sie hat einen süffen
den gelben Rüben ähnlichen Geschmack, und ich glaube daher,
daß sie zum Effen gar gut tauglich feyn wird. Aus dieser
Wurzel steigen eine, zwey und mehrere Stiele in die Höhe, die
glatt, grünlich roth, an ihrer Grundlage ungemein dick und ge-
krümmt, hernach aber etwas mehr aufrecht find, doch fo, daß
fie niemalen ganz gerad werden. Diese Stiele find ferner ihrer
ganzen Länge nach gestreift, und in viele Aefe geheilt, die wie
die Stiele gebildet sind, und fich abermal in andere kleine Aleste
absondern. Folia chaerefoli petiolata, bafi fipulata , tripin-
nata, pinnulie oblongis, obtufis, integris. Vmbelas laterales
- - tere
J04 «A, H „F-
terminalesque, pedunculatae, radiorum circiter decem. Inus-
Luerum vniuerfalls nullum: partials tetraphillum, Foliblis ob-
logis, acuts, patentibus. Die am radio befindliche Blumen
sind gemeinglich unfruchtbar. Die Saamen länglich befielt,
gefurcht und glatt.
Mit gutem Grund hat der Herr v. Lime die Caucalis
aruerfis latifolia, B. in der neuesten Ausgabe seines Naturfs
zu der caucalis gebracht, dann die Tellerblumen sind ja
ey derselben männlich. Ich ergänze mit folgender Beschreibung
ihre ganze Geschichte. Ihr Stiel ist unten einen Daum dick
roch, oben ältig und grün, feiner ganzen Länge nach glatt und
tief gefurcht. Falia pinnata, parium 2. et 3. pinuir mauscu-
lis, oblongis, ferratis, non nunquam vnum ex lateralbus bifi-
äum. Die Pflanze liebt trockene und sandigte Pläße zu ihren
Auffenthalt, sie blühet den ganzen Frühling über bis in die
Mitte des Sommers; man findt sie auch an den Landfraffen
und den trokenften Hügeln. -
Man weiß schon lang, daß Persien die Heimath der
Syringen fey: von derjenigen Art zwar, welche Puknet unter
dem Nahmen Syringa Babylonica indiaf den foribar Folie,
bekannt gemacht hat, scheint der Schwedische Ritter noch nicht
vollkommen überzeugt zu feyn; da ich fiel aber, an der südwest-
Mchen Küste der caspischen See eben so häufig, als die gemeine
angetroffen habe, so ist mirs lieb, daß ich ihm feinen Zweiffel
hiemit vollkommen benehmen kam. Jedoch in diesen Tagen
wurde mir noch eine andere Gartung von diesem Geschlecht be-
kannt, die den übrigen an Schönheit nichts nachgiebt, und von
der ich vermuthe, daß sie noch nicht beschrieben sey.
Syringa capitata.
( S. Pl. 32. n. 1.)
Die Staude ist ohne Stacheln, entweder so hoch als die
persische Syringe, oder größer und in zahlreiche, verlängerte,
gerade, wechselsweise geordnete, oder ein ander entgegen gesetzte
Aefe geheilt. Die Blätter, die solche bekleiden, find in gan-
zen Büscheln bei einander versammelt, entweder an beiden
- N, F - 305
k,
-
Seiten derselben befestiger, oder nur an der einen, wiederum
entweder wechselsweise geordnet oder einander entgegen gesetzt.
Die untern find pinnata und bestehen aus zwei oder drey Paa-
ren fammt einem ungleichen; die pinnae find länglicht, stumpf,
ganz und flieffen gegen ihrer Endung gemeiniglich zusammen:
Die obern Blätter sind entweder dreifach oder einfach, eyför-
mig, ganz, oder ungleich gespalten. An den Spitzen der Aete
fizen auf beiden Seiten und in einer genugfamen Entfernung
von einander, aber dennoch in einer groffen Anzahl die Capi-
tula der Bluthmen, die sich manchmal in eine traubenförmige
Aehre verlängern. Der Kelch ist ganz klein, wie ein Becher
gestaltet, einblättericht, und hat eine vierfach gezähnte Mündung.
Die Corola ist trichterförmig, ihre Röhre sehr lang, und ihr
Saum in vier länglichte zurückgeschlagene Einschnitte gespalten.
Die Geburtstheile beiderlei Geschlechts verhalten sich wie bey
den andern Gattungen. Die Saamen - Kapseln find inwendig
in zwei Fächer abgesondert, und in einem jedweden Fach ist ein
Saamen enthalten. Die Farbe der Bluhmen fällt von dem
Himmelblauen ins röhliche; der Geruch, den sie von sich ge-
ben, ist überaus angenehm. Ueberhaupt verdient diese Staude
in den europäischen Gärten einen vorzüglichen Platz, auch aus
dem Grunde, weil sie im Frühling und im Herbst blüher.
In der türkischen Sprache so wohl, als in der persischen führt
sie den Nahmen Jaffnnan. Sollte jemand denken, daß sie
nichts anders als eine Spielart der Syringa perfica des Hrn.
v. Linne fey, und zwar Syringa foliir lanceolativ integri df
fisput, so antworte ich, daß die angegebene Kennzeichen und
insbesondere die Beschaffenheit der Blätter als etwas beständiges
von mir bemerkt worden, und daß mir die Varietät, von welcher
eben jetzt die Rede war, mit der Syringa des Pluknets folis
integris, gleich häufig vorgekommen fey, ohne daß ich an einer
oder der andern jemals geflügelte Blätter hätte entdecken können.
- - Silene oppositi folia. - - -
" ( S. Pl. 32. 2. )
Die Wurzel ist fasericht, weiß und zart. Von dersel-
ben erheben sich viele halb auf der Erde liegende, einen halben
Dritter Theil, Q q A Fuß
36- •A, - „F- -
Fuß und darüber lange, einfache und etwas wolkichte Stiele,
Die Blätter sind einander entgegen gesetzt, und die Paare der
feben, einen Zoll mehr oder weniger, unter sich abgesondert
Sie find Linien- Lanzenförmig, ohne einen besondern Stiel an
dem allgemeinen feste, wollicht, und diese Wolle nimmt mit dem
Alter der Pflanze zu. Nach der Linneichen Einheilung des
Silenen - Geschlechts kam man diese Gattung sowohl unter dieje-
nige Ordnung rechnen, die solche Pflanzen enthält, die einzelne
Seitenbluhmen tragen, als auch unter diejenige, bei denen fie
aus der Spaltung des Stiels hervorkommen: dann dieser letztere
Fall findet statt, und die Bluhmenträger sind einzeln, verlängert,
und etwas haarigt. Der Kelch ist länglicht, halbroth und
halbgrün, Venofo reticulatus, unten verdikt und ungemein haa-
rigt, oben iu fünf länglichte, und bei ihrer Endung zurückge-
schlagene Einschnitte geheilt, die so groß als die vngues" find.
Die Bluhme besteht aus fünf, hübsch rochen, zweifach gespal-,
tenen Bluhmenblättgen, und eine jede Abtheilung derselben ist:
vermittelt einer kleinen Krone ausgezakt. Zehen haarförmige
Staubfäden haben die Länge der vnguium. Der Eyerstock
ist cylindrisch, die drei Stiele sind so lang, als die Staubfä-
"T Stigmata fimplicia, capitata. Fruäur calycini,
Erect.
Sie wächst auf allen fandigten Stellen der Previnz G-
lan, und blüht, mit dem Acker- Ehrenpreiß (veronica aruensis)
und verschiedenen Gattungen des Storchschnabels (geranium)
zusammen. -
Auch habe ich Gelegenheit gehabt, einige besondere
Wicken-Gattungen zu beobachten. -
Vicia clymenum.
( S. Pl. 33. 1.) - -
Diese Pflanze ist gleichsam ein Mittelding zwischen dem
Lathyro clymenum und der vicia fatius, mit der letztern aber hat
' noch mehrere Aehnlichkeit, nicht nur vermöge des Characters,
ondern auch der Gestalt nach: Ja, ich würde sie würklich für
dieselbige halten, wo nicht ihre Bluhmen sowohl, als ihre Scho-
ten mit Stielen versehen wären. Diese Stiele tragen bald eine,
- - - und
- - - - - - - Sey
-
und bald zwo Bluhmen, und nach dem Verhältnis der Bluhmen
richtet sich die Anzahl der Schoten. Aber die Blätter und die
tipuln find eben diejenige, mit welchen die Vicia fatiua ver-
fehen ist. Die Bluhnen haben bald eine bläulichte, und bald
eine gelbe Farbe. Die Schoten sind haarigt. - Die Pflanze
wächst mit der vorigen zusammen.
Vicia existipulata.
(S. p. 33. 2.)
Ein sehr niedliches Gewächse, welches Aehnlichkeit hat
mit der Vicia pedunculis vnifloris, floribus laxis folis ouatis,
infra glaucis, ' Sib. III. p. 1 t. t. 3. aber in andern Eigen-
fchaften ganz und gar von derselben abgehet. Es befizt solches
eine dünne, weißlicht gelbe, und faserichte Wurzel, deren Aeste
auf beiden Seiten mit augentreibenden Knoten versehen find.
Die Stiele erreichen felten die Höhe eines Fuffs, sie find rund,
und wie die ganze Pflanze, glatt. Die Blätter haben keinen
besondren Stiel, fiel find einander entgegen gesetzt, fallen von
der Herzgestalt in die nierenförmige, führen an ihrer Grundlage
auf beiden Seiten deutlich hersen Zähne, und lauffen in
eine zugespitzte Endung aus. Sechs bis vierzehn Paare von
denselben sind gemeiniglich an den Stielen befestiget, und fast
zwischen einem jeden Paar bedbachtet man Cirrhos. Die Bluh-
men endigen die Stiele; fie find mit groffen Trägern versehen,
einzeln und gelb. Der Kelch dift einblätterig, in fünf lanzen-
förmige, gleiche und spitzige Einschnitte gespalten; die Fahne
ist oberhalb zurückgeschlagen, und auf beiden Kanten wie ein
Schifboden gebildet; die Flügel sind um ein Drittel kleiner, als
die Fahne, und an den Seiten zurückgeschlagen. Die Carina
ist ungemein gewölbt, und vorwärts zurückgebogen. Die Staub-
fäden sind zweybrüdericht, das Stigma bartigt, und die
Schoten glatt. -
Ich habe diese Pflanze mit der vorigen zu gleicher Zeit,
und auf einerlei Stellen angetroffen.
Q q a Ifatis
Mo- . - -
1ätis Lusitanica
Buxb. Cent. I. T. V.
Ich ergänze die kurze Beschreibung des Buxbaums
mit folgender Anmerkung. Die Wurzelblätter sind breit,
lanzenförmig, ausgesäget, und rings um die Wurzel geordnet.
Von denselben drückt die buxbaumnische Abbildung gar nichts
aus. Die an dem Stiel befindliche Blätter sind wie ein Spieß
gestaltet, und an folchem ohne einen eigenen Stiel, festes
an den untern, welche ungemein wollicht aussehen, bemerkt man
von ihrer Mitte an deutliche Zähne. Die obere hingegen find
ganz und glatt; welches gedoppelten Umstandes, Buxbaum aber-
mal in seiner Zeichnung nicht gedenket, aber die wechselsweise
Ordnung der Blätter und den Bluhmenkamm hat er schön vor-
gestellt. In den persischen Individuen find die Bluhmen weiß.
Die Pflanze wächst in der Nähe der See, und ist mit einer
fafrichten, senkrechten , zarten und gelben Wurzel versehen,
Sakix excellä.
( S. Pl. 34- Is )
- Der Baum wächst ungemein hoch, ist mit einer asch-
farbenen Rinde überzogen, und spaltet sich in viele Aleste, die
wechselsweise geordnet find, und eine Leberfarbe haben. Die
Knospen bestehen aus einer Klappe, find länglicht, frohfarben,
oberhalb gekrümmt, und zugespitzt. Die zwischen ihnen befindliche
Blätter führen keinen deutlichen Stiel, haben eine länglichte, ey-
erförmige Gestalt, und find zugespitzt: die untern sind, ganz, die obere
fehr oft gefäget, beyde auf ihrer untern Fläche wollicht, auf der
obern, aber glänzend und schimmelfarben. Die Bluhmenkäzchen
entspringen aus eben diesen Knospen mitten zwischen den Blät-
ern, sie haben eine herabhangende Lage, find ährenförmig, und
mit eigenen Stielen versehen. An Staubfäden gebe es der
Anzahl nach zwey. Der Baum wächst im Sande.
Salis
z, I - 3és
Salix Babylonica.
( S. p. 34. 2. -
- -
-
-
- - Ist jemalen ein Baum, der von auffen - ein wunderli-
ches Ansehen hat, so ist es dieser. Seine Blätter find eyer-
tanzenförmig, scharf eingefägt, ganz glatt, mit einer weißen
Rippe versehen, und mit einer länglichten Borste geendiger.
Seine purpurfarbene Aefe find so schlapp, daß sie von defen
obersten Gipfel, ( und er hat eine fehr ansehnlicher Höhe), bis
auf die Erde zu einer nicht geringen Belustigung herunter han-
gen. Die Stipulae find klein, und rund: statt derselben be-
merkt man auch öfters nur eine Drüse in der Gestalt eines
Punkts: Die Blätter-Stiele alle beobachten unter sich eine
wechselsweise Ordnung, und fie haben, so wie die Aete, eine
abhangende Lage. Auch die Blätter find wechselsweise geordnet,
und führen keine eigene kleine besondere Stiele. Die Knospen
bestehen wie bei der vorigen, aus einer einzigen Klappe, fie
find etwas verbreitet, und aus ihnen entspringen gleichfalls die
Bluhmenzäpfgen. Dieser Baum, der nicht nur jetzund, fondern
auch schon im Märzen blühete, gehört unter die feltene gilani-
# Weidenarten, wird von den Innwohnern wegen einer Ge-
alt vor andern geliebt, und von ihnen in ihre Gärten oder
auch wohl auf ihre Haußhöfe verpflanzt. -
Der traubenförmige Hyarinthe (Hyacinthus Botryoides),
der haarigte (como (ns) und der Hyacinthus oblongo flore,
caeruleus maior, Bauh. pin. 43, blüheten in schattichten G-
senden. -
- Cucubalus procumbens.
Die Pflanze druckt den Charakter dieses Geschlechts voll-
kommen aus, und sie hat Aehnlichkeiten mit dem Curubalo Co-
tholico und mollissimo des Hrn. v. Linne; aber mit der Alfine
media des Bauhins kommt sie so genau überein, daß ich
gar vermuthe, fie fey aus derselben vermittelt einer Begat-
ung, mit dieser oder jener Gattung vom Cucubalus» ent-
fanden, -
Ql q 3 Die
20 A, - „FP
Die ganze Pflanze ist haarigt und wollicht, sie legt sich
mit ihren Stielen auf die Erde nieder, wird eine Hand und
felten einen Fuß lang und ist mit einer überaus zarten, faserich-
ten und jährigen Wurzel versehen. Die Stiele find rund,
rün, oder grünröthlich, und oberhalb in zwei Theile gespalten.
ie Blätter haben keine eigene besondere, sind einander entges
gen gesetzt, stehen in groffen. Zwischenräumen, besonders nach
oben zu, unter sich ab, sind in der Mitte mit einer tief auf
fenden Rippe versehen, an ihrer Spitze stumpf und ausgeran-
det, an ihrem Rand aber mit kleinen Haaren besetzt. Forte
in panicula dichotoma disposite , fingulis ad vltimam di-
visuram vsque pedcellatis. Die Bluhmenblättgen sind weiß,
und haben eine zweifach gespaltene Spitze: Die Staubfänden
nur halb so groß, als die Bluhmenblättgen, und die drei Stiele
find von ihrer Größe. Die Kapseln sind inwendig in drei
Fächer abgesondert, und enthalten zahlreiche und runde Saamen,
Die Pflanze wächst auf steinigten unfruchtbaren Stellen-
Loeflingia Capica.
( S. Pl. 35. r. )
Die Pflanze liegt gänzlich auf der Erde nieder, noch
mehr als diejenige Gattung, die zu diesem Geschlechts-Nahmen
Gelegenheit gegeben hat, fie ist aber ganz glatt, und wächst
Büschel weise. Sie hat eine weiße senkrechte, hin und wieder
zaferigte, und knotigte Wurzel. Ihre zahlreiche Stiele find
ungefehr einer Hand hoch, ungemein ältig, und kriechen auf
der Erde. Die Aefe find wechselsweise geordnet, und ihrer
ganzen Länge nach mit den Blättgen wie befäet. Diese haben
eine länglich eyerförmige Gestalt, find halb wirbelförmig, an
ihrem Rand kaum etwas haarigt, und verlieren sich bei ihrer
untern Endung in die Blätterstiele. Auch die Bluhmen find
dicht bey einander versammler, mit ihren eigenen Trägern ver-
fehen, und fo klein, daß sie kaum ins Gesicht fallen. Der
Kelch wird in fünf lanzenförmige, zugespitzt, und inwendig
auf beiden Seiten weiß ausgerandete Einschnitte gespalten. Die
fünf Bluhmenblättgen find vnguiculata, und um die Hälfte
kleiner, als die Einschnitte des Kelchs. Hingegen ken,
rey
-
•R, - „F- 3er
drey Staubfäden die Länge von denselben, ihre Spitzen aber
sind gelb, und in zween Theile merklich abgesondert. Der
Byerstock ist dreywinklicht, und hat eine Herz-Nierenförmige Ge-
falt. Kaum entdekt man eine Spur vom Stiel; das Stigma
' ' Captatum. Die Saamen find länglich, eyförmig und
"EC).
Diese Pflanze wächst sowohl am Ufer der Caspischen See,
als in einer mehr oder wenigern Entfernung von demselben, aber
nirgends als auf fandigten Stellen. Sie blüht den ganzen
April über.
Scdum Stoloniferum.
( S. Pl. 35. 2. )
Es hat diese Pflanze eine ungemein dünne und faserichte
Wurzel. Ihre, eine Hand und einen Fuß hohe, Stiele krie-
chen über der Erde, sind mit vielen Nebenschoffen versehen,
roch, ihrer ganzen Länge nach durch Quer-Einschnitte gleichsam
geheilt, und blos. Erst an ihrem Gipfel kommen die Blätter
zum vorschein. Sie find halb keilförmig, büschelweise, hohl,
und unmerklich gezähnt. Cyma feffilis terminalis, folioia. Die
Bluthmen sind Purpurfarben, der Kelch fünfblättericht, und die
Blättgen desselben länglicht, stumpf, longitudine petalorum.
Die fünf Bluhnen Blättgen find Lanzenförmig und zugespitzt.
Das Kraut wächst auf den Mauren von Gillan, und
auf steinigten Hügeln. •
Vom vierzehnten. Heute wurde eine Exeurfion nach
dem Caspischen Wege veranstaltet. Similar China, welcher
Pflanze ich schon zu Anfange dieses Theils erwehnt habe, zeigte
bereits ihre Bluhmen, und sie bestätigten den Linneanischen Cha-
rakter vollkommen. Die Persianer nennen dieses Gewächs
Volasbur, die Türken und Armenier Schabaschi. Diese
morgenländische Völker aber alle bedienen sich der neu hervor.
kommenden Sprösslinge derselben, wie wir Europäer der Spargeln
Eine neue Gattung von dem Geschlecht der Birnen war in ih-
rer vollkommenen Blüthe, und unterscheidet sich von allen an-
dern darinn, daß sie gleich einer Mespel fachlicht war, é"
6-s
32 <A HR „F-
Stacheln aber zeigten sich theils ältig ? theils einfach, der Baum
hat die gewöhnliche Höhe eines Apfel- oder Birnbaums und so
wie bei diesen verhält sich auch die Einheilung der Aete; die
Blätter aber find ablänglich, ganzhaarigt, wann sie aus dem
Aug entspringen blutroth, und erst nach einiger Zeit grün, fie,
sitzen auch immer auf dem allgemeinen Stiel feste. Die Bluh-
men sind anfehlich groß, weiß, und kommen aus den Achseln
der Blätter ohne einen besondern Bluhmenträger hervor. Die
Röhren sind an der Zahl bald vier, und bald fünf. Die Aepfel
haben theils eine länglichte, theils länglicht - runde Gestalt, sind
inwendig in ihre gewöhnliche Kammern abgeheilt, und schme-
ken nicht unangenehm. Der Baum heißt bei den Morgenlän-
dern Asgil und wird von denselben aus seiner Wildniß in ihre
Gärten verpflanzt. Die spanischen Fliegen bemerkte ich heute an
einer Pflanze, wo sie noch kein Naturforscher gesehen hat, nem-
lich an der zitternden Aespe, an welcher fiel ein zahlreiches Lager
aufgeschlagen hatten. Das kriechende Fünffingerkraut zeigte
auch jetzund deutliche Spuhren von den ukrainischen Coccus.
Den fünfzehnten. Heute botanisierten wir in dem Walde
nach Peribasar. Die Waffernenthe heißt in der hiesigen
morgenländischen Sprachen Nana, und wird von den Morgen-
ländern als ein vortreffliches Herz- und Magenstärkendes Mittel
rühmt, und von denselben roh und gekocht, gegessen. Mit den
eeren des Holunders färben die Armenier, in deren Sprache
der Baum Arizil heißt, den Wein dunkelroth. Der Gebrauch
des Ahorns ist den Persern, die ihn Tschitadscha nennen,
eben fo wenig unbekannt, als den Ruffen; sie verfertigen nem-
lich, aus dem Holz ihre Flintenschäfte, die allerbesten aber find
die, welche ihnen die Wurzel verschaft. Der reiffen Beeren des
Alkekengi bedienen sich die Armenier wieder den Durst, und
die damit verbundene Trockenheit des Mundes. Den reiffen auf
geschwollenen Kelch, welcher bekanntlich die Stelle der Saamen-
kapfel vertritt, legen fiel in die Butter, und kochen dieselbe eine
Zeitlang, um ihr eine angenehme, gelbrothe Farbe zu geben.
Cornus fänguinea fieng an zu blühen. Der türkische Nahmen
des Baums ist Murdadscha, der armenische Alafchari; der
Aberglaube hält ihn hier für verdächtig, fo, daß man ihn nicht
in die Hand zu nehmen, räth, „woferne man nicht unglücklich
fyn“ will. - Den
-, R. gs zug "
Den fechszehnten. Ich besuchte heute mit einigen, den
in einer Gesellschaft den Aeltesten der Juden, welche hier ihre eigene ' n
Slebode ime haben. Die Persianer nennen dieselbe Jahud, "dlichen
die Armenier Tschutt und die Grusiner Ulria. Sie selbsten Persien
haben den biblischen Nahmen der Israelen beibehalten. Sie aufhalten-
sind durch das ganze mitternächtliche Persien zerstreut, eheils in den Juden
einzelen Familien, und theils in mehr oder weniger beträchtli-
ehern Horden. Sie sagen selbsten, daß sie hieher als Gefan-
gene gebracht werden feyn, und die Stämme Juda und Ben-
jamin geben sie als ihren würklichen Ursprung an. - Ihre Rab-
binen verstehen die hebräische Sprache. Sie selbsten aber reden
diejenige, welche in dem Distrikt üblich ist, den bewohnen,
cht.
und diese wird auch in ihren Synagogen gebrau Sie hal,
sen sich längst den an der Küste gelegenen Provinzen auf, auch
wohnen einige auf dem angrenzenden Caucasischen Gebürge. Einige
leben von dem Ackerbau und von der Viehzucht, andere ernährt
ihre Favorit-Wiffenschaft, die Handlung. Sie waren ehmalen fehr
zahlreich; das persische Joch aber, welches ihnen in ältern und
neuern Zeiten allzu befchwehrlich gewesen ist, hat sie veranlaßt nach
und nach, ihre Wohnungen zu verlassen, und tieffer in das Ge-
bürge zu ziehen, fo daß anje so ihre Anzahl bis auf den zehn-
een Theil geschmolzen zu feyn fcheine. Ich habe auch unter
ihnen welche angetroffen, die sich mit der Ausübung der empy
vischen Arzneywiffenschaft, und andere, die sich mit nichts, als
dem in dem Orient so gewöhnlichen Menschen - Handel abgeben.
Die Zeit, die Noth und die Gewohnheit hat auf dieses Volck
stark gewirkt, daß es einem Unbekannten fehwehr fallen folte,
die fonsten so kenntliche Juden in Persien als solche von andern
zu unterscheiden. Sie gehen mit den orientalischen Christen fd-
wohl, als den Mahumetanern, wie mit ihres gleichen, um :
Sie effen und trinken mit ihnen. Die morgenländische Falsch-
heit, entweder weil sie ihnen natürlich oder weil sie ihnen möchig
ist, giebt die Triebfeder aller ihrer Handlungen ab. Sie ist
es, die vermuthlich viele bewogen hat, die mahumeranische Re-
ligion anzumehmen, und sie ist es auch, die bei ihrem hier zu
Laud weit augenscheinlicherem Elend, als ihrer europäischen Brü-
der, ihnen dannoch nicht verstattet, an ihre Umstände zu ge-
denken, und durch ein innerliches Gefühl ihres Verderbens fich
zu verbeffern. Sie bekümmern sich gerne um Rachrichten, die
Dritter Theil. R. r ihre
3T4 «A, JF-
ihre auswärtigen Glaubensgenossen betreffen; doch, ohne däßlich ein
. . . Verlangen gemeinschaftlich mit denselben zu leben, bemerkt hätte.
. Die Abgaben, die sie tragen müffen, find verschieden; an den mei-
sten Orten läßt man ihnen kaum fo viel übrig, daß sie leben
können. Ueberall erdulden fiel die größte Verachtung, und die-
febe nicht nur von den Regenten und Vornehmen, sondern von
einem jeden Muselmann, der ein Vergnügen daran findet, sich
über fie lustig zu machen. Sie sind ohne alle Ursache oder
wenigstens bei den geringsten Versehen oder Fehlern den schwehre-
sten Leibes- und fo gar Lebens-Strafen ausgesetzt; ja ein jeder
kan fich über einen Juden hermachen, ohne deswegen befragt
zu werden. Jedoch befinden sie sich bey Hedlaet Chan in et-
was bessern Umständen. Dieser Herr, welcher nichts aus der
Acht läßt, was einen Einfluß auf feinen Nutzen hat, weiß
fich auch zu diesem Entzweck der Juden zu bedienen. Ihr Ael-
rester, den ich heute besuchte, ist fein Mäkler, und handelt mit
einigen seiner Cammeraden auf Rechnung des Chans, oder we-
nigstens auf den halben Gewinf; daher genießen die Juden
viele Freyheiten, geben statt Abgaben Geschenke, und befinden
sich bei dieser Haushaltung wohl. Von dieser ihrer Herrlichkeit
giebt man auch noch eine andere Ursache an. Der Aelteste des
Volks hat eine schöne Tochter. Diese soll eine groffe Freundin
des Chans feyn, und wegen dieser Freundschaft viele Gelegenheit
ben, für ihre Landsleute ein gutes Wort zu sprechen. In der
hat, ihr patriotischer Vater nahm mich heute so auf, daß es
ganz deutlich zu fehen war, er müffe ein Mann von guten Mitteln
gNachricht feyn. Eine Wein-Gattung, die er reichlich herumgehen ließ,
von einem verdient hier eine kurze Anmerkung. Sie wird folgender Maf
gekochten fen bereitet. Man kocht den ausgepreßten Saft so lange, bis
Wein- fich oben ein Schaum von einer mäßigen Dicke fetzt, den man
mit einem Löffel abnimmt; nachdem er abgenommen ist, füllt
man das Nachgebliebene in irrdene Gefäffe, gräbe solche in die
Erde, oder fzt fie fonsten an einen kühlen Ort, und läßt den
Saft auf diese Weise ohngefähr drei Monath lang ruhig ste-
hen, binnen welcher Zeit dann die Gährung vorgeht. Der in
Wein verwandelte Most wird hierauf ausgeschöpft, durchgesiebt,
in Fäffer gethan oder in Flaschen gepropft. Ein also zubereite-
ter Wein gleicht dem Geschmack, der Farbe, der Confistenz und
der Stärcke nach, einem Spanischen oder Portugisischen vollkom-
- Mens
«A, + „so 315
men; verursacht aber, wann man sich defelben ein wenig zu
viel bedient, beschwehrliche Kopfschmerzen. Wann man die Hälfte
folchen ein Jahr alt gewordenen Weins mit der Hälfte eines
neubereiteten vermischt, so erhält das Getränck eine beständige
Dauer; und verfährt man von Jahr zu Jahr damit auf gleiche
weife, so bekommt man endlich ein ätherisches Oehl daraus,
Unter den Confituren, die mir mein Jud vorsetzte, waren auch
geröstete Mandeln, Pistacien, famt der Nochotta mit Salz ü-
berzogen; dies ist hier zu Land eine gewöhnliche Art, die Gäste
höflich betrunken zu machen. -
Von sieben zehnten. Heute begieng man den letzten Feyer- Von der
tag, der Huffeins Märtyrer-Tode gewidmet war, und der am aller-Huffins-
meisten den Eifer, die Einbildungskraft oder vielmehr die Tollheit der Feyer.
Perfer rege macht. Ich habe in dem Abschnitt von der Reli-
gion der Perfer dieser Feyertage bereits gedacht, und nun er-
zehle ich die dabei von mir als einem Reisenden beobachtete Ce-
remonien. Muharemun ist der erste Monath des Persischen
Jahrs. An dem zehnten Tag desselben ist Huffin, der Sohn
des Ali, von Jefib, dem Fürsten zu Damaskus, wieder den
er ins Feld gezogen, umgebracht worden. Ist es ehmalen in
der Christenheit Mode gewesen, Religions-Kriege zu führen,
und ist es noch heutiges Tags unter den Christen Mode, einen
Religions-Haß unter einander zu hegen, so find unter den Mu-
felmännern Sunnischer und Schachischer Secte, jene weit hitziger
geführt worden, und dieser herrscht unter den Feinden der
christlichen Wahrheit auch jetzo weit nachdrücklicher. Huffin
nachdem er bon den Anhängern des Oners ausgehungert wor-
den war, wagte endlich, voll von Verzweiffelung, einen Angrif
auf das feindliche Heer, und wurde ein Opfer defeben. Das
Andenken dieser Begebenheit beständig zu erneuern, und ihren
Grimm deswegen gegen die Türken zu bezeugen, find die zehn
erste Tage des Monats Muharemm darzu ausgesetzt, daß in
denselben der ganze Verlauf der Sache auf der öffentlichen
Straffe theatralisch vorgestellt wird; fast auf eine ähnliche weise
als die Papisten die Leidensgeschichte des Erlösers dem Pöbel
imlich machen. Zehn Tage befiehlt der Koran; ein Regent
aber kan diese Zeit nach seinem Belieben verändern; wie dann
im Rächt siebenzehn damit verschwendet worden find. Des vor-
- - R. r 2 mittags
316 A, P. „Es
mittags erscheint das Volks in den Mescheten fleißiger, als
sonsten. Da werden aus der Geschichte der Märtyrer ( Ruh-
fetusi ) jedes mal gewisse Abschnitte vorgelesen, zuweilen auch
abgesungen, um Husseins Märtyrer-Tod recht lebhaft vorzu-
stellen. In den ersten Tagen stellen sie sich an, als ob ihnen
derselbe noch unbekannt wäre. Sie heucheln diesfalls eine Un-
gewißheit, erscheinen des Nachts Slobodenweise mit Fackeln und
Kerzen auf den öffentlichen Straffen, schwermen auf denselben
viele Stunden lang herum, da dann eine jedwede Slobode von
einer Fahne begleitet wird, in deren Nachbarschaft eine Stange
die sich an ihrem Gipfel mit einer ausgereckten Hand endiget,
zu bemerken kommt, da ein großer Theil dieser Schwermer ge-
wiffe auf diese Feyer verfertigte Lieder mit einem entsetzlichen Ges
fährey herfingt, fich die Brust entblöfft, durch heftige derselben
zugefügte Schläge, fo, daß sie ganz, roth wird, und aufschwillt,
ihre Unruhe zu erkennen giebt; da dann der Nahme ihres ver-
mißten Propheten beständig, in der Luft erthönet, und fich alle
Glieder der Proceßion, nach demselben in allen Winkeln umse-
hen. Man sollte bei dieser Gelegenheit, nichts als Spuhren ei-
nes traurigen und wehklagenden Herzens erwarten; aber weit
gefehlt. Man erblikt bei allen Handlungen nichts als die Triebs
eines ergrimmten Thieres, dem die Macht. mit feinem Grimm
zu schaden benommen ist. Alle Leidenschaften drücken sich durch
ein rasendes Lermen aus, welches fehr oft durch das unane
ständigte. Gelächter unterbrochen wird. In den ersten Tagen
erscheint die Proceßion. auf den Straffen, nur in der Nacht,
in den mittlen und letzten zeigt sie sich auch des Tages, und
die mehrere damit verknüpfte Umstände machten das Schauspiel
merckwürdiger. So viel. Sloboden in Räscht, find, so viel sieht
man auch Proceßlionen, davon eine jede ihren bestimmten Sams
melplatz hat, der eine breite Gallerie vorstellt. Dieser wird auf
Kosten der Slobode mehr oder weniger ausgeziert; zu. der Aus-
zierung, werden Goldstücke, Sammet, Stoffe, Metalle, Schieß-
gewehre, Helme, Früchte u. f..w. gebraucht, nicht als wann
man Huffeins Tod, sondern ein größtes Ehrenfest feiern wollte:
Auf diesen Sammelplätzen, bei welchen der Sloboden - Aelteste
das Commando führt, sieht man das Grabmal des Huffins.
In demselben wird das Schwerdt, mit welchem er gefochten,
fein Bogen und Schußgewehr vorgezeigt. In einem andern
- … - - - - Winkel
-
_
A, H „R 317
Winkel fzt seine Familie gefangen. Die der Galerie entgegen
gesetzte Seite ist mit Bur- und Cypreffenbäumen verzieret. An
derselben steht eine Menge grimmiger Lermer, die mit ihrem
Geschrey dem Hals eben so stark zusetzen, als mit ihren Schlä-
gen der Brust; da mittlerweile besondere dazu bestimmte Säu-
ger dieses oder jenes auf die Umstände paffendes Lied, welches
mir noch am rührendeten vorgekommen ist, abfingen, und die
wegen dieser Feier besonders übliche Gastfreyheit Coffee, Thee,
versüßtes Waffer und Confituren denjenigen reichlich mit heilt,
* die anr dergleichen Sachen Geschmack finden; wobey auch des
Kallians nicht vergeffen wird. Sobald es Zeit ist, bricht der
Anführer der Slobode mit feiner Proceßion von dem Sammel-
platz auf, begleitet von den schreyenden Lermern und von einer
Menge Volks, worunter auch viele Weiber find; dann in die-
fen Tagen müffen ihnen ihre Männer die Erlaubniß gestatten, ihr
ºfonst ewiges Gefängniß zu verkaffen. Ein Fahnen-Junker fängt
mit feiner Fahne den Aufzug an, ihm folgt ein anderer mit der
beschriebenen Stange zur Seiten, dann kommt eins oder meh-
rere Handpferde, die mit Edelgesteinen behangen sind, und Huß
fins Staatspferde vorstellen follen. Auf diese erscheint ein Hauf-
fen von den mehrmals erwehnten Lermern, die nun ihr Geschrey zu
verdoppeln fcheinen; dann folgen die Slobodianer selbsten, mit Wachs-
kerzen in der Hand, in verschiedenen Hauffen geheilt, zwischen welchen
bald dieses bald jenes von den in dem Sammelplatz zum Andenken des
Huffeinischen Todes vorgestellten Sachen herumgetragen wird. In
dieser Ordnung gieng die Proceßion zu der Wohnung des Chans,
spielte, fung, schrie, unter den wunderlichsten Gebehrden auf dem
Hofe derselben eben so, wie sie vorher bei ihrer Galerie ge-
than, und wanderte von da durch alle Straffen der Stadt.
Da nun in Räfcht acht Sloboden find, so waren es auch acht
Proceßionen, und da eine jede täglich herumzog, fo war auf
den Straffen ein beständiges Getümmel. Die Ceremonie. endiget
sich auch nimmer mehr, ohne daß nicht einige Leute dabey ihr:
Leben einbüßen follten. Heute als am letzten Tag wurde Huf-
feins Tod selbst vorgefelle: Die Haupt-Ceremonien waren ei-
nerkey, nur schien fich alles noch unsinniger zu stellen, und ei-
nige giengen in ihrer Wuht so weit, daß sie durch Einschnitte,
welche fiel in die gefchorne Kopfhaut in die Länge und Quere
machten, sich also verwundeten, daß das Blut auf allen Sei-
R r 3 NP
318 - •A. - -
Von der
Perfiani-
fchen
Arzney-
- Wiffen-
fchaft.
ten herabfloß. Heute hörte die Verstellung auf, nach welcher
ihnen das würkliche Schicksal Huffins unbekannt war. Heute
veranstalteten sie ein Hand - Gemenge zwischen ihm und Jesb,
und in demselben wurd er mit seinem Anhang ermordet. Bey
der Proceßion stellt eine Person den Jefib vor, der neben der
fälben im Triumph anher reitet, und von andern Sängern be-
gleitet wird. Die mit Fesseln gebundene Familie des Husseins
erscheint hinter ihm, und auf dieselbe wird der Leichnam Hus
feins zur Schau herumgetragen, bei dessen Anblick, wie zu-
vor und nachgehends, die ganze Omerische Sekte in Ah-
grund verflucht wird. -
Es ist ganz deutlich, daß diese persianische Feyertage eben
fo gut in der Absicht, den Haß der Schahier gegen die Sun-
nier zu bezeugen, veranstaltet werden, als daß sie dem Anden-
ken des Huffins einzig und allein gewidmet feyn folleen; wie
wohl es ihnen auch um dasselbe dabey zuverläßig zu thun ist.
Wer die Perfer während der Dauer derselben zu fehen bekommt,
der hat alle Ursache an ihrer Vernunft zu zweiflen; maffen alle
ihre Handlungen eine völlige Uebereinstimmung mit derjenigen
ihrer haben, welche die Obrigkeit in Europa in gewisse dazu be-
stimmte Häuser einschlieffen muß. Ja diese erzwungene Raserey
herrscht unter ihnen fast durchgängig, und zu derselben gesellt
fich noch überdies, der in Persien einheimische Aberglauben.
Niemand untersteht sich in diesen Tagen etwas geringes oder
etwas wichtiges zu unternehmen, dann von allem waß er zu
thun beginnen follte, würde er sich, wo nicht den unglückselig-
fen, doch gewiß keinen guten Erfolg vorstellen. Die öffentliche
Geschäfte hören völlig auf, keine Streitigkeiten werden geschlich-
tet, kein Papier wird von den Regenten gestempelt, und die
Kaufbuden sind geschloffen. Aber die größte Laster gehen fast
öffentlich in dem Schwang, und man glaubt so gar, dieselbe
ohne sich zu versündigen, begehen zu können.
Den achtzehnten. Ich ließ heute den Indianischen
Wundarzt zu mir kommen. Aus Gelegenheit desjenigen, was
ich bei ihm von Arzneyen gesehen habe, will ich hier eine kurze
Beschreibung von der perfianischen Arzney - Wissenschaft mitthei-
len, da mir ohne hin vor meiner Abreise aus Räscht,
«A, H „s 319
- besonderes anzuführen übrig bleibt. Man vergleiche meine Sam-
lung mit der Europäischen Marktschreyerey, fo wird fich eine
zeigen, die man auch zum voraus leicht vermuthen
Onnte. - - -
- Die perfianische Arzney - Wiffenschaft gründete fich heils
auf gewisse Sätze, und theils auf den Aberglauben, welcher in
dem ganzen Orient, besonders aber unter den Perfern, Ara-
bern und Indianern das Fundament in den Wfenschaften, und
die Richtschnuhr zu allen Handlungen abgiebr. Beyde zusam-
men genommen haben die orientalische Arzney - Kunst in ein fo
lächerliches Lehrgebäude gebracht, daß auch aus diesem Stück
erhelet, nicht ein mal der Schein von wahrer Gelahrtheit fey
in denjenigen Provinzen übrig geblieben, in welchen ehmals die
Mufen ihren eigentlichen Sitz aufgeschlagen hatten. Meine An-
merkungen also, die ich machen werde, dienen allein dazu,
um die Curiosität einiger meiner Leser zu stillen, keines wegs
aber werden sie Europäischen Aerzten den geringsten Nutzen lei-
fen können. Ich verbitte daher diese Ausschweiffung, die mir
damnoch Mühe gekostet hat, eben so, wie ich es bey derjenigen
hat, die ich in dem Abschnitt von der Religion begieng, und
ich verbiete auch manche anstößige Stellen, die ich nur deswegen nicht
übergangen habe, weil sie den Charakter meiner Perfer aber
mal in ein helleres Licht fetzen. Wann jemand wissen will, wor-
"auf fich meine Nachrichten gründen, so antworte ich, daß mir
dieselbe allein durch den Umgang mit den persischen Aerzten bei
kannt worden sind, die mir theils ihre eigene praktische Lehren
und Erfahrungen mitgetheilt, als auch einige ihrer medicinischen
Bücher, die in der arabischen fowohl als in der persischen
Sprache geschrieben sind, ohne allen Anstand erklärt haben.
Alle Arzneyen find entweder von einer kalten oder war
men Natur. Eine jede hat verschiedene Stuffen. Diese ver-
schiedene Stuffen muß man nach der Verschiedenheit der kalten
umd warmen Krankheiten, der kalten und warmen Temperamente,
ganz genau wissen. Dies ist ein gewisser Satz-, .
Man muß ja keinem Kranken, es mag auch sein, was
es für einer will, nicht die geringste Arzney geben, ohne vor-
her seinen Puls gefühlt zu haben. Dies ist eine 2:
ed
320 - R, + „F-
Jedoch die Perser wissen von keinem andern Puls , als
dem langsamen und geschwinden, dem starken und dem schwas
chen. Sie fühlen den Puls fowohl an der Hand, als an den
Schläfen. Der Arzt muß überhaupt die Krankheit vorher wohl
untersuchen, damit er wisse, welche Arzney dem Kranken dien-
lich fey, oder nicht, von der Besichtigung des Urins wiffen die
perfianische Quacksalber nichts, noch weniger von der Betrach-
tung der Excremente. Entweder halten sie es nicht für nöthig,
oder es erlaubt ihnen solches die Religion nicht.
Wann der Arzt zu einem Kranken kemmt, so soll er
freundlich und aufgewekt mit ihm reden, und ihn ja nicht mit
einem fchlechten Zuspruch erfähröcken. Wann auch der Kranke
noch so fehwehr krank wäre, so muß man ihn mit aufgeweckten,
Reden aufmuntern, dann nichts trägt zur Befferung mehr bey,
als der Muth, den man ihm macht: Stirbt der Kranke, so
stirbt er ja nicht von der Hofnung, die man ihm zum Leben
gemacht hat. - :
Wann einer an einer hitzigen Krankheit in den letzten
Zügen liegt, fo muß man noch durch einige Aderläffe versuchen,
ob ihm nicht zu helfen fey. "
Der Mensch wird mit verschiedenen Krankheiten behaft
et. Der Kranke muß sagen, was ihm fehle, und wo es ihm,
weh thue, so wird der Arzt die Natur der Krankheit wifen.
Manchmal geschicht es, daß der Kranke nicht recht fagen kan,
worüber er eigentlich zu klagen habe, in diesem Fall foll der
Arzt aus andern Umständen auf die Beschaffenheit der Krankheit
fchlieffen, und dienliche Mittel dagegen vermittelt seiner Kunst
ausfindig machen.
Muhamet Ben Sakara (Mahumed, Zachariä Sohn)
lehrt von den Krankheiten folgendes: -
Kopf-Krankheiten entstehen von überflüßigem Geblüthe,
von der Hitze, von der Kälte, von warmen Winden, wie der
Arabische ist, und vom Magen. - -
Wann
A, F. „F * 3-
„ - Wann die Vollblühtigkeit Kopfweh verursacht, so ist
das Gesicht und die Augen roth, man kan das Haupt kaum
aufrecht erhalten, der Kranke schläft viel, er leidet Schwindel,
und es schweben ihm beständig düstere Wolken um die Augen
herum. In dieser Art von Kopfschmerzen muß man aus der
Ader Makal Blut abzapfen. Man bakt: Brodt, mischt Fen-
chel ( Kischmilch oder Kafchnisch, Perf.) darein, und giebt es
dem Kranken zu effen. Man läßt ihn den aus noch nicht ganz
reiffen Trauben ausgepreßten Saft trinken. – Zum gewöhn-
lichen Trank erwählt man den Gersten-Trank, und legt in den
' getroknete Weinbeeren ( Kischmisch, kleine Rosinen) und
nis. -
Ist die Hitze am Kopfweh schuldig, so vermischt man
Zucker mit Asba aul, und läßt davon den Kranken drey
Morgen hinter einander nüchtern trinken, foviel als er will:
Ist aber eine Verkältung Urfach, so vermischt man Bibergeil
mit Badam-Oehl, und zieht es in die Nase. Diese Verkäl-
tung giebt insbesondre zu zwoen Krankheiten Gelegenheit, davon
die eine Sauda und die andre Balgam heißt. Jene bedeutet
einen ganz gemeinen Catharr, und diese, wann die Luftröhre,
und wie wir zu sagen pflegen, alles, was zum Gebieth der
Schneiderischen Haut gehört, mit Schleim angefüllt ist. Diese
beide Krankheiten verrathen sich durch eine blaffe Farbe des
Gesichts. Man gebraucht dafür Sara -halila, Kara - halla,
Dalir und Bibergeil, und mischt alle diese Materien unter ein-
ander. Dann wird Kuhmilch gekocht, so lang, bis sie gelb zu
werden beginnt, und mit derselben trinkt man obgedachte Spe-
Thut der Kopf von warmen Winden weh, so nimmt
man Kampher, rothes Santalholz, Gullenilifer ( Turgut )
und Bluhmen von der weißen Nymphäa , mischt alles zusam-
men, schnupft davon und reibt auch den Kopf damit.
Saffrà heißt diejenige Kopfkrankheit, die vom Magen
herkommt, und mit einer Beklemmung des Herzens sowohl, als
mit vielem Erbrechen verbunden ist. In diesem Fall hilft der
Alaun, wann man ihn in einer genugsamen Menge heiffen
Waffers zerschmelzen läßt, und trinkt. – In der Hemikra-
nie ( Shakeka ) muß man aus der Ader Makal Blut zapfen
Dritter Theil, S s Ohren-
322 •A, H „F-
Ohren-Beschwerden schreiben sich entweder von kalten oder
warmen Winden her. Ist jenes, fo nimmt man groff buchari-
sche Alma ( es scheinen Aepfel zu seyn Y. Churma vrbis Hin
cle, zusammen ein Solotnik, kocht das Gemengel mit Waffer,
legt ein halb Solotnik Sara halila und fünf Solotnik Sarchisch
dazu, mischt alles unter einander, und giebts dem Kranken.
Ist dieses, so nimmt man Kampher und Bennae Chae-Ohl, und
tröpfelts vermischt in die Ohren. – Das weiße vom Ey
mit Frauenmilch vermischt, und ins Ohr getröpfelt, thut eben
diese Dienste. – Oder man gebraucht auf eben diese weise
Mohnsaft mit Frauenmilch.
Von den Krankheiten der Nase spricht Muhamet also:
Es hat jemand ein hitziges Fieber: Wann einem dabei die Nase
blutet, fo wird er gesund werden. Er führt bey dieser Gele-
genheit ferner an: Wann im hitzigen Fieber einer einen Schweiß
bekommt, fo wird er gefund. – Wann er sich bricht, so
wird es ihm leichter werden. – Wann er einen Durchfall
erhält, fo wird er beffer werden. – Wann er viel harnt,
beffert sichs auch mit ihm. –
Ein Nasenbluten findet bey denjenigen Menschen statt",
die eine warme Leber haben. Dafür hilft rother und weißer
Santal, Gül und Kaisa rubr. zusammen, fo viel man will.
Man mischt die Ingredienzien, macht mit Gerstenmehl einen
Teig damit, und bakt Brod davon. Drey Brodte ißt man
' morgens mit nüchtern Magen, und das Nasenbluten höret
(MU.
Reiffen in den Schultern, fo sich gern zum Nasen-
bluten gesellet, wann es von einer innerlichen Hitze herrührer,
erfordert nachstehende Arzney: Man nimmt geröstete Weizen-
kleyen, gießt eine hinlängliche Menge starken Weineßig darauf,
macht ein Kataplasma davon, und legt es auf den leidenden Theil,
fo wird sich das in demselben fokende Geblüth verlieren.
Wann das Herz hitzig ist, so giebt man dem Kranken
eine Mixtur von Waffer und Honig, in welche man Santal
gelegt hat, zu trinken. Er gebraucht dieselbe wann der Magen
mit Speisen angefüllt ist, nach der Mittags- oder Abendmahl-
- zeit
SA, L. „Es 323
z
zeit, und drüft die Gegend des Herzens fleißig zusammen. –.
Wann einer merkt, daß ihm eine Krankheit im Leib stecke, und
wer wird zu der Zeit von einem Nasenbluten überfallen, so muß
er kaltes Waffer auf feinen Kopf gieffen. Auch ist der ausge-
preßte Saft von Eselskoth, mit der Nase an sich gezogen, dien-
lich. Gleichfalls ein Reißpulver aus Galläpfel, der Bluhme
Gül und Erbsenmehl verfertiger, und ein anderes aus Campher,
den Mohnsaft und den Blättern Sütt. Eben diese Blätter,
mit den Fingern zerriben, und auf die Stirne gelegt, stillen
das Nasenbluten. Hilft dieses nicht, so reibt man Sangar mit
Eßig, und schnupft davon. Thut dieses keine Dienste, so läßt
man anf dem Arm zur Ader. Ist auch dies vergebens, so giebt
man Achtung, aus welchem Nasloch das Blut flieffe; wäre es
das rechte, fo muß man auf dem rechten Arm zu Ader laffen,
weil die Leber auf der rechten Seite liegt, wäre es aber das
Linke, so muß es, der Milz wegen, auf der Linken geschehen.
Wann einem von Zeit zu Zeit, doch ohne Ordnung,
die Nase blutet, so wird die Stirne oder ( Kytschga ) geöfnet.
Während der Operation werden beide Arme einige Zoll unter-
halb der Biegung des Ellenbogen und beyde Schenkelbeine ober-
halb der Kniescheibe vermittelt einer Binde fest zusammen ge-
drückt, damit die am Kopf veranstaltete Aderläffe um fo beffer
ins Werck gerichtet werde,
Von den Augen - Zahn-, Mund- und Halskrankheiten
giebt Muhamer nachstehende Vorschriften:
- Wann die Augen wegen der Vollblütigkeit wehe thun,
fo beschmiert man sie mit dem weißen eines Eyes: Wann die
fes nicht hilft, so öfnet man eine Ader nahe an den Augen.
Bey einem angehenden Staar macht man ein Collyrium
aus Orüp, den Meerschaum, aus Saccharo urbis Miller, und
Frauenmilch, und bepinselt damit die Augen. – Ist die
Krankheit Safftà an der Augenbeschwehrde schuld, so nimmt man
Tutia, vermischt sie mit unreiffen Trauben, fzt die Mischung
vierzig Tage lang in die Sonne, fo, daß ihre Strahlen recht
kräftig auf dieselbe würken können, und mit derjenigen Arzney,
welche daraus entsteht, beschmiert man die Augen.
S 8 2 Wann-
324 A, Y. se
Wann einem durch die Gewalt der Winde oder wegen
einer anderen Ursache die Lippen gespalten werden, fo mischt man
unter das Binnefchiar - Oehl das Pulver von den getrokneten
Blättern der weißen Nymphäa, und beschmiert damit die Lip-
pen. Auch ist für dieses Uebel die äußere Haut von getrokne-
ten Gurken, wann man die Lippen damit reibt, ein bewährtes
Gegenmittel. -
Wann die Mandeln aufschwellen, fo mischt man unter
einander Gül rubr. Sámok burdifiak. gallae Nárfe schi, Gar-
már, den Saamen Kadsjüra , Salmiak und Safran, und das
Pulver freut man auf die leidende Theile. - -
Wider die Ohrenkrankheiten empfiehlt Mahomed und
andere persische Schriftsteller folgendes: -
In Ohrenweh, Butter mit Eßig vermischt, und in das
Ohr gelaffen, vertreibt die Schmerzen. Wann der Mensch auch
gleich fast gar nicht hört, fo wird er das Gehör dannoch da-
durch wieder bekommen. Für eben diese Krankheit dient auch
Küh- und Pferdegale zusammen vermischt, und ins Ohr ge-
laffen. Will man noch etwas Butter dazu thun, so ist es auch
gut. Der ausgepreßte Saft von den Zwiebeln des Knoblauchs,
mit Schaafgalle vermischt, und in die Ohren gelaffen, ist für
ein übeles Gehör gleichfalls gut. So dient auch in diesem Fall
der ausgepreßte Rettigsaft, mit Honig gekocht, und ins Ohr
getröpfelt. – Eben so die Milch einer fuchsfarbenen Ziege
auf gleiche Weise gebraucht. – Haafengalle ins Ohr gelaffen
bringt das Gehör auch wieder. – Eben so die wäfferigte
Augenfeuchtigkeit eines Wolfs – Ferner Knoblauch mit
Schaafgalle ins Ohr gelaffen. – Auch das Fett aus den
Kameelbuk. ln und die Kameelgalle. – -
Die Asche des Holzes Out auf kranke Zähne gesträue,
vertreibt die Schmerzen, -- -
Dieses Holz ist sehr theuer, es foll nicht verbrennen,
und doch Feuer genung geben.
Die Frucht der Schadana eingefalzen, und auf den
fchmerzenden Zahn gelegt, hilft. – Wann man mit der
Asche des türkischen Pfeffers die Zähne beträut, so vergehen
- - - - die
• A, S „F- 325
die Schmerzen. – Man muß die Zähne zuerst reinigen,
und dann dieselbe mit der Asche von der verbrannten Hirnfhei-
del eines Haafen befreuen, so hat man ein bewährtes Mittel
für die Zahnschmerzen. In der Mundfäule, perfich Ak – fil
nimmt man Gül. 1ubr. Die Kleine von Samök -burdiak,
weißen Santal, Nechâfla, Nar-Keff an, das Wasser von
Schokjöhl, mischt alles unter einander, und den daraus entste-
henden Brey wälzt man fleißig in dem Mund herum.
Wann die Zunge Ritzen hat, oder fonsten angefreffen
ist, fiel aber dadurch schmerzhaft und entzündet wird, welches
nach dem allzu vielem Genuß süffer und bitterer Dinge zu ge-
fchehen pflegt, so bedient man sich des Eßbagul-Waffers, des
Badam-Oehls, der Churma-Saamen, und gesprengter Gurken-
Saamen und legt auch wohl Schangola dazu. Alles wird zu-
fammen gemischt und die Zunge damit bepinselt.
- Bei einem heftigen Husten, welcher mit Engbrüstigkeit
verknüpft ist, wurde mir folgendes Recept, das entweder Maho-
med, oder einen berühmten Arzt, mit Nahmen Hakim, zum
Verfaffer hat, angerühmt. Man nimmt die Blätter von der
weiffen Nymphäa, die Oehlmagen-Köpfe mit ihren Saamen,
Aßbagul, das süffe Waffer Nar, den Saamen Chiar, Gurken-
Saamen, und das Herz von dem Holz Saitun. " Man bringt
alles zusammen in einen Teig, macht davon Pillen einer Erbe
groß, und der Kranke“ verschlingt davon acht oder neun vor
fchlafen gehen.
Wann einem von überhand nehmender Hiße das Herz
beklemmt ist, so dient folgendes: Man nimmt weißen Santal,
Kampfer, Guliap, Waffer von bittern Aepfeln abgezogen, und
Katal-Oehl, mischt alles zusammen, und legt es äußerlich auf
die Gegend des Herzens; der Kranke trinkt innerlich ein Dekoct
von Santal. Ferner dient für diese Beschwerde. Zehn Solotnik
( Misthal ) weißer Santal, und drey Solotnik. Daina mit un-
reiffen Traubensaft gestoffen, versetzt mit 5. Solotnik Eßig,
100. Solotnik Zucker und einer hinlänglichen Menge Waffer,
dann ' mit einander bis zur Hälfte eingekocht, und Morgens
rüh nüchtern ausgetruncken. - - - - - -
f h nüch 8 S. s 3 Wann
-
326 *A, J. „Es
Wann das Herz wegen einer Verkältung krank ist, fo
nimmt man Bisam, das Holz Out, welches mir Lignum rho-
dium zu feyn scheint, und Ambra, macht ein Pulver daraus,
und gebraucht solches als ein Nießpulver. Man gebraucht auch
Sumbul ( vielleicht Succinum Citrinum ) und Kadis - igir,
mischt es zusammen, und legt es äußerlich auf das Herz. Oder
man gebraucht die Arzney, Madschjue genannt; die Composition
aber von Madschjue ist folgende. Man nimmt Gewürz- Nelken
2. Solotnik (Michahal) Kafr 3. Solotnik, Simbül 1. So-
lotnik, Safran und Zucker zusammen zwei Solotnik, Pfeffer
1. Solotnik, Ak, Zidschak ... Solotnik: Alle diese Materialien
werden unter einander gemischt und verpulvert. Wann das
Pulver fertig ist, fo thut man noch 20. Loch Zucker dazu, und
benezt es mit dem süffen Waffer Nar. Der Kranke nimmt
täglich 5. Loch von diesem Pulver zu sich, das Herz wird ge-
fund und kräftiger werden, als es zuvor gewesen,
Dschalinuß Hakim hat folgendes gesagt. – Gekoch
ten Knoblauch gegessen treibt die Würmer aus. – Für die
Würmer dient ferner die Wurzel von dem Kraut Ifèr luk
mit groffen Rosinen auf den Bauch gelegt. – Schâfargan
mit einem Oehl oder Fett vermischt, und des Tags über ein
Solotnik davon gegessen, stillt den Fluß der Gold-Ader. –
Ifámak ( Gummi arabic. ) mit Käraba geftoffen und in dem
Mund gehalten, thut eben das. – Gleiche Würkung hat
man von dem geraspelten Horn des Büffel-Ochsen mit Zucker
vermischt zu erwarten. – In Kolikschmerzen hilft Knoblauch
mit Butter vermischt, und gegessen. Wann ein Mensch keinen
Appetit zu effen hat, Spannungen um den Magen empfinde,
mit Kopfweh u. d. g. beschwehrt ist, der soll Schlangenhäute
auf Kohlen legen, und den Rauch an sich gehen laffen; er wird
gefund werden. – In der Krankheit Dschidfhö (man kennt
fie auch zu Astrachan unter diesem Nahmen, und die Tatarn
dafelbst glauben, sie komme von Würmern her, die im Mund
nisten ) gebraucht man Pferfich-Blätter ( Tschaptala ) ent-
weder in Substanz verpulvert, oder mit Waffer gekoche zu sich
genommen. ( In Astrachan wird eine Gattung von Perficaria,
wie in dem dritten Theil der Sibirischen Flora P. 49. und 50.
steht, mit guter Würkung gebraucht). Bei einem Nasenblut
- EM
-
A, H. „Es 327
ken, welches man auf keinerley Weise stillen kam, nimm Räffman,
vermische es mit Kampfer, und blase es vermittelt einer Feder-
pose oder einer andern Röhre in die Nase, so wird der Blut-
fluß gestillt. – Ielanbach ( vermuchlich Concha venere. )
gestoffen, und in die Nase geblasen, thut eben das. – Küh-
fladen auf die Stirn geschmiert, hilft auch, oder Kameelhaare zu
Asche gebrannt, und selbige Asche in die Nase geblasen. –
In Wunden und Geschwühren wo sich öfters Blut einfindet, be-
fchmiert man dieselbe mit Kühblut. Hilft dieses nicht, so schmiert
man auch den Nabel damit. – Wann sich einer mit einem
verletzenden Instrument fchneidet, so foll er die Wunde mit Ka-
meelhaaren-Asche besträuen. – Wann bey den Weibsperso-
nen der monathliche Fluß zu fark ist, fo troknet man Tutar-
gàn, verpulvert folches, und giebt es innerlich ein. – Ge-
fchwühre heilen, wann man darauf Schâfargan freuet. – Auch
die Blätter von dem Baum Tschäfa, in Waffer gekocht, und
die Geschwühre damit ausgewaschen. – Schwillt in veneri-
fchen Krankheiten das männliche Glied auf, so troknet man die
Wurzel Balgandschan, verpulvert fie, und reibt mit dem Pull-
ver den nothleidenden Theil. – Auch ist sehr gut, wann
man denselben mit Kameel-Urin wäscht. – Offene Geschwühre
heilen, wann man sie mit Eyeröhl, mit welchem Kornmehlver-
mischt ist, ausreiniger. –– Auch von dem Pulver des ge-
trokneten Leinfaamens vergeht die Geschwulst der männlichen
Röhre. – Schaafmilch vermischt mit 5. Solotnik von dem Koch des
Thieres Suun und ausgetruncken, heilet die Wafferflucht und
alle Geschwülste des Unterleibs. – Wann fich bey dem Hu-
ften der Schleim fekt, der Althem kurz wird, und ein Keichen
dazu kommt, so ist der Rettig ein vortreffliches Gegenmittel,
wann man solchen im Waffer gekocht und mürbe gemacht auf
üßt. Auch hilft darwieder die in ein trokenes Pulver gebrachte
Lunge von einem Kameel, innerlich eingenommen. Ferner Reit-
eigsaft, wann man sich damit gurgelt; oder gekochter Rettig,
mit Honig gemischt, und aufgegessen. Diese letztere Arzney ist auch
indem Blut schleim dienlich. – Bey einem heiteren Hals hilft
Kaschur mit Waffer gekocht und gegessen. – Ueberhaupt find
rohe Rettige in sehr vielen Krankheiten heilsam. – Wann sich bey
einem Menschen feine natürliche Farbe in eine unnatürliche verwan-
delt, fogiebt man ihm einen Sperling mit Eßig gekocht zu '
eV"ga
328 - •P, H. /F-
Gebratene Sperlinge fleißig gegessen, machen, daß sich die man
türliche Farbe des Gesichts nicht leicht verändert. – Wann
einem der Rücken sehr wehe thut, daß man sich nicht bücken
kan, nimmt man Butter, mischt darein 1. Sslotnik Mäuse-
dreck, legt die Mischung auf die Kohlen, und läßt den Rauch
von unten den Leib hinauf gehen. – Wann die Gelenke weh
thun, Kameeldreck mit Butter vermischt, und die Gelenke ge-
fchmiert, nimmt die Schmerzen hinweg. – Haafenleber an
die Gelenke angerieben, thut eben das. -
Mahoner , Zachariä Sohn, fpricht nachstehendes:
Wer viel Haasen ißt, wird austrocknen, und wenig Gesundheit
behalten.
- Dschalinuß Hakim sagt: Einem Narren Haafenleber
und Fleisch zu effen gegeben, wird ihm feinen Verstand wieder
fchaffen. Auch das Fleisch von dem Thier Suue geeffen, giebt
einem Verrückten den Verstand wieder. – Vor den Schlan-
genbiß eine Mauß aufgeriffen, und auf den Biß gelegt, zieht
allen Gift aus. – Schlangenfleisch gegessen, macht, daß
kein Schlangengift fchadet,– Wann einer von einer Schlange
gebiffen worden, so wasche man den Biß mit heißem Waffer
aus, und lege Knoblauch mit Salz darauf. – Auch einen
Frosch aufgeriffen und aufgelegt, thut gute Dienste. – Einem
folchen ist auch heilsam, die Gallen eines Bocks gekocht zu ef
fen. – Vor Bären - Wolfs - oder eines andern Thieres
Gift ist gut, Haafenfleisch, Haafenleber uud Haafenhirn zu ef
fen. – Wann man einem mit Gift vergeben hat, und es
wird in Zeiten wahrgenommen , so giebt man Eselsmilch zu
trinken. Man gießt auch eben dieselbe auf den Kopf, und das
Gift wird als dann nichts schaden. –- Knoblauch, Nußkerne,
und Chachak, jedes fo schwehr, als die bucharische Münze Da-
ram am Gewichte ist, und zehnmal so viel Honig dazu gethan;
alles wohl unter einander gemischt, gerieben, und einem zu es
fen gegeben, der Gift bekommen hat, wird ihn vom Tode
befreien. – Eben so wird er gesund werden , wann
man ihm Butter mit Schaafmilch vermischt zu trinken giebt. –
Wann einer vom Pfeil geschoffen worden, und das Eifen im
Leibe fieken bleibt, fo spalte man einen Haafen, und lege ihn
ganz heiß auf, er wird den Pfeil ausziehen. – Wann ein
- - - - - - - Splitter
Splitter irgend wo im Fleisch fekt, so nehme man das Hirn
und das Fett des Sascha, mische es unter einander und lege
es auf. Der Splitter wird ausgezogen werden. – Wann
auch der Splitter oder der Pfeil schon ausgezogen ist, so lege
man auf die bloffe Wunde eine aufgeschnittene Mauß ganz
warm. – Das Pferdefett aus dem Netz ist für alle Wun-
den äußerlich aufgelegt gut. – Eben diese Asche von ver-
brannten Pferdehuff mit Kuntschutöhl vermischt, und auf die
die Wunden gelegt. – Die Haare des Suun irgendwo an
den Leib gebunden, vertreibt das kalte Fieber. – Wann ein
Kind in Mutterleib stirbt, so räuchere das Weib mit Tochmid-
fhur. – Bey einer schwehren Geburth des Manns Haare zu
Asche verbrannt, und mit einer gewissen Art von Honig (Au-
gubiu) vermischt, und der Gebährenden zu effen gegeben, wird
die Geburth befördern. – Hundsmilch getrunken, treibt eine
todte Geburth aus. – Wann man die Hände mit Fuchsfett,
von den innern Theilen des Leibes genommen, schmiert, so wer-
den sie nicht frieren. – Vor erfrorene Glieder nehme die
Schalen von Gurken klein gestoffen, vermische sie mit Gersten-
mehl, und Butter, mache einen Teig daraus, lege denselben
auf, fo wird aller Frost ausgezogen werden. – Wann man
haben will, daß eine Frau die Enge einer Jungfrau habe, fo
nehme man gebrannten Alaun, Kafangil, etwas weniges Mu-
fus, ungefhr zwo Erbsen groß, fünf Erbsen groß Safran,
wohl und fein gerieben durchgesiebt, das weibliche Glied sowohl
als das männliche eine Stunde vor dem Beyschlaf damit be-
fchmiert, dann mit Baumwolle beiderseits rein abgewaschen, so
wird den Mann dünken, als wann er bei einer Jungfrau
fchlaffe. – Für eine unfruchtbare Frau dient 1. Sol. Cha-
Jandl. An und 1. Soll Kaffphaphüll. Man reibt diese beide
Materien zusammen, treibt fiel durch ein feidenes Sieb, mischt
davon etwas unter das Effen, fo wird die Unfruchtbarkeit ver-
wandlet werden. Die Frau foll - Honig mit Waffer vermischt
erincken, und unter den Trank etwas von erst angezeigter Arzney
mischen. Sie soll fich ja keines andern Tranks bedienen. Die
Einheilung der Arzney muß fo geschehen, daß sie 40. Tage
lang währe; und das Weib muß nicht - ein höchstnothwendiger
Beyaz) über 40. Jahre alt sein, sonst würkt fiel nicht,
Dritter Theil. T. t Von
330 A, H „F- - -
Von Mahamet, Benfakaria, rührt auch noch folgendes
her: Wann die linke Seite des Kopfs wehe thut, so tröpfelt
man das Fett des Merta in das linke Ohr. – Wann die
Stirne weh thut, so nimmt man das Waffer des Merta, und
fchmiert die Stirne. – Im Kopfweh Schafargàm häufig
in die Nase geschnupft, vertreibt die Schmerzen. – Um die
Augen sehr klar zu machen, dient ebenfalls gedachter Schaargåm,
geschnupft. – Ein gewisses Waffer Gulab fu, und das
Summuràn wird durch einander gemischt, ins Ohr getröpfelt,
und wieder die Krankheit Schakükà angepriesen. ( Ist eine
fchwehre Hauptkrankheit, die die Tatarn mit Anbindung eines
Gebets zu heilen pflegen.) – Das Blut einer Taube mit
Zucker gemischt, vertreibt Kopfschmerzen. – Wieder eben
dieselbe dient das Stirnbein eines Pferdes gebrannt, mit einer
Fettigkeit vermischt und gegessen. – Gleichfalls der Vogel
Höt-Höt; fein Fell nemlich abgezogen und an den Kopf gebun-
den. – Die Galle von dem Kalmukischen Thier ( Kulàn )
ist vor den Staar gut, wann man die Augen damit schmiert. –
Ferner des Vogels Höt-Höt Blut in die Augen gelaffen. Mit
Froschfett die Augen geschmiert, präfervirt vor dem Staar. - -
Korallen und Perlen unter einander gerieben, und die Augen
damit beschmiert, ist gut wider die Augenkrankheiten. – Wi-
der ein thränendes Aug Haasenblut in das Aug gelaffen, stillt
die Thränen. – Getroknete Schlangengalle, die Augen da-
mit gerieben, thut eben das. – Bey einem sehr entzündten
rohen Auge vertreibt der Hundsurin in das Aug gelaffen, die
Hitze. – Mit Wolfsgalle die Augen geschmiert, ist in Au-
genkrankheiten gleichfalls ersprießlich. – Wann ein Mensch
bey Tage gut sieht, bey einfallender Dämmerung aber nichts,
fo ist gedörrte Wolfsgalle, die Augen damit gerieben, ein dien-
liches Mittel. – Génschütt ( eine bucharische Beere) mit
Kameelhirn gemischt, und die Augen damit gerieben, ist gut
wieder die Augenkrankheiten. – Ein chränendes Aug mit
Haafengalle geschmiert, verliert die Thränen. – Auch wann es
einem Menschen vor den Augen schwarz wird, ist eben dieses
gut. – Schlechte Perlen verpulvert, und die Augen damit
gerieben, ist denenfelben fehr dienlich. – Muschelschalen ge-
brannt, fein gerieben, und die Augen damit beschmiert, ist gut
gegen den Staar, – Milch von einer Frauen aus der Stadt
Habäschi
ten töpfernen Gefäffe.
Habäschi einem neugebohrnen Kind zu faugen gegeben, mache
dem Kinde schwarze Augen. – Vor ein Haaraug, das Blut
von einem Frosch in das Auggelaffen, hilft. –
Jchtiarat Badei, ein persischer Arzt, redet unter vielen
Arzneyen von nachstehenden folgender maßen.
Abar, Arab, Sataf, Aek, auf altpersisch, gebrannte
Perlenmutter mit Waffer auf einem Stein gerieben, und uns
reine Augenlieder damit beschmiert, hilft. – Statt der Per-
len allein dieselbe unter andere Arneyen gemischt, thut die nem-
liche Dienste. – Wann von hinten Blut abgeht, vermischt man
fie mit Bernstein, Korallen und Wegerichtkraut, kocht alle diese
Materien mit einander, und giebt das nachgebliebene dem Kran-
ken zu trinken, hilft.
Abar Schun - Sayde ist weder von kalter, noch von
warmer Natur. Die Puppe der Seidenwürmer mit Caneel,
Mufat-Bluhmen und andern hitzigen Sachen vermischt, und
zur Latwerge gemacht, dient wieder die Schwachheit eines Man-
nes. Ein Solotnik auf einmal eingenommen, ist die rechte
Dofis. – Eben diese Puppen mit Gewürzen vermischt, und
gebrannt sind gut in den Beschwehrungen der Brust und des
Herzens. – Eben diese Puppen mit Waffer gekocht, so lang
bis nur ein Schaum nachbleibt, und mit diesem Schaum alte
Schäden an den Augenliedern geschmiert, hilft. Man bratet zu
diesem Ende die Puppen in einem mit Leem oben zugeschmier
Abfol. Wächst auf einem Baum, der im arabischen
Arar, und im persischen Saamon heißt. Ist von einer hitzigen
Natur und verstopft. In einer Castrolle, bis es schwarz wird,
gekocht, und etwas davon bey der Taubheit ins Ohr getröpfelt,
hilft. – Mit Waffer gekocht, tödtet es die Würmer, und trei-
bet todte Kinder aus Mutterleibe. Wann es die Frau nicht
einnehmen will, fo umhüllt man die Saamen mit Baumwolle,
und bringt sie in die weibliche Schaam, oder man verbrennt
fie, und läßt den Rauch davon an dieselbe gehen. – Eben
dieser Saamen mit Waffer vermischt, und krebsartige Geschwühre
damit ausgewaschen, ist von guter Würkung. – Wann die
T. t 2 Haare
33 A, H. „F- .
Haare ausfallen wollen , so macht man mit altem Eßig eine
Salbe davon, schmiert die Haare damit, so werden sie wieder
gestärkt. – Weil aber der Saamen hitzig ist, und besonders
mit feiner Hitze auf die Leber würkt, so giebt man beym inner-
glichen Gebrauch desselben, damit darauf kein Schaden erfolge,
Agir, Goluntschan, oder auch Salv. -
- Us tuchutus. Arabisch Schafaferhom, Rumin per-
fisch. Die Bluhme ist gut für die Melancholie. – Der aus-
gepreßte Saft dient wieder den Gift, – In der Melancholie
vermischt man solchen mit Lapier-Mitteln. – Wann man
reiffen in Gelenken hat, so werden sie damit gebäht. Zwey
Solotnik von diesen Bluhmen, und ein Solotnik Belilabar
mit Honig gemischt, ist gut für verschlagenen Appetit.
Affarum. Ist heiffer und trokener Natur. Ein Solot-
nik mit Wein getrunken, hilft im reiffen der Gelenke. Es ist
eine Wurzel, die im persischen auch Bichifum Bulrumi heif. –
Sie ist gleichfalls gut für die Thränen- Fistul, mit Wein ein-
genommen. Frisch dieselben klein gestoffen, mit warmer Milch
vermischt, und das Kreuz damit geschmiert, unterhält die vene-
rische Begierden ungemein.
Schachachol. Wird auch Häsgegäl und Särdäk ge-
nannt. Eine Wurzel, je dicker, je besser, von warmer und
feuchter Natur. Man macht ein Confect davon, und giebt
täglich einer Frau, die keine Milch geben will, 3. Solotnik.
Eben so viel täglich zu sich genommen, befördert die Stärcke
eines Mannes.
Afelefins arabisch, Bichamahak perfisch. Eine Baum-
wurzel, die zu Ispahan auch Andu heißt, nicht kalter auch
nicht warmer Natur, süß aber von Geschmack. Ist gut für
Husten, für die Brust, und für das Blutspeyen. Der Saft
heißt Rebofis. Ich glaube, das man unter dieser Wurzel die
Süßholz-Wurzel zu verstehen habe. Wann man auch die
Wurzel nur im Munde hält, so hilft sie in ermeldten Beschwehr-
den.
- - Karafs,
z, P. „F- 333
Karraf. Der Saamen davon mit Zuckerkandel ge.
foffen, und also eingenommen treibt den Urin.
-
Afäntchemuschk wird in Schiraß Balengu genannt.
Der Saamen in Waffer eingeweicht, und also getrunken hilft
beim Kopfweh, im bösem Hals und kurzen Athem, bey fchweh-
rer Verdauung, bey bösen Zähnen, und wann einer aus dem
Mund riecht. Die Bluhmen vom Kraut find giftig. Wer da-
von gegessen hat, muß sich darauf statt eines Gegengifts der
Kirchen-Bluhmen bedienen.
- Alfimon. Ist hitzig und von trokener Natur, und die
Wurzel eines Baums. Bindt man sie in ein Tuch, und kocht
fie in diesem Zustand mit Waffer so lang, bis alle Kraft aus-
gezogen ist, fo hilft dieses mit der Kraft der Wurzel gesättig-
tes Waffer denen Wahnsüchtigen, und treibt den Schleim. - -
Aeltamahet. Auf indianisch Bandoch. Auf perfisch
Hadfcher ochab, Hadfcheroneffer, Hadfcher owolatet, oder
auch Juaani anatates. In Schiraß unter dem Nahmen Ko-
neblis bekannt. Die Nüffe in schwehren Geburthen am linken
Fuß der Gebährenden angebunden, bringen das Kind so gleich
ans Tageslicht. Auch die Wurzel des Baums mit dem Stein
Jaschmin geftoffen, in Leinwand gethan, und in das weibliche
Glied gelegt, hilft einer fehwehr Gebährenden gleichfalls. Der
Stein Jafchmin hat eine solche Kraft, daß, wann ihrer zween
mit einander streiten, derjenige den Sieg gewiß davon trägt,
der folchen bey sich führet. Eben dieser Stein, wann man ihn
an einen unfruchtbaren Baum bindet, verschaft ihm Fruchtbar-
keit. Er hilft auch wider das Abfallen der Früchte-
Ameletsch arabisch. Amaelar perfisch, von kalter und
krokener Natur; giebt Kräfte, macht Appetit, und hilft bey
dem Fluß der Gold-Ader, fowohl als in den unordentlichen
Trieben der Natur auf dieselbe. Wer das Confect davon ißt,
dem werden die Haare nicht grau. Mit dem ausgepreßten
Saft der Nüffe die Augen beschmiert, vertreibt die Flecken in
den Augen. Es hilft diese Arzney ferner wider die Vergeßlich
keit, zu 3. bis 4. Solotnik eingenommen, -
T. t 3 Anni-
334 «A, - „F-
Annison, arabisch. Rosiana rumi, persisch. Anium
officinarum. Ist hitziger und trokener Natur, hilft wider die
Kolik und Bauchschmerzen, gestoffen und mit Zucker vermischt
in dem verstopften monathlichen bei den Frauen; ist gut wider
den Speichelfluß, und in reiffenden Catarrhschmerzen sehr dien-
lich. - - - - -
Affiun, arabisch. Thiriak, persisch. Theriaca officina-
rum. Ein universelles Mittel.
Anferut , arabisch. Affabaka , perfisch. Gowers
Schiraß, Kirschen harz, von heiffer und trokener Natur.
Etwas davon in Baumwolle eingewickelt, und ins Ohr gelegt,
hilft in der Taubheit. Das Pulver auf Wunden gestreut,
troknet dieselbe aus. Wann man dieses Harz nicht haben kan,
fo nimmt man ein anderes Samcharabi genannt, welches eben
dieselbe Dienste leistet. Dieses letztere Harz hilft auch in Hitze
der Augen, wann man es mit Eßig und dem weißen vom
Ey vermischt. -
Aeliletfch, arabisch. Hallelisia, perfisch. Ein indiani-
fches Harz von warmer Natur. Pillen davon bey Kopfschmer-
zen, bey überhandnehmendem Schleim, bey verschlagenem Ap-
petit, im Speichelfluß und Augenkrankheiten innerlich gebraucht,
hilft stattlich.
Jrfa, arabisch. Bichasifan, Aefaman gumi, persisch.
Rad. Viol. offic. Violenwurz. Der persische Nahmen bedeutet
die Farbe der Bluhmen, welche wie ein Regenbogen aussehen
foll, und die Pflanze ist von trokener und warmer Natur. Die
Wurzel in epileptischen Zufällen. Eben dieselbe ferner in Ver-
fopfung des Leibs und der monathlichen Reinigung, im Schlan-
genbiß, in einer mit Schleim angefüllten Brust, und in Glie-
derschmerzen. Wann sich auf den Wunden wildes Fleisch an-
fezt, werden folche mit dem Pulver der Wurzel bestreut. Eben
diese Wurzel gestoffen, mit Eßig angemacht, mit in Oehl ge-
legenen Rosen vermischt, und damit geschmiert, hilft in Kopf-
fchmerzen. Das Rosenöhl felbsten hilft in krebsartigen Zufällen
der Nase. – Wann Zahnfleisch fault, mit dieser in Eßig
eingetauchten Wurzel den Mund ausgespühlt, ist sehr vorträglich.
- - - Das
A, - „Fe 335
Das Oehl von der Wurzel ausgepreßt ist gut in der Taubheit.
In hohlen Zähnen vertreibt etwas von der Wurzel in dieselbe
gefekt, die Würmer. -
Bugala, perfisch Turmas, arabisch Tschirtfchir, nach
der Schiraßischen Landsprache. Eine besondere Gattung von
Bohnen, welche roh gegessen, kühlen. In Verblutungen solche
äufferlich aufgelegt, stillt den Blutfluß. Wann eine Henne noch
fo gut Eyer legen sollte, und ihr eine von diesen Bohnen mit
einem Faden an den Hals gebunden wird, hört sie auf weiter
zu legen,
Balinnitsch arabisch, Babuun persisch, ist ein Kraut
mit gelben Bluhmen, vermuthlich Matricaria, von hitziger Natur.
Die Bluhmen würken auf das Blut in den Adern. In Kopf
schmerzen gebraucht man das aus den Bluhmen destillierte Was
. Man befeuchtet nemlich den Kopf mit denselben. In
teinschmerzen macht man vermittelt eben dieser Bluhme Bähun-
gen. Wann jemand den Urin nicht laffen kan, so verfertiget
man mit diesen Bluhmen einen Brey - Umschlag, und legt ihn
auf den Hedenfack.
Von eigentlichen indianischen Arzneimitteln führe ich
nur folgendes wenige an: -
Ttfchet wär. Eine Wurzel, die aus China kommt,
hilft für Schlangenbisse, und treibt aus dem Herzen das Gift
nach auffen zu. Ferner gehört sie unter diejenige Mittel, welche
die Luft reizen. -
Salmonnia. Kommt eigentlich aus Indien, und ist
ein Baumharz. Fünf Solotnik verstopfen, zwey laxiren. Das
Dekoct davon trinkt man. Einen Apfel ausgehöhlt in die Höh-
lung dieses Harz gelegt, und ein Dekokt davon gemacht, ist
gut für die Melancholie, innerlich gebraucht.
Balladur, persisch. Faba St. Ignati, offic. Man
macht ein Oehl davon, und mit diesem Oehle beschmiert man
verwundete Theile. Dieses Oehl wird ferner unter vielen Arz-
neyen gemischt, hauptsächlich in der Absicht, die Rückenschmer-
zen zu vertreiben.
Ager-
336 «A, R. „F
- Agergarha. Ein vortreffliches Mittel wider Zahn-
schmerzen, man fekt es in die leidende Zähne.
Sombolutip. Spica indica offic. Man macht ein
Confect davon, und gebraucht folches als ein Luft erregendes
Mittel. Frisch einer Katze in die Nase geschmiert, macht fie
besoffen. Sombolutip wächst auch, wie ich gewiß versichert
wurde, bei der persischen berühmten Stadt Kaschan.
Turpeth. kommt aus Indien unmittelbar, und treibt
Hie Galle ab. -
- Sarawangert oder Möchodialwan. Eine Wurzel,
welche die Luft befördert.
Mogol astach, Ind. Myrrha offic. Ist gut in dem
Fluß der Goldader.
Margimai, Ind. Cocculi indici offic. Man macht das
Von eine Laus - Salbe.
Badbad oder Bafir ulbarisch, vermuchlich Semen-
hyofyami. Ist gut für die Würmer in dem Magen der Pferde.
Kardachyan, Ind. Huini, Turc. Siagufchan, Perf
Sanguis Draconis, offic. und Arafhubar. Diese zwey zusam-
men mit Perlen vermischt, dienen, wann bey den Frauensper-
fonen der monathliche Fluß zu stark ist.
Flus, Geatfchembar. Caffia fiful. offic. Dient wider
Verstopfungen der Leber. -
Gargamorit. Ind. Nux Vomica, offic. Ist ein Brech-
mittel, und dergleichen noch viele.
Aus einem in türkischer Sprache geschriebenen Buch
wurden mir folgende närrische Arzneyen verdolmetscher. Ich
vermuthe, es fey eben daffelbe, welches meinem feeligen Oheim
bey feinem Auffenthalt zu Tara unter die Hände gefallen ist
(S. D. J. G. Gmelins Reise durch Sibirien, 4ter Theil
p. 156. fqq-) Wenigstens ist das Zeug eben so toll, als an
der angezeigten Stelle, z. E. das monathliche Blut auf einen
Acker eingegraben, macht , daß keine Heuschrecken darauf
kommen, welche fonsten das Korn abfreffen würden, - Will
HM01)
- A, JF
man wissen, ob eine schwangere Frau einen Sohn oder eine
Tochter gebähren werde, nehme etwas Milch von selbiger Frau,
und laffe fiel ins Waffer tröpfeln; sinkt sie unten, so wird ein
Sohn gebohren werden, schwimmt sie oben, eine Tochter. In-
gleichen, wann die Warzen an den Brüsten schwärzlich aussehen,
so wird ein Sohn, sehen sie aber röhlich aus, so wird eine
Tochter gebohren werden. – In dem Durchfall nimm saure
Milch, und koche fie, bis sie dick wird. Gieß Waffee zu,
und koche sie zum andern mal, bis sie abermal dick wird, gieß
frisches Waffer zu, und koche sie zum dritten mal, bis noch
etwas Waffer nach bleibt. Selbiges Waffer dem Kranken zu
trinken gegeben, wird eine zusammenziehende Würkung haben. -
Wann die Aerme oder die Knochen weh thun, nimm Mark aus
Pferdeknochen, und schmiere die leidende Theile damit, es hilft.
Thun die Knochen in den Füßen weh, so nimm das Mark von
den Hinterfüffen eines Pferds, und schmiere fiel damit, hilft. -
Wann einer verhext ist, so nimm geraspeltes Eichenholz, lege
es in Brandwein, und gieb es dem Verhexten zu trinken; die
Hexerey geht weg. – Wann ein Kind Tag und Nacht
fähreyet, so nehm den Geifer eines Kalbs, und schmiere den
ganzen Leib des Kinds damit, es wird aufhören zu schreyen. –
In dem Mastdarm - Bruch verbrenne die junge Blätter einer
Eiche zu Asche, und mische selbige Asche unter das Effen, fo
wird der Darm wieder zurück treten. – In groffen Nabel-
fchmerzen Weidenblätter mit Waffer gekocht, Brandwein dar-
unter gemischt , und drei Tage hinter einander getrunken,
hilft. – In offenen Schäden, wo viele unreine Materie
vielfältig gefärbet fließt, nimm Brenn-Neffeln-Wurzeln, verbrenne
fie zu Asche, und freue die Asche darauf, hilft. – Zum
Blutstillen in Wunden nehm Alaunwaffer, und wasche damit
die Wunde aus: dann freue moch gebrannten Alaun darauf. -
Wann ein Mensch empfindt, daß ihm nicht recht wohl zu
Muche ist, er weiß aber auch nicht, wo es ihm fehlt, so nimm
einer Haselnuß groß Bärengalle, mische selbige mit Waffer,
und gieb dieses Waffer dem Menschen, zu trinken. – Die
Unpäßlichkeit wird sich verlieren. Und dergleichen abscheulich viel
albernes Zeug noch mehr. -
h Nur noch eine einzige Probe von der persianischen Pa-
thologie. -
- Dritter Theil, U u - Man
338 ---
A, H. „Es
Man hat Bauchschmerzen. Daran ist entweder die Hilfe
schuld, oder die Kälte. Ist jenes, so verursachet die Hitze
entweder Sauda und Saffra, oder Bulgan und Chuni, mor-
unter die vier Säfte zu verstehen find, welche die alte, um ihrer
Temperamenten-Lehre einen Schwung zu geben, erdichtet haben.
Es kan auch gleichwohl der Bauch von der boffen Wärme
hitzig seyn, ohne daß diese vier Dinge im geringsten daran fchul-
dig wären. In diesem leztern Fall führt der Kranke eine be-
ständige Säure im Mund, es stoßt ihm fauer auf, er hat ei-
uen ziemlichen Durf, er liebt eine warme Stube, und der ge-
ringste Zutritt der äußern Luft ist ihm, beschwehrlich. – In
diesem Fall muß der Kranke aller Morgen Katuk mit Waffer
verdünnt trinken. Den Katuk aber bereiten die Tatarn fol-
gender maffen. Man nimmt Milch, und läßt sie bis auf den
vierten Theil, einkochen. Zu diesen nachgebliebenen vierten Theil
ehut man ein Ferment, gemeiniglich das Ferment von einem
alten. Katuk dazu,.fo wird die Milch augenblicklich verdiket,
diese verdickte Milch aber wird Katuk genannt. Und eben das
her, weil sie so weniges Waffer in sich enthält, fo wird sie mit:
Waffer vermischt getrunken. - -
Wann fich ermeldete vier Säfte in einer gleichen Ver-
mischung bey den Menschen befinden, so ist der Mensch ge-
fund, fehlt es bei einem oder dem andern, fo wird er krank,
und der Bauch, worunter der ganze Leib zu verstehen ist, wird
hitzig. – Nach der Verschiedenheit der vier Säfte muß die
Heilung verschiedentlich eingerichtet werden. – Gemeinglich
find abführende und Brech-Mittel nöthig.
Der Unterleib leidet aber auch von der Kälte: Man
erkennt folches dadurch, wann der Kranke stark schluchzen muß,
wann er oft auf den Stuhl gehen muß, und auf einmal nur
wenige Excrementen von fich giebt, felbige Excrementen aber
mit einem starken Geräusch abgehen. Der Kranke muß Schaaf
milch mit Zucker trinken: Schwitzt er darauf, fo wird es mit
ihm schlimmer, und ist nöthig daß man ihm fodann das Mad-
fähiun reiche. Das Recept von dieser Arzney ist folgendes
( Mir gänzlich unverständlich ):
Muskelki
A, H - 339
-
“ F. Misch - -
- ommeranzen - Schalen 2. Michal.
Kadiff 10. Michal.
Simbil. 5. Michal.
Anis-Saamen, und
Ak-Dschidfähak, zusammen 2. Michal.
Gewürz-Nelken 3. Michal,
Safran 1. Michal. -
. Man vermische diese Materien, und effe sie mit Honig
- Der Kranke muß ja keine Nudeln und kein umgesäuer
es gebackenes Brod effen, sonst wird es mit ihm schlimmer,
- Wider eben diese Krankheit taugen noch viele andere
Dinge. Alle aber sind hitzig von den verschiedenen Gattungen
der Gewürze. - - - -
In waffersüchtigen Bauchgeschwülsten, oder waren es
auch noch nicht würklich auf die Waffersucht oß geht, in allen
denjenigen Gefähwülsten des Bauchs, die von einer kalten Ur-
fache herkommen, da, wo der Appetit verlohren ist, und wo
sich die Kranken nach dem Genuß der Speisen übeler befinden,
als welche Krankheit gerne von einem allzu mäßigen Gebrauch
fchwehr zu verdauender Speisen entsteht, z. E. von allzu viel
genoffenen weißen und gelben Rüben, ungesäuertem Brodt,
Bohnen, Erbsen, Schoten, oder auch von Most, wann man
deffen über die gehörige Maße zu sich genommen hat; der mit
folchen Geschwülsten und Blähungen behaftet ist, der hüte sich
vor allem kalten Speifen, vor Gurken, vor den Gebrauch des
Katuk, vor allem schwehr zu verdauenden Dingen. Wann man
auch die dienlichste Arzneyen wider diese Krankheit zu Hülffe
nähme, und die eben vorgeschriebene Diät nicht beobachtet, so
werden sie ihre fonsten fo gewiffe Wirkung unmöglich leisten
können. Hakim fchlägt in dem Fall, von welchem die Rede ist,
folgende Mittel vor. Der Kranke foll Schaafleisch und Schaaf
fleisch-Suppen fleißig effen. – Man foll Butter mit Wachs
vermischen, und mit dieser Salbe alle Morgen den Leib, bey
nüchternem Magen, schmieren. Wann auf dieses keine Befferung
erfolgt, so soll man eine Bähung des Leibs folgender maßen
U u 2 VE"-
-340 <A, F. „Es
veranstalten. Nimm Bibergeil, Sira, Anis-Saamen, Pom
meranzen-Körner, zusammen ein Michal. Koche die Mischung
mit vier Oesel Waffer, so lang bis nur noch die Hälfte nach
ist, und mit diesem Ueberbleibsel bähe den Unterleib fleißig.
Der Kranke aber gebraucht über dies alle Morgen innerlich ein
Michal Madschiun, das folgender gestalt bereitet wird. Nimm
von der Pommeranzen - Schale und von der Schale der Frucht
Kodzi, zusammen fünf Michal, Safran - ein halb Michal,
Seujedana ein Mischa.- Mische alles unter einander. –
Ich trage Bedenken mit der Kenntniß, die ich in der
Persischen Arzney-Gelahrheit erreicht habe, meine Leser noch
länger zu unterhalten; und wann ich bey denselben wegen den elen-
den Gerüchten, die ich ihnen bisher vorgesetzt habe, um Vergebung
bitten muß, so bitte ich zugleich auch zu bedenken, daß meine
Gedult in Sammlung dieser Nachrichten größer gewesen sey,
als diejenige feyn möchte, die fie zur Lesung derselben anwenden
müffen. Indeffen kan man doch auch etwas nützliches, wenigstens
zur Geschichte gehörendes, in albernen Gedanken finden, mit
welchen ich vermögend gewesen wäre, ein ganzes Alphabet anzu-
füllen, wann nicht mir selbsten schon der beschwehrliche Auszug,
den ich mit gutem Gewissen gemacht habe, für meine Leser be-
schwehrlich zu feyn gedünkt hätte. Man lernt nemlich aus mei-
nen Nachrichten, daß die indianische sowohl als die perfische
Arzney - Wiffenschaft auf denjenigen Gründen beruhe , welche
die Araber vor langen Zeiten zur Stütze der gegenwärtig in so
groffem Ansehen stehenden Kunst machten, auf Gründe, die an
und vor sich feichte waren, und deren Vertilgung, dem groffen
Hypocrates allein zuzuschreiben ist. Man merkt ferner daraus,
daß die arabische Grundsätze mit dem Verlauf der Jahren Stufe
fenweise verfälscht worden, fo, daß endlich die ganze orientalische
Arzney - Wissenschaft ins lächerliche fiel und endlich sieht man
bereits angeführter maffen abermalen, daß sich wie in geistliche
also auch in körperliche Sachen der morgenländische Aberglauben
michet, und daher Aberglauben und Unwissenheit vermischt bey
einem Europäer nichts als Verachtung und Mitleiden erregen
muß. - Unsere Arzney-Wiffenschaft also wird von meiner Persia-
wischen wenig Trost erwarten können, aber weil es doch Leute
geben könnte, die da wifen wollen, auf was für eine die perfi-
anische Aerzte den Kranken zu. Hülffe kommen wollen, so habe
ich ihnen nicht als ein Arzt, sondern als ein Reisender durch die
fen mitgeheilten Auszug ihre Wißbegierde hinlänglich '
- UM.
-A, - ge - 34
Zum Trost, daß es noch einige denkende Perfer giebe, die felb-
fen über persische Aerzte lachen, und einem Europäischen Arzt
alle Ehre widerfahren laffen, der sich hartnäckigter Krankheiten
annimmt, dann fonsten fragt man doch nach feiner Hülffe wenig,
Endlich führe ich noch an, daß nach dem Grundsatz: Hilft das
eine nicht, so hilft das andere, die allermeiste persische Re-
cepte, die Verfertigung des Skandals einer vernünftigen Arzney-
Wiffenschaft , d. i. die Verfertigung des Teriaks und des
Mithridats zum Muster haben.
Vom drey und zwanzigsten. Meine Absicht war schon
längst, von Räscht aus einige Ausfälle in die ganze Provinz Gilan zu
ehun, und zugleich die Schätze der Natur auf den benachbahrten Ge-
bürgen zu untersuchen: Allein da mir zu diesem Vorhaben die Hülffe
des Chans fowohl in Betracht der Pferde, als eines sichern
Geleites nöthig war, dieselbe aber von Tag zu Tag aufgefcho-
ben wurde, fo reitete ich erst heute von der Stadt ab, und
richtete fürs erste meinen Weg nach Langurod, allwo ich ne-
ben, meinen eigenen Verrichtungen mich noch einer andern un-
erziehen wollte. Die schlechte Beschaffenheit des Hafens zu
Enzelli nemlich, welche der Kaufmannschaft fo heuer zu stehen
kommt, und welche schon so viele Schiffe verunglüket hat, er-
regte schon längst das gerechteste Verlangen, einen andern Platz
zu einem dauerhaften Etabliffement aufzusuchen; und da würk-
lich ein folcher einen beträchtlichen Theit zur Sicherheit der
Handlung ausmacht, ich auch noch überdies von der Astracha-
mischen Regierung einen besondern Auftrag deswegen erhalten
hatte; fo“ wollte ich bei dieser Gelegenheit untersuchen, ob nicht
in der Nachbarschaft von Langarod ein Plaz ausfindig zu ma-
chen wäre, der die erforderliche Eigenschaften eines guten Ha-
fens besäße. Zu einem guten Hafen aber wird erfordert, daß
er eine solche Tiefe habe, ben welcher die Schiffe ohne Gefahr
landen und wieder abfegeln können, daß das angrenzende Land
den Anbau nöthiger Wohnungen und Gewölbe erlaube, und der
Platz zur Handlung gelegen fey. -
Die Reise gieng füdwestlich nach den Gebürgen zu, durch
einen dickbewachsenen Wald, defen vorzügliche Baum-Arten aus
dem Alfat, dem Buchs - und Nußbaum, dem Eifen baum, der
Linde , der Erle, und dem Ahorn befunden. An denfel-
ben schlängt sich der Weinstock, die China-Wurzel und an
dere steigende Pflanzen mit ihren Ranken in die Höhe. Der
Weg aber ist nichts als sumpfigter Morast, wodurch man mit
- U u 3 Noch
14 - A, F. „Fs
Beschrei-
Roth fortkommen kan. Man sollte meinen, daß für ben Weg
mit den Faschinen, womit man solchen zu belegen angefangen hat,
gut gesorgt würde; allein es verhält sich ganz anders, da fol-
ehe durch den vielfältigen Gebrauch nach und nach zuschanden
gegangen, und niemalen ersetzt werden, fo find in diesem ge-
brückten Weg groff Lüken, über welche sich die Pferde kaum
durchzuhelfen wissen. Wir erreichten gegen Abend den Fluß
Swidura , der in den Türkischen Grenzen entspringen soll, feinen
fehr geschwinden Lauf durch die Gebürge nimmt, und hinter
Langarod in die See fällt. An Belugen, Sewrugen und Stö-
ren führt er einen erstaunlichen Ueberfluß, fo, daß ich mit Ver-
wunderung gesehen habe, wie die Perfer mit bloßen Haken an
dem Ufer defelben einen nach dem andern heraus ziehen; fie
thun aber dieses bloß, um die Hausblase zu gewinnen; dann es
ist ihnen ein Greul, das Fleisch dieser Fische oder den Caviar
zu effen, weil sie wegen ihrer Größe nicht glauben wollen, daß
es würklich Fische feyn, fondern sie vielmehr für - verwandelte
Menschen oder andere Creaturen halten. Wann sie also den
Leim ausgeschnitten haben, werffen sie folche wieder in das
Waffer, oder sie laffen solche gar an dem Ufer, wodurch sich
ein fauler Gestank auf eine zimlich weite Entfernung verbreitet.
Die Swidura, an der wir heute übernachteten, führt auch die
übrigen Fische der Wolga und des Kurs bey fich.
Den vier und zwanzigsten. Wir setzten in den Vor-
mittags - Stunden mit unserer Bagage vermittelt einer Prame,
welche gerudert wurde, über den Strohm, ritten unter befändi-
gem Regen in dem nemlichen Walde, der uns gestern begleitete,
weiter, kamen viele Meffarn vorbey, und erreichten gegen Mit-
tag die Stadt Lahitfchaan. -
Von fünf und zwanzigsten. Die ersten Tage mei-
nes Auffenthalts in dieser Stadt regnete es beständig, wodurch
ich zu meinem Verdruß genöchiget wurde, beständig zu Hause
zu filzen. Ich machte mir jedoch diese Zeit zu nutze, um einige
Nachrichten von derselben einzuziehen. … Lahidschaan ist fchon
bung der von langen Zeiten her unter persischer Herrschaft, und hat wie
Stadt La- andere Städte dieses Reichs schon manche wiedrige Schicksale
hidschaan erfahren; wie dann der Ort nach des Ibrahim Mira Tode
PO
" -
•A, F. „FO 343.
von den Ambarlinern, einem in den Gebürgen wohnenden
mächtigem Volke, gänzlich zerstört worden. Er ist in dem
memlichen Geschmack, wie Räscht, angleget; ein Theil nemlich
des Waldes, den ich bis hierher verfolget, und der fich längst
den Gebürgen bis Kangorod erfreket, ist allhier ausgehauen,
der ausgehauene Plaz mit weitläufig auseinader stehenden Häu-
fern besetzt, die entweder ganz einzeln stehen, oder fich nach
gerader Linie neben einander befinden. Die Stadt wird in
sieben Sloboden abgeheilt, deren Nahmen folgende find:
Mahala ( Slobode ) Purdufar.
– – Kaibama.
- Maidan. __ -
– Scherba.
– Urdabasar
– Chumurkalaja-
– Karwanfrabar.
– Tfhachtabon.
Von der letztern aber sind nur noch einige Ueberbleibsel
von wenigen Häusern vorhanden. Man bemerkt drey Gasthöfe,
eihmalen follen es vier gewesen feyn, und auch die übriggeblie-
ne find von schlechter Erheblichkeit. Einer in der Slobode Pur-
dufar, ein anderer in Maidan Mahala, in welchen beiden die
Persianer ihre Handlung treiben, und ein dritter ist Schach-
karawansera genannt, allwo sich nur Armenier befinden, deren
Anzahl aber gegenwärtig fich nur auf vier Familien erstrekt.
Einer jedweden Slobode ist ein Ketchuda, vorgesetzt, unter
welchem der Chaliffa steht, der die Befehle desselben vollbrin-
gen muß: er verhält sich nemlich zu. demselben wie in Rußland
ein Defiatnik zum Starosten. Das Commando über die ganze
Stadt führt der Maip, aber nur in weltlichen Sachen; dann
in geistlichen richtet der Pischnamas Sale, als der vornehmste
Priester, der auch den Rang über dem Naip hat. Diesem
find fünf Aelteste zugeordnet, die in der persischen Sprache
Calandaar genannt werden. Ihre Bedienung besteht nicht dar-
innen, wie der Herr Collegien - Rath Müller vermuthst, wor-
innen der rußischen Secretairs ihre bestehet, sondern man kan
dieselbe vielmehr mit der Bedienung eines Gouvernements- oder
Woywod-
=
=
344 -sa, L. „F-
-
Woywodschaft - Raths vergleichen, dann fie sind wahre Towa
ristische oder Collegen des Naips. Sie machen die Eintheilung
der Abgaben, sie richten, und ihr Ausspruch erwartet nur die
Ratification des Naips, ja wann dieser Ungerechtigkeiten begeht,
fo vertreten sie die Stelle der Procuroren. In der Abwesenheit
des Naips vertritt ein Calandaer die Stelle defelben, derjenige
memlich, den der Naip dazu bestimmt. … Die Lage der Stadt
Lahdschaan ist gefunder als die von Räscht; dann fiel liegt
auf einem erhabenen Grunde, und das Gebürge eröffnet sich ge-
gen dieselbe, daß die Luft auf allen Seiten frey durchstreichen
kan; daher troknet ein einziger warmer Tag den Koch den ein
vieltägiger Regen verursacht hat, auf einmal aus. Bis an den
Fuß der nächsten Berge kan man kaum eine rußische Werft
rechnen. Der Orth war ehmalen die Wohnung der Gilanischen
Sultane und Chane. Er war es noch bis gegen die Zeiten,
da Peter der Groffe den Anfang feiner Perfischen Eroberun-
gen gemacht hat; damals wurde Räfcht vorgezogen, wo-
zu vermuthlich die Nachbarschaft des Enzelischen Hafens das
meiste beigetragen hat; dann als die Rußischen und andere
Schiffe noch bey Langorod landeten, hielten sich die erste Be-
herrscher und also der größte Theil des Volks da und in La-
hidschaan auf. Es find erst sieben Jahre, daß Hedaet Chan
Besitzer des Lahidschaanischen Distrikts ist, der sonst nach
der Einheilung des Reichs in Chanschaften von einem eigenen
kleinern Chan beherrscht wurde. Er bringt ungemein viel Seide
herfür, und mit Reißfeldern ist er überflüßig angebaut. Lan-
gorod ist in defen Diöces mit begriffen, und es erstreckt sich
solcher überhaupt von der Schidura bis Rudiffar, Er hat eine
fehr groffe Anzahl Dörfer, die theils auf dem platten Lande,
theils auf den nächstbenachbarten Gebürgen befindlich sind. Ich
habe viele Nahmen gesammelt, halte es aber für unnöthig die-
felben anzuführen, ohne hin da ein persisches Dorf im Umfang
und an der Zahl der Wohnungen sich nicht viel weiter als ein
rußischer oder deutscher Bauerhof erfrekt. Zu Lahidschaan war
auch ehmals der Fleiß der Ruffen geschäftig. Man fieht zwey
Ueberbleibsel von zwoen in der Nachbarschaft ehmals angelegten
Festungen; um die Stadt war ein schmahler Graben gezogen
und bey demselben ein Retranchement aufgeworffen. Drey. Werte
von der Stadt auf dem Wege nach Langorod unten an dem
- Gebürge
A, R. „RS 345
Gebürge ist eine Höhle befindlich, von welcher die Perfer vor-
geben, daß fit undenklichen Jahren in derselben ein groffet
Schatz verborgen liege; man könne sich aber wegen der
Menge entsetzlich großer Schlangen, die sich bey dem innern
Eingang aufhalten, unmöglich bemächtigen; die Ruffen hätten
den Orth mit Pulver fprengen wollen, man habe sie aber durch
Bitten davon abgehalten.
Die Einkünfte, die der gegenwärtige Beherrscher von
dem Lahidschanischen Distrikt hat, sind gänzlich unbestimmt, sie
beruhen auf den Willen und den Nothwendigkeiten desselben;
dann in diesem Fall findet keine regulierte Einrichtung statt, wie
ich bereits bey dem Artikel von den Einkünften Hedaet Chans
gemeldet habe. Indeffen zweifle ich nicht, Lahidschaan müffe
gleichfalls eine Abgaben auf gut Perfisch erlegen. Bei meiner
Anwesenheit traf ich einen Persischen Bedienten an, der einen
nachgehliebenen Rest vom vorigen Jahre, fünftehalb tausend
Rubel, eintreiben musste. Bei den Abgaben, die diese Land-
fchaft erlegt, führe ich deswegen einen Umstand an, weil er von
der gegenwärtigen Verfaffung in Persien abermalen ein artiges
Beyspiel abgiebt. Vor wenigen Jahren verlohr der Lahidschan-
fche Naip auf dem Weg von Lahidschaan nach Räscht, den
er auf Hedaets Befehl bereiste, durch einen Flintenschuß unver-
muthet sein Leben. Man erkundigte sich lange Zeit nach dem
Thäter; die Sache wurde endlich Kerim Chan angezeigt, der
Hedaet Chan auftrug, folche ernstlich zu untersuchen.
bey allem Nachfragen blieb doch der Thäter unentdeckt, und
um den Tod des erschossenen U-Naips nicht ungerochen zu laffen,
legte Kerim Chan der Provinz Gilan über ihrer ordentliche
Steuer eine jährliche Zubuffe von fünfhundert Batman Seide
auf, die in den verschiedenen Städten und Dörfern derselben
unter dem Nahmen der Abgabe für den erschossenen Naip bis
jetzo eingetrieben werden. Man weiß unter der Hand, daß
Hedaer Chan selbst denselben, weil ihm seine Treue manch-
mal verdächtig schien, umbringen laffen. Kerim Chan konnte
die wahre Beschaffenheit der Sache nicht unbekannt bleiben;
er schlug mit der Straffe auf dem Sack und meinte den
Efel, indem er anstatt des Thäters feinen gesammten Untertha-
nen die Strafe auflegte. Ich fahe hier viele durch die Pocken
Dritter Theil, r 9"-
llein .
346 «A, H „F-
Von den
Persischen
Pocken.
Von dem
Reißbau in
Gila
M.
verunstaltete Menschen, und erfuhr dabey wieder etwas, so die
Geschichte dieser Krankheit erläutert und bestätiget. Man beobach-
tet nemlich in dem ganzen Nordlichen Perfen, daß dieselbe sechs,
acht, bis zehn Jahre lang gänzlich ausbleibt, auf einmal aber
sich wieder einstellt, wobey aufmerckfame Leuthe allemal einige
Tage zuvor den Arabischen Südwind bemerkt haben. Stellt
fie sich nun würklich ein, so dauert sie ein halbes, wohl auch
ein ganzes Jahr und darüber in einem fort, verliert nach und
nach ihre schädliche Würkung, bis sie zuletzt gänzlich aufhört,
Viele Menschen bleiben ihr ganzes Leben hindurch von derselben
gänzlich verschont, vielen wird sie eingepropft, als welcher in
Europa neuerlich fo heilsam erfundene Handgriff, hier zu Lande
feit undenklichen Jahren eine überall bekannte Sache ist: und
also zuverläßig, wie ich schon in dem ersten Theil meiner Reise-
beschreibung mit vieler Wahrscheinlichkeit vermuthet habe, keine
europäische, sondern warhaftige asiatische medicinische Erfindung
ist. Man verfährt dabey kurz und gut, nimmt das Pokengift
von einem , der mit dieser Krankheit leidlich behaftet ist,
welches die Beschaffenheit des Fiebers entscheidet, macht eine
kleine runde Oeffnung an den Händen, den Füßen oder einem
andern beliebigen Theil des Leibes in der Haut desjenigen, der
inoculirt werden foll, bringt das fremde Gift in dieselbe, ver-
bindt die Wunden leicht, und überläßt den gemachten Kranken
der Sorgfalt der Natur, ohne ihm das geringste abführende
Mittel einzugeben, ohne ihn von der freyen Luft auszuschlieffen.
Das heißt ja recht einfach, ja bald möchte man sagen, recht
einfältig zu Wercke gegangen; und dannoch ist kaum ein oder
ein anderes Beyspiel bekannt, wo auf die Operation eine .wie-
drige Würkung erfolgt wäre. - -
- " Sobald die Regentage Abschied genommen hatten, be-
fuchte ich die Lahidschaanische Felder, und das angrenzende
nahe Gebürge. – Der Bauer beschäftigte fich eben die junge
Reißpflanzen zu versetzen. Die Reißfelder find, wie in ganz
Gilan, also auch hier an den niedrigsten Stellen angelegt, alle
neben einander durch aufgeworfene Erdhaufen abgesondert, und
in dieselbe wird das Waffer vermittelt häufiger Rennen, die
unter den gebrükten Wegen der Provinz ihren Lauf haben, ge-
- leitet
«A, - 347
leitet, welches ein paar Zoll hoch über die Oberfläche der Erbe
zu stehen kommt. Im Februarius werden die Felder gepflügt;
die Pflugmaschine ist eben dieselbige, die in Klein- Rußland
üblich ist, und wird mit Ochsen gezogen. Im März wird der
Reiß auf Stellen gefäet, die sich nahe bey den Aekern befinden,
welche dereinsten Reißfelder abgeben müffen, fo dichte und un-
"ordentlich, daß man meinen möchte, eine Pflanze müßte die
andere ersticken. Im April werden die gepflügte Aleker gleich
gemacht, und beim Ausgang desselben oder zu Anfang das May
die junge Reißpflanzen, die schon ein alter von sechs Wochen
erreicht haben, aus den gedachten kleinen Schulen in dieselbe
verpflanzt, so daß eine jede von der andern Zollweit absteht:
Das Unkraut wird den Sommer über drey mal ausgejätet,
und wann der Reiß in Halm zu fähieffen beginnt, wird der
Zufluß des Waffers etwas vermindert. Zwischen den Reißfel-
"dern fand Phalaris oryzoides ungemein häufig. – Da fon-
ºften in Persien die Arbeit der Frauenspersonen ganz im Ver-
"borgenen geschieht; fo sieht man doch bei dieser Beschäftigung
eine große Anzahl derselben öffentlich ihr Brodt verdienen. –
- Das platte Land der Reißfelder bringt fast gar keine,
oder doch wenigstens keine feltene Gewächse hervor, und ich fahe
gar bald, schon in Räfcht zuvor davon überführt, daß ich auf
demselbigen eine geringe Beute zu erwarten hätte. Wirklich ist
- Gilan an und für sich betrachtet der Orth gar nicht, wo ein
Botanist feine Neubegierde befriedigen kan. Das falzige Ge-
fade der Caspischen See bringt keine andere Pflanzen hervor,
als welche auf der ganzen westlichen Küste zu wachsen pflegen;
- in dieser Provinz aber ist zwischen demselben und dem Gebürge
nichts als ein fumpfigter Orth befindlich, wovon der eine Theil fich
felbsten, zu einer Schilff-Plantage überlaffen, der andere aber
zum Reißbau benutzet wird. Ich bereiste also ohne Verzug das
angrenzende nächste Gebürge, welches sich um Gilan in einem
halben Zirkel herumschlägt, der aber sehr ungleich ist, indem
solches nicht nur ungemein viele Krümmungen im ganzen macht,
sondern manchmal im Umfang einer Meile sich wieder verschie-
dentlich biegt. Ich betrog mich auch in meiner Meinung nicht,
auf demselben sowohl seltene und noch nicht genug bestimmte
- 3E x 2 : Kräu-
348 R, + „F
Kräuter, als auch etliche ganz neue Recruten der Flora zu
finden; jedoch war die Anzahl so beträchtlich eben nicht. Ich
muß aber auch das fagen, daß ich fie für diesmal weder in ihrer
Höhe, noch nach ihrem Umfang genugfam verfolgt habe. Das
ganze nahe Gebürge besteht aus nichts, als aus Waldung, in
welchen die Bäume, weil der Boden fett und leemicht ist,
überflüßige Nahrung genießen, und daher durch ihre auswach-
fende Wurzeln, und die sich überall ausbreitende Aete den Tritt
auf demselben um so beschwehrlicher machen, weil jene meisten-
theils von der Natur mit Stacheln versehen find; oder weil sich
andere stachelichte Gewächse um dieselbe herumschlingen. Es ist
wirklich eine besondere Beobachtung, daß in dem Orient, der
meiste Theil. von den Kräutern haarigt, und die meiste Pflanzen
und Stauden fachlicht find. Wir wissen aber das Belieben der
Natur in Hervorbringung der Geschöpfe noch nicht einzusehen,
und es ist uns, der Nutzen der Vegetations-Theile bei den
Pflanzen noch nicht fo bekannt, als daß ich meine noch nicht:
veiffe oder zu meiner eigenen Ueberzeugung gediehene Gedanken
öffentlich fagen möchte. Hier ist nichts häufiger, als die C-
ratonia, welche in den Apotheken unter dem Nahmen Siliqua
dulcis bekannt ist, und deren Beschreibung, an einem andern
Orthe vorkommt. Hier find die Mespeln, die neue unter dem
Nahmen Asgill vorgetragene Birnart, der fachlichte Pflau-
menbaum, hier ist die Calaffa, der Granat mit feinen Star-
cheln beschwehrlich. Hier sieht man andere Bäume mit densel-
ben versehen, die fonsten keine haben; wie z., E. Cornus fan-
guinea, vieler andern Beyspiele will ich nicht erwähnen. Um
diese Bäume schlängt sich ein fachlichter Stauden - Rubus, die
schon etliche mal erwehnte China-Wurzel und andere Pflanzen
dieser Art. Auf der Erde kriechen wollichte Trifolia mit haa-
rigten Kelchen; da, sieht man viele bekannte und unbekannter
Pflanzen, von den rauchblättrigen des Tarneforts und von den
Sternförmigen. Da erscheinen viele Lychnides mit ihrem Pelz-
Da eine große Anzahl vom Hahnenfuß, Geschlecht. Da eine anderer
eben so beträchtliche von Wiken- und Schotenpflanzen.; beynaher
alles hat eine haarigte oder wolligte Gestalt. Wer weiß mir
wohl die Urfache davon anzugeben? Diese kleine Ausschweiffung,
hat das an Lahidschaan angrenzende benachbarte Gebürge, :
-A, - „Fs - 349
sich dieser Orientalischen Analogie gemäß verhielt, veranlaft.
Die eigentliche auf demselben angestellte Beobachtungen gehören
nicht hieher; jedoch gedenke ich des Nutzens, welchen die Per-
fer von ein paar Kräutern, die ich am Fuß dieser Gebürge an-
getroffen habe, rühmen. Die eine betrifft den Gauchheil, "Musen des
wohl den schon lang in den Apotheken wider die Tiefsinnigkeit Garch-
aufbehaltenen, als den breitblättrigen der Botanisten, den ich für heils.
;
b
-
eine bloße Spielart des andern aufhe. Den frisch ausgepreßten
Saft dieser Pflanze, welche sich zu diesem Ende in ihrer Voll-
kommenheit befinden muß, empfehlen ermeldete Morgenländer
als ein ficheres Mittel gegen den Ansatz des Staars bey den
Pferden; sie gebrauchen ihn äußerlich, befeuchten Baumwolle
damit, und legen solche auf das kranke Aug. Ich will für die
Wahrheit dieser Nachricht gar nicht Bürge feyn. Wer die
Probe damit machen will, wird keinen. Schaden anrichten-
Möchte sie gelingen, fo wird der Gauchheil ein neues unerwar-
tetes Lob davon tragen; und man dörfte mit demselben auch
bey Menschen, die im Begriff find, blind zu werden, Versuche
anstellen. Der Gebrauch von einer andern Pflanze ist fchon be-
greiflicher. Von den Römischen Kamillen nemlich wird ein
Waffer abgezogen, oder der Weingeist mit der Kraft dieses Krauts" dere
gefätiget, und die daraus in beiden Fällen verfertigte Arzney, “-
als ein Herz, - und Magenstärkendes Mittel gerühmt. Das
Kraut hat in der Türkischen Sprache den Nahmen Baiman-
daran. -
- Vom vierten May. Heute verließ ich Lahiöschaan
und reiste nach Langorod. Eben dieselben Gebürge, von wel-
chen ich jetzt gehandelt habe, begleiteten mich bis eine halbe Far-
fange von diesem Orth, allwo fiel sich wieder mehr nach Westen
zogen. Meine Wahrnehmungen litten daher keine Veränderun-
gen. Auf der Hälfte des Weges traf ich Pommeranzen Bäume,
von einer ansehlichen Größe an, deren Umfang wohl zwei mal
so groß war, als die Dicke eines Menschen; sie befanden sich
eben in ihrer Blüthe, wovon sich ein durchdringender balsami-
scher Geruch auf eine ziemliche Entfernung ausbreitete, der mir
aber auch zugleich Kopfschmerzen würde verursacht haben, wann
ich mich in ihrer Nachbarschaft länger aufgehalten haben sollte.
Langorod liegt vierzehn Farfangen von Räscht auf einem nie Langorod
3 x 3 drigen
350 " •, F. „Es
k
- -
drigen ganz sumpfigen Platz, und ist gegenwärtig ein ganz zer
föhrter Orth, der nichts, als etliche fähilfferne Häuser, einen
kleinen Basar, eine halb zerfallene Brücke über den Fluß glei-
chen Nahmens, und eine Mesched aufweisen kan; der Orth,
über welchen auch nur ein Stdrost gesetzt ist, gleicht nichts weit
ter als einer Rußischen Chutorie. Die Hütte, in welcher ich
einquartiert wurde, war dicht an der ehmaligen Wohnung und
Festung des berühmten Eltons, welchem Platz aber anjezo kaum
anzusehen ist, was er ehmalen gewesen sein möchte. Ein Gra-
ben, der rings um denselben gezogen war, und ein auf densel-
ben folgender aufgeworffener Erdwall, hinter welchem eine aus
gebrannten Ziegelsteinen aufgeführte, nun gänzlich zerfallene Mauer
angelegt war, zeigen endlich zur Noth die Absicht dieser flüchti-
gen Anstalt. Der Platz stellte ein Viereck vor, auf dessen Ecke
kleine Wachhürmer zur Beobachtung feindlicher Bewegungen
errichtet stunden, von der Wohnung des Eltons ist keine Spuhr
mehr vorhanden, wohl aber noch die Pforte, die zu derselben
führte, und die ihre Richtung gerade nach dem Fluß Langorod
hatte, der bei derselben vorbeiftröhmt und in welchem das große
von ihm erbaute Schiff gestanden hat, das, nachdem es so viel
Unheil angerichtet hatte, im Jahr 1753. von den Riffen auf
eine gewisse Art in den Brand gefekt wurde, die man fo vers
borgen ins Werk gerichtet hatte, daß die Perfer noch jetzo
"nicht die Urheber dieser That wifen.
“. Vom fünften bis zum neunten May. In diesen
Tagen befuhr ich mit einigen von meinem Gefolge und einem
Untersteuermann, den der Sinfelische Consul deswegen darzu
“ beordnet hatte, das Gestade der Caspischen See zwischen der
"Mündung der Flüffe Langorod und Swidura, in der Absicht
alle Gilanische Banken zu untersuchen, und mir ihre Tieffe be-
kannt zu machen. Jedoch die Mühe, die ich auf diese Arbeit
"verwandte, war gänzlich vergebens; dann ich fand, daß es in
ganz Gilan keine gute natürliche Bank gebe, weil nemlich alle
Gilanische Küsten frey liegen, und dadurch der Gewalt der
Winde beständig “ find; weil ferner ihr flacher Boden
der zu einem sichern Hafen gehörigen Tieffe des Waffers unauf
- hörlich entgegen steht, da Nord- und Nordwestwinde den Sand
- -
bestän
A, - „F- 351
beständig und in unglaublicher Menge ans Land treiben, wodurch
die Banke verschüttet werden, und es so lang bleiben bis Süd-
und Südostwinde den Sand wieder zurück nach der See trei-
ben; ja weil endlich dieser flache Boden zusammengenommen
mit der freien Lage des Hafens, die kurze und gefährliche Welt
len, die bey Nordwinden wirbelförmig herumgetriebene Sand-
bank verursachen. Jedem wird auch die wahre Beschaffenheit
der Sache um so begreiflicher, wann er die ganze Provinz Gi-
lan als einen schmahlen Landesstrich ansieht, auf defen einer
Seite sich eine, keinen Ausfluß habende, ungeheuer groffe See,
und auf der anderen hingegen eine Kette fürchterlicher Gebürge
befindet, und wann er aus dem vorhergehenden die richtige Folge
zieht, es könne nicht anders fern, als daß bey den Gilanischen
Hafen eine beständige Veränderung statt habe: derjenige, wel-
cher meinetwegen anjezo mit der Mündung eines Fluffs von
15. oder 20. Zoll : fey, stehe in ä , über ein oder
ein paar Jahre bey anhaltenden Nordwinden diese feine Mün-
dung gänzlich zu verlieren, da mir inzwischen keine vorgekom-
men ist, die über 4. Zoll gehabt hätte. Will man dann in
Gilan auf einen guten Hafen bedacht fey, der allerdings zu ei-
nenn rechtschaffenen Handlungs-Etablissement gehört, fo, muß
die Kunst dasjenige ersetzen, was die Natur verfagt hat; man
muß nemlich an einem bequemen Orth einen Kanal graben, in
welchen die Schiffe einlaufen können, und zu mehrerer Sicher-
heit muß ein solcher künstlicher Hafen befestiget werden. Ich
könnte hier zwar von der Handlung nach Persien am füglichsten
handeln. Ich könnte von der gegenwärtigen Beschaffenheit, von
dem Zerfall derselben, und von den Mitteln reden, durch deren
Gebrauch eine höchstinteressante Sache in solchen Gang gebracht
werden könnte, den sie verdienet. Allein diese Arbeit würde mich
von meinem Zweck allzuweit entfernen und den Raum eines
halben Alphabets in einem Tagebuch einnehmen, obgleich d
Verfaffer an dem Beifall, oder an dem Tadel, der auf ihren
eigenen mehr als auf den allgemeinen Vorteil des Reichs
fehenden Kaufleuche gleichviel gelegen feynkan. Zudem gehört die
persische Handlung zu einem Theil der innern Verfaffung Ruß-
lands, und in dieser Aussicht ist es zuträglicher, daß ich meine
Gedanken zur Prüfung da übergebe, Asset #
- - "Reichs
-
- - -
-
- - - - -
352
-A, H „F-
kannt machen sollte. Wer indessen einen hinlänglichen Begriff"
Reichs abgemacht werden, anstatt daß ich solche allgemein bei
von der Perfischen Handlung haben will, der kan sich bei Han-
wey Raths erholen.
In der Gilamischen Aussprache habe ich einige Abände-
rungen von der Perfischen bemerkt.
Sie bestehen fast ganz al-
lein in Provinzial-Benennungen. Zur Probe führe ich folgende
Wörter-Liste an:
_Teutsch.
M. Eins.
2. Zwey.
3. Drey.
4. Vier.
5. Fünf.
6. Sechs.
7. Sieben.
8. Acht.
9. "Neun.
10. Zehn.
11. Eilf.
12. Zwanzig.
13. Dreyzig.
14. Vierzig.
15. Hundert.
16. Tausend.
17. Zehntausend
18. Hundert
taufend.
19. Tausendmal
Tausend, oder
eine Million.
1. Gott,
Türkisch,
Perfisch. | Gilanisch.
Bier“ Iaek. Allta.
iki. Do. |Duta.
Utsch. Se. Seta.
Dort. T(cahar. Tchaharta,
Besch, Pantsch. Painfchta.
Alri. Schifch. Schichta.
leti. Haft. "Haffa.
Saekis. Hascht. Hashta.
Dokus. No. Nochta.
On. - Da. Data.
On Bier. 1a-Sda. lasdata.
Igermi. Bis. Bifa.
Otus. Si. - - Sita ---
arch. Tschi. Tschilta.
Ius. Sadd. Sadta.
Mien. Hafar. Hafarta.
On Mien- Da Hafar. Da hafarta.
Ius Mien. Sadd Haar. Sadd hafarta-
Mien Mien. Haar haar. -
Tari. huda. - -
Scheitan. C
Gog. Aflaman. - -
Bulut. Aber. --
5. Der
2. -
FFF
Teutsch.
Türkisch.
5. Der Windle.
6. Der Sturm Kulaek.
7. Der Reiff. Schabnam.
8. Der Nebel. Duman.
9. Der Regen. Iagusch.
To. Der Regen-Gausaka.
bogen. -
11. Der Schnee. Gar.
12. Das Eiß. Bus.
13. Der Hagel.iaeger.
14. Der Blitz. Raad.
15. Die Don-
nerkeile. -
16. Das Don-Gokguruldi.
nerwetter,
17. Die Sonne. Gun.
18. Der Mond. Ai.
19. Der Stern. Oldus.
20. Die Mor- Saharatschaldi.
genröthe.
21. Der Mor- Sobolduf.
genstern.
22. Der Nord-Schemalgeli.
wind.
23. Der Ost- Matchrachgeli.
wind.
24. Der Süd-Kablegeli.
wind.
25. Der West
wind,
26. Der Mor-Sahaar.
gen. -
27. Der Mittag Gunurta.
28. Der Abend. Achscham.
29. Die Mit- lerri ledfähi.
ternacht. -
30. Sonntag. Maek schambe.
Dritter Theil,
---
Makrapgeli.
Perfisch. Gilanisch.
Baat. - -
ATAH. Waran.
– – Adam
Iach. *- -
| – – Tenger.
Radbarch. | – –
- - orolfun.
Alaman Sade urachana.
- mikunet.
JMa. - -
Satara. - - - -
Tuluaeföb. * -
Satareisob. „Tuluaebukudae
Rafa fatara.
JBadischemal. - -
Badimaschragi.
Badikable.
Badmagrebi.
Sopha.
Sohor,
Magrap.
Nees Hefchap.
- -
P) y
*-
-
m-
---
-
Saba.
=
-
-m-
-
---
g-
-
3le
354 •A, P. „Sº
_Teutsch. | _ Türkisch. | Persisch. " [ Gilanisch."
31. Montag. Duschanbe, TT-T–TT-T–T –
32. Dienstag. Saschambe. - - - - - - -
33. Mittwoch. Tscharfchambe. | – – - - -
34. Donnerstag. Peinfchambe. - - - - - -
35. Freytag. Tschuma. - - --- --- --
36. Sonnabend Schambe. - - - - -
37. Eine Woche Hafda. - - - - - - - -
38. Der Tag. Gun. Rus. Rus.
39. Die Nacht. Getfcha. Schap.
40. Der Schat-Kolga. Saia. aia.
ken. -
41. Ein Jahr. |II. Sal. Sal.
42. Der Früh- |Bahar. - - - - -
ling. -
43. Der Som-las.. Tabatan. - - -
Ner",
44. Der Herbst. Pais. - - - - - - - -
45. Der Winter Iefch. – – – Sametan.
46. Ein Mo- Ei. Ma. Ma.
nath. -
47. Das Feuer. Ot. Atach Atach.
48. Der Rauch. Tutun. Dut. Du.
49. Eine bren-Atach. - - - - - - - -
nende Kohle. | '-
50. Eine Kohle. Kumur. Sagasch. Sagal.
51. Ein Funken, Otschgun- Tier. Tier.
52. Die Luft. I. Bu. Bu.
53. Das WafferSu. Ap. Aph.
54. Der Fluß. fT schei. Rotkana. Rubar.
Ein Waffer-Susaftier. Apädamikonet-Apadakune-
all. - -
56. Ein Bach. |Arch. Tschub. Tfchu.
57. Das Ufer Tscheikaragi. Kanaratkana. Rubarekana.
eines Fluffes. -
59. Das Meer. Dingies. Daeria. Daierja-
59. Ein Meer- Mordop. - - - - - - *
bufen.
60.
A, - „F- "355
Teutsch. |_Türkisch. erfisch. Gila
60. Eine See. Gul. ' Sal. nich.
61. Der Moraft Batschachter. Tscumtfchuma. - - -
62. Eine Grube. Tschochor. Gaudal. - Tschala.
63. Eine Inful. Tapa. - - - - -m-
64. Ein Teich. |Haus - - - - - -
65. Eine Quelle/Bolach. Tschetschma - -
66. Ein Brun-Gui. Tscha. Tscha.
MEN,
67. Die Erde. Ier. Simin. Simin.
68. Ein Berg. Dach. Ku. Ku.
69. Ein Hügel, Tapa. – – – Kol. -
70. Ein Feld. Tschol. Biaban Sahara. Defcht.
71. Eine Steppe Biaban. - - - - - -
72. Der Weg. |Iol. Rh. - - -
73. Eine Brücke Kurpi. |Pol. - -
74. Der Wald/Tschengael. - - - - - -
75. Ein Baum |Agatsch. lDaracht. Dar.
76. Die Augen-Gesch. Abru. Abru.
Braunen. -
77. Die Augen-Mucha. -- - - - - -
Lieder. - - -
78. Das weiße |Koefinag. Sephiderschich] - – - -
im Auge. -
79. Das schwar Koeinkaras. Siahedschisch. Tscheschmisiahe
ze im Auge. -
go. Die Kloten Taschach. Chaia. Chaia.
81. Der Ast. |Rudach. Schach. Schach.
82. Das Blattlarpach. Berg. Walk.
83. Ein Balken (Burutsch. hal. Chal.
84. Der Stein. Dasch. eink. Seink.
85. Der Sand „Gum. Rik. Rik,
86. Der Staub, Toff AETT. Gaert.
87. Der Leem. Paltfchoch. el. Gel.
88. Der Koch. Geles. eles. - -
89. Das Metall. Madan. - - - | - *
90. Das Gold. Gofel. aela. Taela.
ot. Das Silber-Gumisch- Nogra. Nogra. - -
(- - P) y 2 92
356
A, H „Fe
-
Teutsch. Türkisch. erfisch. | Gilanisch,
92. Das Zinn, Galai. – | – n
93- Das Bley Goroschun, Sorp. Sorp.
94. Das Eisen Daemur. Ahen. Ahen.
95. Das Stahl-Fulat, Tulat. | – – | – –
96. Das Glaß Schischat. Schischa. Tscham.
97. Der Wei Bochda. Gaendou- - - -
zen. - -
98. Die Gerste-Akula.
# Gute Ger-Tschampa. - - - - - - -
L.
100. Der Apfel. Alma. Sib. Sib.
101. Das Gras/Ot. Alaf. *- -
102. Das Heu/Guri Qt. Alafchosk. *- -
103- Die Bluh-Gul. Gul. - -
H.
104. Der Saa-Tochmi. Dana. Dana-
M. -
105. Das Mehl. Un.. Art. - -
106. Das Brodt-Tschurek. Non. Non.
107. Die Wur-Kok. Richa.. Richa.
el.
# Die Zwie-Sochan. Fias.. Pias.
el. -
109. Der Knob-Saramfach. Sir. Sir..
lauch.
110. Der Wein. Tschacher. - Scharap. Scharap:
111. Die Butter. Jach.. Rogan. Rogan.
112. Das Oehl Saitun Iachi. Rogan Saitun. Rogan Saitun.
113. Die Milch-Sut. - Schir.. Schir.
114. Das Ey. |lemurda.. Tochem. Murgana,
115. Das Salz Dus. Namak. -
116. Das Fleisch. Goinaetti. Gufligußan. Gusfandigust:
117. Ein Mensch Adam. -
118. Ein Mann, Kifchi. - Mard. Mardai.
119. Der Vater. Ata. Pedaer. Pier.
120. Der Sohn. Ogoh. Pelaer: Pelaer.
Braar:
121, Der Bruder Kartasch. - -
Baradaar.
122
*R, - „FS 357
-
_Teutsch. _ / _ Türkisch. | Perfisch. Gilanisch.
122. Der älteste Biuch Kartasch Baradaar TB-TFTBraar
Bruder. - - f, jurk. - -
123. Der jüngste Kitschik. Kar. |Baradaar Ki- Kutsche Braar:
Bruder. | tach. | tfchnik. -
124. Ein Knabe (Kitchuk Ku-| Fotfchei Ku- Kutsche Sai.
fähak: tfchik. " - -
125. Ein Kind, Sutamanoschach Potschei Schir-Schircho Sai.
chor.
126. Ein Greiß Kotcha Kiichi. Mardepir. Pirmardai. " -
127. Ein Frau-Arwat. San. Sanai. -
enzimmer, .
128, Die Frau Manumarwadi, Sanimam. Mifan, ––
129. Eine Wit-Dölarwad. Sanibiwa. Biwa Sanai.
PE. " - , -
130. Die Mut-Ana. Madar: Maar. --
\ fer,
131. Die Tochter Gos Dochter. Dochter:
132. Die älteste Bechgäs. Dochter basar. | – – -
Tochter, --
133. Die jüngste Kitschigos. Dochter ku- Kutschik. Doch
Tochter. tschik. ter, -
134. Ein Mäd-Sutamangos. Dochter Schir-Schirchor -
gen. chor. | Dochter.
195. Der Herr. Aga. -
136. Die Frau Chamam. Agafim- - Agafin-
17. Ein Knecht. Jetim- -
13. Eine Magd-Karawasch. Chatmatgar. *- -
139. Der Kopftuch. Saer. Saer.
140, Die HaareSatsch. Mü. Mut: .
141, Die Wolle Juw. Paschma. - -
142. Die Stirne Fischani. – – – –
143. Das Aug-GHz. Tschech. Tschesch,
144. Das Ohr-Lach- ußch. ulch.
145. Die Nase Burow Damache 1N1-
146. Der MundAhus. h n Dahan.
47. Die Lippen Dudach, Lap.- p.
"D ZungelDiel. Saban Sabass- - -
P) y 33 149,-
–––
358 *, < „F-
176. Das Blut. Gan,
t
-
-
'-
Teutsch. |_Türkisch. Persisch. |_Gilanisch.
19. Der Hals. Boin. Gerdan. Gerdam
150. Der Zahn-Dilch. Dendan. – Gas.
151. Der BakenUs. Ru. Dim.
152. Das Kinn, Tschana. Sanach. Sanach.
153. Der Bart Sakal. Risch. Risch.
I54. Die Gurgel Bohas. Halch. Gula.
155. Die Schul-Tschgew Dusch. Dusch.
ker.
156. Der Ellen Arenfch. Scop.
bogen.
157. Die Hand. E. Daft. Dalt.
158. Der Finger Barmach. Anguft. August.
Der Mittel-Urda Barmach-Angustimianen. Angulimianen
unger.
16o. Der Nagel Dernach. Nachun. Nachun.
161. Der Rücken Dal, Puscht. Pufcht. -
162. Die Brüste Emschek, Pustan. Tschutchu. .
163. Die Brust Gokfi. Sina. Sina.
164. Der Bauch Garen. Schekam. Schkam.
165. Der Nabel/Gubek. Naf. Nof.
166. Das männbik. k" Ker.
liche Glied.
167. Die weib Am. Kus. Kus. -
liche Scham.
168. Der Hin- |Güt. Kur. Kuns
tere.
169. Die Hüfte. But. Kan. Ran.
170. Das Knie Dis. „OAIDU. Sanu.
7: Schifi-Pilek. - |Bendepa. Faigerden. "
(M.
172. Der Fuß. |Ajach. Pa. Pa.
173. Die Men-Deri. |Puft. Puf.
fchenhaut. , -
174. Der Ofachan. Chach.
chen. . - -
175. Eine Ader. Damar. aek. ack.
Chun - Chun.
177.
Teutsch. - | - Türkisch. | Persisch. Gilani
177. Der Ma- Wutschut. Haffama. ' fch.
gen.
178. Das Herz. Ureg Del.
179. Die Lunge (T ". Del.
180. Die Leber. Tschiger. –
18I. Die Galle. Sahara. - - - -
182. Innerliche Illel. Bat. Bat.
Blehungen. -
Der Un- Boch. Go. Go.
ak.
184. Der Urin. Sudük. Schafh Gurural - -
185. Die Klei- Baltar. Racht. Racht.
dung. 4-
186. Die Lein- Ketam, - - - -
wand.
187. Pelzwerck. Deri. Puf. Puf,
188. Der Gürtel Gurfchak. Schal. Schal.
189. Ein Huth/Birk- Kula- Kula.
190. Die Hofen. Tuman. - - | - ***
191. Die Baditsch. -
Strümpfe.
192. Das Hemd Künck- Pirahan. Pirrahan.
193. Die Stiefel Tschekma. -- -- w- -
194. Kurze schekma. - -
Stiefel.
195. Eine Stadt-Gala. Gala. Gala.
196. Eine Stadt Kitschi gala. Galai Kaka Gala,
oder Festung
Dom zehnten May. Heute reiste ich nach Rudiffar
zu Lande in der Absicht, das Gebürge so lang zu verfolgen,
bis ich einen tauglichen Orth finden würde, die Schneeberge zu
besteigen. Man rechnet von langorod bis Rudiffar, 6. Farfan-
gen. "Der Orth ist gänzlich verwüstet, und giebt also einen
neuen Zeugen von der Würfung der Persischen Revolutionen ab.
Der Weg, der zu denselben führt, ist eine Fortsetzung des Lan-
- gorodi-
360 A, Pk „Fs
gorodischen, diejenige nemlich gebahnte Straffe, die Schach
Abas der Groffe, von Hyrkanien bis nach Astrabat angelegt
hat. Theils eine übertriebene Faulheit und theils eine gewisse
Politik sind die Ursache, nach welcher die Perser gerne leiden
mögen, wann allgemeine Landwege äußerst verdorben sind. Die
leztere macht dadurch eine Festung ohne Schwürigkeit und ohne
Kosten, und die erste ist ihnen fo angenehm, daß sie folche
schwehrlich mit dem Genuß der besten Bequemlichkeit vertauschen
würden: daher ist man, zum groffen Verdruß fremder Reifender,
die nicht Persianisch denken, noch niemals auf den Gedanken
gerathen, diesen von Schach Abas angelegten Landweg auszu-
beffern; und daher wurde mir derselbe, wie ich von Räscht bis
Langorod, also auch von da bis Rudiffar ungemein beschwehr-
lich. Ich reifte den eilften längst dem Ufer der See 30. rußi-
fche Werte weiter, setzte über 15. theils große, und theils kleine
von dem Gebürge hervorrollende Flüffe, und erreichte das Dorff
Sankalarut, welches aus einigen meistens gut beschaffenen Ge-
bäuden besteht, und an dem Fuß desjenigen Gebürges liegt,
deffen äußersten Gipfel zu erreichen ich mir vorgenommen hatte.
Ich-kennte nicht so geschwind neue Pferde erhalten, daß ich dem
Trieb meiner Begierde den gewünschten Lauff einzuräumen ver-
mochte; ich mute hier so wohl heute, als den zwölften fille
liegen, und damit dieses nicht ohne einigen Nutzen geschähe, so
befahe ich nicht nur die Gegend um Sankalarut, sondern ich bestieg
auch das Vorgebürge der Schneeberge, welche mir so sehr am
Herzen lagen. Kein Ey kan dem andern ähnlicher sein, als
die Beschaffenheit desselben mit dem Lahidschanischen. Ich durch
kreuzte daffelbe mit meinem Studenten diese anderthalb Tage
mit der größten Gedult und wurde durch die Beschwehrlichkeiten,
welche die fachelichten Kräuter und Pflanzen verursachten, nur
muthiger gemacht: Ich konnte aber nur ganz geringe Beyträge
zu meinen Lahidschanischen Beobachtungen erhalten, zu neuen
Entdeckungen fand sich hier gar keine Gelegenheit. Die Baum-
arten waren eben dieselbe, und die Kräuter veränderten sich nicht.
Doch gab Belladonna zu folgender Beobachtung Gelegenheit,
Einem von meiner Gesellschaft war die Würkung dieser Pflanze
bekannt; heimlich brachte derselbe den von einigen Blättern aus-
gepreßten Saft, welcher ungefähr am Gewicht 15. Gran '
macht
-A, - „F 361
macht haben mag, einem meiner Soldaten im Wein bey; der
Mensch, der nichts weniger als eine folche List vermuthet hatte,
nahm das Getränk begierig zu fich, kaum aber verging eine
viertel Stunde, so fing er an, auffrordentlich lustig zu wer-
den, zu fingen, zu tanzen und zu springen: befragt warum er
fich so auffrordentlich aufführe, gab er vor, er könne es selbst
nicht sagen. Bald darauf beklagte er sich über Kopfschmerzen,
über Ueblichkeit im Magen, das Rasen aber währte in einem
fort, bis ihm endlich faure Milch gegeben wurde, er darauf
einschlieff, den Schlaff viel länger als gewöhnlich fortsetzte, und
den andern Morgen gefund, es fey ihm, als wann er betrun-
ken gewesen wäre, ohne doch daß ihm eine andere schädliche
Würkung das Gift dieser Pflanze fühlbarer gemacht hätte. Hier
aus sieht man die nach der verschiedenen Dosi der Gifte ver-
fchiedene Eigenschaften derselben abermal. Bei dem Dorff,
wo wir uns aufhielten, war noch eine größere Menge Pome-
ranzen-Bäume, als zwischen Lahidschan und Langorod, und
einige vermittelt der Garten - Scheere fo künstlich geordnet, daß
man sich unter demselben, wie in Teutschland unter einer Linde
aufhalten konnte. Ich bemerkte von diesem köstlichen Baum eine
in der Frucht kenntliche Spielart, die in der perfischen Sprache
den Nahmen Patawia und Pomgarna führt. Sie ist größer
als die gewöhnliche Pomeranze, mehr blaßgelb, breiter, und ihr
Saft mit dem von den Apelfinnen ihrer übereinkommend,
(S. Pl. 23. 2.)
Nachdem wir lastbare Thiere zur Fortsetzung unserer Reife
erhalten hatten, setzten wir dieselbe den dreyzehnten fort, und
bestiegen nun das hier nächst der See fortlauffende Gebürge.
Der Weg, den wir uns heute zurückzulegen vorgenommen hat-
ten, betrug 5. Farfangen: da er aber auf lauter Bergen ge-
macht werden muste, wo immer einer feiler und morastiger als
der andere war, fo wurde er uns sehr beschwehrlich; wir er-
reichten auch nicht eher als bey finkender Nacht das Dorff
Tschurdat, allwo wir eine Zeitlang zu verbleiben gedachten.
Da die erste Hälfte von dem heutigen Gebürge noch einerley
Höhe mit dem Lahidschanischen und Langorodischen hatte,
fo veränderte sich auch die Flora auf demselben nicht; die andere
Dritter Theil. Z z - hin-
362 - - -
hingegen prangte mit einer ordentlichen Waldung und verschiede-
nen durch das Sinken und Steigen der Berge gebildeten Thä-
ler, und lieferte aus diesem Grund verschiedene neue und feltene
Gewächse. So wie wir höher ankamen, wurden wir von einer
uns ungewöhnlichen kalten Alpen - Luft bewillkommt, und einige
Alpen - Kräuter gaben einen Vorschmack von der Gegend, in
welcher wir uns nun befanden. -
Vom vierzehnten bis zum zwanzigsten. Ich war
also nun an dem Fuß der Schnee-Gebürge gegenwärtig, auf
welchen von Ferne alles so kahl ausfahe, daß man sich nicht
hätte einfallen lassen sollen, einige Anmerkungen über die Pflan-
zen machen zu können. Allein die Aufmerksamkeit, mit welcher
ich dieselbe in diesen Tagen durchwühlte, überführte mich gar
bald von dem Gegentheil; da, in der niedrigen Gegend von
Gilan, schon fit etlichen Wochen die Sommerhitze ihre Gewalt
an den Kräutern bewiesen hatte, fo traf ich hier den angenehm-
ften Frühling an, und mit demselben die für trefliche Producten,
die dieser Jahreszeit eigen find. Es dünkte mich, ich fey,
aaf den Pyrenäischen Gebürgen, oder pflückte mit dem Hrn. von
Haller Schweizerische Berg- Kräuter, und mit Tournefort
die Pflanzen des Ararats. So fehr fahe ich die Wahrheit be-
stätigen, daß ein ähnliches Climaähnliche Gewächse hervorbringt:
nicht durchaus eben dieselbe: dann die Cafpische Alpen weisen
noch überdies eine große Anzahl eigener Innwohner auf, bey
welchen die Natur eine schöne Harmonie zwischen den Morgen-
ländischen und zwischen den Alpen - Kräutern, angebracht hat.
Ich sah auch eine ziemliche Menge feltener Sibirischer Pflanzen
in ihrem Vaterlande; jedoch keine Gefählechte waren mehr ergie-
biger, als die unter den Rauhblättrigen und unter den Tetrady-
namisten festgefzte. Keine Excursion endigte sich ohne Samm-
lung einer reichen Erndte, und wie sehr erleichterte sich dadurch
die Beschwehrlichkeit, welche die Hitze bei dem Ansteigen dieser
Berge, und die Kälte auf ihrem Gipfel verursachte. Zum
Muster will ich hier ein paar nene Arten vom Symphyto. ein-
rücken. - -
-
Symphy-
- H. „Es 363
Symphytum regium. -
( S. Pl. 36. r. ) "
- Die Wurzel ist ablänglich, senkrecht, 9. Zoll dick,
und grau. Die rings um dieselbe befindliche Blätter sind auf
beiden Seiten mit einer weißen Wolle versehen, gerad, lan-
zenförmig, in Büscheln versammlet, und ohne besondere Stiele
an dem allgemeinen befestiget. Dieser ist einzeln, gleichfalls
wollicht, einfach, etwan einen halben Schuh lang und mit
Blättern besetzt, die zwar wie die an der Wurzel aussehen,
aber kleiner und schmähker, zugleich auch gewäffert find, und
von ihrer Grundlage an bis über ihre Mitte fest an den Stiel
angedrukt werden, der sich dann endlich mit einer prächtigen
Bluhmen-Krone endiger. Florer, ambitum constituentes, cer-
nui, interioribus centralibus ereétiusculis. Pedunculi cum ca-
Iyce oblongo, aequali admodum canati. Foliola Calycir ob-
tufà, Corolla breuiora. Corolla monopetala, campanulata.
Limbus tubulato ventricofus, ore quinque dentato, obtuso,
reflexo. Faux radis quinque minutis, cum faminibus alter-
nis. Filamenta 5. breuiffa, capillaria , fauci corollae inferta.
Antherae oblongae, erectae, inclufae. Florum color purpu-
reus. Variat staminibus fx cum den tibus faucis fex alternis.
Stylus longiffime exsertus. Die Pflanze heist in der Persischen
Sprache Schabu. - -
Symphytum Secundum.
( S. Pl. 36. 2. )
Die Wurzel ist eben so, als bei der vorhergehenden
Gattung beschaffen, der Stiel einzeln, rund, einfach, wollicht,
ohngefehr einen Schuh hoch und seiner ganzen Länge nach mit
2Blättern besetzt, der ihn halb umgeben, wechselsweise geordnet,
länglicht-lanzenförmig, mit einer stumpfen Spitze versehen, ganz
und auf beiden Seiten wollicht find, -
Zz 2 Racemus
364 «A, H „se
Racemur terminalis, floribus rubris breuiflime pedun-
culatis, fecundis. Calyx fpartitus, pentagonus. Stamina cum
dentibus faucis alterna, longiffime extra Corollam procumben-
tibus, autherir minimis, incumbentibus, fußco-lutescentibus.
Omaria quatuor in fundo corollae. Stylus faminibus dimidio
breuior. Stigma fimplex.
Hier bekam ich auch Gelegenheit zu der Kenntniß eini-
ger neuer, oder mir doch bisher unbekanten Vögel zu gelangen.
So hielte sich z. E. der weiße Adler, Vultur (perenopterus)
capite nudo gula plumofa, Hofely. Vultur remigibus nigris
margine exteriore ( praeter extimas ) canis, Linn, auf diesen
Gebürgen in Menge auf. Er foll aber in ganz Persien anzu-
treffen feyn, und ich erinnere mich, daß ich ihn auch zu Baku
fliegen gesehen habe. Ich muß bemerken, daß ich die Kehle
fowohl, als den Anfang des Unterhaltes, eben so, als wie den
vordern Theil des Kopfs bloß gefunden habe, und ich glaube
fast, der Herr von Linne, müsse eben daffelbe beobachtet ha-
ben: dann font finde ich keine hinlängliche Ursache, nach wel-
cher er nöthig gehabt hätte die Haffkquistische Definition mit
der feinigen zu verwechseln. ( S. Pl. 37. ).
So kam mir hier eine erstaunend groff Adler-Gattung
zu Gesichte, die gegen 4. Schuh in der Länge betrug, und de-
ren ausgespannte Flügel über 5. Schuh von einander abstunden.
Der Vogel hat ein überaus fürchterliches Ansehen, worzu die
Beschaffenheit seines Schnabels und die Gestalt eines Kopfs
vieles beiträgt. Jener ist anfänglich gerad, und krümmt sich
erst gegen die Hälfte, allwo er eine fehr erhabene Gestalt er-
hält. Die Ober-Kinnlade ragt über die Untere gegen einen
halben Zoll hervor. Die Schnabelhaut ist blaulicht, und wird
mit schwarzen und feiffen Borsten besetzt, welche ihren Anfang
von den Augen nehmen, die die ganze Gegend der Schläfe bede-
ken, und da erst aufhören, wo sich der Schnabel zu krümmen
anfängt. Der vordere Theil des Kopfs ist beinahe kahl, oder
vielmehr die Federn, welche ihn bekleiden, sind ganz abgestumpft,
feiff, weißlich und schwarz. Von dem Schnabel läuft aufbey-
den Seiten des Kopfs ein schwarzes Band, so sich # '
irbels
«A, H. „Es 355
E.
Wirbels in eins vereinigt und bei der Vereinigung die Gestalt
eines halben Zirkels annimt. Unter dem Kinn hängt ein aus
schwarzen dichten und festen Haaren zusammen gesetzter Bart.
Die Gegend um die Augen ist faffrangelb, die Nikhaut fleisch-
farben, und sehr beweglich, der Regenbogen und der Stern sind
fchwarz. Der Hinterkopf, der obere und untere Hals, die
Kehle, die Brust, der Bauch, die Gegend des Afters, und
die Federn, welche die Füße bedecken, sind Kastaniengelb mit
weiß vermischt. Die Schwingfedern dehnen sich weit über den
Schwanz aus; fie sind schwarz, haben einen weißen Stiel, und
fallen auf beiden Seiten ins Aschfarbne. Die Regier-Federn,
unter welchen die mittlere etwas größer als die übrigen, find
grau. Dieser Vogel ist abscheulich gefräßig, und verursacht
durch feine beständige Raubereyen vielen Schaden; wie es ihm
dann ein leichtes ist, sich der Schaafe, Ziegen und Kälber zu
bemächtigen. Er nistet in den Felsen, fliegt bald hoch, bald
niedrig, bald gerade und zirkelförmig, und hat eine klappernde
Stimme. ( S. Pl. 38. ).
Eine ganz schwarzer Dohle, deren Schnabel und Füße
zinnoberfarben waren, wurde mir auch gebracht. Sie heist auf
persisch Sauch, und sie kam mir schon zu Derbent vor, allwo
ich bemerkte, daß sie sehr leicht zahm zu machen fey. Sie ist
etwas größer als die gewöhnliche Krähe und auch dicker als die-
felbe. ( S. Pl. 39. ). Mit verschiedenen kleinen Vögeln be-
reicherte ich hier meine ornithologische Wahrnehmungen, wovon
ein ander, mal die Rede seyn wird.
- Das Gebürge, von welchem ich spreche, ist in allweg
eine Fortsetzung des Caucasischen, welches mich von Derbent aus
- begleitet hat: Es ist aber nur eine Fortsetzung nach der Länge;
dann hinter demselben sind nur noch zween andere Berge von
einer nemlichen Höhe befindlich, worauf eine Ebene folgt, die
den Weg von Kasbinr bis Ispahan ausmacht, dahingegen die
Derbentische Alpen in einer ununterbrochenen Kette bis an das
fchwarze Meer lauffen. Die ermeldete Ebene ist eine Fortsetzung
der Mogane, die zwischen Sallian und Enzelli ihren Anfang
nimmt. Noch ehe die Mogane anfängt, und gleich hinter
Z z 3 Schama-
366 A, + „F-
Schamachie schlengt sich das Haupt-Gebürge gänzlich nach
Westen, und nur ein nächst dem Ufer der Caspischen See in
die Länge gehender Strich nimmt den Lauf von Südwesten. Ich
war mit keinen Physikalischen Instrumenten versehen, um Beo-
bachtungen anstellen zu können, welche Liebhabern angenehm sein
möchten. Ich begnügte mich daher mit den allergemeinten
Wahrnehmungen. In dem Dorff Tschurdast dachte ich binnen
ein paar Stunden auf dem Gipfel des ersten Schneeberges zu
fyn; allein, wie ich die Reise antrat, fo fand ich, daß noch
viele kleine und größere Berge zu besteigen waren, welche, da
ich mich doch bey dem Dorf schon auf der Mitte des ganzen
Gebürges befand, hinter einander verfekt lagen. Zwischen den
felben befanden sich auch viele Thäler, fo, daß wann man zu
Fuß gehen will, wenigstens zehn Stunden erfordert werden, ehe
man auf den Gipfel des nächsten Schneeberges kommt. Die
Witterung verändert sich auf dem Gebürge nicht ein, sondern
wohl viele male. Die beständige Dünste, die von der Caspi-
fchen See aufsteigen, und theils durch die Wärme, theils aber
auch durch die Winde verursacht werden, finden hier einen tüch-
tigen Sammelplatz, wo sie sich in Nebel verdicken, und ganze
Wolken bilden, die manchmal so dichte sind, daß man nicht im
Stand ist, ein Object in der Entfernung eines Fuffes deutlich
zu erkennen. Diese Dünste sind es, welche an den beständigen
Veränderung des Wetters schuld haben, dann ihre Menge rich-
tet sich nach der Verschiedenheit der Winde, und wie sich diese
täglich beweiset, also würket sie auch täglich auf jene. Ist
des Morgens, beim Aufgang der Sonne, die Witterung klar,
fo kan es ein paar Stunden darauf regnen, bald darauf wieder
helle werden, und also bis gegen den Abend einige mal abwech-
feln. Selbsten zu einer und eben derselben Zeit findet nicht ei-
nerley Witterung auf dem Gebürge statt: dann, wie ich gesagt
habe, daß daffelbe aus vielen über einander stehenden, und als
dann wieder finkenden, bald größeren und kleineren Bergen be-
fehe, also trägt es sich zu, daß eine Menge Dünste zwischen
zween niedrigeren Bergen hangen bleibt, und dafelbst Regen
verursacht; da man hingegen eine heitere Lufft antrifft, wenn
man nur etwas höher kommt, wie es überhaupt an dem
ist, daß auf den erhabensten Orthen des Gebürges die Luft
- - / - immer
«A, H. „F- 367
immer gereinigter wird, und wie auch zu bemerken kommt,
daß nur im Frühjahr die Verschiedenheit der Winde und die
mit derselben verbundene Heftigkeit der Stürme fo beträchtlich
ist, und daß daher auch nur zu dieser Jahreszeit die in gleicher
Verschiedenheit und Unordnung aufsteigende Dünste die Witte-
rung fo verschieden machen. Gegen den Gipfel zu, wird das
Athem hohlen ungemein beschwehrlich, und ich fhlieffe daraus,
das in der Röhre eines Barometers enthaltene Quecksilber müßte
gewaltig herunter gefunken feyn, wann ich dieses Instrument
bey mir gehabt hätte. Der Schnee, von welchem diefes, und
andere Schneegebürge den Beynahmen der Schneegebürge erhal-
ten, ist nicht von der Art, daß er ganz und gar nicht schmel-
zen sollte. In den Sommer-Monathen wird ein großer Theil
deffelben zu Waffer, und dadurch schwellen die Gewäffer auf,
die in den Gebürgen entspringen, und sich sodann in die Ca-
fpische See ergieffen; eder es entstehen auch wohl periodische
Flüffe: Aber der erhabenste Theil dieser Berge bleibt bey der
fräftigsten Wirkung der Sonnen- Strahlen mit ewigem Schnee
bedeckt, und es dient der Gebrauch desselben in den Speisen und
dem Geträncke den auf dem benachbarten platten Land wohnen-
den Menschen, bey der daselbst fast unerträg: hen Hitze im
Sommer zu einem nicht geringen Labfall. Im Winter ist die
Kälte auf diesen Bergen fo empfindlich, daß dabey nicht einmal
ein-Vogel sein Leben erhalten kann; geschweige daß Menschen
zu dieser Jahres-Zeit auf denselben leben könnten.
- Felsstein - Arten find es, aus welchen die Berge be-
fiehen, von denen ich rede. Von ihnen trifft man theils un-
geheure groff Maffen an, theils aber sind auch viele loßgeriffen,
und überall zu großer Befchwehrlichkeit eines Kräuter-Forschers
auf mancherley Stellen herum zerstreut. Sie find einfach,
oder untermischt, mit Quarz und Glimmer versetzt: haufig ist
auch eine fähichtartige und sich nicht fähiefernde Horn - Art.
Felssteine mit Kiefel versetzt, sind gleichfalls nicht selten. Wie
kommt es doch, daß so fürtrefliche Pflanzen, als ich angetrof
fen habe, in einem fo feinigten Erdreich fortkommen können?
Von Versteinerungen, die mir so häufig bey Baku und Der-
dent vorgekommen, traf ich hier keine Spuhr an; ob das in
wendige der Erde Erzgängen günstig fey, hatte ich keine Gele-
genheit zu untersuchen? Von
368 «A, - „F-
Von den Steinen dieser Berge bauen sich die Innwoh-
ner ihre Hütten auf. Des Sommers nemlich versammelt sich
hier eine ziemliche Anzahl von Gilanern, die im Winter das
platte Land dieser Provinz bewohnen. Sie versammlet sich hier,
um hauptsächlich die Viehzucht zu treiben, wozu die nahrhafte
Pflanzen, die das Gebürge ernährt, besonders günstig find.
Man sieht vornehmlich eine erstauende groffe Anzahl von Ziegen
und Böcken, denen die steile Anhöhen zu statten kommen; man
fieht auch groff Heerden Schaafe, aber keine andere, als mit
breiten langen Schwänzen , wie mir dann bis anjezo keine an
dere Race in Persien vorgekommen ist. Mit diesen verfahren
die hier in großer Anzahl befindlichen Wölfe sehr übel. Sie
fchleppen fie entweder ganz mit sich weg, oder berauben sie ihrer
Schwänze. Kühe find feltener, und einmal geschahe es, daß
ein Bär eine entführte. Pferde weydet man auch allhier, daß
fie fett und farck werden sollen. Die Innwohner beschäftigen
sich mit nichts anders, als mit der Wartung dieser Thiere, mit
dem Melken, mit Butter und Käse machen. Die Butter ver-
fertigen sie auf eine wunderliche Art. Sie haben groffe irrbene,
fehr weite, und in der Mitte ungemein bauchige Töpfe, welche
von auffen nach oben zu mit zwoen etwas von einander entfern-
ten Handhaben versehen sind. Sie gieffen die Milch in die
Töpfe etwas über ihre Hälfte; auf beiden Seiten faßt ein Kerl
die beiden Handhaben, und diese schütteln die Töpfe so lang,
bis die Butter bekommen. Weil auf einmal einige Eimer
( Wedro ) Milch in Bewegung gebracht werden, fo bekommt
man auch auf einmal viel Butter; ich glaube aber doch nicht,
daß man auf unsern Meyer-Höfen und in unsern Haußhal-
tungen diese Methode einer Nachahmung würdigen werde. Die
Leuthe leiden nicht gern, daß man ihnen zusieht, wie sie die
Butter machen. Sie glauben dadurch weniger, oder gar nichts
zu erhalten. Ob an der Thorheit des allgemeinen Aberglaubens,
den ich ehmals bey deutschen Mägden wahrgenommen habe,
hieran schuld fey, oder ob der Perfianische mit dem Europäischen
in diesem Fall einerlei Grundsätze habe, ist mir und kan an
dern ungläubigen auch gleichgültig feyn.
Auf
e. - 369
.. - Auf diesen Gebürgen, welche ihre verschiedene Benen-
mungen, als Sanamis, Kakumisar, Delinan u. f. w. ha-
ben, wohnen meine Gilanische Viehhirten zerstreut herum, und
ihre von den Felssteinen ganz einfach, ohne künstliche Zusam-
menfügung, aufgethürmte Häuser sind entweder einzeln oder in
der Gestalt eines unordentlichen Dorfs neben einander gebaut.
Ihre Kleidung ist ganz bergmäßig. Sie haben nur ganz kurze
Röcke, die nicht weiter als bis an die Hosen gehen, und aus
groben, ungeschornem Laken, oder auch aus einem meistens grau
gefärbten baumwollenen Zeuge verfertiget sind. Unbebrämte
Mützen, die entweder rund oder lang sind, und aus einer ähn-
lichen Materie als der Rock bestehen, tragen sie auf dem Kopf.
Von einem Ueberrock wissen sie nichts. Die Beinkleider sind
nach der überall im Morgenland eingeführten Art gemacht, und
die Schuhe von Bast. Ich habe unter ihnen ungemein viel
alte Leuthe beobachtet; sie sehen gesund aus, find von einer mit-
telmäßigen, untersetzten Statur, und - ihre Weiber fruchtbar.
Man hält sie für mittelmäßig begütert; sie bezahlen eine unbe-
stimmte Abgabe von Geld an Hedget Chan, die von den Sta-
rosten einiger benachbarten Haupt-Dörffer, wie z. E. von dem
zu Säkalarut, eingetrieben wird. Den Batman Käß verkauf
fen sie zu 30. und den Batman Butter zu 70. bis 100. Cop.
Sie sprechen eine eigene Sprache, nemlich Persisch, nach der
Gilanischen Provinzial- Mundart, von welcher ich schon ein
Probe gegeben habe, und die manchmal so verdorben klingt, '
sie ein reiner Persianer nicht verstehen kan. Nur wenige ver-
stehen Türkisch, oder rein Persisch, und nur diejenige, die un-
ter ihnen etwas zu bedeuten und daher mit andern Menschen
als Berg-Innwohnern Gemeinschaft haben,
Von zwanzigsten und ein und “ Nun war
ich auch begierig zu wissen, wie es hinter den Schnee-Gebürgen
aussehen möchte? und in diesen Tagen stillte ich mein Verlan-
gen. Ich fand die Natur von ihrem Winterschlaff kaum er-
wacht, die Tulpen blüheten noch unter dem Schnee hervor, und
andere Lilien hielten ihre Bluhmen noch geschloffen. Da, wo
die Sonne ihre Würcksamkeit anbringen konnte, da zeigte sich
auch die Flora mit einer ausnehmenden Majestät. Sie war
Dritter Theil. A a a jedoch
370 A. HJ-
jedoch in ihren Produkten nicht allzu verschieden. Auf der Ebene
wuchsen wieder die Pflanzen der Provinz, und sobald man wie-
der in die Höhe stieg, waren wieder Alpen - Kräuter vorhan-
den. Besonders war die traurige Helperis ungemein häus
fig, und erfüllte mit ihrem angenehmen Geruch die ganze Ge-
gend. Der Hermelin lieff in seinem wilden Zustand fo unge-
scheut herum, daß es ein leichtes war, ihn mit den Händen
zu fangen. Er verändert hier des Winters seine Haare nicht
den Marter fahe ich eben so zahlreich. Er hielt sich aber eben
nicht nur in waldigten Gegenden auf; ein jedes Gebüsche diente
ihm zu seiner Wohnung. Es ist merkwürdig, daß diese Thiere
in diesen Gegenden, wann fiel einige Jahre erreichen, fast gänz-
lich schwarz werden, man schätzt aber auch alsdann ihre Felle
schon höher. Sie laffen sich zahm machen, freffen, was man
ihnen vorlegt, und Rofinen find ihnen ein besonderer Leckerbissen.
Ich habe bemerkt, daß die Perfer eben so gut, als die
Rußische Bauren, die eßbare Schwämme von den fhädlichen
zu unterscheiden wifen: so ist ihnen auch nicht unbewußt, daß
eine und dieselbe Art zu verschiedenen Zeiten verschiedene Eigen-
fchaften habe; die guten rösten sie schlecht weg auf dem Feuer
und effen sie also schlecht weg. Unbekannte Schwämme untersuchen
fie vermittelt des Geruchs; bei der Auswahl der bekannten bei
ruffen sie sich auf die Erfahrung.
- Von meinen Perfianischen Schweizern lernte ich auch
eine Art Eßig bereiten, den man in der Tasche bey sich führen
kan. Wer guten flüßigen Eßig hat, der wird sich deffen fehwehr-
lich bedienen: einem Reisenden aber mag er gute Dienste thun,
wenigstens leistete er mir folche; deswegen erhalte ich fein An-
denken durch folgende Anzeige. Man kocht farken Weineßig
bis zur Verdickung. Währendem Kochen fammelt man den sich
auf der Oberfläche ansetzenden Schaum, vermischt ihn mit dem
nachgebliebenen Gemengel, fo bekommt man eine Maffe, von
deren ein Quentchen in ein paar Unzen Waffer aufgelößt die
Stelle des Eßigs vertritt. Ich konnte mich nun überzeugt hak-
ten, daß bei meiner Anwesenheit nichts von denjenigen ver-
fäumt worden fey, was je zum besten der Naturgeschichte
r
- MA, g „F 371
der Wiffenschaft des Publici hier einzuhohlen war: Ich eilte
also nach Räscht zurück und kam in der Stadt den 3osten an;
nachdem ich zuvor durch Hrn. Lüthen in Lahidschaan benachrich-
tiget worden, das von der Astrachanischen Regierungs-Kanzelley
zur Fortsetzung meiner Reife und zu meiner Rückkehr bestimmte
Schiff habe schon den 25sten auf der Enzellischen Rheede Anker
geworffen.
Das Verlangen, die Befehle und die Gesinnungen her
Akademie, wie auch Neuigkeiten aus Petersburg und Astrachan
zu erhalten, veranlaßte mich gleich darauf den 1sten Junius über
Persbazar nach Enzelli zu gehen. Daffelbe wurde nach Wunsch
gestillt, ich brachte bis den fünften meine Zeit bey dem Hrn.
Conful Bogolubow vergnügt zu, mittlerweile fertigte ich die
nöchige Berichte nach Petersburg ab, schrieb eine Menge an-
derer Briefe an meine Freunde in Europa, und kam an dem
heutigen Tag wieder nach Räscht zurück in der Meynung, den
mir überbliebenen Rest von Gilan über Schafft, Junin,
Maffula, Keßkär und Käsmin so gleich zu besehen. Aber
hierinnen betrog ich mich. Theils die Höflichkeit des Chans,
und theils der von einem Persianer nimmermehr zu entfernende
Betrug nöthigte mich zu meinem Verdruß, welchen die jüdische
Denkungsart der Armenier vermehrte, die ihre Saiten, wann
fie auch rußische Unterthanen find, nur nach persischem Ton
spannen, bis den neunzehnten in der Stadt zu verbleiben, als
an welchem Tage ich erst nach Schafft aufbrechen konnte.
Der Weg gieng über das schon einmal erwähnte Dorf Baffa-
chan, und von da schlug er sich westlich nach dem Gebürge.
Der Ort ist. 6. Farfangen von der Stadt entfernt, und ich er-
reichte denselben erst in der späten Nacht. Es ist mir auf der
Reise wenig Merkwürdiges vorgekommen. So lange wir auf
der Ebene ritten, paßirten wir nichts, als Reißfelder, deren
fumpfige Lage uns und unseren Pferden äußerst beschwehrlich fiel;
gieng es Berg an, so erschienen wieder eben diejenige Bäume,
die in ganz Gilan das Vorgebürge der hohen Berge ausmachen.
Unter denselben blühete nun aber einer, defen ich nach meinem
Plan allhier gedenken muß. Es ist eine Mimosen-Gattung,
deren äußere Gestalt, deren Bluhmen wegen ihrer Farbe und
- - A a a 2 VO’s
- A
372 A, - „F-
vortrefflichen Geruchs, und deren erhabenes Wachsthum endlich
ihr ein außerordentlich schönes Ansehen verschaffen, und daher
genugsame Beweggründe abgeben können, solcher einen Platz in
unsern Europäischen Lustgärten einzuräumen. Die Perfer nennen
den Baum Hasarbalg oder auch Schopkos. Das erste Wort
bedeutet so viel als einen mit tausend Blättern versehenen Baum,
und das zweite zeigt feine Nachtruhe an. Von dem Untergang
der Sonne nemlich an, bis zu ihrem Aufgang, faltet er alle
seine Blätter zusammen, und da folche Paarweise geordnet sind,
fo kommt alsdann eines auf dem andern zu liegen. Eine ähn-
liche Bewegung bemerkt man auch an dem Baum und feinen
Aesten des Tages über, wann man solche abpflückt.
Baumt Mi- Ich glaube zuverläßig, diese Pflanze sei der Baumt
nofe. "Mimose Mino/a ( arborea ) inermir, folis bipinnati, primnis
dimidiatic actis, caule arboreo, Lin. Sß. Nat. T. ll. p.677.
n. 21. des Ritters Linne, von welcher ich melde, daß sie unter
diejenige Gattungen dieses weitläufigen Geschlechts gehöre, welche
keine Stacheln haben , und deren Blätter zwiefach gefedert
( duplicato - pinnata) find.
Der Stamm ist gerad, mit einer aschgrauen Rinde
überzegen, und fehr ältig. Die Aleste find wechselsweise geord-
net, sie sind etwas warzig, und mit ihrer Spitze abhängend.
Die Blätter find mit verlängerten, glatten, oder nur
ein wenig haarigen Stielen versehen, (an deren Grundlage eine
einzelne Drüse befindlich ist), welche oberhalb röhlich aussehen,
und in der Mitte gefurcht sind, unten aber ins grüne fallen,
und rund sind. Die Blätter find fernerhin wechselsweise gesetzt,
zwiefach gefedert, und bestehen aus 1. bis 12. Paaren. Diese
Paare haben eine einander entgegenstehende Lage, und werden
bey ihrem Ursprung mit einer kleinen, haarigen, an ihrer Spitze
fein gespaltenen Stipul bewaffnet. Die einzelne Federn sind aber
mal in 19. bis 27. andere Paare abgeheilt; die einzelne Blätt-
gen bemerkt man auf der einen Seite wie abgebrochen, sie find
wechfelsweiß geordnet; sie haben keine eigene Stiele, und endi-
gen sich mit einer kleinen Spitze. . . . . . . . . . . . . . . .,
- Die
A, B - 373
Die hangende Bluhmen kommen aus den Flügeln der
abern Blättern hervor, sie sitzen an langen, glatten Trägern
fest, und bilden durch ihre Versammlung solche schöne Capitula,
daß das Aug an denselben eine reizende Weyde finden kan.
1, Der Bluhmen - Kelch ist sehr klein; die Bluhmen
selbsten einblätterig, trichterförmig und zweifach gespalten.
-
Der Staubfäden giebt es sowohl bei den männlichen
als bei den Zwitter-Bluhmen eine sehr beträchtliche Anzahl.
Sie find einbrüderich, an ihrer Grundlage weiß, von ihrer
Mitte an bis zu ihrer äußersten Endung roth. Ihre Spitzen
find fehr klein, rund und dunckelgrau.
Die Schooten, welche dieser Baum nach der Blüche
bekommt, fehen fürtreflich aus. Sie find ungemein lang, bau-
-, chig, Carmoisinroth, in viele Kammern abgesondert, und enthal-
ten glänzende, sphärische Saamen.
Die Blühtezeit dieses Baums ist den Gianern eine
Anzeige, daß der Seidenwurm mit seiner Schale zu Stande
gekommen fey. Und daher machen sie auch fogleich Anstalten
zum Abwinden der Seide. ( S. Pl. 40. ).
Heute sähe ich auch die Fischotter, Muffela ( lutra ) Fischotter:
plantis palmatie nudis, caudar corpore dimidio breuiore Lin.
Suft. Nat. I. p. 66. n. 2. lutra cofanei Colorir, Br. quadr.
ord. 16. gen 39. p 1: welche in den Persischen Flüffen häufig
ist. Sie heißt auf rußisch Borifähne oder auch Wydra, auf
perfisch Schank, auf türkisch und armenisch Sagif. Man
bezahlt ein Fell, wann es gut ist, zu drey Hazardenars. Ich
bin sehr geneigt, mit F". diesem Thier und der Meer-
Kutre des Markgrafs ( Nou. Comm. Petr. T. II. p. 367.)
ein besonderes Geschlecht zu machen, dann die Schwimmfüffe
s zeugen von einer ganz andern Oeconomie als wie fiel der Marter hat,
und wann man bei der Geschichte der Thierer auf diese nicht genau
Achtung gebe, so benimmt man dem schönsten Theil der Natur-
geschichte sein Leben. Die Füße sind nur auf der unterm Seite
s bloß, oben aber bis zu dem Ursprung der Nägel mit castanien-
- - A a 3. farbnen
- -
374 «A, H. „F-
Beschrei-
bung des
Gilani-
fchen Sei-
denbaues.
farbnen Haaren bedekt. Im Herbst sind diese Thiere besonders
häufig. Ihre Junge werfen sie hier im April oder zu Ende des
Märzen; von Fischen und Würmern ernähren sie sich. Länger,
als ein paar Stunden können sie wohl ihr Leben nicht erhalten,
wann man sie aus dem Waffer gezogen hat.
Ich hatte mir vorgenommen, eine Zeitlang in Schafft
zu verbleiben, und von diesem Orth aus, meine Untersuchungs-
Excursionen täglich anzustellen. Was mir binnen meinem Auf
fenthalt für dieses Tagebuch anzumercken vorgekommen ist, er
zehle ich nach der Ordnung, wie ich solches zu bemercken Gele-
genheit gehabt habe.
Von zwanzigsten. Die Bauren waren insgesammt
mit dem Abwinden der Seide beschäftige. In der Mitte des
Märzen, manchmal eher und manchmal später, je nach dem die
Sonne mehr oder weniger würcksam gewesen ist, nehmen die
Gilaner ihre im Winter aufbehaltene Eyer, und tragen fiel an
den wärmsten Theilen des Leibs in baumwollenen Tüchern bey
fich, damit sie ausgebrütet werden sollen. Die Ener find läng-
lichtrund, orangegelb oder blaßgelb, und nicht viel größer, als
der Mohn-Saamen. Aus diesen Eyern entstehen binnen acht
oder vierzehn Tagen die Würmer. Diese Methode ist in allweg
nachahmungswürdig. Derjenige Grad der Wärme, den ein ge-
funder Mensch hat, scheint zu diesem Zwecke angemeffen zu seyn,
und man hat dabei die schädliche Würkungen einer künstlichen
Hitze nicht zu befürchten. Es ist wahr daß, wann man sich der-
felben mit Vorsichtigkeit, das ist, mit der Beyhülffe eines Ther-
mometers bedient, man zwar dadurch allem Schaden vorbeugen
kan. Allein, wie können Leuthe, die sich mit dergleichen Din-
gen beschäftigen müffen, zu dem rechten Gebrauch eines Ther-
mometers forgfältig genung angehalten werden? Meines Erach-
tens handeln die gilanische Bauren unwiffend vernünftiger, und
fie befinden sich gut dabey, dann ihre Würmer kommen nicht
nur gesund zum Vorschein, sondern auch meistens zu gleicher
Zeit. Die Blätter der Maulbeer-Bäume geben bekanntlich
die Nahrung zu deren Erhaltung ab. In Gilan wächst sowohl
der weiße Maulbeerbaum Morur folis oblique cordati laloi-
- - - - - - --- but,
-
«A, § „F- 375
bur, Lin. S. pl, 2. pag 798. n. 1. Morus futu abo, Bauh.
pin 459. als der rothe Morur flir cordati fabris, Lin. S.
pl. plant. 2. p. 139 n 2. Morus frufu albo, Bauh. pin.
45.9. wild. Aus den Wäldern werden zu mehrerer Bequemlich-
keit beide Gattungen neben die Wohnungen der Bauer, Höfe,
wo der Seidenbau hauptsächlich getrieben wird, verpflanzt, jähr-
lich beschnitten, und von ihnen ordentliche Baum - Schulen an-
gelegt. Der fchwarze Maulbeerbaum wird dem weifen an Güte
keineswegs vorgezogen, von beiden aber hält man diejenige
Blätter für die kräftigsten, die etwas röhlich aussehen. Von
dem fchwarzen Maulbeerbaum ist zu bemerken, daß seine Blät-
ter ungemein viele Abänderungen leiden. Sie find zwar alle
herzförmig und rauch, einige aber ganz, andere zweifach, an-
dere dreyfach gespalten. Man bemerkt diese Veränderung an
einem und eben demfelbigen Ast. Jedoch dünkt mich, daß die-
jenige Bäume, die schon ein gewisses Alter erreicht haben, meh-
rentheils mit ganzen Blättern versehen find: ihre Spitze aber ist
bald stumpf, und bald spitzig.
Die neulich ausgebrütete, noch ganz kleine Würmer
werden zehn Tage lang täglich einmal mit den zartesten Blättern
der Maulbeerbäume gefüttert. Man legt sie zu diesem Ende
in Körbe, welche die Gestalt der in den Apotheken üblichen
Siebe haben, und der Orth, wo diese Körbe hingesetzt werden,
ist der verdekte Boden einer aus Schilf, Holz oder Strauch-
werck aufgebauten schlechten, auf Pfeiler stehenden Hütte. Die
andere zehen Tage werden die Würmer täglich zwei mal gefüt-
tert, und das Futter besteht abermal nur aus den zartesten
Blättern. Die dritte zehen Tage füttert man sie dreymal, und
es ist als dann nicht mehr nöthig, daß man bey den Blättern
eine fo forgfältige Auswahl beobachte. Man bedient sich auch
nun nicht mehr der Körbe, sondern läßt die Würmer frey auf
dem Boden herum kriechen, und betreut sie nur mit der Nah-
rung. Kommt es zu den letzten Perioden, zu dem dritten
Schlaf des Wurms, so reicht man die Blätter reichlicher, täg-
lich vier, fünf und sechsmal. Endlich spinnt fich der Wurm
ein. Endlich wird er mit feiner Schale fertig, die, wann fie
ihre Vollkommenheit erreicht hat, die Größe eines :
erhält,
376 - SA, § „FP
erhält. Man zählt ungefähr fünfzig Tage, die zur Vollkom-
menheit des Wurms, drei, vier oder fünfe aber die zur Zei-
tigung der Schale nöthig sind. Gemeiniglich pflegen die Gilaner
die Seide sogleich abzuwinden. Zu diesem Ende haben sie groffe
und weite hölzerne Tonnen, die man mit unsern Kühlfeffern
vergleichen kan, solche füllen sie mit siedendem Waffer an, ent-
weder, daß die Tonnen mit dem Ofen vermittelt einer Röhre
verbunden feyn, und das Waffer also unmittelbar erhizt werde,
oder daß bereits warm gemachtes Waffer in dieselbe gegoffen
werde, in welchem Fall man auf einen jeden Guß die Puppen
zweimal aufzuschütten pflegt. In die also mit heißem Waffer
angefüllte Tonne legt man die Puppen, jedesmal in einer fol
chen Menge, als es das Augenmaß mit sich bringt. Durch das
Waffer werden die Würmer erfikt, durch dasselbe machen sich
die Seidenfäden von der Puppe loß, die eine bey der Tonne
stehende Person mit der Hand aufnimmt, sie an die Spuhlen
bringt, die solche dem Haspel abgiebt, den eine andere langsam
Herumtreibt. - - - -
- Die Haspel, auf welche die Seide gewunden wird, find
sehr groß, und denjenigen, welche die Seide abwinden, '
men sie zu statten; dann es läßt sich mit denselben auf einma
viel schaffen: Aber in den Werkstätten liebt man eine langauf
gewundene Seide nicht, dann es ist schwehr, solche wieder ab
zuwinden. Die Oberfläche des Waffers saubert die Person, die
' Seide der Puppen aufnimmt, von Zeit zu Zeit mit einem
Befem von denjenigen Unreinigkeiten, die sich in die Tonne von
auffen, oder von den Puppen ansetzen. ( S. Pl. 41. ).
Die gilanische Seide ist nicht alle von gleicher Güte,
Die allerbeste muß weiß aussehen, einen gewissen Glanz haben,
farck und rund seyn. Eine solche pflanzt man hier in Schafft,
und in dem Gebieth dieses Dorfs; und bringt sie meistens nach
Kafchan und Jeschid, allwo auch die beste perfische Seiden-
Zeuge verfertiget werden, gleichwie Ispahan die beste Baum-
wolle hervorbringt, und gleichwie man in dieser Stadt die beste
baumwollene Zeuge bereitet.
- - - *- Die
- 2. R. Je 77
-
Die meiste gilanische Seide ist gelb, diejenige, die auffer
dieser Farbe alle übrige nöthige Eigenschaften hat, paßirt noch
als eine gute Seide. Man verarbeitet dieselbe in Räscht, und
bringt sie nach Kaswin, Tawris und andere persische Städte.
Gelbe Seide, mit wenigeren oder mehreren andern Män-
geln ist die allerhäufigste, und sie ist es, die hauptsächlich und
meistens allein nach Astrachan verschift wird. Ich habe in dem
zweyten Theil dieser Reisebeschreibung bereits meine Meinung
von den Astrachanischen Fabriken gesagt, und frey gestanden,
daß es denen selben vornehmlich an tüchtigen, fleißigen und ge-
duldigen, gemeinen Arbeitern und Arbeiterinnen fehle: Wann
aber nun nach Astrachan und Mofau aus Persien nur mittel-
mäßige und schlechte Seide kommt, was Wunder, wann unsere
Senden - Zeuge, die man in Astrachan und Moskau verfer-
eigt, den Französischen noch nicht bekommen?
Diejenige Seide, die man, um zur Fortflanzung auf
das künftige Jahr Eyer zu bekommen, von denjenigen Puppen
erhält, die von den Würmern, (die fodann als Phaläen erschei-
nen, fich begatten, Eyer legen, und sterben) durchgebohrt wer-
den müffen, ist die schlechteste, kam nicht gewunden, sondern
muß gesponnen werden. Sie heißt Redfch, und wird nur
allein nach der Türkischen Grenze verführt.
- Die Persianer geben sorgfältig acht, daß die Maulbeer-
Blätter troken verfüttert werden; hat es geregnet, so troknen
fie solche zuvor, ehe sie solche zu ihrem Gebrauch bestimmen.
Nichts erschreckt dieselbe mehr, als wann es unmittelbar nach
dem dreifachen Schlaf der Würmer donnert: dann eine lang-
wierige Erfahrung hat sie belehret, daß dem Seidenbau nichts
fo fehr in dem Wege stehe, als diese zur ermeldeten Zeit sich
ereignende Luft - Erscheinung. Die Würmer sterben davon plötz-
lich, nachdem sie zuvor durch kurzdaurende, unordentliche Bewe-
gungen und unruhige Herumwelzungen ihr Schicksal prophezeiht
haben. Sie sind demselben gleichwohl auch manchmalen aus
andern Ursachen ausgesetzt, die man meistens nicht anzugeben
vermag. Es geschieht dadurch, daß der Besitzer einer Plantage,
Dritter Theil, B. b b die
378 A, H „s-
Coraclas
docilis.
die fonsten 20. Batmann Seide liefert, kaum 1. Bakmann er
hält. Sonsten habe ich noch anzumerken, daß - der Seiden-
wurm in Gilan kein Gast, sondern einheimisch, und daß da»
felbst der Papilion mit gelben Flügeln nicht anzutreffen fey.
- Vom ein und zwanzigsten. Das Basilicum Oy-
mum bafilicum) flir ouati glabris, Calycibus ciliatis, Ein.
Sp. pl. 2. p. H33. heißt auf perfisch Rehan, und die Saamen
deffelben besitzen eine kühlende Kraft. Die Perfer laffen solcher
in kaltem Waffer aufquillen, erfrischen das Waffer noch über-
dies mit Eiß, trinken es also in denjenigen Tagen, die kühlende
Getränke erfordern, und auch Christen können daran einen Ge-
fchmack finden.
Die Gurken Cucumi (fatiuus) florum anguli re-
Hir, pomir ouato oblongir fabrir, Lin. Sp. pl. 2. p. 1437. n. F.
werden hier erstaunend groß. Ich habe welche zu anderthalb
Abschinen gesehen.
Eine indianische Caravane, die hier durchgieng, hatte
einen Vogel bey fich, mit dem fiel dem Gianischen Chan ein
Geschenck zu machen gedachte. Er gehört zu dem Gefählecht des
Coracias, und besaß eine ungemeine Geschicklichkeit, einige per
fische Wörter und Redensarten vernehmlich zu frechen. Er
wußte auch das Husten nachzumachen, und sich kläglich, als ein
Weinender, anzusfellen. Er ist ungefähr so lang als eine Dohle,
aber etwas dünner. Sein Schnabel ist gelb, rund, und mes
ferförmig; die obere Kinnlade defelben hat eine etwas gebot
gene Endung, und ist an ihren Seiten-Theilen befiedert: die
untere wird an ihrer Grundlage mit weißen Federn bedeckt. Die
Augen find rund und schwarz; die Augenhäute dunkel asch-
graufarben: die Gegend hinter und unterhalb den Augen ist bloß
und weiß, wozu sich etwas röthliches mischet. Der obere Theil
des Kopfes, des Halses und die Brust find ähnlich gefärbt,
aber der Bauch und die Gegend um den After fallen ins
Castanien- oder Mausfarbene, der Schwingfedern sind es an
der Anzahl achtzehn, wovon die neun erstere halb weiß und halb
fchwarz, die übrigen aber von der zehnten am gänzlich :
- RMV-
SR, R. Fis 979
- sind; die Regier-Federn haben eine schwarze Farbe, und en-
digen sich mit einer weißen Spitze. Die Füße und die vier
Zehen, wovon der eine hinterwärts befindlich ist, sind gelb,
und die Nägel fleischfarben. (S. Pl. 42.).
- Von zwey und zwanzigsten. Es giebt in Gilan
viele Eichhörner; sie leiden aber daselbst eine besondere Abän-
derung wie aus der folgenden Beschreibung erhellet. Indeffenge-
hören sie zuverläßig zu der Rafe der Europäischen, so gut als
die Budelhunde und Windhunde zu der Rase des Haushundes
gerechnet werden müffen. Sie behalten des Winters ihre Farbe,
zu einem neuen Beweiß, daß der Petitgris des Herrn von
Büffons keine besondere Gattung ausmache, sondern als eine
Geburth des Winters in nordlichen Ländern anzusehen fey?
Die Eichhörner hier zu Lande sehen oberhalb dunkel
Ohren rund, erweitert, innwendig bloß, und von auffen mit
schwärzlichen Haaren bedekt. Die Maslöcher sind rund, die
JKehle, die 25 ruft, der Bauch gelb, und die Seitentheile
deffelben weiß. Der Schwanz ist schwärzlich grau, und un-
ten in der Mitte mit einem weißen Band gezeichnet. Die Haare,
welche die Füße bis zum Ursprung der Zehen bedecken, gleichen
von oben an Farbe dem obern Theil des Leibs, und von unten
dem untern. Die Hände und die Fußsohlen find dunkelroth.
Sonsten hat dieses asiatische Eichhorn mit dem Europäischen ei-
nerley Gestalt, und einerley Lebensart; .beyde ernähren sich auf
eine ähnliche Art, beyde nisten und vermehren sich häufig auf
einerley Weise; und endlich findt das Perfische an den Feld-
Marder eben so seinen Wiedersacher, als der Europäische,
( S, Pl. 43. ).
aschgrau aus; die Gegend um die Augen ist schwarz, die Eine Abän-
'' der
r
ner
in Perfien.
vom drey und zwanzigsten. Es ist ganz gewiß, Etwas von
daß die Zugvögel, in ihren Wanderungen ein gewisses Gesetz den Zugvö-
beobachten, es mag sich nun solches auf eine Nothwendigkeit, seine
oder auf einen andern noch gleichgültigern Zufall gründen. Aber
eben diejenige Vögel, die am beständigsten zu ziehen pflegen,
sieht man hier auch des Sommers über fich häufig aufhalten,
h h ch B h b 2. P So
-
-
se- •A, H „Fe
So hüpft der weiße und schwarze Storch auf den Reißfel
dern herum; so der große, weiße Reyger, und die kleinere
Gattung dieses Geschlechts mit dem gehaubten Rücken, welche
bey den alten bald Garzetta und bald Egretta heißt; fo der
groff aschfarbene Reyger, den man an einigen Orthen Teutsch-
lands den Fisch- Reyger nennt: An den Ufern der See schwa-
dern die Baglane in unzählbaren Heeren; die Wafferhüner und
alle Gattungen von Möven, find daselbst fast eben so häufig,
als im Winter. Jedoch muß ich dieses anmerken, daß mir
nach der Mitte des Maymonaths keine einzige Kropfgans mehr
zu Gesichte gekommen ist. Von der dummen Oeconomie dieses
Vogels habe ich aber schon bey einer andern Gelegenheit gespro-
chen. Sieht man aus diesem nicht abermal ganz deutlich, es
fey eben kein UMuß, daß die Vögel ziehen? Jene Reyger -
Sorten finden in dem sumpfigten Reiß-Feldern Nahrung zu ih-
tem Unterhalt genung, daher bleiben und nisten fie: den andern
mit Schwimmfüffen versehenen Vögeln fehlt es an den Ufern
der Caspischen See ohnehin nimmer an reichlichem Unterhalt.
Was brauchen sie also solchen in der Ferne zu suchen, da sie
ihn in der Nähe haben können? Und dannoch macht ein so
groffer Theit dieser flüchtigen Innwohner der Luft die entfernefte,
fo berühmte Zugreifen? Sind es etwan Spazier-Reifen ? die
Meynung ist so ungereimt nicht, nur muß man sich keine mit
Vorsatz angestellte einbilden. Thun fie solche wegen der Verän-
derung, aus Gewohnheit, aus Nachahmung, aus Verlangen
nach weniger wärmern Gegenden, der ohnehin brennenden Liebe
beffer pflegen zu können? vermuthlich find alle diese Ursachen
diaran schuld. Alle Waffervögel lieben das frische Waffer wie
dle Fische. Aus dem Grund find die Mündungen der groffen
Fiüffe und die Flüffe selbst eine groffe Strecke aufwärts so fisch-
relch, und aus dem Grund giebt es auch da die meisten Vö-
ge. Die im Winter zurückziehende halten sich immer hier am
vorzüglichsten auf, und ich weiß, daß sie bey Sallian am Kur
fo häufig find, daß man sie mit Händen fangen kam. Die Liebe
zu frischem Waffer mag also auch die Waffervögel zum Ziehen
nöthigen. Weil aber solches für einen großen Theil genug vor-
handen ist, so zieht ein groffer Theil nicht.
Vom
«A, H „se 381
49
Vom vier und zwanzigsten. Heute ritten zween
Dfhaufhi durch Schafft. Dschaufchi nennen die ' Dschaufähi.
diejenige Leuthe, die um sich bloß damit zu ernähren, und zugleich
bey Gott verdient zu machen, die Wallfahrter jährlich nach Ba-
bylon begleiten. Es giebt ihrer in Gilan eine ziemliche Anzahl,
und fie haben in Räfcht einen Vorgesetzten, dem sie in allen
Stücken gehorchen müffen. Dieser schickt sie einige Wochen vor
der Abreise in alle Städte und Dörffer aus, daß sie jeder-
mann ihre Abreise verkündigen, und ihre Begleitung anbiethen,
welches folgender maffen geschieht. Sie reiten in allen Städten
und Dörfern kein Haus vorbey, wo sie nicht einkehren folten,
und fobald sie an der Pforte eines Hauses find, fo fingen sie
folgende Worte ab: So jemand hier befindlich ist, der Lust hat,
um seine Seeligkeit zu erlangen eine Wallfahrt nach Bagdad,
(memlich nach der Grabstätte des heiligen Uffeins,) zu thun, der
gefelle sich zu uns, wir wollen ihn begleiten. Finden sich nun
Liebhaber, folches zu thun, so folgen sie ihnen nach bis zu dem
Orth, wo alle Dschaufhi wieder zusammen kommen, und
alsdann vereinigen sie sich mit einander, und gehen nach Bag-
dad : dann das jetzige Bagdad ist das alte Babylon. Sie wer-
den fowohl von jedermann beschenkt, und sie bekommen häufige
Aufträge, die Fürbitte für andere, welchen es die Umstände
nicht erlauben, die heilige Reife felbst zu thun, an Orth und
Stelle auf sich zu nehmen. Das Geschenck besteht manchmal
in einem oder zwey Hazardenaers an Gelde, in einigen Pfunden
Seide, oder, wann es hoch kommt, wie es bey den reichsten
geschieht, in einem Pferde.
Die Perfer wallfahrten nach verschiedenen Orthen, nem-
lich nach einem jeden Orth, wo ein Anverwandter Mahumeds
begraben liegt, und dergleichen soll es fehr viel geben; dahinge-
gen die Türken ihre Wallfahrten nur allein nach Mecca thun-
Nach der Verschiedenheit der Orthe bekommen die Wall-
fahrter verschiedene Nahmen, z. E. die nach Mecca gehen, wer-
den allein Hadschi genannt, die nach Bagdad gehen, bekom-
men den Beynahmen, Kalbalai, die nach Mesched, heißt man
Meschadi, U f MV,
- , B b b 3 Die
382 A, H „Fe
Die Hauptabsicht der Persischen Wallfahrter nach Mecca
und andere heilige Orthe, besteht darinnen, daß sie daselbst
dem Fest Kurban Bairaam, wovon oben mit mehrerm erwehnt
worden ist, beywohnen wollen. Es mag also jemand daselbst
ankommen wann er will, fo muß er bis zu dem Tag dieses
Fests allda verbleiben. So jemand an dem letzten Tage vor dem
Feste ankommt, kan er solchem in demselbigen Jahre nicht mehr
beywohnen, dann er muß sich drei Tage vor dem Feste zube-
reiten, und ist also genöthiget, bis auf das andere Jahr zu
warten. Die nun zu rechter Zeit angekommene Wallfahrter
feyren den Kurban folgender weise. Die drey leztere Tage vor
dem Fest bringen sie mit beständigen Beten zu. Den allerletzten
Tag fasten sie auch. An dem würklichen Tag ziehen sie in vol-
ler Proceßion mit der ganzen Geistlichkeit zur Stadt hinaus,
aufs Feld, verrichten daselbst gewisse Gebete, nach welcher Ver-
richtung ein jeder von ihnen eine beliebige Anzahl von Schaafen
fchlachtet, und das Fleisch unter die Arme ausheilen läßt. Dann
begeben sie sich wieder nach der Stadt zurücke, und wenden sich
nach der heiligen Stätte, nemlich nach dem Grabmal des Ma-
humeds, oder desjenigen Heiligen, dessen Leichnam den Orth
zu einem Heiligthum gemacht hat, thun wieder einige Gebete,
und gehen sofort auseinander. Es ist aber zu mercken, daß
niemand vergönnet fey, nahe zu einer solchen Grabstätte zu tre-
sen, sondern die Geistlichkeit sowohl als die Proceßion finde sich
gemüßiget, vor der Pforte stehen zu bleiben. Die folgende drey
Tage nach dem Fest werden wieder, wie die drei letztere vor
demselben, mit beständigem Beten zugebracht, und wann dann
auch diese vorbei sind, so reift ein jeder wieder nach feiner
Vaterstadt zurück, - - - - -
'- Vom fünf und zwanzigsten. Die hiesige Gegend war
mir als eine mit vielem Wild versehene angerühmt. Ich brachte
es durch Geschencke und gute Worte fo weit, daß der Ketchuda
eine Jagd veranstaltete. Der umliegende Wald wurde durch
etwan 100. Menschen befizt, und 50. waren zum Jagen be-
stimmt. Die persische Hunde sind gut abgerichtet, unerachtet sie
gar kein gutes Aussehen haben, weil man sich um ihre Ware
tung nicht viel bekümmert. Sie treiben folche vermittelt eines
-
. Jagdhorns
K. -
«A, + „se 383
Jagdhorns zusammen , aber die Stelle defeben der tritt am mei,
ften eine Muschel (*), die in dem Persischen Meerbusen häufig
gefunden, und zu diesem Ende ausgehöhlt wird. Sie lärmen
auch damit während dem Jagen mitten im Walde, um das
Wild aufzuscheuchen. Von andern Jagd-Instrumenten wissen
sie nichts. Ein wildes Schwein stieß uns aus einem großen Ru-
del auf. Es ist unglaublich, mit welcher Herzhaftigkeit und
Geschwindigkeit die Hunde über solche los giengen; kaum er-
blikten fiel eines, so war es auch schon in ihrer Gewalt. Sie
riffen auf einmal die Eingeweide aus dem Leibe, bifen große
Stücke Fleisch von ihnen weg, und würden in wenigen Minus
ten ihrer gänzlich Meister geworden fyn, wann man nicht durch
den Spieß ihr Elend verkürzen wollte. Die wilden Schweine,
die eigentlich in nichts von den Europäischen unterschieden find, als
daß sie beständig eine kleinere Größere haben, waren auch die
einzige Beuthe von dieser Jagd, die ich aber nicht ihrenthal-
ben, fondern um des Patengs und Palengs willen fa fehr ge-
wünscht hatte. -
Vom fechs und zwanzigsten. Eine der prächtigsten
Waffer-Pflanzen, ja die Königin unter denselben fahe ich heute
in ihrer vollkommenen Pracht. Weil sie so gar schön ist, so gelang
kamr ich mich nicht enthalten, eine vollständige Beschreibung da-
von allhier mitzutheilen. ( S. Pl. 44. und 45. )-
Sie hat eine weiße, faserigte, vielfache Wurzel, und
keine eigentliche, besondere Stengel.
Die Blätterstiele sind sehr lang, zu einem und zwei
Schuhen; gebogen, in der dicke des kleinen Fingers, grün, und
ihrer ganzen Länge nach mit kleinen, dunkelgrauen und von ein-
ander entfernten Stacheln oder Wärzchen bestreut; das Blatt,
mit welchem fie, sich endigen, ist ungemein groß, der Stief
ist bey der Mitte desselben befestiget: es hat eine Lederdicke,
ist rund und ganz, und sieht, um eine gute Bes zu
machen,
(*) Aus dem Geschlecht der Cypraea
384 - «A, § „se
machen, wie ein groffer niedergeschlagener Huth, dergleichen an
einigen Orthen die Priester zu tragen pflegen, oder auch ein
Sonnenschirm aus. Der Mittelpunct dieser Blätter ist ganz
fattgrün, und von denselben lauffen auf der ganzen Oberfläche
nach der Peripherie zu, ansehliche Nerven, die bei ihrer En-
dung ästig werden. Beyde Flächen der Blätter sind ganz glatt,
aber die untere ist mehr blaßgrün.
Die Bluhmenstiele gleichen den Blätterträgern in allen
Stücken vollkommen, und endigen sich mit einer fehr groffen,
weit in die Breite ausgedehnten Bluhme, die bald purpurroth,
bald rosen- oder fleischfarben aussieht. Die Bluhmen, wann
fie geschloffen sind, haben eine grüne Farbe, und sind in eine
kegelförmige Gestalt verengert, indem die Bluhmenblättchen wel-
lenförmig über einander geordnet find; sobald sie sich aber öf
nen, breiten fie fich aus, zeigen sich an der Zahl über dreyßig,
und bestehen aus verschiedenen Reihen. Sie sitzen an den Sei-
tentheilen des Eyerstocks feste, sind länglich, inwendig ausge-
höhlt, zugespitzt, ihrer ganzen Länge nach mit deutlichen Streif
fen versehen, und die äußere find gemeiniglich etwas blaffer von
Farbe, als die innere.
Die Staubfäden sind ungemein zahlreich, und sitzen
auf sehr langen, weißen und runden Stielen feste. Wann die
Bluhmen zu blühen anfangen, sind sie kurz; biegen sich aber
die Bluhmenblättchen schon etwas zurück, oder fallen gar ab,
fo verlängern sie sich mit ihren Stielen sehr ansehlich. Sie
sind ferner platt, zusammengerollt und gelb. Die Spitzen ha-
ben ihre Lage an den Seitentheilen der Staubfäden, findetwas
verdickt, länglich und weiß. -
Der Byerstock ist eyerförmig, dick, groß und gelb,
und mit keinem Stiel verfehen. - Das Stigma ist peltatum
feile, rund, platt, beständig, und hat einen ausgezackten Rand.
Die Beere, die zu einer Zeit aus dem Emerstock ent-
steht, ist aufgethürmt, abgestumpft, und in zwanzig Fächer
innwendig abgesondert, davon ein jedes einen Saamen in sich
- - enthält,
A, S. „A- - 385
enthält, und welche alle mit besonderen Löchern den Teller des
Eyerstocks durchbohren.
Die Saamen selbsten find länglichtrund, schwarz, und
besitzen eine knöcherne Härte.
Die Bluhmen dieser Pflanze geben einen sehr angeneh-
men Geruch von sich, der dem Geruch frischer Tulpen nicht un-
ähnlich ist.
Die Perfer nennen die Früchte Salabagala, und effen
folche, wie Nüffe. Sie vertreten auch bei ihnen und den Ar-
menern die Stelle der Korallen, indem sie viele derselben an einen
zwirnenen Faden anreihen, und Paternoster daraus verfertigen.
Die hier zu Land wohnende Katholiken machen diesen Gebrauch
auch nach. -
Die Melumbo blüht den Junius und Julius hindurch. Ich
habe sie heute zum ersten mal, nachmals aber in vielen Gilani-
fchen Sümpfen gesehen. In Astrachan vernahm ich, daß sie
auch unweit der vier Hügel, Tschetiri-Bugri genannt, und
160. Wert von der Stadt entfernt, bey der Mündung der
Wolga angetroffen, und dafelbst mehrmalen von den Indianern
aufgefammlet werden. Jedoch wurde hinzu gesetzt, daß es sich
nur selten zutrage, fiel zu finden. Ich erinnere mich auch, daß
mir der Herr Collegien - Rath Lerche zu St. Petersburg er-
meldete Sandhügel auch schon anzugeben gewußt hat. Ich bin
fie zu einer Zeit vorbey gekommen, in welcher die Pflanze noch
nicht zu blühen pflegt; und durch diesem Umstand ist fiel mei-
nen Augen entwischt; dann aus den Blättern allein kan man
fie nicht erkennen, wann man die Pflanze noch niemalen blühend
gefehen hat.
Von sieben und zwanzigsten. Es ist unglaublich,
wie viel Hitze die Perfer auszusehen vermögen, und wie wenig
sie sich aus der Sonnenhitze machen. Sie find im Stand,
einem Pferde, das einen guten Schritt geht, gleich zu gehen,
und täglich eine Reise vom 8. Farfangen, auch wohl mehr zu
machen. Haben sie nur von Zeit zu Zeit ihren Bloff, und
treffen sie unterwegs Wafferquellen genug an, so fehlt ihnen
weiter nichts. Sie kleiden sich ganz leicht, eine einziger schlecht
Dritter Theil, C cc ter
386 -A, - „F-
Das Be-
zeugen der
Perfer ge-
gen die
Chirften.
ter Kittel, der ihnen bis an die Beinkleider reicht, ist hinlänge
lich für sie: entweder wandern sie mit bloßen Füßen, oder sie
umbinden dieselben mit einem Lumpen: das Haupt ist entweder
auch bloß, oder sie tragen runde kleine Mützen, wie die Käp-
chen der Abbes in Franckreich aussehen. Auf dem Wirbel des
felben legen sie unter solche das nächste beste groffe Blatt von
einem Baum, oder bedienen sich auch statt desselben eines leine-
nen Tuchs. Sie steigen Berg an, als wann es Ebenen wä-
ren, sie setzen durch Waffer und Moräfte, springen über an
fehliche Graben, wie die Rehe, und klettern über Felsen, wie
die Böcke. Nur die Kälte und ein feuchtkaltes Wetter ist nicht
für ihre Natur, da bleiben sie lieber in ihren Stuben auf den
Matten sitzen, als daß sie nur, wo sie nicht gezwungen werden,
einen Schritt aus denselben wagen follten; könnten sie sich auch
alsdann ein beträchtliches Stück Geld mit ihrer Mühe verdie-
nen. Lasten zu tragen, lieben fiel auch nicht; nicht einmal solche,
die von keiner groffen. Erheblichkeit find. Nein, fie fagen, zu
diesem Ende habe Gott den Menschen Pferde, Esel, Maulesel
und Ochsen gegeben, und diese müffen dann mit ihnen wandern,
wann Frachten von einer Stelle zur andern zu bringen find.
Es versteht sich von selbsten, daß ich hier von gemeinen Per-
fern spreche. Nur ein wenig über diesen Stand erhabene wür-
den es sich für eine große Schande rechnen, wann sie nur eine
halbe Wert zu Fuß gehen möchten, da müffen gleich einige be-
rittene Begleiter mit vorhanden seyn, die dem Perfer ein Anf-
hen geben sollen. Er felbst aber reitet mit einer solchen autori-
tätischen Mine einher, daß man wunder meynen sollte, waß
der Aufzug zu bedeuten habe? Indeffen find feine Knochen nicht
weniger von einer stählernen Härte als des gemeinen feine, und
er gebraucht sie auch, aber nur in andern Fällen, als dieser.
Vom acht und zwanzigsten. Der Perfer Bezeugen
gegen die Christen ist sehr verschieden. Allgemein kan man fa-
gen, daß sie ihnen durchgängig verhaßt, ja gewaltig verhaßt
fyn. Die christliche Religion wird auch von den Mahumeda-
nern nur die Hunde - Religion genannt. Jedoch kan man die
Perfer in Ansehung des Betragens gegen die Christen in drey
Claffen absondern. Die eine Claffe enthält diejenige, welche die
- g-
-
•A, P. „F 387
allerwunderlichste find, und, wann sie den Nahmen eines Chri-
fen höhren, ihren innerlichen Groll mit Worten und Gebehrden
zu erkennen geben. Sie sind es, die die Gemeinschaft der Chri-
fen, als wie die Pest fliehen, welche, wann sie ja mit ihnen,
etwan der Handelschaft halber, verkehren müffen, immer in ei-
ner gewissen Entfernung bleiben, damit sie nur nicht das Kleid
der Christen berühren mögen, oder damit nicht der Christ das
ihrige aus Unversehenheit betafe. Sie sind es, welchen Trink-
und Eßgefäffe ein Abscheu werden, wann sie in den Händen
der Christen gewesen, und aus diesem Grund die ihrige an die
felbe um wie viel nicht verkauffen, geschweige, daß sie solche
Lehnweise hergeben sollten. Ich erinnere mich nun, dann alle
vorübergegangene, auch unangenehme Sachen werden zu einer
gewiffen #" angenehm, ich erinnere mich nun, fage ich, mit
Vergnügen, wie wunderlich es mir das erstemal vorgekommen,
als ich mich auf die Erde legen, und aus dem Fluß, mit dem
zwar allernatürlichsten Gefäß, mit meinem Mund Waffer trin-
ken mußte; nach und nach bekam ich darinnen eine folche Ue-
bung, daß mir zuletzt die Gefäffe gleichgültig waren. Sie find
es, welche die Brunnen für unrein halten, woraus Christen ge-
trunken haben, und sie bedienen sich derselben gewiß nicht eher,
als bis sie zuvor ausgeschöpft und ausgewaschen worden sind.
In Baku wurde uns daher versagt, unser Schiff mit Waffer
zu versehen. Was ein Christ in feinen Händen gehabt hat,
rohe Waaren ausgenommen, das ist bei ihnen unrein und ein
Greuel. -
Die andere Claffe begreift die gleichgültigen Perfer. Mit
diesen läßt sich schon zur Noth umgehen. Alle diejenige Stücke,
o die wunderliche nicht verstatten, fallen bei ihnen weg. Sie
“ und sprechen frey mit den Christen; fie fuchen fo gar
manchmal ihre Gesellschaft mit Verlangen. Doch daß ist es aber
auch alles. Gemeinschaftlich mit Christen zu effen und zu trin-
kin, das wäre für sie schon zu viel. Ihnen ihren Kalian zu
reichen, dazu würden sie sich gleichfalls fehwehrlich verstehen.
Etwas an ihrem Leib zu tragen, was ein Christ getragen hat,
würden sie für greuelhaft ansehen. Jedoch stellen sie sich freund-
lich an, sie beleidigen äußerlich die Gesetze der Höflichkeit nicht,
fie werden im Umgang gar vertraulich, und man hat gar nicht
- E. c c 2 - Ursach,
- -
388 - •A, P.: „F-
"21.
Verschie-
dene Melo-
nen-Arten.
Ursach, fich im geringsten über ihre Aufführung zu beschweß-
Die dritte Claffe enthält die Sauf-Brüder. Denen ist
es nun gleichviel, ob fiel mit einem Muselmann oder mit einem
Christen umgehen. Ist nur der Christ rechtschaffen aufgelegt,
tüchtig mit ihnen herumzuzechen, fo ist feine Gesellschaft ange-
nehm genug. Die Sauf-Brüder machen fich nichts daraus,
mit uns an einer Tafel zu fpeisen; jedoch muß ich hierbey mer-
ken, daß sie nicht aus einerley Schüffeln effen, gemeiniglich
tragen sie auch bedenken, etwas von denjenigen Speisen zu fich
nehmen, die wir zubereitet haben. Es giebt aber auch unter
ihnen verschiedene Grade, und ich habe guten Grund zu ver-
muthen, man würde welche antreffen, die allein und in der
Stille alles effen follten, was ein christlicher Koch zurechte ge-
macht hat. Die Sauf-Brüder rauchen mit den Christen aus
einerley Kalliamen, sie bedienen sich einerley Eß- und Trinkge-
fchirre, sie scherzen mit uns, wie mit ihres gleichen, sie laden
uns zu ihren Belustigungen ein, sie tragen kein Bedenken, ihre
Verfaffungen in nüchternen und benebelten Umständen zu ent-
decken, mit einem Wort, sie handeln äußerlich so mit uns, als
wann wir zu ihnen gehörten.
Von neun und zwanzigsten. Heute war hier Markt-
kag, den ich auch befahe. Es waren die meisten astrachanische
und perfische Waaren zu kauf; Victualien von allerley Gattung
konnte man im Ueberfluß bekommen. Ich machte mir bey die-
fer Gelegenheit die verschiedene Spielarten der Melonen bekannt,
die man in Perfien antrift: hier ist das Resultat davon. Man
hatte 1) eine Art, die den Nahmen Tfähkim führet. ( S. Pl.
48. a. ) Sie ist länglicht eyförmig, fast anderthalb Spannen
lang, und eben so dick, oben und unten stumpf, und mit einem
kleinen Loch durchgebohrt, von auffen blaßgelb, oder grünlicht-
gelb, mit vielen in die Länge und Quer lauffenden, unter einander
verbundenen Furchen, wodurch ihre Oberfläche rauh und uneben
wird. Sie haben einen angenehmen Geruch, ihr Fleisch ist
weißgelblich, und wohlschmeckend; die Persianer effen sie mit
den Saamen. 2) War eine andere Art vorhanden, die Achdº
fchan abad genennt wurde. ( S. Pl. 46. b. ). Diese ist wie
- - - - der UM
•-A, - „Fe 389
Werum längliche eyerförmig, aber drittehalb Spannen dick, nach
vben gegen dem Stiel zu wird sie etwas dünner, und läuft mit
einer sehr merklichen Erhabenheit aus; an ihrer unteren Endung
ist ein runder Mittelpunet befindlich, von welchem sich einige
Streiffen strahlförmig nach der obern Fläche begeben, aber sich
auch bald wieder verlieren. Sie ist von auffen weiß, und ganz
glatt, ihr Fleisch ober roch. Es hat zwar einen süßen, jedoch
nicht allzu angenehmen Geschmack. Der Geruch ist nicht viel
merklich. 3) Die dritte Gattung, hieß „Halabi. (S. Pl. 46. c.).
Sie ist gelb und glatt. Die Streifen an der untern Endung
find weit unmercklicher, als bei der zweiten Art. Die Erhö-
hung an der obern ist warzenförmig, und von derselben laufen
einige, sich bald verlierende Furchen nach der Oberfläche der
Frucht aus. Die Gestalt ist abermal eiförmig, dünner als die
zweyte, und dicker als die erste Art. Ihr Fleisch ist von An-
fang weiß, und nach innen zu fleischfarben, von füßem Ge-
fchmack und angenehmen Geruch. 4) Die vierte Art führt den
Nahmen Argt. ( S. Pl. 46. d. ). Sie ist von der Länge
und Dicke der ersten, auffen glatt, der Grundfarbe nach gelb,
aber grün gesprengt, und mit vielen länglichten, dunkelgrünen,
hellgrün bedüpfelten groffen, mittelmäßigen, kleinen, breiteren
und ganz schmahlen Flecken gezeichnet. Sie hat eine vollkom-
mene eyförmige Gestalt, läuft an der oberen Endung spitzig aus,
und führt an der untern strahlförmige Streiffen. Ihr Fleisch
ist ganz roth, angenehm, und ohne merklichen Geruch. 5) Die
fünfte Art heist Gulbandi, ( S. Pl. 47. a. ) und hat fe
viel Aehnlichkeit mit der vierten. Ihre Farbe ist orangegelb,
und ihre glatte Oberfläche mit Flecken von unterschiedlicher Länger
und Breite versehen. Sie find aber bei weitem nicht fö häu-
fig als bey der vierten Gattung, und auf der Oberfläche ist auch
nichts grün gesprengtes vorhanden. Der Gestalt nach stehe sie
zwar eyförmig aus, aber nach ihrer oberen Endung zu ver-
schmähtert sie fith fo, daß man denselben Theit gleichsam nur
wie eine zugespitzte Fortsetzung der Frucht betrachten kam. An
der unterm Endung find gleichfalls strahlförmige Streiffen be-
findlich. Ihr Fleisch, welches einen füfen Geschmack, aber kei-
nen Geruch hat, sieht von auffengrün und inwendig roth aus,
6) Die sechste Art wird Badrang, (S. Pl. 47. b.) genannt,
C. c c 3 UM
390 •A, § „F-
um die Aehnlichkeit auszudrücken, die diese Frucht mit den Ba-
dranken, oder dem Citronat hat. Sie ist nemlich gelb, und ihr
rer ganzen Länge nach gefurcht; die Furchen aber laufen von der
unteren Endung, als von dem Mittelpunct aus, und endigen
sich an der obern; sie machen aber die Fläche der Frucht nicht
fehr höckerigt oder uneben, wie bei den Badranken. Die Ge-
falt der Frucht ist länglicht, die Dicke überall gleich, und das
Fleisch weiß. 7) Die siebende Art heißt Siatscha (S. Pl. 47.c )
ist von einer länglicht eyförmigen Gestalt, zwo Spannen dick,
auf der einen Seite conver, auf der andern platt, graßgrün,
glatt, mit schwärzlich grünen Flecken, nach oben zu gefurcht
und gekrümmt. Das Fleisch feht roth aus, und hat einen ange-
nehmen Geruch und Geschmack. 8) Die achte Art wurde be-
titult Adfähielemi. ( S. Pl. 47. d. ). Ist die gewöhnlichste,
die größte und beste Gattung, länglicht, dick, und befizt eine
hellgrüne Grundfarbe, auf welcher sich ein weißliches netzförmi-
ges Gewebe, dessen Theile bald erhöht und platt, fähmähler und
breiter, aber auf eine vielfache Art in einander verwickelt sind,
ausbreitet, das die ganze Oberfläche der Frucht ungleich, un-
eben und höckerigt macht. Die beiden Endungen, find rund,
stumpf und durchgebohrt, das Fleisch roth von einem balsami-
fchen Geruch und zuckerfüffem Geschmack. 9) Die neunte Gat-
tung nennte man UNudschefi , S. Pl. 48. a ). Sie ist von
der zweiten fast in nichts unterschieden, wann nicht das einen
Unterschied ausmachen soll, daß sie ringsum ihre untere Endung
herum mit cirkulförmigen, erhöhten Furchen versehen ist, theils
Gemeinschaft, theils keine mit einander haben. Auf ihrer weißen
und glatten Oberfläche find auch citronengelbe Flecken ohne eini-
ge Ordnung zerstreut. 10) Ist eine andere Art, welche UMIa-
fandrani ( S. Pl. 48. b. ) genennt wird, weil sie in Ma-
fandran besonders hänftig anzutreffen feyn foll. Sie unterschei-
der fich aber von der dritten in nichts, als daß sie viel dicker
ist, und eine mehr kegelförmige Gestalt hat. 11) Hatte man
eine andere Gattung Sartak genannt. ( S. Pl. 48. c. ). Ihre
Oberfläche ist glatt, weißlichgelb , mit untermischten grünen
Flecken, der Gestalt nach rund eiförmig, an ihrer obern En-
dung mit einer warzenförmigen Erhöhung und ringsum mit fatt-
grünen Streiffen, und an ihrer unteren mit einem runden, plat-
- - - - (CM
•A, § „s- 391
ten und ästigen Flecken versehen. Ihr Fleisch ist fleischfarben,
und von keinem besondern Geschmack. 12. Die zwölfte Art hieß
Kalagork, ( S. Pl. 48. d. ) war rund, und durch viele
Erhöhungen und Vertiefung ungleich. Sie fahe vielfärbigt aus,
weiß, grün, braun, dunckelgelb, und man kan nicht sagen,
welche Farbe die Oberhand habe, fo gemischt sind sie unter ein-
ander: die beiden Endungen find ziemlich tief ausgehöhlt; das
Fleisch aber roth und von ausnehmenden Geschmack. 13) Die
dreyzehente Art wurde mir unter dem Nahmen Tschumpari
(S. Pl. 49. a. ) gegeben. Sie ist vollkommen eiförmig, ihre
Grundfarbe blaßgrün, und fattgrün gedüpfelt; an einigen Stel-
len glatt, an andern durch weißlichgelbe erhöhte, gefurchte in die
Länge lauffende Furchen ungleich, durch zehen die ganze Länge der
Frucht durchlaufende Furchen in zehen Theile abgesondert, die
von dem einen bis zum andern Ende gehen, von welchen das
obere haarigt ist. Ihr Fleisch ist über die Hälfte weiß, und
wird erst nach innen zu, röhlich. 14. Die vierzehnte Art hieß
Tfähimani (S. Pl. 49. b ). Sie ist glatt ganz grün, auf
der einen Seite conver, und auf der andern platt. Von der
untern Endung laufen einige unmerkliche Furchen nach der obern
zu. Die obere Endung ist abermal warzenförmig. Ihr Fleisch
ist roth, und von mittelmäßigen Geschmack. 15) Die fünfzehnte
Art (S. Pl. 49. c.) endlich ist diejenige, welche D. Lerche (*)
unter dem Titul melones minimi, ad pomi magnitudinem ex
albo et rubro friati, odoris fuauifilmi, non efäulenti, beschrie-
ben hat. Es ist zu bemerken, daß diese Art, jemehr fiel zu
faulen anfängt, desto beffer zu riechen pflegen.
Vom dreyzigsten. Die Perser wissen anjeßo von einem Eidschwä-
Huldigungs-Eid nichts mehr, und wußten vermuthlich auch ehe- re der
malen nicht viel davon. Auch würde derselbe von keiner groffen Werfer
Würkung feyn. Ihre andere Eidschwüre haben alle einerley
Formuln; nur ist der Unterschied dabey zu bemerken, daß junge
Leuthe dieselbe auf eine andere Art, als erwachsene ablegen. Jene
verrichten nemlich einen Eidschwur folgender maffen: Sie wer-
- den
-
(*) Sammlung rußischer Geschichte 1fer Band. P. 54.
392 •A, + „Fe
den an die erste beste Grabstätte eines Heiligen gebracht, und
bey derselben müffen fie, der Eid mag diese oder jene Art von
Anklagen betreffen, folgende Worte mit heller Stimme aus-
rufen: Einiger Gott, Gott, Gott, ich bin deffen nicht schul-
dig, warum ich angeklagt worden bin. – Erwachsene Per-
' legen ihre eidliche Versicherungen bei den Priestern ab,
gen zween Finger auf den aufgeschlagenen Koran, und rufen
dabey die Worte aus; Einiger Gott, Gott, Gott, fo wahr
dieses, deine Worte find, fo wahr ist es, daß ich – – –.
. Es ist auch üblich bey diesen Gelegenheiten einen ent
blößten Säbel über den Koran zu halten.
Vom ersten Julius. Einige schon seit etlichen Wochen
Persianische anhaltende Dürre drohete dem Reiß für dieses Jahr in Gilan
Religions- den völligen Untergang. Das Waffer troknete fast völlig aus,
Proceßionen und die Blüthen verdorrten in den Aehren. Nun ist aber der
Reiß die hauptsächliche Nahrung der Gilaner, und die Ausfuhr
deffelben verschaft ihnen noch vielen Gewinnt. Die zwo Haupt-
forgen in Gilan find auf den Reiß und auf die Seide gerichtet,
Eine drükt hauptsächlich den Landmann, und die andere den
Kaufmann, jedoch so, daß allemal das Ganze leidet, wann
es mit der einen oder der andern ein schlechtes Aussehen ge-
winnt. Heute wurde wegen der allgemeinen Dürre eine öffent“
liche Proceßion angestellt, und mit dergleichen Proceßionen hat
es folgende Bewandtniß: Der oberste Geistliche Schilchalich
fan, bestimmt den Tag, an welchem sie soll vollzogen werden,
und die Mesched, bei welcher sich zuvor an demselben alle Ein-
wohner der Stadt, vornehme sowohl als geringe versammlen
und vereinigen müffen. Die zusammen berufene Personen er
fcheinen alle mit bloßen Füßen, und mit einem Krug, Waffer,
oder einer Flasche Rosenwaffer. Sind sie alle versammlet, fä
führt fiel der oberste Geistliche die ganze Stadt hinaus aufs
Feld, allwo er einige Gebete verrichtet, nach deren Vollendung
sich das Volck unter einander mit dem mitgenommenen Waffer
begießt, um damit anzudeuten, sie hoffen gewiß, das Gebet
des Priesters werde erhöret werden, und der Himmel werde die
Felder mit Regen erfrischen. Wann auf die erste »:
N
–
A, B „F 393
nicht gleich ein Regen erfolgt, so wird nach einigen Tagen die
zweyte und dritte angestellt: bleibt auch darauf noch der Himmel
verschloffen, fo müffen alsdann auch die Armenier und Juden mit
: zu verschiedenen malen dergleichen Proceßionen
(INHUAN, -
Nach und nach fhikte ich mich zu meiner Abreise aus
Schafft an, um von dar aus das Gebürge zu besteigen. Den
dritten wurde alles zur Fortsetzung der Reise fertig, und ich
verließ den Orth gegen Abend. Das Gebürge, welches ich mir
zu untersuchen vorgenommen hatte, ist das Tavlischinische,
welches für nichts anders, als eine Fortsetzung des Mogamie
fchen angesehen werden muß, und das sich alsdann wieder in
dasjenige verliert, welches ich hinter Lagischan und Langos
rod bestiegen hatte. Dieses dreifache Gebürge zusammen ges
nommen läuft, wie ich schon erinnert habe, unter vielen Krüm-
mungen nur in der Länge, erfrekt fich gar nicht tief in die
Breite, und ist die Scheidewand zwischen Gilan und dem innern
Persien; dann fobald man sich hinter demselben befinde, sobald
befindet man sich auf einer trocknen Steppe, die nach Kaswin
führt, und fo bedienen sich öffers die Karawanen eben defelbi-
gen Weges über die Gebürge, besonders bey vorwaltenden Re-
bellionen, wo der große Landweg meistens unsicher gemacht wird.
Die Reise gieng also ganz westlich, der Weg aber, indem er
durch einen bergigen Wald führte, der aus lauter Felsen be-
fund, war so beschwehrlich und gefährlich, daß ich Gott dankte,
als wir mit anbrechender Nacht ein Dorf erreichten, wo wir
willig aufgenommen wurden. Gleich nach unserer Ankunft da-
felbst fieng es an entsetzlich zu regnen, welches natürlicher weise
als eine Würfung der Proceßionen angesehen wurde. Der Re-
gen dauerte die ganze Nacht und einen guten Theil des anderen
Tages fort, und ich mußte es mir daher gefallen laffen, bis
an den fünften, wider willen, stille zu liegen. Da kein taugli-
cher Platz die Gezelte aufzuschlagen, und in dem Dorf nicht
einmal eine Schwarzstube vorhanden war, so mußten wir uns
die ganze Zeit über in den Betten verbergen. Ein Soldat
brachte etliche Zweige vom Evoeymus in die Hütte, worinnen
wir lagen; um sie mir zu weisen. Ein dabeystehender Perfer
bezeigte feyn Mißvergnügen darüber, und als er um die Ursache
" Dritter Theil. D d d befragt
394 A, „F-
befragt wurde, sagte er, daß dieser Baum sobalb man ihn in
die Wohnung bringe, Flöhe und Wanzen, welche die Musel-
männer so wenig als die Christen zu lieben scheinen, nach sich
zöge. Die Perfer, die voll. Aberglauben sind, unterhalten viele
dergleichen wunderliche Dinge bei sich. Wer z. E. Viburneum
Opulum anrührt, dem wiederfährt ein Unglück.
„ . Bey dem Dorf, wo wir uns gelagert hatten, befand
Bienenzucht sich auch ein kleiner umgezäunter Hof, in welchem Bienen ge-
zogen wurden. Die Bienen -Behälter waren ausgehöhlte Baum-
stämme, von 2. Arschinen in der Länge, die platt auf der Erde
lagen, an ihre obere und untere Endung mit Steinen ver-
schloffen, und auf ihre ganze Oberfläche mit Löchern zum Aus-
und Eingang der Bienen durchbohrt waren. Will man das
Wachs oder den Honig heraus nehmen, fo thut man die Steine
hinweg, und weil die Oefnung nicht allein, sondern auch der
Durchmeffer des Behälters der Länge sowohl als der Breite nach
geraumig ist, fo gelangt man zu feinem Gewinnst ohne diejenige
Beschwehrlichkeit, die unsere Bienen-Körbe mit sich bringen,
Dieser Bienen-Hof, von dem ich rede, hatte ohngefehr 12.
Arfchinen im Quadrat, und ich zählte der ausgehöhlten Baum-
Stämme über zwanzig.
„ Am fünften wurde also die Reise fortgesetzt. Der Weg
war beschwehrlicher, als von Schafft aus, weil alles von dem
Regen schlüpfrig geworden war. Wir konnten auch heute, ohn-
erachtet der größte Theil des unteren Gebürges überstiegen war,
noch keine Stelle zum Lager ausfündig machen, übernachteten
gedultig bey einer Schaafs-Hütte, ritten den fechten immer
höher, und schlugen gegen Abend unsere Gezelte bei einer Waf
fer-Quelle unter freyem Himmel auf.
Wie in Schafft, also auch hier wurde täglich vom
achten bis zum sieben zehnten, in einem fort botanisiert, und ich
bemerkte, daß die mir vorgekommene Kräuter fast von einerley
Art mit denjenigen waren, welche die zuerst durchkreuzte Ge-
bürge geliefert hatten. Es waren Alpen-Pflanzen, und diejenige, die
in den Thälern zwischen den Gebürgen wachsen, gleichen denen
- POm
•A, - „F- 395
von Montpellier. Gleichwohl war ungefähr der vierte Theit
besonders, wobei aber für dieses Tagebuch wenig erhebliches vor-
kam. Ifopen wuchsen sparsam in der Ebene; zu Ispahan
"follen sie aber fo häufig feyn, daß man die Stengel, die das
selbst die Härte eines dicken Stauden-Gewächses bekommen,
zum Verbrennen fammlet. Semperuiuum montanum wuchs auf
den Gipfeln der Felsen. Die Persianer troknen das Kraut mit
den Bluhmen, und verpulvern folches; das Pulver aber, wel-
ches ungemein farck den Stuhlgang treibt, geben sie denjenigen,
die an der Gelbsucht krank liegen; stellen sich die Durchfälle zu
gewaltig ein, so laffen fiel den Patienten faure Milch, worinnen
Eis gelegt ist, trinken, und behaupten, daß davon der Durch
fall sogleich gestillt werde.
- Iujuba, oder Rhamnus zizyghus, Lin. waren an eini-
gen niedrigen Stellen fo gemein, als die Weiden in Deutsch-
fand. Sie heiffen im türkischen und perfischen Unap, und die
Früchte find auch hier zu Land als ein gutes Brustmittel be-
rühmt. Die Stacheln verlieren sich bei dem Baum mit feinem
Alter. -
- Kohl - Portulak wuchs auf den dürresten Stellen. Die
Staubfäden sind ihrer Anzahl nach sehr unbeständig, und stei-
gen von 6. auf 12. Oefters find auch mehrere vorhanden. Das
Stigma ist vierfach geheilt. Die Perser verzuckern die Saar-
men, und bedienen sich solcher als eines kühlenden Mittels,
Eine fonderbare, niedliche Art von Kürbissen wurde mir
hier als eine schätzbare Seit zu Theil. Ob es die warzigte #
des Hrn. von Linne ( Sp. pl. 2 p. 1435. n. 3. ) und an- bis, Gas-
derer Kräuter-Kenner feyn möchte, kan ich wegen der Kürzeitung.
der Beschreibungen nicht bestimmen?
Die Blätter sind mit ihrem eigenen Stiel versehen,
auf beiden Seiten glatt, gleich einer Hand gespalten, die Spal-
tungen ausgezähnt, und der äußerte Zahn verlängert. Die
Blätterstiele find an ihrer Grundlage zufammen gerollt, und
dafelbst mit keiner Drüse versehen. Der Stiel ist glatt, winke-
licht und rankicht. Die Cirrhi find den Blättern entgegen ge-
D. d. d 2 - fetzt,
-
396 «A, + „F-
fest, und länger, als dieselbe. Die Bluhmen find der gemein
nen Kürbisse ihren ähnlich, gelb, und nur etwas kleiner. Die
Aepfel aber sind ganz klein, gelb, oder gelbpurpurfarben, bald
länglicht, bald rund, von auffen knotig und warzig, innwendig
in drey Kammern abgesondert, welche häuticht sind, und viele
mit aufgeschwollenen Randungen versehene Saamen enthalten.
Die Indianer sowohl als die Persianer effen die Frucht,
mit Butter gebraten, und mit Fleisch gekocht, eben so, wie sie
und die Armener mit der Melongena ( Bademschan Armen )
zu verfahren pflegen. Sie falzen auch dieselbe ein, gefalzen
trocknen sie solche in der Sonne, um anf dem Winter einen
Vorrath davon zu erlangen. Die Tataren pflanzen das Gewächse
zu Astrachan; man pflanzt es auch in Persien, aber dafelbst
bringt man es aus der Wildniß in die Gärten, um die Frucht
durch die Cultur beffer und fähmackhafter zu machen. Es liebt
fandigte, trockene Stellen zu seinem Auffenthalt.
Auf indianisch führt es den Nahmen Kilila, auf per
fisch Habnill, auf georgianisch Badidschan, und auf armenisch
Palmber. ( S. Pl. 50. ).
Von t Wie in ganz Persien also auch überall in Gilan trift
' man Zigeuner häufig an, die von einem Ort zum andern zie-
hen, keine gewisse Nahrung und nirgends eine bleibende Stätte
haben. Ich traff ihrer auch welche auf den Gebürgen an, und
frug einige verständige Perfer, die in meinem Gefolge waren,
was sie von diesen Leuthen halten? Es wurde mir von ihnen
folgende Nachricht gegeben, die ich mittheile, wie ich sie bekom-
men habe. Die Zigeuner, von denen die Rede ist, werden von
den Persern Kauli genannt, welches die Benennung eines sehr
alten und gottlosen Volcks ist, von dem die persische Geschicht-
fchreiber folgende Anekdote erzählen: Pharao wollte einsmal
Ibrahim oder Abraham verbrennen laffen; da folcher nun schon
zwey mal auf dem Scheiterhaufen faß, aber jedesmal unbeschä-
diget nachblieb, so wußte er nicht auf was Art er zu seinen
Zweck gelangen könnte, bis der Satan zu ihm kam, und ihm
den Rath gab, er sollte den Scheiterhaufen auf einen sehr hohen und
steilen Berg zu errichten befehlen, und wann derselbe würde an
gezündet seyn, so sollte er dem Ibrahim vermittelt einer Winde
- - hin-
-R, - „Fo 397
hinaufwinden laffen. Pharao folgte dem Rath, allein er hat
die gewünschte Würckung nicht, dann die Winde versagte ihre
Dienste. Satanas gieng zum zweiten mal zu Pharao, und
fagte ihm, ich fehe wohl, daß einige Heiligen, die den Ibra-
him beschützen, fchuld daran find, daß du noch nicht zu deinem
Vorhaben gelangen konntest: aber ich weiß auch für dieses Rath.
Befiehl, daß zwo Personen, eine Schwester und ein Bruder
aus dem Volck Kauli, welches ein Greuel vor Gott und allen
Heiligen ist, hieher gebracht werden, und wann sie hier find,
fo fage ihnen, daß sie sich nahe bei dem Scheiterhaufen mit
einander begatten follen, was gilts, alsdann werden sich alle
Heiligen von da hinwegbegeben, und Ibrahim wird aller Hülffe
entblößt verbrennen? Es wurde alles nach der Angabe des
Satans in Erfüllung gebracht, aber wiederum ohne Erfolg:
dann als Ibrahim auf den Scheiterhauffen gewunden ward,
verwandelte fich derselbe in einen schönen Garten, in welchem
Ibrahim unverletzt nach blieb, worauf Pharao von feinem Vor-
nehmen abfund, und Ibrahim wieder in feine Freiheit versetzte.
Von diesem gedachten gottlosen Volck Rauli glauben die Per-
fer zuverläßig, daß die hiesigen Zigeuner ihren Ursprung haben,
und daß Ibrahim dazumal den Fluch auffie foll gelegt haben,
daß alle ihre Nachkömmlinge ( wie die Juden ) auf ewig zer
freut, ohne einen eigenen festen Sitz verbleiben müffen, wes-
wegen fiel sich dann jetzo und noch fo jämmerlich herumtreiben.
Sie werden von jedermann fehr verachtet, und nähren sich, wie
die unfrige, vom Wahrsagen und Taschenspielereyen.
Auf den Gebürgen wird, wie auf den vorigen die Vieh-
zucht ganz allein getrieben, mit dem Unterschied, daß man ne-
ben Schaafen und Ziegen eine große Menge Rindvieh unter-
hält. Es ist merkwürdig, daß fast alle Stiere und Kühe zwo,
Erhabenheiten, eine vorwärts an dem Hals, und die andere
hinterwärts bey Endigung des Rückens haben, die manchmal
fo groß sind, daß sie ordentliche Kameelen - Rücken vorstel-
len. Sie bringen solche mit sich auf die Welt, und nach dem
Verhältniß ihres Alters nehmen sie auch an Gröffe zu. Die
Vordere ist immer etwas erhabener als die Hintere ; es giebe
auch andere Thiere, die mit demselben oder der hinteren allein,
D d d 3 versehen
398 •-A, - „F-
versehen sind. Wie die Viehzucht die einzige Beschäftigung der
hiesigen Berg-Einwohner ist, also kommen auch diesen ihrer
Lebensart und Kleidung mit jenen vollkommen überein, nur find
fie in allen Stücken nachläßiger und weit ungesitteter. Sie
bauen sich keine ordentliche Häuser, wozu es ihnen an Steinen
nicht fehlet, sondern das nächste beste Buschwerck muß ihnen
zur Wohnung dienen. Es ist mir gar nichts vorgekommen,
welches nur irgend einer Anmerkung würdig wäre; jedoch kan
ich noch zweener Umstände erwähnen, die ich in Erfahrung ge-
bracht habe. Einige Büchsenschüffe von meinem Lager sind Ue-
berbleibsel von einer Stadt vorhanden, die Janbu geheiffen
hat. Wie unsere Gezelte, von Schafft auszurechnen, schon ganz
Eine alte westlich stunden, so lagen diese Ueberbleibsel noch etwas westli-
Stadt
Jambu.
cher, nach Mafiula zu, welcher Orth den westlichen Theil die-
fes Gebürges endiget. Janbu soll die Residenzstadt eines ge-
wiffen Sunfähitchans, welcher von ungefähr 300. Jahren einen
ziemlichen Theil von Perfien beherrschte, gewesen sein. In wel-
chem Jahr aber der Orth, und von wem er verheert worden, ist
unbekannt. Er war auch befestiget, dann man fieht noch aufge-
worffene Schanzen, und eingefallenene Wachthürmer.
- Vor meiner Abreise hörte ich noch, daß ein Mann feine
Frau todt geschlagen habe. Das wird bey den Perfern gar nicht
geachtet, geschweige daß darnach gefragt, oder der Verbrecher
zur verdienten Strafe gezogen würde. Ich erkundigte mich bey
dieser Gelegenheit, warum dann doch bey den Muselmännern
das weibliche Geschlecht für so gar verächtlich angesehen, und nur
zur Befriedigung der Lüfte des Mannes brauchbar gehalten
würde? und bekam zur Antwort, es fey ja ganz billig, daß
man ein Weib in der Welt weit weniger als einen Mann achte,
weil Gott zuerst den Mann, und nicht das Weib erschaffen
habe; und dann könne ja ein Weib zur Ausführung nur ein-
ger maffen wichtiger Sache unmöglich fähig seyn, weil solches
nur ein halber Mensch fey, indem bloß eine männliche Rippe
den Urstoff zu seinem Wesen abgegeben habe. So philosophirt
in diesem Punkt die muselmannische, leicht über den Hauffen zu-
werffende Denckungsart über den Ehestand. Ich will die An-
merkung
•A, P. „Fs 399
- -
merkung nicht machen, daß das gebieterische Frauenzimmer in
Europa fich hieran ein wenig fpiegeln, und ihren guten Män-
nern das ihnen von Gott und der Natur zuerkannte Recht nicht
allzusehr strittig machen möge; dann es find doch nur gute
Männer, die sich desselben begeben, und diese verdienen es dann
mit gutem Grund, daß sie solches verlieren. Endlich wurde
während meiner Anwesenheit auf den Gebürgen eine Person vom
Gewitter erschlagen. Ich war begierig, was die Persianer von
diesem Zufall halten, fahe aber bald, wie sie die Sache ansa-
en. Die Muselmänner nemlich find von der Prädestination fo
überzeugt, daß sie die Würkung derselben für unvermeidlich an-
fehen; der erschlagene also war von Gott dazu bestimmt, daß
er dieses Todes sterben follte, und wann einer durch einen an-
dern Unglücksfall ums Leben kommt, so ist die Prädestination
abermal schuld daran. Auf dieselbe gründet sich ihr Vertrauen,
welches fiel auf astrologische Prophezeihungen setzen: auf fiel die
Zuversicht, mit welcher die Traumdeuter angehört werden; ih-
rentwegen bekommt ein Mensch Ahndungen, die Zweifels ohne
eintreffen; und ein Comet muß an dem Himmels-Kreis erschei-
nen, um dem Land das Unglück zu verkündigen, fo ihm bevor-
' , wann er fich mit feinem Schwanz nach defen Lage
richtet.
Von achtzehnten und neunzehnten. In diesen Ta-
gen reiste ich durch das Gebürge nach Maffula, welche Stadt Manila
wie ich schon gemeldt habe, der letzte Orth in Westen der Gila-
mischen Alpen von dieser Seiten ist. Der Weg führte also durch
die Breite des Gebürges fo, daß wir immer etwas niedriger
kamen, und uns Räscht näherten. Ich entdekte manche hübsche
Pflanze; meine Freude aber würde größer dabey gewesen feyn,
wann ich nicht so unglücklich gewesen wäre, abermal einen An-
all von einem eingewurzelten Tertian-Fieber zu bekommen,
welches diesesmal heftiger war, als die vorigen alle; dann ich
konnte feiner erst nach acht Wochen wieder loß werden. Das
Unglück wurde dadurch vermehrt, daß alle meine Gefährten mit
mir an hitzigen und kalten Fiebern zugleich erkranckten, und ich
also meine ganze Reise-Gesellschaft in ein Lazareth verwandelt
fahe. Ich ließ jedoch dabei den Muth nicht finken, und es
kam mir halb lächerlich vor, wie man mich bei meiner Ankunft
zu
-
406 «A, § „F
zu Maffula aus Mangel der Kräfte vom Pferde heben mußte;
auch war ich gleichgültiger, als ich gewesen feyn würde, da
man uns ein Quartier anwiefe, in welchem die vorhandene Ue-
berbleibsel bewiesen, daß man darinnen zuvor Pferde und Kühe
beherbergt hatte. Maffula ist der einzige dem Gilanischen Be-
herrscher unterwürfige Orth, der das äußerliche Anfehen einer
Stadt hat, dann die übrigen, wann fiel diesen Nahmen führen,
find nichts als weitläufig auseinander gebaute Dörfer, und füh-
ren ihn bloß wegen ihrer Bevölckerung und wegen ihrer Handel
fchaft. Maffila hingegen liegt auf der Mitte eines Gebürges,
stellt durch feine abhängige Lage Derbent gleichsam im kleinen
vor; und da es mehr in die Breite, als jenes Alexandrinische
Meisterstück angelegt ist, so erlangt es dadurch eine hübschere
Aussicht. Mafiula hat gleichwohl weder Thore noch Mauren,
ist aber um und um mit Bergen umgeben, die nur durch zwe-
en, höchstens drey schmale Wege einen Zugang verstatten, und
bekömmt dadurch eine solche natürliche Befestigung, die ihr die
Kunst schwehrlich verschaffen könnte. Die Häuser find sowohl
von Leemen als von Ziegelsteinen, mit Leem zusammen gekittet,
aufgeführt: die Dächer sind platt, und haben daher die Be-
quehmlichkeit, daß man auf denselben füglich spazieren gehen kan,
aber beim Regenwetter bleibt das Waffer auf denselben stehen.
Alle Häuser werden mit einer Mauer von Erde umgeben, und
bestehen aus zwo Abtheilungen, davon nach morgenländischer
Weise die eine für das Gefängniß des Frauenzimmers bestimmt
ist, und die andere zur gewöhnlichen Wohnung dienet. Dieses
ist bey vornehmen aus einem oder zwoen groffen Stuben zusam-
men gesetzt, an deren Flügeln sich kleinere Nebenzimmer befin
den. Die große Stuben dienen zu den Speisesälen und Visi-
tezimmern. Das Harem macht allezeit das Hintergebäude aus,
in welches nur der Herr allein, oder, dem er es vergünstiger,
gehen kan.
Ich habe nicht erfahren können, woher der Nahme
Nafila feinen Ursprung genommen habe. Ich weiß auch nicht,
in welchem Jahrgang der Orth erbaut seyn mag. Von der
Gelegenheit dazu erzählen alte Einwohner folgende Geschichte.
Simfähit Chan, defen ich ganz kürzlich gedacht habe, soll von
Jambu
A, z. „F- 4or
F" aus in der Gegend, wo jeßo Mafiula steht, auf der
agd herumgeritten, und von ungefähr eines Menschen, der
alda herumgieng, gewahr worden sein. Er hielte denselben für
verdächtig, ließ ihn auffangen, und zu fich bringen. Als er
befragt worden, wer er wäre, gab er zur Antwort, „er fey
„, ein armer Einwohner aus Fomin; er habe vor sieben Jahren
, eine Kuh verlohren, um folche abermal aufzufischen, fey er
,, vor einigen Tagen hieher gekommen, und habe einen Menschen
„mit sieben Kühen angetroffen, wie es ihm vorkommen, als
„wann eine von denselben der feinigen ähnlich wäre, so habe er
„dem Menschen feinen Argwohn eröffnet, der ihm alsbald ge-
„antwortet, nicht nur eine, sondern alle fieben gehören dir zu,
„dann deine Kuh hat sich fit fechs Jahren allhier aufgehalten,
„und hat alle Jahr eine von diesen Kühen gekalbet: er fey
„darüber erstaunet, und habe den Menschen gefragt, wer er
„wäre? Worauf er die Antwort erhalten, er fey ein Heiliger,
„und deswegen hierher gezogen, um in der Stille fein Leben zu
„endigen, derjenige, der sich nach feinem Tode hier niederlaffen,
„, und ihm eine steinerne Grabstätte aufrichten werde, könne ver-
„, sichert sein, daß sich eine jede Bitte zu Gott einer gewissen
„Erhörung ohne allen Zweifel erfreuen dürfe; der Heilige fey
„, kurz darauf gestorben, er, der Fominische Einwohner habe ihn
„begraben, und seit der Zeit lebe er gleichfalls als ein Ein-
„fiedler hier, um in die Fußstapfen des Heiligen zu treten.„
Als Simfähit Chan alles dieses vernommen, habe er
dem Fominer befohlen, ihn an den Orth, wo der Heilige begraben
läge, hinzubringen. Als er nun mit feinem Begleiter bey dem-
felbigen angekommen war, foll sich das Grab von selbsten er-
öffnet, und er befunden haben, daß der Verstorbene fein Haupt
mit einem weißen Tuch umwunden hatte. Dieses foll er loßge-
bunden und darauf wahrgenommen haben, daß eine groffe Menge
Bluts aus dem Kopf des Heiligen hervorgefloffen. Um nun
den Blutfluß zu stillen, habe er den Gürtel von feinem Tur-
ban, dem Verstorbenen um den Kopf gebunden, allein ohne
Würckung, denn das Blut soll in einem fortgequollen, und
nicht eher zu fließen aufgehört haben, bis Sinfähit Chan den
Kopf des Todten mit eben demjenigen Band wieder umgewickelt,
Dritter Theil, E e e - mit
zO2, •A, + „Fe
mit welchem er zuvor umwickelt gewesen, worauf er sich von der
Wahrheit überzeugt gehalten, es müffe ein Heiliger feyn, der
hier begraben liege, habe also befohlen, daß ihm sogleich ein
feinernes Grabmal errichtet werden sollte, und verordnet, daß
sich einige von feinen Unterthanen an demselbigen Orth nieder
laffen, und eine kleine Festung erbauen sollten. Dies sagen die
Einwohner von Maffula, fey die Gelegenheit zur Erbauung die
fer Stadt gewesen. Sinfähit Chan fey nach verrichteten Sa-
chen wiederum zurück gereißt, in feyn Schloß, welches er sich
in der Gegend, wo nun Räfcht stehet, erbauet hatte, gezogen,
und allda nach feinem Tode begraben worden.
Ich laffe dieser Erzählung, der in Mafiula durchgän-
gig Glauben beigemeffen wird, ihren Werth. Die Grabstätte
des Heiligen ist eine halbe Farfange von der Stadt entfernt,
noch gegenwärtig, nach dem Käsminischen Weg befindlich und
in gutem Stande, mit den fieben Kühen und dem blutenden
todten Kopf mag es für eine Beschaffenheit haben, waß es
immer will.
Die Festung Maffila ( dann mit diesem Nahmen will
ich nun diesen Orth betittuln) liegt in der Mitte ihres Distrikts,
welcher 4. Farfangen lang und 2. breit ist. Es sind keine Dör-
fer in demselben befindlich, sondern nur hin und wieder einige
Viehhöfe zerstreut. Sie ist insbesondere wegen ihrer Eifenwercke
berühmt. Das Erz, aus welchem das Eisen gefödert wird, ist
eine rothe und fafrangelbe Ocher, welche um Maffula herum
in äußerster Menge auf den Gebürgen häufig zerstreut am Tage
liegt, und bey Fomin, 3. persische Meilen von Maffula, am
Fuß des Gebürges gelegen, aus der Erde gebrochen wird. Die
Ocher ist gut und reich, das daraus geföderte Eifen aber, weil
man damit nicht umzugehen weiß, spröde. Die Eisenwercke ge“
hören Privat-Besitzern zu; jedermann hat die Erlaubniß solche
anzulegen, und bezahlt keine besondere Abgaben. Die Maffula-
mer bezahlen an den Chan einen jährlichen Tribut von 2000
Rubel; manchmal empfängt letzterer solchen an Flinten, Eifen
u. d. gl. Derjenige Theil der Einwohner, der sich mit den
Eifen-Fabriken nicht abgiebt, und wohl der kleinste feyn '
- ernährt
A-
«R, E. „AF- 403
--
ernährt sich von der Viehzucht, und von der Gerberei der
Ochsen - Schaaf- und Bockfelle.
Maffila hat mit feinem Distrikt von seiner Stiftung
an allezeit unter der Gewalt desjenigen Fürsten gestanden, weil
cher ganz Gilan beherrschte, und so bekam auch Hedaet Chan
die Regierung über diese Festung, da er als Beherrscher über
die Provinz Gilan erklärt wurde. Da dieser Herr bekannter
maffen, dann ich beziehe mich auf den Abschnitt von dem ge-
genwärtigen Gilanischen Chan, bey Kerim Chan in Ungnade
erieth, und ersterer glaubte, feine Sache möchte einen üblen
usgang gewinnen, gedachte er feine Zuflucht nach Mafiula
zu nehmen, und schickte in dieser Absicht feine Reichthümer nach
dieser Festung. Kerim Chan erfuhr dieses nicht fobald, als
er ein Kriegsheer nach der Stadt befehligte, mit der Verfü-
gung, daß solche gänzlich verheert, die Einwohner aber geplün-
dert und gefangen genommen werden follten. Hedaet Chan un-
terstützte den Orth mit allem möchigen Succurs, und befahl fei-
nen Unterthanen, sich bis auf den letzten Blutstropfen zu ver-
theidigen. Kerims Kriegsheer rückte vor Maffila an, es fand
aber einen solchen Wiederstand, den es nicht vermuthet hatte.
Die Festung war gut besetzt, und der beschwehrliche Zutritt zu
derselben legte dem Feind die größte Hinderniß in den Weg.
Mit einem Wort, er mußte sichs gefallen laffen, ein ganzes
halbes Jahr lang dieselbe vergebens zu belagern, und würde
wohl nimmermehr feine Absicht erreicht haben, woferne nicht ei-
ner von den Einwohnern verrätherischer Weise demselben einen
verborgenen Weg nach der Festung angewiesen hätte. Sobald
aber auch dieser bekannt war, wurde sie eingenommen, die Ein-
wohner geplündert, als Gefangene nach Kaswin gebracht, und
der Orth durch die Flamme verheert. Wie sich nach der Hand
Zeda et Chan mit Kerim Chan Vekil (*) verglichen hatte,
bekamen die gefangene Maffulaner wieder ihre Freyheit und
Erlaubniß die zerstöhrte Festung wieder aufzubauen, als womit
fie auch sogleich den Anfang gemacht, und damit bis jetzund
- - E e e 2 fortge-
- -
(*) Oberchan, Chan der Chane, Beherrscher der Chane.
404 •A, P. „F-
Käsma.
fortgefahren haben, daß sie zwar nun wieder hergestellt ist; je
doch kan man auch leicht erkennen, daß ihr noch manches an
ihrer vorigen Gröffe fehle.
Hedaet Chan hatte sich immer vorgenommen, Maffula
feiner natürlichen festen Lage wegen noch mehr zu befestigen, und
sich dafelbst bey den ihm allzuwohl bewußten Umständen in
Persien feinen rechten Retirade-Orth aufzuschlagen. Allein seit
drei Jahren hat er diesen Gedancken fahren laffen, und fich
Kalarut Chan, darzu gewählt, einen Orth, der auf den Ge-
bürgen, 11. Farfangen von Räscht, liegt, zu welchem der Weg
über Schafft oder Fomin führt. Dieselbe besitzt noch einige
Vorzüglichkeit über Maffula, und liegt westlich nach den Tavli-
mischen Gebürgen zu, auf dem Gipfel eines Berges, zu dem
man nur durch einen einzigen schmahlen steilen Weg, über wel
chen sich nicht einmal reiten läßt, gelangen kan. Diesen Orth
läßt er nicht nur fortificiren, fondern auch, wie er dafelbst gu-
tes Waffer angetroffen hat, mit allen Nothwendigkeiten, ja fo
gar mit allen Bequehmlichkeiten des Lebens versehen. Dahin
hat er auch die Kanonen bringen laffen, die ihm vor kurzem
ein perfischgewordener Grusiner, Sanchon, der zu meiner Zeit
den jährlichen Tribut für Kerim Vekil eingesammlet hat, goff.
Mit der Arbeit, so dieser Festungsbau verursacht, sind seine
Unterthanen gar nicht zufrieden; dann fowohl die Art, nach
welcher er fiel verrichtet haben will, als die Beschleunigung der
selben, macht ihnen, besonders den Einwohnern von Schafft
und Fomin, aufferordentlich viel zm thun: Hedaet Chan aber ist
für feine Sicherheit besorgt, und weiß, daß sich Kerim Chan
in einem Alter von 74. Jahren befindet.
Ich verließ Mafiula, ( welchen Orch die 5fte Platte
vorstellt ) den 28sten August, und langte denselbigen Abend in
Käsma an, als an welchem Orth ich mich wieder am Fuß
des Gebürges befand.
Käsma und die Gegend dieses Nahmens, welche 3.
Farfangen lang und eben so viel breit ist, und ungefähr 20.
kleine Dörfer in fich begreift, gehört zum Faninischen Distrikt
der
«A, - „F- 405
der 140. Dörfer in fich enthält. Käsma selbst besteht nur aus
einer einzigen Slobode, die eben diesen Nahmen führt, und über
welche nur ein Ketchuda gesetzt ist; von den übrigen kleinen
hat ein jedes feinen eigenen, welche aber alle den Befehlen des
ZKäsminischen zu Geboth stehen müffen. -
Der Nahme Käsma ist türkisch, bedeutet soviel, als
fchneide nicht, und wird davon folgender Ursprung erzählt,
Vor fehr vielen Jahren war Käsma ein ganz kleines Dorf,
das gar keine Benennung hatte, und dessen Einwohner sich
hauptsächlich vom Reißbau nähreten. Da nun eben einer mit
Abmähen des Reises beschäftiget war, fügte es sich, daß ein
aus der Türckey vertriebener Heiliger zu ihm kam, und ihn um
etwas effen ansprach, zur Antwort aber erhielte, feine Arbeit
erlaube ihm nicht, nach Hause zu gehen, um Effen zu holen,
bis endlich der Heilige versprach, statt seiner zu Arbeiten, und
die fchon gethane Bitte noch einmal wiederholte. Der Bauer
ließ sichs also gefallen, hohlte für den Heiligen Effen, und er-
staunte, da er bey feiner Zurückkunft das ganze Reißfeld abge-
mäht fahe. Er erkundigte sich, wie es doch so geschwind damit
zugegangen fey, und fragte den Heiligen, wer er wäre, der
ihm aber erwiederte, daß er sich darum nicht zu bekümmern
habe, genug, daß er Wort gehalten, und nun auch er ver-
pflichtet fey, das einige zu erfüllen. Sie geriethen in einen
Wortwechsel mit einander, aus demselben entstund ein heftiger
Streit, und endlich kam es fo weit, daß der Bauer sein Mef
fer ergriff, mit demselbigen auf den Heiligen loßgieng, und
ihm den Hals abschnitte: als währender Mordthat ein anderer
vorbeyreitender, Türcke, der den Heiligen und defen Schicksal
kannte, dem Thäter, wiewohl vergebens, zurieff: Schneide
nicht, Schneide nicht, dann der Mord war bereits vollbracht,
und nichts blieb mehr übrig, als den Leichnam des Heiligen zu
begraben, und demselben zum ewigen Andencken, eine feinerne
Grabstätte, die noch gegenwärtig vorhanden ist, zu errichten,
Auf diese Geschichte erhielte gedachtes kleine Dorf den Nahmen
2Käsma, und man fieng an, zu demselben immer mehr und
mehr anzubauen, bis es endlich zu derjenigen Größe gediehen,
in welcher es sich gegenwärtig befindet. Das Reißfeld, auf
E e e 3 welchem
405 •A, H. „F-
welchem die Mordthat geschehen, wird nicht mehr bebaut, dann
man glaubt, daß die Pest davon entstehen würde. Abermal eine
Anekdote, die einen Beweiß von dem morgenländischen Geschmack
abgeben kan. -
Käsma wird anjeßo für eine Stadt angesehen, und ist
nach der Art anderer groffen Gilanischen Orthe gebaut. Ihr
wöchentlicher Marckttag, der auf die Mittwoche fällt, ist be-
rühmt. Sie hat ringsum viele Waldung, wie in ganz Gilan
alles Vorgebürge, und die Gegend zwischen diesen und den Reiß-
feldern Waldung ist; Käsma aber liegt am Fuß der Berge
westlich, wie Schafft füdwestlich. Was von Kräutern da und
in Rächt wächst, das traf ich auch hier an, mehr aber auch
nicht; Trigonella, foenum graecum fand sich häufig. Die
Pflanze ist den persianischen Pferde-Aerzten nicht unbekannt:
die Indianer effen das Kraut mit Blof gekocht. Hanf wächst
in groffer Menge. Es heißt auf perfisch Schadana, und auf
indianisch Beng. Die ' preffen fowohl aus dem Saa-
men als dem ganzen Kraut den Saft aus, feigen ihn durch,
und trincken solchen, um davon benebelt zu werden. Sie be-
dienen sich deffelben aber auch, nur selten. Ist es dann der
verderbten menschlichen Natur eigen, nur auf Mittel bedacht zu
feyn, um seinen Verstand zu verlieren? Christen betrincken sich
im Wein, und andern geistigen Getränken. Bei den Mahu-
medanern muß der Toback und der Mohnsaft eben dieselbe Dienste
thun. Die Heiden muß der Hanf ihrer Sinne berauben.
- Ich hatte gar keine Ursache mich in Käsma lange auf
zuhalten, verließ daher den zweyren August diesen Orth, und
kam des Abends in Räfcht abermal an.
Zween Tage nach meiner Ankunft war eine Feyerlichkeit,
die alle Jahr vorzufallen pflegt. Kerin Chan Vekil schickte
fein gewöhnliches Geschenck an Hedaer Chan. Wie nemlich in
vormaligen Zeiten die Schachs, oder Könige, ihre getreue ihnen
untergebene Sultane, Chane, Vezirs und Beglerbegs zum Zei-
ehen ihrer Zufriedenheit und zur Aufmunterung auf das Zukünf
tige zährlich beschenckten, also hat auch der Oberchan s: :
- 2NVOhm-
•A, H. „F- 407
s
-
Gewohnheit in Ansehung der ihm gehorchenden Unterthanen, welche
in Betracht feiner Serdars genannt werden, beibehalten, Die
Geschencke bestehen allemal in einem Pferd und einem Kleid,
und find also nicht sowohl der Kostbarkeit halber, als vielmehr
wie ein Zeichen der Gnade von denjenigen, der sie übersendet,
anzusehen. Hedaet Chan, nachdem es ihm angezeigt wurde,
daß sich diejenigen, welche die Geschenke brachten, der Stadt
näherten, bestimmte den 5ten August, um sie mit der gehöri-
gen Ehrerbietung zu empfangen. Drey Werte von der Stadt
machten also die Abgesandten an einem dazu ausgesuchten be-
aquehmen Orth halte, und an ermeldtem Tage ritt der Chan
mit feinem ganzen Hofstatt, von einer Menge Volks begleitet,
nach demselben, allwo schon Gezelte aufgeschlagen waren, unter
welche sich der Chan mit feinem Gefolg begab. Man hätte aus
allen Anfalten noch viele Umstände vermuthen follen: allein es
gieng kurz und gut ab. Ein Brief von Kerim Chan an He-
daet Chan ward öffentlich abgelesen, worinnen er ihn feiner,
Zufriedenheit und feines Wohlwollens versicherte, ihm alles fer-
ner Gute anwünschte, und feine Treue und vortreffliche Eigen-
fchaften erhob; alles in hochtrabenden übertriebenen morgenländi-
fchen Ausdrücken. Hierauf wurde Hedaet das Kleid (Kalat)
überbracht, das er mit demjenigen, welches er an seinem Leib
hatte, verwechselte, und sich bald darauf auf dem Schiraßischen
Pferde, fo er zugleich erhalten hatte, zurück in die Stadt be-
gab, nachdem er zuvor Kerim Chans Brief an seinen Tur-
ban befestiget, häufige Glückwünsche von feinen Gästen und Un-
terthanen angehört, auch befohlen hatte, daß in den Zelten die
gewöhnliche persische Erfrischungen herumgetragen würden.
Diese Feyerlichkeit, die der Chan, weil sie alle Jahr
wiederhöhlt wird, schon gewohnt ist, mag ihn nicht fo fehr ge-
freut haben, als ein paar andere Umstände, die sich zu gleicher
Zeit ereigneten. Unter den Pfändern feiner Treue und feines
beständigen '' die er dem Rerin Chan bey feiner
Versöhnung eingehändigt hatte, war auch defen ihm zuerst an-
getraute Gemahlin , die er zu Kaswin in Verwahrung
hielt. Heda et Chan, der seit einigen Jahren dem Vekil hät-
üche Beweise feiner Ergebenheit zu erkennen gegeben hatte, weil
er
408 «A, H „F-
er es vermuthlich nicht für den rechten Zeitpunck ansieht, die
wahre Gesinnung seines Herzens zu entdecken, bekam die er
wünschte Nachricht, daß ermeldte Gemahlin ihrer Gefangenschaft
entlediget, und er nunmehr befugt fey, fiel aus Kaswin holen
zu laffen, wann er wolle. Zu gleicher Zeit erhielt auch ein
Neffe von ihm seine '' Sogleich machte man Anstalten,
um diese Personen nach Räscht zu bringen. Einige Vornehme
aus Räscht reisten auf Befehl des Chans nach Kaswin, um
die Gefangene nach Gilan zu führen. Ehe sie sich der Stadt
näherten, wurde Halt gemacht; den Neffen einzuholen ritt der
größte Theil von Mannspersonen aus der Stadt aufs Feld, und
brachte folchen in dieselbe, allwo er vor dem Schloß des Chans
abstieg, und von ihm zärtlich bewillkommt wurde. Die Ge-
mahlin hes Chans, die an eben demselbigen Tag ihren Einzug
hielte, wartete aufferhalb Räscht bis gegen die Abend-Dämme-
rung. Eine Menge vornehmer und geringer Frauen ritten ihr
entgegen, und da es ganz dunckel war, kam sie endlich an,
und wurde von Hedaet Chan in der Badstube empfangen. Vor-
nehme Damen in Persien werden auf Kameelen geführt, und
fizen in hölzernen, gegitterten Maschinen, die als Körbe über
dem Sattel befestigt sind. Andere reiten, gleich den Mannsper-
fonen, und find mit einem leinenen Schleier verhüllt, der ent-
' den ganzen Leib bedeckt, oder auch nur das Gesicht um
glebt. -
Der andere erfreuliche Umstand für Hedaet Chan war,
daß Kerim Chans Sohn, defen ich schon bei einer andern
Gelegenheit erwehnt habe, um seine Schwester freyete, die er
auch ohne alles Bedencken zur Frau bekam. Sie wurde von
ihrer Mutter nach Schiraß begleitet, und von ihrem Bruder
mit einer Brautgabe von 5000. Tomanen beschenkt. -
Es verzog sich bis auf den achtzehnten, daß ich Räscht
gänzlich verließ. Bei meinem letzten Besuch, den ich dem Chan
abstattete , konnte ich mit Vergnügen fehen , daß er wäh-
rend meines ganzen Aufenthalts in feiner Provinz redlich Wort
gehalten, und sich also durchaus nicht Persianisch gegen mich
aufgeführt hatte. Er hatte mir bei der Vollführung der mir
obliegenden Verrichtungen nicht nur keine Hinderniß in den
Weg gelegt, sondern dieselbe sogar nach allen :
"räften
A, „so 405)
Kräften befördert. Ueberall konnte ich hinreisen wohin ich nur wollte;
erverfah mich mit Wegweisern und Begleitern, und in ganz Gir
lan ist daher keine Stelle übrig geblieben, die ich nicht unter
fucht hätte; das einzige Gebürge Delinan ausgenommen, welches
mir bei meiner Lahidschanischen Excursion, allzusehr aus dem
Wege gelegen war. Ich glaube aber nicht, daß dadurch das
geringste versäumt worden fey. Dann es hat eine vollkommene
Aehnlichkeit mit dem Gebürge Samamis, fo ich in die Länge und
Quere bereißt habe: und noch überdies habe ich den Studenten
Klutscharew aus Mangel der Zeit auf den Berg Deliman
geschikt, um meine Stelle im Kräutersuchen zu vertreten. Er
gab mir Pferde unentgentlich: und weil ich deren viel, auch
ihrer fast täglich benöthiget war, so erspahrte ich der Krons
Caffe durch diese Gütigkeit eine ziemliche Summe. Endlich
bezeugte er sich in allen Stücken fo freundschaftlich, fo vertraut
gegen mich, daß ich mich nicht einer einzigen Gelegenheit bei
finnen kan, wo mir nur der Verdacht eines verstellten Wesens
mit Grund hätte einfallen follen. Zu allerletzt, fügte er, sein
Wunsch wäre, daß er Ihro Kayserl. Majestät von Rußland
beffer bekannt seyn möchte; man fpreche von ihm ohne Ursach
übel; wann ich nach Enzelli zurückkäme, wolle er einen
dritten Orth auswehlen, wo er noch einmal mit mir zu sprechen
gedencke, indem er mir einige Dinge zu sagen habe, die ich
vermuthlich nach Petersburg berichten würde.
Ich verlaffe anjeßo Räscht, und mit dieser Stadt die
ganze Provinz Gilan. Hier schikt es sich also am besten, daß
ich von derselben einige Nachrichten mittheilen.
Räfcht liegt mitten in der Provinz Gilan, ungefähr
ro. Werte von dem Enzellischen Meerbusen, in welchen sich der
Fluß Peribazar ergießt, entfernt, an dem Bach Sarutbar,
der in den benachbarten Gebürgen entspringt, und in die Pe-
ribazar auslaufen würde, wann er nicht zu Sommerszeit an
vielen Stellen austroknete. Er schwillt im Frühjahr ungemein
an, so daß ziemlich groffe Kirschis auf demselben rudern kön-
nen, ist alsdann Fischreich, und fein Waffer besitzt alle erfor-
derliche gute Eigenschaften. Da Gilan noch unter rußisches
Dritter Theil. F. ff Both-
Beschrei-
bung dre
Stadt
Räscht.
410 «A, + „F-
Bohmäßigkeit stunde, ja noch dazumal, als die Engelländer
ihre Handlungs-Versuche in dem nordlichen Persien machten,
und groffe Kauffarthey-Schiffe in Peribazar, einem Dorf,
das unweit der Mündung des Fluffes gleichen Nahmens zur
Beförderung des Waaren - Transports angelegt ist, Ancker werfe
fen konnten, dazumal, sage ich, feegelten die Schifbothe auf der
Siarutbar bis vor Räscht. Räscht ist seit etlich und fünfzig
Jahren die Hauptstadt in Gilan, und wie die Stadt zu Scha-
chischen Zeiten der Sitz den obersten Befehlshaber dieser Pro-
vinz gewesen, so ist sie zu den jetzigen die Residenz der Chane.
Sie liegt mitten in einem nunmehro meist ausgehauenen Walde,
ist auf ihren Hauptplätzen dicht bebaut, auf andern aber find
ihre Häuser unordentlich zerstreut ; wie es dann überhaupt
an geraumigen leeren Plätzen gar nicht fehlt. Rings um dieselbe
machten die Ruffen den Boden eben, fo, daß man nun eine
freye Aussicht bis an das Gebürge hat. Sie ist weder mit
Thoren noch mit Mauern versehen, und den Nahmen einer
Stadt hat sie nur dem groffen. Handel, den sie von je her ge-
trieben hat, der daraus entstandenen Bevölckerung, und der
Zusammenkunft fo vieler Europäischen und Asiatischen Nationen
zu dancken. Die Häufer find von gebrannten Ziegelsteinen er-
baut, mit Dachpfannen bedeckt, und fonten nach morgenländi-
fcher Art eingerichtet. Ihre Anzahl belauft sich ungefähr auf
2000. Vor allen prangen diejenige durch ihre äußerliche und
innerliche Pracht, die der Chan bewohnt. Sie haben ihre Lage
nach der Peribazarischen Seite zu, und geben daher den an-
kommenden Europäern ein vortheilhaftes Ansehen von der Stadt.
Ihre vordere Aussicht ist nach den Buden, und von diesen find
fie nur durch einen groffen leeren Platz getrennt, auf welchem
einige Kanonen und Mörfer aufgepflanzt stehen. Sie bestehen
aus verschiedenen Flügeln, die ins Viereck gebaut sind, und ver-
mittelt ansehlicher Galerien zusammen hangen. - Sie find theils
aus Ziegel- und theils aus Bruchsteinen aufgeführt, drey Stock
hoch, mit einer festen Mauer umgeben, und in ihrer Mitte ist
ein niedlicher Garten angelegt, in welchen Fontainen springen,
davon auch einige in die Zimmer des Chans geleitet werden:
diese find inwendig mit Mahlereyen, mit gewürkten und ge-
mahlten ausländischen Teppichen, die den Gobelinischen von Pa-
- - ris
A, M „F- 4IM
ris gleichen, mit Spiegelglaß oder anderen Schönheiten ausge-
ziert. In dem hintersten Anbau befindet sich das Harem, wel-
ches auch feinen eigenen Garten hat.
Räscht wird in acht Sloboden eingeheilt, deren Nah-
men folgende sind: 1) Kiaab Mahala. 2) Chomei Kaan.
3) Tschumarsera. 4) Pafkia. 5) Ustaffera. G) Bafaar.
7) Seglan und 8) Saheidaan, in welcher letzerer nur Juden
wohnen, und die daher auch schlechtweg die jüdische genannt
wird. ueber eine jede Slobode ist ein Kutchuda gesetzt. Würk-
liche Mescheden, in welchen täglich Gottesdienst gehalten wird,
giebt es allhier 9, und fiel heißen: -
1) Metsched Dschaame.
2) – – – Sekailaan.
3) – – Kutschak.
z) – – Seffid.
– – Kamurud baar.
6) – – Mulla redschebali,
7) – – Dschirikiaab.
8) – – Tschumarfera, und
9) – –- Pafkia,
Derjenigen Häuser, die Tekia genannt werden, bei wel-
chen sich die Sloboden am Uffeins-Feste zu versammlen, und
die ganze Mordgeschichte theatralisch vorzustellen pflegen, giebt
es auch "9. mit folgenden Nahmen: -
1) Tekia Saheidaan Chomeira,
2) – Seglan.
3) – Bafaar-
4) – Ustaffera,
5) - Kiaab. - -
6) – Chumeiraan Kiaab.
7 – Neilwanfra.
3) – Tschumarsera , und
9) – Pafkia, -
F ff. 2 - Oeffent-
12 «A, H „So
Oeffentliche Badstuben, die auf perfisch Hamaan heiffen,
find in Räscht 7, nemlich folgende :
1) Hamaan Adfähiemikana Rud Baar.
2) –– Wirrefi.
3) – Samet.
4) –– Schahariar.
5) –– Seglan.
6) –– Kutschuk.
7) –– Kiaab.
Die Seide, die in Gillan so häufig erzogen, und nach
Räscht, als der Hauptstadt, aus der ganzen Provinz gebracht
wird, dieses so viele tausend Menschen nunmehro ernährende
Material hat schon seit langen Jahren her aus dieser Stadt
einen fo beträchtlichen Handlungs-Orth gemacht, und die ganze
Landschaft in fo glückliche Umstände gesetzt, daß man sie bestän-
dig für eine Schatzgrube von Persien angesehen, und aus eben
dem Grund geglaubt hat, daß weder die innerliche Unruhen unter
der Regierung Schach Thaemas noch die tyrannische Herr-
fchaft des Thaemas Kuli Chans, vermögend gewesen sind, fie
in dasjenige Elend zu stürzen, unter welchem die allermeisten
perfische Staaten in erwehnten beiden Zeitläuffen geseufzeit ha-
ben. Es ist war, die Handlung hat beyde male einen gewaltis
gen Stoß gelitten: dann der Seidenbau wurde sowohl selbsten
verabsäumt, als auch in- und ausländische asiatische Karavanen
von den Rebellen geplündert, wodurch viele, um für ihre Si-
cherheit zu forgen, die Flucht als das einzige fichere Hülfsmit-
tel ergriffen. Die aber den Ausgang der Sache gedultig er-
warteten, durften doch keine Träber mit den Schweinen effen;
und nachmals zeigte sichs, daß sie keine Ursache gehabt hatten,
ihre Gedult zu bereuen. Dann die hergestellte Ruhe sowohl, als
der Untergang des Nadirs halffen dem Seidengewerbe bald wie-
der auf, wann man nur einige Gewaltthätigkeiten ausnehmen
will, die auch Gilan in dem Interregno vom Jahr 1747. bis
1762, hat über sich ergehen laffen müffen. --
Die Seide, die Gilan hervorbringt, wird von den
«Menschen in dem innern, Persien, und von den Türken ''
" . . . L- U
•A, + „AR- HiF
fucht. Erstere bekommen die beste, die leztern eben dieselbe und
eine mittlere Gattung. Dasjenige, was nach Astrachan gebracht
wird, ist meistens von einer schlechteren Beschaffenheit, wann
nicht ausdrücklich kaschanische Seide (diefen Nahmen hat ge-
meiniglich die beste), verlangt wird. Nach dem innern Per-
fien und nach der Türkei wird der anfehlichste Theil Seide ge-
bracht, und während meiner Anwesenheit war der Markt zu
Räfcht mit beiderley Arten von Kaufleuthen fo angefüllt, daß
wann die bis zur Zeitigung der Seide verwiesene Ruffen gleich-
falls zum Einkauffe, ( oder vielmehr zur Einforderung ihrer
Schulden für ihre bereits lang vorhero verkaufte europäische
Waaren ) ankamen, mehrmalen zum Bescheid bekamen, man
habe ihrer zum Absatz der Seide gar nicht von nöthen; fie fol-
len warten, da dann mancher fo lang warten mußte, bis er end-
lich nichts bekommen. Es ist bey dieser Gelegenheit zu erinnern,
daß anjezzo die Seide nicht nur für baares Geld verkauft, fon-
auch eben so häufig verstuzt wird, nemlich gegen Laaken, andere
Wollen - Fabriken - Produkten , Italiänischen Sammet, reiche
Zeuge, Zucker, Cochenille, Indigo, Krappe, und was fonsten
aus Astrachan kommt, und gegen feidene und baumwollene Zeue
ge, verstutzt wird, die im innern Perfien und in Indien ver-
arbeitet werden; die Türken aber bringen meistens baares Geld,
oder ungemünztes Gold und Silber, das allhier geprägt wird,
und pflegen den Gilanern die allerliebste Kaufleuche zu feyn,
welche dann auch die Seide wolfeiler bekommen. Der Preiß
dieser Waare steigt von Jahr zu Jahr: der Batman (15 Pfund
rußisch) kostete im Jahr 1771, von der Kafchanischen zwischen
29. und 33. Mindenaers: von der mittelmäßigen zwischen 24.
und 28. und von der schlechten Gattung zwischen 19. und 29.
Die Menge der Kaufleuthe, ist fehr viel an diesem gesteigerten
Preiß schuldig, aber fie ist es nicht allein. Er wird auch das
durch erhöht, weil es viele begüterte persische Kaufleuthe giebe,
die die Seide von den Bauern umter der Hand aufkaufen, oder
auch wohl eine geraume Zeit vorher, ehe sie reiff ist, bedin-
gen und dann auf dieselbe einen folchen fehen, der ihnen
gefällig ist, indem sie auf der einen Seite wegen ihrem Vor-
schuß im Fall der Noch ein Jahr und darüber warten können,
bis sie ihrer so loß werden, wie sie wollen; auf der anderen
. . . . . . . " F ff. 3 Seite
- -
-
•A, H „F-
Seite aber gar wohl wissen, daß es den Kaufleuchen um diese
Waare zu thun fey, und daß sie ihnen, wann sie gedächten,
eigensinnig zu seyn, und auf einen niedrigeren Preiß zu warten,
nur noch theurer zu stehen käme. Die rußischen Unterthanen ver-
lieren dabey am meisten. Weil sie ihre Waaren den Gilanern
auf Credit gegeben haben, und nach der gegenwärtigen schlech-
ten Beschaffenheit des Handels fast geben müßten, so müffen fie
fichs gefallen laffen, die Seide in einem solchen hohen Preiß
anzunehmen, wie ihn zu bestimmen ihren Schuldnern beliebt;
dann sonst bekommen fiel gar nichts, indem es an Liebhabern, eine
gröffere Menge giebt, die folche für baares Gold und Silber
erhandlen.
- Auffer der Seide hat Gilan kein anderes natürliches
Produkt, mit welchem es großen Handel treiben könnte, den
Reiß allein ausgenommen, der in Kirchts nach anderen Pro-
vinzen des nordlichen Persiens als Sallian, Baku, Derbent
und auf lastbaren Thieren nach den Gebürgen gebracht wird.
Manchmal beladen auch die Astrachanische Kaufleuthe ihre
Schiffe damit; doch da diese Waare in Masanderan weit wol-
feiler, obgleich in geringerer Güte zu bekommen ist, fo fegeln
die meifte dorthin, um es nach Rußland zu bringen. Von den
seidenen und baumwollenen Zeugen, die zu Käscht und andern Or-
ehen im Gilanischen verfertiget werden, verbraucht die Provinz
felbst das Meiste; ein Theil geht nach Astrachan, und ein an
derer nach den Gebürgen.
1.
- - Mit Europäischen Waaren versieht diese Landschaft das
immere Perfien, Ardevill, Tavris, und die unweit diesen Städ-
ten bis nach Georgien und dem schwarzen Meer gelegene Herr-
fchaften, das ausgenommen, was von Astrachan unmittelbar
über Rislar und Wostok, oder auch was von Schamachie
aus nach den Gebürgen gebracht wird. Was in Gilan von
feidenen, halbseidenen, und baumwollenen Zeugen verfertiget,
wie auch was zu Räscht von diesen Fabrik-Produkten, in
fofern fiel aus andern Asiatischen Ländern nach dieser Stadt ge-
bracht werden, verkauft wird, das mag folgende Nachricht be-
lehren.
Produkten
•A, N. „F-
415
-
Produkten der Gilanischen Fabriken,
Perfische
Nahmen
Her '
Kutna.
Atlas.
Aladscha.
Kanna-
PPQ.
Foti.
Beschaffenheit.
Dieser Zeug besteht aus einem
feidenen Grund - und einem
baumwollenen Quer faden.
Das Stück hat in der Länge
Und ist breit - - - - - -
Dieser wird wie Kutna verfer-
tiget, nur mit dem Unter-
# , daß er ungestreift
i - '- - - -
Ein gestreifter Zeug, entwede
ganz Baumwollen, oder aus
einem feidenen Grund- un
einem baumwollenen Querfa
den verfertiget - -
Eingeflammter Zeug, wird au
einfacher Seide gemacht. Ei
Stück von der besten Sort
hat in der Länge - - -
n den geringeren - - -
den durchzogen. Es giebt auch
glatten einfärbigen.
Ein rautichter gewürkter Kan
nawat, hin und wieder mit
goldenen Fäden durchzogen.
Deffen bedienen sich die rußi-
fche Weiber zu Kopftüchern.
Das Stück hat in der Län-
ge - s - - - -
Man macht ihn rauticht, ge-
streift, und mit goldenen Fä-|
In der Breite - - -
-
Länge.TBreite T
ei". E
5.
S-
S-
2.
ch. Ar.
--
r
Fas
-
Ir
-
Produkten
A, Ple „Fs
Produkten der Gilanischen Fabriken.
Perfische Länge. 1. Breite.
Nahmen Beschaffenheit. Ar, e Ar.
der Zeuge.
2Bucht- Ein rautichter gewürker Kanna-
fcha. war, ohne goldene Faden. Den
gebrauchen die Persianer als -
Tücher - s - z, 1. 1.
Derperda Ein rautichter Kannawat zu
Kanna- | Vorhängen, und ist so lang
AV43. und breit, als man ihn be-
- stellt
Nach -
mali Kan-
nawat. Ein gestreiffter Kanawat - - 3. F-
Kaffap. Dieser Zeug ist glatt, und wird
von gedoppelter Seide ver
fertigt. Es giebt zweyerley
Gattungen. Die eine ist gan
feiden, und die andere i
mit einem baumwollenen Quer-
faden durchzogen. Die Per-
: bedienen sich des Kaf
. | faps zu ihren Hosen - - , .
Pierhani Ein von rother einfacher 3 |
Karmas, verfertigter Zeug, ganz
oder MT of glatt s g - s -l. 3. M.
Dierhani. Ein feidener Mof mit baum] * 4)
Karisch. | wollenen Querfäden. Ist lang
- " - Und breit - - -, - 3. F.
Pierhani. Ein gestreiffter, aus Baumwolle
- allein verfertigter Zeug - | 3.
Pierhani heißt in der Per-
ichen Sprache ein Hembd, und
erden alle diese dreierley Zeuge
it diesem Nahmen belegt, weil
Pro-
•A, F. „F- es 7
Produkten der Gilanischen Fabriken.
Persische Länge. l Breite. - -
Nahmen Beschaffenheit. ch. Ar. Sch. Ar.
der Zeuge.
fie zu nichts anders, als z
|Hemden gebraucht.
Daßmal. Unter diesem Nahmen versteht
man perfische aus einfache
Seide gemachte glatte und
gestreiffte Schnupftücher. Sie
haben in der Länge und
Breite - - - - I, - I-
Kaskar- Dieser Zeug wird ausgekochter
M08, und gezwirnter einfacher Seide -
verfertiger. Er ist ganz glatt,
man hat ihn von allerley
Farben, und bedient sich sei
ner nur zu Bäffen. Die Länge
und die Breite ist unbestimmt,
und wird, fo wie man es
haben will, in den Webe-
fühlen besorgt.
Bäß. Dieser Zeug ist nichts anders
als eine aus Baumwolle ver-
fertigte Leinwand. Nachdem
ein Stück fein ist, nachdem
ist es auch breit und lang.
Ein Stück von der besten
Sorte hat in der Länge - -
Und in der Breite. - -
Von der schlechtesten Gattung
-
I-
d
ist die Länge - - - - s - –
und die Breite. - - - ä• "
Burmet. Ein gefärbter Bäß. Die Länge
und Breite verhält
- -
9 - -
fich
- bei dem vorigen
A18 A. - -
Produkten der Gilanischen Fabriken.
Perfische | LängeTBreite
Nahmen Beschaffenheit. ch. Ar. Sch. Ar.
der Zeuge
Schitt. Wird auch aus Bäß gemacht,
oder | und die Feinigkeit bestimmt
Kartun. | die Länge und Breite eines
Stücks,
Darahi. Ein glatter von einfacher Seide -
- verfertigter Zeug , welcher *-
- auch gestreift gemacht wird.
| Die feinen Streiffen, die fo-
wohl in den glatten als ge-
streifften sichtbar sind, macht
man also, daß unter die
Grundfäden einige anderevo
hellerer Farbe gemischt wer-
den, und diese letztere sind
dann die Streiffen. -
Mucho- Darahi bekommt den Nahmen
ar. Muchojar, wann man zu
demselben einen gedoppelten
Grundfaden nimmt. Nimmt
man, wie es gemeiniglich zu
geschehen pflegt, Seide von
verschiedenen Farben, so wird
der Zeug changierend (fhie-
lend). Man macht ihn fo-
lang und breit, als man es
verlangt.
Der Preiß, nach welchem die verschiedene fibene und
baumwollene Zeuge, die in Gilan gewebt, fo wohl als die, fo
aus dem innern Persien und aus Indien noch dahin gebracht
werden, ist gar verschieden, und richtet sich theils nach der Be-
schaffenheit der Waaren und theils nach den Umständen. Es
. giebt z. E, Stücke von Atlas, die fünf, und andere, die #
IN-
<R, - „H 49
Mindenaers kosten. Es gibt Kaffäpe von 10. bis 17. Bur-
mete von 3. bis zu 6. Die Umstände beruhen auf dem ver-
fchiedenen Preiß der Seide und Baumwolle, den mehrern oder
geringern Abgang, der größern oder kleinern Ankunft der Ka-
ravanen, der Sicherheit oder der Unsicherheit auf den öffentli-
chen Landfraffen; sie beruhen auch auf der Mode. Es läßt sich
gar nichts gewisses bestimmen, oder ich müßte als ein Kauf
mann eine wohlversehene Bude Stück vor Stück durchgehen,
und alles in dem Werth, wie er zu meiner Zeit gewesen, an-
fchlagen, wodurch ich doch wenig Nußen schaffen würde; dann
es fehlte dabey immer am Besten, nemlich am Ansehen. Die
Gilanische und andere Perfianische Zeuge haben äußerlich be-
erachtet, keine vortheilhafte Aussicht. Die feidene find so steif
und feste, daß man nichts weniger als Seide anzufühlen glaubt,
und die Ursache davon ist, daß die Fabrikanten allzu verschwen-
derisch mit diesem Material verfahren, und zu einer Elle we-
nigstens die Hälfte mehr gebrauchen, als nöchig wäre; fiel bei
kommen aber auch dadurch, welches man nicht läugnen kan, eine
folche Stärke, daß sie fast nicht zu zerreiffen sind. Indeffen
haben sie noch einen andern Fehler. Die Fäden sind ungleich
und knoticht, welches von der Sorglosigkeit im Spinnen der Sei-
de fowohl als im Weben herkomt. Ueberhaupt fehlt es ihnen
an der äußerlichen Schöhnheit und an Glanz: und die Färber
geben dabey auch zu erkennen, daß sie ihre Kunst nicht am be-
ften verstehen. Sie sind, mit einem Wort, mehr aurios, als
nach dem Europäischen Geschmack eingerichtet: dann ein Fran-
zösischer gros de tour verhält sich zu dem Persischen Muchajar,
wie der Tag zu der Nacht. Die vermischte Zeuge fasern ge-
waltig, und die baumwollene sind von keiner langen Dauer.
In dem innern Persien werden auffer folgenden Zeugen
auch alle Gilanische verfertiget, aber sie find theils nach ihrer
innern Beschaffenheit beffer, theils fallen sie mehr ins Gesichte.
Hier ist ein Verzeichniß derjenigen, die man auf dem Markt
zu Räscht verkauft, Kafchanische Zeuge werden allen andern
vorgezogen, -
G gg 2 Kascha-
420
«A, „s-
Kaschanische Zeuge, die in Räscht verkauft -
werden.
Perfische
Nahmen
er Zeuge.
Dirba.
Badiela.
Chatay.
Mof.
Sarbaw,
Sarbaw
Eurfchaki.
Beschaffenheit.
Ein sehr reiches Goldstück. Die
Länge und Breite defelben,
ist unbestimmt.
Ist auch ein Goldstück, und
unterscheidet sich vom vorigen
darinnen , daß es weniger
reich ist. Die Länge und
Breite hat wie beim vorigen,
keine gewisse Bestimmung.
Von diesem Zeuge giebt es
zweyerley Gattungen. Die
eine hat einen feidenen Grund,
und ist mit goldenen Bluh-
men belegt. Die andere ist
zwar auch geblühmt , aber
Die Länge hat - - -
Die Breite ist unbestimmt.
Wird daselbst sowohl von reiner
Seide, als auch mit Baum-
wolle vermischt gemacht. Die
Länge hat - - -
Die Breite ist unbestimmt.
Ein Stoff, in welchem entwe.
Ein Stück ist lang -
Die Breite ist unbestimmt.
der Stücke ist so, wie ihre
Breite verschieden,
ganz von Seide verfertiget|
- 3. und 3.
der goldene Streiffen oder
Bluhmen eingewürkt n
Länge.
Sch. Ar.
7. bis 8.
: Päffe. Die Länge
Breite.
- und 7.
Sch. Ar.
A, P. „So 42
Kaschanische Zeuge, die in Räscht verkauft
werden.
Persische Länge. | Breite.
Nahmen | Beschaffenheit. - ". Sch. Ar.
der Zeuge
Rurfchaki Seidene und halbseidene Bäffe
Ein ganz feidener gestreifter Zeug.
Aus Ispahan bringt man den
besten Burmet , Kurfhaki
und Kottun.
Tavrisische Zeuge.
"Nahmen - - Länge. WELT
der Zeuge, Beschaffenheit. Sch. e Ar.
Rutna. |Der deswegen dem Gilanischen
vorgezogen wird, weil ma
zu demselben mehr Seide und
weniger Baumwolle nimmt.
Die Länge und Breite ist
verschiedentlich.
Mof. Der fowohl Seiden, als Halb.
feiden ist.
Kunatsch. Ein ungekletterter Burmet.
Die Nahmen der indiani-
schen Zeuge find folgende. Die - -
Art, nach welcher fiel verferti- -
get werden, habe ich von nie
. . . |mand erfahren können, dann die
| | | | |Persianer und Armenier, die
mit denselben handeln, befüm-
unern fich nicht darum, wie man
macht; es, das sie da] -
ind“Die "Finn" bedeuten -
istens die Städte, in welchen . . .
G gg 3 Tavrifi-
423
•A, + „F-
Tavrisische Zeuge.
Nahmen
der “
diani
In an,
Beschaffenheit,
die Zeuge verfertiget werden,
und deswegen fieht man einer-
ley Zeug mit verschiedenen be-
legt, nachdem er nemlich seiner
oder gröber in einer Stadt ge-
macht wird, |
Länge.
Breite.
ch, Ar. Sch. Ar.
Zeuge, die auf dem Markt zu.
äscht verkauft werden.
Indianisch - LängeTBreite
ahmen. Beschaffenheit. ch. Ar. |Sch. Ar.
schunay Ein fehr feiner baumwollener, - - -
weiffer Zeug, den man ein
indianisches Kammertuch nen-
nen könnte. Ein Stück ist
lang - - - - - I8. -
Die Breite ist verschieden.
Marmar -
Tscher- Auch Kammertuch, nur etwas
bate. gröber, als das vorige - -| 18. -
Biffon
Chaffa. och gröberes - - - - -| 18- -
PTIaders -
pork. - - - - - - - - I3- - -
Humay. s - - - s ar I2- -
Sahan. s - s - s - I2- -
Alle diese Zeuge find von
einerlei Güte, und zwar gröber
als die vorhergehende, dannoch
aber nichts anders als Kam-
ertuch.
. -
Indis-
-, - „se
423
Indianische Zeuge, die auf dem Markt zu
Räscht verkauft werden.
Indianische Länge.TBreite.
Nahmen Beschaffenheit. Ar, Sch. Ar,
Pargula. - - - -| 9- ---
Ba (3. = - - - I2- -
Wieder zwei Sorten von
Kammerteich. -
Agabani. Ist ein gebühmtes Kammer-
tuch, wovon es dreyerley Ga
tungen giebt. Die erste ist
gewirkt. Die zweite Gattung
ist auch gebühmt, und zwar
beständig gelb; die Bluhmen
werden von dem Indianischen
Kraut Mungi gemacht, defe
characteristisches Kennzeiche
unmöglich in Erfahrung z
bringen war. Die dritte .
Sorte ifi weißgeblühmt, und
die Bluhmen werden vo
| Baumwolle verfertiget. Di
| Länge und Breite bey allen, *
drey Gattungen ist unbe- -
fimmt. -
Sadras. Ein Ziz, in welchem die Bluh-
Kalam- I men mit einem Penfell ein- -
kar, gemahlt werden. Die Länge
des Stücks ist - - in –
Die Breite ist unbestimmt.
Sadras
WTama,
Kalam- Ein gedruckter Ziz - - - 5. -
kar, Die Breite ist unbestimmt.
Indian-
-
424 - «A, F. „Es
dianische Zeuge, die auf dem Markt zu
I sch # verkauft “. z
Indianische - Länge.TBreite T
Nahmen. Beschaffenheit, ch. Ar. Sch. Ar.
Jenifchla
Kandar
Kalam- Ein gedruckter Ziß, gröber als
Ear. der vorige - - - - - 5. g-
Wetendis/Auch ein gedruckter Ziß, allein - -
Kalam- |- noch gröber, als die vorige 5. | –
kar. Die Breite ist unbestimmt. -
| Von allen diesen verschiede,
|nen Zizsorten bringt man auch
Bettdecken nach Rußland.
Tschatara Ein gestreifter halbseidener Zeug,
| davon die Länge ausmacht -5. bis 10. | –
und die Breite nicht bestimmt
werden kan.
Schiri- Ein gestreifter oder geblühmter
fähakar. | ganz feidener Zeug, in der
Länge HON- - - -
und von einer unbestimmten
Breite.
Tschaga |Hals- und Schnupftücher, die
lagloch. | feidenen ä , aus dem
40. bis 50 -
Kraut Mungi verfertiget; | | » -
sie find von verschiedenen
r Farben. Meistens lang. - -| 1. – ,
|- und breit - - - -| – | 1.
Schall- Weiffe wollene Bäff, lang 5. bis 6. | –
firme. und breit - - - -| – | 1. - -
i - -
- -
Bei dem Gilanischen Handel kan man auch einiger Apo-
er - Materialien erwehren, die aus dem immern Perfien nach
- äscht gebracht, und auf dem dortigen Markt verkauft wer-
den. Es schid Mohnsaf, Stern: Anis Teufelsdrea, es“,
- - popo-
A, H „F- 425
Opoponar, Galbanum, G. Ammoniakum, Myrrha, Olibanum,
Ambra, u. d. gl. Den Preiß dieser Waaren finde ich so ge-
mäßiger, daß man sich billig wundern muß, warum es noch
niemand eingefallen ist, Rußland mit denselben von hier aus zu
versehen, statt daß man solche viel theurer aus Holland kommen
läßt. Jedoch dieser Articul gehört zu der rußischen Handlung,
über die Caspische See, und also angeführter maßen nicht hieher.
Von so vielen Karawan-Sarais, mit welchen ehmalen
Räscht geprangt hat, sind gegenwärtig nur noch folgende vor
handen.
1) Karawan-Sarai Schah.
2) – – – – Chan.
3) – – – Tawrifi.
4) – – – Schuschteri.
5) – – – Schifhei Kutschuk.
6) Befork,
7) – – – Adschi Letiff
8) – – – Keliffa.
9) – – – Hindi.
10) – – – Karaut.
Diese noch übergebliebene Karawan-Sarais find in gu-
tem Stand, und die zweite ist beste. Von der, die den
Ruffen ehmals zu einer Festung diente, ist kaum noch eine Spuhr
mehr vorhanden; dahingegen das Retranchement, so der General
Lewaschew auf dem Kaswinischen Landweg angelegt hatte,
noch deutliche Merkmale seiner ehmaligen Bestimmung nachge-
laffen hat. -
Gilan ist billig in dem Ruff, daß es ungefmd zur
Wohnung fey: dann, da dieser ganze Landesstrich fast aus nichts
als fumpfigten Gegenden besteht, so kam es nicht anders feyn,
als daß dadurch zu einer Menge verschiedener Krankheiten Thüre
und Thoren geöffnet werden. Von Natur sind die Einwohner einer
schwachen Leibesbeschaffenheit unterworffen, und sie, welche doch durch
die Geburth und Gewohnheit erhärtet seyn sollten, kränkeln be-
fändig. Persianer, die hieher aus den innern Theilen des
Reichs fowohl, als auch aus andern Gegenden kommen, und sich
Dritter Theil. H h h einige
426 A, P. „F*
einige Zeit aufhalten, fühlen die übele Wirkungen der Gilanischen
ungesunden Luft eher, als die eingeseffene Einwohner; und wer
noch aus Rußland in diese Provinz gelangt ist, der weiß nach
feiner Rückkehr auch davon zu sprechen, wann nicht das Un-
glück feine Strenge allzu unbarmherzig über ihn ausgeübet,
und er so bewandten Umständen nach gar fein Leben eingebüßt
hat. Eben daher haben auch die Rußische Truppen während ihres
Auffenthalts in dieser Landschaft so manchen brauchbaren Solda-
ren verlohren.“ Nicht weniger die Engelländer, bei dem fehlge
schlagenen - Eltonfchen Handlungs-Versuch. Ja uoch bis auf
diese Stunde findt von den Europäischen Ankömmlingen so
mancher sein Grab daselbst."
Allen Folgen einer dem Körper zugefügten Schwäche ist
man in Gilan ausgesetzt, und man kanfich daher die daselbst
endemisch herrschende Krankheiten begreiflich machen. Abwechselnde
Fieber von allen Gattungen find am gemeinten, und fiel gehen
gerne in hypochondrische Zufälle und waffersüchtige Geschwulsten
über. Ihre Anfälle find überaus heftig, und es giebt auch eine
Art, wo die Kälte ganz und gar nicht fühlbar ist, so daß sie
fich als folche nur durch Abwechselung von einem hitzigen Fieber
unterscheiden. Der Synochus putrida, der viele, besonders ge-
meine, Leuthe überfällt, endigt sich gemeiniglich den dritten oder
vierten Tag mit dem Tode.“ Hitzige Fieber entstehen gerne aus
kalten, und werden sehr oft gefährlich. Arthritische und hämor-
rhoidalische Bewegungen find so durchgängig im Schwang, daß ich
wenige Menschen gekannt habe, die nicht fichtlich damit geplagt
gewesen wären. Endlich leidet auch die Haut den Sommer über
bey den meisten Menschen an einem beschwehrlichen chronischen
Friesel, der täglich mit Nachlaffung schuppichter Fasern vergeht,
und täglich wieder kommt, und ein beständiges Jucken verur-
facht; lauter Dinge, den ermeldten Friefel ausgenommen, die
sich durch eine schwache Leibesbeschaffenheit, die, je nachdem sie
in einem Körper wirkt, bald zu Obstructionen und bald zur
Fäulniß Gelegenheit giebt, gar gut erklären kaffen. Die Pfützen
in Gilan verursachen Ausdünstungen, die diese Schwachheit her-
vorbringen; die Nähe der Caspischen See und der Gebürge, die
der Gewalt der Winde wiederfehen, fo daß folche nicht über
- das
•A, H „F . 427
das flache Land dringen, können, unterhalten folche Ausdünstun-
gen beständig, und ertheilen ihnen, besonders zu gewiffen Jah-
reszeiten, noch eine reiche Nahrung. Wer nun noch überdies in
der Kleidung nachläßig ist, wer in dem Genuß der Früchte feie.
nen, Begierden nicht Einhalt thut, der macht, daß die zum
Feuer in Bereitschaft stehende Materien sich nur desto geschwin-
der entzünden, der stürzt sich nur desto ehr in fo bedenckliche
Krankheiten , daß sie meistens, wann fiel nicht in gute
Naturen fallen , entweder langwierig werden, oder sich gar
mit einem traurigen Ende fchlieffen. Ich bin bey- der Be-
urtheilung der Früchte gar nicht frupolös; aber es ist gewißlich
wahr, ich weiß es aus meiner eigenen Erfahrung, in Gilan
werden sie gern schädlich, dann fiel helfen mitschwächen. Die
Feigen und Pfirschen hält man durchgängig für die allerschäd-
lichten. Sollten sie wegen ihrer schwammigten Haut, vor an-,
dern fähig feyn, die schlechte Ausdünstungen der Luft an sich zu
' von den Feigen läßt sich eine schlimme Wirkung am
esten begreiffen, da dieser Baum zu feinem Wachsthum über-
füßige Feuchtigkeit von nöthen hat, und nimmermehr anders
als in niedrigen Gegenden und meistens in der Nachbarschaft
von Flüffen angetroffen wird.
Ich habe schon an vielen Stellen dieses Tage-Registers
Gelegenheit gehabt, von der natürlichen Beschaffenheit der Pro-
vinz Gilan zu sprechen, folgendes mag dieselbe ergänzen. Nach
den Sammlungen der Rußischen Geschichte (7ter Band 5tes und
6tes Stück p. 352.) liegt Räscht unter 36. Grad, 40. Minu-
ten Polhöhe; man kan daraus auf die Wirkung der Sonne in
der ganzen Provinz schlieffen. In den Monathen Juli und
August ist es so unerträglich heiß, daß man in den Mittags-
stunden nicht weiß, wo man sich hinwenden soll; und diese
Hitze verursacht eine solche Mattigkeit, daß man auch nicht
mehr im Stande ist, sich des Schlafs zu enthalten. Man
bemerkt einige mal den Sommer über einen Südwind, aber
nur auf eine kurze Zeit; man nennt ihn den Arabischen oder
auch den Bagdadischen, weil er aus der Gegend der Stadt
Bagdad herkömmt. . Ich kan es nicht recht ausdrücken, waß
man bey dessen Anwesenheit zu fühlen bekommt. Er weht ganz
H h h 2 und
428 «A, „s-
und gar nicht mit einer auffrordentlichen Heftigkeit, aber er
bringt eine solche bremende Hitze mit sich, daß man glaubt, in
einer völlig erhitzten Badstube zu feyn, wann er zu wehen an-
fängt, und zugleich ist er von einer so faulenden, die Säfte
zerschmelzenden Natur, daß man ungeheiffen mit dem Schnupf
tuch für Mund und Nase forgt. Weil er hier kaum über eine
viertel Stunde anhält, so wird er eben nicht gefährlich; aber so
mancher von den nach Bagdad oder Babylon reifenden Armeniern
und Perfern muß dabey fein Leben einbüffen. Ihr einziges Ge-
genmittel ist, daß sie mitten auf dem Wege Löcher in die Erde
graben, und sich darinnen so lange aufhalten, bis er vorüber
geht, sonsten folgt der Tod unausbleiblich. Durch eine lange Er-
fahrung wifen viele voraus, wann er zu erwarten steht, und
können daher demselben mit mehrerer Vorsichtigkeit die Stange
biechen. Die übrigen Sommer-Monat he find leidlich warm, der
Frühling aber überaus angenehm und lang. Wann es auch den
Tag über sehr heiß, oder doch ziemlich heiß gewesen, so wird es
doch bey der anbrechenden Nacht wieder kalt, und gegen den
Herbst zu, empfindlich. Diese fehleunige Veränderung giebt dann
überall gelegentliche Ursache ab, daß die durch das Clima schon
fitzhabende Schwäche bei Fremden und Einheimischen in wirkli-
che Krankheiten ausbricht. Die Beschaffenheit der Winter-
Monathe in Gilan ist eben so, wie ich sie bei meinem Auffent-
halt in Enzelli beschrieben habe. Nur muß man solches von den
Gebürgen nicht verstehen; dann daselbst herrscht natürlicher Weise
eine Alpenkälte. Ich bedaure, daß auf meiner Reise alle Wär-
memeffers , die ich aus Petersburg mitgenommen hatte, in
Stücken gegangen find. Ich würde einem zwar groffen, aber
nur allzu Hypothetischen Boerhaave haben beweisen können,
daß sich die Gilaner nicht nach feinem angegebenen Grad der
Wärme, um ihr Leben zu erhalten, richten können. Ich wäre
im Stand gewesen, manche schöne Beobachtungen bei Gelegen
heit der Veränderungen zu machen, die mir ein guter Thermo-
meter täglich verkündiget hätte; aber an einem fast unvermeidli
chen Schicksal bin ich nicht schuldig, und die Wahrheit zu fa-
gen, fo ist eben nicht fö viel an meteorologischen Wahrnehmun-
gen gelegen, die ein eilender und in befändiger Zerstreuung le-
bender Reisender anstellt, Da
e
•A, - „F- - 429
Der Landestrich, den man jetzo Gilan nennet, und der
in alten Zeiten unter dem Nahmen Hircanien bekannt war, er
frekt sich an der Caspischen See von Keskar bis 1. Meile hin-
ter dem fchon mehrmals in diesem Tagebuch gedachten Dorff
Sekalarut, und macht ungefähr in der Länge 125. rußische
Werte aus. Weil das Gebürge, welches die Caspiche See
von Derbent aus bis nach Astrabat begleitet, von Natur nach,
keiner gleichen Linie gezogen ist, fondern einem halben Zirkel
gleichet, der sich mehr oder weniger von dem platten Land entfernet,
fo ist auch aus diesem Grund die Breite des Gilanischen Landstrichs
verschieden, jedoch beläuft sich die größte kaum auf 2 o. Werfte
und diese möchte da zu suchen feyn, wann man von Enzelli
aus, den Weg nach den Gebürgen über Keskär macht. Wie in
der Geographie die Provinz Gilan in ihren bergigten Theil und
ihr flaches Land abgesondert werden muß; fo find die Gilanische
natürliche Produkten nach der Verschiedenheit dieses unterschiedenen
Erdreichs, ganz und gar verschieden. Ich habe fchon die Er-
fahrung zu bestätigen Gelegenheit gehabt, daß einerley Gegenden
einerley oder doch wenigstens ähnliche Pflanzen hervorbringen,
Ich habe schon angeführt, daß ich auf den Gilanischen Bergen
in die Schweiz oder auf die pyrenäische Hügel versetzt gewor-
den zu seyn glaubte: aber die Ebene dieser Provinz, die doch
fo nahe an das Gebürge angrenzet, ernährt Kräuter von einer
ganz andern Art. In den Flüssen und Sümpfen trift man
wieder besondere Kinder der Flora an; das waldigte Vorgebürge,
fo die Grenzscheidung zwischen der Ebene und den Alpen aus-
macht, unterhält gleichfalls eine ziemliche Anzahl anders gearte-
ter. In Gilan kam man binnen acht Tagen mit Vergnügen
bemerken, was die Natur für Verschiedenheiten bei einem ve-
getabilischen Zwergen und bei einer im Waffer zu der anfehlich-
ften Höhe gediehenen Nymphäa, oder bey andern auf große
Weiten fich erstreckenden Gewächsen, angewant hat. Man kan
die Verschiedenheiten einsehen, die zwischen Wald- und Wiesen-
Kräutern herrscht; um fo zufriedener, weil diese wie im ganzen
Orient, also auch in Gilan auf der einen Seite sich als befon-
dere, von andern Pflanzen des bekannten Erdbodens ganz unter-
fähiedene Kräuter vor die Augen legen, und auf der andern durch
ihre ganze Beschaffenheit s ersten Ansehen verrathen,
(l
h 3 daß
430- - «R - „F“
däß sie Walb - und Wiesen-Kräuter find. Botanift man
endlich auf dem Ufer der Caspischen See, fo fehlt es abermal,
wie es sich zum voraus vermuthen läßt, an neuen Gewächsen“
nicht. Indeffen, unerachtet es so verschiedene und besondere
Pflanzen in Gilan giebt, so ist die Anzahl aller zusammen ge-
nommen vielleicht nicht eben so gar groß, als viele - aus dem
gesagten schlieffen möchten. -
Die Verschiedenheit des Gilanischen Erdreichs zeigt sich
besonders auch bey den natürlichen Produkten, die ein Gegen-
fand der Oeconomie sind, und bey den Thieren. Das flache
fumpfige Land ernährt die Menschen mit Reiß, defen Bau
ich bereits beschrieben habe, das flache trockne Erdreich bringt
für Menschen und Pferde Gersten hervor; Waizen und Rocken:
wird auf den Bergen gepflanzt. Die Maulbeer-Bäume, und
zwar drey Gattungen derselben, dann auch denjenigen, dem der
Ritter von Linne den Trivial - Nahmen des Tatarischen
gegeben, und Alfow zu seiner Heymath ganz gut angewiesen hat,
habe ich nach meiner Anwesenheit in Schaft häufig gefunden.
Die Maulbeer- Bäume, sage ich, denen die Perfer und ver-
muthlich von denenfelben die Ruffen die gemeinschaftlichen Nah-
men. Tut beylegen, deren Beeren auch ihnen als eine leckerhafte
Frucht fähmecken, gedeihen auf den Gebürgen von Gilan ganz
und gar nicht, aber in größter Menge wachsen sie in den nie-
drigsten, ja sumpfigsten Gegenden dieser Provinz und nur da-
selbst kan daher der Seidenwurm mit feinem Gewebe eine so
groffe Menge von Menschen ernähren. Die für reflichste Holz-
arten, die man mit großem Nutzen nach Rußland verführen
könnte, als den Nußbaum, den Tschemar und Eisenbaum, be-
gleiten sowohl das Gestade der See, als machen hiernächst die
vorzüglichste Waldung des Vorgebürges aus, in welchem auch
Kastanien-Bäume, wiewohl etwas sparsam, erscheinen; Cypress
fen hingegen wachsen nur auf den Alpen. Niedrige Gegenden
sind abermal für Feigen, Granaten, Quitten, Pfirschen, Apri-
köfen, Birnen, Aepfel und deren Spielarten, Jujuben, und
Oliven bestimmt; und von denselben werden diese Früchte, zu
welchen auch noch alle Arten von Pflaumen und Kirschen gehö-
ren, in die häufig angelegte Gärten der Provinz verpflanze: da
verbessern sie sich erstlich, und verwildern nachmal so, daß sie
- - EM
A, P. „F- 43
ein Unpiffender nimmermehr für gepflanzt ansehen sollte. Nichts
ist reizender, als den Wachsthum des Weinstocks in der Pro-
vinz Gilan zu betrachten. Dieses rankichte -Stauden, Gewächs
liebt nur waldigte Gegenden, es mögen folche ganz eben liegen,
oder auf kleinen Anhöhen befindlich feyn, zu feiner Wohnung.
Gemeiniglich trift man daffelbe am häufigsten an, wo die Vor-
gebürge find, und den untersten Theil derselben macht es fast
ganz allein aus. Da fehlingt es sich in unüber fehlichen Höhen
über die erhabenste Bäume hinweg, und feine Armsdicke Ran-
ken dehnen und verwickeln sich unter einander fo in die Breite,
daß es auf denjenigen Stellen, wo es am meisten verwildert ist,
fchwehr hält, durchzukommen. Sollte man nicht bey der War-
tung der Reben hauptsächlich auf die Natur dieses Gewächses
acht gehen, und ihm in unsern Schulen eben einen solchen Raum
vergönnen, den es nöthig hat; will man anders von demselben
eine reiche Erndte erwarten? Sollte man nicht alle unsere Wein-
föcke in die Breite fowohl, als in eine gehörige Höhe ver-
pflanzen, damit feine Säfte Platz haben, sich überall auszubrei-
ten? Warum tragen diejenige Weinstöcke am meisten Trauben,
die man an den Mauren und Häusern vermittelt hölzerner Quer-
pfäle aufwachsen läßt? Es ist ein Vorurtheil, wann man glaubt,
hohe bergige Gegenden allein taugen zu dem Weinbau vorzüg-
ich gut; die Reben kommen in niedrigen und bergigten Gegen-
den gleich gut fort, ja in den ersteren fast noch beffer, als in
den letzteren; dann dafelbst gebricht es ihnen nicht fo leicht an
der zu ihrem gedeihen fo nöchigen Feuchtigkeit; vergißt man nur
nicht, daß die Reben ein Rancken-Gewächs feyn, und behan-
delt man sie als ein folches, so wird es an Blättern nicht feh-
len, die im Frühling die zarte Sprößlinge vor der Kälte be-
fähützen. Es ist erstaunend, wie ergiebig die Gilanische Wein-
föcke find. Man hat Beyspiele, daß ein einziger einen Eimer
“Most ( acht Stoffe ) ausgiebt. - Die Trauben sind theils roth
und theils weiß; von den ersteren aber ist die Anzahl größer.
"Nur-Schade, daß man sie hier zu Lande nicht gehörig zu be-
handeln weiß, und daß daher der daraus entstehende Wein
weder fanderlich gut noch von einer langen Dauer ist. Dem
"Brandtewein hingegen, der davon häufig abgezogen wird '
an Güte nichts, ja er übertrifft den besten Französischen,
- … - - " - , - - - - - - -
-
432 •, I „re
deswegen sowohl zum Punsch vortrefflich taugt, als auch, ver-
füßt, statt eines Danzigers füglich gebraucht werden kan.
- Ungeachtet Gilan eben keine groff Verschiedenheit unter
feinen Thieren aufweisen kan, so find doch denjenigen, die vor
handen sind, ihre gewisse Stellen angewiesen. Auf den kahlen
Bergen klettern die wilden Ziegen (Capra hircus), die Patengs
( Capra bezoartica ), und wilde Schaafe ( Ouis orientalis,
nobis ), welcher fanderbaren Geschöpfe ich etwas mehr unten
weitläufig gedenken werde. In den Wäldern gibt es wilde
Schweine, Hirsche, Rehe, und Tieger. Dafelbst gräbt sich
auch das Stachelschwein und der Dachs feine unterirdische Woh-
nung. Dafelbst klettert das Eichhorn auf den Bäumen herum,
Da findt man den Feld- und Stein-Marter; den Hermelin
hingegen trift man nur auf den Ebenen der höchsten Gebürge
an. Bären hat man wiederum in den Wäldern, Wölfe find
an einigen Orthen selten, und an andern gemein, Füchse gar
nicht vorhanden; die Stelle derselben aber vertreten die unruhi-
gen und mit ihrem Geheul fo beschwehrlichen Schakallen. Step-
pen-Thiere, deren es in Rußland eine so große Anzahl giebt,
hat man in Gilan gar nicht. Wie sich die Biefam-Raße schon
in den untern Gegenden der Wolga verliert, so fucht man sie auch
hier vergebens, da ihr doch das sumpfigte Land zum Auffent-
halt. fonsten so günstig wäre. An Haafen hat man in Wäldern
und buschichten Anhöhen eine große Menge. Ich glaube nicht,
daß eine Gegend in der Welt angetroffen werde, wo mehrere
Kröten, Frösche, Eideren und Schlangen vorhanden wären, als
in Gilan, und wie ich es nachgehends wahrgenommen habe, in
Masander an. Aber wo find auch ja folche Landschaften, die zwi-
fchen einem wafferreichen Gebürge, und einer groffen, keinen
Ausfluß habenden See, zu liegen gekommen sind? Das unauf
hörliche Quäcken der Frösche und Kröten aber ist den Ohren
eben so beschwehrlich, als der Haut das empfindliche Stechen
der Mücken. -
- Die Haus-Thiere sind von den Europäischen wenig un-
erschieden. Kameele werden wenig gehalten, weil sie von dem
Genuß des Buxbaums, den sie ungemein lieben, fast ä
- lickli
•A, M „F 433
-
blicklich bersten. Man hat hier wieder ein Beispiel, daß einer
ley Dinge einigen Thieren unschädlich, und anderen höchstgefähr
lich feyn können: dann die Buxbaum-Blätter sind für die
Stachelschweine ein Leckerbissen. Die Schaafe, die man zur
Zucht hält, find insgesammt breitschwänzigte. Ich habe schon
gemeldt, daß ihnen so, wie den Ziegen, das benachbarte Ge-
bürge den besten Auffenthalt verstattet. Büffel sind sehr ge-
mein, doch zieht man auch unsere gemeine Ochsen. An Efeln
und Maulthieren ist ein großer Ueberfluß. Die Perfer geben
selber zu, daß die Arabische Pferde die besten in der Welt
fyn; doch gestehen fie, daß die wenigste dieses Ursprungs feyn,
fondern vielmehr eine vermischte Race von Turkumanischen,
Moganischen , Schaifawanischen und Gorskischen ausmachen.
Die Mafandranischen halten fiel für mittelmäßig gut. Aber die
besten Mafandranische Pferde find Turkumannische. Zu einem
vollkommenen guten Pferde erfordern sie folgende Eigenschaften;
Einen dünnen langen Schweif, dünne gute Kammhaare, einen
langen Hals, einen kleinen Kopf, hervorstehende Augen, eine
groffe Nase, dünne Füße, große Huffen, schmale Fußblätter,
eine hervorragende Mündung des Afters, und nicht sehr groffe
Kloten. Die Farben, welche sie vor schön halten, find: dun-
kelgrau der Schweif, die Kammhaare und die Füße schwarz,
übrigens hellbrau, apfelblühtfarben oder dunkelbraun.
Die Ursache, warum sie die Pferde nicht wallachen,
glauben fiel damit zu rechtfertigen, daß ein wallachtes Pferd im
Krieg unbrauchbar fey, da sich hingegen Hengste viel uner
fchrockener und beherzter aufführen.
Wie sich die Perfer, die Zucht ausgenommen, aus Stut-
ten gar nichts machen, also find bey ihnen unfruchtbare Stutten
in groffen Ehren geschätzt, weil fiel ihnen viel mehrere Kräfte
als einer fruchtbarn zuschreiben; dann fiel fagen, es fey bey den
Pferden eben so, wie bei den Menschen; eine Frau nemlich,
welche keine Kinder gebohren habe, fey mehr bei Kräften, und
also auch beffer , dann eine andere, die beständig Mutter
wird.
Dritter Theil. . . J. i i Es
344 - •-A, - „F-
Es ist unglaublich, mit welcher Sorgfalt die Perser ihre
Pferde behandeln, und wie hoch sie dieselben schätzen. Ein Per-
fer fey in Gefahr, Haus und Hof, Hab und Gut zu verlieren,
kan er nur feinen Pferdestall retten, so wird er gelaffen, das ü-
brige alles mit dem Rücken ansehen. Er ist nemlich, und das
weiß er, in denjenigen, leider, betrübten Umständen, daß er
fein Leben einem guten Pferde anvertrauen muß. Aus dieser
Nothwendigkeit aber entsteht gar leicht eine Paßion. Seine
Sorge also besteht täglich darinnen, daß nur einem Pferde
nichts abgehe, daß es in der Fütterung gehörig gepflegt werde,
und daß man es rein halte.
Die guten Persianischen Pferde sind wirklich recht gut,
und im Rennen machen fiel leicht allen den andern den Vorzug
streitig. Man hat mir erzählt, daß es eine eigene Methode
gäbe, fiel zum erstaunlich geschwinde lauffen abzurichten. Es folk
durch das Aushungern bewirkt werden. Einem recht guten
Pferd, das einen außerordentlichen Ruff der Behändigkeit hat,
wird von feinem gewöhnlichen Futter täglich nach und nach et-
was abgenommen. Man treibt es so weit, daß es zuletzt nun
eine Handvoll Gerste bekommt, und endlich das Ansehen. erhält,
als wann es aus Haut und Knochen allein zusammengesetzt
wäre. An dem Tag, da es rennen foll, wird weder Futter
noch trincken gegeben. Die Rennbahn ist etwan nicht einer un-
fer Europöischen gleich, sondern man wählt sich eine Strecke
von 100. bis 200 Werte, die das bestimmte Pferd zurück zu
legen hat; mit derselben soll es auch in einer, höchstens fünf
viertel oder anderhalb Stunden fertig werden. Man setzt einen
Knaben auf das Pferd, der ein Pferd zu leiten kaum im Stande
ist, ohne Sattel und Zaum, damit diese zum rennen keine Be-
fchwerde machen. Diejenige, die sich diese Belustigung machen,
erwarten an einem gewissen Orth mit Musik das Pferd, welches,
wann es folche zu hören bekommt, wissend, daß solche das Ziel
feiner Bestimmung ausmacht, zuletzt allen feinen Kräften mit
einer unglaublichen Geschwindigkeit aufbietet, um solches zu
erreichen. In eben derjenigen Verhältniß, in welcher man
ihm das Futter nach und nach benommen hat, legt man
ihm daffelbe nachmals wieder zu , bis es wieder zu feiner
gewöhn-
FA, H „F 445
gewöhnlichen Dosis gelangt. Gute perfianische Pferde sehen auch
stolz aus, wie Manege - Pferde, daß sie auch Cabriolen machen;
von Reitschulen aber weiß man deswegen nichts. Sie find gar
nicht wohlfeil. Ein mittelmäßiges kommt auf 100. Rubel zu
fiehen, und der Preiß steigt auf nach dem Verhältniß der Güte
bis zu 300. und darüber.
- Bei der Stadt Räfcht, (die auf der 52ften Platte, nach
den Peribazarischen Seite zu, vorgestellt ist) muß ich noch erin-
nern, daß in derselben von je her Römisch- Catholische Mißio-
narien gelebt haben, deren Verrichtung ist, die Armenianer zu
ihrem Glaubens-Bekenntniß zu bewegen. Eine ärgerliche Lebens-
art derjenigen, welche zu meiner Zeit gegenwärtig waren, nö-
thigte fie, Reißaus zu nehmen, und es ist noch nicht gewiß,
ob ihre Stelle ersetzt werde? In Räscht hatten sie ihre ordent-
liche Kirche, und auch zu Enzelli ein Hauß, wo sie Gottesdienst
hielten.
Den achtzehnten verließ ich die Stadt, und reiste über
Lagischan und Rudizar nach Säkälarut, allwo ich den 2osten
ankam, und bis den 23sten wegen meines Fiebers verblieb.
Den Studenten Klutscharew fertigte ich von hieraus mit einem
Perfer und Dolmetscher nach den Gilanischen Gebürgen ab, um
die Untersuchung der Herbstpflanzen, die mir auf denselben un-
bekannt geblieben waren, nachzuholen, und besonders auch um
Saamen von den beobachteten Kräutern einzufammeln. Den
25sten gegen Abend erreichten wir Schataffär, ein Dorf, das
zu dem District Tenkabun gehöret. Tenkabun hat dreißig
Agatschen im Umfang, gehörte fonsten dem Masanderanischen
Chan zu, und steht gegenwärtig fit 6. Jahren unter der Both-
mäßigkeit des Amberlinischen Chans Ibrahim. Der District
Tenkabum begreift theils das platte Land längst der Caspischen
See bis zu dem Masanderanischen Kerastarach in fich, heils
erfrekt er sich bis in das Gebürge hinein. Weil sich der Am-
berlinische Cham gerade zu einer Zeit, da ein Complot wieder
Rerin Chan Vekül im Wercke war, zu Schiraß aufhielte, und
solches zu entdecken Gelegenheit hatte, fo wurde ihm derselbe zur
Belohnung abgegeben, da er eben nicht sonderlich viel einträgt,
fo verliert zwar der Chan wenig dabey;
4 : 2
446 «A, - „F-
Tenkabun.
Mafande-
"QM.
--
ist es unschicklich das ein Gorfkischer Fürst, der sonsten gar
nichts auf dem platten Land besitzt, mitten zwischen Gilan und
U. afander an diesen platten Erdstrich zur Eifersucht beyder Chane
und zu einem nicht geringen Verdruß der Reisenden inne haben
soll. Dieses letztere braucht eine kleine Erklärung
Auf allen Persianischen Landstraffen sind Rachtar, oder
Zoll-Hütten, angelegt, nicht nur von einem Gebiethe zum an-
dern, sondern auch von einer Stadt zur andern, wo man aber
in einerley Gebiete reift, und vielerley Rachtar - Hütten von
denselben durchkommt, fo beweißt man durch ein Zeugniß, wel-
ches man von derjenigen, wo der Zoll entrichtet worden ist, er-
hält, daß solcher bezahlt fey. Die Rachtar-Hütten nehmen von
einem jeden, er mag feyn, wer er will, und von allen Waa-
ren Zoll: wie viel sie nehmen, ist nach der Verschiedenheit der
Waaren unterschieden; so viel aber kan man als ausgemacht
annehmen, daß alles Packweise gerechnet wird, und unter einem
Pack versteht man so viel, als auf ein Pferd geladen werden kan.
Z. E. ein Pack Seide zahlt in Räscht einen halben Mindenaer
u. f. w. Dergleichen Rachtar-Hütten nun hat auch des Amber-
linischen Chans District Tenkabun, und alle Kaufleuthe, die
von Gilan nach Masanderan reifen, find deswegen genöthigert,
derselben ihren Tribut zu errichten. Diese Leuthe leiden daher
groffen. Schaden, daß, indem sie ihre Waaren, nur 8. Tage-
reisen weit verführen, fiel solche dreimal verzollen müffen. Die
Unverschämtheit der Zoll-Einnehmer kommt dazu, und diese -
treiben die Amberlinische auf das äußerste. Sie verlangen nicht
nur, was das Recht mit sich bringt, sondern sie födern noch
überdies zum Besten ihres eigenen Beutels. Sie begegnen den
Reisenden grob, und sehr oft fetzt es auch Schläge. Ich war
wirklich, wie man mir leicht glauben kan, mit keinen Waaren
versehen, und dennoch forderten fiel Zoll von mir. Mein Mal-
mandaar aber, ein angesehener Mann, der sich meiner gerechten
Sache annehmen wollte, war froh, daß er ohne Schläge glück-
lich davon kam.
Den 24sten kamen wir auf das Tenkabunische Dorf
Isaru, und den 2esten waren wir schon in dem Mafan-
deranischen Gebiethe, und zwar in den ersten District deffel-
ben, Ketaferach genannt, angekommen. ... Das erste Dorf,
- - Q)
A, F. „F* 447
fo wir erreichten, hieß Serdan. Die verschiedene Gebiethe an der
Caspischen See find durch keine Unterscheidungs- Zeichen von
einander abgeschieden. Wann man es einem nicht fagt, daß er
auf feiner Reise in ein neues gekommen fey, fo wird er immer
dencken, er befinde sich in eben dem vorigen. Dannoch hört man
nicht, daß durch den Mangel der Marksteine Unordnungen ent-
stehen, die anderwärts schwehrlich ausbleiben würden. In den
Dörfern, durch welche wir bisher gekommen, war von einer
lebendigen Menschen-Seele gar keine Spuhr anzutreffen. Die
Leuthe hielten sich noch alle auf den Gebürgen auf, in welche fie
fich den ganzen Sommer über begeben, um sich theils vor der
fast unerträglichen Sommerhitze zu schützen, theils um der Vieh-
zucht beffer abwarten zu können. Unsere Kost befund also bin-
nen einigen Tagen in Butter und Brodt, fo wir mit uns führ-
ten. Ehe wir nach Serdan kamen, wurden wir drei Stun-
den lang von einem unvermuthet eingefallenen Platzregen durch
und durch benetzt. Er wollte keinem von der Gesellschaft anstehen,
mir aber, als einen Febricitanten, war er besonders ungelegen.
Das Regenwaffer schmeckte ganz falzigt. In Serdan inspißirte
ich davon eine willkürliche Menge, und bekam zuletzt ziemlich
viel unreines Kochsalz, welches zu wiegen ich als überflüßig an-
fahe. Also dünften aus der Caspischen See auch Salztheile mit
dem Waffer aus, oder noch wahrscheinlicher, Salz in Substanz
begiebt sich in diesen Gegenden, welche fo fehr falzig find, in
die obere Atmosphär, und kommt als ein solches wieder aufge-
lößt herunter. Auch zu Astrachan giebt es Salzthaue, und von
dem Jaik hat man, wann ich nicht irre, ähnliche Nachrichten.
Den 26sten mußten wir wegen dem anhaltenden Regen in
Serdan stille liegen; den 27sten reisten wir durch die Dörfer
Charatsitknaar und Peiklar, und den 29sten kamen wir in
Amul an. Amul-
Von Rudizar aus bis Peikla reist man längst der
Caspischen See, entweder und fast meintentheils an dem Ufer
derselben, oder, wann daffelbe zu schmahl ist, begiebt man sich
etwas in den Wald hinein, bis man wieder an denselben reiten
kan. Hanway lobt die Aussicht der Maianderanischen Provinz:
er sagt, die Luft fey freyer und reiner darinnen, auch wäre
- - - - - - - - - I i i 3 die-
- - -
448 «A, H „e
dieselbe nicht so von Bergen eingeschloffen, wie in Gilan. Wann
er dieses von Peikla aus nach Amul zu, versteht, so hat er
vollkommen recht, sonsten bis dahin ist alles mit Gilan so ein-
förmig, daß man beyde Provinzen in Betracht ihrer natürlichen
Beschaffenheit für eine einzige ansehen kan. So gar konnte ich
nicht ein neues Kräutchen auf dem ganzen Weg antreffen, das
mir nicht in Hircanien vorgekommen wäre. Aber gegen Amul
zu, da man das Gestade der Caspischen See verläßt, wird das
Land schöner, die Gebürge entfernen sich, die häufige Reißfelder,
wovon ein Theil noch in der Blüthe fund, und ein anderer
schon zur Erndte reiff war, gaben eine anmuthige Aussicht;
man bemerkt auch schon einen kleinen Unterschied in der Flora,
und ist mit einem Wort genöthigert, zu erkennen, daß man
weit mehr füdwestlich reist, als zuvor. Von Rudizar bis
Peikla ist der Weg ungemein verdrüßlich. Man hat nichts als
die Caspische See vor sich; der häufige Sand macht den Weg
beschwehrlich, und die angränzende unordentliche Waldung hat
an den meisten Stellen nur einen fimpfigten Boden, welcher
sich von dem vielen Gewäffer herschreibt, das in den Gebürgen
entspringt, und sich in das Caspische Meer ergießt. Man rechnet
an die drittehalb hundert groffe und kleine Flüffe, die auf dem
Weg von Rudizar nach Mafanderan in die Caspische See
fallen. Es find freilich welche darunter, die den Sommer über
gänzlich vertrocknen, und fo vertrocknen, daß man mit Mühe
die Spuhr ihrer Mündung fuchen muß: Aber es giebt auch
andere von beträchtlicher Tiefe und Breite, und im Frühjahr
fchwellen diese mit den kleinen so ansehlich auf, daß manchmal
ganze Wochen lang die Paffage unterbrochen wird.
Amul ist eine sehr anmuthige Stadt, an dem Fuß
Arasbei, und längst demselben erbaut. Von ihr hat ein gan
zer District der Maianderanischen Provinz feine Benennung er-
halten, und in demselben stellt sie die Hauptstadt mit allem Recht
vor. Sie foll vor 700. Jahren von dem Schach Suhak, des
fen Regierung in das Saracenische Reich fällt, erbaut worden
feyn. Von ermeldtem Schach erzehlen die Perfer folgende Fa-
bel: „Er sei mit zwoen Schlangen auf die Welt gekommen,
„, in jedem Ohr nemlich hätte eine ihren Sitz gehabt, und #
- - „, hätte
z, F. „F- 449
, hätte er fein ganzes Leben hindurch tragen müffen; zur Er-
„, nährung dieser Schlangen wären alle Tage zween Menschen
„, erforderlich gewesen, die dabey allezeit ihr Leben eingebüßt ha-
„, ben. Da nun den Unterthanen nach einer vierzigjährigen
„ Regierung des Schachs diese Last zu befchwehrlich gefallen,
„, so hätten sie fich entschloffen, den Schach in einem Brunnen
„, auf dem Berge Demoan zu erfäuffen. „ Demoan ist der
spizigste und erhabenste Berg unter den Maianderanischen,
der beständig mit Schnee bedekt ist und weit in die See hinein
gesehen werden kan. Er ist vier Tagereisen von Balfruch ent-
fernt, feine Spitze aber zu erreichen geht auf keinerley weise an.
Die Perser schreiben ihm die Ehre zu, als wamm die Arche Noä
auf demselben sich niedergelaffen habe, bei den Armeniern hin-
gegen muß der Berg Ararat in ihrem Vaterland darzu herhal-
ken. Wer ist wohl im Stand diesen Streit zu entscheiden?
Amul foll der Nahme von der Tochter des Schachs
Snhak gewesen seyn. Die Stadt soll zu derjenigen Zeit, da
fie erbaut worden, und auch noch einige hundert Jahre nachdem
alle übrige in Persien an Größe übertroffen haben; vor hundert
und achtzig Jahren aber trug sich mit derselben, alter Einwoh-
ner Sage zufolge, nachstehende Geschichte zu. Ein Derwisch
kam nach derselben, und bath bey vielen Häusern um Almosen;
er wurde aber überall mit leerer Hand abgewiesen. Hierüber
ergrimmte der Bettler so fehr in feinem Herzen, daß er sich
gleich wieder aus der Stadt machte, und auf Mittal zu denken
anfieng, wie er fich an ganz Amul nachdrücklich rächen möchte.
In dieser Absicht gieng er auf eines der nächsten Gebürge, allwo
fich ein großer See befand, in den er einen gewissen Stein
warf. Mit einmal ergoß sich der ganze See; ganz Amul wurde
unter Waffer gesetzt, und der Derwisch machte fich davon. Alles,
was Leben und Odem hatte, kam im Waffer um, und von den
Häusern, solle lange nachdem, als das Waffer abgelauffen war,
keine Spuhr mehr anzutreffen gewesen feyn. Sieden gemeine
Einwohner der Stadt waren auf die Gebürge verreist; wie sie
nun zurückkamen, und ihre Häuser nicht mehr antrafen, waren
fie genöthigert, fich andere zu erbauen, und legten also zu einem
neuen. Amul den Grund. Nach und nach vermehrte '' '
Mzahlt
450 •-A, - „F-
Anzahl der Einwohner, bis endlich wieder durch die Länge der
Zeit eine folche Stadt, wie die gegenwärtige ist, zum Vorschein
gekommen. Während der neueren Persischen Unruhen hat sie
nicht viel erlitten. Ich weiß nicht, wie es dem Hrn. Hanway
hat einfallen können, daß Amul an dem Fuß des Gebüt-
ges Taurus liege, welches doch von der Stadt wenigstens drey
Meilen entfernt ist. Sie liegt in der Mitte ihres Districts,
und wird in 8. Sloboden eingeheilt, deren Nahmen diese find:
1) Meschei Mahala. – 2) Rutger. – 3) Tschirna
wun. – 4) Kunemetscher. – 5) Enger. –
6) Kardi. – 7) Darf. – 8) Badfchillu. – In
diesen 8. Sloboden find 3. Mescheden. 1) Metsched Alfha-
roch. 2) WM. Abdollo - Wahob, und 3) U. Kuum, und
zwey Tekia 1) T. Mirbufimrk, und 2) T. Adfähiskender,
wie auch 3. Karawan-Sarais 1) Dudaer R. 2) Adfähis
kender K. und 3) Sefid K. -
- Hamway, da er durch Sari reitet, spricht von vier
Tempeln, die er als Opfer - Tempel der alten Gebers ansieht,
und sich verwundert, daß die Perfer folche Ueberbleibsel einer
ihnen abscheulichen Religion dulden können. Von solchen Tem-
peln sind auch drey in Arnul vorhanden; aber man hat mir
einen ganz andern Ursprung angegeben, als Hr. Hanway an-
führt. Sie sollen nemlich Gumbläs oder Begräbniß-Thürme
vornehmer Leuthe vorstellen, davon ein jeder den Nahmen desje-
nigen führt, dem er zu Ehren gebaut ist. Die drey in Anul
heiffen: 1) Salomon Pharf. 2) Tuschungus und 3) Dschu-
metkaffag. Man zehlt gegen 80o. Einwohner in der Stadt
Amul. Die eine Hälfte nährt sich vom Reiß- und Baumwoll-
len-Bau, und die andere von den benachbarten Eisenwercken.
Eifen nemlich erzeugt die Natur wie in Gilan, auf den benach
barten Gebürgen in äußerster Menge. Das Eisen besteht fo
viel gegenwärtig bekannt ist, in eben derselben mehr oder weni-
ger gelben Ochre, die ich aus Gelegenheit meines Auffenthalts
zu Maffula beschrieben habe. Man hat wenig Mühe, sich ihr
rer zu bemächtigen; dann fiel liegt auf den Bergen gänzlich am
Tage zerstreut. Da, wo fiel etwas feltener zu werden beginnt,
wird wohl mit Graben vermittelt Spaten gehoffen,
. . . - - - - Erler
- -
- -
- -
«A, g „F 451
:
Perfer müffen folches fehr wohl nöthig haben, wann sie sich
dieser Arbeit unterziehen. Wie bedauerte ich doch mein Unver-
mögen, den Mineralogischen Wiffenschaften auf dem Caukasus
fo gar nichts ersprießliches leisten zu können. Das Eisenerz,
von welchem die Rede ist, wird auf gut Perfisch geschmolzen,
und das rohe Eifen wie nach den darzu fähicklichen Districten
der Provinz Masander an, also auch nach Amul zur Verar-
beitung gebracht; daselbst find 10. Buden, die dem Chan ge-
hören, und 5ooo. Rubel jährlich eintragen. Noch vier andere
Personen besitzen auch dergleichen; der eine foll 5, der andere 7,
der dritte 8, der vierte 9. haben. Die Einkünfte ziehen die
Besitzer allein, und bezahlen deswegen keine besondere Abgaben
an den Chan.
Der Fluß, der bei der Stadt vorbeifließt, heist Aras-
bei, entspringt in den Gebürgen aus dem gedachten See, welcher
dem erzürnten Derwisch dazu gedient haben soll, um ganz Amul
zu zernichten, macht zwischen den Gebürgen und der Stadt auf
dem platten Lande viele Krümmungen, spaltet sich in zwey
Hauptarme, von denen der eine westlich lauffende, nachdem er
sich in viele Aeste abgesondert hat, drey Agatschen von feiner
Haupttheilung in die See fällt, der andere hingegen erstlich süd-
lich bis Balfruch läuft, dafelbst sich auch in sehr viele kleine
Arme theilt, und nnweit Medftheteffär in die See fällt. Im
Frühling und im Herbst steigt das Waffer in denselben fo ent-
fetzlich, daß öfters die Stadt in Gefahr steht unter Waffer ge-
fezt zu werden. An Fischen leidet er groffe Armuth. Der häu-
figste foll der gedüpfelte Karpfe ( Kasalala ) feyn. Manchmals,
aber fehr selten, erscheinen Seefische in demselben.
Die treffliche feinerne Brücke, welche dicht an Amul
nach Balfruch führet, und über gedachtem Fluß Aras bei an-
gelegt ist, beruht auf 12. Bogen, ist vor 90. Jahren von ei-
nem gewissen Bischoff auf seine Kosten erbauet worden, und
diesen Geistlichen foll zu diesem großmüchigen Werck folgender
Umstand bewogen haben. Erfahe nemlich wie bei dem Auf
schwellen des Waffers täglich eine große Anzahl Menschen ihr
Leben einbüßen mußten, und daß sich weder ein Chan oder
Dritter Theil. K - Schach
452 - •A, - „F-
Schach erbarmen wollte, eine dauerhafte Brücke über den Fluß
aufzuführen. Er kam daher auf den Einfall eine auf feine Ko-
sten zu bauen, die Kosten aber, die er darauf wandte, belieffen
sich auf 60000. Mindenars. Ob ihm nun vielleicht dieses Geld
zu viel dünckte, oder ob er überhaupt auf die Obern, denen es
zukömmt, für die öffentliche Wege zu forgen, böß war, fobald
die Brücke fertig war, legte er einen Fluch auf alle über
dieselbe künftig reitende Schachs, Chanel und Vezirs fo, daß
wann, fich jemand erfrechen würde, solches zu thun, er auch auf
fein ewiges Unglück staat machen könnte. Aus diesem erhellet
der Grund, wann man gegenwärtig fagt, kein Chan oder Ve-
zir könne über diese Brücke reiten. Deswegen steigen diese Her-
ren ab, wann sie sich ihr nähern, und laffen sich ihre Pferde
nachführen, andere hingegen, die in keiner Chanischen Würde
stehen, geht der Bischöfliche Flucht nichts an. Man kan gegen-
wärtig noch gar wohl sehen, daß Amul beffer befestiget gewe
fen, als andere persische Städte. Die Mauer ist noch ganz und
mit tüchtigen Bastionen versehen, und dem Wall, der fiel an
den meisten Orchen beschützt, geht auch nichts ab. Die Mauer
ist zwischen der Vorstadt und der Hauptstadt ins Viereck er-
wichtet; doch stehen auch die Vorstädte nicht ganz frey. Die
Mauren sind aus Ziegelsteinen gebaut, und mit Kalk befestiget,
sonsten herrscht in der Stadt die perfische Bauart. Die Häuser
in der Vorstadt find ansehlicher, als die mitten in der Stadt;
in jener findt man die Ueberbleibsel eines groffen Palasts aus
zwey Stockwerken '', der sich vom Schach Albas dem
groffen herschreibt. Dieser Prinz fand ein besonderes Vergnü-
gem an Masander an, und um sich feine Reise von Ispahan
nach derselben angenehm zu machen, errichtete er zum Ausruhen
und zum Speisen alle zwey Agatschen ein solches Lustschloß, in
der anmuthigsten Gegend, und hielt sich daselbst nach Belieben
auf. Neben dem Amulischen ist ein vortrefflicher Garten bei
findlich, voll- Orangen-Bäumen, aber auch nunmehr völlig
verwildert. Den Tag nach meiner Ankunft benachrichtigte ich
den Chan, daß ich seine Grenzen betreten hätte, und bath ihn
am Erlaubniß, nach Balfruch kommen zu dürfen: ein nach
drückliches Empfehlungs-Schreiben, so ich vom Hedaer Chan
hatte, lege ich meinen Worten bey, nachdem lange
- - - -
- . . . -
«A, + „z- 453
Sinfälische Consul Hr. Bogolubow für mich die wöchige Ver-
fügungen gemacht hatte. Statt einer Antwort erschienen nach
zween Tagen ein Rußischer Kaufmann, zween Armenier fammt
einem Persischen Maimandar, die mir im Rahmen des Chans
zu meiner Ankunft Glück wünschten, mich bewillkomten, und
mir, nach der übertriebenen Persischen Art zu complimentieren, .
ganz Masanderan zum Geschenk anboehen. Weil sie wahrge-
nommen hatten, daß wir in einem Haufe unsere Wohnung be-
kommen hatten, welches eheils ziemlich klein, theils allzu lüffig
war, so wurden wir in den gedachten Schachischen Palast ver-
fetzt, wo wir uns auch ungemein beffer befanden. Als wir aus
gezogen waren, gab sich der alte Wirth zween Tage lang alle
Mühe, sein Hauß sowohl aus - als inwendig von allen durch
uns vermeymten Unreinigkeiten zu fäubern. Vornemlich glaubte
er, wir hätten daffelbe durch den Gebrauch des Weins entheili-
get. Ein anderer nicht fo eiffriger Perser, fahe diese Kurzweil
mit an, und enthielte sich nicht, uns zu fagen: für Wein und
Brandtewein tragen meine Brüder einen Abscheu, aber Men-
fchen - Seelen ihren Leidenschaften aufzuopfern, ist bei ihnen kein
Lafer. Erst den 3ten September schickte der Chan Pferde zur
Reise nach Balfruch, und erst den 4ten kam ich in der Stadt Balfusch
an, weil mir mein Fieber unterwegs eine unvermuthete Halte
machte.
Rach der mildesten Rechnung kam man nicht mehr als
50. teutsche Meilen oder 335. rußische Werte von Käfcht bis
2Balfrufch rechnen. Die ersten Tage verstrichen mit den ge-
wöhnlichen Bewillkommungs-Visiten, die in Perfien deswegen
beschwehrlich sind, weil ein Vornehmer, wann er einen besucht,
gewöhnlich eine solche Menge Volks mit sich bringt, daß der
ganze Hof davon wimmelt.
" Am 16ten dieses Monaths begegnete mir ein trauri-
ger Zufall. Der Feldscheerer meines Commando, Juwan
Ignatjew, starb an demselben, nachdem er nur drei Tage an
einem faulendem Symochus krank gelegen hatte. Er war ein
überaus gesitteter, filler, williger und frommer Jüngling, des
fen Seele viel zu edel dachte, als daß sie nur den geringsten
… von meiner Gesellschaft, jemalen mit einem Wort zu beleidigen“
K k k 2 fähig
454 A, H „Fe
Von den
Beherr-
fchers in
Mafande-
ran feit
Nadir
Schach.
fähig gewesen wäre. Seine ihm eigentlich auferlegte Pflichten
verrichtete er mit allem möglichen Fleiß; ich verlohr aber noch
mehr an ihn. Da es sich nicht anders thun ließ, als daß ich
zu verschiedenen Zeiten meine Gesellschaft in zween und mehrern
Theile absondern mußte, so ließ ich den Verstorbenen die Kunst
Vögel und Thiere auszustopfen forgfältig erlernen, damit ich
mich in diesem Stück feiner auf der Mafanderanischen Reife be-
fonders bedienen, und den wirklichen Expeditions-Ausstopfer
Michael Kotoff, mit einem Jäger versehen, zur Zubereitung
der Seevögel nach Enzelli verschicken könnte; fo aber machte
das Verhängniß einen Strich durch meine Rechnung,
Zu Nadir Schachs Zeiten regierte Hadschi Mamed
Chan in Masanderan: als ihm der König nachhero die Augen
ausstechen laffen, wurde Mirsa Alikger in feine Stelle gesetzt.
Unter der Regierung Adil Schachs und Ibrahim Chans
regierte Muhum Chan. Dieser wurde gleich nach Ibrahim
Chans Tode, den der geblendete Schachroch besorgte, von
Mahumed Haffan Chan, (deffen Hr. Hanway in feiner
Reisebeschreibung mehrmalen erwehnt, und der zu einer Zeit
noch den Tittel eines Begs, welches so viel als im Rußischen
ein Knäs bedeutet, führte ) plötzlich überfallen, bey Sari zu
einer Schlacht aufgeordert, allwo Muhum Chan den Kürze-
fen zog, indem er gänzlich überwunden und darauf von Ma-
humed Haffan Chan lebendig verbrannt worden.
Mahumed Hassan Chan war ein Sohn des Fetch
Ali Chan, mit dem Beynahmen, Radfchaar“ genannt, den
alle Afrabader führen. Hamway, der, als ein Engelländer,
meistens in der Schreibart persischer Nahmen unglücklich ist,
fchreibt Chazar, welches aber falsch ist. Fetch Ali Chan war
zu Schach Thämas Zeiten Feldherr über die persische Armee,
der Gegenstand von der Eifersucht des Radirs, als seines Co-
legen, und endlich das Opfer feines herrschsüchtigen, boshafti-
gen und blutdürstigen Gemüths. Sein Sohn Mahumed Hass
fan Chan, der in Ibrahims Untergang nicht willigen wollte,
flüchtete sich während dieses Zeitraums vom Tode des Adils
und Ibrahims nach seiner Vaterstadt Astrabad, und :
L . . . ."
•-A, - „F- 455
sich von feinen Landesleuthen einen Anhang. Nach Ibrahims
Tode bemächtigte er sich Muhums und feines Heers, und
nahm beim Anfang des Perfischen Interregnums von der Pro-
vinz Masander an Besitz, lebte 4. bis 5. Jahre ganz ruhig in
derselben, gieng darauf nach Gilan, bestellte einen feiner vor-
nehmsten Räthe Mahumed Chan Radfchaar fo lange zum
Stadthalter ( Naip ) in Masander an, nahm die ganze Pro-
vinz Gilan ein, setzte Hadschi Schamal zum Befehlshaber
darüber und kam wieder nach feiner Residenz zurück (*).
Inzwischen fchwung fich Kerim Chan empor, und wurde
mächtig. Er hatte schon Gilan fammt andern Provinzen unter
feine Bothmäßigkeit gebracht, und bemeisterte fich nunmehr
fchon der Provinz Masander an. Mahumed Haffan Chan
fah fich genöthiget, durch die Flucht feine Sicherheit zu fuchen,
und begab sich nach Afrabad. Kerim Chan verfolgte densel-
ben, als Serdar Chan auf einmal neue Hülfs-Truppen er-
hielte, und sich dadurch im Stand befand aufs neue etwas mit
Kerim Chan zu wagen. Sie traffen fich in einer zu Choro-
fan gerechneten Stadt, welche vier Tagereisen von Afrabat
entlegen ist, lieferten einander ein blutiges Treffen, worinnen
Kerim Chan nicht nur gänzlich überwunden, fondern auch
feines Harems fammt aller Bagage beraubt und in die Flucht
geschlagen wurde. Diese Begebenheit fällt in das Jahr 1757;
Kerim Chan retirirte sich nach Taefiran, und, als er fich auch
daselbst in gefährlichen Umständen zu feyn glaubte, nach Schi-
ras. Auf dieses begab sich Mahumed Haffan Chan abermal
nach Masander an, und stolz auf feinen rühmlichst erhaltenen
Sieg, nahm er denjenigen Posten wieder an, den er zuvor be-
kleidet hatte. Er brachte auch wieder die Provinz Gilan unter
feinen Gehorsam: Kaum aber war er wieder in diese Umstände
gekommen, so ließ das Afchanische Oberhaupt, Achmed, dem
- K k k 3 nunmehro
. (*) Er wird sonsten auch Serdarchan genannt; Serdar aber
- " bedeutet fo viel als ein Heerführer von 10000. Mann. So
war es zu Schachischen Zeiten: jetzo bekommen auch Heer-
führer von 5000, diesen Tittel. - - - - - - - - - -
- - - - -
- - - -
45 A, + „F-
mehro Kirim Chan die Provinz Chorasan zur Beherrschung
abgetreten hat, ein Kriegsheer gegen die Mafanderanische Gren-
gen von Mesched ausmarschiren; aber Mahumed Haffan Chan
jagte solches in kurzer Zeit auseinander. Hierauf verfischte der
aus diesem Tageregister schon berüchtigte Asad Chan fein Glück
wieder Serdar zu wagen. Er wollte über die Gebürge einen
Einfall in Masander an ihun: Mahumed Hassan Chan er
fuhr es aber noch zu rechter Zeit, und konnte sich ihm just da
entgegen. (fetzen, wo Asad keine Gegenwehr vermuthete. Er ver-
jagte ihn also glücklich und zog im Triumph nach Masanderan
zurück. Als Asad Chan sahe, daß es ihm mit Masandaran
nicht gelingen wollte, gieng er nach Gilan, und nahm diese
Provinz ein; er wurde aber fogleich wieder aus derselben, als es
Mahumed Haffan Chan erfuhr, vertrieben, und genöthiger,
sich nach Tawris zu flüchten. Mahumed Haffan Chan begab
sich hierauf über Kaswin nach Ispahan, überfiel daselbst Ke-
rin Chan, verjagte denselben nach Schiraß, nahm Ispahan
ein, zog von da nach Tawris, allwo er den Afad Chan ver-
trieb, die Stadt und die benachbarte Städte unter feine Both-
mäßigkeit brachte, und fich darauf wieder nach Ispahan zu-
mück zog, nachdem er den zuvor mit ihm vereinigten Kumelski
fchen Fetch Ali Chan mit einem Kriegsheer zur Besatzung
in Tawris zurückgelaffen hatte, wie solches alles in der Geschichte
Afad Chans mit mehrerem erzehlt worden. Die Absicht Mahu-
med. Haffan Chans mit feiner Zurückkehr nach Ispahan war,
daß er Kerim Chan und feinem Heer den letzten Stoß bey-
beybwingen möchte. Es würde ihm auch allem Ansehen nach
gelungen haben, wann sich nicht folgender Umfand zugetragen
itte. Mahummond Haffan Chan hatte viele Usbeker und
“ unter seiner Armee, die noch in der Nacht vor dem
Tag, an welchem Kerim Chan zu Schiraß überfallen werden
folte, aus einer unbekannten Ursache mit den Perfern ein Com-
ploe machten, und sich insgesammt auf die Flucht begaben.
Mahumed Haffan Chan fahe sich durch diesen Zufall von
aller Hülffe entblößt, und sein Vorhaben auszuführen unfähig:
es blieb ihm auch weiter nichts übrig, als fich in aller Eilüber
Afrabad nach Mafanderan zurückzubegeben, Kerim Chan
erfuhr diese Umstände nicht so bald, als er unter der Anführung
*-
-
* <A, - „F- 457
eines weitläufigen Anverwandten, Nahmens Schich Ali Cham ein
Kriegsheer von. 4000. Mann nach Mafander an fähickte, um
Mahumed Haffan Chan plötzlich zu überfallen: dieser aber
fah diesen Fall zum voraus, und versperrte alle Eingänge in
die Provinz, daß Kerims Soldaten nirgends nach Masande
van durchkommen konnten, bis endlich der gegenwärtig regierende
Mahumed Chan, der dazumal die Stelle eines Starosten in
einem fehr festen, anf den Gebürgen gelegenen Dorf Sawatku
verfahe (*), dem Kerim Chan einen Vorschlag hat, daß, wo
ferne er ihm verspreche ihm mit der Zeit zur Chanschaft in Ma-
fanderanzn verhelffen, er feinen Kriegsvolck einen geheimen
Weg über die Gebürge weisen wollte, durch welchen daffelbefehr
leicht nach Masanderan gelangen könnte. Kerim Chan sagte
zu allem ja, was er verlangte, und Muhamed Chan zeigte
Schich Ali Chan einen verborgenen Weg über die Gebürge
nach Masander an. Da überfiel letzterer Mahnmed Haffan
Chan, und nachdem sie einander einige Treffen geliefert hatten,
wurde Mahumed Haffan Chan gänzlich überwunden, nach
Afrabad zu flüchten genöthiget, und, wie er sich - umterwegs
unweit Aschraff aus einem morastigen Graben, in welchem er mit
feinem Pferde gestürzt war, nicht mehr heraushelfen konnte, von
dem Sohn feines Schwagers, der ihn mit einiger Mannschaft
verfolgte, getödtet, nachdem er von 1750. bis 1762, die Herr
fchaft über Mafanderan geführt, und durchaus das Lob eines
Helden und rechtschaffenen Mannes erworben hatte. Fünf Söhne
blieben nach feinem Tode übrig. Zween von denselben, Aga"
Mamed Chan und Ria Ugli Chan halten fich in Schiraß
bey Kerim Chan Vekil als Geiffel auf, die übrigen drei le-
ben in der Nachbarschaft von Astrabad, Uffein Kult Chan
memlich in der Landschaft Demgan und Murrufa Kuli Chan
mit feinem Bruder Mustapha Chann in "der landschaft Kur-
demhalla. Diese Distriete find ihnen von ihrem Vater nach-
geblieben; fie erweitern dieselbe nicht nur, so gut sie '“
- - ondern
Den von der - - w, ein
“- - ' Vater, der “
458 «A, H. „F-
fondern ihr Anhang vermehrt fich auch von Tag zu Tage, fo
daß zu vermuthen steht, sie werden bei einer über kurz oder
lang sich ereignenden Gelegenheit ihre Hände nicht in den Schooß
legen, fondern wahrscheinlich sowohl den Tod ihres Vaters zu
rächen, als das ihnen vermöge der gegewärtigen Verfaffung
Perfiens angediehene Recht zu regieren wieder hervorzubringen
fuchen. Eben da ich dieses schreibe, läuft die Nachricht ein,
daß Kerim Chan Vekil den Murtua Kuli zum Chan über
die Provinz Astrabad erklärt habe. Er hatte die Stadt schon
einige mal im Besitz, er fing auch schon an Festungen gegen
Masanderan anzulegen, worüber Mahumed Chan gar nicht
gut zu sprechen war, und vermuthlich geschahe es aus der Ur-
fache, daß ihm Kerim Chan die Herrschaft über Astrabad noch
niemalen bewilligen wollte, nun aber hat er sich bereden laffen,
und den Unzufriedenen einen Weg eröfnet, der bald zu weiterm
Gelegenheit geben kan (*). UNurtua Kuli Chan hat sich schon
vor einiger Zeit eines Oheims, der bei dem Mord feines Bru-
ders mit im Spiel gewesen seyn foll, bemeistert, ihn aus UNu-
enkent, wo er sich aufhielt, vertrieben, und sich diesen in der
Nachbarschaft Afrabads gelegenenen Landes-Strich zugeeignet.
So bald nun Kerim Chan feinen Haupt- Feind tod
wußte, dann Alfad Chan war fchon unwürcksam, so bald wuchß
auch fein Muth, und im Jahr 1762. nahm er, wie wir schon
erzählt haben, die Würde eines Ober Chans an; Nadirchansent
folgte auf Mahumed Haffan Chan in der Beherrschung Mla-
anderans, aber nach Verfluß von sechs Monathen t:
- diefe
(*) Als ich aus Persien im Hornung des Jahrs 1772. meine
Zurückreise nach Astrachan antrat, erfuhr man, daß Mur-
tufa ZRuli Chan feine heimliche Absichten immer weiter
äuffert. Er drang sich dazumal in die Grenzen von Ma-
fanderan ein, und nöthigte Mahumed Chan zu feiner
Sicherheit nach Sari zu gehen. Er nahm darauf Uschraf
weg, und bedrohte den Chan, ihm auch in Sari feine
Aufwartung zu machen, wann er ihm diesen Orth nicht
gutwillig abzutreten gedächte. So ernstlich ist er gesonnen
das Blut seines Vaters zu rächen.
R, - „R> 459
dieser eine andere Stelle, und Mahumed Chan erhielt, dem
Versprechen zufolge, des andern feine, anfänglich zwar, daß
ihm ein Serdar Alichan als Gehülffe beigesetzt wurde, der
aber bald darauf wieder feine Entlaffung erhielt.
Mahumed Chan regiert gegenwärtig etwas über 8. Mahumer
Jahre. Er hat noch drei Brüder am Leben, von welchen der-ban-
jenige, der ihn am Alter übertrif, Alasker Beg heißt, der an-
dere, der nach ihm im Alter folger, den Nahmen Dschand-
fchani Beg führt, und der dritte Alinagi Chan genennt wird.
Die beiden ersten halten sich beständig bei ihrem Bruder in
Mafänderan auf, und der letzte lebt als Geisel bey Kerim
Chan. Auffer diesen drei Brüdern hat er noch fehr viele An-
verwandten, die ihm seine vielfältige Ehen verschaft haben. Er
ist etwa 54. Jahr alt. In seiner Regierung verfährt er sehr
freng, und feine Unterthanen sind mit ihm durchaus nicht zu
frieden. Dann er belegt fie fowohl mit groffen Abgaben, als
auch, welches sie zu gewissen Zeiten empfindlicher angreift, mit
fchwehren Arbeiten. Seine bewaffnete Mannschaft besteht aus
6000. Mann, die aber keinen Sold, sondern nur Proviant be-
kommen, wann sie wirkliche Dienste thun. Seine Einkünfte,
die meistens in baarem Gelde bestehen, belauffen sich jährlich
auf 1. Million; die Ausgaben hingegen auf nicht mehr als
600000. Rubel. Er fucht fein Vergnügen hauptsächlich in
Pferden. Er ist mit 7. Frauen ordentlicher Weise angetraut,
von welchen 3. Söhne vorhanden sind. Der älteste ist 23.
Jahre alt, und verehliger: Der mittelste 7. und der jüngste 2.
Jahr. Auch hat er eine Tochter von 5. Jahren, die aber ohne
Verstand feyn foll. Sein Hofstaat ist gar nicht ansehlich, we-
nigstens kam er mir, der ich binnen einigen Monathen der
Räschtischen gewohnt war, geringschätzig vor. Der Geiz des
Chans ist unersättlich. . Er schindet nicht nur feine eigene Unter-
ehanen, sondern auch alle Fremde, die in fein Gebieth kommen,
gehen mißvergnügt heraus. Schiffe, die auf der hiesigen Rheede
Ancker werffen, um Waaren abzusetzen, und gegen andere zu
vertauschen, müffen immer lange warten, bis sie zu Geld oder
Produkten gelangen; und nach langem Warten hält man doch
fein Versprechen nicht, ungeachtet der Fremde Geschencke über
* - Dritter Theil. K. l Ge-
460 *. - -
Die Di-
frikte der
Provinz
-
Gefchencke anbiethen muß, um sich nur loß zu machen. Wie
kam es anders feyn? der Chan ist General-Kaufmann, einige
betrügerische Mäkler zeigen ihm alles an, was da ist. Auf
den Nahmen und Credit des Chans erborgen fey das anständige;
will endlich der Verkäuffer nun auch befriediget werden, wo soll
er sein Recht fuchen ? zu Serdar Chans Zeiten war Mafan-
deran eine Schatzgrube für die Rußische Kaufleuthe; die Arme-
nier befanden sich dazumal auch noch in befern Umständen; und
unten werde ich zeigen, daß Mafanderan diejenige Provinz an
der Caspischen See fey, die bey einem mit mehrerm Nachdruck
zu erreichenden Commerz-Wesen hauptsächlich in Betracht gezo-
gen werden müffe.
Sechs kleinere Chane stehen unter dem Mahumed Chan,
die gleichfalls von Kerim Chan eingesetzt find, und auch jähr-
lich von demselben Besoldung bekommen. Ein jeder von diesen
ist einem gewissen Distrikt in der Provinz vorgesetzt, und feine
Verrichtung besteht darinnen, daß er die Abgaben aus feinem
Distrikt alle Jahr einsammle, und fiel dem Chan überliefere. Er
ist also ungefähr fo viel, als ein Ober-Starost. In Kriegs-
„zeiten müffen sie alle aufsitzen.
Die Provinz Mafanderan wird in 13. Distrikte eing-
theilt. Hier find fie, so wie fiel von Tenkabun an bis an die
#". Astrabadische Grenzen einander in ihrer Lage folgen.
"QM.
-
1) Kerafarach. Dieser fängt sich bei Tenkabun an unb
endiget sich bei dem folgenden Distrikt. Er begreift also fowohl
plattes Land, als auch einen Theil der Gebürge in sich. Auf
dem platten Lande beschäftigen sich die Einwohner mit dem Sei-
den, - Reiß und - Zuckerbau, und auf den Gebürgen baut man
Waizen und Gersten und treibt die Viehzucht.
2) Rudfähur. Dieser hat eben eine solche Lage und
Beschaffenheit als die vorige, bringt auch ähnliche Produkten
hervor.
- 3) Nur. Dieser fängt sich bei dem vorigen an, nimmt
einen kleinen Strich platten Landes ein, schlägt sich hernach
te
A, H. „Fs 46r
die Gebürge, verfolgt dieselbe in die Länge und Breite bis an den
Lardschanischen Distrikt, und wie also hauptsächlich die Ge-
bürge den größten Theil desselben ausmachen, so ist Eisen und
Gersten sein Haupt-Produkt. Auch wird die Viezucht fehr
farck getrieben. Auf dem platten Lande zieht man Seide, Reiß
und Zucker in ganz geringer Menge.
4) Amul. Dieser Distrikt fängt bey demjenigen Land
an, wo das platte Land von UNur aufhört, endiget sich bey.
25alfruch, besteht aus lauter platten Lande, bringt am meisten,
Baumwolle, und neben dieser auch Zucker und Reiß in ziemli-
cher Menge hervor.
5) Lardfchan. Fängt da an, wo der bergige Theil
von UNur aufhört, und verfolgt das Gebürge bis Pendupei.
Sein Haupt-Produkt ist Kaßia, Galbanum, und hiernächst
Gerfen und Waizen.
6) Pendupei besteht aus lauter Gebürgen, die von
Lardfhan bis zum folgenden Distrikt lauffen, und Eisen, Wai-
zen und Gersten hervorbringen.
7 Sawatku. Besteht wieder aus lauter Gebürgen,
endiget sich an beiden folgenden Distrikten, und bringt Waizen
und Gersten in Menge hervor. Hier ist die beste Viehzucht in
der ganzen Provinz, und hier hat auch der Chan feine Stutte-
reyen.
g) Afarfcherib. Nimmt die Gebürge vom vorigen Di-
strikt bis Aschraff ein, bringt Waizen und Gersten hervor, und
die Viehzucht wird auch in derselben starck getrieben.
- 9) 23alfusch. Dieser Distrikt nimmt lauter plattes
Land ein, fängt da an, wo der Amulische aufhört, und Alia-
bat ist ein Ende. Seine Produkten find Reiß, Baumwolle,
Zucker und Seide.
10) Aliabat, Fängt am Ende des vorigen an, und
endiget sich bei dem Anfang des folgenden. Er besteht aus
- K. l | 2 lauter
---
- 462 - <SA, M „Fs
/
lauter flachem Lande, und hat durchaus ähnliche Produkte mit
demselben. ---
ri) Sari Fängt bey dem vorigen an, und endiger fich
bey dem folgenden. Er begreift lauter plattes Land in sich, und
bringt Reiß, Baumwolle nnd Seide hervor.
2) Farabat. Fängt bey dem Ende des vorigen an,
und endiget fich bey dem folgenden. Er besteht aus lauter plattem
Lande, und brachte ehmals eben diejenige Produkten hervor, die
der vorige liefert.
13) Aschraff. Fängt am Ende des vorigen an, und
endiget sich bei der Astrabatischen Gränze. Er besteht fowohl
aus plattem Lande, als auch einem Theil der Gebürge. Ehmals
brachte er die meiste Seide, wie auch Reiß, Zucker und Baum
wolle und allerley Früchte hervor.
Von dieser so viel als möglich mit Fleiß gefammleten
Nachricht der Distrikte, ist unmöglich zu bestimmen, wie viel
ein jeder Agatschen in feinem Umfang nach der Länge und Breite
habe, dann die Agatschen sind willkürlich, und werden nicht ge-
meffen. Ich habe einen Versuch damit gemacht, aber nach dem
felben muß man aus Hauptdistrikten kleine Distrikte, aus die
en Agatschen, und aus dem Agatschen Werte machen. Man
nehme ungefähr, welches die zuverläßigte Rechnung ist, an, es
sey von Räscht aus bis Aschraff 340. Rußische Werfte, La-
hidschan, Säkalarut und Tenkabun mit eingerechnet, fb hat
man die Länge von allen Masanderanischen Distrikten längst der
See, von Aschraff bis zur Gränze Kolebawd kan man noch
25. Werte rechnen. In Samachie ist es Mode, eine Agatsch
zu nennen, fo, weit zween gefunde Männer einander hören
können, wann fiel einander zuruffen. Hier besteht die Bestim-
mung des Raums in einer bloffen guten Meinung, bei welcher
es aber vom Großvater bis zum spätesten. Enckel verbleibt.
Wo ist aber hierinnen was gewisses zu finden? Oefters erlebt
man es kaum, bis man eine angegebene Agadisch erreicht, und
öffters glaubt man erst eine halbe zurück gelegt zu haben, wann
man der Sage nach, schou eine ganze zurückgelegt hat,
-
•A, „s- 463
Auf dem platten Land der Distrikte wird auch die be.
rühmte Kuntschut-Pflanze häufig angebaut. Ich werde von
derselben und dem vortrefflichen Oehl, so man von ihr erhält,
an einem andern Orth ausführlich handeln, dann ich wünschte
gar sehr, daß ihr Nutzen allgemeiner würde. -
Balfusch ist, ich weiß nicht auf was Art zu der Ehre
gekommen, die Hauptstadt der ganzen Provinz Masanderan ab
zugeben. Wann man mich dabei zu rath gezogen hätte, fo-
würde ich Amul wegen seines Alterthums und feiner anmuthi-
gen Lage weit vorgezogen haben. Balfruch liegt in einer ab-
gefonderten Einöde, ganz eben, hat schlechte, ganz schlechte, und
einige wenige gute Häuser, davon die allermeisten mit Stroh,
und nur der Vernehmen ihre mit Dachpfannen bedekt find. Die
Straffen sind durchaus ungepflastert, und der Koch daher bey
kurz anhaltendem Regenwetter äußerst beschwehrlich: es hat weder
Thore noch Wall noch Mauren; auch zeigen die Uberbleibsel,
daß die Stelle, auf welcher Balfrufh erbaut ist, ein ausge-
hauener Wald gewesen fey: Indeffen ist der Orch etwas größ
fer als Räscht; die vorigen Umstände aber kommen mit der
Würde einer Stadt, geschweige einer Hauptstadt, nicht überein.
Bafusch wird in 17. Sloboden eingeheilt. Hier sind
die Nahmen derselben:
1) Sermeidan Mafala.
2) Schaharbaf M.
3) Gurdschi M.
4) Rutger M.
5) Aschuch M.
6) Sager M.
7) Sereman M.
F Afrfurufchum M.
9) Seidschulal M.
10) Uefchawun M.
11) Negebekela M.
12) Chaldar M.
13) Tochterbun s
-
4)
l 3
464 •, „r-
I4) Kefs Kurkula Masala.
15) Piekula M.
16) Merfegerda M.
17) Siabak M.
Karawan-Sarais rechnet man 8., und diese heiffen:
1) Seibfar Meidan K.
2) Schach K.
3) Timische Pufchtiamam K.
4) Manned Chan Mifai K.
5) Puschti Schufde K.
6) Dudar K.
7) Tinsche Sargchana K.
8) MIultani K.
Man merkt von diesen Karawan - Sarais an, daß die
Ruffen und Armenier, wann welche hier find, in dem vierten
bis zum achten ihre Wohnung haben, da fich hingegen in den
drey ersteren nur allein Perfer aufhalten.
Mescheiten giebt es allhier sechs:
1) Dfhinna Mescher.
2) Kafimbegi M.
3) Mulla Nasir M.
4) Tschola M.
5) Afir Bafu.
6) Serfer M.
Tekia find neunzehn: - - -
1) Seibfa Meidan Tekia,
2) Schachfeni T.
3) Biffa T. -
4) Myra Aga T.
5) Schufde T.
6) Dar Mesched T.
7) MIulla Schaffara T.
-
8)
•A, P. „Ro 465
8) Bagiri Mafir Tekia.
9) Saramum T.
10) Darcha Müratbuk T.
11) Aga Sait Ralentar T.
12) Said Schelar T.
13) Sarar Mahala T.
14) Nichibi Kulu T.
15) Amsguna T.
16) Afir Baffin T.
17) Uschu Bant T.
18) Scharfthanpifth T.
19) Kuffabukule T.
Badstuben zählt man in der Stadt fiebene
1) Hamam Seibfa Meida.
2) – Schach.
3) – Mamed Chan MTiffa.
4) – Serfer.
5) – Galich.
6) – Rafim Begi und
7) – UNIufthaban.
Mahumed Chan ist der Garant der Mafänderani-
fchen Gränze. Die unaufhörliche Streiffereyen der räuberischen
Truchmener, deren wilde und in viele Theile abgesonderte Horde
sich von Astrabad aus bis nach Chiva oftlich erstrecket, haben
fowohl in vergangenen, als ganz neueren Zeiten auch die west-
liche Küste der Caspischen See häufig beunruhiget: besonders
aber find in dem Perfischen Interregno vom Jahr 1749. bis
1762. da in diesen Gegenden für jedermann alle Wege offen
funden, indem sich dieses Volck theils felbst zu gute that, was
es sich zu gute thun konnte, oder indem es bald diesem bald
jenem Rebellen mit Mannschaft beyfund, je nachdem es feinen
Vortheil, darunter zu ersehen glaubte, in diesem Perfischen In-
terregno, fage ich, sind durch die Truchmener solche Gewaltthä-
tigkeiten verübt werden, daß die Gegend von Aliabad aus, bis
Aschraff gänzlich verheert worden. Nach der zum Schein '
gestellten Ruhe war man auch darauf bedacht, diesem e“
inhalt
466 A, H „F-
Die Ma-
fanderani-
fche Linie.
Einhalt zu thun. Kerim Chan Vekil trug bem Masanderani-
fchen Mahumed Chan auf, an der Astrabadischen Gränze
von der See an bis zu den Gebürgen eine Linie in die Breite
zu ziehen, und diese Linie mit Recognofirungs-Festungen zu
besetzen, welche den Truchmenern, die nicht mit zulänglichen
Päffen versehen wären, den Durchgang nach Masander an ver-
sperren follten. Dieses ist auch wirklich ins Werck gerichtet
worden, und die Festungen, deren 9. find, nehmen vom Ufer
bis am Fuß der Gebürge vier Agadfchen in einer Linie ein.
Hier find ihre Nahmen, so wie sie in der Reihe auf einander
folgen. -
1) Farabad Singeri hat Besatzung 200. Mann.
2) Schebergerut S. – – 800.
3) Tambetfchule S.
- - OO, -
4) NTTurli S, *--- - ' -
5) Arabs S. - - 300. -
6) Geranli S. – – 50. –
7) Koert S. – - 2oo, -
8) Sari S. – – 500. –
9) Lardschan S. – – 500. –
Alle diese Festungen haben gute ringsum von Erden auf
gethürmte Wälle, sind bei ihrem Anfang und Ende mit Tho-
ren versehen, und bestehen fonsten aus einer oder mehrern in die
Länge gezogenen Straffen, die auch wohl durch Quer-Gänge
durchschnitten werden, worinnen die Soldaten wohnen. Bey dem
Eingang in die Festungen von der friedfertigen Seite fins
Wachhäuser angebracht. Will man sich Tschernojar vorstellen,
fo hat man einen richtigen Begriff von diesen Festungen, die
bald gröffer, bald kleiner find, dann fiel scheinen mir alle nach
diesem Geschmack angelegt zu feyn.
Die Recognofirungs-Festung Farabad giebt mir zu
einer Anmerkung Gelegenheit, die wegen der Identität der Nah-
men einer möglichen Confusion vorbeugen kam. Es ist aus den
vortrefflichen Sammlungen Rußischer Geschichte bekannt, daß
Herr Soimonow die Nahmen Farabad und Afrabad mit
einander unschiklich vermengt hat. Der scharfinnige Herr Colle-
- - Sien-
«A, § „F- 457
glen-Rath Müller, den man in der Asiatischen Geschichte,
infofern fiel nur den geringsten Einfluß auf die Rußische hat,
gewiß nicht fo leicht betriegen kam, fah den Fehler, welchen
Herr Soimonow vermuthlich unwiffend und nur übelberichtet
gemacht hatte, vollkommen ein, und bewies daß Farabad und
Afrabad zwei verschiedene Orche feyn. Jarabad liegt süd-
westlich zwischen Sari und Aschraff, kaum eine halbe Wert
von der See, 7. Agadischen von Balfruch, aber nur 3. diffits -
dieser Stadt von Aschraff. Dieser Orth ist von Schach Abas
erbaut worden. Vor 25. Jahren haben ihn die Turkomannen
gänzlich verheert, und erst 2. Jahre find es, daß sich wieder
ungefähr 100. Familien daselbst niedergelaffen haben; um den
Orth wieder anzubauen. Die jetzige Festung Farabad ist 1.
Agatsch von diesem alten Farabad, von welchem hier die Rede
ist, entlegen und mit den andern Festungen zu gleicher Zeit
vor 9. Jahren angelegt worden. Was Afrabad fey und wo
es liege, das kan ich, nach fo vielen Berichten, die man in den
Reisebeschreibungen davon findet, mit gutem Grund übergehen. .
M3af anderan hat wegen seiner vortrefflichen Produkten,
die überall gesucht werden, von jeher eine gute Handlungs-Pro- Der Ma
vinz abgegeben; und erst seit einigen Jahren ist fiel diesfalls in ä
Abnahme gerathen, woran jedoch nicht die Provinz, als Pro- fche Hande
vinz, sondern die darinnen wohnende Regierung schuld hat. Die
Baumwolle ist eine Waare, die fast nicht weniger, als Seide
gesucht wird; und dieser bringt das Land so häufig hervor, daß
man hier das Rußische Pud für 2. Rubel verkauft. Seide ,
wird gleichwohl auch gebaut, und davon könnten noch mehrere
Plantagen angelegt werden, wann man wollte. An Reiß ist ein
fo erstaunlicher Ueberfluß, daß man das Kataar ( 1. Pud
Rußisch ) für 30. Cop. bekommen kan. Alle persianische und
indianische Waaren find hier wolfeiler als in Räscht; alle Gat-
tungen getrokneter Früchte, als Pistazien, Mandeln, Schafdala,
( eine Gattung Pfirschen ) Alibuchari, Kaiffi, ( Arten von ,
Pflaumen ) Kischmilch, ( getroknete Weinbeeren ) u. f. w.fehr
viele Apotheker-Materialien und Spezereyen bekommt man hier
für Spottpreise. Dagegen werden europäische Waaren, als Wol-
lenzeuge, Cochenille, Indigo, Sammte, Goldstücke, Juchten,
Dritter Theil, M m m " Pferde- ,
458 • A, M „F-
Pferdehäute, u. d. m. begierigst gesucht und mit Vortheil ab-
gefzt. " An Kaufleuthen aus dem innern Persien fehlt es hier
wirklich nicht. Aus Kafchan bringt man jährlich Goldstücke,
feidene, wollene und baumwollene Bäffe, und allerley schönes
Seidenzeug. Aus Jeds erhält man eben diese Waaren. Ifpa-
han liefert Zucker, Confekt, Bettdecken, Cottun und verschie-
dene feidene und baumwollene Fabriken - Produkten. Aus Schi-
raß kommen Schaaf-Felle, Wein- Syrup, Kischmilch, Car-
damom, Zimmt, Ingwer, Pfeffer, und andere Gewürze, lau-
ter folche Sachen, die entweder ihren Cours über Bender Abaffa
nehmen, oder über Indien kommen. Von daher erhält man
auch indianische Zitze, Bettdecken, Kammertuch, Bäffe, Apo- .
theker-Materialien, und mit einem Wort alle indianische Waa-
ren. Aus Chorafan bringt man Anis, Kümmel und allerley
Edelgesteine; aus Tawris allerley feidene und baumwollene Zeuge,
besonderes Kutna und Atlas; aus Hamadan Wein, den die
Juden und Armenier, wie auch einige wenige Perfer kauffen;
aus Simeram Cottum, Bäß , Burmet und fonten allerley
baumwollene Zeuge, alle Gattungen von trocknen Früchten und
Tobak; aus Kum schöne Seiffe; aus Tegran feines weißes
Mehl und Früchte; und endlich aus Waramin das beste Kun-
tschut-Oehl. Alle diese Carawanen hingegen nehmen von hier-
aus Seide, Baumwolle, rohes und verarbeitetes Eifen, wie auch
allerley baumwollene Zeuge mit sich. Europäische Kaufleuthe
stellen sich dünner ein: dann man kan schon aus dem vorher-
gehenden merken, wie fauer man ihnen das Leben zu machen
pflege, daß ihnen noch wendig die Lust vergehen muß, ihren Vor-
theil hier zu suchen. Die Perfer fürchten sich für sich selbsten,
dann fo lange noch die unter der Asche lodernde Flamme nicht
ausbricht, tragen fiel bedencken, fich unter einander Gewalt an-
zuthun, oder fich einander zu beleidigen; nicht zwar ohne alle
Ausnahme; dann wo ein an Kräften überlegener Theil nur eini-
ger Maffen glauben kan, er könne mit Sicherheit unbillig ver-
fahren, so wird er, um es zu thun, keine Gelegenheit versäu-
men, wann es auch tausendmal ein Perfer ist, der feine Unge-
rechtigkeit erdulden muß: wenigstens denkt Mahumed Chans
Herz in diesem Stück mahumedanisch genung: aber fonten und
insgemein pflegt man sich doch in acht zu nehmen; dann '
- - - - MP
A 4 „So 459
- - -
wiedrigem Fall hat man doch Klagen zu befürchten, die vor,
Rerin Chan kommen könnten, und wie es kein Mensch gerne
hat, wann er verklagt wird, fo liebt man es auch in Persien
nicht, besonders wann es an einem guten Gewissen mangelt.
Dies fällt hingegen bei ausländischen Kaufleuthen gänzlich hin-
weg; dahero müffen fie vorzüglich Haare laffen, dann gleichwie
fie fich für erlittenes Unrecht nicht wohl rächen können, also
vermögen sie auch nicht den Ungerechtigkeiten, die sie erdulden,
würksame Mittel entgegen zu setzen. Das hindert aber meines
erachtens nicht die Provinz Masanderan als eine folche zu be-
trachten, die fehr vortheilhaft für die Handlung ist, und die
man nicht mit gleichgültigen Augen ansehen darf, wann man
den ganzen Nutzen von der westlichen Seite des Caspischen Meer
res ziehen wollte. Die Produkten, die dieser Landstrich liefert,
bleiben immer dieselben. Wann eine Handlungs-Gesellschaft
festgesetzt ist, so darf sie für solchen Gewaltthätigkeiten nicht
bange feyn, welche Privat-Personen über fich ergehen laffen
müffen. Wer kan sie zwingen, ihre Waren ohne baares Geld
zu verkaufen, oder ohne sie unverzüglich gegen Waaren zu ver-
tauschen? Eine in Meschedizäre angelegte Factorey, bei welcher
fich alle mit der Maianderanischen Handlung verbundene Perfo-
nen aufhalten müßten, wäre hinlänglich, allen Verdrüßlichkeit
ten vorzubeugen, vorausgesetzt, wie fich leicht begreiffen läßt,
daß das Handlungs-Geschäfte tractatenmäßig eingerichtet feyn
müste: dann freilich würden bei den jetzigen Umständen zu ei-
nem Rußischen Commerz nach Masanderan die letzte Friedens-
Tractate mit Persien nicht gänzlich hinreichend feyn, ein neuer
Vergleich aber nur in Rücksicht dieser Provinz möchte wohl uns
verzüglich feine Richtigkeit bekommen, dann man kennt hier die
Vortheile, die der Handel hier einbringt; und man glaube ihn
durch Ränke zu vergrößern, denen aber die Factorey begegnen
müßte. Wie leicht aber ist nicht eine Veränderung in Persien
möglich. Und, wann sie statt hat, kan man nicht ebenfoleicht
eine beffre erwarten, als den alten oder noch einen schlimmern
Zustand befürchten?
Die Provinz Masanderan ist der Schlüssel zu den in-
nern Perfien. Vermuthlich ist es Rußland nicht gleichgültig,
- - M m m 2 einen
463 •F, § „F-
Aliabad.
einen Weg zu wissen, durch welchen man auf das beste und
ficherste zu einer gewissen Kenntniß von der politischen Beschaft
fenheit des innern Persiens gelangen kan. Masanderan ist der
Orth, wo man diesfalls gesuchte Nachrichten einziehen kan. Man
verlangt auch in Europa Waaren, die aus dem Mark von Per-
fien und Indien kommen. Will man ihrer Habhaft werden, so
erlaubt es wohl nicht die Sicherheit, sich weiter als nach Mas
fander an zu wagen. Aber hier sind Karawanen mit dergleichen
Waaren so häufig, daß solche fast nicht theurer sind, als da,
wo sie herkommen, und zum vertauschen würden sich Gelegen-
heiten über Gelegenheiten finden.
. Den 15ten September dünkte es mich Zeit zu feyn,
nach der Provinz Afrabad aufzubrechen. Diese Reise ist eine
der anmuthigsten, die man an dem ganzen westlichen Ufer der
Caspischen See machen kam, und die natürliche Vorzüge des
Wegs find vermuthlich in ehmaligen Zeiten die Triebfeder gewe-
fen, daß sich die Kunst in Erhöhung der natürlichen Schön-
heiten so verschwenderisch bewiesen hat. Man reift zwischen den
Gebürgen und dem Ufer, aber fo, daß man von diesem immer
in die Enfernung einiger Meilen bleibt, und jene hingegen
manchmal im Abstand einer einzigen bekommt. Das Feld,
welches den Zwischen- Raum ausmacht, besteht aus einem rings-
umher mit fruchtbaren Aeckern umgebenen Wald, der in der
Mitte in eine perspectivische Allee ausgeschnitten ist, und durch
viele von den Gebürgen herabrollende, das gefundefe Waffer
führende Bäche befeuchtet wird. Der erste Orth, den man von
Balfrufh aus, erreicht, ist Aliabad, der Hauptorth eines ganz
zen Distrikts, der davon feine Benennung hat, 25. Werte von
alfruch entfernt, und mehr wegen feiner Lage und einigen
andern Umständen, als wegen einer ansehlichen Größe berühmt;
dann er besteht nur aus einigen wenigen Häusern und einem
groffen Karawan-Sarai, das den Handelsleuthen zu Liebe vor
ein paar Jahren eine reiche in Aliabad feßhafte Privatperson
hat erbauen laffen. Diesem Orch ein paar Büchsenschüsse weit
gegenüber in Westen fieht man die Ueberbleibsel eines königlichen
Schloffes und Gartens, der zu einem Ausruhplatz dem Schach
Abas auf feinen Reifen in diesen Gegenden gedient hat. Von
Aliabad
«A, P. „F> 46
Aliabad kommt man nach Sari, welcher Orch von dem vo-
rigen ungefähr fo weit, als dieser von Balfrufäh entfernt ist.
Sari ist eine sehr beträchtliche Stadt gewesen, die aber in den Sari.
letzten Verheerungen fast in einen Steinhauffen verwandelt wor-
den, und nur erst seit kurzem das Glück genießt, wieder an-
gebaut zu werden. Sie hatte Thore, einen befestigten Wall
und tüchtige Mauren. Nicht 4., sondern 7. Thürme, die Hr.
Hamway als Geberische ansieht, stellt Sari zur Betrachtung
dar; jedoch find 3. fast gänzlich niedergeriffen; aber ich kanbey
ihnen keines andern Ufprungs gedenken, als bei denen zu Amul.
Die Nahmen derselben find: Phreidun, Jretsch, Salam,
Tur, Schachaifi, Guschtas und Lugras. Die 4. erstern
find diejenige, welche noch in vollkommenem Stande sind, und
die 3. leztere find die verheerte. Von denen jetzt noch stehenden
vieren erzehlt man folgende Geschichte. Phreidun, ein persischer
Schach, welcher vor mehr als 700. Jahren regiert hat, hatte
3. Söhne. Der älteste hieß Salam, der andere Tur und der
jüngste Jretsch. Diesen erklärte er noch bei Lebzeiten zu fei-
nem Nachfolger, welches die Eifersucht der älteren Brüder und
zugleich den Vorfaß in ihnen erregte, Jretschen aus dem Wege
zu räumen, welches fiel auch in der Stille vollzogen. Der Va-
er habe hierauf zween der erwehnten Thürme errichten kaffen,
unter deren einem er den Jretschen begraben, und unter den
andern fich felbsten nach feinem Tode beyzufzen befohlen. Nun
heißt also der eine Thurm Iretsch Phreidun. Wann man ihn
nach feiner Spitze betrachtet, so stellt er deren zwo für. Nach
Phreidums Tode fiengen die nachgebliebenen Söhne, Salam
und Eur an, wegen der Nachfolge in der Regierung mit ein-
ander zu streiten, und ihr Streit endigte sich nach vielen Jah-
ren damit, daß einer den andern erfach. Sie wurden, denn
auch in Sari begraben, über ihre Grabstätte erbaute man zween
eben solche Thürme, wie ihr Vater und Bruder hatten, und
nannte sie Salam und Tur. Drey reiche Brüder gaben zu
den 3. andern nunmehr zerstöhrten, die Veranlassung. Sie lief-
fen sich solche noch bey Lebzeiten erbauen, und verordneten, daß
sie unter dieselbe nach ihrem Tode begraben werden follten, wel-
ches auch geschahe. Daher führen die Thürme die Nahmen -
Schachaft, Guschtas und Lugas. Ich kann nicht begreiffen,
- M m m 3 wie
462 «A, + „F-
Aschraff
wie es zugegangen ist, daß Hanway auf die Gedanken vers
fallen, diese Thürme feyn Ueberbleibsel von Gözen-Tempeln.
Ich habe mich genau um die Sache erkundiget, und wie ich
mich nur etwas merken ließ, daß ich vermuthete, fiel wären
dasjenige, wofür sie Hanway ausgiebt, so wurde ich beinahe
ausgelacht. Begräbniß-Thürme sind bei den Persern gar nichts
ungewöhnliches auch in neueren Zeiten, und die Amulische fo
wohl, als die Sarische besitzen die größte Aehnlichkeiten mit den
andern. Nicht nur Thürme, sondern ganze Capellen mit Thür-
men versehen, werden zum Andenken und Ehrengedächtniß der
Verstorbenen aufgerichtet. Und zu dem, wie würden es die
eifrigste Verabscheuer des Götzendienstes erdulden können, daß
mitten in ihren Städten fo fehr in die Augen fallende Ueber-
bleibsel defelben vorhanden wären? Die Indianer sind ihnen die
gehäßigte Leuthe von der Welt, selbst auch diejenige, die den
Mahumedanischen Glauben angenommen haben. Wie würden
fie nicht schon längsteus diejenige ' dem Erdboden gleich
gemacht haben, wo die Gebers ihre Feuer-Andachten ausgeübt
haben. Die Sache ist also ungegründet, wiedersprechend, und
beruht bloß auf einer falschen Erzehlung. In Sari fieht man
gleich vor der Stadt füdostlich auf dem Wege nach Afrabad,
ehe man die Recognofirungs-Festung erreicht, abermal den
kläglichen Rest eines Königlichen Palasts und Gartens. Eben
der perspectivische Weg, der von Balfruch nach Sari führt,
begleitet von da aus die Reisende bis nach Aschraff, nur mit
dem Unterscheid, daß je näher man diesem Orth kommt, der
Wald unordentlicher wird, und alles verwüstet aussieht, fo,
daß man öffers fast nicht im Stande ist, wegen der Rancken
fachlichter Staudengewächse und der Aete der Bäume durchzu-
kommen. Von Sari nach Aschraff rechnet man so weit, als
von Balfruch nach Sari. Wann man in Persien ein Mei-
ferstück der Natur und Kunst andeuten will, fo vergleicht man
es in einem Hyperbolischen Verstand mit Aschraff. Und in
der That an der ganzen westlichen Küste der Caspischen See ist
kein Orth, der mit Aschraff nur einiger Maßen - verglichen
werden könnte. Schach Abas, der groffe, der fo viele Denk-
mahle feines edlen Geschmacks in Persien nachgelaffen hat, hat
auch diesen Platz angelegt, und ihn durch einen prächtigen '
- - - - al,
•A, N. „F- 463
last, oder vielmehr durch viele, fast nach italiänischer Bauart
angelegte Lufthäuser, die der vortrefflichste Lustgarten in einer
fymetrischen Ordnung aufnimmt, geschmückt. Er liegt unge-
fähr eine halbe Meile von der See, und stoßt westlich an das
Gebürge, welches aus lauter Waldung besteht. Die Absicht
dabey war keineswegs eine große Stadt oder einen befestigten
Orth anzulegen. Hier folte nach den Absichten des Schachs
bloß die Natur herrschen. Hier follte ein unschuldiges Landver-
gnügen Platz finden. Daher befund Aschraff aus nichts, als
ungekünstelten Bauerhöfen, die in der waldigten Ebene, welche
von den Bergen bis nahe an das Ufer ausläuft, unordentlich
zerstreut waren, das Königliche Schloß eheils umgaben, theils
wann man von Sari kommt, einen Vorbothen defelben abga-
ben, oder sich auch in der Breite bis an die See erfrekten.
Keine kriegerische Anstalten, kein Stadtgeräusche kan hier die
Sinne beunruhiget haben. Hier beschäftigte sich der Landmann;
hier triumphierte die Natur. Die Luftschlöffer haben mit dem
Garten etwan eine halbe Meile im Umfang, und find an den
pornehmsten Stellen des Gartens angebracht. Einige derselben
find fehr und andere mittelmäßig groß. Vier Hauptpforten ge-
ben den Eingang zu denselben ab; an denen selben ist zu oberst
das perfische Wappen zu sehen. Es stellt einen Löwen vor, hin-
ter welchem die Sonne hervorleuchtet. Der Löwe foll die Macht
des Iranfkischen Reichs, die Sonne aber die Pracht und Lieb-
lichkeit defelben anzeigen. Die Königliche Häuser, davon ein
jedes seinen eigenen Nahmen führt, find 2. und 3. Stockwerke,
von Quader- oder Bruch - Steinen aufgebaut, die Wände
aber der Zimmer bestehen so, wie die Stubenböden, meistens
aus Marmor und Alabaster. Jedes Stockwerck ist mit einem
großen Saal versehen, auf defen beiden Seiten eine ziemliche
Anzahl kleiner Zimmer angebracht ist. Mitten in jedem Saal
war ein Springbrunnen befindlich. Die marmornen Wände sind
ils ganz und gleichförmig, theils aber ausgehauen, um die
telle offener Wandkästen zu vertreten. Sie find meistens aus-
gemahlt, wiewohl mit grobem Pensel und Abbildungen nach
Chinesischem Geschmack. Es ist besonders, daß die Perfer, ihren
Hang zum unzüchtigen Leben in allen Stücken verrathen. Man
kan fich nichts unflätig säuischeres vorstellen, als die verschie-
dene
464 «A, H. „F-
dene unzüchtige Abwechselungen, die in den Mahlereyen statt
finden, von welchen ich rede. Und diese foll man in Königli-
chen Häusern zur öffentlichen Betrachtung ausgestellt antreffen?
Ein Perfer wird nimmermehr bey Gott oder bey dem, was
ihm heilig ist, schwöhren. Nimmermehr wird er ein Wort ge-
brauchen, das nur von weitem Religionsmäßig ist, wann er
etwas beheuren oder einen andern schelten will: aber in die
fen beiden Fällen müffen die schändlichsten, die Sitten aufs äuß
ferte beleidigenden Ausdrücke, herhalten; ja folche, von denen
man nicht träumen folte, daß man fiel jemals dencken könnte,
fo unmenschlich find sie in diesem Stück. Jedoch das unzüchtige,
das die Unzucht übersteigende Wesen, haben fast alle Orienta-
lischen Völker mit den Perfern gemein. -
Auffer den vornehmsten Königlichen Gebäuden findet man
in Aschraff alles, was zu einem Hofstaat gehört, Wohnungen
für die erstere und etwas niedrigere Bedienten, Auffenthalts-
Plätze für geringere, die schönste Retiraden für eine Leibwache,
den Rest einer Brandtewein - Brennerey, Fourage - Kammern,
Ställe, u. f. w. Der Garten ist wegen der Vielheit der dar-
inn verpflanzten Orange - Bäume aufferordentlich. Wann ich
nicht gewiß wäre, daß das nordliche Perfien keine Limonen und
Pomeranzen hervorbrächte, so hätte ich leicht auf die Gedanken
kommen können, fiel wüchsen hier wild; fo genau folgen diese
Gewäche ihrer Natur unter dem Himmelsstrich von Aschraff,
fo vortrefflich gedeyen folche ohne die geringste Pflege, so verbrei-
ten fiel sich durch die Saamen bis auf einige Meilen, daß sie
ein Umwiffender für wirklich wilde halten muß. Pomeranzen
find in der größten Menge vorhanden. Man hat füfe und faure
Limonen; beyde von verschiedener Gröff. Von Badranken giebt
es eine Spielart, die nicht höckerigt ist: fonsten wird dieselbe
eben so groß, wie die warzigte. Ueberhaupt hält man Badran-
ken von 4. Pfund für keine Seltenheit. Die Patawia - Früchte
erreichen sehr oft die Größe eines Kindskopfes. Ihr Saft ist
eheils fauer und theils füß. Manchmal find sie fo ausgetroknet,
daß es das Ansehen hat, als hätten sie gar keinen. Eine Ab-
änderung von Limonen, die man Murakag nennet, und die viele
Aehnlichkeit mit den Patawia-Früchten hat, ist mir zur Be-
- - - * - - trachtung
A, B „F- 465
erachtung vorgekommen. Ihrer Gestalt nach sieht dieselbe balb
rund und bald glatt aus, in ihrer Gröffe zeigt sie sich eben fo
verschieden, wie die Patawias. Sie mag rund oder glatt feyn,
fo wird fiel an ihrer obern Endung conver, und endigt sich
mit einem mehr oder weniger merklichen, eylindrischen Pörzel,
Ihr Saft ist fauer, und kan gar wohl die Stelle der Limonen
Pertreiken.
Man fagt, daß Schach Abas alle diese Orange Bäu-
me aus Indien habe bringen laffen, und daß zu feinen und
in folgenden Zeiten noch viele andere ausländische Gewächse, wie
z. E. mancherley Arten aus dem Pfeffer-Geschlecht, der Cam-
pher- und Zimmtbaum c. vorhanden gewesen sein sollen. Jedoch
nicht nur fremde Pflanzen zieren dieses perfische Paradies, fon-
dern auch einheimische tragen zu seiner Schönheit nicht ein ge-
ringes bey. Cypreffen, die fast zu einer unübersehlichen Höhe
gediehen find, Cedern, Pinen- und Kastanien-Bäume find in
einer Stellung durch den ganzen Garten verpflanzt, daß sie durch
ihre Ordnung die vortrefflichsten Alleen bilden. Zwischen denselben
nehmen gemeiniglich die Granat- Bäume ihren Platz ein. Man
Hat faure, deren Saamen fleischfarben aussehen; es giebt auch
noch eine andere Spielart, die von den Ruffen Granaten ohne
Saamen genannt werden, nemlich die Saamen derselben find
fo klein, deren fo wenig, und in dem häufigen Saft fo verbor-
gen, daß man geglaubt hat, fie haben gar keinen. Die Gra-
naten sind wirklich die beste und gefundefe Frucht, die das nord-
liche Persien hervorbringt und die Perfer sowohl, als alle unter
diesem Himmelsstrich wohnende orientalische Völker bedienen sich
derselben auf vielerley Weise. Sie effen fiel roh, fie gebrauchen
fie zu Confituren, sie troknen sie für den Winter, und mischen
fie unter alle Speisen. Obstbäume, Nüsse, Bäume, davon
entweder die Früchte oder die Blüthen in die Augen fallen, fo
wohl, als andere , die dem Geruch schmeicheln, besitzt der
Aschraffiche Garten im Ueberfluß, so wie er auch in den Bluh-
menbethen unzähliche Gattungen von zarten Gewächsen führt,
An Waffer - Kunstwercken finden die Perfer einen besondern
Geschmack; man sieht daher auch hier große Anlagen der
felben, die überall in angebrachten Fontainen und Springbrun-
Dritter Theil, N n n nen
4 - -, M- „r-
nen bestehen, und mit den Fontainen in den Luftschlöffern ihre
Gemeinschaft haben. Einige Irrplätze, die bey verschiedenen
Ecken des Gartens angebracht find, machen keine unangenehme
Abwechselung. Von den Hauptpalästen übersieht man den gan-
zen, und von den kleinern den größten Theil des Gartens. Was muß
derselbe ehmals nicht für ein Ansehen mit feiner Zubehörde gehabt
haben, da noch gegenwärtig die Ueberbleibsel zu dieser eben nicht
kurzen Beschreibung Gelegenheit geben? Man muß sich billig
verwundern, wie in der Mitte des vorigen Jahrhunders ein
Geschmack in dem Orient statt gefunden, der sich kaum in
Anfang des jetzigen in Europa allgemein verbreitet hat. Jedoch
wie sieht es jetzund mit Aschraff selbsten aus? Von dem Orth
felbsten ist nur noch der Rest einiger eingefallenen Hütten vor-
handen, und den königlichen Lustgarten fieht man in eine Woh-
mung wilder Thiere verwandelt. Die Paläste find durch Ge-
walt verheeret, durch die Länge der Zeit verfallen, und ihrem
gänzlichen Untergang nahe. Der Garten ist ein dick bewachsener
. Wald, in dem man manchmal nicht ohne Gefahr an seinem
Leibe verletzt zu werden durchkommen kan; und wo nur dasjenige,
was die Boßheit der Menschen nicht fo leicht zernichten kan,
verräth, was er gewesen ist. Schon längstens haben die Fontai-
men aufgehört zu springen, und wann die Bäume nicht durch
ähren eigenen Saft ernährt würden, fo stünden schon längst an
ihrer Stelle untaugliche Disteln. Alles, alles ist verwildert,
und von der ganzen ehmaligen Pracht nur noch der Schein
fichtbar. Der Anfang dieser Verheerung fällt in die Zeiten nach
der Regierung UNadir Schachs, welcher fich in dem bekannten
Feldzug wieder die Lesgier eine kurze Frist an diesem Orth felb-
ften aufgehalten hat. Adil ließ es sich nach ihm auch gefallen,
fein Vergnügen dafelbst einige Zeit zu fuchen; ja bisweilen
war Aschraff feine Retirads: aber gleich nach dem unglücklichen
Tode dieses Königs und von demselben an bis zu der Oberherr-
fchaft Kerim Chans schien es, als wann ein jeder unzufriedener
Alianer an diesem Orth feinen Muth kühlen wollte. In dieser
Gegend nemlich war der Mittelpunkt aller Unruhen: wie hier
nichts als Raubereyen und Mordthaten vorgiengen, fo musten
mit demselben die boßhafteste Zerstöhrungen vergesellschaftet feyn.
Dannoch hatte Ulahomed Hassan Chan noch eine besondere
Noigung
---
R. - - H67
Neigung zu Aschraff. Er wohnte fehr oft daselbst, und ver.
befferte, was zernichtet war; als er aber fein Glück nicht länger
verfolgen konnte, ein Opfer des gegenwärtigen Mafanderanischen
Beherrschers Mahomed Chans wurde, und dieser vor ache
Jahren das Regiment über eine der vortrefflichsten Provinzen des
Persischen Reichs erhielt, fo glaubte er für seine Sicherheit
nicht beffer bedacht feyn zu können, als wann er Aschraff in den
jenigen Zustand versetzte, in welchem es fich nun befindet. Und
fo unbarmherzig er mit diesem Orth verfahren hat, fo grausam
machte er es auch mit Farabad, Aliabad und Sari. Die
Truchmener musten ihm zur Entschuldigung feines Verfahrens
dienen", als welche durch die Verheerung und Entvölckerung
dieser Plätze weniger im Stande feyn sollten, in die übrige
Provinzen Mafanderans zu dringen. Nachdem er die ermeldte
Recognofirungs-Festungen angelegt hatte, fieng er an die lez-
tere Distrikte wieder zu bebauen, aber an eine Wiederherstellung
von Aschraff ist noch nicht gedacht worden.
--- Als ich von Aschraff vollends nach Afrabad reisen wollte,
zeigten sich Schwürigkeiten, die ich zwar vorausfahe, die ich
aber auch überwinden zu können hofte. Jedoch hier fand ich,
daß ich mich betrogen hatte. Die Gränze zwischen Astrabad und
. Masanderan hat Herr Hamway in feinem Tagebuch recht gut
angegeben, und man rechnet zu derselben, von Aschraff aus, 3.
Meilen. Die eigentliche Einwohner von Afrabad findeinfreyes
gesittetes Volck, welches aber durchaus keine Oberherrschaft er-
kennen will, fondern ein jedes Mitglied fein eigener Herr zu
fyn glaubt. Sie nennen sich Radfcharen, dünken fich unter
einander ganz gleich zu feyn, und gegen andere Völker behaup-
ten fiel eine unumschränckte Freyheit. Daher ist Afrabad schon
lange als ein rebellischer Orth bekannt. Daher haben sich auch
dahin schon viele persische Helden geflüchtet. Bei diesen Leuthen
nun einen Besuch abzustatten, wäre an und vor sich sehr wohl
thulich; aber unter ihnen und in ihrer Nachbarschaft wohnen
die Truchmener, deren Handwerck im Rauben besteht, und die
von denselben niemand Rechenschaft geben, weil sie niemand
verlangt: denn in den Gesetzen des Völkerrechts machen die
Truchmener eine Ausnahme. Es rauben aber dieselbe auf kal-
N n n 2 mükische
468 «A, H „F-
mükische Art, nur etwas muchiger und beherzter. Beständig
lauren einige Partheyen auf Beuthe, die theils groß, und theils
klein ist: wann es ihnen nicht glückt, so wifen fie gewiß, daß fie
fich mit ihren muntern Pferden in Sicherheit flüchten können. Beim
Rauben schonen fiel zwar des Lebens der unglücklichen, aber sie
fchleppen dieselbe mit sich in die Gefangenschaft. Nun gestehe
ich herzlich gerne, daß ich eben keine Luft bei mir wahrgenom-
men habe, einen Schaafhirten abzugeben; dennoch hätte ichs
meiner gerechten Sache halber gewagt, diese mißliche Reise
zu thun, wann nicht die Perser, die ich zum Schutz bei mir
' mit Händen und Füßen darwieder gestritten hätten. Ih-
nen war wirklich banger als mir, und sie sprachen von den
Truchmenern nicht beffer, als vom Teufel. Sie erzehlten nichts
als tägliche Proben ihrer diebischen Gefinnungen, und um mich
recht in Angst zu jagen, so fagten fie, daß sie dieselben auch erst
noch kürzlich bey Aschraff ausgeübt hätten. Sie setzten sich auch
wirklich und besonders des Nachts auf den Fall der Noth in
Gegenwehr, schickten Patrouillen auf, hielten alle vorbeigehende
Leuthe an, und feuerten beständig Geschütze ab. Dergleichen Um-
fände können einen nun freilich auf andere Gedancken bringen;
und sie haben auch diese Würckung in mir zuwege gebracht. Ich
überlegte noch dazu, daß wann ich auch ohne Gefahr durchkom-
men würde, es mir doch allezeit unmöglich fallen würde,
mich nur im geringsten von den Hauptwegen zu entfernen; und
waß hätte ich mir also für Neuigkeiten versprechen können? Ich
beschloß also mich auf den Rückweg zu begeben, trat denselben
den 25sten an, und kam den 27ften nach Balfrufch. Ich
habe vergeffen zu erinnern, daß gegenwärtig in Aschraff gar
keine Leuthe wohnen, und fich bey meiner Anwesenheit nur einige
wenige Georgianer daselbst aufhielten, welche sich mit der Ein-
fammlung der Früchte abgaben. Auch muß ich noch des Aschraf
fischen Meerbusens gedencken. Nach des Schiffshauptmanns
Ilja Andrejewitsch Tokmaschows Beschreibung des ostlichen
fers der Caspischen See liegt derselbe nach dem Rumb O.
und W. Er ist längst folchen 54. rußische Werte lang, in
feiner Mitte von Norden nach Süden 12. breit, und in die
Länge gerechnet 20, 15. und 9. Fuß tieff.
Gleich
•A, z. „F - 469
Gleich nach meiner zweiten Ankunft in der Stadt begab
ich mich zum Chan, in der Absicht, Abschied von ihm zu neh-
men; dann da es sowohl meine feste Meynung, als auch meine
Pflicht war, dieses Jahr nach Astrachan zurückzukehren, so konnte
ich mich ohne Ursache nicht länger aufhalten; dann das Jaiki-
fche Eis zwischen Derbent und Astrachan zeigt sich öfters schon
im Anfang des Novembers. Den geraden Weg durfte ich auch
nicht nehmen, fondern mußte zuvor in Gilan landen. Wind
und Wetter kan man, besonders im Herbst, nicht trauen; alles
aber war nach Beschaffenheit der Umstände zu einer Seereise
veranstaltet, um wieder auf Rußischen Grund und Boden zu
kommen, und ich hatte derohalben schon im Anfang des Som-
mers ein Kayserliches Schiff erhalten. So nothwendig nun mein
Eilen war, so unvermuthet stellte sich die Hinderniß ein, die
mir in den Weg gelegt wurde. Derselben Urheber war der
boßhafte Chan einzig und allein. Ich möchte lieber davon
fchweigen, um nicht aufs neue empfindlich zu werden, und
nicht etwas vorzutragen, an welchem meinen Lesern eben nicht
viel gelegen ist: allein die Pflicht eines Tageregisters und die
Wichtigkeit der Sache in Ansehung des öconomischen Zustands
meiner Reife, heiffen mich laut reden. Vielleicht giebt es auch
hin und wieder gutherzige Seelen, die über das Schicksal, das
manchmal armen Botanisten zu Theil wird, gerührt werden, und
diese Rührung macht schon einigen Ersatz für die erlittene Unge-
rechtigkeiten aus. Der Chan versagte mir die Entlaffung aus
feiner Provinz, und verlangte, daß ich zuvor feinen Bruder
heilen sollte, der mit einer Augenkranckheit behaftet war. Es
befund solche in einer Thränen-Fistel. Es half nichts, daß
ich einwendete, man müfe zu der Genesung derselben mit In-
frumenten versehen feyn, die mir fehlten. Die Augen wollte
er gesund haben, ich möchte es veranstalten, wie es mir beliebte,
und ohne diese Dienstleistung wollte er mich nicht aus feiner
Landschaft ablaffen. Damit ich ihm nicht entwischte, wurde ver-
bothen, Pferde an mich zu vermiethen, und bei meiner Woh-
mung bewachten mich alle Nacht 30. Mann Soldaten. Lächer-
lich und fürchterlich schien mir diese Begebenheit: indeffen ware
guter Rath theuer. Ich gieng abermalen und wiederholter ma-
len, als ein Gefangener zu dem Chan; ich stellte ihm mit den
N n in 3 lebhaft
470 «A, . „Es
lebhaftesten Farben die Ungerechtigkeit seines Verfahrens vor:
ich überzeugte ihn von der Nothwendigkeit, nun abreisen zu
müffen, wann ich anders noch dieses Jahr nach Astrachan kom-
men wollte; ich bath ihn um aller Sitten willen, die Rechte
eines Gastes zu bedencken; ich predigte ihm ganze Stunden lang
von der Rache Rußlands vor, ich erfuchte ihn, wann er ja
glaubte, Rußland selbst würde keine Repressalien gebrauchen,
nur gegen feinen Nachbar den Räschtischen Chan einige Achtung
zu bezeugen, der eben deswegen, weil ihm an Rußland soviel
gelegen, mich mit einem so kräftigen Empfehlungs-Schreiben
nach Masanderan versehen hätte, und dem es ja ein geringes
wäre, an den nächsten besten Unterthan zu Räscht eben das,
waß an mir verübt worden, auf gut Persisch zu ahnden. Aber
all mein philosophieren half nichts; ich bekam nicht einmal eine
vernünftige Antwort darauf; Mahomed Chan hielt mich warm,
und blieb dabey, ein blinder Bruder müste durch mich sehend wer-
den. Er hatte aber, als ein dummer Gorfkier von der schlechtesten
Herkunft, bei meiner Gefangenschaft noch eine andere Absicht.
In dem Zustand, in welchem ich mich befand, da ein unsinni-
ger Chan mit mir anfangen konnte, waß er wollte, und da er
auch wirklich keine angenehme Drohungen hören ließ, that ich
bey der Thränen-Fistel gezwungen mein möglichstes. Ich ge-
brauchte für dieselbe innerlich abführende und äußerlich reinigende
Mittel. Es war mir nur um eine Erleichterung dieser Krankheit
zu thun: ich verschafte fie, und zu meiner Verwunderung heilte
ich dieselbe zuletzt ohne die Anwendung der Erfindung des Hrn. Anils
gänzlich. Also hätte ich doch follen loßgelaffen werden. Aber
nein! der Chan reiste aufs Land, ließ mich gefangen nach, und
fandte die wegen meiner Abfertigung abgeschickte Bothen mit
lauter abschlägigen Antworten zurücke. Binnen dieser mir un-
vergeßlichen, traurigen Zeit, trugen sich noch andere gleich trau-
rige Umstände zu. Das Mafanderanische Clima, fo an und
für sich Gilanisch ist, und, wie dafelbe, im September und
October besonders gefährlich wird, unsere bereits durch viele
ausgestandene Krankheiten geschwächte Naturen und der in dem
Gemüth über mein Schicksal feste Wurzeln gefaste Kummer
verursachten, daß ich, die Studenten Hablitz und Moschkow,
der Zeichner Borissow und alle meine Leuthe an hitzigen #
Ern
A, I - 47r
bern tödtlich erkranckten; bis es endlich so weit kam, daß keiner
mehr dem andern einen Trunck Waffer reichen konnte. Ja im
October starb fogar Iwan Borissow, mein Zeichner, an fei-
ner Kranckheit, und ich verlohr dadurch eines der nöthigsten und
nützlichsten Mitglieder meiner Expedition. Er hinterläßt das
Andenken bei der letztern, daß er es in seiner Kunst, für feine
jungen Jahre, fehr weit gebracht, und zur Erfüllung feiner Pflicht
allen Fleiß ängewandt hatte. Mir als feinem Vorgesetzten em-
pfahl er sich schon von Petersburg aus durch feine gute Auffüh-
rung, und feine Mitbrüder verlohren einen umgänglichen Gesell-
fchafter an ihm. Von 18. Matrosen, die auf meinem Schiff
Dienste leisteten, konnten nur 5. gebraucht werden, und auch
ihrer schonete der Tod nicht, denn 3. derselben furben. Ein
entsetzlicher Sturm aus Norden, der vom 19ten bis den 21ften
October dauerte, hatte auch eine schädliche Würkung auf das
Schiff. Es wurde fehr leck, und wir verlohren zween Anker,
fo, daß uns nur noch ein einziger übrig blieb. Alle diese
Umstände “ ich dem Chan, um ihn dadurch zur Er-
theilung meiner Freiheit zu bewegen. Aber die Neben- Absicht,
die er durch meine Gefangenschaft vollführen wollte, erlaubte
ihm nicht willfährig zu feyn. Er fähickte nemlich insgeheim gleich
nach meiner Ankunft einen Abgeordneten zum Kerum ä
nach Schiraß, und ließ ihm fagen, daß derjenige Rußische
Spion, der fich schon eine geraume Zeit über in Persien auf
halte, nun auch in feiner Provinz angekommen fey; er möchte
befehlen, ob er ihm denselben nach feiner Residenz ausliefern,
oder was er mit ihm anfangen sollte? Mahomed Chan war-
tete also auf Antwort, und deswegen mute ich ein Arrestant
bleiben. Ich weiß am besten, wie mir dabey zu Muthe gewes
fen, da ich von dieser Ursache die erste Nachricht bekam. Ich
weiß, wie ich unter dem Gefühl der schmerzhaftesten Beschwehr-
lichkeiten und unter dem Bewuffyn der mir angethanen Schande
die Minuten gezehlt habe, die mir bis zum Genuß meiner Frey-
# fo langsam vorbey zu streichen schienen. Jedoch die göttliche
orsehung prüfte meine Gedult nicht gar zu lange. Nachdem
ich mich von meiner Krankheit etwas erholt hatte, erhielt
ich unversehens im Anfang des Novembers die Erlaubniß abzu-
reisen; und obwohl ich mir alle Hoffnung auf Astrachan für '
- - e
472 «A, H „F-
Medcheb-
tiffär.
---
f Jahr vergehen laffen muste, so war ich doch froh, daß ein
befferes Schicksal mich aus den Händen Mahomed Chans
entriffen hatte, es fey nun, daß er feine Schwachheit selbsten
eingesehen, oder daß Kerin Chan keine Lust geäußert haben
mag, mich zu fehen. Ohne die geringste Verweilung reiste ich
nach den Hafen Medfthedriffär. Man rechnet von Balfruch
aus nach demselben 3. Meilen, auf einem vortrefflichen Weg.
Er liegt an einem Fluß gleichen Nahmens, der in den Gebür-
gen entspringt, und sich 1. Wert davon in die See ergießt.
Die Bank, die durch defen Mündung entsteht, hat meistens
nur 2. bis 3. Fuß Waffer in der Tieffe; daher ist es unmög-
lich, daß Schiffe in dieselbe einlauffen können, fondern fiel müf
fen sich in der See auf guten Ankergrund verlaffen. Die fürch-
terliche Bewegung des Waffers , fo die Rußische Matrosen
Burun nennen, findet auch hier statt, dann auch hier ist ein
Sandgrund, alles frey und der Gewalt der Winde ausgesetzt.
Daher dann die Wellen zusammenstoffen, indem einige von der
See kommen, wann andere von der Küste zurückprallen. Die
Medchedtissär fliest langsam, ist an einigen Orthen ziemlich
breit, an andern schmahl und eben so in ihrer Tiefe verschieden.
Sie ernährt die gewöhnliche Fische der Caspischen See, und ihr
Ufer ist ganz mit Schilf bewachsen. Unweit der Bank ist an
derselben ein steinerner Wachthurm befindlich. Man soll sich
deffen bey den unruhigen Zeiten bedient haben, die Stenka
Rafin in Perfien verursachte. Ich wollte eben mit einem klei-
nen Boot von Medchedriffär nach dem Schiff fahren, als ein
Balfruchischer Curier ankam, der mich auf Befehl des Chans
abermal arretierte. Die Ursache meines Verbrechens war, daß
einige Leuthe des Chans unter meinen Zeichnungen ein Portrait
gesehen, und ihrem Herrn beigebracht hatten, es gleiche ihm,
und ich hätte es in der Absicht verfertigen laffen, daß ich über
daffelbe eine Pistole in Rußland loßschieffen könnte, worauf fein
wirklicher Tod unvermeidlich erfolgen würde. Dieses Portrait,
fo die chanische Leuthe gesehen haben wollten, war die Frucht
einer müßigen Stunde, die mein verstorbener Zeichner ange-
#" hatte, einen Perfer abzuzeichnen, der vermittelt des
allians Toback raucht. Der Chan, der nun glaubte, es wäre
fein Bildniß, verlangte es zu fich, damit er nicht stürbe, ''
is
«A, - „so 475
bis ich es zurückgeben würde, belegte er mich, nun als einen
Mörder, abermals mit Arrest. Ich fuchte alle Zeichnungen
mit dem größten Unwillen durch, um mich aus den Händen die
fes dummen Mannes loßzureiffen, aber diejenige, die ihm fo
anstößig war, konnte ich zu allem Unglück nicht finden. Wohl
einen halben Tag verdarb ich mit dieser unangenehmen Arbeit
vergebens, und zuletzt fand ich mich genöthigert, einen meiner
Leuthe in der Begleitung vieler andern an den Chan zu finden,
die da zugesehen hatten, wie lange ich vergebens nach demjeni-
gen gesucht hatte, was er haben wollte, und die felbsten, un-
geachtet die Persianer waren, meine Unschuld einfahen, ließ ihm
mit den triftigsten Gründen beweisen, daß meine Gedanken nim-
mermehr fo boßhaft gewesen seyn, als er vermuthe; dann hier
wäre es nicht Zeit gewesen, aus einem einfältig abergläubischen
Menschen nur einen halbvernünftigen zu drechseln, und bath ihn
dann um der Menschlichkeit willen, mich von meiner neuen
Schmach auf das baldeste zu befreien, und die Erlaubniß zu
geben, an Bord meines Schiffs zu fahren; dafür ließ ich ihm
das längste Leben und das beste Wohlergehen wünschen. Mein
Abgeordneter kam auf Zureden derjenigen, die in den Hafen
meine Noth mit angesehen hatten, mit einem Befehl, daß ich
befreyt fey, zurück, und damit nicht noch eben ein folcher hin-
kender Bothe, wie derjenige war, der mich wegen des Chanischen
Portraits beunruhigt hatte, nachkommen möchte, begab ich mich
unverzüglich darauf nach meinem Schiff, und dankte dem Him-
mel, daß ich noch lebte, und frey lebte.
Den 4ten November spannten wir nach Enzeli die
Seegel auf. Jedoch ehe ich von diesem Dato mein Tageregister
weiter verfolge, will ich noch einiger Nachrichten, die zu Mafan-
deran gehören, erwehnen, wie ich solcher während meiner Ge-
fangenschaft und in den Erholungs-Tagen von meiner Kranck-
heit gesammlet habe. Ist gleich die Anzahl derselben nicht allzu-
groß, so find sie doch nützlich, unterrichtend und vermutlich
nicht unangenehm, - - -
Die Baumwolle erfordert einen ziemlich fetten Ack: ''
und an welchen Stellen von Masanderan nun dieser nicht ist,"“
Dritter Theil, O o o da
474 A, M „Fe
da hilft man sich mit Mist. Wann sie ferner gerathen soll, so
müffen die Pflanzen in einer mittelmäßigen Entfernung von ein-
ander gesetzt werden. Man läßt gemeiniglich einen Raum von
einem halben bis zu einem ganzen Fuß, und theilt die Felder
in Furchen ein. Endlich wird auch zum guten Wachsthum der
Baumwolle ein mäßiges Regenwetter erfordert: dann in Ma-
fanderan werden die Baumwollen - Felder nicht gewäffert. Das
Versetzen der Pflanzen ist nicht gebräuchlich. Zu Anfang des
Mays ist die Saatzeit, und zu Anfang des Septembers fam-
melt man die Wolle ein.
Es ist bekannt, daß man unter der Baumwolle diejenige
Wolle versteht, mit welcher die Saamen der Baumwoll-Pflanze
umhüllt werden. Indem man nun folche von der Pflanze ab-
pflücket, bekommt man auch die Saamen mit, von denen fie
abgefondert werden muß. Zu diesem Endzweck dient eine eigene
Maschine, die ich auf der 53ften Platte abbilde, anstatt daß ich
hier eine undeutliche Beschreibung davon geben sollte. Die vom
Saamen befreyete Wolle wird vermittelt der Hechel von andern
Unreinigkeiten gefäubert, und als dann aufs Spinnrad gebracht.
Nach der Verschiedenheit der Absichten wird sie verschiedentlich
gefärbt. Roth auf folgende Art: Man kocht den Krapp so lang
bis die Wurzeln gänzlich weich werden, alsdann nimmt man fie
aus dem Waffer, troknet sie an der Sonne, und fot sie zu
Pulver. Der verpulverte Krapp wird alsdann wieder gekocht,
und darauf legt man die in dem Alaun - Waffer schon zuberei-
tete Baumwolle in den mit Färberröthe kochenden Keffel, läßt
fie einige Zeit in demselben liegen, nimmt sie wieder heraus,
und troknet sie an der Sonne. Wenn die Färberröthe nicht
von der besten Gattung ist, fo muß man mit einer gröffern
Menge derselben zu Hülffe kommen, oder man schärft ihre Kraft
noch etwas beffer mit Cochenille.
Wann man die Baumwolle grün haben will, fo färbe
man sie erst auf jetzt beschriebene Art roth, und darauf hut
man sie in einen Keffel, in welchem Indigo kocht, läßt fie
in demselben einige Zeit liegen, nimmt sie alsdann heraus
und troknet sie abermal an der Sonne. Alle Gattungen von
blau, wie auch die schwarze Farbe bringt man # “
- go
•-A, - „Fs 475
Indigo zum Vorschein. Dunckelroth färbt man sie mit rohem
Brasilien - Holz, welches aus Astrachan hieher gebracht wird,
gelb aber mit den Blättern der Baum - Mimose, Perfisch
Wiwali, wann sie mitten im Kochen find, oder auch mit
einem mir unbekannten Holz, welches aus Tawris hieher ge-
bracht wird. Es ist wirklich andem, daß die Rußische, Perfi-
fche und Türkische Armenianer die Färberröthe brennen, ehe sie
folche zum gehörigen Gebrauch anwenden. Sie werffen nemlich
die frischen Wurzeln zu dünnen Haufen in ihre unterirrdische
Brodt-Oefen, von denen ich im zweiten Theil meines Tage-
buchs gehandelt habe, und laffen solche, nachdem das Brodt
bereits gebacken ist, zu 12. bis 24. Stunden liegen; nach-
dem es die Umstände erfordern, wiederholen sie diese Arbeit
zu verschiedenen malen. Es ist ganz gewiß, daß die Wurzeln
einige überflüßige zum Färben unnöthige Theile dadurch verlie-
ren und sich hingegen in ihr innerstes Feuertheilchen eindringen,
wodurch dann allerdings, wann man die Wirkung des brennba-
ren Wesens im Hervorbringen der Farben bedenkt, auch die
Farbe - Theile des Krapps erhöht werden müffen. Aber das
baumwollene Garn felbst muß vorher, um mich meines alten
philosophischen Ausdrucks zu bedienen, ehe es den Saft in sich
faugt, eine Receptivität erhalten, um ihn rechtschaffen, um ihn
fo in sich zu faugen, daß die Farbekraft Stand hält. Weil mir
meine Umstände auf der Reise nicht erlaubt haben, durch eigene
Versuche zu erfahren, waß ich hier und ehmals in Derbent
gehört habe, fo erspahre ich die Entwickelung dieser wichtigen
Materie auf eine Gelegenheit, die mir mehr Muße verspricht,
als ich gegenwärtig habe.
Die Provinz Masanderan liefert funfzehn bis fechszehn
hundert Batman Seide. Sie ist nicht so gut, wie die Gila-
niche, und fowohl daran, als an der geringen Menge foll das
Clima schuld feyn. Es ist wahr, daß diese Provinz südlicher
liegt, als Gilan, und es ist ausgemacht, daß allzu füdliche
Gegenden für den Seidenwurm gar nicht günstig find. Sollte
aber wohl eine fo geringe Entfernung einen so großen Einfluß
haben? Die Gewonheit der Perfer, von neuen oder verbefferten
Anstalten nichts wifen zu wollen, scheint mir mehr als alles
andere daran schuld zu feyn.
0 0 2 Mafan-
Mafande-
ranische
Seide,
476 •A, - „ze
Masanderan wird für gesunder gehalten, als Gilan.
Ich kan es weder aus meiner eigenen Erfahrung noch nach
Gründen glauben; dann die eine Provinz ist wie die andere,
platt, und dieses platte Land liegt in Nafander an, wie in Gi-
lan zwischen Bergen und der See. Wann die Einwohner der
Berge in Mailänder an gesund sind, so sind es auch eben so
gut die Gilanische Schweizer.
Von dem Krapp will ich, was feine Ausfuhr nach
Persien betrifft noch folgendes beiläufig erinnern. Es ist be-
kannt, daß er in Kißlar wild wächst, und von daraus wurde er
ehmals über Derbent, Baku und Schamachie nach den ver-
fähiedenen Städten dieses Reichs gebracht, oder auch unmittel-
bar zur See nach Gilan verschift. Ich habe eine zuverläßige
Nachricht in Händen, welche meldet, daß im Jahr 1736. 433.
Pfund von dieser Waare zu Waffer nach Räscht geliefert wor-
den sind. Der Krapp wächst auch in Persien, als zu Der-
bent, Schamachie, Ispahan , und in der Tegranischen
Provinz; den besten aber liefert die Provinz Ferach nach Kan-
dahar zu, allwo man ihn so häufig antreffen soll, daß nicht
nur diese Provinz zu ihrem Gebrauch genug habe, fondern daß
man sie auch aus derselben nach manchen Städten Persiens ver-
führe. Man fagt fo gar, daß er auch von daraus mach Indien
gebracht werde, allwo man mit feiner äußersten Rinde Zitze
oder auch andere baumwollene und feidene Zeuge mit Zusetzung
anderer Farben färbet. Rußland liefert jetzo nach Persien gar
keinen Krapp mehr, sondern man bekommt ihn nun aus. Dere
bent und vermittelt Sallian aus Schamachie. Man verführt
aber den Krapp in ganzen Wurzeln, weil man glaubt, daß er
gestoffen sehr leicht verderbe, und feine Kraft verliere, wann er
lange liege. Man verkauft in Gilan das Pfund zu 3. Rubeln.
Die Gilaner färben damit nicht nur unverarbeitete, gesponnene
Baumwolle, fondern auch feidene, baumwollene und wollene
Zeuge, als Kanawat, Kutna, Mof, Doroga, Kaffap, Tegi-
che, Schnupftücher, Kumatsch, Burmet, Cottun Petria, u. f. w.
Von Glan bringt man ihn nach Masander an und verfährt
dafelbst eben fo damit, als dorten. Zu 60. Solotnik Krapp
nimmt man gemeiniglich 100. Solotnik Cochenille, wann man
- - - - eugt
•, - „3- 477
eine gute dauerhafte Farbe verlangt. Von Rußland wird auch
über Orenburg der Krapp nach der Bucharey gebracht, und
zu Nadir Schachs Zeiten trieben die Perfer dahin einen Handel
damit.
Das Zucker-Rohr, fo in Masanderan gepflanzt wird, Rom
ist keine daselbst wild wachsende, sondern eine einheimisch besorgte Zucker-
Pflanze. Es hat wirklich einen Graßkelch, der wie die Corolla Rohr.
aus zwoen lanzenförmigen an ihrer Grundlage bartigten Klappen
besteht; die Stigmata find glumosa, anders als der Herr v.
Linne gen. pl. nov. ed. p. 32. g. 37. erzehlt, der jedoch nur
getrocknete Blüthen gesehen hat. Ist also das Zucker - Rohr
von dem Schilff hinlänglich unterschieden. Duhamel muß wohl
den Masanderanischen Zuckerfiedern die Kunst schönen Zucker zu
zubereiten nicht gelehrt haben; dann er löset sich fehwehr im
Theewaffer auf, giebt demselben einen unangenehmen ranzigten
Geschmack, und sieht schwärzlichgelb aus. Die Leuthe verstehen
memlich das Reinigen nicht, und man sagt, daß sie es mit
Fleiß nicht verstehen wollen, damit der Chan nicht von ihnen
verlange, sie sollen nicht nur für ihn zu feinem Gebrauch, fon-
dern auch um damit Handel zu treiben, Zucker fieden.
Fast hätte ich des Königlichen Luftschloffs in Bal-
frufäh zu erwehnen vergeffen, ohngeachtet ich doch in denselben
während meines Auffenthalts gewohnt habe. Es liegt aber eine
rußische Wert von der Stadt auf dem Wege von Amul nach
derselben, und etwas nach füdwesten feitwärts entfernt. Es be-
steht aus zwey groffen Palästen, nach morgenländischen Ge-
fchmack und Pracht erbaut, welche ein groffer fischreicher Teich
von einander absondert, über den aber ehmals eine steinerne
groffe Brücke gieng, von welcher jetzo nur noch die Pfeiler vor-
handen sind. In dem Teich felbsten nach Westen entdekt man
noch Ueberbleibsel von einem vorhanden gewesenen dritten Luft-
fchloß, und ein prächtiger Garten, in welchem besonders Pome-
ranzen-Bäume häufig gepflanzt werden, jedoch ohne Ausschlieffung
anderer Bäume, als Cypreffen- und Ceder-Bäume, welche die Schön-
heit der ganzen Anstalt ungemein vermehren. Dieser Garten hat ei-
nige Werte im Umfang, zeigt an verschiedenen Stellen eingefallene
Springbrunnen, und prangt noch jetzo mit einigen weitläufigen Alleen.
- - - - O o. 0 3. Hinter
478 •A, H. „F-
Nachricht
Hon den
Persischen
Weinen.
Hinter einem dieser Gebäude ist auch noch der Orth merklich,
wo das Harem gestanden hat, in denselben beobachtet man noch
Pferdeställe, Brandtweinbrennereyen, Soldatenlager, u. f. w.
alles im kleinen eingerichtet, wie zu Aschraff im groffen; wie
dann auch Schach Abas selbst der erste Baumeister und Gärt-
ner gewesen feyn foll.
- Wie an der ganzen westlichen Küste der Caspischen See
die Weinreben einen groffen. Theil des Vorgebürges ausmachen;
also trifft man sie auch in der Provinz Masanderan in äußerster
Menge an, und daselbst sind sie fowohl dem Geschmack nach,
angenehmer, als erreichen auch mit den Beeren eine beträchtli-
chere Gröffe als fonten. Dannoch wird allhier wenig Wein
gepreßt, weil die Anzahl der Armenier fehr gering ist, und der
gegenwärtig regierende Chan nach dessen Beyspiel sich das Volck
richtet, den Gebrauch der geistigen Geträncke nicht liebt, zu einer
groffen Qual derjenigen, die in diesem Fall anders denken, als
ihr Beherrscher, und die daher vermittelt der Juden entweder
Hamadanischen Wein in der Stille zu bekommen suchen, oder
sich auch solchen von ihnen selbst bereiten lassen.
Ich habe hier gute Gelegenheit von den verschiedenen
Gattungen der Persischen Weine, in wie weit ich dieselbe habe
kennen lernen, zu handeln. Der Schiraßische ist unter allen
der vortrefflichste. Es giebt rohen, weißen und pomeranzengel-
ben. Er ist voll Feuer, ganz balsamisch und von einem durch-
dringenden Geruch; aber er hält sich nicht lange, und wann er
verführt werden foll, muß man ihn zuvor einkochen, durch die-
fes verliert er nicht nur vieles von feinem Geschmack, sondern er
verursacht auch Kopfweh, wann man auch gleich nicht viel da-
von trinkt. Der Ispahanische Wein hat eine groffe Aehnlich-
keit mit altem Champagner. Der Schamachinische mit gutem
Bourgogner, der Astrabatifhe, der Mafianderaniche, der
Gilanische und der Tavlififthe gleichen dem gewöhnlichen rochen
Franzwein, und man würde sie in Europa unter die besten
Gattungen zehlen, wann sie auf Europäisch behandelt wären.
Die Spiel-Arten, die man unter den Trauben bemerkt, find
fehr zahlreich, und man unterscheidet sie nach der Gröffe, nach
der Farbe, und nach dem Geschmack der Beeren, die 9:
- 010)
\
- 2. - - 479
fächlich darum, weil sie sie trocknen. Sie haben auch ihre un-
terschiedene Nahmen, z. E. weißer Kischmilch, rother Kischmilch,
Kunkaffa, Meschali, Schahani, Richebaba, Nazafafati, e.
bey welchem ich mich nicht länger aufhalten will. Man behaup-
„tet durchgängig, daß die perfische Weine keinen Weinstein ab-
fetzen. In Anfhung derjenigen, die das westliche Ufer der Ca-
fpischen See hervorbringt, habe ich die Sache ungegründet ge-
funden. Diejenige nemlich, die sich in dieser Gegend mit dem
Weinmachen abgeben, thun den gepreßten zur Herbstzeit, in
groffe bauchigte töpferne Gefäff. Anstatt der Keller machen sie
in der Erde geräumige Gruben, fetzen die Töpfe darinn, und
bedecken die Mündungen derselben mit Steinen; die Gruben
felbsten aber schütten sie mit Erde zu. In diesem Zustand läßt
man den Wein ein oder zwei Jahre, manchmal auch nur ein
halbes Jahr stehen; nur denjenigen, welche die Gruben gegra-
ben haben, ist der Ort dieser unterirrdischen Keller bekannt,
dann aus einer gerechten Frucht, Mühe und Kosten vergebens
angewant zu haben, weilen fie dazu folche Oerter, bei welchen
Niemand auf den Einfall gerathen würde, daß daselbst Wein
verborgen liege. Wollen sie aber selbst Gebrauch davon machen, fo
werffen sie die Erde davon auf, nehmen die Steine davon ab und
bemächtigen sich ihres Guths: Da sie dann gemeiniglich den
ganzen Topf ausleeren, weil sie aus der Erfahrung wissen, daß
ein allenfalls nachgebliebener Rest, fast ohne Ausnahme um-
schlägt und verdirbt. Indem nun diese Weintöpfe geöffnet wer-
den, beobachtet man, daß sich an der innern Fläche derselben
öfters etwas weißes angesetzt hat, welches mit der Zunge unter-
fucht einen scharffen falzigen Geschmack verräth. Ich habe selbst
gesehen, daß diese weiße falzigte Materie in Gestalt der Schnee-
flocken, oder lockerer Eiszapfen, inwendig an dem Stein, der
die Töpfe bedeckte, senkrecht herabhieng. Ja, ich habe sogar wahr-
genommen, daß die ganze Oberfläche des Weines selbsten, ein
paar Linien dick, von diesem Salze also überzogen war, daß es
das Ansehen hatte, als wäre der Wein zugefroren. Dieses Salz
auch, sobald es mit der freien Luft gemeinschaft erhielt, zer-
schmolz so gleich, und wurde zu Waffer. Liegt es nun nicht
am Tage, daß eben daffelbe ein wahrer und ein reiner Wein-
fein fey, der sich in diesen unterirrdischen Töpfen weit beffer
- HON
/
483 «A, K. „F-
von dem Wein absondern könnte, als es in unfern Kellern und
Fässern zu geschehen pflegt. Weil aber die Leuthe nicht wissen,
was es ist, so werffen sie es als eine unbrauchbare Sache weg,
und kaufen den Weinstein von unsern Astrachanischen Kaufleu-
ehen. Dies ist eber nicht der einzige Schaden, den sie sich da-
mit zufügen. Indem dieses Salz nach feiner laugenhaften Na-
tur die Feuchtigkeit der Luft fo begierig an fich zieht, so ge-
fähieht es auch, daß solches indem die Töpfe geöffnet werden,
fchmelzt, in einer flüssigen Gestalt sich wieder mit dem Wein
vermischt, denselben also abermal verunreiniger, feinen Geschmack
verdirbt und feine Dauer verkürzeit. Daher bekommen alle an
der westlichen Küste der Caspischen See gepreßte Weine einen
Zufaz von Oehl oder von der Naphta, welche als ungleich
fchwehrer auf der Oberfläche derselbem schwimmt; wodurch sie
zwar allerdings länger erhalten werden; wodurch aber auch ihr
Geschmack noch mehr verdorben wird. Statt also daß man im
nordlichen Persien die besten Weine und den besten Weinfein
haben könnte, so sind jene meistentheils schlecht, und von dem
Dafyn des letzteren weiß man gar nichts. Um gewiß von der
Sache zu feyn, fo habe ich in Schamachie und nun auch hier
in Mafanderan aus selbst gepflückten Trauben unter meiner Auf-
ficht Weine preffen laffen, und gefunden, daß ich, weil damit
gut zu Wercke gegangen worden, fowohl einen geistigen und rei-
nen Wein, als auch den besten Weinstein gewonnen habe. Worum
ist doch der Astrachanische Wein noch immer in einem so schlech-
ten Ruff? Warum fagt man durchgängig, er werffe gleichfalls
keinen Weinstein ab? Warum schmekt er so falzig? Ich weiß
wohl, daß man dem Erdreich alle Schuld beymifft. Es ist
wahr, unfer Caspicher Sumpf, der weder mittelbar, noch un-
mittelbar mit den Ocean zusammen hängt, und der gewiß
auch in keine unterirrdische Höhlen ausläuft , weiß, wenn
ich so sagen darf, beinahe nicht wo er alle fein Salz hinthun
soll. Salz-Seen find daher um Astrachan herum, ja auf dem
ganzen flachen Lande von Astrachan bis Afrabad fo häufig, als
Naphta - Quellen in den Caukasischen Gebürgen, in welchen ein
unermüdet arbeitender Vulkan feine ewige Werckstätte aufgeschla-
gen hat. Unsere fandigen Steppen ringsum Astrachan und von
dar bis nach Zarizyn zeigen deswegen so oft deutliche Spuhren
eines
«A, H. „Es 481
eines häufigen in Substanz dem Sande beigemischten Salzes,
welches so gar manchmal beim Regenwetter sichtlich wird. In
diefen Steppen lieben auch besonders Pflanzen, die einen falzig-
ten Boden haben wollen, ihren Aufenthalt. Ich gebe also
wegen dieser Umstände zu, daß die Nahrungs-Gefäffe der
Reben auch Salz in sich fehlucken können, ungeachtet daffelbe in
Betracht ihres Durchmeffers ungemein fubtilisiert feyn müste;
und ich will auch glauben, daß der aus den Trauben gepreßte
Wein, durch dasselbe verunreinigt werden könnte. Folgt aber
aus diesem allen, daß man zu einem guten in Astrachan und in
der Astrachanischen Stadthalterschaft zu erzeugenden Wein alle
Hofnung fahren laffen folte? da fonsten das Clima, so dieses
Königreich genießt, ein eigentliches Wein-Clima ist. Wann
der Astrachanische Wein falzigt fähmekt, wie es wirklich an dem
ist, so hat er sein Salz entweder mit feiner Nahrung bekom-
men, oder man hat nicht recht darauf Acht gegeben, ob er
Weinstein absetzt, oder nicht? Meinetwegen können auch beyde
Ursachen daran schuld feyn. Hat der erstere Fall statt, so wird
ein fremdes mit der Natur des Weins nicht übereinkommendes
Salz nach einer wohlbeforgten Gährung besonders, wenn man
den Most während derselben gefrieren läßt, sich eben so gut
absondern, als das Küchenfalz in den hierischen Körpern durch
den Urin feinen Ausgang fucht. Ist aber der letztere schuld,
fezt nemlich der Astrachanische Wein wirklichen Weinstein ab,
und man weiß nicht, daß er es thut, und aufgelößter Wein-
fein verunreiniget denselben abermal wie in Persien, fo muß
man - wann der Wein falzig fchmeckt, die Leuthe, die damit
umgehen, vor Gericht laden, und nicht den Wein. Das ist
aber etwas, was bey Gelegenheit meiner Perfischen Wein - Beob-
achtungen mir einen wohlgemeinten patriotischen Gedanken ver-
anlaßte, den ich bei meinen gegenwärtigen zerstreuten Umstän-
den gar nicht auszuführen im Stande bin. -
Die Schiraßische und Ispahanische Weine werden ins-
gefammt aus Garten- Trauben gepreßt. Die Plantagen besor-
gen die Armenier hauptsächlich: die in Tzufa, auch die Engel-
länder, deren Handlungs-Gesellschaften zu Bendarabaffa noch
gegenwärtig in erwünschtem Flor stehen, geben sich damit forg-
Dritter Theil. P p p fältig
482 •-A, - „F
Mafande-
ranische
Schildkrö-
ten.
von ihrem Leib sichtbar bleibt. Die Schildkröten sind also in Per-
-
fältig ab, und die gute Einrichtung, die sie in Ansehung der
Keller gemacht haben, verhilft ihnen zu folchen Weinen, deren
Besitz sich gewiß kein Perfer rühmen kan. Sie verschiffen fol-
che durch Ostindien nach Europa. Der Mafanderanische und
Gilanische Wein schreibt sich insgesammt von wilden Reben her.
Von dem Schirwanischen und Derbentischen habe ich schon bey
einer andern Gelegenheit gehandelt.
Die Provinz Masanderan ernährt eine unglaubliche Men-
ge Schildkröten, von ganz besondern Gattungen, wie auch von
erstaunlicher Gröffe, daß mir welche zu Gesicht gekommen find, die
über eine Elle in der Länge und über eine halbe in der Breite
hatten. Auch ist ihre Schaale so dick, daß drei erwachsene
Menschen auf derselben stehen können , ohne das in dersel-
ben lebende Thier zu hindern, sich fortzuschieben. In der weit-
läufigen Geschichte der Persischen Thiere werde ich dieser Ge-
schöpfe ausführlich gedencken. Jetzo erinnere ich nur so viel,
daß es Arten derselben gebe, die sich fast fo gern zu Lande als
zu Waffer aufhalten, und in dem letzteren Fall so wohl in den
Gebürgen, als in den Thälern; daß sich diese besonders leicht
zahm machen laffen, und sich fogar auch in diesem Zustand an
ihrer Vermehrung nicht föhren laffen. Insgesammt ist zwischen
ihnen und den Schlangen eine merkwürdige Antipathie. Die
Schlangen fürchten sich wirklich vor den Schildkröten, welches
man doch wegen der Schlangen - List, noch wegen des unbe-
hülfllichen Wesens der Schildkröten nicht vermuthen sollte. Sobald
eine von diesen eine von jenen zu sehen bekommt, sobald schleicht
fie ihr von hinten nach, richtet sich nach ihren krummen Wen-
dungen, fucht sich in dieselbe einzudringen, bemüht sich ihr ei-
nen tödlichen Biß beizubringen, und frißt sie auf. Natürlicher
weise müffen die Schlangen unverfehns überfallen werden; dann
sonst könnten sie allemal einer phlegmatischen Schildkröte durch
ihre Flucht entgehen. Indeffen find ihrer so viele, daß es eine
Schlange gegen viele aufzunehmen hat; und diese können nim-
mermehr zu Schaden kommen, weil sie sich bey der geringsten
Gefahr in ihre Schale also zurück zu ziehen wissen, daß weder
an der vordern noch hintern Mündung derselben das geringste
fien
- -A, - „F- - 483
fien nützliche Hauschiere; dann wann sie auch nicht gleich aller
Schlangen, die sie sehen, habhaft werden, so wird doch keine
Schlange an einen Orth kommen, wo eine Schildkröte vorhan-
den ist: und wie man in der ganzen Welt die Schlangen nicht
liebt, also liebt man sie auch in Persien nicht. Ueberdies aber
find unter den Persischen wirklich einige, die ein tödliches Gift
bey sich führen.
In Masanderan hatte ich auch Gelegenheit vielfältige
Beobachtungen über die Insekten anzustellen, und wann ich in
dem zweiten Theil meiner Reisebeschreibung über die magere
Beschaffenheit der untern Gegenden der Wolga in Ansehung die-
fer Geschöpfe geklagt habe, so konnte ich hier die Mannigfaltig-
keit und die Seltenheit derselben nicht genug bewundern.
Scorpionen find in groffer Menge vorhanden. Der Scorpio-
Italiänische (Scorpio pectinibus octodecim dentatis, Lin. Sylt. NLIN.
nat. 1038. n. 5. ) fieht in feiner Jugend ganz weiß aus, und
nachdem er sich gehäutet hat, manchmal schwarzbraun und öfters
hellroth. Der Orientalische, welchen Hr. Rösel fehr schön ab-
gebildet hat, leidet in seiner Gröffe verschiedene Abänderungen.
Die Italiänische Tarantul (Aranca fubtus aspera pedibus "Tarantule.
tus atro fasciatis, Lin. Syst. nat. p. 1035. n. 35.) die auch
bey Zarizyn und Astrachan zu Hause ist, hält sich an leimigten
und fumpfigten Stellen besonders gerne auf, und gräbt sich auf
denselben senkrecht Höhlen von einem ziemlichen Umfang, den
das Infekt ganz ausfüllt; gleichwohl sind diese Höhlen nicht von
einerley Gröff, und daher die Insekten von dieser Art, auch
nicht gleich groß. Der ganze Leib dieser Tarantul ist mit einer
Wolle bedeckt, an welcher sich die aschgraue und schwarze Farbe
wechselsweise vermischt. Besonders sind die Füße und am aller-
meisten der untere Theil derselben haarigt. Unter den 8. Au-
gen find die 4. Vordere kleiner als die andere, und in einer
Reihe nach der Quer mit einander verbunden. Die 4. hintern
stehen in zween Reihen, und an der hintersten in einer ziemli-
chen Entfernung von einander ab. Der Rumpf dieses Infekts
hat eine längliche Gestalt, ist ungefähr 4. Zoll breit nach hinten
zu abgestumpft, und daselbst in zween Theile gleichsam abgefon-
P p p 2 dert,
484 «A, H. „Fe
dert. Die Grundfarbe desselben ist zwar grau, aber auf beiden
Seiten beobachtet man kohlschwarze Querstreiffen, die in der
Mitte zusammenstoffen. Der Bauch ist fast Kugelrund, asch-
grau, und mit mehr oder weniger fehwarzen Punkten bestäubt.
Unterhalb desselben sieht man 6. weisse fähmahle Querbände von
einer ungleichen gekrümmten Richtung, unter welchen die leztern
die kürzesten sind. Der ganze Unterleib dieser Tarantul ist
Kohlschwarz; die Füße oberhalb grau, unten weiß, und mit
fchwarzen Querbänden gezierer. Die Scheeren fehen gelblicht
aus, und haben schwarze Spitzen. Ich weiß keine zuverläßige
Erfahrung, daß diese Tarantul jemanden mit ihrem Gift fhäd-
lich gewesen wäre, und man nimmt sich daher vor derselben gar
nicht in Acht. Ja bei der Menge, in welcher sie sich sehen
läßt, besonders nach regnerischem Wetter, würde auch alle Vor-
fichtigkeit von keiner erheblichen Würkung feyn. Dannoch aber
ist mir nicht unbekannt, daß die Kalmüken an der Wolga vor
dieser Tarantul bange find, und daß sie einmüthig behaupten
fie fey giftig, aber nur zu gewissen Zeiten des Jahrs, nemlich
im Julius und August, wann die Sonnen- Hitze am stärksten ist.
Dann versammlen sie ihre Schaafe um ihre Kibitken herum des
Tages über, und belegen die Oerther worauf sie gestanden ha-
ben, mit Filze, weil der Schaafsgeruch für dieses Infekt etwas
unerträgliches feyn foll. Sollte etwa die Hitze bey denen selben
eben dasjenige verursachen, was fie oft bey Hunden und andern
Thieren auszurichten vermag? Alle Säfte der Thiere alcalefiren .
im Sommer. Aber es gibt noch eine ganz andere Art von
Tarantuln, die ganz gewiß giftig ist, und fcheerenförmige Fuß-
Spitzen hat. Ich rechne fiel aber nicht zu den Spinnen, fon-
dern zu den Phalangis des Ritters von Linne, und es ist eben
dasjenige Infekt, was die Kalmücken bey Astrachan Bychoncho
nennen. Es ist auch haarigt, besonders an feinen Extremitä-
ten, ungefähr so lang und fo dick, als die italiänische Tarantul,
gelb oder auch aschgrau. Der Rücken desselben ist höckerigt,
vorwärts abgestumpft, und an dem mittleren Rande mit einer
hervorragenden Erhöhung versehen. Die Scheeren fehen dunckel-
gelb aus, und in denselben liegt der giftige Saft verborgen.
Der Bauch ist länglicht, weich und in verschiedene Ringe ab-
gesondert, besonders giebt folches eine Qual für die Kameele ab,
die,
•A, + „ze 485
die, indem sie den Sommer über ihre Haare verlieren, von
demselben grausam behandelt werden. Man beobachtet dabey,
daß der Mastdarm bey den Verwundeten herausfällt, daß alle
Zeichen einer heftigen Entzündung im Unterleibe vorhanden sind,
daß sie dennoch durch kein ängstliches Geschrey die Empfindung
ihres Schmerzens zu erkennen geben, fondern geruhig sitzen und
sich erheben, und daß sich endlich ihre Plage gemeiniglich den
dritten Tag mit dem Tode endige. Auch wann Menschen von
diesem Infekt gebiffen werden, finden sich alle Umstände einer
heftigen Entzündung ein. Die Kalmücken laffen solche Verun-
glückte in Kuh- oder Kameelmilch baden, und geben ihnen dar-
auf den aus derselben abgezogenen Brandtwein innerlich zu trina
ken. ( S. Pl. 53. ). -
Der Tiger heißt in der Persischen Sprache Paleng, und Tiger;
er ist in den waldigten Bergen der Provinz Masanderan ziem-
lich gemein. Er hat vermöge der Gestalt eines Leibes, der in
Betracht der niedrigen Beine allzu lang ist, einer grimmigen
Augen, feiner beständig hervorragenden Zunge, feiner Sprünge,
und feines verlängerten Schwanzes, mit dem Ostindischen Tiger
eine vollkommene Aehnlichkeit, aber er ist weder fo groß, noch so
grausam, als derfibe. Ich habe keinen angetroffen, der länger
als 7. Fuß gewesen wäre, vorne, nemlich von der Nase an
bis zum Anfang des Schwanzes gerechnet, und dieser betrug
dann etwa 2. Fuß. Wenn er nicht gereizt wird, hört man fel-
ten, daß er auf einen Menschen losgehen soll, aber zahm läßt
er sich nicht machen, weder durch Gewalt noch mit Güte. Junge
Tiger gleich von ihrer Mutter genommen, die das erste Jahr
die beste Hoffnung eines veränderten Naturels von fich gaben,
muten nach 14. Monaten oder längstens nach anderhalb Jahr
erschoffen werden, weil sie von der Kette, an welcher fiel ange-
bunden waren, durch den Verlust ihrer Freiheit angetrieben
junge und erwachsene Menschen anfielen, und sie jämmerlich zu
richteten. Das Weibchen wirft im Frühjahr drei bis vier
Junge. Die lange und schwarze Hautflecken find auf einem
weißlichen Grund angebracht. Die Nase und ihre Seitentheile
sind falb und angepflekt. Hingegen die Schläfe, die Stirne
und der Scheitel haben schwarze Flecken. Die Haare des Leibes
P) p p 3 find
486 A, L. „F
find nicht fehr lang, jedoch diejenige, welche die Seiten des
Kopfs unter den Ohren bekleiden, mögen wohl 3. Zoll in der
Länge betrragen , ihre Farbe ist hellfalb , das Ende des
Schwanzes ist schwarz, und der übrige Theil desselben mit
fchwarzen Flecken auf einem weißlichen Grund umgeben. Die
' Brust und der vordere Bauch führen kurze und gleiche
Uuerfreiffen; die Haare auf den Seiten und an der Spitze der
Zähne haben eine weißliche Farbe und find gelb gesprengt. Die
vordere Füße haben 5. und die hintere 14. Man achtet in Per-
fien die Haut dieser Thiere hoch, und gebraucht sie zu Pferde-
F: Ein sehr mittelmäßiges Fell wird zu 3. Rubel ver-
CUft. -
- Von wiederkäuenden Thieren beobachtete ich eine
ziemliche Anzahl.
Der Fisch, das Reh, und der Damhirsch find Ein-
wohner der waldigen Gegenden: jedoch erschienen manchmal alle
drey in den Steppen, und insbesondere das Reh, welches einen
vorzüglichen Geschmack an mancherley Gattungen von Baum-
mofen findet. Man kan eben nicht sagen, daß die Perfer vor
dem Fleisch dieser Thiere einen Abscheu hätten; aber sie fragen
doch auch nicht viel darnach, wie sie sich überhaupt auf der
Jagd, die sie durchgängig lieben, mehr mit dem Herzen der
Schweine abgeben, und jene Thiere lieber wenn sie noch jung
find, lebendig fangen, und bloß zur Luft zu Hauß-Thieren zie-
hen. Eine ganz besondere Gattung von Schaafen, die in der
Gemeinschaft verschiedener Ziegen auf den höchsten Gebürgen Her-
denweise lebt, verdient hier eine genaue und umständliche Anzeige.
Sie heißt in der Persischen Sprache Kotschkui und in der
Türkischen Dachkutsch, welche beyde Nahmen so viel als ein
Das orien wildes Schaaf bedeuten. In der That erfordert es die Be-
talische, schaffenheit der Hörner, und die ganze Gestalt des Leibes, mit
Schaaf welcher dieses Thier versehen ist, daß man es zu diesem Ge-
schlecht rechne: andere Eigenschaften hingegen verlangen, daß
man es als eine eigene Art von denselben, als ein Mittelding
zwischen Schaafen, Hirschen und Ziegen ansehe. Ich nenne es
inzwischen -
Das orientalische Schaaf, und theile folgende Be-
schreibung von ihm mit, mit einer beigefügten, nach der Natur
PE's
•A, H. „F
487
verfertigten Abbildung, welche auf der 55ften Platte vorgestellt
ist, und die letzte Probe von dem Fleiß des verstorbenen Bo-
uriffows war.
Länge des Leibes von der äußersten Spitze der
Schnauze bis zum Anfang des Schwan-
zes in gerader Linie gemeffen - -
– des Kopfs s: s - - - -
– des Halfes - - s - - -
– des Rückens - S - - - s
– des Schwanzes - s - - *
– der Schenckelbeine - - - - -
– der Schienbeine s is a s -
– der Fußsohlen - - - - - *
– des vordern Arms - - - - -
- des hintern Arms - - - - -
– der Hände s: s s = =
– der Hörner - s s - - -
Umfang des Kopfes bei den Augen gemeffen
Schuh.
– des Halses unterhalb des Kopfes - -
–– – – bey feinem Ende - - -
– des Leibes bey den Armen - - -
– – – in der Mitte - - - -
– – – bey den Füßen - - -
Länge des Mundes - - - - - -
Weite der Mundes - Oefnung - - - -
Länge des Kinns - - s - - -
Breite – – - - - - - - -
Länge der Naselöcher - - * - - -
Breite – – - - - - - -
Abstand - - - - - - - -
– – – von den Augen. - -
Länge der Augen - - - - - -
Breite – – - - - - - - -
Abstand - - s - S - - S
– – – von den Ohren * - -
Länge der Ohren g s - - -
- P
Breite - - - s - - -
Zoll. Linien,
I
O
438 -, F. „Es
- - - - Schuh Zoll. Linien.
Abstand Hey Ohren S s s s s a) O 5 O
Breite des Kopfs zwischen den Naflöchern
- und den Augen - - - - - -| o | 2 | 5
– des Kopfs vorwärts hinter den Naflö-
chern gemeffen - - - - - -| o | | | 9
– des Kopfs bey den Augen - - - o | 2 | 7
– der Hörner bei ihrem Anfang - | o | 3 | 0
– – – oberhalb bey ihrer Mitte - o | o | Io
– – – bey ihrem Ende - - -| o | 9 | 5
– der Hörner an den Seiten bey ihrem
Anfang s s z- - - s d sl. O 3 | 2
– der Hörner an den Seiten bei ihrer
Mitte - - - - - - - - O 92 | II
– der Hörner an den Seiten bei ihrem
Ende - - - - - - - - 0 | 0 | 8
– des Hinterkopfs vorwärts der Ohren - o | 3 | 8
– der Schlüffelbeine vorwärts - - - o | 8 | 9
- – – – in der Mitten - - O | 7 | O
– – – – hinterwärts - - -| 9 | 4 |10
– der Schaamknochen vorwärts - -| o | 8 | o
– – – – in der Mitte - - O 6 | 4
– – – – hinten - - - O | 5 | I
Abstand zwischen den Vorder- und Hinter-
Füffen - s --- - - s - I 4 | 6
Länge der Klauen - - - - - - -| o | 2 | o
Breite – – S - - s -| O I 8
Der Kopf dieses Thiers ist länglicht, und man betrach-
tet ihn füglich nach einem vordern und nach feinem hintern
Theil, der durch die an dem Wirbel befestigte Hörner abgefon-
dert ist. Der vordere Theil erstreckt sich von der Stirne bis
zum äußersten Ende des Mundes, und der hintere Theilendigt
sich mit dem Hinter- Kopf, an dessen beiden Seiten die Oh-
ren stehen; den mittlern Theil oder die Scheidewand macht
also der gehörnte Wirbel aus.
-
Der
N, H. „F- 439
Der vordere Theil ist bey feinen Anfang zusammenge-
drückt und breit, oder um mich beffer auszudrücken, das Orien-
talische Schaaf hat eine platte Stirne, welche unterhalb den
Augen und unweit des vordern Winckels derselben mit zwoen
länglichten ziemlich tiefen und ungemein haarigten Höhlen verfe-
hen ist. Da, wo die Stirne aufhört, verengert sich der Kopf
in den Nas- Knochen, wird conver, spaltet sich in die beyden
Naslöcher, und läuft in den Mund aus, der einen runden
Umfang hat.
An den beyden Rinnladen des Mundes beobachtet man
zahlreiche Bart - Haare. Es giebt unter ihnen groffe, kleine,
und mittelmäßige. Einige sehen weißlich, und andere schwärz-
lich aus. Sie find gerade, borstenförmig und ohne eine regel«
mäßige Lage geordnet. Die Oefnung des Mundes ist ziem-
lich weit; Hunds-Zähne sind nicht vorhanden. Von Schneide-
Zähnen befinden sich in der untern Kinnlade 8., die alle platt
find, und von denen auf beiden Seiten der Aeufferte der kleinste
ist, und der darauf folgende etwas kleiner als die übrigen.
Die Zahl umd die Gestalt der Stockzähne, verhält sich wie
bey unfern gemeinen Schaafen. Die Zunge ist verlängert breit,
dick, nach hinten zu mit zahlreichen rauhen Wärzgen betreut,
und nach vorne mit Borsten besetzt , die auch rauch find.
Die Naslöcher find bloß an hintern verdickten Theil
einwärts zurückgeschlagen; und haben eine schwarze Farbe. Der
zwischen den Naslöchern und dem Kinn befindliche fleischichte
Theil ist in der Mitten mit einer deutlichen Furche ausgehöhlt.
Die Augen find fehr groß, rund, und an den Seiten des Kopfs
hinter den Hörnern befindlich. Der Augenstern ist kohlschwarz
und der Augen - Regenbogen himmelblau. Die Mikhaut
führt eben diese Farbe und ist ziemlich dick.
Der Widder allein von dieser Thier-Art prangt mit
Hörnern. Sie sind gerade, zusammengedruckt, hohl, spiral-
förmig rückwerts gebogen, und an ihrem ganzen Umfang mit
erhöheten in die Quere lauffenden Ringen: ihre Breite sowohl
als ihre Dicke nimmt mit den ermeldten Ringen nach und nach
ab, und um ihre äußerste Spitze find sie daher ungemein dünn
und scharff. Ihre Farbe fällt vom weißen ins dunckelbraune.
Dritter Theil. Q q q Die
490 •A, „F-
Die untere Gegend der Augen wird mit borstenähn-
lichen ungemein steiffen geraden und kohlschwarzen Haaren, wel-
che länger als die Bart-Haare sind, besetzt. Der Hinterkopf
ist ungemein höckerigt.
Die Ohren find aufrecht und beweglich.
Der ganze Kopf ist dick mit Haaren besetzt, die eine
weißliche Farbe haben, und nur an dem untern Theil des Kinns,
da, wo die Bart - Haare stehen , etwas dunkelgrau und
gelblich. Sie sind anfänglich ungemein abgekürzt, werden aber
immer länger, je näher sie sich bei dem Halse befinden, und
zuletzt stellen sie einen ordentlichen Büschel vor. In diesem Zu-
stand sind sie auch viel steiffer als an dem vordern Theil des
Kopfs, ja von Schweinsborten fast gar nicht unterschieden,
Die an dem obern Kopf vorwärts vor den Hörnern befindlichen
Haare fallen von einer dunkelrothen Farbe in die weiße, mit
dem Unterschied, daß die weiße Farbe in der Gegend von der
Stirne an, bis zur Spitze des Mundes am merklichsten ist;
fo daß von den Augen auf beiden Seiten nach dem Munde zu,
ein breites Band auslauft, welches beinahe ganz dunckeroth
aussieht, und wo die Haare nur mit einer weißen Spitze ver-
fehen werden, und daß endlich an der Stirne selbst die röthliche
Farbe die Oberhand bekommt. Auch da sind die Haare dicker,
als an dem obern und vordern übrigen Kopf, und eben daselbst
find sie auch etwas länger. Der Wirbel und der Hinter-
Kopf sind angenehm roth, die Haare dick, durchaus wie bey
dem Hirsch und bey dem Reh gestaltet. Die Ohren führen
aufferhalb ganz weiche, kurze, und aschfarbene Haare, gerade
wie das Eichhorn aussieht, wann es in seinem Winterhabit er-
fcheint ; inwendig sind sie gegen ihrer Mitte von Haaren
entblößt, auf beiden Seiten aber, werden sie mit weißen, in
ganzen Büscheln, bedekt.
Der Hals des Orientalischen Schaafs ist kurz und dick.
Der Rücken mäßig dick, und hinterwärts erweitert. Kein Ey
ist dem andern ähnlicher, als Hirsch-Haare und die Rücken-
Haare dieses Schaafs. Sie sind nemlich oberhalb röthlichgelb,
- / … Untete
-
- -
•A, H „se 49
unterhalb weißlich, weich und dichte. Merkwürdig aber ist,
daß wie bey dem Bock, also auch bey diesem Thier ein gewal-
tiger Bart-Busch von dem Kinn nach den Vorder-Füfen,
herabhängt, der aus ungemein langen, feiffen, fchwarzen oder
weißlichen, und nur mit einer schwarzen Spitze verfehenen Haa-
ren, besteht. Und dieses muß ich auch noch erinnern, daß ein
groffer Theil von der Gegend unter den Schulterbeinen aus Haa-
ren besteht, die halb weiß und halb schwarz sind, die an der
Haut fest und dicht auffizen und eine geringere Länge haben,
als die übrigen.
- Die Schulterbeine, die Schenckel, der Vorder-Arm,
und das Schenckelbein, sehen aus wie der obere Theil des
Leibes. Der untere Arm aber, und das Schienbein, wie der
untere; etwas aschgraues ist hier und da, mehr oder weniger
bengemischt; und die röthliche Farbe läßt auch manchmalen noch
den hintern Füssen deutliche Spuhren von ihrer Gegenwart
licken. - -
In Ansehung der Füße und der Klauen habe ich bei
dem Orientalischen Schaaf gar nichts zu erinnern, indem dies-
falls eine folche Aehnlichkeit zwischen ihm und unterm Hausschaaf
herrschet, daß es, wann sie von beiden Thieren verwechselt wer-
den follten, schwehr fallen würde einen Unterscheid zu finden.
Mit den Brüsten bei dem Weibchen hat es eben die
felbige Beschaffenheit. Aber die innere Bildung der Theile,
kommt mehr mit der Ziege ihrer überein.
In der Leber befinden sich gemeiniglich auch viele kleine
Würmer.
Das Orientalische Schaaf hat ein anderes Naturell als
das unsrige. Wann dieses voller Sanftmuth ist, wann es sich
fowohl aus Unvermögen als aus Vorsatz nicht getraut, im Fall
der Noth diejenigen Kräfte anzuwenden, die die Natur ihm ver-
liehen hat; so ist hingegen jenes behender, beständig zum Streit
bereit, doch so, daß bei aller seiner kämpferischen Begierde das
furchtsame Wesen sich dennoch äußert. Die Streit - Uebungen
mit denen es sich abgibt, erstrecken sich auch nicht weiter, als
- - Q q q 2 auf
492 •2. - -
auf andere Kammeraden von feinem Geschlechte; unter diesen
aber scheint ein jedwedes privilegiert zu feyn, dem andern den
Krieg anzukündigen. Ehe fiel auf einander loßgehen, bücken fie
erstlich den Kopf nieder, endlich kommen sie näher zusammen
und foffen sich. Ich bin auf einer Stelle gewesen, wo derglei-
chen abgefallene Hörner das Erdreich fast bedeckt hatten. Und
ich weiß von Augenzeugen, daß sich der Kampf zwischen zweyen
folchen Thieren fehr oft nicht anders endigte, als mit dem Tode
des schwächern Theils.
Das Orientalische Schaaf hält sich nirgend anders auf,
als auf den höchsten Gebürgen. Es begiebt sich niemals in
das Vorgebürge, geschweige auf das flache Land. -
Man jagt es auf eben dieselbe Art wie die Hirsche und
Rehe, aber fo umgänglich unser Schaaf mit dem Menschen ist,
fo sehr es sich an denselben gewöhnt, fo verschiedentlich fürchtet
fich hingegen das Orientalische. Es läßt sich auf keinerley Are
und Weise zahm machen, fondern, wann es seine Freiheit ver-
lohren hat, verlangt es auch weiter nicht zu leben, und stirbt
gemeiniglich nach wenigen Wochen. Der Widder ist in andert-
halb Jahren und das Schaaf in einem Jahr zur Fortpflanzung
fähig. Die Zeit der Begattung geschieht im September und
die Brunst dauert einen Monath. Man weiß nicht, daß sich
diese Thiere zu einer andern Jahres-Zeit mit einander belauffen
follten. Das Weibchen setzt im März 2. oder 3. Junge.
Es fehlt auch denjenigen Gebürgen, wo sich diese
Thiere aufhalten an einer Menge schmackhafter Kräuter nicht:
fie sollen aber auf die Baum-Moofe am erpichtesten sein. Ihr
Fleisch ist ein wahrer Leckerbissen. Ihre Wolle aber von
fchlechtem Werth. Sie werden nicht fo fett als unfre Hauß-
Schaafe, geschweige wie die Barbarische mit breiten und lan-
gen Schwänzen, und bringen ihr Leben auf 12. bis 14. Jahre.
Mein Onckel, J. G. Gmelin schreibe in dem 1sten
Theil feiner Sibirischen Reisebeschreibung pag. 368. und folg, auch
von einer Art wilder Schaafe, die auf Mogolisch Argali ge-
Mann
«A, H „A- - 493
nannt werden, und ich erinnere mich dieser Beschreibung lange
nachdem ich die Nachricht von den Perfischen wilden Schaafen
abgefaßt hatte. Es ist also gut, daß die Erzehlung von einem
fo besondern Thier wiederholt worden ist, das sonsten Gefahr
kauffen könnte, gänzlich verlohren zu gehen.
Die Schaaf mit breiten und langen Schwänzen, von
denen ich im zweiten Theil meiner Reisebeschreibung gehandelt
habe, find in ganz Persien die gewöhnlichste Arten: unfre ge-
meine Europäische aber, trifft man dafelbst nicht an. Dies ist
jedoch nicht hinlänglich die Gattungen mit Grund zu vervielfäl-
Ligen.
Es ist bekannt, daß der bey den Aerzten fo berühmte Be
2Bezoar aus den Morgenländischen Gegenden kömmt. Bezoar
in der Perfischen Sprache Pafahr, und man kan leicht
greiffen, wie aus diesem letzten Wort das unfrige entstanden
sein möge. Man weiß aber, daß diese Materie nichts anders
als eine zu Stein gewordene Verhärtung gewifer in dem Ma-
gen einer besondern Ziege erzeugter, schon zum voraus ungesün-
der und träger Säfte fey, die fich nach und nach anhuuffet,
nach den Gesetzen der Krystallisation zusammenwächst, und nach
der Verschiedenheit des allerersten Ansatzes verschiedene Gestalten
annimmt. Die Ziege, welche den Bezoar liefert, heift im Per-
fischen Pateng und ist Kämpfers Cagricerua. Amoen. exot.
ff. IF pag: 3ps: fg. s. Herr Briffon nennt sie Gazella Be-
zoardica, oder Hircus, cornibus teretibus, rectis, ab imo ad
fummum fere annulatis, apice tantummodo laeui, quadrupeda.
O. / gg. m. n. und bey dem Hn. von Linne hat, fiel den Nah-
men, Capra, cornibus teretibus arcuatis totis annulatis, gula
barbata. Suf. nat. tom. I. p. 96 m. .
- Diese Ziege ist ungefähr so groß, als unfte Haußziege,
aber nicht so hoch, ja noch etwas niedriger als das Orientali-
fche Schaaf. Die Hörner haben fast 2. Fuß in der Länge,
find hoht, nach oben zu gerichtet, mit Ringen versehen, die in
dem Alter des Thiers unmerklich werden, an den Seiten zu
fammengedrukt, in der mitte. Nachenförmig ausgehölt, fehrfark,
glatt und leberfarben. Die Gestalt des Kopfs kommt mit un-
Q q q 3 frer
zoah
494 . •A, 2: „F-
fer Ziege überein, vorwärts sieht derselbe schwarz aus, an den
Seiten röhlichgrau mit etwas schwärzlich vermischt, hinterwärts
aber bedecken denselben röthliche ' untermischter afh-
farbe. Die mit einem ziemlich langen Bart versehene Kehle
ist kastaniengelb, und fällt etwas ins schwärzliche. Die Haare
des Leibes sind grauröhlich. Oberhalb auf der Mitte desselben
erstreckt fich von dem Hals an bis zu dem Anfang des Schwan-
zes ein nach der Länge lauffendes kohlschwarzes Band, welches
anfänglich ziemlich breit ist, und sich nach und nach verschmäh-
lert. Auch der Schwanz ist schwarz und von mittelmäßiger
Länge und Dicke. Es sind mir verschiedene Weibchen gebracht
worden, und ich habe bey keinem eine Spuhr von Hörnern ent-
decken können. Das Thier liebt die erhabensten Felsen auf den
höchsten Gebürgen, zu seinem Auffenthalt, lebt Heerdenweise mit
Thieren von seiner Art und dem Orientalischen Schaafe zusam-
men, ist überaus furchtsam, ungemein flüchtig, wird im Herbst
läuffisch und bringt im Frühling seine Jungen zur Welt.
Nicht in allen Patengs findt man den Bezoar. Es ist
ein feltenes Beyspiel, ein Glück, das man nicht genug zu schä-
zen weiß, wann in einer oder der andern dieser Stein angetrof-
fen wird. Die Einwohner des Nordlichen Persiens behaupten
einstimmig, daß alle Erzehlung von Ziegen, die bey ihnen und
in ihren Gegenden Bezoar gegeben haben sollen, erdichtet feyn.
Nur in dem innern Persien und besonders in den Provinzen
Laar, Chorafan und Kandahar soll es Ziegen von dieser Art
geben, die den Bezoar in sich erzeugen, und auch da heißt es,
treffe man fehr viele Individuen an, die davon befreit bleiben.
Die Böcke sind, wie man mich versicherte, der Krankheit mehr
unterworffen, als die Ziegen, und alte Thiere mehr, als junge,
Man will denselben auch von auffen ansehen können, ob sie
Steine in sich haben oder nicht. Sonsten stelle ich mir die Er-
zeugung derselben nicht anders vor, als ich mir die Gegenwart
der Steine in der Harn- Blase begreiflich mache. Wahre Be-
zoar-Steine müffen bläulich oder grünlich aussehen, und diese,
die mir von einer solchen Farbe gezeigt worden, hatten alle ei-
nen fo angenehmen durchdringenden Geruch, daß man wirklich
vermuthen möchte, es wäre in denselben vieles von der Kraft
- - der-
•A, - „se- 495
derjenigen Pflanzen enthalten, die zur Nahrung der Thiere ge-
dient haben. Ich will für den Bezoar und die bezoardische
Arzneien gar keinen Advokaten abgeben. Indeffen find doch in
der Geschichte, die davon handelt, so viele, und von so vielen
Menschen aufgezeichnete Nachrichten vorhanden, welche alle die
fürtreffliche Eigenschaften des Bezoar auf das nachdrücklichste er-
heben; und in Persien behauptet er noch feinen Ruhm bis auf
den heutigen Tag. Wäre es dann nicht möglich, daß der wah-
re Bezoar dasjenige Lob verdiente, fo man ihm ehmals beyge-
legt hat, und könnte man nicht glauben, die Ursache, warum
er folches verlohren, fey den erstaunlich vielen verfälschten Be-
zoar-Steinen zuzuschreiben, die als wahre nach Europa gebracht
und verkauft worden? Nirgend versteht man die Kunst zu be-
triegen fo gut, als in Asien. Ein Morgenländer darf nur wif
fen, daß eine Waare begierig gesucht wird, fogleich weiß er
Mittel ausfindig zu machen, einer andern Sache den Schein
der gesuchten zu geben, und also feine gewinnsüchtige Begierde
zu befriedigen.
Wie emsig trachtete man nicht zu Ende des vorigen
Jahrhunderts und zu Anfang des jetzigen nach dem Bezoar?
Wäre es wohl möglich gewesen, daß alle morgenländische Zie-
gen zufammengenommen, das Verlangen der Europäer befriedi-
get hätten? Wäre es möglich gewesen, da wir nun wissen, daß
fehr wenige von ihnen diese Materie in fich erzeugen? Brachten
wir also die Morgenländer nicht felbst auf den Gedancken, uns
von dem Bezoar etwas zu schicken, das nur wie Bezoar aus-
fahe? Konnten sie zu diesem Ende nicht gar leicht andere in
andern Thieren erzeugte Verhärtungen verkauffen? Konnten sie
wohl nicht gar durch die Kunst eine bezoardische Materie ver-
fertigen? Und mufen wir nicht annehmen, was man uns gab ?
Aber so fiel vielleicht der Credit des Bezoars, und also nicht
durch feine Schuld. Weil viele zu ihrer Zeit berühmte Aerzte
den Bezoar gelobt haben; weil er im Morgenland noch gegen-
wärtig gute Würkung thut, und weil diejenige Steine, die ich
als ächt befunden habe, von einem durchdringenden und daher
in der That eine würkfame Eigenschaft verrathenden Geruch wa-
ren, fo wollte ich lieber also mutmaßen, als frey
Weil
496 «A, H „s-
weil der Bezsar gegenwärtig dasjenige nicht mehr thut, waß
er ehmals gethan hat, so habe er niemals nichts gethan, und
könne nichts thun. Die Kunst, den Bezoar in Persien zu ver-
fälschen oder andere hierische Steine dafür auszugeben, ist gäng
und gebe: merkwürdig dünckt mich aber, und es zeigt einen
ziemlich weit gekommenen betriegerischen Geist an, daß ein ver-
fälschter oder falschangegebener Bezoar daselbst nicht wolfeiler
verkauft wird, als der wahre. Die Probe eines ächten will
man daraus abnehmen, wann der Bezoar auf die mit Asche
besträute Hand gerieben, einen gelben Flecken nachläßt.
Unser Hauß-Bock ist in Persien auch wild, und lebt
gleichfalls auf den Gebürgen. Man findt in feinem vierten
Magen ebenfalls Steine, die vor Bezoar ausgegeben werden.
Aber unter den fälschlich angegebenen sind keine berühmter, als
die das Thier Ahu liefert. -
Ich rechne daffelbe wegen seiner Gestalt und Oekonomie
zu dem Hirsch - Geschlechte, ungeachtet ich gestehen muß, daß
ich feine Hörner nicht gesehen habe. Und jetzo gebe ich über-
haupt nur diejenige Beschreibung von ihm, die mir feine jugend-
liche Beschaffenheit verstattet; da ich es ganz jung bey mir et-
liche Monath lang erzogen , und erst auf meiner Rückreise
nach Rußland durch ein ungestümmes rauhes Wetter, so den
jungen Ahu nicht gefallen wollte, verlohren habe.
Das Thier war von der äußersten Schnauze bis zum
Affer 2. Fuß 8. Zoll und 6. Linien lang. Die Höhe bey den
Vorder-Füfen betrug 1. Fuß 11. Zoll, bei den Hinter - Füf
fen aber 2. Fuß und 2. Linien. Die größte Dicke des Leibes
mochte etwan 1. Fuß ausmachen. Der Kopf war ablänglicht,
ganz und gar wie des Hirsch feiner gestaltet, und alle Haare
deffelben fielen vom dunckelgrauen ins schwärzliche: Nach vorne
zu endigten fiel sich mit weißen und nach hinten zu mit gelben
Spitzen. Weiß fahen die Seiten-Theile des Kopfs aus,
diejenige Gegend, welche die Hörner aufnimmt, und diejenige,
welche zwischen denselben und den Augen befindlich ist; nur war
etwas weniges gelbes an der Gegend der Hörner selbst und#
• (-/-d 49)
fchen den Augen beigemischt. Die Spitze der Schnauze war
fumpf, blos und warzigt. Die Warzen hatten eine vierckigte
und Rhomboidal-Gestalt, in der Mitte waren sie durchlöchert.
Die Ulaflöcher waren auch bloß, und beschrieben einen halben
Zirckel. Hinter denselben hatten die Seiten des Kopfs eine
fchwarze Farbe. Mittelmäßig groß befand ich die Oeffnung des
Mundes. Die obere Kinnlade ragte etwas über die untere her-
vor. In dieser befanden sich von Schneide- Zähnen an der
Zahl 8., platte, an ihrer äußersten Spitze eingekerbt, davon
auf beiden Seiten die äußerten die kleinste und schmählte wa-
ren, die übrigen in beiden Verstand Stuffenweise zunahmen,
der dritte auf beiden Seiten der allerlängste und die zween Mit-
lere die allerbreiteste waren. Den Rand beyder Kinnladen be-
fetzten ringsum zahlreiche Warzen, die gegen den Rachen zu fich
vergrößerten und zusammenfloffen. Die Zunge hatte eine röth-
liche Farbe, war fieifähigt, länglicht, ungemein stumpf, an ih-
rem ganzen Umfang mit merklichen Querfurchen und mit zween
in die Länge lauffenden Linien versehen, die jedoch nur gegen die
Spitze ihren Anfang nahmen, ziemlich tief lieffen, eine gerade
Richtung hatten, und sich nimmermehr mit einander vereinigten.
Sonsten war die Zunge glatt; und nur an ihrer hintern Grund-
lage rückwärts berührt, rauch anzufühlen. An den glatten Gau-
men bemerkte man auf beiden Seiten gewisse kleine fehr erhöhte
milchfarbene Querkörperchen von gleicher Gröffe, die in die Länge
ausgedehnte Zungen-Wärzchen vorstellten, und vermuthlich auch
eben dieselbige Verrichtung thaten. , Die Maflöcher sind 7.
Linien lang, 3. Linien breit, 10. von einander, und 2. Zoll von
den Augen abstehend. Die Augen fnd sehr groß, länglicht,
bey dem Leben des Thieres funckelnd. Der Regenbogen und
der Stern vollkommen zirkelförmig. Jener fattdunckelgrau,
und dieser vom bläulichen in das kohlschwarze fallende. Die
Nikhaut violet. Die übrigen Häute fchneeweiß. Die Länge
der Augenhöhlen beträgt 1. Zoll und 2. Linien, die Breite 6.
Linien; 2. Zoll und 3. Linien find beyde Augen von einander
entfernt, und dritthalb Zoll ist der hintere Augenwinckel von dem
vordern Winckel der Ohren abgesondert. Die Ohren sind ge-
rade, beweglich und dick mit Haaren besetzt. Diese Haare find
an der vordern Seite kurz, schwärzlich, und laufen in eine
Dritter Theil, F weiß-
498 •A, J. „F
- - -
weißliche Spitze aus; an der hintern hingegen fehr lang, sehr
dick, und entweder schneeweiß oder weißlichgelb. Die Seiten-
theile der Ohren biegen sich mit ihren Ränden nach innen zu,
ihre Spitze ist stumpf, und schmahl: ihre Länge ist 1. Zoll,
und da wo sie am breitesten find, nemlich in der Mitte, betra-
gen sie 3. Zoll, 1. aber und 9. Linien sind sie von einander
abgesondert, und abermal einen scheinen die von mir bemerkte
Ansätze der Hörner unter fich abzustehen.
Die Haare, welche sowohl die Ober- als Unterfläche
des Leibes bedecken, find kurz, steif, und nicht wie bei den Zie-
gen gekraußt , über die Hälfte aschfarben. An dem obern
Rücken und dem obern Hals mit Kastanien- oder gar Po-
meranzen - gelben Spitzen, an der Brust aber und dem Bauch
mit mattgelben Endigungen versehen. Einen Schwanz hat die
fes Thier nicht, wohl aber neben dem Affter eine ziemliche dicke,
- häutige Warze. Der Affer hat eine vollkommen zirkelförmige
Gestalt, und an der Mündung desselben beobachtet man, wel-
ches Kennzeichen gar fonderbar ist, auf beiden Seiten einen
fchneeweißen, breiten, sich bis an die Schenckelbeine erstreckenden
Flecken, der 2. Zoll in der Breite hat, und fast noch etwas
länger ist. Die Vorder- Füße sind länger als die hintern,
beide sehen oberhalb wie der Rücken, und unterhalb wie der
Bauch aus. Die Füße sind zweyklauig. Die Klauen schwarz,
löchericht, und halbmondförmig, 1. Zoll und 3. Linien lang und
11. Linien breit: jedoch die äußere etwas länger als die in-
mern. An den Augen des Ahu befand sich eine gedoppelte
Reihe von Barthaaren. Eine war an dem obern Augenliede,
und die andere an dem untern angebracht; beyde aus feiffen,
fchwarzen, geraden, fadenförmigen, bald groffen, bald mit-
telmäßigen Borsten zusammengesetzt. Andere Barthaare be-
merkte man an den gedoppelten Seiten der beyden Kinnladen;
und zwar solche in verschiedenen Reihen geordnet, aber der
ganzen Beschaffenheit nach wie bey den Augen gebildet, dichter
neben einander, waren allezeit die kleinere, und an den Untern-
Kiefer fahe sie gewöhnlicher weiß aus. Gelb waren die Augen-
braunen, schwarz die Haare der Augenlieder; zwischen deifen
und den Augen bemerkte man einen nachgebliebenen bloffen fatt-
dunkelgrauen Rand. -
Der
A, § „F- 499
Der Ahu lebt auf den höchsten Mal anderanischen und
Gilamischen Bergen gemeinschaftlich mit dem Orientalischen
Schaaf, mit der Europäischen und Bezoardischen Ziege. Aus
einem von dem verdienten Hrn. Profeffor Pallas erhaltenen
Brief vermuthe ich, dieser Ahu fey fein Ceruus pygargus,
annoch aber habe ich den ersten Theil seiner Reisebeschreibung
nicht erhalten.
Auf die hier voranstehende Beschreibung groffer vierfüßi-
gen Thiere mögen ein paar ganz kleine diese Nachrichten be-
fchlieffen.
-
Sorex puflus.
( S. Pl. 57. 1. ) -
Ich habe diese Art von Spitzmäufen schon in den Der-Zwo Mäu-
bentischen Steppen angetroffen, nun kam sie mir auch hier vor, f-Gattun-
und grub sich Höhlen auf Art der Kaninchen. Ihre Länge be- gene
trägt von der Spitze der Schnauze bis zum Anfang des
Schwanzes auf 3. Zoll und 7. Linien; die Schnauze selbst ist
nur 3. Linien lang. Der äußerste Theil der Schnauzen-Spitze
steht von dem vordern Winckel der Augen 4. Linien ab, 1. Li-
nie find folche lang, 3. breit, und 2. von einander entfernt. Der
hintere Augenwinckel ist von dem vordern der Naselöcher 2. Li-
nie entfernt. Die Ohren haben im Durchmesser der Länge nach
2. Linien, und der Breite nach eben fo viel, und von einander
fehen fie 4. ab. Zwischen dem hintern Winckel der Naselöcher
ist bis zum Anfang des vordern Arms ein Abstand von 3.
Linien, und von dem vordern Arm bis an die Schenckelbeine
ein anderer, welcher 1. Zoll. 2. Linien beträgt. Der Kopf ist
10. Linien lang. Der Hals mit dem Rücken 1. Zoll 3. Linien,
Und der Schwantz 1. Zoll 1. Linie.
Die Nase dieses Thieres ragt über die untere Kinnlade
gleich einem Rüffel hervor, ist spitzig, und von 2. Nafelöchern
durchbohrt, die vermittelt einer in der Mitte befindlichen Fur-
che von einander unterschieden werden. Die Barthaare fallen
von der weißen Farbe in die dunkelgraue; die vordere find kurz
- - R r r 2. . . " - und
500 «A, K. „Es
und die darauf folgende werden nach und nach größer. Die
Ohren haben eine runde Figur, und an dem äußern Rand find
sie eingebogen. Von Schneide-Zähnen gibt es in der obern
Kinnlade zwey lange, einer Schuhpfrieme ähnliche und zugespitzte,
in der untern hingegen 4. neben einander geordnete, kurze,
fumpfe, und gleichsam abgeschnittene. Von Hunds-Zähnen
hat der obere Kiefer 3., davon der erstere länger ist als die
übrige, der untere hingegen nur 2. Von Stockzähnen find oben
und unten und auf jeder Seite 4. vorhanden.
Der obere Leib dieser Spitzmauß sieht oberhalb dunckel-
grau, und unten aschfarben aus. Die Vorder- und Hinter-
füffe sind mit 5. Zehen verfehen. Den Schwanz besetzen auf
beiden Seiten weißlichte Haare. -
Mus micruros.
( S. Pl. 57. 2. )
-
Zollinien,
Länge von der äußersten Schnauße bis zum Anfang
de8 Schwanzes S - - S - - + 3 3
– des Schwanzes - - - - - - - 0 | 6
– der Schnauze - - - - - - o | 1
– des Kopfs s - - - - g - O I1.
– des Halses - s - - - = --- - O 7
– des Rückens bis zum Anfang des Schwanßes | 1 | 1
– von der äußersten Schnauze bis zum vordern
Winckel der Augen - - - - - | 0 | 3
Durchmesser der Augen in der Länge - - - o | 1
– – – – – – – Breite - - - o | 1
Abstand der Augen - - - - - - -| o | 3
– – des hintern Augenwinckels bis zum vor. "
dern der Ohren - - - - - - -| 0 | 4 *
Durchmesser der Naselöcher in der Länge - - -| o | 4
Breite - -| o | 4
Länge von der äußersten Schnauze bis an die Vor-
der-Füffe - - - - - - - - - 9.
– von der äußersten Schnauze bis an die Hinter-| |
üffe O - - - - - - - - -l 1
| To
- Aller-
A, B „R- - ger
Allerdings fehen die Zähne bei dieser Maus eben so
aus, wie sie bei den Mäusen auszusehen pflegen: der Leib fällt
vom afhfarbenen oberhalb ins dunkelgraue, und etwas gelblich-
tes mischt sich dabei mit unter; unten aber fehlt er gräulicht-
weiß aus, doch fo, daß alle Haare von ihrer Grundlage an
bis nach ihrer Spiße schwarz find. Der Kopf ist ungemein
kurz, und endigt sich mit einer stumpf auslaufenden Schnauße,
deren Naflöcher ganz klein, rund und zwischen ihrer Mitte mit
einer Furche versehen sind, die gerade an den Schneidezähnen
der obern Kinnlade ihre Endfchaft erreicht. Die Barthaare
haben die Farbe des Untern-Leibes; unter ihnen aber sind die
Vordere am kleinsten, und die Größe der übrigen erhebt sich
fuffenweife. Bloß sind die Augenlicder: der Stern und der
Regenbogen sind schwarz, länglich aber die Oefnung der Augen.
So klein diese Maus ist, so hat sie doch ziemlich groffe Ohren,
von einer abgerundeten länglichen Gestalt, und sind stark haaricht.
Die vordere Füße haben 4., und die hintere 5. Zehen. Ihre
Nägel sind spitzig, und auf beiden Seiten haaricht. Gar zu
kurz ist der Schwanz dieser Maus, auch wieder ringsum mit
Haaren besetzt. Selbst die männliche Ruthe endiget sich mit
einer Borte. Der innerste Zehen ist unter allen der kleinste.
Der Wind war uns auf der Reise von Medfhetissär
nach dem Enzellischen Hafen, allwo ich wieder anlanden mußte,
um meine daselbst befindliche Gesellschaft wieder zu mir aufs Schiff
zu nehmen, weder günstig noch zuwider, dann wir hatten gar
keinen, und das verursachte, daß mir zu Vollendung meiner Reife,
welche man fonsten in ein- oder zweimal 24. Stunden zu thun pflegt,
12. ganzer Tage nöthig hatten. Die Hoffnung also, welche ich bei mir
noch immer unterhielt, nach Astrachan in diesem Jahr zurück zukeh-
ren, verschwand nun gänzlich. Dann nach Kayferlichen Befeh-
len darf kein Schiff nach dem ersten November die Gilanische
Hafen verlaffen, der Ursache aber, welche einen folchen Befehl
veranlafft hat, habe ich schon gedacht. Ich beschloß daher den
Rest dieses Monaths, den December und den Jenner in Enzelli
zuzubringen. Nachdem ich in diesem Hafen angekommen war,
wurde mein Gemüth durch neue traurige Begebenheiten in eine
abermalige Verlegenheit gesetzt, dann ich vernahm, daß wäh-
- - R r r 3 rend
502 «A, H. „F-
Enzelli.
rend meiner Masanderanischen Reise der wackere Student Klu-
tfcharew und der Ausstopfer Kotow das Zeitliche gesegnet
hatten, und heftige hitzige Fieber sollen an dem zu frühzeitigen
Schicksal dieser Leuthe schuld gewesen feyn. Ich verlohr durch
diesen unerwarteten Zufall nicht nur ein paar tüchtige und nöthige
Leuthe meiner Expedition, fondern noch ein paar andere damit
verknüpfte Umstände machten mir denselben fast unerträglich.
Die Absichten nemlich, welche ich unter der Verschickung des
Klutscharews nach den Gebürgen gehabt hatte, wurden gänz-
lich vereitelt; ich erhielte weder Saamen von denjenigen Pflan-
zen, deren Bluhmen ich im Frühling felbst gepflickt hatte, noch
wurde das Gebürge Deliman untersucht. Nicht nur hatte die
Zubereitung der Vögel und Thiere für das Kayserliche Natura-
lien-Cabinet ihre Endschaft erreicht, fondern ich traf auch die
groffe Anzahl derjenigen, die fähon fertig waren, in dem jäm-
merlichsten Zustand an. Zu diesen Unglücksfällen gesellten sich
noch mehrere. Die Hälfte von dem bey mir befindlichen Sol-
daten - Commando und die brauchbarsten Matrosen wurden vom
Tode weggeraft, der Steuermann felbst aber verfiel in eine ge-
fährliche Krankheit. Man kan leicht erachten, wie mir bey
allem diesem zu Muthe gewesen fey, und mit welcher Zufriedenheit
ich meine Zeit zu Enzelli zugebracht habe? da theils die Jahres-
Zeit neue Beobachtungen zu machen verhinderte, theils mein
fast zweijähriger Auffenthalt in dem nordlichen Perfien viele
Neuigkeiten nicht versprechen konnte. Was mir noch allenfalls
merkwürdig zu feyn vorkam, das begreiffen folgende vermischte
Nachrichten.
Der Winter war dieses Jahr so streng, als er fit un-
denklichen Jahren nicht gewesen sein soll. Im December fiel
3. Wochen lang ein halb Mannes hoher Schnee. Die Orangen-
und besonders die Badranken - Bäume erfroren, und während
dieser Witterung bemerkte man beständig Stürme aus Osten.
Diese lokten in unglaublichen Heeren die roten Gänse von dem
oftlichen Ufer der Caspischen See nach dem westlichen, und da-
felbst fahe man nun auch die kleine Nadelfische (Sygnatus pe-
lagicus) die ich sonst weder da, noch in der Wolga angetroffen
habe. Zu Anfang des Jenners hörte diese Witterung auf, und
fogleich stellte sich auch der Frühling ein, - In
-. - - 503
- - In einigen aufgeschnittenen Wälzen fand ich Neunaugen
(Petromyzon). Sie sind auch zu Astrachan nicht selten, und
mit diesem Fisch vermehre ich also die Einwohner der Caspischen
See. Die Fischer wollen nicht zugeben, daß der Schip eine
Spielart des Störs fey; er ist es aber wirklich, und von dem-
felben bloß durch feine Glätte und durch feine etwas spitziger
Schnauze unterschieden. -
Ich habe schon erinnert, daß in Gilan und Masande
ran eine große Menge Kröten vorhanden sein. Von denjenigen,
die sich im Waffer aufhalten, giebt es auffer der Rana tem-
poraria eine große Lachkröte, die besonders gegen die nächtliche
Zeit einen folchen Ton von sich giebt, der mit der Stimme ei"
nes kollernden Menschen viele Aehnlichkeit hat. Sie kam für
einen Riesen unter ihren Cammeraden gelten: der Gestalt nach,
kommt sie mit der Rana temporaria überein, aber fie ist brei-
ter und kürzer. Wirklich halte ich sie für eine noch ganz un-
bekannte Art, die anderwärts ausführlicher beschrieben werden
oll.
f Auch an verschiedenen Arten von Eideren ist die Pro-
vinz Gilan reich, und eben so halten sich in derselben die Schlan-
gen in Menge auf.
Den ganzen Winter über beschäftigen fich die Kaufleuthe
mit dem Einpacken der Seide. Sobald folche abgewunden ist,
wird sie von besonders dazu bestimmten Leuthen gereiniget, von
denen ein jeder täglich 20. Cop. Lohn bekommt. Die gereinigte
Seide wird in drey oder viertehalb Ellen lange wurstförmige
Ballen zusammengepackt. Zu diesem Zusammenpacken aber wer-
den drey Perfonen erfordert, zwo, die mit einem ungefähr an-
derthalb Ellen langen, runden, armsdicken Holze die Seide zu-
fammen schlagen und ein dritter, der sie mit einem Strick zu-
fammenzieht. Ein jeder von diesen dreyen bekommt für jeden
Batman 25. Cop. und 12. Batman werden gemeiniglich in je-
den Ballen gepackt. Die Armenier pflegen die obere Seiden-
lage in diesen Ballen zu kämmen, um dadurch ihrer Waare ein
gutes Ansehen zu geben, aber die Fabrikanten beklagen sich über
diesen betrügerischen Kunstgriff, und es ist ihnen lieber, wann
IMON
504 •, K. -
man die Seide in ihrem natürlichen Zustand läßt, fo wie sie
von der Schale kommt. Eben so fehlen fiel es auch gerne,
wann fiel kurz gewunden wird, weil niemlich eine langaufgewun-
nene Seide schwehr abzuwinden ist.
Im December-Monath landete ein Schiff in den En-
zellischen Hafen an, welches bestimmt war, den Fischfang
bey der Swidura abzuwarten. Es kommen in dieser Ab-
ficht jährlich welche an, sehr oft begeben sie sich auch nach dem
Kur. Warum man sich nicht der Astrachan viel näher gele-
genen Samura zu diesem Ende bediene, verursacht ohne Zwei-
fel der steinigte Muschelgrund, welcher den Schiffen in der Ge-
gend von Derbent schon öfters gefährlich worden. Man kau
diesen Fischfang in der Caspischen See füglich mit dem Hee-
rings- und Stockfischfang in Europa vergleichen, und in dieser
Rücksicht kan man ihn als einen Artikul der Handlung betrach-
ten. Vom Ausgang des Hornungs an bis in die Mitte des
Märzen, zu welcher Zeit nemlich die Fische sich aus der See
nach den Flüffen in einer auffrordentlichen Menge begeben, um
daselbst zu laichen, wird der Caspiche Fischfang getrieben, und
es liefert derselbe Störe, Schips, Sewrugen, Belugen, rothe
und weiße Lachse. Man gewinnt die Fische in einer fo unge-
heuren Menge, daß binnen 14. Tagen und längstens binnen
3. Wochen alle vorhandene Schiffe beladen werden, aber auch
während dieser Zeit müssen die Leuthe im arbeiten fo unermü-
det sein, daß sie auch der nächtlichen Zeit nicht schonen können,
wollen sie anders ihren Vortheil nicht verscherzen. Mit dem
Fischfang febsten geht es gar nicht künstlich zu, sondern man
bedient sich kurz und gut der durch die Erfahrung erlangten Wis
fenschaft, daß sich die Fische zu ermeldter Zeit, durch den Trieb
sich fortzupflanzen aufgefordert, von der Tiefe des Waffers nach
der Oberfläche defelben begeben. Man nimmt Stangen von 1.
bis 3. Faden in der Länge, an deren Spitze befestigt man ei-
ferne Haken, stellt sich mit denselben am Rande des Ufers, und
fährt fo lang im Waffer herum, bis einer von denen nach der
Oberfläche fich begebenden Fischen an erwehnten Haken hangen
bleibt, alsdann zieht man in aller Geschwindigkeit die Stange
fammt dem Fische aus dem Waffer ans Land. Es ist
- - Q",
•A, P. „F 505
bar, daß die Rußische Musuren noch bis jeßo den Handgriff
nicht erlernt haben, mit ermeldten Stangen selbst gut umzu-
gehen, sondern genöthiget find zu Vollziehung dieser Sache
Perfer zu miethen, die sich für ihre Arbeit stückweise, gemei-
niglich 3. bis 6. Cop. für einen Fisch, je nachdem solcher groß
oder klein ist, bezahlen laffen. -
Der Caspiche Fischfang, mit welchem sich die Ruffen
in einem fremden Land abgeben, ist nicht mit fo vielen Schwü-
rigkeiten verbunden, und giebt zu keinen folchen Jalousien An-
laß, als der Heerinas - Fang. Die Perfer verabscheuen den
Gebrauch der Accipenfers, fowohl in Genua, pres Fleisches,
als in Betracht des Kaviars, und kaum begreiffen sie jetzo, zu
was der Leim dienlich fey. Sie sehen daher ganz gelaffen zu,
wann Rußische Schiffe kommen, und fich diese in ihren Augen
nichtsgeschätzte Naturgefchencke anmaffen. Jedoch nimmt Fetch
Ali Chan für die Freyheit, die er den Ruffen zugesteht, einen
gewiffen Tribut, Hedaet Chan aber läßt sich mit einem beliebi-
gen Geschencke abfertigen. Die zu diesem Fischfang ausfahrende
Schiffe find mit allen denjenigen Materialien und Handwercks-
leuthen von Astrachan aus versehen, die fowohl zu dem Fang
felbsten, als zu dem Transport nothwendig find ; jedoch werden
die Kaviar - Fäffer um den Schiffraum in der Hinreise zu ge-
winnen, erst an Stell und Orth verarbeitet, dann man belader
gewöhnlicher Weise, um doppelten Gewinst zu bekommen, die
Schiffe mit Kaufmanns-Waaren. Gleichfalls find diese ver-
pflichtet, das benöthigte Salz von Astrachan mitzunehmen, da-
mit die Krons-Regalien keinen Abbruch leiden; fonst könnten
fie gutes und auch Steinsalz in Persien weit wolfeiler erhalten.
-
Es ist eine ausgemachte Sache, daß die Perfische Fische
um die Hälfte schlechter sind, als die Astrachanische. Sie find
nemlich veil magerer, und gegen jene wie ausgezehrt; daher dann
auch die Rußischen Kaufleuche, die nach Astrachan kommen,
um Fische einzukauffen, für die Perfische nur halb so viel be-
zahlen, als für die Wolgische. Die Ursache dieses Umstands ist
ganz begreiflich. Die Perfische Fische genießen keine andere
Nahrung als diejenige, welche ihnen das gesalzene Seewaffer
Dritter Theil, S. s s abs
506 •A, H. „F-
abgiebt, so wird, um mich fo auszudrücken, ein beständiges
Larier-Mittel dem Ansatz des Fettes immer wiederstehen. Die
Wolgische Fische hingegen genießen in dem Waffer, darinnen
fie sich aufhalten, eine gefunde , eine erquickende, eine sich
mehr ansetzende Nahrung, und daher werden sie fett. Schmecken
nicht aus eben dem Grund die Sterletten in Rußland beffer,
als in Astrachan? Woher entstehen die Belugen - Steine, denen
die Ruffen und Armenier so erstaunend viele heilsame Würckun-
gen zuschreiben? Wirklich um der Fische willen würden keine
Rußische Fahrzeuge nach Persien fahren; fie thun es hauptsäch-
lich des Kaviars wegen. Noch größere Vortheile würden fe, zie-
Hen, wann f- fe, sei kein ernstlicher angelegen feyn lieffen.
Aus dem zweiten Theil dieses Tagebuchs erhellet , wie
und auf was Art der Fischleim zu Astrachan bereitet werde.
Ich habe nemlich angezeigt, daß die aus den Fischen frisch her-
ausgenommenen Blase zuvörderst abgewaschen und fodann in die
freye Luft gelegt werde, fo, daß die innere Haut unten und
die äußere oben zu liegen kommt. Sobald nun jene abgesondert
ist, wird sie in naßgemachte Leinwand geschlagen, aufgerollt,
zwischen 3. Klößchen schlangenförmig gewunden, sodann an Fäden
in der Luft aufgehangen, damit alle Feuchtigkeiten verdunsten
mögen. Um also guten Leim zu bekommen, wird hauptsächlich
ein forgfältiges trocknen der Blase erfordert. Man muß daher
auf den Fischwehren gut eingerichtete Zimmer haben, in welchen
diefes Trocknen besorgt werden kan. Und weil diese in Astra-
chan vorhanden find, weil man besonders in neueren Zeiten sehr
forgfältig damit zu Wercke geht, so kan sich der Astrachanische
„Fischlein derjenigen Güte rühmen, die ihn so vorzüglich macht.
Warum taugt also der Perfische nichts? diejenige Waragen,
fo die Ruffen in Persien angelegt haben , find fähilferne
Hütten, durch welche die Feuchtigkeiten der Luft beständig ein-
dringen, und daher das austrocknen des Leims verhindern. Der
Perfische Leim also, als Leim, ist nicht daran schuld, daß er zu
Astrachan untauglich befunden wird. Würde man ihn gehörig
trocknen, würden in Persien zu diesem Ende brauchbare Häuser
erbaut, welches um fo nöthiger wäre, weil in diesen Gegenden
die Luft mit so vielen Ansdünstungen, hauptsächlich zur Laichzeit
- - der
•A, - „F 507
der Fische, angefüllt ist, so würde der Perfische Leim aben die
jenige Vorzüge erhalten, die der Astrachanische hat, und es
würden dann daher die nach Persien des Fischfangs wegen ab-
gehende Fahrzeuge mit größerem Profit zurückkommen, als es
jetzo geschieht.
In diesem Jahr brachten die Rußische Kaufleuche eine
Waare nach Persien, die fonst niemals gebracht worden, nem-
lich verfüllten Astrachanischen Weinbrandtewein von der Fa- -
brike des Hrn. Obersten v. Beketoff. Die Perser kauften ihn
begierig auf, und bezahlten ihn theuer. Wie man in Rußland
den ausländischen Danziger Brandtewein vermöge des Astracha-
mischen füglich entbehren kan, also können auch in Zukunft mit
eben demselben die Muselmänner reichlich versehen werden.
Den zehnten Februar Anno 1772. verließ ich mit dem
nachgebliebenen Rest meiner Expedition den Enzellischen Hafen,
und fegelte nach der Mündung der Swidura um daselbst die
Reisekost und Orange - Früchte einzunehmen. Weil es einige
Tage fähien, als wann sich die Luft vorgenommen hätte sich
nicht mehr zu bewegen, so kam ich an den Orth meiner Be-
stimmung erst den zwanzigsten an. Da fahe ich dem Fisch-
fang, den ich erst beschrieben habe, selber zu. Da vermehrte
ich die Liste der Perfischen Thiere mit wilden Katzen. Da be-
merkte ich, daß sich die Frühlings - Flora eben fo wie zu Räscht
verhalte, und unweit des Ufers fand ich vielen Eifenfand. Bey
dem Proviant, den ich hier einkaufte, führe ich an, daß der
Kaviar am besten frisch erhalten werde, wann man ihn in den
Magen des Soms oder in aufgeschnittenen Sewrugen verwahrt.
Den eilfen März lichteten wir den Ancker, und ich
befahl dem Steuermann , gerade auf Derbent loszufeuren.
Von dem Tage der Abreise an bis in die Gegend des Niefa-
bethischen Hafens übte Aeol seine Grausamkeit an unserem Schiff
auf eine aufferordentliche Art aus: wann man auch durch das
Laviren des Tages. über ein paar Meilen zurückgelegt hatte,
mußte man doch des Nachts wieder ebenfo weit in die See zurück-
gehen, um der Gefahr des Strandes zu entgehen. Bei diesen
S. s s 2 widri-
508 A, I „F-
widrigen Stürmen wurden auch die geflügelte Einwohner der
Luft unruhig, und diejenige, die fich von dem Land nur ein
wenig zu weit entfernt hatten, fuchten, wann es nicht Schwimm-
Vögel waren, auf unserem Schiff ihre Zuflucht.
Den neun und zwanzigsten, als wir uns eben in der
Gegend von Niefabat befanden, wurd der Sturm so heftig, daß
man Ancker werffen mußte. Gr hielte zwoymal 24. Stunden
an, wir verlohren in demselben alle vorräthige Ancker die wir
uns zu Enzelli nach dem Unglück zu Medschedizär wieder ange-
fchaft hatten, bis auf den lezten. Ich war also genöthiget den
Gedancken nach Derbent zu gelangen, wieder fahren zu laffen,
da noch überdies das Schiff leck worden. Man hielte deswe-
gen den Curs gerade nach Norden.
Den fünften April stieg ich bey der Wataga Lagau
ans Land. Den zehnten kam ich auf meiner Schaluppe in
Astrachan an, und priese mit einer sonderbaren Empfindung
meines Herzens den, der mich eine so bedenckliche Reise glücklich
und vergnügt vollenden laffen. -
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